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Beschreibung von Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 2° Cod. Ms. jurid. 155 Cim.
Patrizia Carmassi: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen lateinischen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Patrizia Carmassi.

Bonifatius VIII papa, Johannes Monachus, Johannes Andreae

Pergament — II, 147, II Bl. — 39 × 25 cm — Frankreich — 14. Jh. Erste Hälfte

Lagen: I (II). IX +1 (19). 2 V (39). VI (51). V (61). VIII (77). I (79). 5 VI (139). VI-4 (147). I (IV). Reklamanten. Lagenzählung. Moderne Foliierung (Bleistift) mit arabischen Zahlen, oben rechts. Mittelalterliche Foliierung (römische Zahlen, braune Tinte), nur für Pars I, auf dem Kopfsteg, Mitte. Pergament verwellt, stellenweise Quetschfalten am Rande. Buchschnitt nicht homogen. Gelegentlich Flecken, z. B. fol. 80, 147. Auf Fol. 107r: Wachsflecke. Unteres Viertel von fol. 147 abgeschnitten. Farbe bei manchen Initialen verblasst, z. B. fol. 80r.

Renaissance-Einband. Gepresster Pappeinband mit Kalbslederüberzug. Streicheisenlinien, Rollen und Einzelstempel. 1. Köpfe in Medaillon, 4 Köpfe, Blattwerk: EBDB r005161. 2. Bandwerk: EBDB r005163. 3. Wellenranke, mit Blumen und Blättern: EBDB r005164. 4. Weibliche Figuren, mit Textzusatz, Helena (S ELENA), Lucretia (LVCRECIA), Judith (IUDITH), Veturia (VETVRIA): EBDB r005154. 5. Palmette, Palmettenfries: EBDB r005162. 6. Ornamente, pflanzliche: EBDB s037756. 7. Ornamente, pflanzliche: EBDB s037757. 8. Ornamente, pflanzliche: EBDB s037758. 9. Ornamente, pflanzliche: EBDB s037759. 10. Ornamente, pflanzliche: EBDB s037760. 11. Ornamente, pflanzliche: EBDB s037761. 12. Ornamente, pflanzliche: EBDB s037762. 13. Ornamente, pflanzliche: EBDB s037763. Sämtlich aus Werkstatt: EBDB w007811, nicht lokalisiert. Vor und nach dem Buchblock originale Vorsatzblätter aus Pergament und jeweils ein Binio aus frühneuzeitlichem Papier. Diese letzten nicht nummeriert und Teil des Renaissance-Einbandes (gleiches Wasserzeichen wie andere Handschriften mit diesem Einbandtyp). Die alten Pergamentvorsatzblätter sind zum Teil beschriftet (heute fol. 1 und 147); sie weisen Löcher aus Insektenfraß auf, wahrscheinlich Spuren von einem früheren Einband. VS und HS aus Papier. Zwischen VS und Vorsatzblättern moderner vorgedruckter Benutzungszettel der Universitätsbibliothek, loser Papierzettel (19. Jh.?) mit Angaben zum Inhalt und Datierung, handgeschrieben in schwarzer Tinte. Auf VS moderne Signatur (Bleistift) und ein aufgeklebter Zettel mit Auszug von Meyers Katalog über diese Handschrift. Auf HS Prüfangaben (Gewicht) und alte Signatur (Bleistift): Ms. Jurid. 90. Auf dem Rücken (sieben Doppelbünde) zwei moderne Signaturschilder. Kapital zweifarbig umstochen. Goldprägung, Goldlinien um die Bünde, Inhaltsangabe in Majuskelschrift und Gold: DECRETALIUM LIBER VI CUM GLOSSA / JO. ANDREAE COMMENT. IN SEXT. DECRETAL. / MS. Überzug und Rücken mit starkem Abrieb, Rissen, Brüchen in der Narbe.

