Susanna
Pergament — 2 Bl. (Fragm.) — 15,2 × 11 cm — mitteldeutsch-niederdeutsches Grenzgebiet (Ostfalen?) — 14. Jh., 1. H.
Pergament. Tintenfoliierung (modern): 1-2. Spuren von Insektenfraß. Schriftraum: 11,5-11,8 × 8 cm (so der vorgefertigte Schriftrahmen; tatsächlich beschrieben sind zumeist nur 5-6 cm); einspaltig, je 22 Zeilen; Verse abgesetzt, mit Versalien beginnend. In regelmäßiger Textualis von einer Hand geschrieben. Ausstattung: nicht rubriziert; erster Buchstabe auf 1r und 1v vergrößert (normale Tinte).
Das Doppelbl. ist an einen Papierstreifen angeklebt und darüber in ein Heftchen eingebunden, das aus den alten Umschlägen und den beigefügten Briefen gebildet wurde (s. unter Beilagen).
Beilagen: 0: Blatt mit der Aufschrift Nr. I. Geschichte der Susanna. Abgedruckt im neuen vaterländischen Archive (wohl alter Umschlag des Fragments); III,a: Blatt mit der Aufschrift III. Aus niederdeutschen Gedichten, u.a. (wohl weiterer alter Umschlag, der ehedem mehrere Fragmente umschloss); III,b: Brief von Georg Friedrich Benecke an Spangenberg; 31. März 1823: Ich schicke Ihnen, mein hochgeschätzter Freund, alles zurück, was ich von Ihrer Güte in Händen habe und danke Ihnen auf das verbindlichste für die gefällige Mittheilung ... . Benecke behandelt darin unter Nr. 1 vor allem das vorliegende Fragment, unter Nr. 2-3 das nachfolgende altfranzösische Fragment von 'Amadas et Ydoine' (4° Cod. Ms. philol. 184-IV) und ein mittelhochdeutsches bruchstück; beide alt, saec. XII, beide mir unbekannt, beide merkwürdig. [...] die 2 1/2 deutschen doppelblätter gehören zu einer äußerst netten alten Handschrift. Vielleicht wäre es möglich auch die zweyte Seite zu lesen, wenn man sie abwaschen, und mit Galläpfel-Tinctur überstreichen wollte. Bey dem was man lesen kann liegt die Scene im Orient. (vermutlich handelt es sich um einen Teil der Fragmente des 'Graf Rudolf', d.h. von 4° Cod. Ms. philol. 184-VII, die Spangenberg an Benecke gesandt hatte; dafür spricht auch der Vorschlag zur Verwendung der Galläpfel-Tinktur, da diese Fragmente in der Folge tatsächlich mit Reagenzien behandelt wurden); unter Nr. 4 das Willehalm-Fragment (4° Cod. Ms. philol. 184-V); unter Nr. 5 das Fragment mit Wilhelm von Orlenz und der Goldenen Schmiede (4° Cod. Ms. philol. 184-VI); III,c: Brief von Benecke an Spangenberg (Celle); 11. Nov. 1824: Fehler in Spangenbergs Abdruck des Susanna-Fragments von 1824 betreffend, den dieser Auf Anfordern seines hochverehrten Lehrers, des Herrn Hofraths Benecke in Göttingen, vorgenommen hatte (s. diesbezüglich auch , S. 147-151 – das Zitat hier S. 147 - und , S. VII).
Herkunft: Nach der Schrift dürfte das Fragment in die erste Hälfte des 14. Jh.s einzuordnen sein; die Schreibsprache ("md.-nd. Mischsprache";
9, Sp. 548) verweist dabei entweder auf das Übergangsgebiet vom mitteldeutschen zum niederdeutschen Raum oder auf einen entsprechend beeinflussten Schreiber; ostfälische Elemente legen eine entsprechende räumlicher Verortung nahe. — In der Folge war es offenbar als Spiegel- und Schmutzbl. eines kleinformatigen Buches zweitverwendet (vgl. die Klebespuren auf 2v)., S. 45. — , S. VII. — , S. 147-151. — , S. 15 (mit Abdruck). — S. 22. — , S. 73 (Abdruck) und S. 140. — 9, Sp. 547-548. — , Bd. 2, S. 352 (D34). — (Fritz Loewenthal). — .
1r-2v Susanna. Der Text setzt auf 1r ein mit ... Se wolde sprechen vnde sprach/ daz suffen or de wort vorbrach ... und bricht auf 2v ab mit ... wie sie mit eynander waren,/ Ungherne we daz saghen ... . Es handelt es sich um das Bruchstück einer "um 1300 entstandenen anonymen Bearbeitung der altl. Susanna-Erzählung in md.-nd. Mischsprache" ( 9, Sp. 547), die ostfälische Elemente aufweist und ursprünglich ca. 330 Verse umfasst haben dürfte, von denen das vorliegende Fragment 88 Verse bietet. Es stellt die bislang einzige bekannte Überlieferung dieses Textes dar. Unklar ist, ob es sich dabei um ein eigenständiges Werk handelte oder nur um den Teil eines größeren Werkes. Mit seiner ostfälisch geprägten Mischsprache steht es den Werken Könemanns von Jerxheim nahe, weshalb es "nicht ausgeschlossen" erscheint, dass es sich "um ein Bruchstück der nur fragmentarisch (mit anderen AT-Teilen) überlieferten 'Reimbibel' Könemanns handelt. Die sprachlich-stilistische Nähe zu Könemann und damit zur ostfälischen Dichtung des späten 13. Jh.s steht jedenfalls außer Frage" (ebd.); zu Könemann von Jerxheim s. 5, Sp. 64-68 und L. Wolff (Hg.), Die Dichtungen Könemanns. Kaland, Wurzgarten, Reimbibel, Neumünster 1953 (Niederdeutsche Denkmäler, Bd. 8). Druck: , S. 147-151; , S. 15; , S. 73.
Abgekürzt zitierte Literatur