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Beschreibung der Handschrift Lübeck, Stadtbibliothek, Ms. theol. lat. 2° 23
Die mittelalterlichen Handschriften der Stadtbibliothek Lübeck, beschrieben von Kerstin Schnabel (in Bearbeitung)
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Digitalisierung und Erschließung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung

Officium in festum praesentationis Mariae

Pergament — 22 Bl. — 43 × 30 cm — Hamburg — 15. Jh., 4. Viertel

Lagen: 2 IV (16). III (22). Die zweite Lage mit Bogenzählung 1–4 sowie mit Reklamant. Bleistiftfoliierung 1–22. Bl. 2 oberer rechter Teil schräg abgerissen, das Blatt 42,5–7,2 cm hoch und 19–30 cm breit. Schriftraum: 30 × 19 cm. Bei ganzseitiger Notation zehn Textzeilen mit Notensystemen, ansonsten maximal 29 Textzeilen. Hauptsächlich von einer Hand in Textualis geschrieben. Eine zweite Hand auf Bl. 22v in Textualis. Hier sowie 22r weitere Hände in Bastarda in der Rubrik und in Randbemerkungen. Über jeder Textzeile ein Notensystem aus vier schwarzen Notenlinien mit c- und f-Schlüssel, gotische Choralnotation. Bl. 1r S-Initiale über zwei Textzeilen/Notensysteme mit blauem Buchstabenkörper, Binnenraum- und Feldfüllung mit Ranken und Blattwerk in roter Federzeichnung. Alternierend rote und blaue Lombarden über eine oder zwei Zeilen. Schwarze Cadellen mit Blatt- und Rankendekor. Rote Rubriken. Rubriziert.

Spätgotischer Holzdeckeleinband mit rotem Halblederüberzug, teilweise abgerieben und zerkratzt. Streicheisenlinien. Einzelstempel der Werkstatt "Ms. theol. lat. 2° 23, Hamburg" (EBDB w008090): Ornamente, geometrische Punkte: EBDB s038202. Ranke: EBDB s038192. Fabelwesen: EBDB s038194. Vogel: EBDB s038199. Schrift: EBDB s038198. Sonne: EBDB s038200 wohl eher Wappen, Nesselblatt. Auf dem VD Löcher, rautenförmige Abdrücke und Stifte von zwei Dornlagern, auf dem HD die Gegenbleche. Vier Doppelbünde, oben und unten einfache Kapitalbünde. Leder am Rücken gebrochen.

Herkunft: Auf dem vorderen Spiegelblatt der Eintrag in Bastarda Magister Johannes Hane huius ecclesie canonicus lector hunc librum dedit ad pulmentum [!] domini decani pro cantanda presenti historia ad laudem presentationis virginis gloriose. Qui et ipse ad iussionem venerabilis capituli Hamborgensis presentem historiam compilavit. Darunter eine Transkription des Textes mit Fehler im Namen Johannes Hauc. Der Verfasser Johannes Hane verstarb 1492. Zu ihm (RAG-ID: ngBR6E678BT40qxPvAUq6Znu) https://resource.database.rag-online.org/ngBR6E678BT40qxPvAUq6Znu, 27.10.2020. GW https://gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/HANEJOH.htm. B. Vonderlage, Das hamburgische Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung bis zur Einführung der Reformation, Hamburg 1924, Nr. 109. Schnabel, 207, 480. Im Kontext der Marienverehrung in Hamburg entstand auch Hamburg, SUB, ND VI 471, siehe dazu Das Hamburger Antiphonar ND VI 471. Ein wiederentdecktes Musikdenkmal des 15. Jahrhunderts aus dem Hamburger Dom. Einführung, Edition und Faksimile, bearbeitet von V. Kartsovnik und J. Neubacher, Wiesbaden 2010 (Publikationen der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky 4), mit Erwähnung dieser Hs. auf S. 20. Das Fest der Praesentatio Mariae wurde erst 1472 von Papst Sixtus IV. eingeführt und fand am 21. November statt. Für die Entstehung des Offiziums kommt daher die Zeitspanne von etwa 1472 bis 1492 in Betracht. Für die Entstehung des Bandes dürfte das ebenfalls gelten. — Die Handschrifte gehörte zur Hamburger Dombibliothek, die 1784 versteigert wurde. Im Auktionskatalog erwähnt S. 1 Nr. 5: Missale, in Membranis, Folia 22. Die Blattzahl Fol. 22 in brauner Tinte auf dem VS aus der Zeit der Versteigerung. Unter dieser Signatur in der AH zitiert, siehe unten. Die Hand auch auf dem ehemaligen VS im erwähnten Hamburger Antiphonar, vgl. H.-W. Stork, "Hir hefft an dat Landrecht aver Ditmarschen." Neue Fragmente des gedruckten Dithmarscher Landrechts (Lübeck: Steffen Arndes, 1487/88), in: Gutenberg-Jahrbuch 86 (2011), 85–100, hier Abb. 2. Zur Versteigerung der Bibliothek H.-W. Stork, Hamburger Buchauktionen im 18. Jahrhundert, in: Hamburg. Eine Metropolregion zwischen Früher Neuzeit und Aufklärung, hrsg. von J. A. Steiger und S. Richter, Berlin 2012, 263–290, hier 271–273 sowie Abb. 10. Der Lübecker Senator Friedrich Matthias Jacobus Claudius (1789 in Wandsbek–1862 in Lübeck) übergab 1855 die Handschrift der Stadtbibliothek. Verzeichnet in Ms. Lub. 4° 282a, 583 (Album aeternitatis). Weber Catalogus, 24. Zum Vorbesitzer E. F. Fehling, Lübeckische Ratslinie von den Anfängen der Stadt bis auf die Gegenwart, Lübeck 1925, unveränderter Nachdruck 1978 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck 7, Heft 1), Nr. 983. — Zusammen mit anderen Handschriften der Stadtbibliothek wurde der Band 1944 kriegsbedingt in ein Salzbergwerk bei Bernburg/Saale ausgelagert und nach Kriegsende in die UdSSR transportiert. 1992 wurde er in einem Auktionskatalog bei Christie's angeboten und von der Stadtbibliothek Lübeck aufgrund der Übereinstimmung zur Beschreibung von Weber Catalogus, 23–25, für 1341 Pfund Sterling (1200 Pfund Sterling zzgl. Nebenkosten) außerhalb der Auktion erworben. Da der anonyme Anbieter die Handschrift gutgläubig in Unwissenheit über ihre Herkunft als Kriegsbeute erworben hatte, sollte dieser Betrag lediglich seine Unkosten decken. Die Kopie eines Faxes vom 23. November 1992 an die Stadtbibliothek mit dem entsprechenden Auszug aus dem Auktionskatalog liegt der Hs. bei. Unterlagen über den Vorgang des Erwerbs samt Pressematerial in den Akten der Stadtbibliothek. Alte Signaturen auf dem Vorderspiegel: 455 mit blauem Buntstift und 19 mit Bleistift. Ohne Stempel der Stadtbibliothek Lübeck.

