Otto v. Heinemann: Die Augusteischen Handschriften 1. Cod. Guelf. A. Aug. 2° — 11.10 Aug. 2°. Frankfurt/M.: Klostermann, 1965 (Nachdruck d. Ausg. 1890). S. 8 – 10 (Vorläufige Beschreibung)
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. A.1 Aug. 2°
Recueil des Troyennes histoires par Raoul le Fevre.
Pergam. — 396 beschr. Bll. — 49 × 36 cm — 15. Jahrh.
zweispaltig. Eine Prachthandschrift mit 34 grösseren und 28 kleineren Gemälden, umrahmt von entsprechenden, aber ziemlich handwerksmässig ausgeführten Randleisten. Die Bilder zeigen Sinn für Perspective aber neben einer zum Theil erschreckenden Steifheit der Figuren eine mehr als naive Auffassung der dargestellten Vorgänge, f. 8, überreicht der Verfasser dem auf dem Thronsessel unter einem Baldachin sitzenden Philipp dem Guten knieend sein Buch, gegenüber der flammende Kamin, rings umher burgundische Hofleute in langen Röcken und mit hohen Hüten auf dem Kopfe, f. 46′, stellt Jupiter, le roy de Crete, dar, wie er, als Tabuletkrämer verkleidet mit seinem Kram — so hat sich der Maler den goldenen Regen gedacht — Einlass in den Thurm der Danaë zu erlangen sucht, f. 101′, zeigt die Einsetzung der Olympischen Spiele durch Herkules: der Kampfplatz ähnelt ganz einem Turnplatz unserer Zeit. f. 122, ist der Kampf des Herkules, eines dünnbeinigen Ritters in der Rüstung des 15. Jahrhunderts, mit drei Löwen im Nemeischen Walde dargestellt. Ein interessantes Doppelbild ist auch (f. 282) die Ermordung des Agamemnon: links sieht man das Schiff des Königs heransegeln, während auf einem Felsen das Wachtfeuer emporleuchtet, rechts liegt der König im Bette und wird vom Ägisth abgekehlt, während Klytämnestra in grösster Gemüthsruhe zu der grausigen That mit einem Lichte in der Hand leuchtet. In allen Bildern ist die im 15. Jahrhundert am Burgundischen Hofe übliche Tracht verwandt worden. Ausser den Bildern, von denen oben die merkwürdigsten erwähnt worden sind, ist die Handschrift noch mit vielen grösseren und kleineren Initialen in Gold auf blauem gemusterten Grunde geschmückt. Vgl. über die Handschrift auch: Ebert, Überlieferungen zur Geschichte, Literatur und Kunst der Vor- und Mitwelt I. 190–191 und Schönemann, Merkwürdigkeiten der herzgl. Bibliothek zu Wolfenbüttel no. 62.
Starke Holzdeckel, mit braunem gepressten, die burgundischen Lilien zeigenden Leder überzogen: zwei Messingschliesser an Pergamentriemen. Die ursprünglichen Eckenmedaillons sind verschwunden. Ecken und Rücken erneuert.
Herkunft: Das Manuscript ist ursprünglich wohl für den Herzog Philipp den Guten von Burgund hergestellt. Es finden sich darin noch folgende, vielleicht frühere Besitzer anzeigende Inscriptionen: a) auf dem inneren Vorderdeckel: Jamaís aultre Zcunighen b) auf dem ersten Schmutzblatt: Hendric Serwoutiz, c) eine Inscription, die ich früher gelesen habe, die aber jetzt verschwunden ist: Thomas . . . . . is book. God mark him. Die Handschrift war mit unter den nach Paris entführten: f. 1 und 306′ findet sich noch der Stempel der Bibliothèque Impériale.
Vorangeht (f. 1–6′) das Register über die einzelnen Capitel des Werkes, durch folgende Worte eingeleitet: Ci commence la table generale de costui présent volume intitule le recueil des troyennes histores qui contient en soy trois liures partiaux desquelz le premier traitte la genealogie de Saturne de Jupiter et de Perseus. Ou second declaire les labeurs de Hercules demonstrant quil detruisy Troye par deux fois. Et ou tiers liure monstre la tierce et generale destruction dicelle faitte par les Gregois a cause du rauissement de Elaine enssamble les fais d’Ector et de ses freres. Et premièrement adresse lacteur son prologue a treshault trespuissant et tresexellent prince Philippe par la grace de dieu ducq de Bourgogne. Das erste Buch reicht von f. 8–121′, das zweite von f. 122–207′, das dritte von f. 208–306′. Zwischen f. 207 und 208 ist ein Blatt mit dem Anfange des dritten Buches ausgeschnitten. — Die verschiedenen Ausgaben des Buches s. bei Brunet, Manuel du Libraire III. 924 ff.