Beschreibung von 2° Cod. Ms. hist. 98 (Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger.) Beschrieben von Lukas Wolfinger Elektronische Ausgabe nach TEI P5 TEI-P5 konforme Kodierung durch Lukas Wolfinger SUB Göttingen HAB Wolfenbüttel 2020 HAB Wolfenbüttel

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Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Nutzungshinweise)

Neu katalogisiert durch Lukas Wolfinger

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Volkssprachige Handschriften .

Göttingen Staats- und Universitätsbibliothek 2° Cod. Ms. hist. 98 Meyer-Sign. Histor. 98 Jörg Rugen - Marx Würsung 16. Jh., 2. H.

Papier

II, 55 Bl. 31,5-32,7 20,5-20,8 2 Frühneuzeitliche Tintenfoliierung: 1-53 (ursprünglich viell. bis Bl. 54, jedoch durch Beschädigung des Papiers ebd. verloren); zwischen Bl. 40/41 ein Bl., das - gleichfalls in Tinte - die alte Foliierung 21 führt. Da im Abschnitt zuvor die Nr. 21 nicht fehlt, muss das betreffende Bl. entweder aus anderem Zusammenhang gerissen und hier eingefügt oder falsch foliiert worden sein. 3 VI (36). 6 (?, 41). VI (53). 1 (54); zwei Teile, von denen der zweite (Bl. 41-53) anhand der Wasserzeichen sowie anhand der um ca. 5 mm geringeren Höhe der Blätter als eigene Einheit erkennbar ist. Das letzte Bl. der Handschrift (Bl. 54) weist jedoch wieder das größere Format sowie ein Wasserzeichen des ersten Teils auf, ist demnach diesem zugehörig; die kleinere Lage des zweiten Teils könnte demnach zwischen die letzten beiden Bl. des ersten eingelegt und in dieser Form eingebunden worden sein. An die erste Lage ist vorne ein modernes Doppelbl. angeklebt.

Die Handschrift scheint nach ihrer Entstehung noch ein weiteres Mal beschnitten worden zu sein (s. diesbezüglich etwa 5v, 30v, 39v); das Papier ist an den Rändern stark beschädigt, speziell in der freien unteren Ecke der Blätter; das als Bl. 21 bezeichnete Bl. zwischen Bl. 40/41 ist mehrfach gerissen (notdürftig mit Papierstegen geklebt), ein Teil des unteren Seitenrandes fehlt ganz.

Die Handschrift ist mit insgesamt rund 620 Wappen ausgestattet, die sich auf die Teilnehmer des im Text beschriebenen fiktiven Turniers beziehen. Der größte Teil davon ist zur Gänze ausgeführt, mit Helm, angedeuteter Helmdecke und Helmzier sowie in Farbe; nur ein kleinerer Teil ist - auf unterschiedliche Weise - unvollständig; die Wappen bzw. die Familien, die sie führen, sind meistens durch eine Beischrift identifiziert. Teilweise befinden sich die Wappendarstellungen auf Seiten ohne Text der Turnierchronik und teilweise sind sie in Lücken zwischen denselben eingefügt - wobei der Text zuerst geschrieben wurde. Sie gliedern sich in zwei Gruppen, von denen die eine (mit klassischer Schildform) im ersten Teil der Handschrift zu finden ist (Bl. 1-41), die andere hingegen im hinteren Teil (Bl. 42-54; mit herzähnlichen Wappenschilden). Die Formen bzw. Schablonen der Wappen sowie der Helme mit Helmdecken unterscheiden sich bei diesen beiden Gruppen deutlich. Wie mehrere Gestaltungsdetails nahelegen (Schattenwurf und räumliche Effekte), dürften die Wappen in beiden Fällen von einem erfahrenen Wappenmaler angefertigt worden sein. Auffällig ist das auf 7v für das (Erz-)Bistum Salzburg eingetragene Wappen; dabei handelt es sich nämlich nicht um das Wappen des Bistums, sondern um das persönliche Wappen Leonhards von Keutschach, der von 1495 bis 1519 Erzbischof von Salzburg war: eine weiße Rübe auf schwarzem Grund. Zumindest die Wappenvorlagen, die der erste in der Handschrift tätige Wappenmaler verwendete, scheinen demnach - direkt oder indirekt - auf die Zeit vor/um 1519 zurückzugehen. In diesem ersten Teil sind die Wappen häufig nach der Nennung ihrer Träger im Text der Turnierchronik numeriert (in Tinte), während sich eine solche Numerierung im zweiten Teil nicht findet. Die Namen, die zwecks Identifizierung über oder neben die Wappen geschrieben sind, unterscheiden sich in der Orthographie deutlich von den im Text der Turnierchronik genannten Namensvarianten. Somit dürfte die namentliche Beschriftung nicht durch den bzw. die Schreiber der Chronik erfolgt sein. Im Wesentlichen scheint sie auf ein bis zwei Hände zurückzugehen (viell. der Wappenmaler?), aber von späteren Schreibern ergänzt worden zu sein. Auf mehreren Bl. sind Korrektur-Notizen zur Position von Wappen eingetragen (s. bei Teil I). Ob diese nur das Verständnis der vorliegenden Handschrift erleichtern sollten oder ob die Darstellungen der Handschrift als Vorlage für weitere Handschriften (oder auch einen Druck) dienen sollten und deshalb Verbesserungen vorgenommen wurden, ist unklar.

