Beschreibung von 2° Cod. Ms. hist. lit. 123 (Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger.) Beschrieben von Lukas Wolfinger Elektronische Ausgabe nach TEI P5 TEI-P5 konforme Kodierung durch Lukas Wolfinger SUB Götttingen HAB Wolfenbüttel HAB Wolfenbüttel

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SUB Göttingen (Copyright Information)

Neu katalogisiert durch Lukas Wolfinger

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Volkssprachige Handschriften .

Göttingen Staats- und Universitätsbibliothek 2° Cod. Ms. hist. lit. 123 Meyer-Sign. Hist. lit. 123 Helmaspergersches Notariatsinstrument Mainz 1455 Ir-v 'Helmaspergersches Notariatsinstrument', vom 6. Nov. 1455: Der öffentliche Notar Ulrich Helmasperger, Kleriker der Diözese Bamberg, bezeugt, dass sich am 6. November 1455 zwischen 11 und 12 Uhr im großen Refektorium des Mainzer Barfüßer-Klosters in seiner, des Notars, und mehrerer Zeugen Gegenwart (Peter Granss, Johann Kist, Johann Kumoff, Johann Yseneck, alles Bürger von Mainz; Peter Girnßheim, Johannes Bonne, Kleriker der Stadt und des Bistums Mainz) der Mainzer Bürger Jakob Fust im Namen seines Bruders Johannes Fust eingefunden habe, um einerseits den Stand der gerichtlichen Auseinandersetzung darzulegen, die er und sein genannter Bruder mit Johannes Gutenberg hinsichtlich der Kosten austrugen, die ihnen bei ihrer gemeinsamen geschäftlichen Unternehmung entstanden waren; andererseits, damit sein Bruder Johannes entsprechend dem Rechtsspruch, der in diesem Prozess erfolgt war, den erforderlichen Eid öffentlich vor Johannes Gutenberg leisten könne, wofür ein Termin an dem genannten Ort und zu dem genannten Zeitpunkt anberaumt worden war. Für Johannes Gutenberg, der selbst nicht gekommen war, seien als seine Beauftragten Heinrich Günther, ehemaliger Pfarrer zu St. Christopher in Mainz, Heinrich Keffer und Bechtolff von Hanau – alles Diener und Knechte Gutenbergs – zugegen gewesen. Vor ihnen habe Johannes Fust, nachdem Gutenberg bis 12 Uhr nicht erschienen sei, zuerst den Rechtsspruch (mitsamt der Klage und der Antwort Gutenbergs) wörtlich verlesen lassen und danach den darin von ihm geforderten Eid geleistet, um damit die ihm in der gemeinsamen Unternehmung mit Gutenberg entstandenen Kosten zu bezeugen. Seine Finger habe er dabei auf einen Reliquienschrein gelegt und nach dem gesamten Vorgang den genannten Notar gebeten, ihm so viele Urkunden darüber auszustellen, wie er – Johannes Fust – benötige. Ir [In] gottes namen amen. Kunt sy allen den, die diesz offen instrument sehent oder horent lesen, das des jars als man zalt nach Christi vnsers hern geburt dusent vierhundert vnd funffundfunffzigk jar in der dritten indictien uff dornstag der do was der seste dag des mondes zu latin genant Nouember, cronung des allerheiligsten in gott vater vnd hern vnsers hern Calisti von gotlicher vorsichtikeit des dritten babstes in dem ersten jar zuschen eilffen vnd zwelff uwern in mittemdage zu Mencz zu den barfussen in dem groszen refender in myn offenbar schriber vnd der gezugen hernach benent gegenwertikeit personlich ist gestanden der ersam vnd vorsichtig man Jacob Fust burger zu Mencz vnd von wegen Johannis Fust sines bruders, auch do selbst gegenwertigk, hat vorgeleget, gesprochen vnd offenbart, wie zuschem dem itzgenant Johan Fust sinem bruder uff ein vnd Johann Gutenberg uff die ander parthy dem itzgenanten Johann Guttenberg zu sehen vnd zu horen solchen eydt dem genanten Johann Fust nach lude vnd inhalt des rechtspruchs zwischen beden parthyen gescheen in bywesen der ersamen menner Peter Gransz, Johan Kist, Johann Kumoff, Johann Yseneck, Jacop Fust, burger zu Mencz, Peter Girnszheim vnd Johannis Bonne, clericken Menczer stadt vnd bistums, czu geczugen sunderlichen gebeden vnde geheischen. Ir Notarielle Beglaubigung/Unterfertigung, mit Notariatssignet bzw. -zeichen und eigenhändiger Beglaubigung des Ulrich Helmasperger, lautend: Und ich Vlrich Helmasperger clerick Bamberger bistoms von keyserlicher gewalt offen schriber vnd des heiligen stuls zu Mencze gesworn notarius, want ich by allen obgemelten punten vnd artickeln, wie obgescriben steet, mit den obgenanten geczugen gewest bin vnd sie mit han gehort, hirumb han ich disz offen instrumentum durch einen anderen geschriben, gemacht, mit myner hant vnderschriben vnd mit mynem gewonlichen czeychen geczeichent, geheischen dar öber vnd gebeden in geczugnisze vnd warer orkunde aller vorgeschribener ding. Zu den Details des Gerichtsverfahrens, des Prozessinhalts sowie des von Johannes Fust geleisteten Eides über die ihm entstandenen Kosten siehe nun insbesondere: Empell Gutenberg vor Gericht ; Füssel Die Gutenberg-Bibel , S. 55-61. Iv Dorsualvermerke Von den drei Dorsualvermerken ist der erste noch spätmittelalterlich und wohl nicht allzu lange nach der Urkunde selbst entstanden; er lautet: Instrumentum eyns gesaczten dages/ daz Fust sine rechenschafft/ gethane vnd mit dem eyde beweret hat. Der zweite, im 16. Jh. geschriebene Eintrag ist durch Abreibung des Pergaments und/oder Verblassen der Tinte aktuell kaum mehr lesbar, lautete aber nach Dziatzko und Schorbach wohl Instrument zwisch. Gutenberg vnd Fausten 1455 vfgericht. Ein dritter, neuzeitlicher Eintrag besagt: NB über Einrichtung der ersten druckerey entsponnenen process betr. (vgl. zum Wortlaut dieser Einträge: Dziatzko Beiträge , S. 18-19, S. 151; Schorbach Die urkundlichen Nachrichten , S. 261-262)

