Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger. (Vorläufige Beschreibung)

Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 4° Cod. Ms. philol. 184-I

Wolfram von Eschenbach

Die beiden größeren Blätter von Fragment Ia (=I,1-2) sind in die Mappe nur eingelegt, die beiden kleineren Stücke von Ib (=I,3-4) sind an zwei Papierstreifen geklebt, über die sie in ein Heftchen eingebunden sind, das aus dem alten Inhaltsverzeichnis der Sammlung, einem Brief sowie Notizblättern gebildet wurde (s. unter Beilagen Ia-f).

Beilagen: Ia: das bereits bei der Beschreibung der übergeordneten Signatur zitierte ältere Inhaltsverzeichnis der Fragmentesammlung, wohl von der Hand ihres Vorbesitzers, E. P. J. Spangenberg. Ib-c: Brief des Georg Friedrich Benecke an den Hofrath Spangenberg; Göttingen, 16. Jun. 1821: Nachdem Spangenberg die offenbar selbst gefundenen Parzival-Fragmente dem Göttinger Philologen und Bibliothekar G. F. Benecke (1762-1844) samt anderen zwecks Identifizierung und Einordnung übersandt hatte, schickte dieser ihm nun den größten Teil derselben retour; Benecke bittet um Mitteilung allfälliger weiterer Fragmente-Funde. I,d: ein Blatt mit Stellen- bzw. Versangaben zu den vier Parzival-Fragmenten; I,f: Papierstreifen (auf Bl. I,e aufgeklebt) mit kurzen Angaben zur Gestalt der Handschrift der Fragmente I,3-4; beigelegt ist überdies ein Bl., auf das die gedruckte Beschreibung von Wilhelm Meyer geklebt ist.

philol-184-Ia

Pergament — 2 Bll. (Fragm.) — ca. 33 × 24,5 cm — mitteldeutsch — 14. Jh. (Anfang)

Pergament. Lagen: Die beiden Blätter stammen aus verschiedenen Lagen. Bleistiftfoliierung (modern): I,1-I,2. Die Bll. sind in der Breite etwas beschnitten, weshalb von 1ra die Versanfänge fehlen (1-2 Buchstaben). Im heutigen Zustand messen beide Bll. ca. 32,5 x 21,5 cm, waren ursprünglich aber wohl ca. 33 x 24,5 cm groß. Schriftraum: 26,3 × 16,8-18,5 cm; zweispaltig, 44 Zeilen, Verse abgesetzt. Sehr regelmäßig und durchaus mit Anspruch von einer Hand geschrieben (Textualis). Keine Rubrizierung, jedoch bei I,2va entlang des Spaltenrands ein Vers in roter Tinte nachgetragen. Die Verszeilen beginnen in der Regel mit Versalien. Textabschnitte durch schlichte, aber von geübter Hand stammende zweizeilige Initialen in Rot und Blau gegliedert (am äußeren Seitenrand klein in schwarzer Tinte vorgeschrieben); "innerhalb der Abschnitte sind einzelne Versanfänge durch Ausrücken der Anfangsbuchstaben hervorgehoben, diese stehen in einer eigenen Kolumne" (Bonath - Lomnitzer Verzeichnis der Fragment-Überlieferung, S. 98).

Herkunft: Die Entstehung der Handschrift dürfte um 1300 bzw. zu Beginn des 14. Jh.s anzusetzen sein; die Schreibsprache ist mitteldeutsch (nach Bonath - Lomnitzer Verzeichnis der Fragment-Überlieferung, S. 98 vermutlich Nordrheinfränkisch nach oberdeutscher Vorlage). — Wie die später hinzugefügten Angaben auf I,1r und I,2r verdeutlichen wurden die beiden Bll. in der Frühen Neuzeit (16. Jh.?) für Einbände von Registerbänden einer Schlüterei zweitverwendet (vgl. Schirok Parzivalrezeption, S. 33). Ob Spangenberg sie auf denselben entdeckte, ist nicht bekannt.

Göttingen 1, S. 44. — Pfeiffer Quellenmaterial, S. 34, Nr. 17. — Hartl Verzeichnis der Handschriften, S. XLVII, Nr. 12 (g). — Schirok Parzivalrezeption S. 33, Nr. 12. — Bonath - Lomnitzer Verzeichnis der Fragment-Überlieferung, S. 98. — Klein Beschreibendes Verzeichnis, S. 947. — Parzival-Projekt (Universität Bern) Handschriftenverzeichnis. — Handschriftencensus.

I,1r-I,2v Wolfram von Eschenbach: Parzival, Fragm. 8 (g). (I,1r-I,1v) Der Text des Fragments setzt auf I,1r ein mit ... [d]az siu im vil kume vntbrast/ [v]nder des gevallen ronen ast ... und endet auf I,1v mit ... Des wart sin pris gemeret/ do er der zar nicht me en sach ... (entspricht Lachmann Wolfram von Eschenbach, 282,17-288,13; bei 282,17-284,2 fehlen die ersten Buchstaben der Verse). Auf I,1r sind zudem am oberen Seitenrand eingetragen: links (mit Bleistift) die Signatur Philol. 1841; mittig die mit Tinte geschriebene Versangabe Parc. 8406; zudem am unteren Seitenrand verkehrt die in größerer frühneuzeitlicher Schrift (16. Jh.?) geschriebene Angabe: Schat Register der Schlueterye vam LVI isten. (I,2r-I,2v) Der Text des Fragments setzt auf I,2r ein mit ... Gieng ouch dar vnden/ mit helmen druf gebunden ... und endet auf I,2v mit ... Er sprach mins herren swager Lot/ von dem was vns nehein not ... (entspricht Lachmann Wolfram von Eschenbach, 669,7-675,8; auf 672,15 folgen 672,21 ff.; zudem ist am Rand vom Rubrikator oder von einer anderen Hand nach 672,21 ein Vers hinzugeschrieben). Auf I,2r am oberen Seitenrand mit Tinte eingetragen die Versangabe Parc. 19990. Am unteren Seitenrand verkehrt die in größerer frühneuzeitlicher Schrift (16. Jh.?) geschriebene Angabe: Driefachtiger Veheschatt in der Schlueterie des LX isten Jars. Der Text dieser Fragmentbll. gehört wohl der Fassung *m des Parzival an; vgl. Parzival-Projekt (Universität Bern). Handschriftenverzeichnis, Fr. 8 (g). Edition: Lachmann Wolfram von Eschenbach; Nellmann Wolfram von Eschenbach, Parzival; Wolfram von Eschenbach Parzival. Allgemein zu Wolfram von Eschenbach und seinem Werk s. Heinzle Wolfram von Eschenbach; HeinzleWolfram von Eschenbach. Ein Handbuch; 2VL 10, Sp. 1376-1418.

