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Beschreibung von Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 2° Cod. Ms. jurid. 160b
Patrizia Carmassi: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen lateinischen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Patrizia Carmassi.

Dominicus de sancto Geminiano. Bartolus de Saxoferrato

Papier — 16 Bl. — 21,5 × 16 cm — Italien — 15. Jh., 2. Hälfte

Aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt, darunter: I (Handschriftfragment), II (Druckfragment).

Neben den Papierblättern sind unter dieser Signatur weitere Teile aus dem früheren Einband von 2° Cod. Ms. hist. 809 Cim. erhalten: 1. Zwei Buchdeckel aus dunkelbraun gefärbtem Ziegenleder, mit Rollen (vegetabile Motive) und einem Einzelstempel (Blatt, nicht nachweisbar). Spuren von Vergoldung der Stempel und Streicheisenlinien. Auf der Innenseite von beiden Deckeln jeweils Spuren von Abklatsch aus der mittelalterlichen Handschrift und von (heute verlorenen) VS und HS aus Büttenpapier. Der Abklatsch der Handschrift befindet sich auch unter dem gefalteten Leder und zeigt damit eindeutig, dass die Papier-Makulatur als Füllmaterial für die Einbanddeckel verwendet wurde, wahrscheinlich jeweils sechs Blätter. Auf den gedruckten Papierblättern ebenfalls Abklatsch aus der mittelalterlichen Handschrift zu sehen (vgl. image 41). An den erhaltenen Buchdeckeln Löcher (jeweils zwei auf der längeren Seite) für Seidenbänder, um das Buch geschlossen zu halten. 2. Dieser Ledereinband erhielt später zusätzlich einen Überzug aus roter Seide. Daraus sind zwei Fragmente für Vorder- und Hinterdeckel (images 03 bis 06) und Abklatschspuren auf der Innenseite eines der Lederdeckel (image 08) erhalten. 3. Der ursprüngliche Rückenüberzug ist verloren gegangen, aber separat erhalten ist ein Streifen aus rot gefärbtem Leder (images 01-02), auf den ein Papierzettel geklebt wurde (image 01). Dieser Streifen diente zuletzt als Rückenüberzug über die Seide und ist als grobe Reparatur des 19. Jahrhunderts einzuschätzen. Auf der Rückseite dieses Streifens (image 02) sind Reste aus braunem Leder (aus dem früheren Rücken) und aus Papier (von einem früheren auf den Rücken geklebten orange gefärbten Papierzettel mit Inhaltsangaben) sichtbar. Auf den Resten des Papierzettels Abklatsch von Beschriftung, heute schwer leserlich (Historia general (?), die mit dem Inhalt des Codex übereinstimmt. Spuren des Papierzettels auch auf den Buchdeckeln aus Leder (images 07 und 09). Reste von braunem Leder auch auf der Innenseite eines Seidenüberzugs sichtbar (image 04). Die Seide wurde offensichtlich in einer späteren Phase auf das Leder aufgeklebt, wahrscheinlich im 18. Jahrhundert im Zuge von Besitzwechseln. Insgesamt ist folgende Rekonstruktion denkbar: 1. Die Handschrift bekam einen Einband aus Klebepappe (aus Makulatur) und dunklem Ziegenleder mit Einprägungen und Goldverziehrungen. 2. In einer zweiten Phase erhielt die Handschrift einen seidenen Übezug. 3. Als Reparatur und Stabilisierung wurde im 19. Jahrhundert der Rücken mit einem Lederstreifen beklebt, auf den zusätzlich ein grüner Zettel geklebt wurde (image 1). Für ähnliche Grüne Rückenschilder vgl. beispielsweise auch 2° Cod. Ms. 158 jurid. 4. Vielleicht auch in Folge von Wasserschäden wurde der Einband 1892 auseinandergenommen, und die einzelnen Teile separat vom Buchblock mit eigener Signatur aufbewahrt. In diesem Zusammenhang ist ein Makulaturblatt, das vorher versteckt im eingepressten Pappeinband geblieben war, mit einem Stempel der Bibliothek versehen worden.

