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Beschreibung von Cod. Guelf. 884 Helmst. (geplant: Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser.)
Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil V: Cod. Guelf. 616 bis 927 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms "Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung"

Nicolaus de Byarto

Papier — 221, I Bl. — 21 × 14 cm — Northeim, Benediktinerkloster St. Blasius — um 1440

Wasserzeichen: Antoniuskreuz, darüber einkonturiges Kugelstabkreuz: WZIS DE0960-Hdschr.147_999 (15. Jh., 2. Drittel, vier weitere Typen nicht nachweisbar). Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Stern: WZIS DE7710-PO-75795 (1441). Lagen: II (ungez.). 17 VI (206)! VI+1 (217)! Kustoden in Minuskeln, erheblich durch Beschnitt fragmentiert (as) auf dem Kopfsteg der ersten Rectoseite jeder Lage. Zeitgenössische Tintenfoliierung ab dem Textbeginn ICCXVI, die ersten vier Bl. ungez., ebenso das hintere Vorsatzbl.; auf Bl. 217 fehlt die Zählung durch Papierbeschädigung. Zählfehler: Bl. CXXVII und Bl. CLXXVII übersprungen, Bl. CCVI doppelt gez. Das letzte Papierbl. des Buchblocks ist an den oberen Ecken erheblich beschädigt; Textverlust. Schriftraum: 15–15,5 × 9,5–10 cm, einspaltig, 25–27 Zeilen. Regelmäßige Bastarda, an den Oberlängen der Buchstaben z. T. schlaufenlos, meist mit Schlaufen, von einer Hand. Rubriziert, rote Lombarden, meist nur in Umrisszeichnung.

Spätgotischer Holzdeckelband mit ungefärbtem Schweinslederbezug; die Deckel sind an den Kanten mit einer breiten Fase versehen. Streicheisenlinien. Einzelstempel Lilie, Mittelblatt rhombisch, unterer Abschluss nicht lilienförmig: EBDB s005854. Blüte, Vierblatt ohne Zwischenblätter: EBDB s001888, s001891. Geometrisches Ornament in Raute: EBDB s003251. Rosette, ein Blattkranz, fünfblättrig: EBDB s006617, s006645. Sämtlich der Werkstatt "Pelikan 50/51" (EBDB w000255) zugeordnet. Stern, sechsstrahlig: EBDB s008831. Der Werkstatt "Pelikan 52" (EBDB w000979) zugeschrieben; beide Werkstätten gehören ins Northeimer Blasiuskloster. Drei Doppelbünde, dazwischen alternierend zwei einfache Zierbünde ohne Heftfunktion. Kapital an Kopf und Schwanz mit ungefärbten Lederstreifen umflochten. Zwei Langriemenschließen, Ösen am Rand fein gezähnt und am oberen Ende gewellt, dazu mit einer Öse für die (nicht erhaltenen) Zugriemen. Auf VD und HD finden sich jeweils fünf aus einer rhombischen, randlich gekerbten Platte getriebene Hohlbuckel. Zu weiteren ähnlichen Einbänden aus dem Benediktinerkloster St. Blasius in Northeim vgl. die Liste bei Cod. Guelf. 695 Helmst. Auf dem VD Spuren eines entfernten Titel- und eines Signaturschildes.

Fragmente:
  1. Spiegel. Südniedersachsen. 13. Jh., 1. Hälfte. Pergament. 2 Doppelbl. 21 × 14 cm. Die beiden quer eingeklebten Doppelbl. stammen jeweils aus der Lagenmitte und sind erheblich angeschmutzt und berieben. Beide sind um die erste bzw. letzte Lage gehängt. Schriftraum: 12 × 8,5 cm (beschnitten), einspaltig, 16 tintenliniierte Zeilen erhalten. Regelmäßige frühe Textualis von einer Hand, Gesangsteile in kleinerer Schrift abgesetzt. Rubriziert, rote Lombarden und Satzmajuskeln. Auf dem VS als Federproben einige Lombarden in schwarzer Umrisszeichnung. VS, HS Psalterium feriatum (Fragm.). Erhalten sind auf den beiden Doppelbl. folgende Stücke: (VS) Officium defunctorum. Erhalten sind Responsorium und Versikel (CAO 7477 mit CAO 7477a) zur zweiten Lesung der ersten Nokturn, Lectio III (Eccl 12,1) mit Responsorium und Versikel (CAO 6507 mit CAO 6507a) sowie der Beginn der zweiten Nokturn mit dem Psalmzitat Ps 22,5–6, den Antiphonen CAO 3250 und 1191 sowie anschließend Lectio IIII (Is 26,19) mit dem Responsorium CAO 6811. Die erhaltenen Responsorien entsprechen nach Ottosen, 397–401 den weit verbreiteten Nrr. 72–24 und 32, so dass eine nähere Lokalisierung des Offiziums nicht mehr möglich ist. (HS) Psalterium. Erhalten sind Ps 14,5, eine anzitierte, nicht mehr identifizierbare Antiphon und Ps 15,1–10.
  2. Vorsatz. 11. Jh. Pergament. 1 Doppelbl. 21 × 14 cm. Das Doppelbl. ist quer eingeheftet und um die letzte Lage gehängt. Schriftraum: 14 × 8 cm (beschnitten), einspaltig, 16 blindliniierte Textzeilen erhalten. Karolingische Minuskel von einer Hand. Über jeder Textzeile linienlose Metzer Neumen. Rubriziert, rote Lombarden. I*v als Federproben einige Lombarden in schwarzer Umrisszeichnung. I*rv Graduale (Proprium de tempore, pars hiemalis, partim). Erhalten sind in der korrekten Blattabfolge (I*v oben – I*r oben – I*r unten – I*v unten) das Offertorium CANTUS g01171 und die Communio CANTUS g00794 zu feria VI hebdomadae IV Quadragesimae; der Introitus CANTUS g00795 mit Versikel CANTUS g00795b, das Gradualresponsorium CANTUS g00796 mit Versikel CANTUS g00796a, das Offertorium CANTUS g00798 und die Communio CANTUS g00799 zu sabbato hebdomadae IV Quadragesimae sowie direkt anschließend der Introitus CANTUS g00800 mit Versikel CANTUS g00800c, das Gradualresponsorium CANTUS g00801 mit Versikel CANTUS g00801a, der Tractus CANTUS g00803 mit den drei Versikeln CANTUS g00803a–c und das Offertorium CANTUS g00807 zu Dominica I in passione domini.

