Augustinus, In Iohannis epistulam ad Parthos tractatus. Gregorius I., Expositio in canticis canticorum
Lamspringe — 12. Jh., 4. Viertel
Provenienz: Im Innendeckel (VD) die alte Helmstedter Signatur T 4° 62. 1572 mit den übrigen Lamspringer Handschrift in die Wolfenbütteler Hofbibliothek überführt. 1588 von Eberhard Eggelinck unter den Pergamenthandschriften der Hofbibliothek (NLA – StA Wolfenbüttel, 1 Alt 22, 83, 22r–35v, hier 27v), als Expositio Augustini super Epistolam Johannis Apostoli vff Pergamein geschrieben, in quarto vnd bretern mit Pergamein [!] vbertzogen genannt. 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 305 [300]) unter den Papalia Miscellanea als S. Augustini Expositio super Epistolam Johannis Apostoli De Caritate Sermo primus sunt X omiliae manuscriptae in membrana optime. Ibidem Expositio in Cantica Canticorum Gregorii papae mit der Signatur Z 121 nachgewiesen. Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt, 1644 im Helmstedter Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 16r) als Augustini in Epistolam Johannis Homiliae decem In membrana. Gregorius Papa in Canticum Canticorum In membrana unter den Theologici MSSti in quarto beschrieben; auf dem Kopfsteg des VS die entsprechende Helmstedter Signatur T 4° 62. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 436 verzeichnet.
Pergament — 150 Bl. — 21 × 12 cm
Lagen: III+1 (7). 8 IV (71). III+1 (78). 8 IV (142). Lagenbezeichnungen: a (15v) bis i (71v); Ius (79r) bis VIII (135r). Als Spiegel die Blätter eines Antiphonars (11. Jh.). Schriftraum: 15,5 × 10 cm, einspaltig, 31 Zeilen. Carolino-Gothico von zwei Händen. Hand 1 (Scriptrix-Gruppe): 1r-75r, Hand 2 (Hamersleben-Gruppe): 75v-142v. Zur Scriptrix-Gruppe (Hand 1) gehörig: 443 Helmst., 447 Helmst., 482a Helmst. [1r-81v], 510 Helmst., 511 Helmst., 519 Helmst., 718 Helmst. [10v-97r], 723 Helmst., 943 Helmst., 1030 Helmst.). Zu Hand 2 besteht, laut Cohen-Mushlin, große Ähnlichkeit mit den Handschriften der Hamersleben-Gruppe: 204 Helmst. (beide Hände) und 475 Helmst., 1v-4 (Hand 2) und 480 Helmst., 1v ( , 165). Zu den Textabschnitten 2-5zeilige rote Initialmajuskeln mit Punktverdickungen (gelegentlich sternförmig eingefasst von Strichen). Ab 75v rubrizierte Textüberschriften, teils in Capitalis Rustica, und Satzmajuskeln im Text, rubriziert oder mit roten Begleitstrichen. Zitate am Rand durch ss gekennzeichnet (zum Teil begleitet von roten Pünktchen). Marginale Texte rot umrandet.
Romanischer Holzdeckeleinband mit hellem Lederbezug (unverziert). Der Einband ist identisch mit denen von folgenden Lamspringer Handschriften: Cod. Guelf. 443 Helmst., 475 Helmst., 480 Helmst., 553 Helmst., 982 Helmst., 943 Helmst., 1113 Helmst. und 1196 Helmst.
INHALT
1r-75r : In Iohannis epistulam ad Parthos tractatus (. 35, 1977-2062; 279; 1477; 136-138) 75v-142r : Expositio in Cantica canticorum (vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB). 79, 471A-548B; , 144, 3-46; 1709; 2290; 2639; 4, 415 Nr. 2; zum Text vgl. in Vorb., 142v Probatio pennae.
AUSSTATTUNG
Eine Zierinitiale. Zwei historisierte Initialen.Zierinitiale: Einleitend zu Text auf 1r eine Spaltleisteninitiale. Die Spangen vierfach genagelt und mit Kreuzblütenverzierung versehen. Spange und Initialstamm verziert mit einem Fabelwesenkopf. Von einer Spange ausgehend, eine spiralförmige Ranke, die das Binnenfeld füllt und die Spalten des Stammes durchdringt. An den bewegten Rankenenden befinden sich plastisch aufgerollte Palmetten- und Knospenformen, sowie eine Blattblüte. Die Blätter mit Äderung und Rückenschraffur. Blattkerne und Stauchungen der Rankengabelungen strichförmig angedeutet. (5,9 cm).