Weber Catalogus, 23–25. — Stiehl, 4 Nr. 22. — Stahl, 8. — J. Fligge, Rückblick auf die Verhandlungen über die „kriegsbedingt verlagerten“ Lübecker Bibliotheksbestände und die erfolgten Rückgaben aus der UdSSR, Georgien und Armenien in den Jahren 1087–1998, in: Zeitschrift für Lübeckische Geschichte 91 (2011), 281–303, hier 284. — J. Fligge, Die Rückgaben von kriegsbedingten verlagertem Kulturgut, in: West-östliche Bande. Erinnerungen an interdeutsche Bibliothekskontakte, hrsg. von G. Ruppelt. Mit einem Exkurs von J. Fligge (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderbd. 103), Frankfurt/Main 2011, 175. — S. Engels, Liturgische Handschriften des späten Mittelalters in Hamburg, in: Beiträge zur Musikgeschichte Hamburgs vom Mittelalter bis in die Neuzeit, hrsg. von H. J. Marx, Frankfurt/Main 2001 (Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 18), 31–69, hier 36, 52–54, 65f. mit Abb. 10 und 11, 68. — Die Musik Hamburgs im Zeitalter Seb. Bachs. Ausstellung anläßlich des neunten deutschen Bachfestes zu Hamburg, 3.–7. Juni 1921, zusammengestellt von G. Wahl, Hamburg 1921, 45 Nr. 455. — H. Leichsenring, Hamburgische Kirchenmusik im Reformationszeitalter. Mit Nachw. und Bibliogr. hrsg. von J. T. Kite-Powell, Hamburg 1982 (Hamburger Beiträge zur Musikwissenschaft 20), 12. — Goncharova Tallin, VIII. — Digitalisat: https://digital-stadtbibliothek.luebeck.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:gbv:48-1-1593181

