Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger. (Vorläufige Beschreibung)

Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 2° Cod. Ms. jurid. 391

Juristisch-medizinisch-naturkundliche Sammelhandschrift

Papier — 174 Bll. — 31 × 20,7-21,4 cm — Nordbayern / Ostfranken (?) — 1474

Papier. Wasserzeichen: Ochsenkopf (WZIS DE3270-jurid391_23, ähnliche WZIS DE4860-Ms1141_296 - um 1475); Ochsenkopf (WZIS DE3270-jurid391_22; ähnlich WZIS DE8100-CodTheol2164_511 - 1471); Schlüssel (WZIS DE3270-jurid391_24); Schlüssel (WZIS DE3270-jurid391_34; ähnlich WZIS DE8100-PO-121288 - 1474); Dreiberg (WZIS DE3270-jurid391_64; ähnlich WZIS DE0960-2Inc407_2* - nicht nach 1475); Dreiberg (WZIS DE3270-jurid391_63; ähnlich WZIS DE2730-PO-151591 - 1473; WZIS DE4860-Ms907_147 - 1474); Schlüssel (WZIS DE3270-jurid391_123 und WZIS DE3270-jurid391_121); Ochsenkopf (WZIS DE3270-jurid391_169; Variante: WZIS DE6300-PO-68293 - 1475); Ochsenkopf (WZIS DE3270-jurid391_165; Variante: WZIS DE6300-PO-68284 - 1474). Der Wasserzeichenbefund passt nahtlos zu der vom Schreiber genannten Datierung der Handschrift auf 1474 (s. unter Herkunft). Lagen: Neben einem vorne an den Buchblock angeklebten Bl. Seidenpapier (sowie dem Nutzerbogen der SUB Göttingen und der Beschreibung von Wilhelm Meyer, die an den VS angeklebt sind), besteht die Handschrift aus: VI-1 (?; 11). 13 VI (167). III (173). 1 (?; 174); am Lagenende auf 11v, 23v und 47v Reklamanten oder Reste davon. Bleistiftfoliierung modern: 1-194 (auf Bl. 1-2 Foliierung in Tinte). Teilweise Insektenfraß (speziell im ersten und letzten Abschnitt der Handschrift) und Wasserschäden bzw. -flecken; auch sonst Papier verschiedentlich stärker fleckig. Schriftraum: 22-24,5 × 14-15,5 cm, 33-43 Zeilen, einspaltig. Der gesamte Band stammt von derselben Hand, nämlich jener des 'Walthisar von der Wage'/Balthasar (Hubner) 'von der Wage'; nur wenige Nutzerspuren: 11v, 23v, 41r (Korrekturen/Glossen); zudem auf 53v von modernem Bearbeiter mit Bleistift Kapitel-Nrn. eingetragen. In geübter und durchaus regelmäßiger Bastarda, aber relativ dicht und ohne besonderen Aufwand geschrieben. Durch einfache aber gute Ausstattung übersichtlich gegliederter Sammelband: rubriziert (allerdings nicht auf 115r-124v); Unterstreichungen, Überschriften und Kapitelzählung in Rot; zudem rote X- bzw. Kreuzzeichen bei Gebets- und Beschwörungsformeln (auf 149v-150r, 154v, 159r, 160v, 162v-163v, 64v-167v). Die Oberlängen von Buchstaben in erster Zeile teilweise verlängert und bisweilen zusätzlich mit roter Tinte gestaltet (etwa auf 16r, 22v, 31v). Des Öfteren schlichte Lombarden oder Initialen in Rot; im Normalfall klein, in schwarzer oder roter Tinte vorgeschrieben, meist jedoch nicht ausgeführt (so auch die große, auf 12 Zeilen angelegte Initiale am Beginn des Bandes auf 1r; sonst meist 2 bis 5 Zeilen für Initialen freigehalten); auf 31r rote Initiale, deren Ausläufer Buchstaben bzw. ein Wort bildet. Der Text zu einer magischen Praktik auf 150r ist ergänzt um ein Diagramm bzw. eine dafür notwendige Zeichnung in normaler Tinte "mit drei in einander geschriebenen Quadraten, deren innerstes zwei Augen zeigt; im mittleren Quadrat stehen an allen vier Seitenrändern die Worte 'Ratha, aly, ratha, alyn', während das äußere nur die senkrechte Beschriftung 'alyn, aly' zeigt" (Spamer Romanusbüchlein, S. 263).

