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Beschreibung von Göttingen, Staats- und Universitätsbibliothek, 8° Cod.Ms. philol. 190
Lukas Wolfinger: In Vorbereitung: Katalog der mittelalterlichen volkssprachigen Handschriften der SUB Göttingen, beschrieben von Lukas Wolfinger.

Berthold von Holle

Pergament — I, 4, I Bl. (Fragm.) — (mehr als) 21 × ca. 20 cm — niederdeutsch — 1. H. 14. Jh.

Lagen: Die beiden Doppelbl. stammen – wie allein schon die identische Schrift und die aufeinanderfolgenden Seitenzahlen (s. unten) belegen – aus derselben Handschrift und bildeten wohl die zwei äußersten Doppelblätter eines Sexternio, der die Bl. 49-60 bzw. die Seiten 97-120 der ursprünglichen Handschrift umfasste. Von diesen sind die acht inneren Bl. (Bl. 51-58 bzw. S. 101-116) zur Gänze verloren, von den ersten beiden Bl. (49-50 bzw. S. 97-100) fehlen jeweils zwei der drei Spalten. Vor der Lage, zu der die beiden Doppelbl. gehörten, fehlen von der ehemaligen Handschrift offenkundig 96 Seiten bzw. 48 Bl., was bei einer durchgehenden Verwendung von Sexterniones vier Lagen entspräche. Bertholds Gedicht 'Crane' begann also vermutlich mit dem ersten Blatt der 5. Lage und endete wohl in der 6. Lage. Von Teilen letzterer entdeckte Kurt Hans Staub Leimabklatsche im vorderen und hinteren Buchspiegel einer Inkunabel des Gutenberg Museums in Mainz (Sign: StB-Ink. 1331; Abbildungen dieser Mainzer Überreste sowie der Göttinger Fragmente bietet nun der Handschriftencensus); Klaus Klein konnte sie als zu den Göttinger Fragmenten gehörend identifizieren. Nach dessen dankenswerter Auskunft dürften die entsprechenden Fragmente – zwei Doppelblätter, von denen sich jeweils eine (Doppel)Seite (1r/2v) als Leimabklatsch erhalten hat – so wie eine Reihe anderer deutschsprachiger Stücke in der Mainzer Stadtbibliothek bereits im 19. Jh. aus dem Band ausgelöst worden sein, vermutlich von Franz Josef Bodmann (1754-1820) oder Gotthelf Fischer von Waldheim (1771-1853), die beide in der ersten Hälfte des 19. Jhs. in Mainz tätig waren. Seit damals sind die Mainzer Fragmente verschollen. Die Leimabklatsche sind nur partiell lesbar und im Bereich des Bundsteges teilweise mit neuerem Papier überklebt. Wie viele weitere Bl. im Anschluss an den Text des Crane noch folgten, lässt sich bislang nicht abschätzen. Bartsch Berthold von Holle, S. XIX vermutet, dass die Handschrift insgesamt eine größere Sammlung der Werke Bertholds von Holle enthielt und dass sich auf den vier Lagen vor den Fragmenten dessen andere beiden bekannten Gedichte, 'Demantin' und 'Darifant', befanden, da die vier Lagen zu Beginn der Handschrift gut für den Umfang dieser Texte gepasst hätten. Die Göttinger Fragmente tragen Bleistiftfoliierung (modern): 1-4; zudem oben mittig ma. Paginierung in roter Tinte und mit römischen Zahlzeichen (abgeschnitten auf 1r-2v; erhalten hingegen auf 3r-4v: cxvii-cxx). Die beiden Doppelbl., die nach der Makulierung der Handschrift einem anderen Buch als VS und HS dienten, sind wohl an allen vier Seiten beschnitten (die beiden Fragmente messen jeweils rund 21 x 28 cm); die ursprünglichen Maße der Blätter bzw. des Buchblocks sind demnach nur grob zu erschließen. Schriftraum: > 19,5 × 16-16,5 cm; dreispaltig; ursprünglich 46 Zeilen, die letzte Zeile in mehreren Fällen weggeschnitten; von einer Hand relativ sorgfältig in Textualis geschrieben. Die Fragmente sind durchgehend rubriziert, speziell die ersten Buchstaben jeder Zeile; Versalien oder Lombarden in Rot (1-zeilig) sowie auf 1r eine 3-zeilige Initiale in Rot mit Fleuronnée im Binnenfeld; die einzelnen Verse abgesetzt.

Schlichter moderner Pappeinband; im 19. Jh. neu für die beiden Fragment-Doppelbl. angefertigt, die entsprechend ihrer ursprünglichen Abfolge neu eingebunden wurden; auf dem VD aufgeklebt ein Papierschildchen mit der modernen Göttinger Signatur Cod. Ms. philol. 190, die mit Bleistift auch auf dem VS noch einmal eingetragen ist; ebd. auch aufgeklebt das Formular Auch als Mikroform vorhanden unter Sign.: mit dem maschinenschriftlichen Eintrag MF/8° Cod. Ms. philol. 190 sowie - darunter - die Beschreibung von W. Meyer. Auf dem Rücken zudem Reste einer Titelaufschrift (unlesbar).