Herkunft: Siehe einzelne Teile. — Provenienz: Die Handschrift befand sich im Spätmittelalter noch in Frankreich, wie die Nachträge in französischer Sprache belegen. Auch der Auszug auf fol. 1r, auf Orléans bezogen, spricht für eine Benutzung des Codex in Nordfrankreich. Im 16. Jh. wurde die Handschrift zusammen mit anderen Codices juristischen Inhalts neugebunden. Bis auf den Liber VI gehörten sie zuletzt Christian Gottlieb Schwarz: 2° Cod. Ms. jurid. 23, 24, 25, 26 Cim. 27 Cim. und 28. Wahrscheinlich waren sie als Gruppe von Handschriften des Ius civile getrennt verkauft worden. Die kanonistische Handschrift nahm anscheinend andere Wege und gehörte im 18. Jh. nach Meyer auf Grund des Wappens auf fol. 146vb dem Bischof und Kardinal, Staatsmann und seit 1722 Mitglied der Academie française Guillaume Dubois (1656-1723). Zu dieser Person siehe A. Dupilet, Le cardinal Dubois. Le génie politique de la Régence, Paris 2015. Seine Bibliothek war vorher im Besitz des Gelehrten Jean-Paul Bignon (1662-1743) gewesen. Dieser war ein französischer Geistlicher (Oratorianer) und Abbé von Saint-Quentin-en-l'Île. Er wirkte als Direktor der Bibliothèque Royale und Herausgeber des Journal de Savants, 1693 wurde er Mitglied der Academie Française. Vgl. zu dieser Person: http://dictionnaire-journalistes.gazettes18e.fr/auteur/jean-pierre-vittu-0; Françoise Bléchet, De l'Europe à la Chine, de Leibniz aux jésuites: les réseaux de l'abbé Bignon, in Kultur der Kommunikation. Die europäische Gelehrtenrepublik im Zeitalter von Leibniz und Lessing, hg. von U. J. Schneider, Wiesbaden 2005 (Wolfenbütteler Forschungen 109), S. 255-277; F. Fossier, L'abbé Bignon. Un génie de l'administration, des lettres et des sciences sous l'Ancien Régime, Paris 2018. Der Auktionskatalog der Bibliothek Dubois in drei Bde. verweist im Titel auf die frühere Provenienz der Bestände: Bibliotheca Duboisiana. Ou Catalogue De La Bibliotheque De feu son Eminence Monseigneur le Cardinal Du Bois. Recueillie ci devant par Monsieur L'Abbe Bignon, La Haye 1725. Ein Bericht über die verschiedenen Besitzwechsel dieser Bibliothek in Johann Andreas Fabricius, Abriß einer allgemeinen Historie der Gelehrsamkeit, 3, Leipzig 1754, S. 845, und Johann Hübners [...], Supplementa Zu seinen Historischen, Genealogischen und Geographischen Fragen, 5. Über die Jahre 1724, 1725, 1726, 1727, Leipzig 1731, S. 82-83. Demnach waren die Bücher noch vor der Auktion von 1725 über Pariser Buchändler an Marc Guitton (1693-1767) verkauft worden. Dieser war Pastor und Prediger bei der holländischen Botschaft in Paris zwischen 1720 und 1727. Vgl. Nouvelle Revue de Théologie 