Schwarzer, teilweise abgeriebener und an den Deckelrändern beschädigter Pappeinband – wohl des 18. (oder 19.?) Jh.s; auf dem Rücken aufgeklebt Papierschildchen mit Göttinger Signatur (Cod. Ms. jurid. 391); darunter mit Goldbuchstaben zum einen eingeprägt Miscellanea, zum anderen Schwabenspiegel. Auf dem VS mit Bleistift gleichfalls eingetragen die Göttinger Signatur (2° Cod. Ms. Jurid. 391); ebd. zudem Bleistiftvermerk: 174 Bl. 8,9 ; an den vorderen Innendeckel überdies angeklebt die Beschreibung von W. Meyer mit dem Nutzerbogen der SUB Göttingen.

Herkunft: Der gesamte Band stammt offenkundig von einer Hand; laut den Angaben der Kolophone wurde er in der ersten Hälfte des Jahres 1474 verfertigt; s. dazu 92v: Et sic est finis am donerstag nach Oculi mei im LXXIIIIt(en) (wohl 17. März 1474); 114v: Et sic est finis per me Walthisar von der wage. Et finitus est iste liber feria tertia [oder quarta?; Anm. L. W.] post Judica LXXIIII° (29. oder 30. März 1474); 167v: Et sic est finis; actum am freitag nach Cantate LXXIIII°. (13. Mai 1474). Dazu passt nahtlos die Analyse der Wasserzeichen, da alle Varianten oder ähnlichen Wasserzeichen für die erste Hälfte der 1470er-Jahre nachgewiesen sind. Im Kolophon auf 114v nennt sich auch der Schreiber: Walthisar von der wage. Bei ihm handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um dieselbe Person, die auch die auf 1470 datierte Handschrift Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. qu. 763 geschrieben hat und in derselben auf Bl. 122r zuerst aufscheint als 'Walthizar von der Wag' und auf Bl. 182 nach dem Schreibervers ("Hie hat diesz puch ein ende/ Got vns seinen heiligen geist sende/ Hillff got du ewigs wortt/ Dem leybe hie der sele dortt") als 'Walthizar Hubner', wozu das Kolophon in schwarzer Tinte ergänzt: "Dieser Schreiber ist gnant Walthisar von der wag. etc. des alten glaubens finiui librum illum feria quarta post Symonis et Iude Anno MCCCCLXX." Die betreffende Handschrift enthält eine Prosafassung der 'Sieben weisen Meister', dazu deutsche Verse, die 'Grisardis' des Erhart Groß und Johannes' von Tepl 'Ackermann aus Böhmen' (s. dazu etwa Die Grisardis des Erhart Grosz, S. XXVII-XXVIII; zum Inhalt auch den Eintrag im Handschriftencensus). Nach Ph. Strauch (Die Grisardis des Erhart Grosz, S. XXVII und Strauch Deutsche Prosanovellen, S. 428 ff.) zeigt diese Handschrift "bayrische Mundart mit Einwirkung des Ostfränkischen". Die Schreibsprache der Göttinger Handschrift ist Nordbairisch, dabei wohl vorrangig Nürnbergisch mit südböhmischen Einflüssen. Der Entstehungsort der Handschrift(en) und Waltisar/Balthasar Hubner bzw. 'von der Waage' sind bislang noch nicht genauer zu identifizieren. Die von ihm bekannten beiden Handschriften umfassen ein breites Themenspektrum, bei dem einerseits die geringe Bedeutung von - in engerem Sinne - religiösem Schrifttum auffällt und andererseits das deutlich erkennbare Interesse an mantischen und magischen Texten oder Praktiken im vorliegenden Band (s. dazu etwa Zimmermann Rezeption und Rolle, S. 17-18). — Die weitere spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte der Handschrift ist unbekannt. Allerdings scheint sie sich nicht allzu weit von ihrem Entstehungskontext entfernt zu haben, denn zu Beginn des 18. Jahrhunderts befand sie sich dann im Besitz bzw. in der Bibliothek von Georg Peter Stelzer (1668-1724) in Bayreuth, der Sohn des Kulmbacher Stadtsyndikus Peter Stelzer war und als Hofrath der Fürsten von Brandenburg-Bayreuth fungierte (zur Person von G. P. Stelzer s. Schödl Frauen und dynastische Politik, S. 219; zur Handschrift als Teil seiner Bibliothek Struve Historia Juris Romani, S. 492). In der Folge gelangte sie in den Besitz bzw. die Bibliothek des Juristen Franz Karl Conradi (geb. am 2. Febr. 1701; gest. am 17. Jul. 1748), der 1728 zuerst außerordentlicher Professor in Wittenberg wurde und seit 1730 schließlich ordentlicher Professor in Helmstedt war (s. zu ihm ADB, Bd. 4, S. 441-442). Von der Universitätsbibliothek Göttingen wurde sie 1767 auf der Auktion des zweiten Teils von F. K. Conradis Bibliothek zu Helmstedt angekauft. Im Katalog dieser Auktion, den Franz Dominicus Häberlin, Professor für Geschichte und Staatsrecht der Universität Helmstedt erstellte (s. zu ihm ADB, Bd. 10, S. 274-275), ist sie auf S. 74-78 als Nr. 7872 verzeichnet (s. Häberlin Bibliothecae 2; der erste Teil des Auktionskatalogs, enthaltend 6418 Losnummern, war bereits zur Versteigerung des ersten Teils der Bibliothek im Sommer 1750 erschienen; der zweite Katalog folgte jedoch erst im Zusammenhang mit dieser zweiten Auktion und enthält die anschließenden Losnummern 6419-8083 sowie über 2000 weitere Bände in einem Anhang); zu dieser Erwerbungsgeschichte passend auf 1r, an der Stelle der nicht ausgeführten großen Initiale, der älteste große Bibliotheksstempel der Georgia Augusta.