philol-184-Ib

Pergament — Stücke von 2 Einzelblättern — ursprüngl. ca. 22,5 × 15 cm — südwestdeutsch (?) — 14. Jh. (1. H.)

Pergament. Beide Fragmentbll. waren zerschnitten und sind deshalb zusammengeklebt aus jeweils zwei Teilen. Schriftraum: ca. 18,5 × 12 cm; zwei Spalten, 42 Zeilen (Tintenlinierung); Verse abgesetzt; die Anfangsbuchstaben dabei etwas herausgerückt in einer eigenen Kolumne. Von einer Hand, in regelmäßiger, leicht rechtsgeneigter Textualis des 14. Jh.s (1. H.) geschrieben. Nicht rubriziert. Allerdings durch schlichte zweizeilige Initialen in Rot gegliedert (mit schwarzer Tinte klein am Rand vorgeschrieben).

Die beiden Bll. sind über angeklebte Papierstreifen innen an das zweite Bl. von I,d angeklebt.

Herkunft: Die Schrift der Fragmente spricht für eine Entstehung in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts; ihre Schreibsprache dürfte auf den südwestdeutschen Raum verweisen. — Wo und wie Spangenberg in den Besitz der Blätter gelangte, ist unbekannt. Allerdings waren sie bei ihrer Entdeckung, wie die auf den verschiedenen Teilen eingetragenen Versangaben anzeigen, wohl so getrennt, dass ihr ursprünglicher Zusammenhang nicht mehr eindeutig zu erkennen war.

Göttingen 1, S. 44. — Pfeiffer Quellenmaterial, S. 35, Nr. 21. — Hartl Verzeichnis der Handschriften, S. LX, Nr. 63 (Gε). — Schirok Parzivalrezeption, S. 51, Nr. 63. — Bonath - Lomnitzer Verzeichnis der Fragment-Überlieferung, S. 131. — Klein Beschreibendes Verzeichnis, S. 954 — Parzival-Projekt (Universität Bern). Handschriftenverzeichnis, Fr. 8 (g). — Handschriftencensus.

I,3r-I,4v Wolfram von Eschenbach: Parzival, Fragm. 43 (Gε). (I,3r-I,3v) Der Text des Fragments enthält auf I,3ra nur die letzten Buchstaben der betreffenden Verse (Lachmann Wolfram von Eschenbach, 753,26-755,6). Auf I,3rb setzt er ein mit ... Vnd von der stat niht riten/ Gramonflanzes her was auch kum[en?] ... und endet ebd. mit ... Gawan kom snellichen nach/ wande er vor Artuse sach ... (entspricht Lachmann Wolfram von Eschenbach, 755,8-756,18); auf I,3va setzt er sich fort mit ... der enpfienc sie da mit freude siten/ sie hetenz harnasch dannoch an ... und endet mit ... nach wibe hulden vmbe daz/ daz einiv lons im niht uergaz ... (entspricht Lachmann Wolfram von Eschenbach, 756,20-757,30); I,3vb enthält nur die ersten 5-7 Buchstaben der betreffenden Verse (ebd., 758,2-759,12). (I,4r-I,4v) Das Fragment ist in der Mappe mit der verkehrten Seite voran eingeklebt. Deshalb beginnt der Text auf I,4r einer späteren Passage als auf I,4v, nämlich mit ... Mit rae[... wipl]ichen siten/ [...] hie niht vermit[en] ... die ebd. endet mit ... Minne vnd kurzewile pflac/ Fierefiz (?) untz an den eilften tac ... (entspricht Lachmann Wolfram von Eschenbach, 819,25-820,18; teilweise fehlen hier die letzten Buchstaben der Verse); auf I,4v fährt der Text weiter fort mit ... [M]an begunde sin christenlichen (?) pflegen ... und endet mit ... [U]nd daz diu frage in lange meit/ [in ist immer mer nu] fragen leit ... (entspricht Lachmann Wolfram von Eschenbach, 818,13-819,6; hier fehlen teilweise die Anfangsbuchstaben). Siehe zum Text der Fragmente auch Bonath - Lomnitzer Verzeichnis der Fragment-Überlieferung, S. 131. Er ist der Fassung *G [*LM] zuzurechnen; vgl. Parzival-Projekt (Universität Bern) Handschriftenverzeichnis, Fr. 43 (Gε). Allgemein zu Wolfram von Eschenbach und seinem Parzival s. die Angaben zur Literatur und zu den Editionen oben bei Fragm. I,a.


Abgekürzt zitierte Literatur

Göttingen 1 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1)
Handschriftencensus Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015