Patrizia Carmassi: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen lateinischen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Patrizia Carmassi. (Vorläufige Beschreibung)

Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 2° Cod. Ms. philol. 162

Aulus Gellius

Pergament — 79 Bl. — 28,5 × 20,5 cm — Paris (?) — 15. Jh. Drittes Viertel

Lagen: VI (12). V (22). VI (34). V(44). V+1 (55). 2 VI (79). Reklamanten am Fußsteg (horizontal zum Text geschrieben). Moderne Foliierung (19. Jh., schwarze Tinte). Buchblock leicht verwellt, gelegentlich Flecken. Buchschnitt wellig, am Kopf vergraut. 38-41 Zeilen. Schriftraum: 19 × 12,5-13 cm Text von einer Hand vom Schreiber Petrus Capellani. Gelegentlich Anmerkungen am Rande von einer späteren Hand: z. B. fol. 29v: Nota, dazu Linie neben dem Text. Hybride. Bis fol. 44v rubriziert, gestrichelt und mit Initialen in roter Tinte versehen. Rote Paragraphenzeichen. Danach Raum für Initialen leer gelassen; kleine Buchstaben in brauner Tinte für die zu rubrizierenden Initialen darin oft noch sichtbar. Zwei- bis zehnzeilige rote Lombarden. Punktverdickungen, lange Serifen, an Endstellen gegabelte Ausläufer.

Flexibler originaler Pergamenteinband. Auf dem VD, in brauner Tinte geschrieben: Aulus gelius / SvLm. VS besteht aus einem geklebten Papierblatt mit Exlibris (12,5 x 8 cm): S. unten Provenienz. Darüber Angabe der modernen Signatur (Bleistift): 2° Cod. Ms. philol. 162. Rücken mit Langstichheftung auf zwei Rückenverstärkungen aus Leder. Mit schwarzer Tinte eine unleserliche Zeile und die Zahl 616. Auf der Innenseite des vorderen Pergamentblattes des Einbandes bibliothekarische Angabe (schwarze Tinte): Cod. conl: 79 fol. Darunter: 1827/VI Ott. Mr. Von einer anderen Hand in brauner Tinte: N° 33. Zwischen der inneren Seite des VD und fol. 1 befindet sich ein Blatt mit einer aufgeklebten Kopie der Beschreibung Meyers zu dieser Handschrift. Ein loses Blatt Japanspapier, dazwischen gelegt zum Schutz von fol. 1r. Das Pergament von VD und HD weist große braune Flecken aus Wasserschaden auf, von denen auch das erste und letzte Blatt der Handschrift teilweise betroffen sind. Pergament verwellt, mit Löchern (besonders im HD) und abgerieben.

Als Beilage, heute in einem separaten Umschlag zusammen mit der Handschrift aufbewahrt, sechs lose, nicht nummerierte Blätter aus Papier (34 x 21,5 cm, wobei zwei Bl. aus einem in der Mitte zerrissenen Blatt resultieren). Darin, mit Bleistift oder in schwarzer Tinte von Wilhelm Meyer geschrieben, Notizen zum Inhalt und Ergebnisse aus der Kollationierung der Göttinger Handschrift. Auf einem Blatt, wahrscheinlich das erste, steht oben rechts: Gellius (1890) Cod. Gotting. 162. Damit ist das Datum der Arbeit Meyers an dieser Handschrift gemeint. Die philologische Anmerkungen sind z. T. in die Beschreibung im 1893 gedruckten Katalog eingeflossen: Göttingen 1, S. 35-36. In der modernen Aufbewahrungschachtel aus Pappe auch Verweis auf die Mikrofilmierung des Codex und ein vorgedruckter Benutzungszettel der SUB-Göttingen.