Herkunft: Die Handschrift, aus der die beiden Doppelbl. stammen, dürfte in der ersten Hälfte des 14. Jhs. entstanden sein, und zwar, wie bereits die Schreibsprache vermuten lässt, im niederdeutschen Raum. — Genauere Angaben dazu, aus welchem Trägerband die Blätter stammen, fehlen zwar, doch deuten wenigstens zwei Indizien auf eine Herkunft dieses Bandes (oder auch nur seines Einbandes) aus dem kölnisch-niederrheinischen Raum: zum einen der bereits von Wilhelm Müller erwähnte Umstand, dass die beiden Blätter aus den Innendeckeln eines Buches stammen, das 1803 auf einer versteigerung in Cölln erstanden wurde; zwar gab der noch auf der bibliothek vorhandene auctionscatalog [...] keine Auskunft woher die damals verkauften bücher stammten (Müller Crane, S. 57 und S. 58), doch erschiene eine Herkunft aus Köln oder seinem Umfeld durchaus nicht abwegig. Für eine Herkunft aus dem kölnisch-niederrheinischen Raum spricht zum anderen auch die Geschichte der Mainzer Crane-Fragmente bzw. ihres Trägerbandes. Zwar gehörte die StB-Ink. 1331 (H: 38,6 cm; B: 26,7 cm) spätestens im 17. Jh., aber wohl auch schon zu Beginn des 16. Jhs. zur Bibliothek der Dominikaner in Frankfurt (vgl. dazu folgende Besitzvermerke bzw. Reste davon: parallel zum Falz - unter UV-Licht lesbar: Sum Bibliothecae Fratrum Praedicatorum Conventus Francofurtensis/Anno 1694; am Kopf kaum leserlich der Eintrag Conventus ...; rechts über dem Druckersignet steht zudem ... Fra...[Rest überklebt]; zudem mit schwarzer Tinte Ao 1508. Martii XXXI; freundliche Mitteilung von Dr. Cornelia Schneider/Gutenberg-Museum Mainz). Der spätmittelalterliche Einband dieser Inkunabel lässt sich jedoch anhand der verwendeten Stempel (1.: offen, Granatapfel mit vier gefiederten Hüllblättern; EBDB s017529; 2.: Laubstab; EBDB r001041) der Einbandwerkstatt 'Zu Wedinghausen Granat' zuweisen (EBDB w002515; gleichfalls Mitteilung von Dr. C. Schneider/Mainz), die in der 2. Hälfte des 15. Jhs. wohl im heutigen Nordrhein-Westfalen tätig war. Demnach liegt die Annahme nahe, dass die Göttinger und Mainzer Fragmente in dieser Werkstatt getrennt wurden bzw. dass die Handschrift, zu der sie gehörten, dort makuliert wurde und aus dem Umfeld dieser Werkstatt stammte. Für die UB der Georgia Augusta wurden die Göttinger Fragmente - wie zuvor erwähnt - 1803 auf einer Kölner Auktion erworben.

Göttingen 1, S. 48 — Müller Crane. — Bartsch Berthold von Holle, S. XVII-XIX. — Malsen-Tilborch Repräsentation, S. 6. — Handschriftencensus.

1r-2v: an 1r vorne angeklebt der Nutzerbogen der SUB; Berthold von Holle: Crane. ›hir beginnet Crane‹. Vuar truwe sich behuset/ hat de tzucht dan bi der tat/ Dytmůt vnde barmicheyt/ helphet den milden tragen ir cleyt … — … He ir warf hir de konigin/ als ich zo uch komen bin/ So sult ir se zo vrowen han. Ed.: Der Text der Göttinger Blätter ist ediert bei Müller Crane, S. 66-95; zudem siehe die entsprechenden Passagen in der Edition des Gedichts bei Bartsch Berthold von Holle, S. 19-188, d. h. V. 1-45 (=1r), V. 47-92 (=1v), V. 93-137 (=2r), V. 138-183 (=2v), V. 1970-2520 (=3r-4v). Der Text der Mainzer Fragmente bzw. Abklatsche folgt im Crane relativ bald nach jenem der Göttinger Stücke. Die beiden Doppelblätter, von denen die Leimabklatsche stammen, müssen in der vollständigen Hs. als Teil der 6. Lage unmittelbar ineinander gelegen und ca. die Verse 3066-4726 der Ausgabe von Bartsch umfasst haben; davon haben sich – wenigstens partiell – als Leimabklatsch erhalten: V. 3066-ca. 3203, ca. V. 3342-3477; das innerste Doppelblatt der Lage mit ca. V. 3616-4172 war nicht Teil des Einbandes der Mainzer StB-Ink. 1331; dann folgen ca. V. 4311-4444 und V. 4583-ca. 4726. Lit.: allgemein zu Berthold von Holle, seinem Werk bzw. auch dem Gedicht Crane siehe etwa 2VL, Bd. 1, Sp. 813-816; AltenhöferArt. Berthold von Holle, Sp. 665-667.


Abgekürzt zitierte Literatur

EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Göttingen 1 Die Handschriften in Göttingen, Bd. 1: Universitäts-Bibliothek: Philologie, Literärgeschichte, Philosophie, Jurisprudenz, beschrieben von W. Meyer, Berlin 1893 (Verzeichniss der Handschriften im Preussischen Staate, Abt. 1: Hannover. Bd. 1: Die Handschriften in Göttingen 1)
Handschriftencensus Handschriftencensus. Eine Bestandsaufnahme der handschriftlichen Überlieferung deutschsprachiger Texte des Mittelalters. Online-Datenbank: https://handschriftencensus.de/
2VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1–12, hrsg. von K. Ruh u. a., 2., völlig neu bearbeitete Aufl., Berlin, New York 1978–2005, Ergänzungsbde.: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Bd. 1–3, hrsg. von F. J. Worstbrock, Berlin, New York 2005–2015

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der abendländischen mittelalterlichen Handschriften der SUB Göttingen Volkssprachige Handschriften.
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