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Beschreibung von Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 8° Cod. Ms. jurid. 163b
Patrizia Carmassi: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen lateinischen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Patrizia Carmassi.

Raimundus de Pennaforti

Pergament — I, 144 Bl. — 15,5 × 11 cm — Nordfrankreich (?) — 13. Jh. Mitte

Lagen: 1 Bl. 9 VI (108). IV-2 (114). IV-8. Vorsatzblatt nicht foliiert. Mittelalterliche Foliierung in roter Tinte (römische Zahlen). Beginnt bei jedem Buch wieder mit I. Moderne Foliierung (arabische Zahlen) in schwarzer Tinte und Bleistift, nicht durchgehend ausgeführt. Farbe gelegentlich abgesprungen. Pergament teilweise wellig. Wenige Flecken. Kopfschnitt vergraut. Eine Blätter abgerissen. Zweispaltig. 30 Zeilen. Schriftraum: 9,5 × 7 cm. Textualis von einer Hand. Ergänzungen am Rande, oft in Form eines Dreiecks gestaltet und mit roter Farbe umrahmt. Rubriziert. 1. Vier bis neun Zeilen hohe, rot-blaue Fleuronnée-Initialen. Buchstabenkörper in einzelnen Fällen zweifarbig gespalten mit Schaftaussparungen (Form: Kopfstempel). Fleuronnée (für 1 und 2): Als Besatz konturbegleitende Parallelfäden, mit eingerolltem Ende und Halbpalmetten endend (gebogene Ränder, mit und ohne Kern); ausschwingende Einzelfäden. In Ecken auch Besatz von ovalen Knospen, mit oder ohne Kern, gelentlich Erweiterung in sog. "pointing-finger-Motiv", mit Spitzenende. Im Binnenfeld Fadenspiralen, bei den Hauptinitialen auch mit Halbpalmetten gefüllt. 2. Kleinere zwei bis drei Zeilen hohe, rot-blaue Fleuronnée-Initialen. 3. Einfache einzeilige alternierend rote und blaue Lombarden für die Capitula. Titulus currens in roter und blauer Farbe mit Angabe von L[iber] (Versoseite) und der entsprechenden Bücherzahl (römische Zahlen, Rectoseite). 1ra: S(ymonia). 39va D. Hier wurde irrtümlicherweise ein D statt ein H als Initiale für das Wort Homicidium gemalt. 61va: Q(ualis) 97ra: S(ponsalia)

Spätmittelalterlicher Holzdeckeleinband. Überzug aus braun gefärbtem Ziegenleder. Spuren einer Langriemenschließe erhalten: Beschlag in Form eines Vierblattes auf dem HD; nur zwei runde Buckel auf dem VD erhalten. Streicheisenlinien und ein Einzelstempel (s. u.). Auf dem VD ein frühneuzeitlicher Papierzettel mit Inhaltsangabe: Summa Raimundi. Ebenfalls auf dem Rücken Papierzettel, z. T. abgesprungen, mit Inhaltsangabe in brauner Tinte: Raimun[di] Summa de Penitentia et Matrimonio MS. VS und HS aus Papier (wiederverwendetes Dokument, s. u.). Auf dem HS auch Vermerk (Bleistift): C.H. Beck Nördlingen No LXVII 25 fl. 113 Bücher. Auf VS Signaturangaben: Cod. Ms. Jurid. 163b (Bleistift) und 68.998.Th.23824 (schwarze Tinte). Zwischen VS und fol. I ein loses Papierblatt mit aufgeklebtem Auszug aus Meyers Katalog über diese Handschrift. Ein in der Mitte gefaltetes Blatt Seidenpapier (ca. 23,5 x 20 cm), am oberen Teil auf den HS geklebt, enthält auf der Rectoseite zwei Reihen von Alphabeten (Fraktur), mit einigen Ligaturen (19. Jh., schwarze Tinte), wahrscheinlich als Vorlagen für Drucktypen. Siehe Provenienz. 1. Blatt, Vierblatt, ohne Zwischenblätter: EBDB s037764. Werkstatt bisher nicht lokalisiert: EBDB w007816. Der Überzug weist Kratzer und Flecken auf. Abrieb, Knicke und Risse im Gelenk und im Rücken.

