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Der Zum Leyden und Sterben bereitwilliger Evangelischer Prediger / Als Der
weyland Hoch-Woll-Ehrwürdige und Hoch-Wollgelahrte Herr /
HERR M. JOHANNES ULRICUS
Dörrien / Treufleissiger PASTOR zu S. Michaëlis der alten Stadt Hildesheim
/
Im Jahr 1706. den 4. Martii zur Erden bestattet und in itztgemeldter Kirchen
bey Volckreichem Gefolge und Zulauff beygesetzet wurde /
Auß der Apostel-Geschicht Cap. XX. vers. 24. selbiger Christlichen Versam̅lunge vorgestellet Von
JOHANNE Niekamp / Geyder Städte Hildesheim SUPERINTENDENTEN und EPHORO der
Evangelischen Schulen daselbst.
Hildesheim / gedruckt bey Michael Geißmarn.
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Der Woll-Edlen / Hoch-Ehr- und Tugendbegabten Frauen /
Fr. ANNAE MARIAE
Dörrien / Gebohrner Försterin /
Wie auch Denen respectivè Woll-Ehrwürdig-Woll-Edel- und Wollgelahrten Herren
/
Als des seel. Hrn. M. Dörrien nachgelassenen Fr. Wittwen und Kindern / meinen
hoch- und viel geehrten / Frauen / Herren / respectivè
Collegae, und lieben Freunden /
Übergiebt diese von ihnen zum Druck verlangte Predigt mit hertzlicher Anwünschung alles Göttlichen Trostes / Beystandes und Segens an Seel und Leib / Deroselben zum Gebeht und müglichen Diensten verbundener JOH. Niekamp.
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DEr Vatter der Barmhertzigkeit und GOtt alles Trostes / stehe allen Betru̅bten mit seinem kräfftigen ihimmschen Trost / und uus allen mit
seiner väterlichen Gnade und Barmherhigkeit bey / um JEsu Christi willen!
NAch GOttes heiligen Willen muste ich / andächtige zum Theil hochbetrübte Seelen
/ in diejenige Kirche dieser löblichen Stadt / in welcher biß hieher zu predigen
gehabt / das liebe Creutz beingen. Bey meinem Eintrit / und in meiner
Antrits-Predigt zu St. Andreae, brachte ich das Creutz / so zu sagen / auff dem
Rücken / und dachte ich / da ich des Andreas-Creutzes ansichtig wurde / an
desselben Apostels Worte / die Er / da man Ihm mit der Creutzigung gedreuet hat
/ solle gesagt haben: Si crucem Domini timuissem, nunquam crucem Domini
praedicassem. Das ist / wenn ich mich für des HErrn Creutz gefürchtet hätte /
würde ich den gekreutzigten JEsum nicht geprediget haben. Zu St. Lamberti in der
Neu-Stadt muste ich nach Anleitunge des Evangelischen Passion. Textes von dem
den Aposteln verkundigten Leyden JEsu Christi / mich nicht dafür hal
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ten / daß ich unter ihnen
etwas wüste ohne allein JEsum Christum den gekreutzigten. Worauff den ferner zu
dieser Passions-Zeit in allen Kirchen / und auch von mir meines Orthes
continuiret wird.
Nun komm ich auch zum erstenmahl zu Euch / meine liebe allhier zu St. Michaëlis
eingepfarrete Zuhörer / mit einer Creutz- und Leyd-Predigt / die ich halten muß
von dem Leyden und Sterben frommer und Gottseliger Prediger / in specie aber und
nahmentlich eures treugewesenen Seel-Sorgers / des weyland Hoch-Woll-Ehrwürdigen
und Hoch-Wollgelahrten Herrn / M. JOH. ULRICI Dörrien. Ich fand den lieben
seligen Man̅ da Ihn in seiner Kranckheit besuchte / unter dem
Creutze mit Christlicher Gedult und Gelassenheit liegen. Ich vernahm wie seine
liebe Ehe-Frau von einem gleichmässigen Creutze einer schweren Kranckheit an
Seiten ihrer Persohn zwar befreyet / aber doch an der andern Seite und Helffte
ihrer Seelen unter tausendfachen Aengsten / Sorgen und Bekümmernissen damit
beleget war / und nun sehe ich / daß nachdem der liebe selige Mann / euer treuer
Seelen-Hirte / dem Creutz und allen Trübsahlen durch einen seeligen Tod
entrissen ist / das Creutz um so viel schwerer auff die hochbetrübte Fr. Wittwe
und die verlassene Waisen gefallen ist. Die gantze Gemeine ächtzet und seufftzet
unter dieser Creutzes-Bürde / und klaget: Ach unser redlicher frommer treuer
Beicht-Vatter / Herr M. Dörrien! Ich sampt meinen liebsten und geehrtesten
Herren Collegis bedaure den Abgang eines in der Liebe verbundenen Mit-Bruders:
Und mir nahmentlich thut es leyd / daß das zwischen uns bey
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den auff seinem Siech-Bette
vermittelst dargereichter schwacher und bebender Hand und dabey gethanen
Glück-Wunsches zu meinem allhier angetretenen Ampte und Verspruchs / den Er /
wie er sagte / in der Kirchen bey meiner Vorstellunge nicht hätte thun können /
geknüffete Band / des HErrn Werck gesampter Hand zu treiben / so bald zurissen
ist / und ich der gewünschten Früchte von diesem Vorsatze und der mir von andern
vielen angepriesener Treue und Auffrichtigkeit eines rechtschaffenen
Mit-Arbeiters entbehren muß. Doch ich dancke GOtt durch unsern HErrn JEsum
Christ / daß Er diesen seinen Knecht starck / bereit / und gantz willig gemacht
hat / das Creutz zu tragen / zu leyden und zu sterben! Von welcher
Bereitwilligkeit denn auch allen hochbetrübten Seelen zum Trost / auch ihnen und
allen andern / zur Lehre und Vermahnunge mit mehren zu handeln wir allhier in
dem Hause des HErrn versam̅let zusammen geblieben. Damit wir nun
den dazu nöhtigen Göttlichen Gnaden-Beystand erhalten und haben mögen / so
lasset uns den Vatter des Lichts darum anruffen in dem Nahmen und dem Gebeht
unsers HErrn JEsu Christi.