Herkunft: Die losen Blätter und Fragmente vom Überzug stellen Teile des ehemaligen, höchstwahrscheinlich in Spanien hergestellten Einbandes von Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, 2° Cod. Ms. hist. 809 Cim. Dieser wurde im 19. Jahrhundert (nach Meyer 1892) vom Buchblock abgetrennt. Vgl. die Beschreibung diesen Zustands 1894 in Göttingen 3, S. 540-541. Zu der Handschrift der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die den Text von Pedro Sarmiento de Gamboa enthält, siehe Göttingen 2, S. 268-269; Geschichte des Inkareiches, von Pedro Sarmiento de Gamboa, hrsg. von R. Pietschmann, Berlin 1906. — Der Codex gehörte in seiner ursprünglichen Fassung dem Philologen Abraham Gronovius (1695-1775) und kam durch Auktionsverkauf im Jahr 1785 in die Universitätsbibliothek. Vgl. Bibliothecae Gronovianae Pars Reliqua Et Præstantissima. Sive Catalogus librorum, In quo recensentur Veteres Codices Manuscripti optimi Auctorum Græcorum et Latinorum ... Quæ omnia constituerunt partem optimam Bibliothecæ … Abrahami Gronovii, Lugduni Batavorum 1785, S. 7, Nr. 60: Segunda Parte de la Historia general llamada Yndida la ql. por mandado d'al Excmo S. Don Francesco de Toledo Virry-Gobernando y Capitan General dellos Reynos- dal Peru compuso y Capitano sammiento [!] de Gamboa con fig. y Fee de la Provenca desta Historia por Alvaro Ruiz Denabanus. MS.. Manual 1785, S. 7. Schwarzer ovaler Stempel (2,5 x 3 cm), nun sehr verblasst (image 12): EX BIBLIOTHECA REG. ACADEMIAE (?) GEORG. AUG.. Dieser Stempel war in der Zeit ab 1880 in Benutzung. Vgl. Bibliotheksstempel, S. 93.

Göttingen 3, S. 540-541. — W. Meyer, Die in der Goettinger Bibliothek erhaltene Geschichte des Inkareiches von Pedro Sarmiento de Gamboa, in Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg-Augusts-Universität zu Göttingen 1 (1893), S. 1-18. Hier spricht Meyer, S. 14, noch von einem "Einband von rother Seide".

Pars I (Handschrift)

Papier — Vier lose Blätter — 28,5-29 × 19,5-20 cm — Italien — 15. Jh., Mitte

Wasserzeichen: Werkzeug, Leiter, frei, ohne Beizeichen, zweikonturig: WZIS IT8355-PO-122755. (1443). Keine moderne Foliierung. In der Beschreibung wird als Referenz für die einzelnen Blätter die Bildnr. des Digitalisats in http://diglib.hab.de/?db=mss verwendet. Breite braune Flecken (Feuchtigkeitschäden), Spuren von Klebstoff, Löcher (auch von Insektenfrass), z. T. modern mit Papierersatzstücken restauriert. Zweispaltig. Liniiert. 52-58 Zeilen. Schriftraum: 21,5 × 16 cm Schlaufenlose Bastarda von einer Hand. Anders als die Behauptung Meyers (Gottingen 3, S. 540 "spanische Schrift"), hat die Schrift keine spanische graphische Merkmale, auch wenn es nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein spanischer Kleriker, der sich z.B. in Bologna ausgebildet hatte, den Text abschrieb. Ich danke Elena Rodríguez Díaz für die freundliche Auskunft.

Herkunft: Wahrscheinlich in (Ober-)Italien geschrieben. Vgl. Padova, Biblioteca Antoniana, 30, in I manoscritti datati della provincia di Vicenza e della Biblioteca Antoniana di Padova, Firenze 2000 (Manoscritti datati d'Italia 4), Nr. 45, S. 63, Taf. XXXIII (a. 1445). Dominicus de sancto Geminiano († 1425) war in Bologna, Florenz, Siena, Pisa und zuletzt in Rom tätig. Für die frühe Überlieferung dieses Werkes in Ober- und Mittelitalien vgl. Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, G.B. f. 22 (Bologna, 15. Jh. 3. Viertel); Lucca, Biblioteca Capitolare Feliniana 217 (a. 1472); Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Ross. 1159 (Ferrara, ca. 1470); Barb. lat. 1481; Barb. lat. 1482; Vat. lat. 2261-2264.

Dominicus de sancto Geminiano: Commentaria in distinctiones decreti. Die Lemmata aus dem Decretum nicht ausgeführt, obwohl Platz dafür frei gelassen wurde. Rekonstruktion der Reihenfolge der Blätter der Handschrift: images 48/47 (recto/verso), 53/54 (recto/verso) (zusammenhängender Abschnitt); 49/50 (recto/verso), 51/52 (recto/verso) (zusammenhängender Abschnitt). Stimmt mit der Edition von 1578, fol. 60r-61r und 65r-66v, überein. Auf dem Kopfsteg, rechts, z. T. abgeschnitten, Angaben über die jeweilige Distinctio in römischen Zahlen: Vgl. image 48: XXVI[II]. An manchen Stellen Striche mit blauem Stift, vielleicht zu Studienzwecken.