Göttingen 1, S. 392-396. — Oppitz 2, S. 527, Nr. 599. — MGH Fontes iuris N.S. 9, Bd. 1, S. LXX-LXXIII (Sigle G2). — Homeyer Der Richtsteig Landrechts, S. 10-11, Nr. 32. — Zimmermann Rezeption und Rolle, S. 16-18, S. 35, S. 53, S. 56-58, S. 95, S. 143. — Der deutsche 'Macer'. Vulgatfassung, S. 184-185 und S. 256. — Mayer Abbreviatio Palladii, S. 14. — Handschriftencensus.

1r-92v Schwabenspiegel. (1r-2r) Vorrede. [H]erre got himlischer Vater durch dein milte guet geschauffts du den menschen mit driualtiger wirdigkeit. Des ersten das der nach dir gepildet ist … — … in dem bisthum, dorinn er gesessen ist oder inn dem gericht do er gut hatt etc. Der Text der Vorrede endet hier mit dem Vorwort f (vgl. Eckhardt - Eckhardt, Schwabenspiegel Normalform, S. 152). (2v-74v) Landrecht. ›Dast erst cappitel von den freien.Hye sol man horenn von dreyerlay freien lewten welch recht die haben … — … die weyl das ander lebt, liget er aber furpas pey ir nach dem er sein innen wirt so mag er sich nymermer von ir gescheiden etc.Et sic est finis huius libri‹. Der Text ist gegliedert in 380 gezählte Kapitel, wobei das Vorwort h in der dieser Handschrift als Kap. 1 zum Haupttext gezählt wird und der eigentliche Beginn desselben als Kap. 2; s. Eckhardt - Eckhardt Schwabenspiegel Normalform, S. 152. Der Landrechts-Teil dieser Handschrift endet ebd., S. 328 (mit dem Schluss von Kap. 377 II). (75r-92v) Lehnrecht. ›Das ist von lehenrecht‹. [W]ere lehnrecht kunen wil der volg diesem puch; des erstenn sullenn wir mercken das die konig haben gesatzt sieben herschild … — … das wir sein genyessen da sich leib vnd sele schaiden, das verleyh vns der vater vnd der sone vnd der heilig geist ein warer got, amen, subleuamen, amen. Et sic est finis am donerstag nach Oculi mei im LXXIIIIt(en). ›Hie hat das lehenpuch ein ende‹. Zum Text des Lehnrechts-Teils s. Eckhardt - Eckhardt Schwabenspiegel Normalform, S. 330-394, Kap. 1a-154. Während der Landrechts-Teil sowohl Rubriken als auch Kapitelzählung aufweist, sind im Lehenrecht nur Rubriken/Kapitelüberschriften vorhanden, aber keine Kapitelzählung. Der Text des Schwabenspiegels in dieser Handschrift gehört zur Klasse III (Normalform), Ordnung IIIb (nach Oppitz 1, S. 39); Edition: Eckhardt - Eckhardt Schwabenspiegel Normalform.

