Die mittelalterlichen Helmstedter Handschriften der Herzog August Bibliothek. Teil II: Cod. Guelf. 277 bis 370 Helmst. Mit einem Anhang: Die mittelalterlichen Handschriften und Fragmente der Ehemaligen Universitätsbibliothek Helmstedt, beschrieben von Bertram Lesser (im Erscheinen).
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung (Vorläufige Beschreibung)

Helmstedt, Ehemalige Universitätsbibliothek, Pgt. Frgm. 3

Antiphonale. Breviarium

Pergament — 3 Bl. — Norddeutschland und Trier, Diözese (?) — 13. und 14. Jh.

Die aus einem Sammelband abgelösten Fragmente stammen aus zwei verschiedenen Codices.

Herkunft: Die spätestens zu Beginn des 17. Jh. aus dem ursprünglichen Überlieferungsverbund gelösten Fragmente dienten als Einband bzw. -hinterklebung für die theologischen Dissertationensammlung J 672.4° der Universitätsbibliothek Helmstedt mit den Einzeldrucken: VD17 3:316700F, 12:160996G, 3:316718Y und 3:316741Q, beschrieben im Katalog HAB, BA III, 84, p. 418, sämtlich erschienen 1610/1611. Laut dem Besitzvermerk auf dem Vorsatz des ersten Teils erwarb den Sammelband 1640 ein gewisser Esaias Schumacher aus Alfeld (Leine), über den nichts Näheres bekannt ist: Const. 6 Thaler [...] Me sibi comparavit Esaias Schumacher Alfeldensis Anno 1640. — Der Band könnte über einen seiner Verwandten, vielleicht über den 1656 an der Academia Julia immatrikulierten Conrad Caspar Schumacher (Matrikel Helmstedt 2, 114 Nr. 140.22), später Respondent an der Universität Gießen, in die Universitätsbibliothek Helmstedt gelangt sein, nachweisbar ist dies jedoch nicht. Der Sammelband befindet sich wie das Fragment bis heute in der Ehemaligen Unversitätsbibliothek Helmstedt.

3a

Pergament — 1 Bl. — 42 × 25–25,5 cm — Trier, Diözese (?) — 14. Jh.

Das Bl. ist für die Verwendung als Umschlag gefaltet und an den Ecken schräg beschnitten, an der Außenseite angeschmutzt, in der Blattmitte (ehemaliger Rückenüberzug) ist der Text verwischt. Geringer Textverlust durch kleinere Löcher und Risse. Schriftraum: 30 × 20 cm, einspaltig, 10 Zeilen. Regelmäßige, sorgfältige Textualis von einer Hand. Über jeder Textzeile ein Notensystem aus fünf Notenlinien, f-Linie rot, mit c-Schlüssel und gotischer Choralnotation. Rubriziert. Am Beginn der einzelnen Gesänge kunstvoll mit filigranen Eichenblattmotiven und Laubranken verzierte cadellenartige Satzmajuskeln. Abwechselnd rote und blaue Fleuronnéeinitialen mit Knospen- und konturbegleitendem Fleuronnée in der Gegenfarbe.

Herkunft: Nach Ausweis der paläographischen Merkmale, der Ausstattung und des Inhalts dürfte der Codex, dem das Fragment entnommen wurde, im 14. Jh. in der Diözese Trier entstanden sein; eine genauere Lokalisierung ist aufgrund des erhaltenen Materials nicht möglich.

1r–v Antiphonale (Proprium de tempore). Das Fragment enthält zunächst die Antiphonen CAO 3702 und 2728 in dominica Resurrectionis domini sowie anschließend die zur Visitatio selpulchri gehörenden Stücke CAO 8455 mit 8455a und 8455b mit den Antiphonen CAO 5352, 1813, 2717, 5079 und 5080. Am Schluss die Rubrik ›Laudes antiphona‹, danach bricht der Text ab. Die Abfolge der Texte zur Visitatio sepulchri entspricht der bei Lipphardt Osterfeiern 2, 467f. Nr. 348 gebotenen Fassung, die für den Trierer Dom bestimmt war.