Pergament.

1 Bl. ca. 41,5 28,5 2

Unregelmäßiges Format: ursprünglich hochrechteckig, später beschnitten, insbesondere an der rechten Seite, wo die Ecken aufgrund dessen nun abgerundet sind; Knicke im Pergament, von der gefalteten Aufbewahrung stammend, die bis wenigstens 1900 bestand (s. unter Einband).

Schriftraum: 30,2 21,7 , 69 Zeilen; mit etwas Abstand darunter noch die Unterfertigung des Notars in 8 Zeilen.

Die Urkunde ist von zwei Personen geschrieben.

Der Haupttext der Urkunde von unbekannter Hand geschrieben, die Invocatio dabei in Textualis als Auszeichnungsschrift, der Rest in rechtsgeneigter Urkundenkursive.

Notarssignet und Unterschrift bzw. Beglaubigung hingegen von der Hand des Notars Ulrich Helmasperger, ebenfalls in Urkundenkursive; diese jedoch deutlich aufrechter.

Zu Beginn des Urkundentextes I-Initiale, über rund ein Drittel des Schriftblocks reichend; zudem U-Initiale zu Beginn der notariellen Beglaubigung (gleichfalls in normaler Tinte); beide Initialen mit cadellenartigen Elementen.

Das Notarssignet zeigt einen rechten Unterarm, aus einem viereckigen, oben offenen Behältnis ragend, darunter ein Schriftband mit den Worten Vlricus Helmasperger notarius. Die Hand hält zwischen Zeigefinger und Daumen einen Blumenstängel mit Blüte; der Mittelfinger, Ringfinger und kleine Finger sind hingegen gestreckt.