93r-114r Johann von Buch: Richtsteig Landrechts. [S]int das ein gericht werdenn sol das wirt vonn dreien personen, das ist von dem richter von dem clager von dem antwortter vnd wann nyemant in gericht geclagen mage ader geantwortten, es sey dann gegenwertig dapey ein richter, darumb wollen wir von aller erst sagen van dem richter … — … Got der da ist die gerechtigkeit der swende vns all vnser laidt vnd geb vns zu lon die gerechten kron. Amen. Des walt der lieb got von himel. Amen. Actum LXXIIII°. Diese Fassung des Richtsteigs gehört zur vierten Fassung (Textklasse B), Ordnung a (nach Oppitz 1, S. 65); Edition: Homeyer Der Richtsteig Landrechts, S. 87-324. Der Text des Richtsteigs "ohne besondere Überschrift in ungezählten und nur bis Cap. 23 rubricirten Capp., mit Allegaten im Texte" (ebd., S. 10-11, Nr. 32); er beginnt in der vorliegenden Fassung nicht mit dem Prolog, sondern mit Kap. 1, endet jedoch mit den beiden Epilogen 1 und 2 (s. ebd., S. 323-324; der zweite Epilog in der Fassung der Handschriften BcEbc bei Homeyer - s. zu derselben ebd., S. 324, Anm. 3); zum Richtsteig Landrechts vgl. auch 2VL 4, Sp. 551-559.

114r Gedächtnisregeln. Herschilde sein zwen funff schilling pey sein jaren XXIX hulde pan vest achte die weisen von geczewgen vnrecht raup diep swertczuckung kint kampf beschoren spilman vest achte die weisent von landrechte lehenrecht. Supra li. I c. LXXVI et li. II c. XV, li. III XI etc. Druck: Homeyer Der Richtsteig Landrechts, S. 11.

114r-v Meißner Rechtsbuch (Auszug; Buch I, Kap. 3). Dath ist vns not das wir kuntlich ausscheiden was erb ist vnd in erb gehoret nach landrecht vnd nach wichszbild. Distinctio prima. Da gehort zw acker wiesen vnd holcz vnd weingarten … — … Distinctio 7ma. Auf münche vnd auf nwnnen kan weder lehen noch erb ersterben noch er gewetter nach gerade etc. Et sic est finis per me Walthisar von der Wage. Et finitus est iste liber feria tertia post Judica LXXIIII°. Also hat dies puch ein endt, got uns seinen heiligen geist sendt, amen. Edition: Spáčil - Spáčilová Míšeňská Právní Kniha, S. 568-569 (zur vorliegenden Handschrift auch ebd., S. 172); allgemein zum Meißener Rechtsbuch s. auch 2VL 6, Sp. 326-329.

