Cresconius Afer, Concordia canonum
Fulda, Benediktinerkloster (?) — 9. Jh., 1./2. Viertel
Provenienz: Zwischen 1556 und 1573 in Fulda von Matthias Flacius erworben (vgl. Cod. Guelf. A Extrav.,p. 302 [297]) unter Nr. Z 53 der Papalia miscellanea als Decretum Crisconii Canonum 301 nachgewiesen; seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt. 1644 im Katalog der Helmstedter Universitätsbibliothek (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 26r) als Canones sanctorum patrum à Cresconio collecti in membrana, ohne band. Im schrank 2 unter den Juridici MSSti in quarto beschrieben, auf dem VS die zugehörige Helmstedter Signatur J. 4to 10. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 421 vermerkt.
, 102; , 20). Aus dem Nachlass von Matthias Flacius am 20.4.1597 von Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg für die Wolfenbütteler Hofbibliothek erworben; 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Pergament — 91 Bl. — 20 × 14,5 cm
Lagen: 10 IV (80). VI-1 (91). Lagenbezeichnungen in römischen Zahlen, häufig rubriziert mit brauner Strich- und Punktverzierung in Kreuz- oder Rhombenform auf der letzten Versoseite jeder Lage. In Lage V auf der ersten Seite der Lage, Blattmitte unten I-X. Moderne Bleistiftfoliierung. Schriftraum: 16–16,5 × 9,5–10 cm, einspaltig (89r–91r vierspaltig), 32 Zeilen. Karolingische Minuskel von vier Händen. Hand A: 1r–v; Hand B (Schreiber Ercanberhtus): 2r–88v; Hand C: 89ra-91rc; Hand D: 91v. Die Schrift steht unter insularem Einfluss (vgl. , Fuldaer Studien, in: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-philologische und historische Klasse 3. Abhandlung, München 1925, 18–21, hier 19). Rubriken und Überschriften in rubrizierter oder rot-schwarz alternierender Unzialis. Zu einzelnen Textabschnitte überwiegend rote 1–2zeilige Satzmajuskeln mit gelben oder taubenblauen Füllungen der Binnenfelder. Gelegentlich schwarze Majuskeln mit roter Füllung. Einige Binnenfelder enthalten die nachfolgenden Buchstaben des ersten Wortes (vgl. 39r).
Halbledereinband mit braunem Kiebitzpapierüberzug (vgl. auch Cod. Guelf. 656 Helmst.). Laut Bibliotheksrechnung (BA III, 5 unter Nr. 21: Crisconii Decreta) angefertigt 1763 vom Buchbinder Anton Friedrich Wirck in Helmstedt.
INHALT
1r Decreta concilii Coloniensis a. DCCCLXXXVII habiti (partim; 5, 211–215 Nr. 20, hier 214 Z. 3–13). 1r : De institutione regia (partim; Jonas d'Orléans: Le métier de roi. Introduction, texte critique, traduction, notes et index par ; , Paris 1995, 147–285, hier 180–182 6, 431f.). 2r–79r : Concordia canonum ( 88, 829C–942D; 1769; , Prolegomena to a Critical Edition of the Letters of Pope Leo the Great. A Study of the Manuscripts, PhD Diss., University of Edinburgh 2015, 136–144). 79v–88v Appendix ad concordiam canonum Cresconii ( 62, 511A–516A; 9007). 81r Canones II ( Die Concordia canonum, 87 Nr. 2 [mit dieser Hs., Sigle W]). 81r–83v : Ep. 14 cum ultima parte epistulae VII suppleta ( 54, 668A–677A und 621B–622A; 1656). 83v–85r : Ep. 71 ( 55, 1–7; 620; 71). 85v–87r : Epistula ad Constantinum IV imperatorem ( 87, 1261C–1265C; 1170). 87r–88r : Expositio fidei ( 87, 1265C–1267B; 1171; 1808). 88r–v : Expositio de secreto gloriosae incarnationis domini nostri Jesu Christi ( 195). 88v Versus Ercanberhti scribae (Tres digiti scribunt: A typology of late-antique and medieval pen grips, in: Music and medieval manuscripts. Paleography and performance. Essays dedicated to Andrew Hughes, edited by and , Aldershot, Burlington 2004, 20–59 [20 und 53 Nr. 6 Kolophon und Hs. genannt]). 4, 1062 Nr. XV [nach dieser Hs.]; 19381; 3911; , 89ra–va Glossarium ad regulam sancti Benedicti ( , Bd. 1, 131 Nr. 967 und 555 Nr. 967, Bd. 2, 1028 Nr. 967 und 1230 Nr. 967 (jeweils diese Hs.)).