Das Notariatsinstrument wurde aufgrund seiner Bedeutung für die Geschichte des Buchwesens im Allgemeinen und Johannes Gutenbergs im Besonderen zwar in den Handschriftenbestand der Göttinger Universitätsbibliothek eingeordnet, dabei aber nicht eingebunden, sondern nur in eine feste Mappe aus Karton, die außen mit Marmorpapier versehen ist, flach eingelegt (unter einem Passepartout). Zumindest bis 1900 befand sie sich jedoch "in einer viereckigen flachen Kapsel von Eisenblech, in deren Deckel eine Denkmünze auf das Jahr 1740 [...] eingelassen ist" ( Göttingen 1, S. 116; siehe ebenso Schorbach Die urkundlichen Nachrichten , S. 261). Dieses metallene Behältnis, das immer noch vorhanden und als Beilage bei der Mappe des Notariatsinstruments aufbewahrt wird, hat viel kleinere Maße als die Urkunde, weshalb diese gefaltet darin aufbewahrt wurde (die entsprechenden Falten im Pergament noch gut sichtbar). Die Metalldose ist ornamental geschmückt und trägt - ebenso wie die erwähnte Mappe - ein Papierschildchen mit der aktuellen Göttinger Signatur sowie ein zweites mit der Angabe, dass es sich bei dem Inhalt um eine Zimelie handelt (Cim.). Die von Meyer erwähnte, mittig im Deckel eingelassene Gedenkmünze ist bereits bei Köhler Der wöchentlichen historischen Münz-Belustigung , Bd. 14, S. 353-354 abgebildet und folgendermaßen beschrieben: Die erste Seite hat in Ermangelung eines ächten Bildnißes von Johann Guttenbergen, folgende Aufschrift: memor.iae. fel.ici. Jo.annis. Gvttenberg.ii. nobillis mogvntini. anno. sec.ulari iii. chalcograph.iae. mdccxxxx. aereo. monvm.ento merito. colendi. qui. arte. a. se. jnventa. aere. impressos. libros. dedit. nobis. aere modico. parare. [...] Die Gegen-Seite stellet das völlige Geschlechts-Wappen desselbigen vor. Nemlich in einem rechts gelehnten rothen Schilde einen von der lincken zur rechten schreitenden Bettelnmönch in einer kurtzen Kutten, mit hinter sich geschlagenen Mantel und der Kappe auf den Kopf, an welcher eine Schelle hänget, welcher in der rechten Hand eine Schale empor hält, und in der lincken einen Pilger-Stab führet. Die gantze Kleidung desselben ist gelb, den Aufschlag oben am Halse und der Kappe ausgenommen, welcher mit weiß und schwartzen Duppelgens besprenget ist. Den Schild bedeckt ein zur rechten Seite gekehrter geschlossener Turnier-Helm, welchen das Bild des Bettelmönchs von gleicher Farbe, aber ohne Arme und Mantel, bezieret. Die Umschrift lautet also: dissimulare. virum. hvnc. dissimulare. deum. est .

Blatt mit Schenkungsnotiz der Göttinger Bibliotheksverwaltung, in der Eisenschatulle verwahrt; darauf am oberen Rand mit Bleistift vermerkt die Göttinger Signatur (Cod. Ms. hist. lit. 123 Cim); die Schenkungsnotiz besagt: Hoc monumentum archetypum, unde de familia Jo. Guttenbergii, et inuentae ab eo typographiae originibus, optime constare potest, Bibliothecae Academicae ad omnem posteritatem asservandum tradidit vir Celmus et multis aliis nominibus huic Academiae carus, Jo. David Koehler/ Hist. P. P. O./ a. d. XV Aprilis A. R. G. MDCCXXXXI, qui illud accuratissime descriptum publicauit in libro Ehrenrettung Jo. Guttenbergs etc., Leipzig 1741, 4to et quidem p. 54-57.

Beiliegend zudem ein Papierstreifen mit dem handschriftlichen Vermerk: Das Notariatsinstrument selbst liegt in Passepartout auf dem 2. Bd. der Gutenbergbibel. 10/9/84 (Rückseite leer).