115r-123v Gottfried von Franken: Pelzbuch. (115r-119r) Weinbuch. ›Wiltu guten wein machen‹. Wirdet dir ein wein saiger so nym zu einem fuder weins ein masz wein reben aschen vnnd als vil aichenner rinden aschen … — … Darnach nym die latwergen vnd wurtz sie nach deinen lust etc. Der Text vereinigt Elemente von verschiedenen Fassungen von Gottfrieds 'Pelzbuch'; vgl. Mayer Abbreviatio Palladii, S. 14. (119r-123r) Baumbuch. ›Pawm pelczen vnd der pawm gebrechen‹. Man sol mercken vnd erkennen einen sichtum der manchen pawm an kompt darann er vnfruchtper vnd zunichte wirdet, den selben sichtum heisszet man den krebs ader die natter … — … das krefftigt das hercze vnd macht gut blut fur war etc. Entspricht der bairischen Bearbeitung BC, "fast ohne Lücken" (Mayer Abbreviatio Palladii, S. 14) bzw. Kap. 1-42 der Fassung des Patzauer Pelzbuchs; Edition: Eis Gottfrieds Pelzbuch, S. 145-157, Ende Abs. 1; ebd., S. 13 auch die Göttinger Handschrift genannt (zu gemeinsamer Überlieferung mit dem Roßarzneibuch s. ebd. S. 33); zudem Ankenbrand Das Pelzbuch S. 212-213. (123v) leer.

124r-134v Bartholomäus (Auszüge). [D]ietzt puch hat getiecht ein maister mit namen Bartholomeus, das naem er zu kriechen ausz einem puch da heisszet Practica, das ist in teutsch getiecht mit den selben wortten als er Bartholomeus an seinem puch hat gesetzt. Die Texte aus dem Bartholomäus beginnen auf 124r-125r mit dem Harnbuch; danach finden sich unter den Auszügen u.a.: (125r-v) Verbena-Traktat. ›Von der tugent des krauts verbena genant wie mon die graben sol‹. Ein krawt heisszet ferbena, das ist fur manig dinck gut vnd nutze von dem sagt vns Macer der peste artzt ... Druck: Pfeiffer Zwei deutsche Arzneibücher, S. 150. (127v-128r) Geiertraktat (Auszüge). ›Von dem geierenn etc.Galienus sait das der konig Orestes hiesz zway herczen [!] stal machen ausz zwen geiersz fuezzen ... Zum Text des Geiertraktats und seiner Überlieferung s. 2VL 2, Sp. 1137-1140 sowie 2VL 11, Sp. 502 und Stürmer Von deme gire; Edition (bzw. textkritische Rekonstruktion): ebd.; die Passage zu König Orestes dort am Ende des Textes (ebd., S. 102, Nr. 19); zum Geiertraktat im Bartholomäus - und in Verbindung mit dem Verbena-Traktat - s. zudem ebd., S. 129-131.

134v-137v Geomantie 'Irdische Kunst'. ›Die kunst Geomancia ist irdisch etc.Die kunst die hienach geschriben stet die haisszt Geomancia ... … — (135r) ›Die namen der zwelff hewser vnnd zeichen‹. (135v) ›Die bedewtung der hewser‹. (136r) ›Der hewser bezaichnung‹. (137r) ›Der planeten lauff‹. (137v) ›Wie vil ein itlicher planet zeichen hat‹. … ader die zwo figure pedewten den mentag vnd sind paid wandelpar vnd vnstet als der man etc. Der geomantische Text findet sich in sehr ähnlicher Fassung u. a. auch in der Göttinger Handschrift 2° Cod. Ms. philos. 47, auf 12r-17r (ausführlicher zur Geomantie 'Irdische Kunst' siehe ebd.); dort bildet er allerdings nur einen Teil einer deutlich umfassenderen Geomantie.

