Beschreibung von Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 4° Cod.Ms. hist. 99 (Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger.) Beschrieben von Lukas Wolfinger Elektronische Ausgabe nach TEI P5 TEI-P5 konforme Kodierung durch Lukas Wolfinger SUB Göttingen HAB Wolfenbüttel 2021 HAB Wolfenbüttel

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Neu katalogisiert durch Lukas Wolfinger

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Volkssprachige Handschriften .

Göttingen Staats- und Universitätsbibliothek 4° Cod. Ms. hist. 99 Meyer-Sign. Histor. 99 Nachrichten zum Wormser Reichstag von 1495 Südhessen (?) Pfalz (?) um 1521 1r-18r Nachrichten zum Wormser Reichstag 1495 Reichstag Worms 1521. Vertzeichnus des grossen 1495 vnd itzt gehaltenen Reichstages zu Warmbs 1521 ; die beiden Überschriften sind ausgeschnitten aus einem Bl. oder zwei Bl., die ursprünglich das Titelbl. und/oder den Beginn des Abschnitts zum Wormser Reichstag in der Handschrift gebildet haben dürften. Bei der Restaurierung wurden sie auf ein modernes Bl. aufgeklebt, das nun als Bl. 1 gezählt ist (auf 1r am unteren Seitenrand zudem mit blauem Buntstift die Zahl 15 vermerkt; die Funktion dieses Eintrags ist unbekannt); entgegen den Ankündigungen auf diesem Bl. enthält die Handschrift nur Angaben zum Wormser Reichstag von 1495, nicht aber zu jenem von 1521. Allein schon das legt nahe, dass wesentliche Teile des ursprünglichen Inhalts bzw. der Handschrift fehlen (zu weiteren Gründen für diese Annahme s. unter Herkunft). Beim erhaltenen Text handelt es sich zu einem Gutteil wohl um Abschriften von Berichten zum Wormser Reichstag, die in gedruckter Form vorlagen. 2r-7v Anwesenheitsliste Adam von Hochfelt, / Kunigisheffer, / Cunradt von Ruch, / Andres von Hochneck, der gesellschaft knecht im Esel, Lazarus Bhemen. Der Text - soweit erhalten - entspricht im Großen und Ganzen einer handschriftlichen Liste, die im bischöflichen Archiv in Chur liegt und gedruckt ist in: RTA, MR 5,1, T. 2, Nr. 1594, S. 1151-1165, hier S. 1161, Sp. 1, Z. 27 bis Ende S. 1165 (der erste Teil der Liste, ebd., S. 1151-1161 fehlt); sehr ähnlich ist auch die Liste in einer von Peter Drach zu Speyer gedruckten Inkunabel (GW M22176; s. dazu im Folgenden) 8r-18r (Ulrich Burggraf) Bericht über die Belehnung der Reichsfürsten Entpfencknus der lehen. Die ordenunge wie die Churfürsten vnd ander fürsten des heiligen Ro. Reichs, geistlich vnd weltlich nach ainander von dem aller durchleuchtigisten vnd großmechtigisten vnserm aller gnedigisten hern dem Romischen konige Maximilian ire lehen entpfangen habenn. Item vff den vorgeschriebenen dornstag hat der hochgeborne Wilhelm von gots gnaden graff vnd her zw Henneberg seine regalia von der ks. Ma. entpfangen vnd dem haben die hoch vnd wolgebornen graven auch strenge vnd erenuesthen ritter die ka. Ma. gebethen in mit gnaden zu belehnen. Dieser zweite Teil des Textes stellt ab 8v, Z. 6 (Item auf die Rechte hant ist im gesessen der Erz Bischoff von Mentz Churf. ...) weitgehend eine Übernahme des vom Herold Ulrich Burggraf verfassten und von Peter Wagner in Nürnberg gedruckten Berichts über die Belehnung der deutschen Fürsten auf dem Reichstag zu Worms am 14. 07. 1495 dar (GW M22174); s. dazu auch RTA, MR 5,2, Nr. 1855, S. 1689-1706, hier S. 1691, Z. 3 bis S. 1702, Z. 14 (Fassung B); obwohl in der Göttinger Handschrift die letzte Seite (18v) leer ist, fehlt hier ein größerer Teil des Textes (ebd., ab S. 1702); von Interesse für die Handschrift ist auch der bereits oben erwähnte, von Peter Drach in Speyer gedruckte Bericht über die 'Einreitung römisch königlicher Majestät in Worms. 1495' (GW M22176; erhalten etwa in München, BSB, 4 Inc.s.a. 705 m). Dieser enthält nämlich beide Teile, d. h. sowohl die Anwesenheitsliste zu Beginn als auch den Bericht über die Belehnung. Zwar kann dieser Druck, da er in sehr vielen Details deutlich von der Göttinger Handschrift abweicht, nicht als direkte Vorlage für dieselbe gedient haben, aber vielleicht hat sich deren Schreiber bzw. Kompilator doch in gewisser Weise an der dort gebotenen Zusammenstellung orientiert. 18v leer

Papier

Wasserzeichen: Ochsenkopf ( WZIS DE3270-hist99_3 ); Ochsenkopf ( WZIS DE3270-hist99_16 ); Ochsenkopf ( WZIS DE3270-hist99_8 ; Variante Wandlitz 1521 - Aussteller des betreffenden Schriftstücks: Markgraf Joachim von Brandenburg);

I, 18, I Bl. 30,2-30,4 11 4 Bleistiftfoliierung (modern): 1-18. Die Handschrift war ursprünglich wohl deutlich umfangreicher (s. unten); nach einem neuen Bl., auf das die Überreste eines alten geklebt sind und das als Bl. 1 in die Foliierung einbezogen ist, folgen: 2 II (9). V-1 (18); zudem ein Vorsatz- und Nachsatzbl. (beide modern und ungezählt).

