Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms "Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung"
Liber modorum
Pergament — 165 Bl. — 20 × 14 cm — Lamspringe, Benediktinerinnenkloster — 12. Jh., 3. Viertel
Lagen: Aufgrund der Verwendung von palimpsestiertem Pergament unregelmäßige Lagenbildung durch Verwendung von Einzelbl.: IV (8). III+2 (16). IV (24). III+2 (32). III+2 (40). III+2 (48). III+2 (56). IV (64). III+2 (72). 4 IV (104). III+2 (112). III+2 (120). IV (128). III+1 (135). 3 IV (159). III (165). Kustoden in römischen Zahlen auf dem Fußsteg der letzten Versoseite der Lagen mit Ausnahme der ersten und letzten; die meisten durch Beschnitt fragmentiert oder verloren; erhalten sind Vus–VIIus, XIIIus–XVIIIIus. Bleistiftfoliierung modern: 1–165. Grob bearbeitetes Pergament, Palimpsest (s. unten). Schriftraum: 15 × 9,5 cm, einspaltig, 24–27 blindliniierte Zeilen, Punkturen z. T. an den Blatträndern sichtbar. Aufrechte und gerade, noch erheblich gerundete Carolino-Gothica von der Hand eine namentlich unbekannten Lamspringer Schreiberin, die nach dem Kolophon dieser Hs. den Notnamen der scriptrix erhielt. Sie schrieb außerdem Cod. Guelf. 482a Helmst., 1r–82v, 510 Helmst., 511 Helmst., 78r–150r, 519 Helmst., 723 Helmst. und 903 Helmst., 1r–75r. Zur Gruppe der Codices, deren Schreiberinnen der "Scriptrix" besonders nahestehen, gehören darüber hinaus noch Cod. Guelf. 443 Helmst., 447 Helmst., 718 Helmst., 10v–97r, und die drei Hände in Cod. Guelf. 1196 Helmst., während der bislang ebenfalls dazu gezählte Cod. Guelf. 1030 Helmst. wohl auszuscheiden ist. Die kommentierten Schriftzitate sind marginal durch Anführungszeichen (Diple) in einfacher und doppelter s-Form gekennzeichnet. Rubriziert, rote Überschriften, zumeist in Textschrift, einige auch in Capitalis rustica ausgeführt, die Marginalien sind meist ebenfalls rot geschrieben, einige auch mit rotem Federstrich umrandet. Nicht bzw. schwer beschreibbare Stellen des palimpsestierten Pergaments sind entweder mit wellenförmigen Zeilenfüllern und roter Umrahmung versehen, oder (wie auf Bl. 16v und 36v) mit heraldisch stilisierten Vögeln in roter Umrisszeichnung gekennzeichnet. Dieses Verfahren wurde auch in der Lippoldsberger Hs. Kassel, UBLMB, 4° Ms. theol. 14 befolgt, wo zum gleichen Zweck sorgfältig ausgeführte Fische (65r) oder ein zweifüßiger Drache mit Vogelflügeln (79v) verwendet werden. Einige Marginalien sind mit roten federgezeichneten Rahmen versehen, die ornamental mit Perlreihen und Kreuzen (105r und 122r) verziert sind oder zusätzliche figurale Motive wie Vögel bzw. Vogelköpfe (122v und 132r) bzw. menschliche Köpfe oder Büsten (125v, 136v) aufweisen. 34v auf dem Fußsteg die gelb lavierte Umrisszeichnung zweier gegeneinander kämpfender Hunde oder Löwen. 38v auf dem Fußsteg die Darstellung eines Fabelwesens in Gestalt einer Swastika aus vier langhalsigen Tierköpfen, aus deren Mäulern lilien- oder eichenblattähnliche Gebilde hervorwachsen. Satzmajuskeln in unterschiedlicher Ausführung, häufig in Unzialform, davon einige rot, einige in Textfarbe mit roten Begleitpunkten oder -strichen. Am Beginn der einzelnen Abschnitte rote Initialmajuskeln in verschiedenen Unzialformen über 2–5 Zeilen, zumeist mit Punktverdickungen, meist mit auslaufenden Silhouettenornamenten in stilisierten vegetabilen Formen (z. B. Blüten, 125v) oder mit krummschnäbeligen Vogelköpfen (z. B. 90v, 95v, 100v), z. T. mit ausgespartem Wellenmuster; einige Binnenfelder auch grün gefüllt (110r, 118v). 1v Spaltleisteninitiale Q über 8 Zeilen; der federgezeichnete Buchstabenkörper ist rot konturiert mit roten Spaltfüllungen; die Spaltleisten werden am Bogen von fünf jeweils fünffach genagelten Spangen zusammengehalten. Von diesen erstrecken sich zwei gegabelte, locker geschwungene Spiralranken ins Binnenfeld, die mit schraffiert geäderten Knollenblättern, an den Enden zusätzlich mit knollenartig geschwungenen Knospen sowie Halb- und Vollpalmettenblättern besetzt sind. Die ebenfalls in knollige Knospen und eine zentrale Palmette auslaufende Cauda ist durch eine zentral angebrachte vierblättrige Blüte geteilt. Auch hier besteht eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu den Spaltleisteninitialen der Lippoldsberger Hs. Kassel, UBLMB, 4° Ms. theol. 14, z. B. 42v.
Romanischer Holzdeckelband, mit ungefärbtem Schafsleder bezogen. Gerader Rücken, Kanten bündig mit Buchblock. Die beiden Lappenkapitale sind abgeschnitten, die Kapitale nachträglich neu angesetzt und mit blauem und weißem Zwirn umstochen. Zwei Doppel- und zwei Kapitalbünde. Zwei Riemenschließen mit Ösenverschluss verloren, zugehörige Dornen an der Kante des VD erhalten. Die Einbandgestaltung ist identisch mit jener an den Lamspringer Handschriften Cod. Guelf. 443 Helmst., 475 Helmst., 480 Helmst., 553 Helmst., 903 Helmst., 982 Helmst., 1113 Helmst. und 1196 Helmst.
Herkunft: Der Codex wurde im frühen 3. Viertel des 12. Jahrhunderts gleichzeitig mit dem ersten Teil von Cod. Guelf. 482a Helmst., 511 Helmst. und 723 Helmst. im Benediktinerinnenkloster Lamspringe geschrieben, vgl. den entsprechenden Besitzvermerk 1r: Sancti Adriani martiris in Lamespringe. Darauf deuten nicht nur die stilistischen Merkmale des Buchschmucks, sondern auch die Zweitverwendung palimpsestierter Fragmente der gleichen Codices wie im vorliegenden Band hin. Schließlich wurden alle genannten Codices von der sog. "Scriptrix" geschrieben, deren Notname aus dem Kolophon der vorliegenden Hs. stammt (vgl. unten). — Die Hs. wurde am 10.4.1572 mit den übrigen Lamspringer Codices in die Wolfenbütteler Hofbibliothek überführt, 1588 von Eberhard Eggelinck unter den Pergamenthandschriften der Hofbibliothek (NLA – StA Wolfenbüttel, 1 Alt 22, 83, 22r–35v, hier 27v), als Divus Augustinus in diversis materiis vff pergamein geschrieben in quarto vnd bretern mit pergamen vbertzogen verzeichnet. 1614 im Gesamtkatalog von Liborius Otho (Cod. Guelf. A Extrav., p. 305 [300]) unter den Papalia Miscellanea als Augustini scripta de diversis materiis in membrana mit der Signatur Z 126 nachgewiesen. Seit 1618 in der Universitätsbibliothek Helmstedt, 1644 im Helmstedter Handschriftenkatalog (Cod. Guelf. 27.2 Aug. 2°, 16r) als Excerpta ex Augustino In membrana unter den Theologici MSSti in quarto beschrieben; auf dem Kopfsteg des VS und auf Bl. 1r die entsprechende Helmstedter Signatur T 4° 60. Im Handschriftenverzeichnis von 1797 (BA III, 52) unter Nr. 437 genannt.