137v-139v Secretum Secretorum (dt.; Auszüge). ›Aristoteles der mayster lert vns ein gute ertzney‹. Das ist die haimlich kunst die lere vnd die potschafft des maisters Aristotiles die er dem konig Allexander sant vnd gab vnd gab im die lere wie er mit ertzney seinen leib in gesundheit behalten solt … — … das krenk den leib gar sere darumb behalt die vorgenanten lere so hastu ein gesunden leib, etc.Das ist die lere und dat puch das Aristotiles sand dem mechtigen konig Allexandro.‹ Der Text beschränkt sich in der vorliegenden Handschrift auf medizinische Abschnitte bzw. auf die Jahreszeiten- und Gesundheitslehre; s. dazu: Der deutsche 'Macer'. Vulgatfassung, S. 256; Zimmermann Rezeption und Rolle, S. 56-58; Forster Das Geheimnis der Geheimnisse, S. 143ff.; nach Textende des Secretum Secretorum schließt sich noch der auch sonst bekannte Vers Feniculum verbena rosa celidonia ruta/ Ex hys fit aqua que lumina reddit acuta für ein Augenwasser an.

139v-144r Prognostik. (139v-141r) Monatsregimen. ›Hie hebt sich an wie du dich halten sult in einem itlichen monad des jars das du einen gesunten leib mogst behalten in dem ersten monad das ist Januarius soltu mercken den ersten etc. Jener.In Januario haiszt zw deutsch der Jener magstu nnuchtern (?) trincken ein trunck guts weins vnd magst wol zw aderenn lassen … — … vnd ingwer mit prot vnd cardamomum an prot thustu das so bleibstu lang gesunt. (141r-143r) Tagesregeln (Lunar/Prognosen aus den 30 Tagen des Mondes?). ›Nun soltu horen von einem itlichen tag jm monad.So der mond new wirt an dem ersten tag so wirt gut an zw vahn alle dinck … — ›XXX tag.‹ … So der mon XXX tag alt wirt so ist nicht gut aderlazzen. Vnd was dan geporen wirt das wirt selig. (143r-143v) Christtags-Prognosen (Neujahrsprognosen/'Esdras' Weissagungen'). ›Cristag wirt. Nun merck hie welcher puchstab suntag wirt wie es darnach wittert darnach wachsen auch die früchte etc.Ir solt wiessen so der Cristag gefelt an dem suntag so wirt der winter gut … — … vnd wirt grosz siechen in der werlt vnd vil prunst wirt des jars vnd die vagel sterbent sere. Siehe dazu 2VL 6, Sp. 915-918 und 2VL 11, Sp. 1049. (143v-144r) Donner-Prognostik für die einzelnen Monate. ›Was das donerenn bedewt in itlichemm monad; Januarius I°‹. Die meister sprechent in welchem mond es von ersten donert das es etwas bedewt … — … so man hort donernn in december das beczeichent vil herts wetters vnd vil korner auf das negst iar vnd fried in allen landen. Et sic est finis huius vable (?). Die in diesem Abschnitt versammelten mantischen Texte (Monatsregimen, Lunar/Tagesregeln, Christtags-Prognosen und Donner-Prognostik) haben deutliche Parallelen mit den entsprechenden Versionen, die bei Telle Beiträge zur mantischen Fachliteratur, S. 190-193, S. 196-200 und S. 205-206 gedruckt sind, weichen von denselben jedoch auch erheblich ab.

144r-149v Macer (dt.). ›Nun merck hie die krafft der kreutter vnd wie sie heisszen vnd wie du etc. (?) sie beraiten vnnd nutzen solt zw dem leib vnd zw welcher zeit sie krafft haben. Wer die natur der wurcz vnd kreutter erkennen wil als die arcztpucher sagen von vier naturen, die erst ist warm die ander kalt … — … kumel stetiglich genuczt macht plaich vnd pose varb. Der Text der Göttinger Handschrift ist erheblich gekürzt und besteht aus 50 Kapiteln und beinhaltet: die Prosavorrede sowie Kap. 1-8, 11-17, 19, 25-28, 30, 32, 37-38, 40, 42-43, 48-48, 51, 53-55, 57, 61-62, 66, 76, 81-84, 86-89 (dabei sind auch die einzelnen Kapitel teilweise stark gekürzt; vgl. Der deutsche 'Macer'. Vulgatfassung, S. 184-185; außerdem zur Fassung dieser Göttinger Handschrift Zimmermann Rezeption und Rolle, S. 53).