Herkunft: Im Kolophon fol. 79v nennt sich der Schreiber Petrus Capellani. Seinen Titel (Magister artium) erhielt er anscheinend an der Pariser Universität. Der Schrifttypus weist auf eine Entstehung der Handschrift in Nordfrankreich (Paris?) im 3. Viertel des 15. Jahrhunderts. Siehe Paris, Bibliothèque de l'Arsenal, MS 4798 (1460), in Manuscrits datés Frankreich, S. 171, Tafel CXVIII. — Provenienz: Ein Exlibris, gedruckt auf Papier und als VS geklebt, gibt Auskunft zu einem der letzten Vorbesitzer der Handschrift. Auf dem Exlibris ist ein Zettel mit den Buchstaben H.O.F.V.T.V.O abgebildet, die auf Heinrich Oswald Freiherr von Tschammer und Osten auf Petersdorf verweisen. Vgl. auch Göttingen 3, S. 528; K. E. Graf zu Leiningen-Westerburg, Deutsche und oesterreichische Bibliothekzeichen. Exlibris. Ein Handbuch für Sammler, Bücher- und Kunstfreunde, München 1901. ND 1980, S. 364. Das Wappen der Familie Tschammer ist auf dem Exlibris links neben einer Palme, rechts sind gestapelte Bücher dargestellt. Zu dieser Person weißt man, dass er im Jahr 1725 heiratete. Siehe auch das Porträt in Friedrich Wilhelm von Raczek, Geschichte der freiherrlichen Familie von Tschammer, Breslau 1868. Ein Exemplar (Signatur Hist.Germ.biogr.410.m), in der Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden digitalisiert: https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/122239/14/. Vgl. auch Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon, im Vereine mit mehreren Historikern hrsg. von E. H. Kneschke, Band 9 (Leipzig 1870), S. 292, mit Beschreibung des Wappens. Angesichts der Tatsache, dass andere Handschriften aus der ehemaligen Bibliothek Tschammers über die Bibliothek von Johann David Köhler (1684-1755) in die Universitätsbibliothek kamen, ist es wahrscheinlich, dass auch dieser Band aus der Bibliothek Köhlers stammte, der seit 1735 Göttinger Professors für Geschichte war. Zu seiner Person siehe ADB 16 (1882), S. 442-443; https://www.fnz.geschichte.uni-muenchen.de/forschung/autoren-tabellenwerke/koehler/index.html; Nürnberger Künstlerlexikon: Bildende Künstler, Kunsthandwerker, Gelehrte, Sammler, Kulturschaffende und Mäzene vom 12. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, hrsg. von M. H. Grieb, Bd. 1 (München 2007), S. 807-809. In Johannis Matthiae Gesneri, Biographia Academica Gottingensia, Vol. I, Halae 1768, vgl. auch die Memoria Ioannis David Koelerus, S. 173-200, zu seiner Bibliothek bes. S. 182: unde Bibliotheca ipsius ad speciem mediocris, plena rerum vel utilitate, vel raritate et singulari quadam dote pretiosarum, paullatim collecta est; S. 186: hoc documentum habemus, quod certatim ad illum omnibus ex locis mitterentur gemmae, nummi, libri, membranae, sigilla, notitiae arcanae, pretiosa literarum supellex ... . Er selber veröffentlichte 1728 eine Sylloge Aliqvot Scriptorvm De Bene Ordinanda Et Ornanda Bibliotheca. Stvdio Et Opera Io. Davidis Koeleri P.P. Et Bibliothecarii Altorfini, Francofurti 1728. Mit einem Ex libris aus der Bibliothek von Heinrich Oswald Freiherr von Tschammer und Osten sind in der ehem. Bibliothek Köhlers folgende Handschriften zu finden, die später aus dem Nachlass Köhlers in die Georgia Augusta kamen: Cod. ms. theol. 207 (16. Jh.), vgl. Göttingen 2, S. 428-429; Cod. Ms. hist. 614 (um 1484), mit Exlibris und Nr. 28, vgl. Göttingen 2, S. 183-185. Dieser Band wurde von der Witwe Köhlers im Jahr 1765 erworben (ibid., S. 185). Ein Dokument Fragment hatte Köhler 1741 der Bibliothek geschenkt. Weitere Handschriften wurden aus dem Nachlass Köhlers im Jahr 1771 in Göttingen erworben: Cod. Ms. histor. 101, 130, 132, 138, 524, Cod. Ms. Theol. 63. — Auf dem Fußsteg von fol. 1r ovaler schwarzer Stempel (Abklatsch auf VS): EX BIBLIOTHECA REGIA ACADEM. GEORGIAE AUG., in Benutzung ab 1850. Siehe Bibliotheksstempel, S. 93.

Göttingen 1, S. 35-36. — Aulo Gellio, Le notti attiche. Libro XIII. Capitoli I-XVIII. Introduzione, testo latino, traduzione e note di F. Cavazza, Bologna 1996, S. XIII-XIV, mit Beschreibung der Handschrift, für die Edition verwendet (Sigel D). — S. Scipioni, I codici umanistici di Gellio, Roma 2003 (Filologia medievale e umanistica 1), Nr. 26, S. 56-57.