, 70 Nr. 3.10. — Nr. 1045. — , 473. — 11, 370. — , 515. — , 468 und 476. — , 138. — , 119, 121, 125, 130, 134 mit Abb. 4 und 141–143 mit Abb. 11–13. — , 57, 87–90 Nr. 16. — , 45 und 328. — , 89 und 93. — , 262. — , 30 und 33f. — , 75. — , Women’s reading and monastic reform in twelfth-century Germany. The library of the nuns of Lippoldsberg, in: Manuscripts and monastic culture. Reform and renewal in twelfth-century Germany. Working conference in August 2002 at the Benedictine monastery of Admont in Steiermark, hrsg. von , Turnhout 2007 (Medieval church studies 13), 139–189, hier 170. — .
1r Enthält neben dem oben zitierten Besitzvermerk und der Helmstedter Signatur noch den für fast alle Lamspringer Codices charakteristischen Inhaltsvermerk des 15. Jh. (Bastarda; Vermerke von dieser Hand auch in den Lamspringer Bänden Cod. Guelf. 145 Helmst., VS; 204 Helmst., 1r; 443 Helmst., 1r; 447 Helmst., 5r; 475 Helmst., 1r; 480 Helmst., 1r; 482a Helmst., 1r; 504 Helmst., VS; 510 Helmst., 1r; 511 Helmst., 1r; 519 Helmst., 1r; 553 Helmst., 1r; Cod. Guelf. 650 Helmst., 1r; 723 Helmst., 1r; 957 Helmst., Ir; 1012 Helmst., 1r; 1030 Helmst., 1r; 1034 Helmst., 1r; 1113 Helmst., 1r und 1196 Helmst., 1r.): Augustinus de diversis materiis. Darunter ein weiterer, wohl im 17. Jh. hinzugefügter Titelvermerk: Excerpta ex Augustino.
1v–164v Liber modorum. ›Incipit liber modorum‹ … — … ›Haustus librorum pelago liber iste modorum. | Istic finitur iam scriptrix laude potitur‹. Bei diesem "Buch der Deutungsweisen theologischer, kirchlicher und gottesdienstlicher Begriffe" ( , 87) handelt es sich nach den Worten der Schlussrubrik um ein "aus dem Meer der Bücher geschöpftes" Florilegium. Es enthält folgende planvoll und thematisch geordnete Auszüge aus patristischen und monastischen Werken:
(1v–4r) ›Augustinus libro II de ordine‹. Quamquam occultissima ratio se demonstraturum [!] polliceatur nichil preter divinum ordinem fieri … — … itemque cum aliquid bene concinere audimus non dubitamus dicere quod rationabiliter sonat. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: De ordine 2,7,24–2,9,27 und 2,10,29–2,11,32. Druck: 63, 163–166 und 168f.; 29, 120–123 und 124f. Literatur: 255.
(4r–v) ›Augustinus in libro de libero arbitrio‹. Intueris iusticiam qua nemo male utitur. Hec inter summa bona que in ipso sunt homine numeratur … — … et magis in mediis quam in minimis bonis et magis in omnibus quam si non omnia tribuisset. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: De libero arbitrio 2,18,50,190–192. Druck: 29, 270f . Literatur: 260.
(4v–7r) ›Idem in libro de moribus ecclesie catholice contra Manicheos‹. Quid erit aliud optimum hominis nisi cui est herere beatissimum? Id autem est solus deus cui herere certe non valemus nisi dilectione amore caritate … — … quod aliquid sumus duobus testamentis vetere et novo discipline nobis regulam dedit. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: De moribus ecclesiae catholicae et de moribus Manicheorum 1,14,24–1,15,25; 1,19,35–36; 1,22,40–41; 1,24,44–1,25,46 und 1,28,56. Der letzte Abschnitt ist mit einer eigenen Rubrik (›De disciplina‹) hervorgehoben. Druck: 90, 29f., 39–41, 45f., 49–51 und 58f. Literatur: 261.
(7r–v) ›Idem in libro de libero arbitrio‹. Due sunt origines peccatorum una spontanea cogitacione alia persuasione alterius … — … quod per principem huius mundi usque ad mortalitatem carnis addictus est. Geringfügig modifizierter Auszug aus Aurelius Augustinus: De libero arbitrio 3,10,29,104–106. Druck: 29, 292f.
(7v–8r) ›De tribus temporibus prophetie‹. Prophetia est inspiratio divina que rerum eventus in mobili veritate pronuntiat … — … et in evangelio si David in spiritu vocat eum dominum. Geringfügig modifizierter Auszug aus Gilbertus Porretanus: Expositio Psalmorum, praef. Druck: , Il presunto commento ai salmi di S. Lorenzo Giustiniani opera di Gilberto Porretano, in: Aevum 36 (1962), 414–429, hier 424. Literatur: 2511; lectio divina to the lecture room, Leiden u.a. 1996 (Brill's studies in intellectual history 68), pass., bes. 86–90; , The psalms commentary of Gilbert of Poitiers. From 4, 358 Nr. 4.
(8r) ›Quod temptatio tribus modis fiat‹. Temptatio fit tribus modis cogitacione delectacione consensu … — … illis homo temptatur his temptationibus succumbit. Geringfügig modifizierter Auszug aus Gilbertus Porretanus: Expositio Psalmorum, praef. Druck: Il presunto commento (s. oben), 426;
(8r–10r) ›Augustinus super Iohannem de tribus libertatibus‹. Cum omnis qui facit peccatum servus sit peccati … — … stabulum est viatoris sed ipsi ecclesie sursum est hereditas promissionis. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: In Johannis evangelium tractatus 41,3; 41,8 und 41,10–13. Druck: 36, 359, 361f. und 363–365. Literatur: 1471; 278.
(10r) ›De triplici anime natura Isidorus‹. Triplex est ut volunt philosophi anime natura … — … sunt utilia ad concupiscenda ratio ad vicia cohibenda. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Alcuinus Flaccus: De animae ratione ad Eulaliam virginem. Druck: 101, 639D–640A und 640D. Zu weiteren Ausgaben und Literatur vgl. den vollständigen Text in Cod. Guelf. 1045 Helmst., 50v–58v.
(10r–v) ›De quatuor mortibus‹. Quattuor mortes esse sacra scriptura manifestissime ostendit. Prima mors est anime que suum deserit creatorem … — … Quarta autem mors est cum anima receperit corpus et in ignem mittetur eternum. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Wigbodus: Quaestiones in Octateuchum 32. Druck: 93, 270C–D, und 96, 1149A–B. Literatur: 8376; 10, 1063; 2, 545–550.
(10v–11v) ›Ieronimus ad filiam Mauricii‹. Tres species sunt per quas celestis regni possessio facile introitur prima pudicicia secunda mundi contemptus tercia vero iusticia … — … ita alteri ipse subvenias propter illud quecumque vultis ut faciant vobis homines bona eadem et vos facite illis. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Ps.-Hieronymus: Epistula ad Claudiam sororem de virginitate 5–6. Druck: 20, 230C–231B und 30, 165B–166C; 1, 229–231. Literatur: 741; 10; 1387.