149v-153r verschiedene Rezepte. (149v) ›Wiltu dem menschen hellffen von kranckheit‹. Wiltu dem menschen helffen vnd rat geben ausz diesem puch so soltu wiessen welcherley vnd von welchen sachen der sichtum sey ... (149v) ›zend swerenn‹. (149v) ›fur den wurm‹. (149v) ›fur den auspeissenden wurmm‹. (149v) ›fur die zend‹. (149v) ›das ain pferd dem andrenn hin lauff‹. (149v-150r) ›fur das fieber‹. (150r) ›fur die wurm in den zende‹. (150r) ›fur den auspeissenden wurmm‹. (150r) ›wiltu wein schon machen‹. (150r) ›fur die mewsz‹. (150r) ›fur die maden etc.‹ (150r) Diebssegen. ›de furtu etc. etc.‹ Dem Text des Diebssegens beigegeben ist ein Diagramm (s. unter Illustration); zu beidem s. auch Spamer Romanusbüchlein, S. 262-263. (150v) ›wenn du dein veint siehest‹. (150v) ›Vt duo odiose vivant‹. (150v) ›die lieb vertreiben‹. (150v) ›wiltu ayr hert machen‹. (150v) ›das ein vingerlein aus dem fewer springt‹. (150v) ›vom pesaichen‹. (150v) ›Vom tanczen der hefen‹. (150v) ›rot milch etc‹. (150v) ›Saiffen machen‹. (150v) ›goltvarb machen‹. (151r) ›Wiltu fernys machen‹. (151r) ›horenn giessen‹. (151r) ›wazzer zw machn‹. (151r) ›aliud‹. (151r-v) ›wiltu grüne varb machen‹. (151v) Lösung zum Anrühren bzw. zur Mischung von Farben. Item ein wazzer zu machen damit man alle varb temperirt nym gummi arabicum vnd leg es in ein leynen tuch ... (151v-152r) verschiedenfarbige Tinten. (152r) ›wiltu zynober machen‹. (152r-152v) ›Van sundrenn wazzerenn zu machen‹. (152v) ›Ein wunder wazzer‹. (152v-153r) ›Ein wunderlich liecht‹.

153r-v Volmar: Steinbuch (Auszug; 'Vom ergrabenen Stein'). (153r) ›Von natur vnd tugent der stein‹. Welch man einen stain hat dar ein kung an ergraben stet der was Saturnus genant vnd hat ein siechel in der hant ... (153r-v) ›vom Jaspis‹. Wer den Jaspis hat daran ein hasz ergraben stat der den trait an der hant … — … Nun han ich die pesten die wiest hie genant vnd geschrieben, die andrenn sind also blieben. Di Venosa Die deutschen Steinbücher, S. 43; 2VL 10, Sp. 497-498.

153v-154r Von der Minne. ›Hie sult ir merckenn vnd horen van der mynn wie man sich dorinn halt‹. Ir sult mercken van der mynn wie man ir pflegen sulle. Der heidnisch maister Auicenna, das die messzig mynn ein grosse gesuntheit dem leib sey … — … Es sol auch nymant mynnen er hab dann guten lust darczw, das es nicht geschehe von lieben plicken etc. In vergleichbarer Form auch überliefert in München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 725, fol. 111v-112v und z.T. exzerpiert aus dem 'Regimen vitae' (vgl. München BSB 5,5, S. 145-153, hier S. 151, Nr. 20).

154r-v ›Von fruchten die nicht kerenn tragen etc.Wiltu pawm pelczen der frucht nicht keren tragen, so nym proszreiser vnd pelcz die mit paiden enden … — … Item por ein loch in einen pawm vnd thw varb dorein vnd mach das loch zw vnd die selben varb gewynnet das obs.

154v Wandersegen. ›Wiltu wanderenn in fremde lant so segen dich‹. X Caspar me ducat X Walthisar me conducat X Melchior med reducat … — … Et omnes sancti angeli et archangeli orate pro me. Amen.Ein ander puch‹.