Einband des 16. Jahrhunderts, aus nicht identifizierter Werkstatt: Pergament über Pappe; verziert mit 9 Blindstempeln (1: Flechtwerk, 62 x 0 mm; 2: Flechtwerk - floral, 50 x 0 mm; 3: Flechtwerk - floral, 50 x 0 mm; 4: Staude/Blattwerk, 61 x 0 mm; 5: Staude/Blattwerk, 21 x 0 mm; 6-9: arab. Ziffern, 6 x 0 mm), drei Rollen (10: Kandelaber, 4 x 0 mm; 11: Kette - Kettenglieder eckig, 2 x 0 mm; 12: Kette - Kettenglieder oval, 2 x 0 mm) und Streicheisenlinien (oder Rolle mit drei parallelen Linien?); ursprünglich wohl 2 Bänder als Verschluss; Lücken/Schnitte zur Aufnahme derselben finden sich seitlich am Rand des Vorder- und Hinterdeckels, sind nun jedoch durch den VS und HS teilweise verklebt; auf dem VD sind um das mittig platzierte Ornament (Kandelaber) vier Ziffern einer Jahreszahl gruppiert: 1526 (?); im 19./20. Jh. wurde der Rücken grob mit Papier überklebt, vermutlich weil er gebrochen war; darauf ist ein Papierstreifen angebracht mit dem Tinteneintrag Turnier 935 sowie darunter das übliche Papierschildchen mit moderner Göttingen Signatur; diese ist in Bleistift auch am oberen Rand des VS vermerkt (Cod. Ms. hist. 98); darunter zudem der Eintrag Beschreibung des zu Heinrich des Voglers Zeiten A. C. 935 gehaltenen Turniers und Feldzugs wider die Hunnen; nach der Beschreibung von W. Meyer handelt es sich dabei um einen Eintrag von Johann Gottfried von Meiern (zu ihm s. unter Herkunft); der Vergleich mit einem eigenhändigen Brief von J. G. von Meiern (SUB Göttingen, 4° Cod. Ms. philos. 150a, Bl. 5-6) spricht allerdings eher gegen diese Zuordnung als dafür; unter dem besagten Eintrag ist außerdem in Bleistift vermerkt 52 Bl. (+1 Bl. zw. 40/41 als 21 gez.) 8.11.77; auf dem HS noch die ältere Göttinger Signatur Cod. histor. 42; darunter mit Bleistift der Eintrag begast m. Ethylenoxid 1986. Die Vermutung liegt nahe, dass der Einband für die vorliegende Handschrift zweitverwendet wurde: Zum einen ist die Größe des Einbandes für den Buchblock relativ knapp bemessen und die Schlitze für die Verschlussbänder sind durch den VS und HS zum Teil verklebt. Zum anderen wirkt die blindgeprägte Jahreszahl 1526 auf dem Vorderdeckel bereits für die Datierung des ersten Teils ziemlich früh, und der zweite Teil wird kaum vor dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts entstanden und eingebunden worden sein (s. dazu im Folgenden). Sofern die Jahreszahl wirklich als 1526 zu lesen ist, dürfte der Einband ursprünglich also nicht zur vorliegenden Turnierchronik gehört haben.

