Die Bordesholmer Handschriften der Universitätsbibliothek Kiel, beschrieben von Kerstin Schnabel. Wolfenbüttel 2020
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Programms Erschließung und Digitalisierung handschriftlicher und gedruckter Überlieferung (Vorläufige Beschreibung)

Kiel, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsbibliothek, Cod. ms. Bord. 107

Hugutio Pisanus

Papier — 295 Bl. — 31,7 × 21,5 cm — Hamburg (?) — nach 1438 / nach 1464

Wasserzeichen: Mensch, Figur, Frau mit Kreuz: Piccard-Online 21251 (1437), Piccard-Online 21247 (1438, beide auch in Cod. ms. Bord. 41, Teil II, und 59), Piccard-Online 21239 (1437), WZIS DE8100-CodTheol272_999d (1435–1437, ebenfalls in Cod. ms. Bord. 59). Ochsenkopf mit Augen, Nase und weiteren Gesichtsmerkmalen, darüber einkonturiger Stern: Piccard-Online 80069, Piccard-Online 80074 (beide 1464). Lagen: VI–1 (11). 23 VI (286)! IV (294). Lagenzählung von 2–24 auf dem Kopfsteg. Bogenzählung 2.–4. und letzte Lage. Bleistiftfoliierung von zwei Händen. Zählfehler: 199 doppelt. Schriftraum: 25–26,5 × 13–14 cm. 52–56 Zeilen. Zwei Spalten mit einer jeweiligen Breite von 6,5–7 cm. 281v–283v und 287r–294r mit 4 Spalten, Breite 4–4,5 cm. Eine Haupthand, Ergänzung und Nachbearbeitung von späteren Schreibern. Haupthand: späte gotische Kursive. Die Register 281va–294rd in einer Bastarda von einer späteren Hand. Die Lemmata am Rand zunächst vereinzelt, ab 109v durchgängig von der Hand des Bordesholmer Chorherrn Johannes Meyer, ebenso einige wenige kurze Anmerkungen. Initialen über zwölf Zeilen am Beginn eines neuen Buchstabens im Alphabet mit Schaftaussparungen in Form von Banderolen und Dreipässen oder mit Schuppenmuster gefüllt. Rote Lombarden über vier Zeilen.

Spätgotischer Holzdeckeleinband mit ehemals weißem Lederbezug. Streicheisenlinien. Einzelstempel der Werkstatt "Bordesholm Hauptwerkstatt" (EBDB w002064): Agnus Dei mit Kelch: EBDB s031987. Blatt: EBDB s009643. Blüte, Kreuzblüte: EBDB s032013. Hahn: EBDB s009637. Lilie, Doppellilie: EBDB s032017. Maria, Madonna mit Kind: EBDB s009642. Maria, Verkündigung: EBDB s009641. Rosette mit einem Blattkranz: EBDB s031981. Rosette mit zwei Blattkränzen: EBDB s031985. Auf dem VD Abdrücke und Reste von Signatur- und Titelschildern aus Papier. Signaturschild aus dem frühen 17. Jh., 5,2 × 6 cm, Aufschrift nur rudimentär lesbar … Quarti … er II. Am oberen Rand des HD vier Löcher von der Befestigung der entfernten Kettenöse, darüber ein Kantenbeschlag. Löcher von 2 x 4 Schonernägeln auf dem VD und HD. 2 x 4 Eckbeschläge. Fünf Doppelbünde, an Kopf und Schwanz einfacher Kapitalbund. Zwei Riemenschließen mit Fensterlager. Schließenhaken unten, oben nur Lederband. Restauriert. Bl. 1r mit dem ehemals losen Vorsatz überklebt und mit Signatur und Hinweis auf den Autor beschrieben (18. Jh.). Beklebung teilweise wieder abgelöst und eingerissen.

VD und HD: Schriftabklatsch, nur teilweise lesbar. Textualis. 14. Jh. VD: Mittlerer Teil eines Doppelblattes, beschnitten, zwei von vier Spalten erhalten, je 8 cm breit. Text nicht bestimmbar. HD: 4 Spalten, 6,5 cm breit, die obere nur ansatzweise vorhanden. Rote und blaue Initialen. Liber Extra. X 1.29.18 und X 4.1.15–16.

