Patrizia Carmassi: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen lateinischen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Patrizia Carmassi. (Vorläufige Beschreibung)

Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 4° Cod. Ms. philol. 118

Publius Vergilius Maro

Papier — 14 Bl. — 28 × 21 cm — Deutschland — 1472

Wasserzeichen: 1. Dreiberg, frei, Beizeichen zweikonturige Stange, Kreuz, einfaches lateinisches Kreuz, ohne weiteres Beizeichen, Kreuzbalken gerade, Grundlinie einfach WZIS DE8100-CodHist2270_999. (1470-1472). Wasserzeichen: 2. Dreiberg, frei, Beizeichen zweikonturige Stange, Kreuz, einfaches lateinisches Kreuz, ohne weiteres Beizeichen, Kreuzbalken gerade, Grundlinie einfach: WZIS DE8100-HBX9_2. (1472-1473). Wasserzeichen: 3. Dreiberg, frei, Beizeichen zweikonturige Stange, Kreuz, einfaches lateinisches Kreuz, ohne weiteres Beizeichen, Kreuzbalken gerade, Grundlinie einfach: WZIS DE8100-HBX9_2. (1472-73). Wasserzeichen: 4. Dreiberg, frei, Beizeichen zweikonturige Stange, Kreuz, einfaches lateinisches Kreuz, ohne weiteres Beizeichen, Kreuzbalken gerade, Grundlinie einfach: WZMA AT4000-423_276. (1476-77). Wasserzeichen: 5. Dreiberg, frei, Beizeichen zweikonturige Stange, Kreuz, einfaches lateinisches Kreuz, ohne weiteres Beizeichen, Kreuzbalken gerade, Grundlinie einfach: WZMA AT4000-423_261. (1476-77). Lagen: VII (14). Foliiert mit arabischen Zahlen (Bleistift, nicht durchgängig). Flecken. Buchschnitt leicht wellig, am oberen Rand Spuren von Schaden durch Feuchtigkeit. Spuren von alter Restaurierung durch Papierstreifen. Fol. 1r: braune Flecken und Löcher durch Wurmfraß; Gold der Initiale an vielen Stellen abgeplatzt. Eine Spalte. Rechts und links Raum gelassen für Glossierung. Schriftraum: 22,5 × 10,5 cm. Schlaufenlose Bastarda von einer Hand für Text und Glossen. Am Rande Namen der sprechenden Rollen und Nr. der Ekloge in größerer Schrift. Interlinear- und Marginalglossen in kleinerer Schrift. Fol. 5v eine nachgetragene Randglosse von einer zweiten Hand in schwarzer Tinte (Bastarda). Rubriziert und gestrichelt. Rote Paragraphenzeichen, auch vor den Versalien, gelegentlich mit Blattmotiven als Ausläufer (10v, 11v). Ca. 1 bis 3,5 cm hohe rote Lombarden. Fol. 1r: T(itire): Rote Lombarde mit Ausläufern und Punktverdickungen. Binnenfeld mit Gold gefüllt. Feines konturbegleitendes Fleuronnée in brauner Tinte.

Moderner Pappeinband aus dem 19. Jh., mit schwarzem Marmorpapier überzogen (Pattern: Pulled). Um den Rücken ein hellbrauner Papierzettel mit Inhaltsangaben: Virgilius Maro. Dazu auf dem VD ein gelber Klebepunkt und ein Papierzettel mit moderner Signatur. Gleiche Merkmale wie der Einband von 8° Cod. Ms. philol. 121. VS und HS aus Papier. Vor dem ersten Blatt wurde als Schutz ein Blatt Japanpapier eingeklebt. Davor loser, vorgedruckter Papierzettel mit der Überschrift der K. Universitäts-Bibliothek Göttingen über die Benutzung der Handschrift seit 1893. Auf dem VS moderne Signatur (Stift und Bleistift): 4° Cod. Ms. philol. 118. und aufgeklebter Papierzettel mit Auszug aus Meyers Katalog über diese Handschrift. Auf HS Prüfvermerke aus dem Jahr 1982 und eine ausradierte alte Signatur (Bleistift): Cod. philol. ... 9 (?). Im VD und Rücken Papier stark ausgekratzt. Die Handschrift wurde mehrmals umgebunden: Vgl. leichten Seitenbeschnitt der Blätter, der einen Teil der Randglossen betrifft, und verschiedene Reihen von Löchern für Heftfaden. Spuren einer Registerzunge im oberen Teil von fol. 1 lassen außerdem vermuten, dass dieser Handschriftenteil mit anderen handgeschriebenen Werken Vergils oder mit einem Druck zusammengebunden war.