Der zu erklären verlangte Leich-Text wird gelesen in den Apostel-Geschichten
im 24. vers. des XX. Cap. also lautend:
ABer ich achte der keines / ich halte mein Leben auch nicht selbst theur /
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auffdaß ich vollende meinen Lauff
mit Freuden / und das Ampt daß ich empfangen habe von dem HErrn JEsu / zu
bezeugen das Evangelium von der Gnade GOttes.
WAs machet ihr / daß ihr weinet / und brechet mir mein Hertz? Denn ich bin bereit
nicht allein mich binden zu lassen / sondern (Apostel-Gesch. 21 v. 13.) auch zu sterben zu Jerusalem um des Nahmens
willen des HErrn JEsu. Diß sind Worte desselben Apostels Pauli, deß auch die
itzt verlesene Text-Worte sind / in welchen wir ein schönes Bild frommer Zuhörer
und Prediger haben / wie beyde bey den Verfolgungen und Trübsahlen die den
Predigern begegnen oder bevorstehen / gesinnet seyn.
(1.) Den Sinn frommer Zuhörer zeigen die Worte: Was machet ihr / daß ihr weinet
und brechet mir mein Hertz. Dabey anzumercken ist / daß Paulus mit seinen
Gefährten in das Hauß Philippi zu Caesarien eingegangen / und dahin kommen sey
ein Prophet auß Judaea mit Nahmen Agabus: Der nahm den Gürtel Pauli und band
seine Hände und Füsse / und sprach: Das saget der heilige Geist / den Mann des
der Gürtel ist / werden die Juden also binden zu Jerusalem / und überantworten
in
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der Heyden Hände. Als nun seine
Gefährten und die Jünger / welche dieses Orths waren / solches höreten / baten
sie beyderseits den Apostel / daß er nicht hinauff gen Jerusalem zöge / und
baten ihn mit Thränen / wie die Worte Pauli zu verstehen geben: Was machet ihr /
daß ihr weinet? War aber das nicht Liebe? War das nicht an diesen frommen Seelen
zu rühmen? Warum bestraffet sie denn Paulus dieserwegen? und war es nicht
vielmehr an des Apostels Seiten eine Eigensinnigkeit und Halsstarrigkeit / daß
er den Bitten und Thränen so guter Freunde und frommer Seelen nicht weichen will
/ die ja nichts anders / als was recht und der Kirchen nützlich war zu begehren
schienen? Solte sich Paulus denselben mit Bestraffunge ihrer unschuldigen und
liebreichen Thränen widersetzen? Bevorab da er sonst und zu anderer Zeit
dergleichen guten Raht hat gelten und bey ihm statt finden lassen? Als da die
Jünger ihn in einem Korbe über die Mauren zum Fenster hinauß gelassen; Item, da
er zu Epheso wolte unter das Volck gehen / liessen es ihm die(Apostel-Gesch. 9. v. 24. & 19. 30.) Jünger
nicht zu; Da er ihm sagen und rahten ließ / und dam ahls sowoll als sonst
mehrmahlen die Gefahr gemeidet hat / daß er nicht darinn umkommen ist. Warum
will er sich hier zu Caesarien nicht auch bedeuten lassen? Antwort. Paulus sahe
hier den außdrücklichen Willen GOttes auß der Weissagunge des Propheten Agabi,
und auß der von dem H. Geist dadurch gewürckter Erleuchtunge seines Hertzens:
Welchem Göttlichen Willen er sich keinesweges widersetzen / sondern vielmehr mit
einem behertzten Entschluß unterwerffen und überlassen wolte und müste: Auch
müste demselben Göttlichen Willen alles menschliche Gutdüncken seiner lieben und
es nicht
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(1. Cor. I. 25.) meynenden Mit-Christen weichen:
Die Göttliche Thorheit (das ist was die Menschen / nach der verderbten Vernunfft
Urtheil / an GOttes Raht und Wegen für Thorheit halten) ist weiser denn die
Menschen sind. Die Menschen dauchte es / es wäre nützlicher / daß Paulus
ungebunden und unbehindert bliebe das Evangelium hin und wieder zu predigen:
Aber es fand sich viel anders / wie es der Außgang bewiesen / und Paulus es auch
erfahren hat / wenn er auß seinen Banden und Gefängnisse schreibet: (Phil. I. 12. 13. 14.) Ich lasse euch aber wissen /
lieben Brüder / daß wie es um mich stehet / daß ist nur mehr zur Förderung des
Evangelii gerahten / also daß meine Bande offenbahr worden sind in Christo / in
dem gantzen Richthause / und bey den andern allen / und viel Brüder in dem HErrn
/ auß meinen / Banden Zuversicht gewonnen / desto dürstiger worden sind / das
Wort zu reden ohne Scheu. Darum war es woll an Seiten dieser Jünger zu Caesarien
lauter Liebe und Frömmigkeit / da sie den Apostel Paulum mit Thränen bahten /
daß er nicht hinauff zöge gen Jerusalem: Wie es dann auch an Seiten der Mutter
JEsu lauter Liebe war / da Sie zu (Joh. II.