Historisierte Initialen: 75v Hl. Gregor. P-Spaltleistenitiale eingefasst von einem Leistenrahmen (Initiale überschneidet den Rahmen). Im Binnenfeld en face der hl. Gregor in bischöflichem Ornat. Die Rechte zum Segensgestus erhoben, in der Linken ein Buch. Auf seiner rechten Schulter sitzend, die ihn inspirierende Taube des heiligen Geistes. Aus der Spaltleiste der Initiale schaut ein beobachtender Kleriker mit Bischofsstab in der Hand hervor. Initialaufbau und Ornament wie auf 1v. 7,9 cm. 80r Sponsus und Sponsa. O-Spaltleisteninitiale eingefasst von einem einfachen Leistenrahmen (s.o). Im Binnenfeld Sponsus (Sponsus/Christus) und Sponsa (Sponsa/Maria/Ecclesia) in Umarmung. Initialaufbau wie auf 1v. 5,0 cm
Farben: Die Initialen mit roter Feder gezeichnet, die historisierten an den Rändern zusätzlich rot laviert. Grüne Leistenrahmen mit blauen Gründen, letztere auf 80r mit roten Sternen. Die Gewänder in leuchtendem Blau und Rot, Faltentäler abgedunkelt in kräftigen Strichen der Lokalfarbe. Details in Dunkelgrün. Die Gesichter hautfarben mit laviertem rot, Sponsa und Sponsus (80r) mit kräftigen roten Wangen und partiellem Grünauftrag.
STIL UND EINORDNUNG
Die vorliegende Handschrift beinhaltet zwei Texte, von denen einer von einer Hand der Scriptrix-Gruppe (Teil 1, 1r-75r; zur Scriptrix-Gruppe vgl. 943 Helmst.; 1r-75r; , 21), der andere von einer Hand der Hamersleben-Gruppe (Teil 2, 75v-142r, zur Hamersleben-Gruppe vgl. 204 Helmst.) geschrieben wurde. Teil 1 besitzt ausschließlich eine Initiale zum Textbeginn (1r) als Buchschmuck. Sie entspricht in der Anlage dem für die Scriptrix-Gruppe typischen Initialschmuck (zur Scriptrix-Gruppe vgl. 943 Helmst.). Die in den Initialstamm integrierten Tierköpfe liegen ebenfalls in der Handschrift 510 Helmst., 99r vor. Das als Rankenendbesatz verwendete Muschelblatt begegnet in der klassischen, vorliegenden Variante das erste Mal im Lamspringer Skriptorium (eine Vorform ist bereits in 511 Helmst., 22r) zu finden. Das Blatt wird zum festen Bestandteil der Initialornamentik, wie weitere Handschriften aus dem 4. Viertel des 12. Jh. belegen (vgl. 447 Helmst., 443 Helmst. und 1113 Helmst.). Die beiden historisierten Initialen der Handschrift (75v und 80r) sind im Stil einheitlich und stammen von einer Hand. In der Anlage (Farbwahl, Initialaufbau und Stil), findet sich mit der historisierten Initiale von 204 Helmst., 3v (Augustinusdarstellung) eine äußerst ähnliche Darstellung im Vergleich zur Gregordarstellung der vorliegenden Handschrift (75v). Unterschiede zeigen sich in der hier verwendeten, etwas helleren Farbpalette und der schlankeren Gestalt (Körper und Gesicht), wie sie auch in der Sponsus/Sponsadarstellung (80r) vorkommen. Sehr ähnlich in der Ausführung zeigt sich die zweite Hand in 475 Helmst., 164r. Das Initialornament basiert auf den für die frühen Lamspringer Handschriften vorbildhaften Lippoldsberger Ausführungen (zu Lippoldsberg vgl. 943 Helmst.). Das Muschelblatt und die Tiere (hier Tierköpfe) im Initialzusammenhang gehen, wie in 510 Helmst., auf Kölner und mittelrheinische Vorbilder zurück (vgl. Wormser Bibel, hier besonders die Hand des Red Outline Masters in Bd. II, 90v, 228v; London, BL, Harley MS 2803 und London, BL, Harley MS 2804; Lit. , bes. 74-83). Die Bild-, bzw. Initialausstattung von 903 Helmst. stellt wie auch 475 Helmst. eine Besonderheit dar und bildet innerhalb des Lamspringer Skriptoriums einen wichtigen Anhaltspunkt. Beide Handschriften besitzen paläographische Nähe zur sogenannten Scriptrix-Gruppe des 3. Viertels 12. Jh., die sich im Initialabgleich bestätigen lässt (s.u.) und gleichzeitigt historisierte Initialen im Stil der Hamersleben-Gruppe (Miniaturen). Sie zeugen davon, dass im frühen 4. Viertel des 12. Jhs. (80er Jahre, vgl. die Kontakte nach Hamersleben zur Zeit des Propstes Hermann; 204 Helmst.), also in der frühen Amtszeit des Abtes Gerhard, Künstler- und Schreiber beider Gruppierungen im Kloster parallel gearbeitet haben müssen.vorläufige Beschreibung in der Handschriftendatenbank der HAB).
, 70. — , Nr. 1005 (Heinemann Nr.). — , 40, 108, 225, 232. — , 476. — , 165, Abb. 142-144. — , Kat.Nr. 14. — , 169 Anm. 109. — , Anm. 22. — , Abb. 1 (fälschlich als Cod. Guelf. 963 Helmst. angegeben), Anm. 33. — , Kat.Nr. 25,3 ( ). — , 263 Anm. 28, 265 Anm. 38. — , 332f. — (in Vorb.,Abgekürzt zitierte Literatur
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.