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Beschreibung von Cod. Guelf. A Novi (9)
Die illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil 1: 6. bis 11. Jahrhundert, beschrieben von Stefanie Westphal (in Bearbeitung)

Evangeliar (Fragment)

Chelles, Benediktinerinnenkloster — 9. Jh., Anfang

Provenienz: Die Fragmentblätter wurden 1967 von 14.2 Theol. 2° abgelöst.

Pergament — 2 Einzelblatt — 40 × 28 cm

Neuere Bleistiftfoliierung. Schriftraum: 35 × 25 cm, zweispaltig, 43 Zeilen. Frühe karolingische Minuskel von einer Hand. Das Incipit in Capitalis und anschließender Unzialis, rubriziert. Versanfänge mit rubrizierten Initialmajuskeln. Zu Beginn des Textes auf 1v ein unverzierter Hohlbuchstabe.

INHALT

Evangeliar. (1r) Kanontafel. (1v) Capitula zu Mt (51 Kapitel). (2rv) Mt (5,5–6,20).

AUSSTATTUNG

Eine Kanontafel.

1r eine Kanontafel mit vier Bögen (36,5 × 25,7 cm). Die fünf hohen Säulen oben verbunden durch dünne, niedrige Bögen. An den Seiten jeweils eine hakenförmig angedeutete Arkade. Den oberen Abschluss bilden abgerundete dünne Kapitelle, die Basen als einfache rechteckige Stufe. Die Säulenschäfte inklusive Basis gerahmt durch eine breite Randleiste, das Mittelfeld gefüllt mit Seilband, perlenförmiger Kreisreihung und gereihten Kreuzblüten. Die Muster setzten sich bis in die Basen fort.

Farben: Helles Orange, Dunkelgrün, Gelb, Blasslila, Dunkelbraun. Sämtliche Muster und Motive in wechselndem Farbspiel.

STIL UND EINORDNUNG

Die beiden Fragmentblätter wurden in der Forschung bisher kaum berücksichtigt. Datierung und Lokalisierung erfolgten paläographisch durch B. Bischoff (Chelles, 8./9. Jh. - Anfang 9. Jh.; Bischoff Katalog 3, Nr. 7346). Für das Skriptorium des bei Paris gelegenen Benediktinerinnenklosters in Chelles ist ein Tätigkeitszeitraum von ca. 740–800/Anfang 9. Jh. belegt (zur Gruppe Ziegler). Für die Jahre 750/760 liegt eine Gruppe von Handschriften um das sogenannte Sakramentar von Gellone (Rom, BAV, Reg. lat. 316; C. Denoël, Le sacramentaire gélasien de Chelles, in: Art de l'enluminure, Bd. 58 [2016], 2–55). Nach Zimmermann umfasst diese Gruppe folgende Handschriften: Oxford, BodL, MS. Laud Misc. 126; Autun, BM, Ms. 20; Montpellier, BM, Ms. 3; Paris, BnF, lat. 12240–12241. Etwas später folgen das Evangeliar Oxford, BodL, MS. Douce 176 und der Psalmenkommentar Köln, Dombibliothek, Cod. 63, 65, 67 (zur Kölner Handschrift: Glaube und Wissen, Nr. 3; zur Gruppe: Zimmermann Miniaturen, 212–221, Abb. 127–143). B. Bischoff ergänzt diese ausgehend von der Kölner Handschrift um weitere Codices, geschrieben in der Zeit 785–810 (B. Bischoff, Die Kölner Nonnenhandschriften und das Skriptorium von Chelles, in: Karolingische und ottonische Kunst. Werden, Wesen, Wirkung, bearb. von F. Gerke, Wiesbaden 1957 [Forschungen zur Kunstgeschichte und christlichen Archäologie 3], 395–411, hier 399). Die Ornamentik des Wolfenbütteler Evangeliarfragments reiht sich in das Repertoire des Skriptoriums ein. Hierzu gehören das Füllmotiv der vierblättrigen Blüte (vgl. Ziegler, Sp. 47; vgl. Oxford, BodL, MS. Laud Misc. 126, 96v) und das Perlenmotiv (Ziegler, Sp. 42; vgl. Rom, BAV, Reg. lat. 316, 4r; zur Handschrift vgl. Frankish Manuscripts, Nr. 8). Ähnlich angelegte Kanonbögen, mit schlanken, hohen Säulenschäften finden sich in Montpellier, BM, Ms. 3 (vgl. Ziegler, Abb. 15, 16). Als besonders charakteristisch gilt die kräftige, motivabhängig wechselnde Farbgebung mit einer von Ziegler als solche bezeichneten "Leitfarbe", bei der es sich in vielen Fällen um Orange/Menning handelt (Ziegler, Sp. 55). Dieses Vorgehen ist auch im Wolfenbütteler Fragment gegeben, wo das in den Randleisten der Säulen auftretende Orange wechselnd mit den anderen Farben auch im Füllornament auftritt. Für eine späte Zeitstellung um 800 oder kurz danach spricht das Fehlen der Farbe Blau, die von Ziegler als charakteristisch für die frühen Chelles-Handschriften beschrieben wird (Ziegler, Sp. 55). Das in dem Wolfenbütteler Fragment so prominent gebrauchte Seilband hingegen nennt Ziegler typisch für die späteren Codices (Ziegler, Sp. 54).

Butzmann Extravagantes, Novi, Novissimi, 177. — Bischoff Katalog 3, Nr. 7346.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bischoff Katalog 3 B. Bischoff, Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts (mit Ausnahme der wisigotischen), Teil 3: Padua–Zwickau, aus dem Nachlass hrsg. von B. Ebersperger, Wiesbaden 2014
Butzmann Extravagantes, Novi, Novissimi H. Butzmann, Die mittelalterlichen Handschriften der Gruppen Extravagantes, Novi und Novissimi, Frankfurt/M. 1972 (Kataloge der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Die Neue Reihe 15)
Frankish Manuscripts L. Nees, Frankish Manuscripts. The Seventh to the Tenth Century, 2 Bde., London 2022 (A Survey of Manuscripts illuminated in France 2)
Glaube und Wissen Glaube und Wissen im Mittelalter. Die Kölner Dombibliothek, bearb. von J. M. Plotzek, U. Surmann, Ausstellung Köln, 7. August - 16. September 1998, München 1998
Ziegler U. Ziegler, Das Sacramentarium Gelasianum Bibl. Vat. reg. lat. 316 und die Schule von Chelles, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 16 (1976), 2-142
Zimmermann Miniaturen E. Zimmermann, Vorkarolingische Miniaturen, Text- und Tafelband, Berlin 1916 (Deutscher Verein für Kunstwissenschaft. Denkmäler Deutscher Kunst)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Teil I (6.–11. Jh.).
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