(11v–13r) ›De tribus monachorum generibus. Idem ad Eustachium‹. Tria sunt in Egypto genera monachorum unum cenobite quos illi auses gentili vocant lingua nos in commune viventes possumus appellare … — … et dabit percutienti se maxillam saturabitur obprobriis quia non in sempiternum abiecit dominus. Auszug aus Hieronymus: Epistula 22,34–36. Druck: 22, 419–421; 54, 196–201. Literatur: 620.
(13r–15v) ›De visione dei‹. Tria sunt ratione utentia deus angelus homo qui quidem sicut in hoc quod intelligunt et discernunt ceteris id est sensum sive rationem non habentibus digniora sunt … — … quod enim in vita est mortem non capit quod in sapiencia ignorantiam excludit quod in eternitate tempus prevenit quod in deo est creaturam transcendit. Der ungedruckte Text ist bislang nur noch in der Hs. München, BSB, Clm 8212a, 66r–72v ( , 8), im Kontext authentischer Werke Hugos von St. Victor nachgewiesen und diesem vermutlich ebenso zuzuschreiben wie weitere Quaestionen und Sentenzen, vgl. unten, 92v.
(15v–18v) ›De tribus gradibus caritatis‹. Tres sunt gradus caritatis in quibus tocius beatitudinis summa consistit. Primus itaque gradus est quando hoc homo in se diligit quod diligit deus in illo … — … enim istos tres caritatis gradus dena graduum divisione distinximus ideo eos denaria quodam progressione usque in id loci perduximus ut in eis hoc modo divisis perfectionem tocius legis constare monstremus. Der in drei Kapitel (16v–17v ›De secundo statu‹, 17v–18v ›De tertio gradu‹) gegliederte Text ist bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(18v–21r) ›De duobus divitiarum generibus‹. Duo sunt divitiarum genera unum videlicet in facultate et possessione presentium aliud in possessione virtutum … — … opus est ut convertaris ne differendo subito moriaris et omnino nichil inveniatur quod in presenti habeas et in futuro possideas. Der Schluss des Textes (20r–21r nach der Marginalie ›Duplex thesaurizantium species‹) ist ein modifizierter Auszug aus Aurelius Augustinus: Sermo 18,3–5 (Druck: 38, 129–131); der Textbeginn hingegen ist bislang nur hier nachgewiesen und ungedruckt.
(21r–23v) ›De quattuor speculis‹. De quatuor speculis ex quibus videlicet interiora nostra componere debeamus nonnullas sacre scripture auctoritates habemus … — … studio ac labore nitamur quatinus ei per divinam gratiam recuperare quantum in hac vita possibile est valeamus. Ein Teil des Textes (21v–22v nach der Marginalie ›Apocalipsis‹) ist ein modifizierter Auszug aus Gregorius I papa: Moralia in Iob 24,8,16, 24,8,18 und 5,7,12 (Druck: 143B, 1199 und 1200f. sowie 143, 226); der Textbeginn hingegen ist bislang nur hier nachgewiesen und ungedruckt.
(24r–27v) ›De vera et falsa dilectione‹. Ex eo scripture loco que dicit caritas que deseri potest numquam vera fuit duas caritates esse conicimus … — … et tanto cautiores ab his omnes vos esse volumus quanto nullum ordinem invenimus quem diabolica peste carere putemus. Der Text ist bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(27v–28v) ›De vera et falsa scientia‹. Quia veram et falsam scientiam ex auctoritate sacre scripture didicimus in quo distent ab invicem subtilius inquirentes considerare debemus … — … et excolentes recti puritatem ac mansuetudinem deo immolant quam abominantes reprobi fatuitatem putant. Der Schluss des Textes (28r ab der Marginalie ›Que sit iustorum sapientia‹) ist ein modifizierter Auszug aus Gregorius I papa: Moralia in Iob 10,29,48 (Druck: 143, 571); der Textbeginn hingegen ist bislang nur hier nachgewiesen und ungedruckt.
(28v–36r) ›De quattuor baiulis crucis‹. Quia omnis salus hominum in cruce redemptoris nostri consistit paucis aperire temptabimus qui vel ficte vel falso vexillum eiusdem crucis arripiant … — … de reliquo reposita est in corona iusticie quam reddet michi dominus iustus iudex in die illa. Der in mehrere Abschnitte gegliederte Text ist bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(36r–38r) ›Rursum de quattuor baiulis crucis‹. Sciendum quod quidam crucem domini et mente et corpore baiulant quidam vero sola mente quidam vero solo corpore quidam neque mente neque corpore … — … illius beatitudinem augemus qui bonorum nostrorum non eget sed nostre salutis profectui consulimus. Der in mehrere Abschnitte gegliederte Text ist bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(38r–44r) ›De quadripartito genere panis‹. Quia dum carnis amictu circumdamur homo noster interior quem admodum corpus sit et ipse pane suo reficitur … — … corde reversi adversum Moysen et Aaron murmurando dixerunt utinam mortui essemus in Egypto quando sedebamus super ollas carnium quia melius nobis erat tunc quam nunc. Der in dieser Form ungedruckte und bislang nur in dieser Hs. nachgewiesene Text behandelt die vier Arten des eucharistischen Brotes (38v Primus itaque panis est oblivionis secundus doloris et temptacionis tercius consolationis et comfortationis quartus vere iocunditatis et summe delectationis …)
(44r–v) ›De Missa‹. Missa quattuor causis nomen accepit duabus a legatione duabus a missione … — … et ad matutinas quasi iure tenetur celebrato sacrificio dimittitur. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,2. Druck: 172, 541–738B, hier 543A–B. Literatur: 4, 122–132, hier 131; , 180 Nr. 494.13; 6, 238 Nr. 30.
(44v–45r) ›De VII sacrificiis legalibus‹. Septem sacrificia ab antiquis secundum legem offerebantur que adhuc christiani imitantur … — … holocaustum namque totum incensum dicitur. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,29. Druck: 172, 553C–D.
(45r) ›Sacrificia christianorum‹. Ita christani legale sacrificium offerunt dum decimas rerum suarum deo dabunt … — … holocausta offerunt qui seculum relinquunt et omnia sua vel indigentibus distribuunt vel monasteriis conferunt. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,30 (Schluss fehlt). Druck: 172, 554A.
(45r–v) ›Cur cotidie missa cantetur‹. Cum Christus semel sua morte credentes redemerit … — … cottidie mentibus fidelium ad imitationem inculcetur. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,36 (Schlussatz fehlt). Druck: 172, 555C.
(45v) ›De osculo‹. Propter tres causas pacis osculum datur … — … ut Iudas iudicium sibi per falsam pacem sumunt. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,62 (Beginn fehlt). Druck: 172, 563A–B.
(45v–46r) ›De situ orationum‹. Propter tres causas nos ad orientem vertimus cum oramus una quia in oriente est patria nostra … — … solis in occidente quasi mori conspeximus tanta gloria resurgere in oriente videmus. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,95. Druck: 172, 575A–C.
(46r) ›De canone‹. Canon dicitur regula quia per eum fit regulariter sacramentorum confectio … — … vulgus per cotidianum usum sciens inconvenientibus locis dicat. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,103 (Schluss fehlt). Druck: 172, 577B–578A, hier nur 577B.
(46r–47r) ›De venia‹. Ob tres causas ad terram cadimus una est quod Christum in carne adoramus … — … nos autem cum apostolo dicimus deo flecto genua mea ad dominum. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,117 (der erste Satz fehlt). Druck: 172, 582B–583A, hier ab 582C.
(47r) ›De mulieribus‹. Linus papa ex precepto beati Petri constituit ut mulieres in ecclesia velate sint … — … unde dicit apostolus ut mulier velata sit propter angelos id est sacerdotes. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,146 (Beginn und Schluss fehlen). Druck: 172, 589B–D, hier ab 589C.