9 (1862), S. 93, Nr. 45; D. Garrioch, The Huguenots of Paris and the coming of religious freedom, 1685-1789, Cambridge 2014, S. 83, 147, 215; G. Lieppe, La chapelle de l'ambassade de Hollande à Paris au XVIIIe siècle. Vecteur du soutien aux protestants de France, in Entre calvinistes et catholiques. Les relations religieuses entre la France et les Pays-Bas du Nord (XVIe-XVIIIe siècle), hg. von Y. Krumenacker, Rennes 2010, S. 367-388; Dictionnaire des pasteurs dans la France du XVIIIe siècle, hg. von Y. Krumenacker, Paris 2008 (Vie des Huguenots 45), S. 204. Wenn die Handschrift separat in Frankreich oder Holland verkauft wurde, könnte dies erklären, warum sie im genannten Katalog Dubois von 1725 unter der Gruppe "Jus canonicum" in folio (Bd. I) nicht verzeichnet ist. Die Buchstaben M.D. auf fol. 1r sind vielleicht von einem Eigentümer in der Mitte des 17. Jh. (nicht identifizierbar). — Nach Meyer, Göttingen 1, S. 353, wurde die Handschrift für die Universitätsbibliothek von Pieter Meerman im Jahr 1754 in Den Haag erworben. Dieser war der Brüder des Holländischen Staatsmanns, Juristen und Büchersammlers Gerard Meerman (1722-1771). Pieter Meerman lebte von 1726 bis 1754, promovierte an der Universität Leiden in beiden Rechten am 17.07.1749. Nach seinem Tod fand im Jahr 1754 eine Auktion seiner Bibliothek statt, bei der auch einige Handschriften von Gerard Meerman verkauft wurden. Der Katalog gibt die Namen der Vorbesitzer nicht preis: Bibliotheca Anonimiana, Sive Catalogus Exquisitissimorum et Rarissimorum, Graecorum, Latinorum, Gallicorum, Anglicorum, etc. Continens Theologicos, Juridicos, Politicos, Medicos [...]. Quorum Omnium Publica fiet Auctio per Isaacum Beauregard Bibliopolam. Ad diem Lunae 11. Novembris et sequent. 1754 [...], Hagae-Comitum 1754. Vgl. aber dazu: J. van Heel, From Venice and Naples to Paris, The Hague, London, Oxford, Berlin... The Odyssey of the Manuscript Collection of Gerard and Johan Meerman, in Books on the move. Tracking copies through collections and the book trade, hg. von R. Myers, M. Harris und G. Mandelbrote, New Castle - London 2007, S. 87-111, hier S. 90-91, mit Anm. 14, S. 105; Id., Een wereld van verzamelaars en geleerden. Gerard en Johan Meerman, Willem van Westreenen en Pieter van Damme en hun archieven, Hilversum 2012, bes. S. 244, 251 zu Pieter Meerman; I. Maclean, Die Publikation gelehrter Bücher vor und nach dem Dreißigjährigen Krieg. Die humanistische Jurisprudenz, in Wissen und Wirtschaft. Expertenkulturen und Märkte vom 13. bis 18. Jahrhundert, hg. von M. Füssel, Ph. Knäble und N. Elsemann, Göttingen 2017, S. 365–389, hier S. 382-385.

