Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung) (Vorläufige Beschreibung)

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 9 Weiss.

Hieronymus, Commentarii in Ezechielem

Hildesheim (?) — 11. Jh., 4. Viertel/um 1100

Provenienz: 2r Bendiktinerkloster Weißenburg, Besitzeintrag: Codex monasterii sanctorum Petri et Pauli apostolorum in Wyßenburg (durchgestrichen). Signaturenbuchstabe Weißenburg .C. (14.Jh.). 1r Eusebius super Ezechielem (15. Jh.). Darunter Blattmitte Jheronimus super Ezechielem. 264v Deficiunt octo capitula cum explanatione sua. Die Handschrift gelangte über Heinrich Julius von Blum 1690 in den Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig (Wiener Liste 2°30; Butzmann Weißenburg, 3–18).

Pergament — 264 Bl. — 33 × 25,5 cm

Lagen: 6 IV (48). V (58). II (62). VI (74). II (78). III+1 (85). II (89). III+1 (96). I+1 (98). III (104). 3 IV (89). III+1 (96). I (98). III (104). 3 IV (128). V+1 (139). II+1 (144). 3 IV (168). III (174). V (184). V-1 (193). III+1 (200). V (210). I+1 (213). II (217). III (223). V (233). 2 IV (249). III+1 (256). IV (264). Neuere Tintenfoliierung. 2r und 3r links oben mit Pergament geflickt, hierdurch auf 2r partieller Initialverlust. Schriftraum: 25 × 18,5 cm, einspaltig, 28 Zeilen. Karolingische Minuskel von mehreren Händen Ausführende Hand sehr ähnlich in Cod. Guelf. 8 Weiss. (Butzmann Weißenburg, 103). Buchüberschriften in rubrizierter und tintenfarbiger Capitalis Rustica. Seitentitel am oberen Blattrand. Doppelte und einfache s-förmige Zitatenzeichen am Textrand. 1v Federproben und Übungszeichnung einer Profilblattranke (um 1100).

Hellbrauner Schafsledereinband (1689 - Buchbinder Pertz und Wiedemann/Wolfenbüttel).

INHALT

2r264v Hieronymus: Commentarii in Ezechielem. Liber I-XI (PL 25, 15–374 B; CPL 587; CC SL 75).

AUSSTATTUNG

10 Initialen.

Initialen: Zu Beginn der Bücher und einzelner Prologe insgesamt 10 Initialen (2r - unvollständig, 2v, 3r, 25v 2x, 43v, 66v, 91r, 112r, 137v, 164v; 4,0–6,7 cm). Spaltleisteninitialen mit eng gespaltenen Stämmen (25r mit kleiner, einfach genagelter Spange). Initialstammfelder teils farbig ausgefüllt. Von den Stämmen ausgehend meist unregelmäßig in Schlaufen (vgl. 25v), teils auch in Knoten verlaufende Ranken, wobei die Abläufe die Stämme in großzügigen Schlaufen umschlingen oder durchstoßen. 43v, 137v und 164v axialsymmetrisch angelegte Abläufe. Initialstämme und Abläufe gelegentlich mit scharfwinkeligen Ecken (3r, 25v). Auf 43v in den Rankenverlauf eingepflegtes Kreissegment. Als Rankenbesatz finden sich einfach eingerollte kurze Triebe, Knospenendungen mit lappigen Blattansätzen (vgl. 112r), Knollenblätter (66v), Herzblätter (112r, 164v - als Silhouette), ein Fabelwesenkopf mit länglichen Ohren (66v) und auf 137v gegenständige Profilblätter.

Sämtliche Initialen ausgeführt in roter Federzeichnung ohne zusätzliche Kolorierung.

STIL UND EINORDNUNG

Der vorliegende Hieronymuskommentar wurde in der Forschung bisher paläographisch unterschiedlich bewertet. H. Butzmann gibt die Handschrift, wohl aufgrund der Provenienz, mit Fragezeichen nach Weißenburg (um 1100), während sie von H. Hoffmann (11. Jh., 3. Viertel), ebenfalls mit Fragezeichen, nach Hildesheim verortet wird (Butzmann Weißenburg, 103; Hoffmann Schreibschulen, Bd. 1, 319). Der einheitlich ausgeführte Initialschmuck zeigt mit seiner schlaufigen Rankenführung, den Besatzmotiven und den scharfkantigen Umbrüchen der Rankenverläufe deutliche Anknüpfungspunkte an die Hildesheimer Buchmalerei aus dem 4. Viertel des 11. Jh. (vgl. Cod. Guelf. 4.11 Aug. 4°). Darüber hinaus finden sich die für Hildesheimer Handschriften aus dem 11. Jh. typischen Regensburger Einflüsse. Äußerst ähnliche Ausführungen im Initialornament liegen in der Schwesterhandschrift, dem Jesajakommentar Cod. Guelf. 8 Weiss. vor. Für beide Handschriften wurden bereits von Butzmann Ähnlichkeiten in der Schrift festgestellt (vgl. Butzmann Weißenburg, 103). Das auf 164v verwendete Silhouettenornament spricht für eine Datierung um 1100.

Wolfenbüttel Weiss., Nr. 4093 (Heinemann Nr.). — Butzmann Weißenburg, 103. — Krämer, Bd. 1,1.2, 824. — Hoffmann Schreibschulen, Bd. 1, 319.


Abgekürzt zitierte Literatur

Butzmann Weißenburg H. Butzmann, Die Weissenburger Handschriften, Frankfurt/M. 1964 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 10)
CC SL Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 1–, Turnhout 1954–
CPL Clavis patrum Latinorum, hrsg. von E. Dekkers, Steenbrugge u.a. 31995 (Corpus Christianorum. Series Latina)
Hoffmann Schreibschulen H. Hoffmann, Schreibschulen und Buchmalerei. Handschriften und Texte des 9.–11. Jahrhunderts, Hannover 2012 (MGH Schriften 65)
Krämer S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1)
PL Patrologiae cursus completus. Series Latina, Bd. 1–221, hrsg. von J. P. Migne, Paris 1844–1865
Wiener Liste Liste der von H. J. Blum im Jahre 1673 der Wiener Hofbibliothek angebotenen Handschriften meist Weissenburger Herkunft, in: T. Gottlieb, Die Weissenburger Handschriften in Wolfenbüttel, Wien 1910 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse 163,6)
Wolfenbüttel Weiss. Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 3: Die Weissenburger Handschriften, beschrieben von O. von Heinemann, in: Die Handschriften der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, Abt. 2 Teil 5, Wolfenbüttel 1903, 268–443