Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil VI: Cod. Guelf. 930 bis 1160 Helmst., beschrieben von Bertram Lesser (in Vorbereitung).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms "Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung" (Vorläufige Beschreibung)

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 932 Helmst.

Tractatus contra VI opera monachorum mendicantium

Papier — I, 19, I Bl. — 21,5 × 15 cm — Deutschland — um 1500

Wasserzeichen: Ochsenkopf mit Augen und Nasenlöchern, darüber einkonturige Stange, darüber Buchstabe T: WZIS DE1335-PO-71989, DE1335-PO-71992 (beide 1502). Lagen: V (9)! V+1 (19)! Lagensignaturen auf dem Fußsteg der beschriebenen Rectoseiten: 14 und b1b5. Bleistiftfoliierung modern: 119, die beiden leeren, als Umschlag dienenden Deckbl. sind ungez. Im gesamten Buchblock Spuren eines Wasserschadens. Schriftraum: 16 × 11 cm, einspaltig, 24–26 Zeilen. Bastarda von einer Hand. Rubriziert, rote Lombarden.

Koperteinband, bestehend aus den leeren und ungez. Papierbl. am Beginn der ersten und am Schluss der zweiten Lage. Auf dem VD Titelaufschrift (16. Jh.): Sex opera Monachorum. Inliegend ein einfaches geschlitztes Stecklesezeichen aus Papier (12,5 × 2,5 cm).

Herkunft: Der Codex wurde nach Ausweis der Wasserzeichen um 1500 geschrieben; eine genauere Lokalisierung oder Zuordnung anhand paläographischer Kriterien ist nicht möglich; auch der Text selbst, der im Kontext von Auseinandersetzungen der Mendikanten mit dem städtischen Pfarrklerus entstanden ist, bietet keine sicheren Anhaltspunkte. — Der Faszikel könnte sich im Besitz von Matthias Flacius Illyricus befunden haben; zumindest würde er inhaltlich sehr gut zu dessen Sammelinteressen passen. — Sofern dies zutrifft, wurde der Codex mit der übrigen Bibliotheca Flaciana am 20.4.1597 von Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg erworben. Er ist 1614 im Gesamtkatalog der Wolfenbütteler Hofbibliothek von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 303 [298]) als Nr. Z 73 der Papalia miscellanea entsprechend dem Inhaltsvermerk verzeichnet: Sex opera Monachorum. — 1618 aus Wolfenbüttel in die Universitätsbibliothek Helmstedt überführt. 1644 im Katalog der Helmstedter Universitätsbibliothek (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°) nicht einzeln nachgewiesen, sondern vermutlich (16r) unter dem Sammeleintrag Farrago quaestionum, expositionum sententiarum et homiliarum in membrana. Seyn eytel fragmenta bei den Theologici MSSti in quarto subsumiert; im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 51) unter Nr. 1386 als Sex opera monachorum mendicantium 4° ch. aufgeführt.

Heinemann Nr. 1034.

1r–19v Tractatus contra VI opera monachorum mendicantium. ›Incipiunt feliciter sex opera monachorum‹. Credite ewangelio et penitemini dicit dominus Marci primo [Mc 1,15]. Sed non omnes obediunt ewangelio nec credent auditui nostro [Rm 10,16] … — … Quia nobis corporaliter recedendo dixit: Pacem meam do vobis pacem relinquo vobis [Io 14,27]. Qui est benedictus in secula seculorum Amen. ›Hec contra sex opera monachorum mendicancium dicta sufficiant salvo semper iudicio meliori etc. 1485‹. Der bislang nur hier nachgewiesene und ungedruckte Text behandelt nach einem fast gänzlich aus Schriftzitaten montierten Prolog (1r–3r) unter Heranziehung zahlreicher kanonischer Rechtsquellen äußerst kritisch die sog. VI opera der Mendikantenorden, d. h. die sechs wichtigsten, z. T. seit dem 13. und 14. Jh. ventilierten Konfliktpunkte zwischen den Bettelorden und dem städtischen Pfarrklerus um die Seelsorgerechte: (3v–5v) Opus I: Gottesdienste der Mendikanten für die Angehörigen städtischer Pfarrgemeinden, (5v–10r) Opus II: Beichthören bei Mendikanten, (10r–14r) Opus III: Bestattung bei oder durch Mendikanten, portio canonica, (14r–17v) Opus IV: Einführung von neuen Kultbildern, Bruderschaften, Prozessionen und Ablässen durch die Mendikanten, (17v–18v) Opus V: Einkünfte und Messstipendien und (18v–19v) Opus VI: Predigten der Mendikanten gegen den Pfarrklerus. Der ungenannte Verf. dürfte ein akademisch ausgebildeter Juristen gewesen sein, der über umfassende Kenntnisse der einschlägigen Quellen verfügte; die jüngste zitierte ist Sixtus IV papa: Bulla 'Vices illius' (Rom, 17.6.1478 = Extravag. comm. 1.9.2., Druck: Friedberg 2, 1250–1252). Bei der am Schluss vermerkten Jahreszahl dürfte es sich um das Abfassungsdatum des Textes handeln.


Abgekürzt zitierte Literatur

Friedberg E. Friedberg, Corpus iuris canonici, 2 Bde., Leipzig 1879 und 1881
Heinemann O. von Heinemann, Die Helmstedter Handschriften, Bd. 1–3, Wolfenbüttel 1884–1888, ND Frankfurt/M. 1963–1965 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die alte Reihe 1–3)
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)