3b

Pergament — 1 Bl. — 41 × 4,5 cm — Norddeutschland — 13. Jh., 2. Hälfte

Die beiden erhaltenen Streifen bildeten den äußeren und einen mittleren Teil eines ursprünglich zweispaltig beschriebenen Blattes. Zwischen beiden fehlt ein schmales Stück. Leimspuren. Schriftraum: 31 × 4,5 cm, ursprünglich zweispaltig (beschnitten, originale Spaltenbreite nicht mehr zu ermitteln), noch 40 Zeilen. Frühe Textualis von einer Hand. In den kleiner geschriebenen Gesangsteilen über jeder Textzeile ein Notensystem aus vier Notenlinien, f-Linie rot, c-Schlüssel. Diastematische deutsche Neumen, Epoche III (vgl. Stäblein, 194f. mit Abb. 67). Rubriziert, rote Lombarden und schlichte rote Initialmajuskeln in Unzialform über max. 4 Zeilen.

Herkunft: Nach Ausweis der paläographischen Merkmale, der Ausstattung und des Inhalts dürfte der Codex, aus dem das Fragment stammt, in der zweiten Hälfte des 13. Jh. im norddeutschen Raum entstanden sein; eine genauere Lokalisierung ist anhand des erhaltenen Materials nicht möglich.

1r–2v Breviarium (Proprium de sanctis). Der durch den Beschnitt fragmentierte Text enthält, soweit noch identifizierbar, folgende Hymnen, Antiphonen, Responsorien, Kollekten und Lesungen (die korrekte Textreihenfolge der Fragmente ist 1r mit 2r sowie 2v mit 1v): Hymnus AH 50 Nr. 53 Str. 1–4 und ›AntiphonaCAO 2997 in festo annuntiationis BMV (25.03). Anschließend: ›De sanctis infra pasca‹ mit der vorangestellten Collecta Deshusses 460 zu ›Tyburcii et [Valeriani]‹ (14.04.), der Magnificatantiphon CAO 2877, der Collecta Deshusses 463 und mit einer weiteren, mit der Formel Da nobis … intercedente pro nobis … martire tuo Adelberto (23.04.) beginnenden Collecta. Es folgen das Invitatorium CAO 1137 mit Psalmvers und die Lesungen in III nocturno aus Aurelius Augustinus: In Johannis evangelium tractatus 84,1 (Plenitudinem dilectionis qua nos invicem … animas pro fratribus tenere, Druck: CC SL 36, 536f.). Erhalten sind die ersten beiden Lesungen mit den zugehörigen Responsorien und Versikeln: CAO 7429 mit 7429a sowie CAO 7782 mit 7782a.


Abgekürzt zitierte Literatur

AH Analecta hymnica medii aevi, hrsg. von G. M. Dreves und C. Blume, Bd. 1–55, Leipzig 1886–1922, Registerbd. 1–3, hrsg. von M. Lütolf, Bern u. a. 1978
CAO R.-J. Hesbert, Corpus antiphonalium officii, Bd. 1–6, Rom 1963–1979 (Rerum ecclesiasticarum documenta. Series maior 7–12)
CC SL Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 1–, Turnhout 1954–
Deshusses J. Deshusses, Le sacramentaire Grégorien. Ses principales formes d'après les plus anciens manuscrits, Bd. 1–3, Fribourg 1971–1982 (Spicilegium Friburgense 16, 24, 28)
Lipphardt Osterfeiern W. Lipphardt, Lateinische Osterfeiern und Osterspiele, Bd. 1–9, Berlin, New York, 1975–1990 (Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts. Reihe Drama 5/1–9)
Matrikel Helmstedt 2 Die Matrikel der Universität Helmstedt, Bd. 2: 1636–1685, bearbeitet von W. Hillebrand, Hildesheim 1981 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 9/1,2)
Stäblein B. Stäblein, Schriftbild der einstimmigen Musik, Leipzig 1975 (Musikgeschichte in Bildern 3)
VD17 Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVII. Jahrhunderts, Online-Ressource: http://gso.gbv.de/DB=1.28/LNG=DU/SRT=RLV/IMPLAND=Y/