3.) JEsu sagte: Sie haben nicht Wein. Wie aber JEsus zu Cana, also sahe
hier zu Caesarien Paulus die Sache tieffer ein / und gieng auff den rechten
Grund des Göttlichen Willens / und richtete die Liebe seiner Mit-Christen in die
Ordnunge / warff ihren Willen unter den Willen GOttes / ihren Raht unter GOttes
Raht / bewahrte sie und sich selbst gegen alle sündliche Widerstrebunge /
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Widersprechung und Ungehorsam /
sagend: Was machet ihr / daß ihr weinet / und brechet mir mein Hertz? Nicht so /
will er sagen / nicht so meine Lieben. Machet mir mein Hertz / das Felsen-fest
stehen soll / wider alle Anlänffe der Höllen und der Welt / nicht weich /
verzagt und kleinmühtig. Ich muß nicht den Trübsahlen / die Göttlicher Wille
über mich verhengt / sondern ich und ihr müsset dem Willen GOttes weichen. Wie
sie sich dann sofort darauff Christlich erklärten: Des HErrn(???. 14.) Wille geschehe. Der HErr Christus
brauchte dißfals wider Petrum noch härtere Worte / als der ihm auch die
Passions-Reise gen Jerusalem gleicher Ursache halber widerrieht und sagte: HErr
/ schone dein selbst / das widerfahre(Matth. XVI. 22.
23.) dir nur nicht. Hebe dich Satan / war des HErrn Antwort / von mir
/ du bist mir ärgerlich / denn du meynest nicht was Göttlich / sondern was
menschlich ist. Dem folget Paulus ingrosser Sanfftmuht / und will nicht daß sie
ihm sein Hertz mit Bitten und Weinen brechen sollen / denn sie meyneten nicht
was Göttlich / sondern was menschlich ist; Ob sie gleich ihre hertzliche Liebe
gegen ihn damit bezeigten.
(2.) Sehen wir hier auch ein schönes Bild frommer Prediger und treuer Zeugen JEsu
und seiner Warheit / wie sie gegen die ihm bevorstehende und angedrohete
Trübsahlen / Schmach / Bande und Tod / gesinnet seyn; Nemlich / so wie Paulus
gesinnet war / da Er sagte: Ich bin bereit nicht allein mich binden zu lassen /
sondern auch zu sterben zu Jerusalem um des Nahmens
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willen des HErrn JEsu. O! des
wollgegründeten / heiligen und standhafften Entschlusses Sinnes / und Vorsatzes!
Gegründet war dieser Entschluß in dem erkandten Willen GOttes / auff welchen
sich ein Christ festsetzet wider alle Höllen-Pforten. Heilig war dieser des
Apostels Sinn / da Er zu leyden und zu sterben willig war um des heiligen
Nahmens JEsu willen; Nicht um Missethat / sondern Wollthat (1. Pet. II. 19. 20. & IV. 14. 15. 16.) willen /
das ist Gnade bey GOtt. Das ist Gnade so jemand um des Gewissens willen zu GOtt
das übel verträget / und leydet das Unrecht. Selig seyd ihr / wenn ihr
geschmähet werdet über den Nahmen Christi / denn der Geist / der ein Geist der
Herrligkeit und GOttes ist / ruhet auff euch. Niemand aber unter euch leyde als
ein Mörder / oder Dieb / oder Ubelthäter / oder der in ein frembd Ampt greiffet
(welches alles ein unheiliges Leyden ist) leydet er aber als ein Christ um
seines Nahmens willen (welches ein recht heiliges Leyden ist) so schäme er sich
nicht / er ehre aber GOtt in solchem Fall. Standhafft war des heiligen Pauli
Vorsatz / zu leyden und zu sterben / wie man aus unserm Leich-Text zu erkennen
und zu ersehen hat / daß der liebe Apostel allbereit vorhin diesen guten Vorsatz
gehabt / daß Er der Trübsahlen nicht achten wolle / und sein Leben selbst nicht
theur halte. Weil denn diß schöne Bild treuer Prediger allen Christen immerfort
vor den Augen stehen und bleiben muß / damit die Prediger wissen / wie sie sich
zu halten / die Zuhörer aber / wie sie die Lehrer zu lieben haben / und ihrem
Glauben nachzufolgen / so wollen wir uns zur Erklärunge unsers Texts wenden /
und darauß vorstellen
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Den zum Leyden und Sterben willigen Evangelischen Prediger.