1r–22r Johannes Hane: Officium in festum praesentationis Mariae. Umfasst das gesamte Offizium für den 21. November und die Lektionen für die Oktav, jedoch nicht für den zweiten und fünften Folgetag, an denen Caecilia und Katharina verehrt wurden, die beide in Hamburg einen hohen Festgrad hatten. Beide Stücke der Hs. auch in Hamburg, SUB, Cod. Petri 62, 81r–88v (Hamburg 4, 136, siehe auch S. 7.) (1r–9r) Salve deo preamanda oblata voluntarie … — … mereamur semper mundi perhenni frui gloria. AH 5 Nr. 16 (nach dieser Hs.). Mit Capitula, Collectae und Lectiones. (1v) Hymnus ad vesperas. Fac diem festum … AH 11 Nr. 65 (nach dieser Hs.). (2r) Ad completorium hymnus. Eterni patris filium conceptura carnaliter … AH 11 Nr. 66 (nach dieser Hs.). Monumenta monodica medii aevi, Bd. 1: Hymnen 1: Die mittelalterlichen Hymnenmelodien des Abendlandes, hrsg. von B. Stäblein, Kassel 1956, 306f. Nr. 557 (nach dieser Hs.), 693 (Hs. erw.). (3r–8r) Lectiones. Lectio prima. Festum hodiernum patres colendissimi quod presentationis beate Marie virginis nomen accipit … — … quando in templum domini se presentans se in ancillam domino totam obtulit. Neun Lektionen. (9r–v) In die sancto ad missam. (9v–11r) Sequencia in die sancto cantanda. Nachgetragen … et in octava. Salve regina pia virgo divina gratia fecunda … AH 10 Nr. 82 (nach dieser Hs.). (11r–v) Sequitur sequentia cantanda diebus feriatis. Ave lucis fundamentum fidei positio … AH 9 Nr. 61 (nach dieser Hs.). (11v–13v) Lectiones tercie diei quia secunda die peragitur Cecilie virginis. Quindecim istis virtutibus quibus beatissima virginum in templum domini se presentans ascensisse non dubitatur … — … et divinis instinctibus agitate. Tu autem. (13v–15r) Lectiones quarte diei. Quarta huius virginis prerogativa specialis est dominatio … — … per ave veritatis et intelligencie. (15r–17r) Lectiones sexte diei quia quinta die est festum beate Katherine. Lectio prima. Septima prerogativa virginis cuius festum agimus est consummacio et perfectio ultimata omnis creature … — … et puritas angelorum. (17r–19r) Lectiones sequuntur diei septime. Lectio prima. Huius beatissime virginis prerogativa decima perfectionis vocatur incomprehensibilitas … — … et experiencia dulcis. Tu autem. (19r–21v) Sequuntur lectiones octave diei. Lectio prima. Ultime due prerogative sunt quia ipsa beata virgo propter sui excellentissimam unionem cum domino ab omnibus sanctis pre omnibus creatis amata existit et honorata … — … secundum verbum tuum. Tu autem domine. Jeweils neun Lektionen. (21v–22r) Notae ad festum. Sequitur ordo servandi festum hoc ut prenotatum est superius. Nota festum presentationis virginis gloriose pro summo festo peragitur tercia die Elizabeth super ista sillabia …

22v Hymnus de conceptione BMV. De conceptione beate virginis cantabitur ympnus iste. Concentu parili virgo cantabimus … AH 12 Nr. 81 (nach dieser Hs.). Nur die erste Strophe notiert.


Abgekürzt zitierte Literatur

AH Analecta hymnica medii aevi, hrsg. von G. M. Dreves und C. Blume, Bd. 1–55, Leipzig 1886–1922, Registerbd. 1–3, hrsg. von M. Lütolf, Bern u. a. 1978
EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Goncharova Tallin Tallin, Eesti Ajaloomuuseum (Tallin, Historical Museum), MS 237.1.228a (XIX.184; 24075), hrsg. von V. Goncharova, Ottawa 2008 (Veröffentlichungen mittelalterlicher Musikhandschriften 35)
GW Gesamtkatalog der Wiegendrucke, Bd. 1–, Leipzig 1925–1938, Stuttgart 1978–
Hamburg 4 Die Handschriften der S. Petri-Kirche Hamburg, beschrieben von T. Brandis. Die Handschriften der S. Jacobi-Kirche Hamburg, beschrieben von H. Maehler, Hamburg 1967 (Kataloge der Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg 4)
Schnabel K. Schnabel, "Liber sanctae Mariae virginis in Bordesholm …" Geschichte einer holsteinischen Stiftsbibliothek, Wiesbaden 2014 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 33)
Stahl W. Stahl, Die Musik-Abteilung der Lübecker Stadtbibliothek in ihren ältesten Beständen. Noten und Bücher aus der Zeit vom 12. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, Lübeck 1931 (Veröffentlichungen der Stadtbibliothek der Freien und Hansestadt Lübeck 4,2)
Stiehl C. Stiehl, Katalog der Musik-Sammlung auf der Stadtbibliothek zu Lübeck, in: Einladung zu den auf den … angeordneten öffentlichen Prüfungen und Redeübungen der Schüler des Katharineums in Lübeck, Lübeck 1893, 1–60
Weber Catalogus F. Weber, Catalogus codicum manuscriptorum theologicorum latinorum necnon philosophicorum quos asservat bibliotheca urbica Lubicensis, Lübeck 1934–1936 (Manuscript)

Beschreibung erstellt im Rahmen des Projektes Katalogisierung der mittelalterlichen Handschriften in der Stadtbibliothek Lübeck.
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