Edition: Verglichen mit: Dominici a sancto Geminiano utriusque iuris peritissimi, Super Decretorum volumine Commentaria, Venetiis 1578. Bibliographie: Schulte 2, S. 295. Diego Quaglioni, Art. Domenico da San Gemignano, in Dizionario Biografico degli Italiani 40 (1991), S. 664-667. CALMA 3, S. 127-128.

Pars II (Druck)

Papier — Sechs Blätter des ursprünglichen Buches. — 21,5 × 16 cm — Venedig — 1478/79

Buchschmuck: Von Hand nachgetragene 1,5 bis 3,5 cm hohe Fleuronnée-Initialen. Rote und ockerfarbige Paragraphenzeichen im Wechsel. Ausführungssort: Oberitalien. Vgl. z. B. München, BSB, Clm 10736, Clm 28956, Cod.ital. 169. Zweifarbige ocker/rote Fleuronnéeinitialen im Wechsel (Ockerfleuronnée bei den roten Initialen sehr verblasst). Gelegentlich Aussparungen im Buchstabenstamm. Als Besatz und im Binnenfeld mehrere vertikale gerade Parallelfäden in Buchstabenhöhe, mit außen anhaftendem Leitermotiv oder einzelnen Perlen. Als Ausläufer nach unten drei bis vier Parallelfäden, in Korkenziehrspiralen endend (siehe z.B. image 21). Bei größeren Buchstaben auch Zwickeldekoration (siehe image 24).

Bartolus de Saxoferrato: Lectura super II parte Infortiati. Sechs Blätter aus einer Inkunabel aus dem Jahr 1478/79 (siehe unter Edition) wurden in der Mitte geschnitten, um zwölf Blätter, passend zu der Größe des Buchblocks, zu gewinnen. Die ursprüngliche Reihenfolge der Blätter der wiederverwendeten Inkunabel ist wie folgt zu rekonstruieren: image 39 /40 (recto/verso); 22 /21 (recto/verso); 33 /34 (recto/verso); 28 /27 (recto/verso) 16 /15 (recto/verso) (zusammenhängender Abschnitt); image 46 /45 (recto/verso); 16 /15 (recto/verso) (zusammenhängender Abschnitt). Edition: Bartolus de Saxoferrato: Super II. parte Infortiati. Venedig: Johann von Köln und Johann Manthen, 2.I.1478/79.2°. GW 3632. Verglichen mit dem Exemplar München, Bayerische Staatsbibliothek, 2 Inc.c.a. 339. Digitalisat: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0004/bsb00047439/images/. Die Göttinger Fragmente entsprechen den dortigen Bildern 341-348 und 363-366. Literatur: CALMA 2, S. 101-156, hier Nr. 2, S. 103. S. Lepsius, Bartolus' Auseinandersetzung mit dem Digestum Novum: zwischen lectura und commentum, in Bartolo da Sassoferrato nel VII centenario della nascita: diritto, politica, società. Atti del L Convegno Storico Internazionale, Todi, Perugia, 13 - 16 ottobre 2013, Spoleto 2014 (Atti dei Convegni del Centro italiano di studi sul basso medioevo - Accademia Tudertina. Nuova serie 27), S. 601-626. A. Belloni, Bartolo studente e maestro e i suoi commentari, in ibid., S. 559-584. Bartolo da Sassoferrato a Siena nel VII centenario della nascita: manoscritti, incunaboli, cinquecentine. Biblioteca comunale degli Intronati, Fondo antico della Banca Monte dei Paschi, Biblioteca di Domenico Maffei, Biblioteca comunale di Massa Marittima; con un ricordo di Domenico Maffei, Siena, Biblioteca comunale degli Intronati, 18 settembre-18 ottobre 2014, hrsg. von E. Mecacci und M. A. Panzanelli Fratoni, Siena 2014.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bibliotheksstempel Bibliotheksstempel. Besitzvermerke von Bibliotheken in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von A. Jammers, Wiesbaden 1998 (Beiträge aus der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz 6)
CALMA C.A.L.M.A. Compendium auctorum latinorum medii aevi, hrsg. von M. Lapidge u.a., Bd. 1–, Firenze 1999–
Göttingen 2 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 2: Universitäts-Bibliothek: Geschichte, Karten, Naturwissenschaften, Theologie, Handschriften aus Lüneburg, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 2)
Göttingen 3 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 3: Universitäts-Bibliothek: Nachlässe von Gelehrten, Orientalische Handschriften, Handschriften im Besitz von Instituten und Behörden, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1894 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 3)
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
Schulte J. F. von Schulte, Die Geschichte der Quellen und Literatur des Canonischen Rechts…, Bd. 1: … von Gratian bis auf Papst Gregor IX. Stuttgart 1875; Bd. 2: … von Papst Gregor IX. bis zum Concil von Trient, Stuttgart 1877
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Lateinische Handschriften.
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