I. Nach 2. Stücken Die ein solcher Prediger nichts achtet /
II. Nach 2. Stücken Die er hoch achtet und woll betrachtet.
Ich will HErr weil ich lebe noch Das Creutz dir frölig tragen nach. Mein GOtt mach’ mich dazu bereit / Es dient zum besten allezeit; Hilf mir mein Sach’recht greiffen an Daß ich meinen Lauff vollenden kan. Amen. SEhen wir nun / andächtige in dem HErrn / auff den zum Leyden und Sterben bereit-willigen Evangelischen Prediger (1.) Nach den zwey Stücken die Er nichts achtet / so sind dieselben Leyden und Sterben. Ich achte der keines / sagt der treue Evangelische Prediger und Apostel Paulus, ich halte mein Leben auch nicht selbst theuer. Er hatte die Aeltesten zu Epheso zu sich gen Mileto gefodert / und unter andern bezeuget / daß er gen Jerusalem fahren wolte / als ein im Geist schon Ge
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bundener / der zwar nicht
wuste was ihm daselbst begegnenwürde / doch wuste er und bezeugte es der heilige
Geist in allen Städten / daß Bande und Trübsahl sein daselbst warteten; Aber /
sagt Er / ich achte der keines / nemlich weder der Bande noch anderer Trübsahlen
/ wie sie Nahmen haben mögen.
Ja Er achtet den Todt selbst nicht: Ich halte / spricht Er / mein Leben auch
nicht selbst theuer. Sein Leben theuer halten / ist so viel als seines Lebens
schonen / und es erhalten: Wie jener Hauptmann des Königs (2. B. der Kön. I. 13. 14. Hebr:
LXX. per
reddunt. Apostolus noster
habet quod cum
tàm originatione quàm fignificatione
convenit.) Ahasiae dem Propheten Elias flehete und sprach: Du Mann
Gottes laß meine Seele und die Seele deiner Knechte dieser funffzigen für dir
etwas gelten; Oder / laß unsere Seele theur in deinen Augen seyn / das ist /
schone unsers Lebens. Also meinet es auch der Apostel / wenn Er sagt: Ich halte
mein Leben auch nicht selbst theuer / das ist / ich will meines Lebens selbst
nicht schonen / wie? solte den Paulus seinen ehrlichen Nahmen nicht achten / und
die schmähliche Ketten und Bande nicht scheuen? solte Er sein Leben / so eine
theure Gabe Gottes / der ein Liebhaber des Lebens ist / nicht dafür / für eine
theure Gabe halten / und hochachten? solte Er den Todt nicht scheuen / für
dessen blossen Andencken und Nahmen manchen grauet? Haut für Haut / und alles
was ein Mann hat / lässet er für sein Leben. Ja GOtt selbst verspricht seinen
gehorsamen Kindern ein langes Leben / als eine Göttliche und demnach theure und
wehrt zu haltende Gabe. Ja / meine Liebsten / Paulus leugnet das alles nicht. Er
leugnet
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nicht / daß die Freyheit
von Ketten und Banden / von Trübsahlen und Verfolgungen / ein geruhiges /
friedfertiges und langes Leben / Göttliche Geschencke und von dem gütigen Vater
seinen Kindern verliehene Gnaden-Gaben seyn. Er leugnet auch nicht / daß man
solche Gabe theur und wehrt halten soll. Doch er weiß / wie ein Rechen-Meister
weiß / daß 10. mehr sind den 5. / daß wie gut alle diese Gaben sind / die von
dem Vater des Lichts kommen / doch dennoch die vollkommene Gabe für jene /
obgleich gute doch zeitliche und leibliche den Vorzug behalten.(Jac. I. 17.) Ich halte es dafür (ich rechne es
auß / schliesse es so gewiß / und bin meiner Meynunge
so sicher als ein Rechen-Meister / der da weiß / daß 2. mahl 8. 16. sey) daß
dieser Zeit Leyden / nicht wehrt sey der Herrlichkeit(Rom. VIII. 18.) / die an uns soll ossenbahrt werden. Also sagt Er
auch hier: Ich achte der keines / halte auch nicht selbst mein Leben theur: Ich
mache / will Er sagen / wenn ich die Rechnung und Proportion mache / wie sich
1000. gegen eins / und die zukünfftige Herrlichkeit gegen alles Zeitliche und
Leibliche hält / wie wehrt und theur es an sich selbst seyn mag / gantz und gar
kein Werck von Noht und Tod / ich weiß gewiß / daß ich eines / das ist / das
Leib- und Zeitliche daran setze / und viel tausend / das ist / die ewige Freude
und Seeligkeit gewinne. So wuste auch Paulus woll / was sein und unser aller
hochverdienter Heyland gesagt: Wer sein Leben erhalten(Matth. XVI. 25.) will / der wird es verlieren: Wer aber sein Leben
verleurt um meinent willen / der wird es finden. Darum ist Er bereitwillig nicht
allein Bande und Trübsahl zu
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leyden / sondern auch zu sterben / und sein Leben / wie lieb es ihm sonst seyn
mögte / um Christi willen zu verlieren.