Göttingen 1, S. 353.

Pars I

Pergament — II, 79 Bl. — 39 × 25,5 cm — Nordfrankreich (?) — 14. Jh. Erste Hälfte

Wasserzeichen (Vorsatzblätter): 1. Buchstaben/Ziffern - mehr als drei Buchstaben (Worte/Namen) - Anfangsbuchstabe H - HONIG - frei, mit Beizeichen - Buchstaben - C und I. WZIS DE3270-jurid155_I. 2. Löwe im Kreis auf einem Podest mit Inschrift NRYHEYT. Im Kreis die Inschrift: Pro patria eiusque libertate. Darauf Krone. Darauf Baum.. 41 Zeilen (Haupttext). Bis zu 87 Zeilen (Glosse). Layout in zwei Typen, alternierend je nach Länge der Glossierung: 1. Zweispaltig, mit nur Glossentext. 2. Vier-Spalten-Klammerform (s. Powitz, S. 62), für Text und Glosse. Auf fol. 76r nur eine Spalte Haupptext mit Klammerglosse. Schriftraum: ca. 17,5-18,5 × 12,5 cm (Haupttext). Wenn die Seite nur aus der zweispaltigen Glosse besteht, Schriftraum: 35,5 x 22,5 cm. Textualis für Haupttext und Semitextualis für die Glosse von jeweils einer Hand. Spätere Marginal- und Interlinearglossen von mindestens zwei Händen. Maniculae. Auf dem Kopfsteg Inhaltsangaben (von der Hand, die die Foliierung in römischen Zahlen unternommen hat). Rubriziert. Ausstattung und Hauptinitialen von zwei verschiedenen Händen (jeweils für Text und Glosse). 1. Text: Eine 4 cm hohe Hauptinitiale. Einfache ein- bis dreizeilige hohe rote und blaue Lombarden, durchzogen von einfachen Vertikallinien in der Gegenfarbe. Rote und blaue Paragraphenzeichen. 2. Glosse: Zwei Hauptinitialen auf fol. 2r (2 bis 5,8 cm hoch, ohne Ausläufer). Einfache ein- bis achtzeilige hohe rote und blaue Lombarden, gelegentlich mit Punktverdickung und langen Serifen. Auf manchen Seiten wurde die Glosse künstlerisch gestaltet, in Form von Rauten, Dreiecken, Zick-zack-Linien. Vgl. fol. 22r, 23r-24r, 54v-56r, 59r. Text: 4ra S(acrosancte): Fleuronnée-Initiale. Zweifarbiger ornamental gespaltener Stamm, mit dreifarbigem Fleuronnée (Rot, Blau, Lila, diese letzte Farbe sehr verblasst). Im Binnenfeld konturbegleitende und sich einrollende Fäden. Knospenfleuronnée mit Kern, geordnet als Garbe, Spirale und Knospenreihe. Knospen auch viereckig verformt. Als Besatz blockartige Erweiterung durch Parallelfäden und Perlenreihen (quadratisch verformt mit Kern), rechtwinklig abstehende Korkenzieherspiralen. Oben links nimmt der Fadenausläufer die Form eines Fisches, unten die Fadenausläufer verblasst. Glosse: 2ra I(n): Zweifarbiger (Rot und Blau) ornamental gespaltener Stamm: Im Inneren des Buchstabenstamm die Silhouhette eines I mit Fischgrätenmuster als Besatz, dazu als Füllornament Dreiecke, Kreise, 2x Vierpassblüte mit rundem Stempel. Eine vertikale Leiste als Ausläufer, gebiltet aus rot-blaue Kreissegmenten, ornamental gespalten. 2rb B(onifacius): Zweifarbiger (Rot und Blau) ornamental gespaltener Stamm. Als Besatz feldartige Erweiterung auf der rechten Seite durch eine blaue Linie, darin Zick-zack-Linie und kleine Kreise.

Herkunft: Verschiedene Argumente sprechen für eine Entstehung der Handschrift in Frankreich: Johannes Monachus hatte seinen Apparat zum Liber VI decretalium am 16. Februar 1301 der Pariser Universität gesandt, die meisten Handschriften mit dieser Glosse stammen aus Frankreich. Das Publikationsschreiben Sacrosancte Romane ecclesie ist in dieser Handschrift (fol. 4ra) anscheinend an die Universitätsangehörigen von Toulouse, wenngleich der Name falsch geschrieben ist, addressiert. Dies spricht für die Abschrift aus einer Vorlage aus Frankreich (Südfrankreich?). Vgl. zu der Verbreitung der Handschriften Schmidt, S. 575f. Auch die Ausstattung weist auf eine Herkunft der Handschrift in Frankreich hin. Vgl. für die Fleuronnée-Initiale im Haupttext die Vergleiche für Pars II.

Ir-IIv leer.

1r Auf dem Kopfsteg (frühneuzeitlich) in brauner Tinte: M. D., gefolgt (in schwarzer Tinte) von einer anderen Hand quatrevingtquatorze (= 94) mit Paraphe am Ende (17. Jh.?). Diese Anmerkung weist höchstwahrscheinlich auf den Verkauf einer großen Bibliothek, die durch einen Notar bestätigt wird. Auf dem Seitensteg in brauner Tinte die (spätere) Zahl 138. Dazu einige Texte kopfüber geschrieben: Auf dem Kopfsteg: Ille erit ille nocens qui me tibi fecerit hostem: Lucanus, Bell. civ., I, 203. Linke Spalte, Textualis (14. Jh.): Dilecto filio decano Aurelianensi [...] frequencius exerceri. Auszug aus Bonifatius VIII., Sexti Decret. Lib. V. Tit. XI, hier Kap. VI. Edition: Friedberg 2 , Sp. 1095-1096. Auf dem unteren Drittel des Blattes eine Nota: Nota quod episcopus potest dispensare in adulteriis ... und von anderer Hand die Glosse zu dem auf demselben Blatt abgeschriebenen Kapitel VI, beginnt mit Dilecto, linker Rand beschnitten. Reste von einem unteren Text (abgewaschen und nicht mehr leserlich) auf dieser Seite auch erkennbar. In der Mitte des Blattes auch: Malagma ... isti.

