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Beschreibung von Cod. Guelf. 863 Helmst. (geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.)
Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms "Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung"

'Mittelniederdeutscher Stimulus amoris'

Papier, Pergament — 128 Bl. — 22 × 16 cm — Südniedersachsen — um 1470

Papier Pergament Papier, das jeweils äußerste und innerste Doppelbl. jeder Lage Pergament. Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen, darüber zweikonturige Stange, darüber zweikonturiges Kreuz, darüber Blume: WZIS AT3800-PO-69004 (1472), DE8100-PO-69182 (1473), DE6405-PO-68989 (1469), DE2610-PO-69179 (1470), DE8085-PO-69003 (1471, ein weiterer Typ nicht nachweisbar). Ochsenkopf mit Augen, darüber zweikonturige Stange, darüber Blume, darunter zwei Knospen: WZIS DE5580-Clm_14544_163 (1470–1473). Lagen: 3 VI (36). 3 VII (78). 3 VI (114). VII (128). Kustoden in arabischen Zahlen auf dem oberen Bundsteg der ersten Rectoseite der Lagen (mit Ausnahme der ersten und letzten): 2us9us. Im vorderen unteren Drittel Schwemmränder eines schweren Wasserschadens, in den letzten Lagen Beschreibstoff beschädigt und eingerissen, z. T. Textverlust. Schriftraum: 16–16,5 × 11 cm, einspaltig, 30–37 Zeilen. Regelmäßige Bastarda mit Schlaufen von einer Hand, die auch die meisten marginalen Korrekturen hinzufügte; nur wenige Marginalien einer zweiten Hand. Rubriziert, rote Lombarden, meist mit Punktverdickungen und Silhouettenornamenten, einige auch als Fleuronnéelombarden mit schlichten vegetabilen und geometrischen Ornamenten im Binnenfeld ausgeführt.

Spätgotischer Koperteinband aus Kalbspergament, Haarseite außen, hinterer Umschlag beschädigt, im Gelenk eingerissen. Die Lagen sind lediglich an Kopf und Schwanz mit Kettenstichheftung direkt durch den Umschlag geheftet; Heft- oder Rückenverstärkungen fehlen. Die vom HD ausgehende Umschlagklappe mit dem Wickelverschluss wurde entfernt.

Herkunft: Der Codex wurde nach Ausweis der Wasserzeichen und der Schreibsprache um 1470 im südlichen Niedersachsen, genauer im westlichen Bereich des ostfälischen Sprachraums, geschrieben. Lokal, zeitlich und schreibsprachlich steht er Cod. Guelf. 138 Helmst. mit der mndt., sog. ostfälischen Klosterversion von Hugo Ripelins 'Compendium theologicae veritatis' ebenso nahe wie Cod. Guelf. 761 Helmst. mit der mndt. Übersetzung von Bonaventuras 'Legenda maior s. Francisci'. Wo genau diese und andere mndt. Bonaventuriana entstanden sind, kann gegenwärtig nicht näher bestimmt werden. — Der Codex dürfte zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Besitz eines der im Braunschweiger Raum gelegenen Klöster gelangt sein; da Besitz- oder Einkunftsvermerke fehlen, kommen beispielsweise die Augustiner-Chorfrauenstifte Heiningen oder Marienberg bei Helmstedt als Vorbesitzer in Betracht. — Sofern dies zutrifft, befand sich die Hs. seit 1572 in der Wolfenbütteler Hofbibliothek, wo sie erstmals 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 301 [296]) unter Nr. Z 30 der Gruppe Papalia miscellanea gemäß der von ihm selbst eingetragenen Inhaltsbestimmung (s. unten) nachgewiesen als: Stimulus Amoris Bonaventurae Cardinalis verdeutscht: De Reytzinge der Liebe, Is Innig ding, manuscr. 1618 in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt, 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 17v) als Stimulus Amoris de passione domini nostri Ihesu Christi unter den Theologici MSSti in quarto genannt; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 949 aufgeführt.

Heinemann Nr. 962. — Lübben 1, 70. — Handschriftencensus Nr. 6716.