Wir betrachten nun ferner und (2.) den zum Leyden und Sterben willigen
Evangelischen Prediger nach den 2. Stücken / die Er wehrt hält und woll
betrachtet; Deren das Erste ist die Vollendung seines Lauffs mit Freuden. Das
Andere die Vollendunge seines Ampts das Er empfangen hat von dem HErrn JEsu / zu
bezeugen das Evangelium von der Gnade Gottes. Von dem Ersten sagt Er: Auffdaß
ich vollende meinen Lauff mit Freuden. Es sey nun / daß der Apostel durch den
Lauff sein mit allen Gläubigen gemein habendes Christenthum verstehe / als
welches er auch anderswo mit einem Lauffe vergleichet / schreibend: Wisset (1. Cor. IX 24.) ihr nicht / daß die / so in den
Schrancken lauffen / die lauffen alle / aber einer erlanget das Kleinod. Lauffet
nun also / daß ihr es ergreiffet. Und abermahl vergleichet er das Christliche
Leben mit einem Lauff / wenn (Gal. V. 7.) er an
die Galater schreibet: Ihr lieffet fein / wer hat euch auffgehalten / der
Warheit nicht zu gehorchen? Von welchem Lauffe auch der gläubigen Seelen Bitte
(Hohelied Sal. I. 4.) und Rede zu ihrem JEsu
ist: Zeuch mich dir nach so lauffen wir. Oder aber / daß er durch seinen Lauff
sein Evangelisches Predig-Ampt meine / welches auch in heiliger Schrifft ein
Lauff genennet wird / als wen von dem treuen Evangelischen Prediger Johanne dem
Teuf
|| [13]
fer geschrieben
ist / daß Er zu der Zeit da er seinen Lauff erfüllet / gesagt habe: Ich bin
nicht der / dafür ihr(Apost. Gesch. XIII. 25.)
mich haltet / aber sihe / er köm̅t nach mir / des ich nicht werth
bin / daß ich ihm die Schue seiner Füsse auflöse: So kan man das nicht wol von
der Vollendunge seines Lebens-Lauffes / sondern viel mehr und eher / von der
Vollen dunge seines Beruffs und Evangelischen Predig-Ampts verstehen; Denn es
hat dieses der Teuffer bey dem Evangelisten Johanne geredet / ehe er ins(Joh. I. 20) Gefängniß geleget ist. Welches ein
gewisser Evangelischer Schrifft-Erklärer hiebey woll angemercket: Und(Raupp.) ein anderer paraphrasiret diese Worte des
heiligen Evangelisten Lucae, da Johannes seinen Lauff erfüllet / also:(Breneius.) Nachdem Johannes sein Ampt vollendet /
und der HErr JEsus sein Predig-Ampt angefangen hatte. Es sey nun / sage ich /
daß man / wenn Paulus in unserm Text sagt: Auffdaß ich vollende meinen Lauff /
verstehe den Lebens- oder Ampts-Lauff / und das folgende Wörtlein und (wenn es
heisset / und das Ampt das ich empfangen habe) entweder copulativè oder
Verbindungs weise deute / als durch zwey unterschiedliche Dinge / das Leben und
das Ampt Pauli verbunden werden / in dem Verstande: Daß ich mein Leben und mein
Ampt vollende / oder epexegeticè, das ist Erklärungs weise / als dadurch der
Lauff erkläret wird / daß es das Ampt des Apostels und die Meynunge dieser Worte
die sey: Auff das ich meinen Lauff / das ist / mein Ampt vollende: So ist und
bleibet an Seiten des lieben Apostels das eine wie das andere wahr und
ohnstreitig / daß Er nemlich zum Ley
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den und Sterben bereitwillig gewesen / auffdaß Er sowoll
sein Christenthum / als sein Predig-Ampt mit Freuden vollenden mögte / wie denn
eins mit dem andern verbunden war / das Christenthum mit seinem Predig-Ampte /
und das Predig-Ampt mit seinem Christenthum. Da sonst mannigmahl diese beyde
Stücke getrennet sind / daß einer wohl ein Evangelischer Prediger / aber leyder!
kein guter Christ ist; Wiederum ein ander woll ein guter Christ / wenn gleich
kein Prediger / so waren sie doch beyde in der Persohn des heiligen Apostels so
miteinander verbunden / daß da er das eine vollendete / zugleich auch das andere
erfüllet hat. Doch / weil von dem Ampte in den nachfolgenden geredet wird / und
der Apostel ohne Zweifel nicht weniger seines Christenthums als seines Ampts
freudige Vollendunge wehrt gehalten / und woll betrachtet hat: So wollen wir es
lieber mit dem Worte Lauff / bey der gemeinern Bedeutunge lassen / nach welcher
es das Christliche Leben bezeichnet und dafür halten / Paulus wolle so viel
sagen: Auffdaß ich den Lauff meines gantzen Christlichen Lebens vollende: Gegen
solches Ende seines Christenthums und (1. Pet. I.
9.) Glaubens / welches ist der Seelen Seligkeit achtet Er sein Leyden
und Sterben nichts.
Von der Vollendunge seines Ampts lauten die Worte also: Und das Ampt das ich
empfangen habe von dem HErrn JEsu zu bezeugen das Evangelium von der Gnade
GOttes. Sein Predig-Ampt hatte Er nicht eigenthätig zu sich gerissen / oder sich
in dasselbe unziemlicher Weise eingedrungen / sondern Er hatte das
|| [15]
Ampt empfangen / da es ihm
übergeben und anvertrauet wurde / wie Er an die Römer schreibet: Mir ist die
Gnade von GOtt gegeben daß ich soll seyn ein(Rom. XV
16.) Diener Christi / unter die Heyden / zu opfern das Evangelium
GOttes / auff daß die Heyden ein Opfer werden / GOtt angenehme / geheiliget
durch den heiligen Geist. Darum kan ich mich rühmen in JEsu Christ / daß ich
GOtt diene. Und an die Hebräer schreibet er: Niemand nimpt ihm selbst die(Hebr. V. ???. 4.) Ehre / daß ist / niemand soll
ihm selbst die Ehre eines solchen Ampts nehmen / ob es wol leyder GOtt erbarme
es! Vielmahls widerrechtlich geschicht: Sondern der auch beruffen sey von GOtt
gleich wie der Aaron. So hat auch Paulus sein Ampt empfangen von dem(Gal. I. 1.) HErren JEsu / und ist er beruffen
nicht von Menschen auch nicht durch Menschen / sondern durch JEsum Christ.