Herkunft: Der Codex wurde um 1440 nach Ausweis des charakteristischen Einbandes im Benediktinerkloster St. Blasius in Northeim geschrieben. — Spätestens im Zuge der Neuordnung und -aufstellung der Konventsbibliothek im Jahre 1517 gelangte die Hs. ins Benediktinerkloster Clus; das typische Signaturschild ist allerdings nur nach als Abklatsch erkennbar. — Am 3.2.1624 mit einem Großteil der Buchbestände des Konvents in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt. 1644 in deren Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 15v) gemäß der Titelaufschrift als Distinctiones Guidonis unter den Theologici [MSSti] in quarto nachgewiesen, im Katalog von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 670 genannt.

Heinemann Nr. 986. — Lesser Clus, 198, 221.

Ir Inhaltsangabe von Schreiberhand: Distinctiones Gwidonis, Iv leer.

IIrIVr Tabula alphabetica Summae de abstinentia. Abstinencia quedam detestabilis quedam commendabilis I. Acquisicio regni celestis multipliciter contigit IIII … — … Zelus hominis bonus CCVII. Zelus hominis malus est CCVIII. Die Tabula referenziert auf die originale Foliierung der Hs. und weicht von den Ausgaben ab, vergl. VD16 N1518, Ff 5vFf 7v. – IVv leer.

1r217r Nicolaus de Byarto: Summa de abstinentia. Abstinencia est duplex quedam detestabilis quedam commendabilis. Detestabilis reperitur in avaricia [!] ypocritis et gulosis … — … unde sic zelantibus non parcet in futuro zelus domini. Prov. VI: Zelus et furor viri non parcet in die vindicte [Prv 6,34]. Amen. Expliciunt distinctiones Gwidonis. Pharetra. Kapitelgliederung und -abfolge weichen z. T. von der vergl. Ausgabe ab. Drucke: RETM N1130-10/5–10/40; GW M26328M26334; VD16 N1518N1525, ZV 11686, hier VD16 N1518, A 2rEe 6v (vergl.). Literatur: Mohan, 123; Stegmüller RB 5695; Kaeppeli 3046 (Hs. genannt); Bloomfield 1841; S. Delmas, La Summa de abstinentia attribuée à Nicolas de Biard. Circulation et réception, in: Entre stabilité et itinérance. Livres et culture des ordres mendiants XIIIe–XVe siècle, hrsg. von N. Bériou, M. Morard und D. Nebbiai, Turnhout 2014 (Bibliologia 37), 303–327 (316 Hs. genannt). – 217v leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bloomfield M. W. Bloomfield, Incipits of Latin Works on the Virtues and Vices 1100–1500 A.D., Cambridge/Mass. 1979 (Publications of the Medieval Academy of America 88)
CANTUS CANTUS: A Database for Latin Ecclesiastical Chant. Indices of chants in selected manuscripts and early printed sources of the liturgical Office (https://cantusdatabase.org/)
CAO R.-J. Hesbert, Corpus antiphonalium officii, Bd. 1–6, Rom 1963–1979 (Rerum ecclesiasticarum documenta. Series maior 7–12)
EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
Kaeppeli T. Kaeppeli, Scriptores ordinis praedicatorum, Bd. 1–4, Rom 1970–1993
Lesser Clus B. Lesser, Die Benediktiner von Clus und ihre Bücher. Exemplarische Analyse und Rekonstruktion der Konventsbibliothek, in: Zentrum oder Peripherie? Kulturtransfer in Hildesheim und im Raum Niedersachsen (12.–15. Jahrhundert), hrsg. von M. E. Müller und J. Reiche, Wiesbaden 2017 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 32), 165–228
Mohan G. E. Mohan, Initia operum Franciscalium (XIII–XV s.), St. Bonaventure/NY. 1975–1978 (Franciscan Studies 35, 37, 38)
Ottosen K. Ottosen, The responsories and versicles of the latin office of the dead, Aarhus 1993
RETM Repertorium edierter Texte des Mittelalters aus dem Bereich der Philosophie und angrenzender Gebiete, 2. Aufl., hrsg. von R. Schönberger u. a., 4 Bde., Berlin 2011
Stegmüller RB F. Stegmüller, Repertorium biblicum medii aevi, Bd. 1–11, Madrid 1950–1980
VD16 Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts, Online-Ressource: http://gateway-bayern.bib-bvb.de/aleph-cgi/bvb_suche?sid=VD16
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.
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