AUSSTATTUNG
Kreuz- und Punktverzierungen.Kreuzverzierungen: Die verblasste Schreiberinschrift in litterae elongatae auf 88v wird seitlich durch lateinische Kreuze kombiniert mit schräg aufgelegten Kugelstabkreuzen gerahmt. Die Kreuzarme werden an den Enden durch jeweils eine Kugelverzierung begleitet; die Kugelverzierungen und Kreuze in den gegenteilig gesetzten Farben Rot und Schwarz. Die erste Zeile wird durch rote Kreuze, die zweite durch schwarze Kreuze flankiert. Anschließend an den Textschluss folgt ein rotes lateinisches Kreuz mit roten Pendilien. 1,2–1,5 × 0,7–1,2 cm. Zu den Punktverzierungen s.o. (Lagenbezeichnungen).
STIL UND EINORDNUNG
Die Handschrift wird paläographisch in das Benediktinerkloster Fulda lokalisiert, wo sie vermutlich im 2. Viertel des 9. Jh. entstanden ist (vgl. , Fuldaer Studien, in: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-philologische und historische Klasse 3. Abhandlung, München 1925, 18–21; , Fulda scribes at work. Bodleian Libreary manuscript Canonici Miscellaneous 353, in: Bibliothek und Wissenschaft 8 [1972], 287–316, hier 314). Der in der Schreiberinschrift genannte Ercanberhtus ist unter den Fuldaer Schreibern und Mönchen nicht eindeutig zu identifizieren (vgl. , Fuldaer Studien. Neue Folge, in: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-philologische und historische Klasse 2. Abhandlung, München 1927, 47–50; Die Klostergemeinschaft von Fulda im früheren Mittelalter, unter Mitwirkung von G. Althoff u. a. hrsg. von K. Schmid, Bd. 2,1–3: Kommentiertes Parallelregister und Untersuchungen, München 1978 (Münstersche Mittelalter-Schriften 8,2,1), 241 Nr. MF 86). Da kein Initialschmuck vorliegt, ist eine kunsthistorische Einordnung nur eingeschränkt möglich. Die farbig abgesetzten Auszeichnungsschriften mit taubenblauer und gelber Füllung, sowie die mehrreihig und dreieckig gesetzten, punktförmig Verzierungen (vgl. Verzierungen der Lagenbezeichnungen auf 32v und 72v) begegnen in Fuldaer Handschriften beginnend mit dem Evangeliar aus dem Halberstädter Domschatz Halberstadt, Domschatz, Inv.-Nr. 467 (olim M 46); , 142–145; , 32, Nr. 18, Taf. 21–24) aus dem frühen 2. Viertel des 9. Jh. Es folgen weitere Handschriften mit ähnlichen Randverzierungen (München, BSB, Clm 8114; Frankfurt, UB, Ms. Barth. 32; Fulda, 3. Jahrzehnt 9. Jh. - , Nr. 29 und 15).— , Welche erhaltenen mittelalterlichen Handschriften dürfen der Bibliothek des Klosters Fulda zugerechnet werden? Teil 1: Die Handschriften, Frankfurt/M. 1995 (Fuldaer Hochschulschriften 23a), 48f. , 117f. Nr. 16 ( ). — , Nr. 967. — , Nr. 7342. — , Äbte und Mönche als Vermittler von Texten auf karolingischen Synoden, in: Karolingische Klöster. Wissenstransfer und kulturelle Innovation, hrsg. von , und , Berlin, Boston 2015 (Materiale Textkulturen 4), 211–225, hier 217. — , German Anglo-Saxon minuscule in Würzburg, in: Scriptorium: Wesen – Funktion – Eigenheiten. Comité International de Paléographie Latine, XVIII. Kolloquium, St. Gallen, 11.–14. September 2013, hrsg. von u. a., München 2015, 309–324, hier 316. — (vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB).
, 8 Nr. 146. — , Nr. 940 (Heinemann Nr.). — , Fuldaer Studien, in: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-philologische und historische Klasse 3. Abhandlung, München 1925, 18–21. — , Fuldaer Studien. Neue Folge, in: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-philologische und historische Klasse 2. Abhandlung, München 1927, 47–50. — , Fulda scribes at work. Bodleian Libreary manuscript Canonici Miscellaneous 353, in: Bibliothek und Wissenschaft 8 (1972), 287–316, hier 314, Abb. nach 316). — , Hrabanus und das Recht, in: Hrabanus Maurus. Lehrer, Abt und Bischof, hrsg. von und , Wiesbaden 1982 (Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, Einzelveröffentlichung 4), 118–129, hier 126f. — , 283. —Abgekürzt zitierte Literatur
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).