Einige werden nicht von GOtt sondern von Menschen nach Menschlichen Willen /
Affecten, und irrdischen Absichten beruffen; Andere werden wol von GOtt
rechtmässig beruffen / aber doch mittelbarer Weise durch Menschen / Paulus ist
nicht von Menschen auch nicht durch Menschen / sondern rechtmässig- und
unmittelbarer Weise von GOtt und dem HErren JEsu beruffen. Das Bischoffs-Ampt /
daß er empfangen(1. Tim. III. 1.) hat / ist ein
köstlich Werck: Es führet den Nahmen in seiner Sprache von dem Eilen und vom
Staube:(
) Da es in diesem Ampte viel Mühe und Arbeit gibt / daß man / als in dem
Staube / mit seinen Ampts Wercken
|| [16]
(. ubi
praepositio
, uti solet in compositis,
significationem intendit. pas.) eilen und sich nicht säumen
und weder durch Lust noch durch Furcht sich auff- und abhalten lassen muß / daß
man sich nicht solte in allen Dingen beweisen als einen Diener GOttes / in
grosser Gedult / in Trübsalen / in Nöten / in Aengsten / in Schlägen / in
Gefängnissen / in Auffrühren / in Arbeit / in Wachen / in Fasten / u. s. w. Ein
solcher Diener / kan sein Leben und Ampt mit Freuden vollenden / und dem alten
Simeoni nachsingen / HErr nun lässestu deinen Diener in (Luc. II. 29.) Friede fahren / und so ferner. Oder
wie die Kirche singt: Mit Fried’ und Freud’ ich fahr dahin u. s. w. Ein solcher
Diener ist in seinem Dienste und Ampt / ein Zeuge des HERRN JESU und seines
Evangelii / wie nicht allein Petrus sich und seine Mit-Aposteln nennet (Apostel-Gesch. X. 41.) vorerwälte Zeugen von GOtt /
die mit dem HErrn JEsu gegessen und getruncken haben / und der HErr Christus zu
ihnen sagt: Ihr werdet meine Zeugen seyn zu Jerusalem / und in gantz Judaea und
Samaria und biß an das Ende der Erden. Und vor seinem Tode und (Apostel-Gesch. I. 8. Joh. XV. 27.) Aufferstehung
sprach: Ihr werdet auch zeugen / denn ihr seyd von Anfang bey mir gewesen.
Sondern der Apostel nennet sich auch allhier einen Zeugen des Evangelii /
sagend: Ich habe das Ampt empfangen von dem HErrn JEsu zu bezeugen das
Evangelium von der Gnade GOttes. Evangelium heisset eine erfreuliche und frölige
Botschafft. Das Evangelium JEsu Christi ist nicht eine frölige Botschafft von
grosser Welt-Herrlichkeit / Reichthum / Ehre und Wollust dieses Le
|| [17]
bens; Sondern von der Gnade
GOttes: Es ist die Trost- und Freudenreiche Lehre von der grossen Gnade GOttes /
daß Er uns Menschen seinen Sohn Christum JEsum geschencket hat / und durch den
Glauben an Ihn uns gerecht und seelig machen will. Nach welcher Lehre wir uns
üben müssen / zu haben ein gut Gewissen / allenthalben bey GOtt und den Menschen
/ und schüldig sind nicht nach dem Fleische sondern nach dem Geiste zu leben und
zu wandeln. Wie also die liebe Jugend aus dem Catechismo zu antworten weiß. Das
ist ein liebliche Beschreibunge des Evangelischen Predig-Ampts / daß es heisset
/ Ein Zeugniß des Evangelii von der Gnade GOttes. Es ist das Ampt des Neuen
Testaments und des Geistes / daß die Gerechtigkeit prediget: Dagegen das Gesetz
nur Verdammniß(2. Cor. III. 5. seq.) prediget.
Das Gesetz ist durch Mosen gegeben / aber die Gnade und Warheit ist durch JEsum
Christum worden. Paulus nennet das Evangelische Predig-Ampt(Joh. I. 17. 2. Cor. V. 18.) anderswo das Ampt das
die Versöhnung prediget: GOtt sagt Er / hat uns mit ihm selber versöhnet durch
JEsum Christ / und das Ampt gegeben das die Versöhnunge prediget. Solch sein
Heil. Evangelisches Predig-Ampt / hielt der liebe Paulus billig so hoch und
wehrt / daß er selbiges um der Bande und Trübsalen willen so gar nicht anzugeben
und zu verlassen gedachte / daß er vielmehr lieber sein Leben selbst lassen /
als die Pflichten wie seines Christenlauffes / also auch dieses seines hohen und
wichtigen Ampts unterlassen wolte. Keines von beyden / weder seines
Christenthums Lauff
|| [18]
noch seines
Predig-Ampts Fortsetzunge solte durch Bande und Trübsahl auffgehalten und
abgebrochen werden / sondern er war in dem HErrn entschlossen seinem JEsu treu
zu bleiben biß in den Tod / und in die Hände / in welche er seine Seele befahl /
auch sein Ampt zu resigniren.