Herkunft: Die Schrift weist auf eine Herkunft der Handschrift aus Deutschland hin. Die Datierung auf das Jahr 1472 (fol. 14v) wird durch die Wasserzeichen bestätigt (s.o.). Es ist nicht auszuschließen, dass als Vorlage für Text und Glossen eine frühe Inkunabel benutzt wurden. Eine erste Edition von Vergils Werken erschien in Venedig 1470. Vgl. GW M49733: Vergilius Maro, Publius: Opera. Venedig: Wendelin von Speyer, 1470; C. Kallendorf, A bibliography of Venetian editions of Virgil, 1470 - 1599, Firenze 1991 (Biblioteca di bibliografia italiana 123). Weitere Ausgaben folgten in Paris und Straßburg. Vgl. GW M50010: Vergilius Maro, Publius, Opera, Paris, Ulrich Gering, Michael Friburger und Martin Crantz, 1472. Eine Ausgabe nur der Bucolica erschien in Straßburg um 1472 beim Verlag Heinrich Eggstein: GW M50028. Eine Edition des Servius-Kommentars, gedruckt in Rom 1470/1471, könnte eventuell als Grundlage für die Glossen auch zur Verfügung gestanden haben: GW M41882. — Provenienz: Wilhelm Meyer, Göttingen 1, S. 28, berichtet bei der Beschreibung von Cod. Ms. philol. 119, einer autographen Kollationierung Köhlers von 8° Cod. Ms. philol. 116 Cim. mit 4° Cod. philol. 118, dass die Bucolica-Handschrift nach Köhler 1770 dem Professor für Anatomie in Jena Neubauer gehörte. Es handelt sich um Johann Ernst Neubauer (1742-1777), geboren in Gießen, Arzt und ab 1769 Professor der Anatomie und Chirurgie an der Universität Jena, dazu herzoglich Sachsen-Weimarischer Hofrat. Vgl. J. G. Meusel, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, Bd. 10, Leipzig 1810, S. 63-64; A. Hirsch, Art. Neubauer, Johann Ernst, in Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 470; Deutsche biographische Enzyklopädie, hrsg. von W. Killy, Bd. 7, München 2007², S. 400. Die Handschrift befand sich also 1770 in Jena; die früheren Stufen ihrer Geschichte bleiben unbekannt. — Die Bibliothek von J. E. Neubauer wurde im Jahr seines Todes in Jena versteigert. Vgl. Bibliotheca a viro experientissimo Ioan. Ernest. Neubauero collecta auctione publica ... a die I. Octob. et sequentibus MDCCLXXVII. ... vendenda, Ienae 1777. Ein Exemplar des Auktionskatalogs war auch in Göttingen vorhanden: Siehe A catalogue of English books printed before 1801, held by the University Library at Göttingen, compiled by G. Grote and S. Eschenburg, vol. 2: F-Z, Hildesheim 2017, in der Sektion "Booksellers' catalogues", S. 708 und Digitalisat im OPAC der Universität Göttingen. Darin viele Anmerkungen am Rande; die Handschrift Vergils nicht darin verzeichet. [VGL. EXEMPLAR in GÖ und MANUAL 1777]

Göttingen 1, S. 28.

1r-14v Publius Vergilius Maro: Bucolica. ›Virgilii Publii Maronis poetarum clarissimi bucolica Egloga prima incipit‹. Titire tu patule … — … venit hesperus ite capelle. ›Publii Virgilii Maronis Liber bucolicorum. Explicit feliciter Anno 1472°‹. Die Egloga decima, mit dieser Bezeichnung am Rande, folgt der ersten, während die zweite Ekloge an letzter Stelle (fol. 13r-14v) nach der Egloga nona abgeschrieben wurde.

Edition: P. Vergilius Maro, Bucolica. Ed. et apparatu critico instruxit Silvia Ottaviano, Berlin 2013 (Bibliotheca scriptorvm Graecorvm et Romanorvm Tevbneriana 2011), S. 11-89.


Abgekürzt zitierte Literatur

Göttingen 1 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1)
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)
WZMA Wasserzeichen des Mittelalters (WZMA). Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien (http://www.ksbm.oeaw.ac.at/wz/wzma.php)