Die Handschrift ist in zwei Abschnitten entstanden (Teil I: Bl. 1-41; II: Bl. 42-54), die sich sowohl durch ihre Schreiber als auch ihre Wappenmaler und die Wasserzeichen des Papiers unterscheiden. Der erste Teil dürfte etwas früher zu datieren sein (etwa 3. V. des 16. Jahrhunderts) als der zweite (ca. letztes V. 16. Jh.). Da der zweite Teil der Handschrift nur einen sehr kleinen Abschnitt der Turnierchronik enthält, und zwar genau jenen, der in Teil I fehlt, dürfte er eigens als Ergänzung für jenen angefertigt worden sein.

Die weitere Geschichte der Handschrift ist bis ins 18. Jahrhundert hinein unbekannt. Nachweisbar ist sie dann im Besitz des Juristen, Historikers, Archivars und Gießener Professors Johann Gottfried von Meiern (geb. 1692, gest. 21. Okt. 1745 in Hannover).

Auf dessen Nachlass-Auktion, die im November 1746 in Hannover stattfand, wurde sie für die Bibliothek der Georgia Augusta ersteigert (vgl. dazu die entsprechenden Einträge im zweiten, die Jahre 1745 bis 1748 umfassenden Bd. der Accessio zum Bülowschen Bibliothekskatalog im Archiv der Göttinger Universitätsbibliothek, S. 1148 und S. 1170: Ex Catalog. Librorum Jo. Gottfr. de Meiern. Hannov. d. 3. Nov. 1746 sind angekaufet bzw. H. 3671. Beschreibung des zu Heinrich des Voglers Zeiten A. C. 935 gehaltenen Thurniers und Feldzugs wieder die Hunnen. mit illuminierten Wapen).

Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger. Göttingen 2, S. 34. 2VL 11, Sp. 1569-1572 Stamm Das Turnierbuch , S. 42-43, S. 47 Handschriftencensus . BBAW . I 16. Jh., 2. H. (3. V. ?) 1r-40v bzw. 21* Jörg Rugen Marx Würsung Turnierchronik 1r-33v Nach der geburtt Christi vnsers hern neunn hundert dreissigh vnd fünff jahr zu den zeitten alss kayser Heinrich der erst des nhamen ein hertzogh in Sachssen das Romisch Reich regieret vierhundert vnd fünf vnd dreissigh helm ahnn herrn vnd ritterschafft derselben landtts vnd ordts also das auf den donnerstagh zu mittagh die durnier gahr volendet vnd auß warenn Zwischen die jeweiligen Textpassagen sind vielfach die Wappen der darin genannten Personen eingefügt. Das Ende der Turnierchronik fehlt in diesem Teil der Handschrift. Ob es nie vorhanden war oder aber verloren ging, ist unklar; in jedem Fall wurde es erst nachträglich von anderer Hand bzw. durch Teil II der Handschrift ergänzt. Die vorliegende Handschrift bietet eine Variante der von Jörg Rugen/Georg Rixner verfassten Turnierchronik (zu Jörg Rugen s. insbesondere Arnold Der fränkische Adel ; Graf Herold ; zu seiner Turnierchronik Stamm Das Turnierbuch , S. 231-191; 2VL 11, Sp. 1569-1572), die am ehesten auf Marx Würsungs Druck von 1518 zurückgeht (Marx Würsung, Von wann vnd vmb welcher vrsachen das loblich ritterspil des turniers erdacht vnd zum ersten geübet worden ist, Augsburg 1518; zu Marx Würsung und seinem Druck der Turnierchronik s. auch 2VL 10, Sp. 1267-1268 sowie Graf Wem widmete Würsung sein Turnierbuch ). Allerdings unterscheidet sie sich von dieser vielfach im Wortlaut und ist an einigen Stellen noch stärker gekürzt. Es handelt sich also nicht um eine reine Abschrift, sondern eher um eine eigene Bearbeitung, zu der wesentlich auch die Ausstattung mit Wappen gehört, die im Druck Marx Würsungs nicht vorhanden sind. 34r-40r Wappen Dieser Abschnitt ohne Text; 36v allerdings leer; an mehreren Stellen Randbemerkungen zu bestimmten Wappen bzw. ihrer Position: auf 37r links unten der Eintrag [d]iese schilde sollen in [n]achergehenndem spatio stehen; 38v ist an den Seiten neben der ersten und der mittleren Wappenreihe vermerkt: a) diese 1. 2. 3. sollen in der hier allein stehen, b) diesse II. soll der 10. in einner rige folgen, sowie c) dz 7. soll dem 6. in der rige folgen; auf 39r rechts neben der obersten Zeile zu lesen: dz 15. soll hier in dieser rige stehen (von derselben Hand wie diese Einträge stammt wohl auch auf 11v die Randglosse: dess hertzogen von Bayern drig man). 40v leer; jedoch am oberen Seitenrand der Vermerk: hic nihill deest; exinde spatium huius lateris est superfluum; danach ein Bl. mit Wappen, das - wie die Form der Wappen und das Wasserzeichen zeigen - noch zu Teil I gehört.