1r-78v Aulus Gellius: Noctes Atticae. Unvollständig. Codex recentior der Familie δ. ›Aulus Gelius‹. Quoniam longinquis per hiemem … — … nascentur exordia impari. Griechische Passagen fehlen. An einigen Stellen in der Handschrift am äußeren Seitensteg Hinweis auf die zu schreibenden griechischen Texte sichtbar: grece, z. B. fol. 47r, 57v, 58v. Am Rande hat eine spätere Hand mit brauner Tinte gelegentlich die Bucheinteilung verzeichnet. (1r-v) Praefatio. Beginnt mit Paragraph 4. Griechisch ausgelassen mit Ausnahme von Praefatio, Paragraph 12, Zeile 3 (fol. 1r). Edition: Marshall I, S. 1-5. (1v-44v) Libri I-VII. ›Aulus Gellius in capitulo primo‹. Plutarcus in libro quem de Herculi … — … forte auxiliariis incensas sunt. Ohne Capitula. Allerdings kurze einführende Texte vor den einzelnen Kapiteln. Sie differieren im Wortlaut von den überlieferten Capitula. (1v-8r) Liber I. (8r-16v) Liber II. (16v-22v) Liber III. ›Liber tercius‹. (22v-27v) Liber IV. ›Liber quartus‹. (27v-33r) Liber V. ›Liber quintus‹. (33r-40r) Liber VI. Ohne Rubrik. (40r-44v) Liber VII. Die Rubrik lautet irrtümlicherweise Liber sextus. Der Text beginnt mit In homines fecisse dicatur ... (44v) Capitula libri noni. ›Explicit liber sextus [!]. Incipit septimus [!] et primo capitula eiusdem‹. Edition Marshall, I, S. 20-21. Nicht nummeriert, sondern jeweils mit einem roten Paragraphenzeichen beginnend. Am Ende Rubrik: Explicit tabula. (45r-78v) Libri IX-XIV. [Q]uintus Claudius in undevicesimo annali … — … nascentur exordia impari. Endet abrupt fol. 78v mit XIV,1,22. In den Rubriken falsche Bücherzahl angegeben. (45r-49v) Liber IX. Endet mit der Rubrik: ›Auligellii noctium atticarum liber Xmus [!] explicit Incipit liber XImus [!] feliciter Aurelii Romuli‹. (50r) ›Auligellii Noctium Atticarum commentario haec insunt Cecropia noctes ... dedit‹. Edition: Anthologia latina sive poesis latinae supplementum. Pars prior: Carmina in codicibus scripta, rec. A. Riese, Fasc. II, Lipsiae 1906, Nr. 904, S. 341. (50r-v) Capitula libri X. ›Capitula XImi [!] libri‹. Edition Marshall I, S. 21-24. (50v-57v) Liber X. ›Liber undecimus [!]‹ … — … ›Agellii noctium atticarum liber XImus [!] explicit Incipit XIImus [!] feliciter‹. (55v) leer. Wahrscheinlich für den langen Griechischen Abschnitt X,XXII,4-23 vorgesehen. (57v-58r) Capitula libri XI. ›In libro duodecimo [!] hec insunt capitula‹. Edition Marshall I, S. 24-25. (58r-62r) Liber XI. Ohne Rubrik. ›A. Gellii noctium atticarum liber XII [!] explicit. Incipit XIII [!] feliciter‹. (62r-v) Capitula libri XII. ›Terciodecimo [!] commentario haec insunt‹. Edition Marshall I, S. 25-26. (62v-68v) Liber XII. (68v-69r) Capitula libri XIII. ›[Q] uartodecimo [!] commentario haec sunt‹. Edition Marshall I, S. 26-28. (69r-77v) Liber XIII. (77v-78r) Capitula libri XIV. ›[S] extodecimo [!] commentario haec sunt‹. Edition Marshall I, S. 28-29. (78r-v) Liber XIV. (am Ende lückenhaft). (78v) Kolophon des Schreibers: Et sic est finis Aulii Gelii per me Petrum Chappellani famate parrhisiensis achademie artium magistrum Divino michi afflamte [!] neupmate [!]. / PCapellani. Geschrieben auf den letzten drei leer gebliebenen Zeilen der Seite. Nach der Unterschrift am Ende des Kolophons Signet des Schreibers. (79r-v) leer (liniiert). Auf der ersten Zeile von fol. 79v wurden einige Worte ausradiert. Auch mit Hilfe von UV-Licht nicht lesbar. Edition: A. Gellii, Noctes Atticae. Recognovit brevique adnotatione critica instruxit P. K. Marshall. Tomus I. Libri I-X, Oxford 1968; Tomus II. Libri XI-XX, Oxford 1968, mit Erwähnung dieses Codex T. I., S. XVIII. Literatur: F. Cavazza, Un nuovo Gellio: il problema di una nuova edizione e la questione dei codices recentiores (e dei florilegia), in Maia. Rivista quadrimestrale di letterature classiche 51 (1999), 1, S. 47-88, mit Erwähnung dieser Handschrift S. 81.


Abgekürzt zitierte Literatur

ADB Allgemeine deutsche Biographie auf Veranlassung und mit Unterstützung Seiner Majestät des Königs von Bayern Maximilian II. hrsg. durch die Historische Commission bei der Königl. Akademie der Wissenschaften, 2., unveränd. Aufl., Neudr. der 1. Aufl., Leipzig 1875–1912, Berlin 1967–1971
Bibliotheksstempel Bibliotheksstempel. Besitzvermerke von Bibliotheken in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von A. Jammers, Wiesbaden 1998 (Beiträge aus der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz 6)
Göttingen 1 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1)
Göttingen 2 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 2: Universitäts-Bibliothek: Geschichte, Karten, Naturwissenschaften, Theologie, Handschriften aus Lüneburg, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 2)
Manuscrits datés Frankreich Catalogue des manuscrits en écriture latine portant des indications, de date, de lieu ou de copiste, par C. Samaran et R. Marichal, Bd. 1–7, Paris 1959–1985