Herkunft: Paläographische und Ausstattungsmerkmale weisen auf eine Entstehung der Handschrift in Frankreich (Nordfrankreich?) hin. Vgl. Amiens, Bibliothèque municipale, MS 1, fol. 1r (aus Corbie); Angers, Bibliothèque municipale, MS 13, fol. 3r; München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 926 (Paris, 40er Jahre des 13. Jh.). Vgl. Bauer-Eberhardt, Ill. Hss. französischer Herkunft 1, Kat.-Nr. 97, S. 113-115; Clm 16008 und Clm 6206 für die Kombination von dekorativen Elementen, die bis zur Mitte des Jh. üblich waren. Siehe dazu ibid. Kat.-Nr. 101, S. 121; Kat.-Nr. 107, S. 125-126. — Provenienz: Die Handschrift befand sich im Spätmittelalter in Deutschland, als eine Hand auf dem HS volkssprachige Notizen schrieb (15. Jh.). Frühere Besitzer der Handschrift im 19. Jh. haben ihren Namen auf fol. Ir geschrieben. Zusammen mit dem modernen Vermerk auf dem HS lassen sich einige Etappen in der Geschichte des Codex im 19. Jh. ansatzweise rekonstruieren: C. Pfeiffer Moguntinus (fol. Ir) ist sehr wahrscheinlich mit dem Buchdrucker Karl Friedrich Pfeiffer zu identifizieren, Sohn von Andreas Pfeiffer, der seine Offizin 1797 nach Mainz verlegt hatte. Karl Friedrich Pfeiffer verkaufte die Druckerei am 17.08.1816. Siehe dazu H. Kornfeld, Die Entwicklung des Druckgewerbes in Mainz vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1816-1914), Mainz 1999 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz 31), S. 99; Fünfhundert Jahre Mainzer Buchdruck. Festgabe zum 70. Geburtstag von Aloys Ruppel, hg. von J. Benzing und H. Presser, Mainz 1952, S. 228-229, Tafel Nr. 78. Gerade in jener Zeit florierte das Geschäft des Verlegers und Buchhändlers Carl Heinrich Beck (1767-1834) in Nördlingen, dessen Name auf dem HS der Handschrift erwähnt ist. Er führte den Betrieb seit 1815 eigenverantwortlich und baute u. a. ein Antiquariat von hohem Rang auf. Zu seiner Person vgl. A. Meiner, Art. Beck, Buchändlerfamilie, in Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 697-698; Beck, Carl Heinrich, aus www.koenigreichbayern.hdbg.de (abgerufen 17.08.2020). Es ist denkbar, dass Beck für sein Antiquariat diese Handschrift und andere Bücher erwarb. Der zweite Eintrag auf fol. Ir CTJPape 1845 bezieht sich auf Carl Johannes Wilhelm Theodor Pape (1836-1906), kurz als Carl Pape bezeichnet. Dieser war ein deutscher Physiker, in Heidelberg promoviert, in Göttingen 1862-66 als Privatdozent tätig, danach Professor in Proskau und 1878-1904 Ordinarius in Königsberg. Ab 1887 wurde er Mitglied der Academia Leopoldina, mit Sitz in Halle. Zu seiner Person vgl. Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE), 2. Ausgabe, hg. von R. Vierhaus, Bd. 7, München 2007, S. 674. — Nach Meyer, Göttingen 1, S. 355, erwarb die Universität die Handschrift im Jahr 1868 von Carl Pape.

Göttingen 1, S. 355.

Ir leer bis auf zwei Besitzvermerke C. Pfeiffer Moguntinus mit Spuren von Siegellack auf der rechten Ecke des Blattes; CTJPape 1845 und moderne Signatur Cod. Jurid. Goett. 163b, alle mit Tinte geschrieben. Siehe u. Provenienz.

Iv Leer bis auf moderne Inhaltsangaben (rote Tinte, Kurrentschrift): Raimundus de Pennaforte der Verfasser der decretalen Sammlung ed. Savigny Geschichte des Römischen Rechts im Mittelalter, v. VI s. 424. Es bezieht sich auf die Edition Heidelberg 1831.

1ra-114vb Raimundus de Pennaforti: Summa de casibus conscientiae sive Summa de poenitentia. Summa de matrimonio. Gekürzte Fassung: Prologe, einführende Abschnitte sowie Textteile am Ende der Bücher wurden ausgelassen. ›Incipit summa magistri Raimundi de penitentiis‹. (1ra) Capitula. ›Hec sunt capitula finis‹. Eine moderne Hand hat hier und bei den weiteren Kapiteln die entsprechenden Seitenzahlen mit schwarzer Tinte am Rande der Kapitel beigefügt. (1ra-39va) Liber I. ›De symonia‹. Symonia est studiosa cupiditas vel voluntas emendi … — … ecclesia non privabitur sua portione. (39va) Capitula libri II. (39va-61rb) Liber II. ›De homicidio‹. Domicidium [!] est hominis occisio ab homine facta … — … patri marito ecclesie cuius erat administrator. (61rb-61va) Capitula libri III. (61va-96vb) Liber III. ›De qualitate ordinandorum‹. Qualis debeat esse praelatus ostendit apostolus … — … et propter causam et circa subditos suos alias non. (96vb-97ra) Capitula libri IV. (97ra-114vb) Liber IV. ›De sponsalibus‹. Sponsalia sunt futurarum nuptiarum promissio … — … voluptarias vero perdit sicut ibi dicitur. Druck: Summa sancti Raimundi de Peniafort [...] de poenitentia et matrimonio cum glossis Ioannis de Friburgo, Romae 1603. Edition: S. Raimundus de Pennaforte, Summa de paenitentia, ed. Xaverio Ochoa, Rom 1976 (Universa bibliotheca iuris 1B). S. Raimundus de Pennaforte, Summa de matrimonio, ed. Xaverio Ochoa, Rom 1978 (Universa Bibliotheca iuris 1C). Literatur: Schulte 2, S. 408-413, mit Erwähnung dieser Handschrift S. 410, Anm. 6. DDC 7, Sp. 462. Kaeppeli 3407. Bloomfield 5054. Michaud-Quantin, S. 34-42. Kuttner, S. 443-445. S. Kuttner, Zur Entstehungsgeschichte der Summa de casibus poenitentiae des hl. Raymund von Penyafort, in Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abt. 39 (1953), 419–434. K. Pennington, Summae on Raymond de Pennafort's 'Summa de casibus' in the Bayerische Staatsbibliothek, Munich, in Traditio 27 (1971), S. 471-480. Repertorio de historia de las ciencias eclesiásticas en España. 3. Siglos XIII-XVI, Salamanca 1971 (Corpus scriptorum sacrorum Hispaniae. Estudios 2), S. 12-45. J. D. Mann, Unstudied Manuscripts of the «Summa de poenitentia» of Raymond de Pennaforte, in Manuscripta. A Journal for Manuscript Research 34 (1990), S. 45-49. Magister Raimundus. Atti del Convegno per il IV centenario della canonizzazione di San Raimondo de Penyafort (1601-2001), hg. von C. Longo, Roma 2002 (Dissertationes historicae 28).