Herkunft: Die Textabschrift entstand nach 1438 möglicherweise wie Cod. ms. Bord. 59 in Hamburg, da drei übereinstimmende Wasserzeichen einen gemeinsamen Entstehungsort vermuten lassen (zur Lokalisierung siehe dort). Die Register der letzten Lage wurden später (nach 1464) beigefügt. Den Einband fertigte die Bordesholmer Hauptwerkstatt wohl noch einmal einige Jahre später. In Bordesholm oder Ratzeburg, wo Meyer zunächst Stiftsherr war, erfolgte auch die Bearbeitung durch Johannes Meyer. — Unter der teilweise abgelösten Überklebung von 1r ein im Durchlicht lesbarer Besitzeintrag von der Hand des Bordesholmer Chorherrn Johannes Nese: Liber domine sancte Marie semper virginis in Novomonasterio sive Bordesholm. — Im Katalog von 1488 (Cod. ms. Bord. 1a) unter der Signatur I iii benannt als Hugowicio cum registro. Im Verzeichnis von 1606 (Cod. ms. Bord. 2a) unter dem Titel Hugiucio geführt. Um 1665 (Cod. ms. Bord. 1b) verzeichnet unter dem Titel Hugwicii vocabulorum peregrinorum explicatio.

Merzdorf, 42. — Steffenhagen Nr. CLXVII. — Ratjen, 107f. — Krämer, 100. — Franck Aufgeschlagen, 56. — Schnabel, 86, 128, 303–306, 317, 541f.

1va–294rd Hugutio Pisanus: Liber derivationum. (1va) Praefatio. Cum nostri prothoplasti suggestiva prevaricatione humanum genus a sue culmine dignitatis … (1va–281va) Textus. Augeo -es -ere -xi -ctum id est amplificare vel augmentum dare … — … Zoroastrum minimum sidus. – 281r leer. Die einzelnen Lemmata sind zum leichteren Auffinden marginal wiederholt. (281va–284rb) Lemmaliste. Augeo … — … Zoroastrum. (284rb–287rb) Registrum. Nota de incestu stupro et adulterio in aula … — … Nota tres species auri in Zaab. (287rb–294rd) ›Nota in hoc registro tituli signantur vocabula que non vero ordine alphabeti ponuntur in presenti libro in titulis capitalibus‹. Aaron ante astrum … — … Zelotipia zelus. Die Rubrik nachträglich hinzugefügt. Anschließend kurze Nota zum Gebrauch des Registers. Edition: Uguccione da Pisa, Derivationes, editio critica princeps a cura di E. Cecchini, 2 Bde., Firenze 2004 (Edizione Nazionale dei testi mediolatini 11), Bd. 2. Literatur: Bursill-Hall Census, 95 Nr. 125.1 (Hs. genannt). Grubmüller, 15 (Hs. genannt). A. Marigo, I codici manoscritti delle "Derivationes" di Uguccione Pisano. Saggio d’inventario bibliografico con appendice sui codici del "Catholicon" di Giovanni da Genova, Roma 1936 (Pubblicazioni bibliografiche dell’Istituto di Studi Romani). Goetz, 190–196. C. Riessner, Die "Magnae derivationes" des Uguccione da Pisa und ihre Bedeutung für die romanische Philologie, Roma 1965 (Temi e testi 11). – 294v leer.


Abgekürzt zitierte Literatur

Bursill-Hall Census G. L. Bursill-Hall, A census of medieval latin grammatical manuscripts, Stuttgart-Bad Cannstatt 1981 (Grammatica speculativa 4)
EBDB Einbanddatenbank (http://www.hist-einband.de/, besonders die Sammlung Wolfenbüttel)
Franck Aufgeschlagen M. Franck u. a., Aufgeschlagen. Universitätsbibliothek Kiel öffnet ihre Buchschätze des Bordesholmer Klosters, Ausstellung 20.08.–27.09.2002, Kiel 2002 (Vorauspublikation aus dem Sammelband "Die Bibliothek des Augustinerchorherrenstifts Bordesholm". In Vorbereitung für 2003)
Goetz G. Goetz, De glossariorum Latinorum origine et fatis, Leipzig 1923 (Corpus glossariorum latinorum 1)
Grubmüller K. Grubmüller, Vocabularius Ex quo: Untersuchungen zu lateinisch-deutschen Vokabularen des Spätmittelalters, München 1967 (MTU 17)
Krämer S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Bd. 1–3, München 1989–1990 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1)
Merzdorf J. F. L. Th. Merzdorf, Bibliothekarische Unterhaltungen. Neue Sammlung, Oldenburg 1850
Piccard-Online Piccard-Online. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 340 (http://www.piccard-online.de)
Ratjen H. Ratjen, Zur Geschichte der Kieler Universitätsbibliothek. Schriften der Universität zu Kiel 1862–1863, Kiel 1862–1863 (Programm zum Geburtstage Frederiks VII.)
Schnabel K. Schnabel, "Liber sanctae Mariae virginis in Bordesholm …" Geschichte einer holsteinischen Stiftsbibliothek, Wiesbaden 2014 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 33)
Steffenhagen E. Steffenhagen, Die Klosterbibliothek zu Bordesholm und die Gottorfer Bibliothek. Zwei bibliographische Untersuchungen, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holstein-Lauenburgische Geschichte 13 (1883), 66–142
WZIS Wasserzeichen-Informationssystem. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (http://www.wasserzeichen-online.de/wzis/index.php)