1v leer bis auf Erwerbungsvermerke, Bastarda, 15. Jh.: Sextus liber decretalium cum glossa ordinaria Johannis Monachi alias cardinalis in valore IIIIor aur[eorum] floronorum [!] et / hoc ratione necessitatis. Danach folgt, von einer zweiten Hand, bezogen auf den 01.08.1446: emptus die prima mensis augusti anno XLVI°... post prandium ... XL solidi argenti albi (?).

2ra-79ra Bonifatius VIII papa, Johannes Monachus: Liber VI decretalium cum glossis Johannis Monachi. Die Glosse beginnt fol. 2ra, der Haupttext erst fol. 4ra. Auf dem Kopfsteg von fol. 2r invocatio des Schreibers: Assit principio sancta Maria meo. (4ra-76ra) Haupttext. Bonifatius VIII papa: Liber VI decretalium. ›Bonifacius episcopus servus servorum dei dilectis filiis doctoribus et scolaribus universis tholoie [!] commorantibus salutem et apostolicam benedictionem‹. Sacrosante romane ecclesie, quam imperscrutabilis divine providencie … — … Datum Rome apud sanctum Petrum. (2ra-79ra) Glosse. Johannes Monachus: Apparatus in librum VI decretalium. (2ra) Prolog: In Dei nomine amen. Secundum philosophum scire est rem per causam agnoscere. (4ra) Text: Bonifacius. Hoc proemium dividitur in duas partes … — … quanto et XIIII q. III plerique Iohannis Monachi Cardinalis. (79ra) Nach dem Ende der letzten Glosse folgen Angaben zur Verfassung des Textes (1298), Kolophon und Aufforderung zum Gebet (diese in blauer Tinte). ›Explicit apparatus sexti libri decretalium compositus ac promulgatus per venerabilem virum dominum Johannem Monachi tit. sanctorum Marcellini et Petri presbiterum cardinalis [!] Anno domini Mmo CCmo nonagesimo octavo.Finito libro sit laus et gloria Christo. Dulce nomen domini nostri Ihesu Christi et gloriosissime virginis Marie sit benedictum in saecula Amen. Diese letzten drei Zeilen geschrieben in blauer Tinte. Die Rubrik mit dem Datum 1298 befindet sich auch in Oxford, New College Library, MS 207. Vgl. H. O. Coxe, Catalogus Codicum Manuscriptorum qui in collegiis aulisque Oxoniensibus hodie adservantur, 1, Oxonii 1852, S. 78. (77r) Auf dem Fußsteg zwei Verse zum Entfernen von Flecken: Stillas ymbre lavo oleum liquore fabarum / incaustum vino lixivo silvae vinum. (79va-b) Inhaltsverzeichnis. Verzeichnet die Inhalte von fol. III bis LXXIII. Auf zwei Spalten in hellbrauner Tinte im 15. Jh. geschrieben (Bastarda). Edition (Haupttext): Friedberg 2, Sp. 933-1124 (ohne Glosse). Druck (Glosse): Glossa aurea nobis priori loco super sexto decretalium libro tradita per [...] Joannem Monachi Picardum, Cum additionibus [...] Philippi Probi Biturici [...], Parisiis 1535. Glosse verglichen mit: Iohannis monachi [...] In sextum librum decretalium dilucida commentaria glossa aurea nuncupata additionibus clarissimi I.C. Philippi Probi Biturici[...], Venetiis 1585. Literatur: Schulte 2, S. 34-44. Mit Erwähnung, S. 43, Anm. 31, von zwei Handschriften in Göttingen "von hervorragender Bedeutung", ohne Signaturangaben. Es handelt sich um diese Handschrift und um 2° Cod. Ms. jurid. 156 Cim. Hove, S. 363-365. HQL 1, S. 377. CALMA 2, Nr. 2, S. 477. T. Schmidt, Publikation und Überlieferung des Liber sextus Papst Bonifaz' VIII, in U.-R. Blumenthal, K. Pennington und A. A. Larson, Proceedings of the Twelfth International Congress of Medieval Canon Law, Città del Vaticano 2008 (Monumenta iuris canonici. Series C, Subsidia 13), S. 567-579. Art. Jean Lemoine, in DHGE 27 (2000), Sp. 219-220. Vgl. auch unter Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, 2° Cod. Ms. 156 jurid. Cim.