(47r–v) ›De corona‹. Corona ob tres causas in templo suspenditur … — … supremus circulus cui innectitur est deus a quo omnia continentur. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,141. Druck: 172, 588A–C.
(47v–48r) ›De cruce‹. Crux ob tres causas super altare erigitur primo quod signum regni nostri in domo dei quasi in regia urbe figitur … — … vexilla ideo eriguntur ut tropheum Christi ecclesia iugiter memoretur. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 1,135. Druck: 172, 587A.
(48r) ›De nocturnali officio‹. Nocturnale officium ideo media nocte agimus quia media nocte dominum dormientes egyptios percussisse et vigilantes hebreos liberasse legimus … — … vigilantes vero in locum exultationis adducet. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 2,15 (Schluss fehlt). Druck: 172, 620C–D.
(48r–v) ›De matutinis laudibus‹. Matutinam horam ea de causa canimus quod hac hora astra matutina exorta cum iocunditate luxerunt … — … iusti a somno mortis evigilabunt dum de nocte huius mundi ad lucem eterne claritatis transmigrabunt. Zusammengesetzt aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 2,31–35 (Schluss fehlt). Druck: 172, 625D–626C, hier bis 626B.
(48v–49r) ›De Kyrieeleison‹. Kyrieeleison et Christeeleison ob tres causas dicitur … — … ut Dominica oratio quasi quadam praefatiuncula ornata intentius dicatur. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 2,61 (stark gekürzt). Druck: 172, 635A–637A, hier 635D.
(49r–v) De tripartita ratione passionis dominicae. Tripartita ratio dominice passionis ostenditur: Prima ut Christus pro reatu mundi redemptio daretur … — … primus homo ederet de ligno prohibito nisi concupisceret nec desereretur a domino nisi ipse prius desereret. Der Abschnitt ist zusammengesetzt aus Ps.-Alcuinus Flaccus: De divinis officiis, cap. 18 (Beginn) und cap. 13 (Schluss). Druck: 101, 1173B–1286B, hier 1207C–D, 1193B und 1193A. Literatur: 1, 241–253; 2, 133f.
(49v–61v) ›Quod divine vocationis diversa sunt genera‹. Divine vocationis diversa sunt genera vocat namque per homines vocat per angelos vocat per semetipsum … — … vocavit omnipotens. Der in mehrere Abschnitte gegliederte Text (49v–50r Primo per hominem, 50r–v Secundo per angelos, 50v Tertio per semetipsum, 50v–52r Quarto per eloquia divina, 52r–v Quinto beneficiis creature, 52v–53v Sexto impartiendo tempus vivendi, 53v–54v Septimo per intimam cogitationem, 54v–55r Octavo per flagellum correptionis, 55r–56r Nono per gratiam consolationis und 56r–61v De quadrifaria IX vocationum divisione) ist in dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt. Die Reihe der neun vocationes basiert zum großen Teil auf Petrus Lombardus: Commentarius in Psalmos 102,8 (Druck: 191, 33A–1296D, hier 922A).
(61v–65r) ›Novem cause quare Christus de celo descenderit‹. Multas causas in eloquiis divinis habemus quare Christus de celo descendit e quibus vel paucas pro fratrum edificatione ponemus … — … de potestate illius eriperet et vasa sue bonitatis efficeret. Ungedruckt, bislang nur noch in einer nach dieser Hs. in Lamspringe angefertigten Abschrift in Cod. Guelf. 957 Helmst., 1r–4v, nachgewiesen.
(65r–70r) ›De VI gradibus divine descensionis ad nos‹. In superiori sentencia modos et causas quare Christus de celo descendit nimirum satis patenter ostendimus … — … nec umquam aliquid ut breviter dixerim divinis altaribus digne munus offerimus. Ungedruckt, bislang nur noch in einer nach dieser Hs. in Lamspringe angefertigten Abschrift in Cod. Guelf. 957 Helmst., 4v–10r, nachgewiesen.
(70r–76r) ›De decem qualitatibus columbe‹. Fratres si domino toto corde servire si eius in omnibus preceptis obedire … et ut breviter dixerim si dyabolo perfecte resistere et Christum sequi … — … thesaurizat sibi iram in die revelacionis iusti iudicii dei qui reddet unicuique secundum opera sua. Ungedruckt, bislang nur noch in einer nach dieser Hs. in Lamspringe angefertigten Abschrift in Cod. Guelf. 957 Helmst., 10r–17r, nachgewiesen.
(76r–79v) ›De quinque partita faciei dei‹. Facies dei multifariam [!] multisque modis in scripturis accipitur. Aliam namque faciem in creaturis aliam in divinis eloquiis aliam habet in nobis … — … plenam cognitionem plenam felicitatem et interim per fidem illuminat nostram cecitatem ut per ipsam proficiendo ad manifestam mereamur pervenire eius faciei claritatem. Der Abschnitt ist in dieser Form ist in dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt. Benutzt und z. T. modifiziert zitiert werden mehrere Autoritäten; z. B. stammt der Schlussteil aus Hugo de Sancto Victore: De archa Noe morali 4,3 ( 176, 617C–680D, hier 668B–C; 176, 1–117, hier 94.).
(79v–81r) ›De duobus oculis dei‹. Habet etiam deus omnipotens duos oculos misericordiam scilicet et iudicium unum ad bonos et alium semper ad malos … — … Venite benedicti patris mei percipite regnum quod vobis paratum est ab origine mundi. Der Abschnitt ist in dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt. Ein inhaltlich sehr ähnlicher, aber weit kürzerer Text findet sich unter den Sentenzen Hugos von St. Viktor (Miscellanea 2,9, Druck: 177, 592D–593B).
(81r–84r) ›Quibus faciebus et oculis videatur omnipotens‹. Quia diversas facies et duos tantum oculos quibus et bonos intuetur et malos dominum habere monstravimus … — … et si quis eis legitime utatur tamquam oculis illustratis adeo perspicue deus inde respicitur dum his tribus tota devotione deo servitur. Der auf die beiden vorhergehenden Stücke aufbauende Text ist in dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(84r–v) ›Quod duo sint in omni consiliorum amministratione servanda‹. Absque prudentia et benevolentia non esse perfecta consilia dicimus iuxta domini preceptum etiam inimici diligantur … — … Sine numero autem sunt quos utriusque muneris expertes esse constat. Weitgehend wörtlich entnommen aus Bernardus Claraevallensis: Epistula 42,1,2. Druck: 182, 809A–834A, hier 810B–811A; 7, 100–131, hier 102. Literatur: 2, 305 Nr. 1.
(84v–85r) ›Quid sit caritas de corde puro‹. Porro puritas cordis in duobus consistit in querenda gloria dei et utilitate proximi … — … talentum non ligat in sudario sed partitur numulariis [!] a quibus et usuras recipit non sibi sed domino. Weitgehend wörtlich entnommen aus Bernardus Claraevallensis: Epistula 42,3,10–11. Druck: 182, 817B–D; 7, 108f.
(85v–86r) De conscientia bona. Duo precipue sunt que bonam reddunt conscientiam penitere de malis et abstinere a malis … — … et hanc fiduciam operatur caritas de corde puro et conscientia bona. Weitgehend wörtlich entnommen aus Bernardus Claraevallensis: Epistula 42,4,13. Druck: 182, 818D–819C; 7, 110f.