154v-160r Rezeptbuch. ›Hie hebt sich an ein puch das hat pestett meister Yppocras vnd meister Galienus etc.‹ 154v-160r (?) ›Van dem obrentail des menschen das ist das haubt etc.Wiltu ein swartz har gewynnen, so twah (?) dein haubt mit salvay … — … vnd drei virdung hroszein vnslit vnd ein halb pfunt vngesalczens milch smalcz. Die Sammlung, die hier auf Hippokrates und Galen zurückgeführt wird, ist 'A capite ad calcem' geordnet.

160r-v Salbeitraktat. ›Ein gut wasser‹. Das sind die edlenn vnd guten tugent des edlenn krauts salvay. Von erst soltu mercken wie du die peraiten solt … — … das er keines maisters nach keiner ercznei nicht bedarff die weyl er lebt etc. Zum Text s. Hlawitschlka Untersuchungen zum Salbeitraktat (mit dem Abdruck zahlreicher Fassungen des Traktats, jedoch ohne Kenntnis oder Erwähnung der vorliegenden Handschrift); 2VL 8, Sp. 504-506.

160v-161r Longinus-Segen. (160v) Wundsegen ('Drei-Brüder-Segen'). In namen des vaters X vnd des suns X vnd des heiligen geists amen. Drey bruiter gingen einen seligen weg. (160v) zur Entfernung eines Pfeils aus der Wunde. In nomen des X des vaters vnd des X suns vnd des X heiligen geists amen. Longinus ain jud was das ist war. (160v) Wundsegen. ›Ein wuntsegen‹. Drey nagel wurden vnserem lieben hernn durch sein hend vnd durch sein fuesz geslagen ... (160v-161r) ›fur den stummen‹. Item nym ein smalcz vnd segen es mit den wortten die hernach geschrieben sten ... (160v) zur Entfernung eines Pfeils aus der Wunde. Longinus der hebraysch man der stach vnserem hernn in sein rechte seiten das ist war. Zu den Longinus-Segen s. Telle Petrus Hispanus, S. 193-194.

161r-167v Meister Albrant: Roßarzneibuch. ›Wer rosz ertznei leren wolle das vindet man in diesem puch das hat gemacht meister Albrecht des keisers smid wann er es versucht hat etc.Item welchs rosz ein siechs haubt hat das im zerstort vnd zustosszen ist ader suenst van siechtum kranck sey der nem rettich … — … Item der verbenam vnd arthemesiam einem ros vntter den schoph pindet das wirt nicht mued nach zureche (?) das hab ich pewert Venedig. Der Text ist in der vorliegenden Handschrift "durch zahlreiche Heilsegen bzw. Zaubermittel erweitert" (Der deutsche 'Macer'. Vulgatfassung, S. 256); Edition: Eis Meister Albrants Roßarzneibuch; sonst s. zu Albrants Roßarzneibuch 2VL 1, Sp. 57-158 und 2VL 11, Sp. 57.

167v Eichenmisteltraktat (Textgruppe Ia, Fassung G3). Hie lert maister Yppocras die tugent von dem aichen mistell etc. … — … Item aichen mistel mit gold genuczt hilfft fur den aussaczt etc. Et sic est finis; actum am freitag nach Cantate LXXIIIIo. Druck: Zimmermann Rezeption und Rolle, S. 143; zu dieser Fassung des Eichenmisteltraktats, dessen "vorletzter Paragraph [...] ein Fremdtext, die Birnbaummistel" ist, s. ebd., S. 95 sowie Högemann Der altdeutsche 'Eichenmisteltraktat', S. 17, S. 22 (Übersicht über den Textbestand) und S. 89-90 (dort ebenfalls Abdruck der Textfassung der vorliegenden Göttinger Handschrift).

168r-174v leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

Göttingen 1 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1)
Handschriftencensus Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/
München BSB 5,5 Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, Bd. 5: Cgm 691–867, neu beschrieben von K. Schneider, Wiesbaden 1984 (Catalogus codicum manuscriptorum Bibliothecae Monacensis 5,5)
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)