Pars II

Pergament — 68, II Bl. — 39 × 25 cm — Nordfrankreich (?) — 14. Jh. Erstes Drittel

81 Zeilen. Zweispaltig. Schriftraum: 3,5 × 19,5 cm. Semitextualis von einer Hand. Am Rande No[ta] und Q[uaesti]o Zeichen. Eine spätere Hand hat auf dem Kopfsteg und am Rande in Bastarda die Inhalte der jeweiligen Textabschnitte verzeichnet. Rubriziert. Zwei- bis siebenzeilige, rot-blaue Fleuronnée-Initialen. Rote und blaue Paragraphenzeichen. 80r: Als Hauptinitialen drei cm hohe rotblaue Fleuronnée-Initialen. Q(uia). B(onifacius). Zweifarbiger ornamental gespaltener Stamm, mit zweifarbigem Fleuronnée. Im Binnenfeld konturbegleitende und sich einrollende Stege. Knospenfleuronnée mit Kern, geordnet als Garbe, Spirale und Knospenreihe. Knospen auch viereckig verformt. Kleine Kreise in der Gegenfarbe. Als Besatz blockartige Erweiterung durch Parallelfäden mit anhaftenden Perlen (mit Kern), Spiralen, rechtwinklig abstehende Korkenzieherspiralen. Fleuronnéestäbe aus Parallelfäden mit Dreipunktmuster. Die Fäden driften auseinander in verscheidene Richtungen, enden gelegentlich mit Fibrillen. Als Vergleiche siehe Angers, Bibliothèque municipale, MS 211 (ca. 1323), ebenfalls mit Dreipunktmuster, aus der Benediktiner-Abtei Saint Aubin in Angers; München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 14337, Clm 8004, Clm 14438, Clm 8012, zwischen Ende des 13. und erstem Viertel des 14. Jh. datierbar. Dazu Bauer-Eberhardt, Ill. Hss. französischer Herkunft 1, Kat.-Nr. 184, 185, 212, 210. Kleine Fleuronnée-Initialen: alternierende rote und blaue Lombarden, mit Fleuronnée in der Gegenfarbe. Als Besatz konturbegleitende Parallelinien mit Perlenreihen (mit Kern) und gelegentlich rechtwinklig abstehende Korkenzieherspiralen. Im Binnenfeld vorwiegend Spiralen, sonst Perlenreihen. Fol. 81v: Aussparungen im Buchstabenstamm: Sternblüte.

Herkunft: Der Glossenapparat zum Liber Sextus von Johannes Andreae, 1301 oder kurz danach verfasst, galt als Glossa ordinaria. Dies kann als der Grund dafür angenommen werden, dass dieser Teil mit der Glosse des Johannes Monachus zusammengebunden wurde. Als Terminus post quem für die Herstellung der Handschrift gilt der Beginn des 14. Jahrhunderts. Die Ausstattung weist auf Frankreich (Nordfrankreich) als Entstehungsort hin.