(86r–v) ›Diffinitio superbie‹. Superbia est appetitus proprie excellentie. Hec in species duas dividitur in cecam et vanam superbiam … — … aptemus iam contraria humilitati singula singulis opponentes. Weitgehend wörtlich entnommen aus Bernardus Claraevallensis: Epistula 42,5,19. Druck: 182, 821D; 7, 114f.
(86v–87v) ›Diffinitio humilitatis per contrarium‹. Humilitas est proprie excellentie contemptus. Duabus quoque superbie speciebus due nichilominus humilitatis opponuntur … — … beati qui in veritate dicere possunt: Gloria nostra hec est testimonium conscientie nostre. Weitgehend wörtlich entnommen aus Bernardus Claraevallensis: Epistula 42,5,19–6,21. Druck: 182, 821D–823A; 7, 115–117.
(87v–89v) ›Quibus gradibus concipiatur deus‹. Gabriel missus est ad Mariam id est predicator verbi divini ad peccatorem et concepit Maria Ihesum id est peccator propositum sanctum et bonum desiderium … — … nichil enim melius carnalia desideria expellit quam frequens recordatio passionis Christi. Bei vorliegendem Text handelt es sich um eine in mehreren Hss. überlieferte Vorstufe einer Predigt Bernhards von Clairvaux zur Verkündigung an Maria, zur Beschneidung und zur Geburt Christi. Vgl. dazu , Études sur saint Bernard et le texte de ses écrits, in: Analecta sacri Ordinis Cisterciensis 9 (1953), 9–247, hier 57f. mit dem Abdruck einer kürzeren Fassung dieses Textes aus der Hs. Düsseldorf, ULB, Ms. B 25, 94r–95r ( , 119) und weiteren Textzeugen, jedoch ohne Kenntnis dieser Hs.
(89v–90v) ›De IIII principalibus virtutibus‹. Adam in paradiso positus est ubi erant delicie et fructus suaves et quatuor etiam flumina … — … sed tamen in hac vita melior videtur status iusti quam Ade fuerit quia hic stat ille corruit. In dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(90v) ›De iusticia‹. Iusticia est boni perfectio sufficientia et completio sed alie virtutes necessarie sunt … — … similiter contra blanditias et suggestiones noxias opus est temperantia. Der auf das vorhergehende Stück Bezug nehmende Text ist in dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(90v–92v) ›Quot modis discatur in consilio I‹. Beatus vir qui non abiit in consilio impiorum [Ps 1,1]. Videndum est qui sint pii illi scilicet qui deum colunt. Pietas enim est cultus dei qui est in tribus … — … horum doctrina est quasi pestilentia multa loca occupans et vastans. Modifiziert entnommen aus Bernardus Claraevallensis: Sermones de diversis 72,1–3. Ein kürzerer, aber mit identischem Initium versehener Text auch in der Hs. Düsseldorf, ULB, Ms. B 25, 95r–96r ( , 119). Druck: 183, 692C–694D, hier bis 694B; 6/1, 307–311, hier bis 309. Literatur: 1, 442–457, hier 453 Nr. 202; 2, 308 Nr. 14.
(92v–94v) ›De bona et mala trinitate‹. Homo factus est ad imaginem trinitatis secundum memoriam rationem voluntatem. Ab hac trinitate cecidit per quandam trinitatem malam scilicet suggestionem consensum delectationem … — … quod natus est dignum fuit dignatione quod de virgine dignum admiratione. Der durch Zwischenüberschriften gegliederte Text gehört zu einer Reihe von Sentenzen, die mit ziemlicher Sicherheit Hugo von St. Viktor zuzuschreiben sind. Auch in der Hs. Troyes, Médiathèque du Grand Troyes (olim Bibliothèque Municipale), Fonds ancien, Ms. 1174, 104v–105v, überliefert, vgl. , A propos des sources de la Summa Sententiarum, in: Recherches de théologie ancienne et médiévale 25 (1958), 42–58, hier 46 Nr. 1–4. Druck: , Questions inédites de Hugues de Saint-Victor, in: Recherches de théologie ancienne et médiévale 26 (1959), 177–213, und 27 (1960). 42–66, hier 196–198 Nr. 18. Literatur (neben den eben genannten Texten): , Étude sur l'authenticité de l'œuvre de Hugues de Saint-Victor d'après les manuscrits Paris, B. Mazarine 717, BN 14506 et Douai 360–366, in: Scriptorium 10 (1956), 182–220; , Le Liber magistri Hugonis, in: Franciscan Studies 23 (1963), 268–299; , Sententiae magistri Hugonis Parisiensis, in: Recherches de théologie ancienne et médiévale 27 (1960), 29–41; , Ergänzungen der Sermones und Miscellanea des Hugo von Sankt Viktor aus verschiedenen Handschriften, in: Recherches de théologie ancienne et médiévale 31 (1964), 260–286; , 452–457 Nr. 2.2.6.2; , Repertorium Sententiarum quae in saeculi XII Hugonis de Sancto Victore operum codicibus inveniuntur (I), in: Sacris Erudiri 32 (1991), 171–221; , 288–478; 6, 418 Nr. 51.
(94v–95v) ›De humano et divino timore‹. Humanus timor est quando timemus pati pericula carnis vel perdere bona mundi … — … Christum replevit spiritus timoris domini qui adhuc in eo est qui nec est nec fuit contrarius beatitudini. Der Text gehört zu einer Reihe von Sentenzen, die mit ziemlicher Sicherheit Hugo von St. Viktor zuzuschreiben sind. Auch in der Hs. Troyes, Médiathèque du Grand Troyes (olim Bibliothèque Municipale), Fonds ancien, Ms. 1174, 105v–106r, überliefert, vgl. A propos des sources (s. oben), 47 Nr. 5–6. Druck: Questions inédites de Hugues de Saint-Victor (s. oben), 58f. Nr. 52.
(95v) ›De diversitate conscientie‹. Conscientia alia bona sed non tranquilla hec illorum est qui in se boni sunt … — … famam sed non propter deum alia est bona et tranquilla alia nec bona nec tranquilla. Der Text gehört zu einer Reihe von Sentenzen, die mit ziemlicher Sicherheit Hugo von St. Viktor zuzuschreiben sind. Auch in der Hs. Troyes, Médiathèque du Grand Troyes (olim Bibliothèque Municipale), Fonds ancien, Ms. 1174, 106r, überliefert, vgl. A propos des sources (s. oben), 47 Nr. 7; , 458. Druck: Questions inédites de Hugues de Saint-Victor (s. oben), 58f. Nr. 52.
(95v–100v) ›De octo beatitudinibus‹. Primum peccatum ab angelo commissum est in celo et ideo expelli meruit peccatum superbia fuit … — … tribulatio huic infertur non nocet sed probat et exercet beatum faciens quia est propter dominum. Der Text gehört zu einer Reihe von Sentenzen, die mit ziemlicher Sicherheit Hugo von St. Viktor zuzuschreiben sind; kritisch dagegen , 294f. Ungedruckt. Der erste Teil (95v–96r Primum peccatum ab angelo commissum … et hec est medicina et remedium contra superbie gradum predictum) ist mit abweichender Rubrik auch in der Hs. Troyes, Médiathèque du Grand Troyes (olim Bibliothèque Municipale), Fonds ancien, Ms. 1174, 106r–v, überliefert, vgl. A propos des sources (s. oben), 47 Nr. 7.