Unterschiedlich großer 19,5-26 8-9,5 , 23-32 Zeilen;

gesamter Text von einer Hand geschrieben;

deutsche Kurrentschrift (16. Jh.).

Anspruchslos gestaltete Handschrift ohne besondere Ausstattung: Zwischenüberschriften teilweise in etwas größerer und dickerer Schrift sowie in anderen Schriftformen geschrieben (weniger kursiv; Frakturkursive); an wenigen Stellen Text durch feine rote Unterstreichungen hervorgehoben (7v, 8r, 9v); am Beginn von Absätzen teilweise etwas vergrößerte Versalien in normaler Tinte.

Moderner Pappeinband (18. oder 19. Jh.?); auf dem Rücken Aufkleber mit der Titelangabe Reichstag 1521; auf dem VD außen typisches Signaturenschildchen der SUB Göttingen (Cod. Ms. hist. 99); zudem erkennbar, dass oben links ein älteres Signaturenschildchen entfernt wurde; am VS gleichfalls moderne Signatur eingetragen (mit Bleistift und samt Formatangabe: 4o Cod. Ms. hist. 99); zudem Beschreibung von Meyer am VS eingeklebt; auf dem HS noch die ältere Göttinger Signatur MS. histor. 57b .

Die Handschrift ist wohl direkt im Anschluss an den Wormser Reichstag (1521) oder kurz danach entstanden - die Schreibsprache deutet am ehesten auf eine Herkunft aus dem südhessischen oder pfälzischen Raum. Bereits die Titel- bzw. Inhaltsangaben auf 1r (Reichstag Worms 1521 bzw. Vertzeichnus des grossen 1495 vnd itzt gehaltenen Reichstages zu Warmbs 1521) können als Indiz für eine solche Datierung verstanden werden, vor allem aber sprechen die vorhandenen Wasserzeichen deutlich für eine Entstehung zu Beginn der 1520er-Jahre (s. Wasserzeichen). Sofern es sich bei den zuvor genannten Überschriften bzw. Inhaltsangaben auf 1r nicht nur um eine 'Absichtserklärung' handelte, sondern die Handschrift tatsächlich eine Beschreibung bzw. ein Vertzeichnus des Wormser Reichstags von 1521 enthielt, muss sie ursprünglich deutlich umfangreicher gewesen sein. In ihrem heutigen Zustand fehlen nämlich Nachrichten über diesen Reichstag. Und auch von der Beschreibung des Reichstags von 1495 sind zumindest zu Beginn einige Seiten nicht mehr vorhanden: Erstens stammen die auf 1r aufgeklebten Papierfragmente offenkundig von einem verlorenen Blatt bzw. von verlorenen Blättern. Zweitens fehlt der erste Teil der in der Handschrift enthaltenen Anwesenheitsliste zum Wormser Reichstag von 1495, ebenso der letzte Teil des Berichts über die Fürstenbelehnungen auf demselben (s. unten). Der Schreiber oder Kompilator der Handschrift ist unbekannt (Die Formulierung Myn her der Junge von Hadeck auf 6r im Text der Anwesenheitsliste wirkt zwar so, als könne sie einen Hinweis auf den Urheber der Handschrift geben, wurde aber wohl nur versehentlich aus einer der gedruckten Vorlagen der Handschrift übernommen; vgl. RTA, MR 5,1, T. 2, Nr. 1594, S. 1164, Sp. 1, Z. 19). Die Schreibsprache vermittelt - nicht zuletzt wohl aufgrund unterschiedlicher Vorlagen der Handschrift - ein uneinheitliches Bild (Südhessisch, Pfälzisch, Ostfränkisch). Wilhelm Meyer hat den Text bereits als 'Heroldsbeschreibung' bezeichnet ( Göttingen 2, S. 34) und tatsächlich geht zumindest der zweite Teil mit den Berichten über die Belehnungsakte zu Worms auf den Herold Ulrich, gen. Burggraf, zurück, der vorrangig im Dienst der Markgrafen von Brandenburg stand (s. beim Inhalt). Auch der erste Teil mit der Anwesenheitsliste, in dem am Ende eigens die Herolde aufgelistet werden, könnte auf einen ähnlichen Entstehungskontext verweisen (z. B. betreffen die wenigen roten Unterstreichungen gerade auch den Bereich der Herolde). Gut möglich wäre also, dass die Handschrift gleichfalls von einem Herold angefertigt wurde; ob - zusammen mit der erwähnten inhaltlichen Verbindung zu dem Herold Ulrich - auch das für die Handschrift verwendete Papier auf einen Zusammenhang mit den Markgrafen von Brandenburg hindeuten könnte (s. Wasserzeichen), wäre vielleicht zu fragen.

Über welche Vorbesitzer und wann die Handschrift in die Universitätsbibliothek Göttingen gelangte, ist nicht nachvollziehbar.

Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger. Göttingen 2, S. 34.