Hierauß siehet und erkennet man / was es mit der Gläubigen Lebens-Lust und
Todes-Furcht für eine Bewandtniß habe: Daß nemlich dieselbe zwar auch bey ihnen
/ ungeachtet des heiligen Verlangens bey Christo und im Himmel zu seyn / noch
anhalte / indem sie wolten (2. Cor. V. 4.) lieber
nicht entkleidet / sondern überkleidet werden: Aber doch gleichwoll bey ihnen
eine Bereitwilligkeit nach GOttes Willen zu leyden und zu sterben sich finde /
und sie also gesinnet seyn / daß / wie lieb ihnen der äusserliche Friede / Ruhe
/ Gesundheit und das Leben selbst von Natur seyn mag / sie doch deren keines im
geringsten gegen ein seliges Ende / und der ewigen Seligkeit nicht achten /
sondern vielmehr dieses und dergleichen Irrdisches und Zeitliches / wenn es
ihnen bey ihrem Lauff in den Weg kömmt / und der vorhabenden glücklichen
Vollendunge desselben entgegen stehet / mit tapfferer Hand und unerschrockenen
Muht hinwegstossen / hassen Vater / Mutter / Weib / Kinder / Brüder / Schwester
/ auch dazu (Luc. XIV 26.) ihr eigen Leben / und
sagen / oder gedencken: Ich achte der keines. So mag und muß einem Christlichen
Hauß-Vater sein Weib / Kind und a. m. lieb seyn; Er wolte woll / wenn es GOttes
Wille wäre / bey ihnen noch (Phil. I. 22) länger
bleiben / sintemahl im Fleische leben dienet mehr Frucht zu schaffen; Sichet er
aber / daß es Gottes Wille nicht sey / daß er länger leben soll; O so liebet er
kein Ge
|| [19]
schöpffe über den
Schöffer! sondern hasset / das ist setzet zurücke / und der Liebe GOttes nach /
auch die Allerliebsten auff Erden / achtet Scheiden / Leyden / Traurigkeit und
Schmertzen nichts / auffdaß er nur seinen Lauff mit Freuden vollende / wie er
dann mit einem solchen Sinn und Vorsatz gewaffnet ist / gegen so ein grosses
Glück / auch gar Bande und Ketten / einen gewaltsamen und vor der Welt
schimpfflichen Tod selbst nichts zu achten. Und wie ein jeglicher wahrer Christ
/ also ist vor allen andern ein Christlicher Prediger dermassen gesinnet /
willig und bereit zu leyden und zu sterben / damit er seinen Lauff mit Freuden
vollende / und das Ampt / das er von dem HErrn JEsu auß der Hand seiner
Hauß-Ehre der Christlichen Kirchen / empfangen hat / zu bezeugen das Evangelium
von der Gnade Gottes. Er weiß und bedencket es woll / was ihm und vor ihm den
Aposteln der HErr vor ein Prognosticon gestellet: Ich habe euch von der Welt
erwehlet(Joh. XV. 19. Matth. X. 22.) / darum
hasset euch die Welt / und ihr müsset gehasset werden von jederman / um meines
Nahmens willen / wer aber biß ans Ende beharret der wird selig. Darum ringet Er
darnach / daß er seelig werde / biß ans Ende beharre / seinen Lauff mit Freuden
vollende / und das Ampt / das er empfangen hat: Er. fürchtet sich nicht(???. 26. 28.) für den Feinden des Evangelischen
Predig-Ampts und Christenthums; Er fürchtet sich nicht für denen die den Leib
tödten und die Seele nicht mögen tödten: Er achtet der keines / womit man ihn
schrecket oder locket / seinen Lauff und Ampt zu unterlassen: Er schonet auch
seiner Leibes-Kräffte und seines Lebens selbst nicht / sondern verzehret sich in
dem Dienste GOttes und seiner Kirchen /
|| [20]
wie ein Licht / wenn es andern dienet / verzehret wird. (Joh. X. 1. 2.) Er ist ein guter Hirte und lässet
sein Leben für die Schaafe. Ein Miedling thut es schon nicht / sondern suchet
Menschen Tage / fleischliche Ruhe / Ruhm / und Ehre vor den Menschen: Saget und
prediget woll vom Leyden und Sterben um des Nahmens JEsu willen / wenn Er aber
also leyden (daß ich nicht sage / sterben) soll; So fleucht Er vor das liebe
Creutz / und läuffet auß einem Winckel in den andern / ich will sagen / Er
suchet eine Außflucht nach der andern; Es liesse sich so nicht thun / die Leute
und Zeiten wären nun nicht darnach / daß ein Prediger nöhtig habe / den Todt
oder auch einige Verfolgunge zu leyden / man müsse es nur gehen lassen / wie es
gehet / wen̅ man was recht ist nur in genere gesagt und eben nicht
viel particularisiret habe / so sey es schon gnug / man habe damit seine Seele
errettet; Man könne von uns nicht begehren / daß wir uns und die Unsrige
unglücklich machen / und was dergleichen mehr seyn mag / mit welchem einer ihm
liebkosen und sich bereden kan / er sey gleichwol mit GOtt wohl daran / und ein
Nachfolger der Apostel in ihren Ampte / wenn er gleich den geringsten Entschluß
nicht gefasset weniger in geringsten angefangen hat / alle Widerwertigkeit /
Verfolgunge / Verjagunge / Trübsahl und Bande nichts zu achten / auch sein Leben
selbst nicht für theur zu halten / auff daß er seinen Lauff vollende mit Freuden
/ und das Ampt daß er empfangen hat von dem HErrn JEsu / zu bezeugen das
Evangelium von der Gnade GOttes. O! derer sind gewiß die meisten nicht / die
solches mit Grunde der Warheit dem Apostel nachsagen können / daß sie Bande /
Trübsahl und den Todt wenig ja nichts / dagegen aber
|| [21]
ihr Christenthum und Ampt / und
daß sie darinne biß ans Ende treu seyn mögen / weit höher achten: Viele / daß
ich nicht sage die meisten / bekümmern sich nichts darum / wie es mit der
Vollendung ihres Lauffs und des Ampts daß sie / vielleicht auch nicht von dem
HErrn JEsu / sondern von Menschen nach menschlichem Willen / empfangen haben
werden möge / wenn sie nur Ehre / Gnade / Gunst / Geschencke und dergleichen von
den Menschen haben. Sie suchen alle das Ihre / nicht daß(Phil. II. 21.) Christi JEsu ist.