(100v–103v) ›Quot modis sponsus ecclesie osculetur ab anima‹. Anima fidelis desiderans deum videre et in eo delectari dicit: Osculetur me osculo oris sui [Ct 1,1]. Pedes dei osculatur qui veniam de peccatis assequitur … — … post iter horum trium dierum fit et circumcisio deposita carnalitate et viciorum superfluitate. Prima dieta facit misericordem secunda fortem tercia iustum id est gloriosum. Erheblich modifizierte Fassung von Hugo de Sancto Victore: Miscellanea 1,142, die sich in einer umfangreicheren Form auch in dem Codex Lincoln, Cathedral Chapter Library, Ms. 201, 100ra–102va, findet. Druck: , , La collection de textes divers du manuscrit Lincoln 201 et Saint Bernard, in: Sacris Erudiri 15 (1964), 15–219, hier 200–205 Nr. 75 (Text bis 203 Z. 88).
(103v–104r) ›Qui et quot et ad quid circa hominem angeli duo versentur‹. Duo sunt angeli permanentes in hominibus bonus et malus. Quamdiu circa nos est bonus non in temptationem pellere potest angelus malus … — … diabolus recesserit et post accedens angelus bonus ministrat ei et in eo loquitur et gaudium operatur. In dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(104r–105r) ›Cur sacramenta ecclesie celebrentur‹. Sacramenta ecclesie propter remedium peccatorum instituta sunt nisi enim peccasset homo non eguisset remedio humanum genus … — … subtracta fuit et per hanc eo usque perduci ubi neque velit nec possit homo peccare. In dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(105r–v) ›Quod diversis modis fiat electio‹. Electio dei in bonis et reprobatio in malis diversis modis fit … — … beneplacito dei relinquens apud quem omnium rerum cause et origines existunt. In dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(105v–106r) ›De templo prime conditionis bono‹. In primo homine tria fuerunt voluntas libera ratio perspicax sensualitas obediens. Hec tria sibi invicem in bono obtemperare potuerunt … — … sed ubi videmus alteram alteri non obsequi relinquenda est potius racio et adherendum est fidei. In dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(106r–110r) ›Quid significent duo claustra quibus utebantur antiqui‹. In primordio nascentis ecclesie cum longe lateque per orbem studium religiose vite vigeret … — … valvas intentionis et operationis prudenter obfirmat. In dieser Form bislang nur in dieser Hs. nachgewiesen und ungedruckt.
(110r–111r) ›Moyses in collationibus patrum de diversitate divine contemplationis‹. Contemplatio dei multifaria concipitur. Nam deus non sola incomprehensibilis illius substantie sue admiratione cognoscitur … — … scilicet huic mundo affectibus terrenis. Weitgehend wörtliche Wiedergabe von Johannes Cassianus: Conlationes patrum 1,15. Druck: 49, 477A–1328C, hier 505A–506A; 13, 3–711, hier 25f. Literatur: 512.
(111r–114v) ›Idem‹. Sapientum Trapezetarum summa peritia est ac disciplina probare quidnam sit aurum purissimum … — … vel virulentarum serpentium examinare latibula atque extrudere poterimus. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Johannes Cassianus: Conlationes patrum 1,20 (nur der erste Satz fehlt), 1,21,2 und 1,22,1–2. Druck: 49, 511A–518A und 518B–520A; 13, 29–32 und 33f.
(114v–127v) : De XII abusionum saeculi gradibus. ›De duodecim abusivis seculi Ciprianus martir‹. Duodecim abusiva sunt seculi hoc est sapiens sine operibus senex sine religione adolescens sine obedientia dives sine elemosina femina sine pudicicia … — … gens habet testem resurrectionis quando protestatur dominus: Ecce ego vobiscum sum omnibus diebus usque ad consummationem seculi. Weitgehend wörtliche Wiedergabe von Ps.-Cyprianus: De XII gradibus abusionum saeculi gradibus. Druck: 4, 869B–882B, und 40, 1079–1088; 3/3, 152–173. Literatur: 1106; 1838; , 39f. (ohne Kenntnis dieser Hs.); 3067.
(127v–130v) ›De VI modis desponsationis ecclesie‹. De sex modis quibus Christus desponsavit ecclesiam per Osee prophetam his verbis alloquitur: Et sponsabo te michi in sempiternum … — … quia caro et sanguis non revelavit tibi sed pater meus qui est in celis. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Rupertus Tuitensis: Commentaria in duodecim prophetas minores Os 1,22–24. Druck: 168, 9A–204C, hier 52D–55C. Literatur: 7566; 8, 402–414, hier 403f.
(130v–136v) ›Augustinus de sermone domini in monte habito‹. Sermonem quem locutus est Ihesus in monte sicut in evangelio secundum Matheum legimus … — … dilectio enim proximi malum non operatur quam si haberent non dilaniarent corpus Christi quod est ecclesia. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: De sermone domini in monte 1,1,1–1,5,13. Druck: 34, 1229–1236; 35, 1–14. Literatur: 274; 1470.
(137r–142r) De gradibus caritatis perfectae et dilectione utilibus et valde necessariis. Non solum in novo sed etiam in veteri testamento admonemur fratres dilectissimi qualiter perfectam caritatem tenere debeamus … — … elaboremus in locis viciorum virtutes inducere ut possimus ad dei misericordiam pervenire. Aurelius Augustinus: Sermo CCCLXXXV (= Caesarius Arelatensis: Sermo XXI). Druck: 39, 1690–1695; 103, 94–99. Literatur: 284 und 1008; 751; 2, 539 Nr. 8.
(142r–144r) ›De eo quod dicitur qui amat animam suam perdet eam‹. Est quidam perversus amor et quoddam rectum odium sed amor perversus ab odio odium rectum ab amore est … — … quid multis opus est? Si volueris breviter poteris. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: Sermo CCCLXVIII (= Caesarius Arelatensis: Sermo CLXXIII) § 2–4. Druck: 39, 1653–1654; 104, 705–708, hier bis 707. Literatur: 735.
(144r–145r) ›De duabus elemosinis una cordis et alia pecunie‹. Fratres karissimi due sunt elemosine una cordis alia pecunie … — … oratione dominica dicere: Dimitte nobis debita nostra sicut et nos dimittimus debitoribus nostris. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: Sermo CCCXXI (= Caesarius Arelatensis: Sermo XXXVIII) § 5–6. Druck: 39, 2252; 103, 168–171, hier 171.
(145r–147v) ›Idem de verbis apostoli: Redimentes tempus quoniam dies mali sunt‹. Apostolum cum legeretur audistis immo omnes audivimus dicentem nobis: Videte quomodo caute ambuletis [Eph 5,15] … — … Ecce tempus perdidisti quanto melius nummum amitteres si tempus redimeres. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: Sermo CLXVII (= Caesarius Arelatensis: Sermo CLXXXI) § 1–6. Druck: 38, 909–911 (kürzer, Schluss fehlt); 104, 735–739, hier bis 738.
(147v–148r) ›De duplici prosperitatis modis‹. Duobus modis huius mundi prosperitas datur. Aliquando enim idcirco datur ut ad meliorem vitam provocet … — … quia hic fuerat nec per bona conversus. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Gregorius I papa: Regula pastoralis 3,26. Druck: 77, 13A–128A, hier 100A–C; Grégoire Le Grand: Règle pastorale, introd., notes et index par , texte critique par , trad. par , Paris 1992 ( 381, 382), tom. 2, 442–444. Literatur: 1712; 5, 230; 3344; 5, 174–190; 4, 420f. Nr. 9.
(148r–150v) ›De V generibus fortium‹. Irruerunt super me fortes. Non utcumque transeundum est ab his fortibus diligenter insinuandum est qui sint fortes insurgentes … — … qui ignorantes dei iusticiam et suam volentes constituere iusticie dei non sunt subiecti. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: Enarrationes in psalmos 58,1,6–7. Druck: 38–40, hier 39, 733–735. Literatur: 283; 1869a; 1463.