Bei dem Notariatsinstrument ist unklar, ob Ulrich Helmasperger es als am Prozess, den Johannes Fust gegen Johannes Gutenberg angestrengt hatte, beteiligter (Gerichts)Schreiber/Notar unterfertigte oder ob er es außerhalb des Prozesses auf die Bitte von Johannes Fust hin ausstellte. Dziatzko Beiträge , Schorbach Die urkundlichen Nachrichten , S. 261 und andere nahmen an, dass es sich bei dem Göttinger Stück um jenes Urkundenexemplar handelt, das bei dem Prozess für Johannes Gutenberg ausgestellt worden sei. Diese These kann jedoch schwerlich als gesichert gelten, denn es erscheint gar nicht klar, dass Gutenberg überhaupt eine Ausfertigung erhielt. Wie im Text des Notariatsinstruments ausdrücklich erwähnt, ging die Ausstellung desselben (sowie allfälliger weiterer Ausfertigungen) nämlich auf die Initiative von Johannes Fust zurück (Ober vnd uff alle obgerurte sach begeret der obgemeldet Johannes Fust von mir offenbar schriber eins oder mer offen instrument, so vill vnd dick ym desß noit wurde). Demnach ist die Annahme Schorbachs, dass „es keinem Zweifel unterliegt, dass Gutenberg, welcher zu dem Termin nicht erschienen war, ein Exemplar des Notariats-Instruments zugestellt wurde" ( Schorbach Die urkundlichen Nachrichten , S. 261), durchaus nicht zwingend. Tatsächlich ist in der Urkunde nur davon die Rede, dass Ulrich Helmasperger nach dem Wunsch von Johannes Fust ein (!) Notariatsinstrument oder mehrere ausfertigen sollte (eins oder mer offen instrument). Es war offenbar also nicht automatisch an ein Exemplar für Johannes Gutenberg gedacht. Anders als Schorbach und andere annahmen, könnte es sich bei dem Göttinger Stück demnach sehr wohl auch um ein Instrument handeln, das bei Johannes und/oder Jakob Fust verblieb. Die Formulierung eines Dorsualvermerks auf der Urkunde, in dem es heißt Instrumentum eyns gesaczten dages/ daz Fust sine rechenschafft/ gethane vnd mit dem eyde beweret hat dürfte – entgegen der Ansicht bei Schorbach Die urkundlichen Nachrichten , S. 261 – nicht als klares Indiz für dafür zu werten sein, dass die Urkunde nicht von Fust herrühren könne. Die ebd. vertretene Ansicht, dass es in dem Vermerk lauten müsste, "Instrumentum ... daz ich mine rechenschaft .. gethan ... han", wenn es sich um das Exemplar von Johannes Fust gehandelt hätte, ist nämlich gleichfalls nicht zwingend – allein schon deshalb, weil der genaue Zeitpunkt, zu dem der Vermerk geschrieben wurde, nicht bekannt ist. Oft wurden Dorsualvermerke bekanntlich erst längere Zeit nach der Ausfertigung von Urkunden geschrieben, etwa im Zuge der Ordnung von Archiven; die Formulierung in der dritten Person wäre z.B. genauso gut verständlich, wenn ein späterer Besitzer den Vermerk eintrug.

Die weitere Geschichte des Notariatsinstruments ist nicht geklärt, wozu gerade auch der Umstand beiträgt, dass bei den verschiedenen neuzeitlichen Erwähnungen und Abschriften desselben selten ganz klar ist, ob sie sich tatsächlich auf das Göttinger Exemplar beziehen oder auf andere, heute nicht mehr erhaltene Ausfertigungen.

Auf unbekanntem Weg gelangte die Urkunde schließlich in den Besitz des Historikers Johann David Köhler, der von 1735 bis 1755 als Professor an der Göttinger Universität unterrichtete.

Dieser publizierte, beschrieb und analysierte die Urkunde 1741 in seiner 'Ehren-Rettung' ( Köhler Hochverdiente und aus bewährten Urkunden wohlbeglaubte Ehren-Rettung , S. 21-34, S. 54-57) und schenkte sie im selben Jahr an die Georgia Augusta. In der Folge geriet sie jedoch in Vergessenheit und wurde sogar so lange als verschollen betrachtet, bis Karl Dziatzko sie 1886 im Zimelienschrank der Göttinger Universitätsbibliothek wiederentdeckte, wo sie offenbar seit Langem unbeachtet gelegen hatte (vgl. Dziatzko Beiträge ; Schorbach Die urkundlichen Nachrichten , S. 260).

Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger. Göttingen 1, S. 116. Köhler Hochverdiente und aus bewährten Urkunden wohlbeglaubte Ehren-Rettung , S. 21-34, S. 54-57. Dziatzko Beiträge . Geldner Das Helmaspergersche Notariatsinstrument . Empell Gutenberg vor Gericht . Hoffmann Die Gutenberg-Bibel . Füssel Die Gutenberg-Bibel , S. 55-61. Schorbach Die urkundlichen Nachrichten , S. 256-278, Nr. XX.