Papier

Wasserzeichen: drei verschiedene, bislang nicht nachweisbare Vollwappen.

ca. 24-26 21-23 , 24-31 Zeilen (die Größe des Schriftspiegels variiert auch danach, ob auf der Seite Wappen enthalten sind oder nicht).

Der gesamte Haupttext von einer Hand; deutsche Kurrentschrift (16. Jh., 2. H.); Überschriften sowie einzelne Worte oder Textpassagen durch Verwendung von Frakturkursive hervorgehoben; weitere Hände finden sich nur in den Wappen-Beschriftungen.

Keine besondere Ausstattung außer den Wappendarstellungen. Diese sind jedoch sowohl über ihre namentliche Identifizierung als auch über eingefügte Ziffern erschlossen.

Die Wappen sind relativ schlicht, aber von geübter Hand, in Farbe und mit gewissen räumlichen Effekten gestaltet; Helme und Helmzieren in Profilansicht.

II 16. Jh. (letztes V. ?) 41r-54v Jörg Rugen Marx Würsung Turnierchronik 41r-49v Wappen In diesem Abschnitt ohne Text. 50r-52v Text der Turnierchronik Dieser Teil mit eingeschobenen Wappen. Nachdem thuerner ahm donnersthagh nach mitthagh hielt mann den dancz vmb zwolff vhrenn darbei dann gahr viell fürstinnen, graffinnen, edelfrauwenn vnd junckfrauwenn vnd die benenten fursten vnd obersten vogtten des durniers gesezt vnd ist beschehen alss mann zalt nach der gebuert Christi neunhundert vnd viertzigh jahr. Der Text in diesem II. Teil entspricht grob dem letzten Kapitel bzw. Textabschnitt bei Marx Würsung, Von wann vnd vmb welcher vrsachen das loblich ritterspil des turniers erdacht vnd zum ersten geübet worden ist, Augsburg 1518. Zur Turnierchronik und ihrer Fassung in der vorliegenden Handschrift s. bei Teil I. 53r-54v leer

Papier

Wasserzeichen: Heraldischer Adler (ähnlich WZIS DE8085-PO-162158 - Grünberg, 1582; die größere Motivgruppe ist für die Zeit von 1544-1620 nachgewiesen, mit einem eindeutigen Schwerpunkt zwischen 1550 und 1590).

ca. 21-23 11,5-13 , 29 Zeilen.

Der Haupttext von einer Hand; deutsche Kurrentschrift (16. Jh., 4. V.?); stärker rechtsgeneigt als jene in Teil I; in den Wappen-Beschriftungen teilweise noch weitere Hände erkennbar.

Abgesehen von den Wappen keine besondere Ausstattung; diese sind jedoch etwas feiner und insgesamt in runderen Formen ausgeführt als in Teil I (zudem haben die Wappenschilde herzähnliche Form; s. dazu bei der Ausstattung der Handschrift).