(150v–152v) ›Tres cause cur huius mundi facultas bonis et malis indifferenter assit et desit‹. Tres in eloquiis divinis causas habemus cur huius mundi divitie indifferenter bonis et malis desint et assint … — … quanto fuerunt ampliores non afferunt satietatem sed inflammant cupiditatem. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: Sermo 50,2–6. Druck: 38, 326–332, hier bis 328; 41, 625–633, hier bis 627. Literatur: 284.
(152v–157r) ›Unde Christus atque diabolus hominem comparasse dicantur et de septiformi thesauro diaboli et de septem peticionibus dominice orationis‹. Luce clarius constat quod redemptor noster pro redemptione nostra mori voluerit sed si ipse est dominus et creator omnium videndum est quomodo hic redemisse dicatur … — … et tocius consolacionis in odore suavitatis possimus offere et dicere: Pater noster qui es in celis. Der Text ist als Ganzes in dieser Form bislang nur hier nachgewiesen und ungedruckt.
(157r–v) ›Augustinus de quattuor generibus oblationum‹. Quattuor sunt genera oblationum. Pro valde bonis gratiarum sunt actiones … — … pro valde malis non adiumenta sed tantum consolationes vivorum fiunt. Das kurze Stück verarbeitet Aurelius Augustinus: De octo Dulcitii quaestionibus 2,4; zu beachten ist jedoch auch ein kurzer Kirchenrechtskanon mit identischen Initium, vgl. den Druck: Die irische Kanonensammlung, hrsg. von , Leipzig 1885, 50 (cap. 15,2). Druck: 40, 147–170, hier 158; 44A, 253–297, hier 274. Literatur: 291.
(157v) ›Idem in libro Enchiridion‹. Neque negandum defunctorum animas pietate suorum viventium relevari … — … aut certe ut eis tolerabilior fiat ipsa dampnatio. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Aurelius Augustinus: Enchiridion ad Laurentium de fide spe et caritate 39,110. Druck: 40, 283f.; 46, 108f. Literatur: 295.
(158r) ›De baptismo domini‹. Propter tres causas dominus baptizari voluit primo ut omnem iusticiam impleret … — … quia videlicet populus iudeorum illi ut prophete credidit. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 3,19 (Beginn fehlt). Druck: 172, 647C–648A, hier 648A.
(158r–v) ›De epiphania‹. Queritur cum dominus post epiphaniam utputa mox baptizatus ieiunaverit cur ecclesia ante pascha ieiunium instituerit … — … pascha celebremus cum Christo resurgentes et post hanc vitam cum eo regnemus. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 3,45 (Beginn und Schluss fehlen). Druck: 172, 656A–D, hier 656B–C.
(158v) ›De VII ebdomadibus‹. Septem ebdomade scilicet a quinquagesima usque ad pascha abstinentie asscribuntur … — … septimo per penitentiam. Honorius Augustodunensis: Gemma animae 3,47. Druck: 172, 657B–C.
(158v) ›De quarta feria‹. Propter tres causas fit scrutinium in quarta feria … — … quarta feria assignantur surgere in Christi corpus. Honorius Augustodunensis: Gemma animae 3,54. Druck: 172, 659C–D.
(158v–159r) ›De passione Christi‹. Per duas ebdomadas passionem Christi celebramus quia pro duobus et a duobus populis passum predicamus … — … pro eis immolatum et pharaonem in plagis contritum agnovimus. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 3,70 (Beginn fehlt). Druck: 172, 661C–662A, hier ab 661D.
(159r) ›De duobus diebus‹. Duo sunt dies temporalitatis et dies eternitatis. Dies temporalis quamdiu homo vivit … — … hodie natus est hodie apparuit hoc est in die gratie id est eternitatis. Honorius Augustodunensis: Gemma animae 4,12. Druck: 172, 692D–693A.
(159r–v) Notanda sunt et haec. In pascha sunt quattuor notanda ut tercia hebdomada lunae Aprilis qui primus est mensis apud hebreos celebretur … — … illa die pluit dominus manna illa die dedit legem illa etiam die resurrexit. Aus Honorius Augustodunensis: Gemma animae 4,16 (Schluss fehlt). Druck: 172, 694C–695B, hier bis 695A.
(159v–160v) ›De tribus partibus sacramenti‹. Non ociose sacramentum corporis Christi in tres partes dividimus quia in Christi passione per hoc commemoramus preterita … — … id est corporis Christi sicut ipse dicit: Qui manducat carnem meam et bibit sanguinem meum in me manet et ego in eo. Aus Ivo Carnotensis: Sermo 5. Druck: 162, 535D–562A, hier 559D–560A.
(160v–161r) ›Cur agnus dei ter dicatur‹. Consideratione trium porcionum supra memoratarum dum sacramenta sumuntur ter Agnus dei a choro canitur … — … dum illos sibi incorporare studet qui cum capite laboraturi sunt in terra. Aus Ivo Carnotensis: Sermo 5 (direkt im Anschluss an das vorhergehende Stück). Druck: 162, 560A–C.
(161r) ›De triplici dono dei‹. Tria sunt que in donis dei considerare debemus alia enim communiter alia specialiter alia singulariter data sunt … — … propria impertita sunt sicut Petro principatus in apostolis Paulo apostolatus in gentibus Iohanni privilegium amoris. Modifizierter Auszug aus Hugo de Sancto Victore: Soliloquium de arrha animae. In den bisher analysierten Sammlungen von Quaestionen und Sentenzen Hugos von St. Victor (vgl. oben, 92v) ist diese Passage als Separatum nicht vorgefunden worden. Druck: 176, 951B–970D, hier 956D–957A und 959D. Literatur: , 277–329 Nr. 2.2.4.8; , 103–123; 6, 419f. Nr. 57.