Schreibsprache: Ein "westliches Ostfälisch" (Eisermann Stimulus amoris, 439.).

VS Inhaltsangabe (15. Jh..): In dusseme boke stan twe boke des hogen lerers vnd Cardinals Bonaventuren. Dat erste ys to latine geheyten 'Ecce descripsi eam tibi tripliciter'. Dat andere gheyt also an 'Ad te levavi' vnd ys geheyten 'Stimulus amoris' vnd ys ynnig dyng. Demnach enthielt der Codex ursprünglich noch eine mndt. Übersetzung von Bonaventuras 'De triplici via', die jedoch mindestens seit dem frühen 17. Jh. fehlt (vgl. den oben zitierten Inhaltsvermerk). Darunter Inhaltsangabe von der Hand des Wolfenbütteler Bibliothekars Liborius Otho: Stimulus Amoris Bonaventurae Cardinalis verdeutscht.

1r–128r 'Mittelniederdeutscher Stimulus amoris'.
(1r–2r) Vorrede. ›Dut bock is gheheten de reytzinge der leue‹. Tho dek o here hebbe ek ghehouen myne zele myn god in dek truwe ek … — … dat de gnade vnses leuen ghecruecigheden heren Ihesu Cristi is vuchtich maken.
(2r–3v) ›Dut is dat register des boykes‹. Wu sik de mynsche schal tho der leue goddes erwecken I … — … Eyn betrachting ouer dat 'Salve regina'. Eyn beschriuing der hymmelschen stad Iherusalem. Das Register verzeichnet 69 in marg. gez. Kapitel.
(3v) ›Dut boick is gheheten de reytzinge der leue‹. Dorchdruecke du aller zoteste here Ihesu dat margh myner zelen myd der zoetesten vnde heylsammesten wunde dyner leue … — … oppe dat myt [me] alle creature loue den here. Hir vmme schal vnse duet boyk also ghe endighet vnde besloten werden dat alle gheys[ter] loue den heren. Amen. Der Text enthält neben Prolog, Register und Eingangsgebet 70 Kapitel des lat. 'Stimulus amoris maior II', deren Gliederung nicht durchgehend mit der Gliederung des lat. Urtextes übereinstimmt: Kap. II.2, II.6, II.3–5, II.9, II.1, II.10, III.1–6, I.1–6/1, I.7/1, I.6/2, I.8–11, II.17, III.7–11, Sondergut, I.12–13, I.9 (wiederholt), I.7/2, I.14, I.15, III.12, III.14, III.15, II.18, II.11–16, II.8 und III.16–20; vgl. die unten gen. Literatur. Der Codex repräsentiert als bislang einziger bekannter Textzeuge die mndt. Übersetzung des 'Stimulus amoris maior II'. Zur Überlieferung der lat. Fassung vgl. bei Cod. Guelf. 900 Helmst., 345v–364r. Literatur: Ruh Bonaventura, 276 Nr. G.8 (diese Hs.); Eisermann Stimulus amoris, 363, 427 Anm. 168, 428–430, 439–450 (jeweils Hs. genannt, 439f. beschrieben); Seewald, 11' (Hs. genannt); 2VL 9, 335–341 (338 Hs. genannt); 11, 1460.


Abgekürzt zitierte Literatur

Eisermann Stimulus amoris F. Eisermann, 'Stimulus amoris'. Inhalt, lateinische Überlieferung, deutsche Übersetzungen, Rezeption, Tübingen 2001 (MTU 118)
Handschriftencensus Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Lübben 1 A. Lübben, Die niederdeutschen, noch nicht weiter bekannten Handschriften der Bibliothek zu Wolfenbüttel, in: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 6 (1880), 68–74
Ruh Bonaventura K. Ruh, Bonaventura deutsch. Ein Beitrag zur deutschen Franziskaner-Mystik und -Scholastik, Bern 1956 (Bibliotheca Germanica. Handbücher, Texte und Monographien aus dem Gebiete der germanischen Philologie 7)
Seewald G. Seewald, Die Marienklage im mittellateinischen Schrifttum und in den germanischen Literaturen des Mittelalters, Phil. Diss. (masch.) Hamburg 1952
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.
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