Fragment

Pergament — 1 Bl. — 15,5 × 11 cm — Frankreich (?) — 15. Jh. Zweite Hälfte

Das Blatt wurde in der Mitte in zwei Teile für die Verwendung als VS und HS geschnitten. Der obere Teil des Blattes fehlt. Auch auf der Versoseite beschrieben. Schriftraum: 10,5 × 12 cm. Elegante Bastarda mit Schlaufen von einer Hand.

Herkunft: Sowohl paläographisch als auch auf Grund der Prosopographie (Fedançinus) und des Sprachstandes mit ausgeprägten Entwicklung in Richtung der romanischen Sprachen (bassus, melioramentum), erscheint es plausibel, dass das Dokument in Frankreich entstand und für den aktuellen Einband benutzt wurde, als dieser noch in Frankreich war. Gegen Ende des 15. Jh. muss die Handschrift sich in Deutschland oder im Besitz eines Deutschen befunden haben.

VS und HS Vertrag. Abkommen zwischen zwei Parteien über die Schließung einiger Fenster durch eine Mauer oder eine eiserne Vergitterung, damit Unsauberkeit und Unannehmlichkeiten im unteren Haus (domus bassa) und im geschlossenen Hof (claustrum) vermieden werden. Genannte Personen (Laien): Fedançinus, Filippus und Johannes einerseits, Rogerius andereseits. Dieser soll die Kosten übernehmen. Es bestehen keine deutlichen Indizien im lesbaren Teil, um die beteiligten Personen, Institutionen, oder den Ort des Geschehens zu identifizieren. Auf dem HS hat eine weitere Hand (schwarze Tinte, Bastarda) auf Deutsch eine Liste von täglichen Zahlungen oder Zinsen nachgetragen, z. T. wieder gestrichen: Item allen dag eyn alb[us] duit X g[rossum] ...


Abgekürzt zitierte Literatur

Bauer-Eberhardt, Ill. Hss. französischer Herkunft 1 U. Bauer-Eberhardt, Die illuminierten Handschriften französischer Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek. Teil 1. Vom 10. bis zum 14. Jahrhundert. Anhang: Die illuminierten Handschriften englischer und spanischer Herkunft. Textband, Wiesbaden 2019 (Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Band 7, Die illuminierten Handschriften französischer Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek. Teil 1)
Bloomfield M. W. Bloomfield, Incipits of Latin Works on the Virtues and Vices 1100–1500 A.D., Cambridge/Mass. 1979 (Publications of the Medieval Academy of America 88)
DDC Dictionnaire de droit canonique, Bd. 1–7, hrsg. von R. Naz, Paris 1935–1965
EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Göttingen 1 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1)
Kaeppeli T. Kaeppeli, Scriptores ordinis praedicatorum, Bd. 1–4, Rom 1970–1993
Kuttner S. Kuttner, Repertorium der Kanonistik (1140–1234), Città del Vaticano 1937 (Studi e testi 71)
Michaud-Quantin P. Michaud-Quantin, Sommes de casuistique et manuels de confession au Moyen Âge (XIIe–XVIe siècles), Louvain, Lille, Montréal 1962 (Analecta mediaevalia Namurcensia 13)
Schulte J. F. von Schulte, Die Geschichte der Quellen und Literatur des Canonischen Rechts…, Bd. 1: … von Gratian bis auf Papst Gregor IX. Stuttgart 1875; Bd. 2: … von Papst Gregor IX. bis zum Concil von Trient, Stuttgart 1877

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Lateinische Handschriften.
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