(161r–164v) ›De duplici ritu pasche‹. De duplici ritu pasche in Exodo scriptum est in secundo inquit mense postquam de Egypto profecti sunt quinta decima die mensis statuitur secundum pascha faciendum … — … iustis autem et fidelibus permanet dulcis et suavis. Gustate enim et videte quoniam suavis est dominus ipse deus et salvator noster Ihesus Christus cui est gloria et imperium in secula seculorum Amen. Weitgehend wörtlicher Auszug aus Origenes: In Exodum homilia VII interprete Rufino § 4–8. Vgl. eine abweichende Bearbeitung dieer Homilie in Cod. Guelf. 723 Helmst., 39v–43r. Druck: Origenes Werke Bd. 6: Homilien zum Hexateuch in Rufins Übersetzung, Teil 1: Die Homilien zu Genesis, Exodus und Leviticus, hrsg. von , Leipzig 1920 (GCS 29), 1–144, bes. 204–217, hier ab 209. Literatur: 1414; 6174. Aus der Bibliothek des Benediktinerinnenklosters Lippoldsberg ist eine patristische Exzerptsammlung überliefert, die ebenfalls den Titel "Liber modorum" trägt (Kassel, UBLMB, 8° Ms. theol. 4, 77v–212r, vgl. , 6–8; Women's reading, s. oben, 181f. Nr. 20; , 75). Sie ist in gleicher Weise wie der vorliegende Codex angelegt, enthält jedoch vorwiegend Exzerpte aus den Werken Gregors d. Gr. und kommt daher als Vorlage nicht in Frage. Die Wahl des ungewöhnlichen und bislang nur aus diesen beiden Hss. bekannten Titels für ein patristisches Florilegium könnte jedoch durchaus vom Lippoldsberger Codex motiviert sein; möglicherweise hatten die Lamspringer Nonnen die Absicht, eine ähnlich strukturierte, aber inhaltlich anders ausgerichtete Sammlung anzulegen. Besonders bemerkenswert an der vorliegenden Kollektion sind die zahlreichen bislang nur hier nachgewiesenen Stücke bzw. die Zitate aus dem Psalmenkommentar Gilberts von Poitiers und die sonst allein in westeuropäischen Hss. nachgewiesenen Quaestionen und Sentenzen und dem Umkreis Hugos von St. Viktor. Da das Hamerslebener Augustiner-Chorherrenstift St. Pankratius, dem Hugo als einem Professkonvent wohl zeitlebens verbunden blieb, das Zentrum der Überlieferung und Verbreitung seiner Werke in Sachsen bildete, liegt der Schluss nahe, dass die Lamspringer Benediktinerinnen schon vor dem Priorat Gerhards von Hamersleben in Lamspringe (1178–1205) über Kontakte ins Pankratiusstift verfügten. Belegt ist zumindest, dass der Propst von Lamspringe (der mindestens seit der Umwandlung in ein Benediktinerinnenkloster von einem der umliegenden reformierten Augustiner-Chorherrenstifte gestellt wurde), bereits 1138 zusammen mit dem Propst Thietmar von Hamersleben und dessen Mitkonventualen Gunther, dem späteren Propst von Lippoldsberg, in Rom weilte, vgl. . Möglich wäre daher auch eine indirekte Vermittlung über die Lippoldsberger Benediktinerinnen, deren Konvent seit etwa 1139 bis mindestens 1161 von dem Hamerslebener Konventualen Gunther geleitet wurde, der nachweislich Texte Hugos von St. Viktor nach Lippoldsberg brachte, vgl. , Das Bistum Halberstadt im 12. Jahrhundert. Studien zur Reichs- und Reformpolitik des Bischofs Reinhard und zum Wirken der Augustiner-Chorherren, Köln/Wien 1972 (Mitteldeutsche Forschungen 69), 174 Women’s reading (s. oben), pass., bes. 147–149 und 163–165. Zum gesamten Text vgl.: , 451 (diese Hs.).
164v Receptum ad caliginem oculorum. ›Ad caliginem oculorum‹. Tolle hedere sucum et feniculi sucum equali mensura et mittes in ampullam et ad solem calidum siccabis … — … Item asinino lacte inunctus claritatem oculis prebet. Eine dreiteilige Anweisung für Heilmittel gegen Augenleiden, von anlegender Hand unter dem Text hinzugefügt. In dieser Form bislang nur hier nachgewiesen und ungedruckt. – 165r–v leer.
Unterer Text (I)
Pergament — 49 Bl. — Insulares Zentrum (?) — 9. Jh.
Die ursprünglichen Blattmaße bzw. das Mise-en-page sind aufgrund der Bearbeitung nicht mehr genau zu ermitteln. Kleine, regelmäßig wirkende insulare Minuskel, Hände nicht mehr eindeutig zu scheiden. Rubriziert, Initialmajuskeln, einige (so auf Bl. 5v, 6v, 7v, 17v, 21r, 22v, 25v, 29v, 35v und 38v) noch erkennbar; 35v und 38v mit Vogelkopfmotiven in den Ausläufern.
Herkunft: Über die Schriftheimat der palimpsestierten Bl. lassen sich aufgrund des Erhaltungszustandes allenfalls Vermutungen anstellen; in Frage kämen vor allem Scriptorien, in denen (wie beispielsweise in Fulda) die insulare Minuskel geschrieben wurde.
1r–49v Textus liturgicus (?). Der genaue Umfang des Textes und sein Inhalt sind anhand des erhaltenen bzw. nach der Palimpsestierung und Reskribierung noch lesbaren Bestandes nicht mehr erkennbar. Ebensowenig ist noch zu ermitteln, ob die vor allem in der Schrift erheblich vom folgenden reskribierten Text abweichenden Bll. ursprünglich aus dem gleichen oder einem anderen Überlieferungskontext stammen.
Unterer Text (II)
Pergament — 116 Bl. — Hildesheim (?) / Corvey (?) — 9./10. Jh.
Die ursprünglichen Blattmaße bzw. das Mise-en-page sind aufgrund der Bearbeitung nicht mehr genau zu ermitteln. Karolingische Minuskel, in den Rubriken Unzialis und Capitalis rustica als Auszeichnungsschrift, Hände nicht mehr eindeutig zu scheiden. Rubriziert, Satz- und Initialmajuskeln in Capitalisform (118v).
Herkunft: Über die Schriftheimat der palimpsestierten Bl. lassen sich aufgrund des Erhaltungszustandes allenfalls Vermutungen anstellen; als Entstehungsorte kämen z. B. im entsprechenden Zeitraum arbeitende Scriptorien des norddeutschen Raums, etwa in Hildesheim oder Corvey, in Frage.
50r–165v Sacramentarium. Der genaue Umfang des Textes und sein Inhalt sind anhand des erhaltenen bzw. nach der Palimpsestierung und Reskribierung noch lesbaren Bestandes nicht mehr zu ermitteln; erkennbar ist auf Bl. 118v das Ende von Ps. 45 und der Anfang von Ps. 46. Die Identifizierung des Textes erfolgte mit Hilfe der aus dem gleichen palimpsestierten Codex stammenden Bll. in Cod. Guelf. 482a Helmst. und 723 Helmst.
Abgekürzt zitierte Literatur
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C. Bertelsmeier-Kierst, Audi filia et vide. Frauenkonvente nach der monastischen Reform, in: Zwischen Vernunft und Gefühl. Weibliche Religiosität von der Antike bis heute, hrsg. von Ders., Frankfurt/M. u.a. 2010 (Kulturgeschichtliche Beiträge zum Mittelalter und der frühen Neuzeit 3), 61–90, hier nach dem ND in: Dies., Buchkultur und Überlieferung im kulturellen Kontext, hrsg. von T. Terrahe, R. Toepfer und J. Wolf, Berlin 2017 (Philologische Studien und Quellen 17), 255–286 | |
C. Bertelsmeier-Kierst, Handschriften für Frauen und von Frauen. Buchkultur aus norddeutschen Frauenklöstern im 13. Jahrhundert, in: Die gelehrten Bräute Christi. Geistesleben und Bücher der Nonnen im Hochmittelalter. Mit einer Einführung von H. Härtel, hrsg. von H. Schmidt-Glintzer, Wiesbaden 2008 (Wolfenbütteler Hefte 22), 83–122 | |
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Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 1–, Turnhout 1954– | |
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Clavis patrum Latinorum, hrsg. von E. Dekkers, Steenbrugge u.a. 31995 (Corpus Christianorum. Series Latina) | |
Clavis patristica pseudepigraphorum medii aevi, hrsg. von I. Machielsen, Turnhout 1990– (Corpus Christianorum. Series Latina) | |
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Die mittelalterlichen Handschriften der Signaturgruppe B in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, Teil 1: Ms. B 1 bis B 100, beschrieben von E. Overgaauw, J. Ott und G. Karpp, hrsg. von I. Siebert, Wiesbaden 2005 (Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. Kataloge der Handschriftenabteilung 1) | |
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Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 12 Bde., hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin/New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin/New York 2005–2015 | |
H. Wolter-von dem Knesebeck, Lamspringe, ein unbekanntes Scriptorium des Hamersleben–Halberstädter Reformkreises zur Zeit Heinrichs des Löwen, in: Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125–1235. Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995, Bd. 2: Essays, hrsg. von J. Luckhardt und F. Niehoff, München 1995, 468–477 |
Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Helmstedter Handschriften Teil IV.