80ra-146va Johannes Andreae: Apparatus in librum VI decretalium. Auf dem Kopfsteg von fol. 80r nachgetrager Titel (15. Jh.): Hic est Johannes Andree und L[iber] I. (80ra) Proemium. Quia preposterus est ordo presens … — … fides de summa trinitate dampnamus in fine. (80ra-146va) Text. Bonifacius episcopus ea ratione motus quia in principio … — … ubi negligentia ut primo factum ut in. Endet abrupt, wahrscheinlich wegen Lücke in der Vorlage, mit der Glosse zu Non debet aliquis alterius odio praegravari = Bonifatius VIII, Sexti decretal., lib. V., Tit. XII: De regulis iuris, Reg. XXII: Friedberg 2, Sp. 1122. Verglichen mit GW 4848. (146vb) Auf der leeren rechten Spalte: 1. Wappen (schwarzer Stempel): Geviert. 1 und 4: Löwe; 2 und 3: geschacht. Im Hintergrund Bischofsstab. Drei Löwen sind auch im Wappen des Hochstiftes von Cambrai dargestellt. In dieser Kathedrale wurde Guillaume Dubois 1720 als Erzbischof von Cambrai geweiht. Vgl. G. Chaussinand-Nogaret, Le cardinal Dubois, 1656 - 1723, Paris 2000, S. 116. 2. Schwarzer ovaler Stempel der Universitätsbibliothek: EX BIBLIOTHECA ACAD. GEORGIÆ AUGUSTÆ. (5,4 x 4 cm), in Benutzung ab ca. 1765. Vgl. Bibliotheksstempel, S. 93. Auf dem Kopfsteg (Nachtrag): Iste liber vocatur Johannes Andree. (147r) Leer bis auf zwei nachgetragene Zeilen auf Französisch im oberen Teil des Blattes, mit gleichem Refrain am Ende: bel esconduit. Wahrscheinlich handelt es sich um zwei Rätsel (Frage und Antwort): Quant en amour grant cortesie ? / Que nul ne resoit qui en vie ? Vgl. Parallele in einer Handschrift aus Montpellier: A. Boucherie, Fragment d'une anthologie picarde (XIIIe siècle), in Revue des langues romanes 3 (1872), S. 311-336, hier S. 322. — 147v leer. Druck: GW 4848-4863. Literatur: Schulte 2, S. 205-214. HQL 1, S. 377.

IIIr-IVv leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bauer-Eberhardt, Ill. Hss. französischer Herkunft 1 U. Bauer-Eberhardt, Die illuminierten Handschriften französischer Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek. Teil 1. Vom 10. bis zum 14. Jahrhundert. Anhang: Die illuminierten Handschriften englischer und spanischer Herkunft. Textband, Wiesbaden 2019 (Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Band 7, Die illuminierten Handschriften französischer Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek. Teil 1)
Bibliotheksstempel Bibliotheksstempel. Besitzvermerke von Bibliotheken in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von A. Jammers, Wiesbaden 1998 (Beiträge aus der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz 6)
CALMA C.A.L.M.A. Compendium auctorum latinorum medii aevi, hrsg. von M. Lapidge u.a., Bd. 1–, Firenze 1999–
DHGE Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastiques, publié sous la direction de A. Baudrillart et al., Bd. 1–31, Paris 1912–2015, Bd. 32–, Turnhout 2015–
EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Friedberg E. Friedberg, Corpus iuris canonici, 2 Bde., Leipzig 1879 und 1881
Göttingen 1 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1)
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
Hove A. van Hove, Commentarium Lovaniense in Codicem Iuris Canonici, Vol. 1,1: Prolegomena ad Codicem Iuris Canonici, editio altera, Mecheln 1945
HQL 1 Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1: Mittelalter (1100–1500): Die gelehrten Rechte und die Gesetzgebung, hrsg. von H. Coing, München 1973 (Veröffentlichung des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte)
Powitz G. Powitz, Textus cum commento, in: Codices manuscripti. Zeitschrift für Handschriftenkunde 5 (1979), 80–89, ND in Ders., Handschriften und frühe Drucke. Ausgewählte Aufsätze zur mittelalterlichen Buch- und Bibliotheksgeschichte, Frankfurt/M. 2005 (Frankfurter Bibliotheksschriften 12), 57–81
Schulte J. F. von Schulte, Die Geschichte der Quellen und Literatur des Canonischen Rechts…, Bd. 1: … von Gratian bis auf Papst Gregor IX. Stuttgart 1875; Bd. 2: … von Papst Gregor IX. bis zum Concil von Trient, Stuttgart 1877
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Lateinische Handschriften.
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