Solchen Maul-Christen und Bauchdienern lasset uns ja nicht folgen / sondern in
die Fustapffen des heiligen Apostels und seiner Nachfolger / aller
Rechtschaffner Christen und Lehrer treten / denen es mit ihren Christenthum und
Ampte ein rechter Ernst / GOttes Ehre und die Warheit viel lieber als alles
Zeitliche ja das Leben selbst ist. Wir werden ja als von dem vornehmsten Theile
des Göttlichen Worts Evangelische Christen / Evan. gelische Prediger genennet /
wollen wir den̅ nicht thun das Werck eines Evangelischen Christen
/ eines Evangelischen Predigers / und unser Ampt redlich ausrichten?(2. Tim. IV. 5.) Wir bezeugen ja das Evangelium
von der Gnade GOttes / ists aber auch nicht Gnade / so jemand um des Gewissens
Willen zu GOtt das Ubel verträget / und leidet das Unrecht? Ihr müsset ja meine
Lieben das(1. Petr. II 19.) Evangelium bezeugen
und die Lehre GOttes unsers Heylandes zieren in allen Stucken: Nicht allein mit
Worten sondern auch mit einem dem Evangelio würdigen Wandel. Wandelt nur
würdiglich dem Evangelio(Tit. II. 10)
|| [22]
(Phil. I. 27 28. 29.) Christi / auffdaß ihr stehet
in einem Geiste und einer Seele / und sampt uns kämpffet für den Glauben des
Evangelii, und euch in keinem Wege erschröcken lasset von den Widersachern /
welches ist ein Anzeigen ihnen der Verdam̅niß / euch aber der
Seligkeit / und dasselbe von GOtt; Denn euch ist gegeben um Christus willen zu
thun / daß ihr nicht allein an ihn gläubet / sondern auch um seinen willen
leydet. Das Evangelium versichert uns ja der grossen Gnade GOttes / das Christus
sein Leben für uns gelassen hat: Sind wir denn (I. Joh.
III 16.) daher nicht schuldig unser Leben für die Brüder zu lassen /
wie viel mehr für unsern erstgebohrnen Bruder / für unsern Erlöser Christd JEsu?
Sind wir aber schuldig dißfals unser Leben selbst nicht für theur zu halten /
Ketten und Bande nicht zu achten / wie vielweniger sollen gemeine und geringere
Trübsahlen / als da ist der Verlust zeitlicher Ehre / Güter / guter Tage / der
Menschen Gunst und Freundschafft / zu Hertzen genommen / und so sehr gefürchtet
oder geachtet werden / daß man um denselben zu entgehen / ablasse seinen Lauff
mit Freuden zu vollenden / und das Ampt / das wir empfangen haben von dem HErrn
JEsu. JEsus ist ja unser HErr und wir seine Diener / (2. Gor. VI 4.) sollen wir uns denn nicht in allen Dingen beweisen als
die Diener GOttes in grosser Gedult / in Trübsahlen / in Nöhten / in Aengsten /
in Schlägen / in Gefängnissen / in Auffruhren / in Arbeit / in Wachen / in
Fasten / in Keuschheit / in Erkäntniß / in Langmuht / in Freundligkeit / in dem
heiligen Geist / in un
|| [23]
gefärbter Liebe / in dem Worte der Warheit / in der Krafft GOttes:
Durch Waffen der Gerechtigkeit / zur rechten und zur lincken / durch Ehre und
Schande / durch böse Gerüchte und gute Gerüchte / als die Verführer und doch
warhafftig / als die unbekandten und doch bekandt / als die Sterbenden / und
sihe wir leben / als die Gezüchtigten / und doch nicht ertödtet / als die
Traurigen aber allezeit frölig / als die Armen / aber die doch viele reich
machen / als die nichts inne haben / und doch alles haben. Setzet man schon
heutiges Tages die Diener Christi nicht in den Stand / daß sie obspecificirte
Trübsahlen alle zu leyden noch den Halß dem Schwerdt darzustrecken nöhtig haben
/ so wird doch der / der GOttes Diener seyn will / sich zu vielen dieser und
dergleichen Trübsahlen anschicken / vest halten / und sich(Sirach. II 1. 2.) leyden müssen; Man wird ihn
ängsten / als einen Auffrührer und Verführer schimpffen / oder sonst mit Schande
und bösen Gerüchte vor der Welt stinckend machen / mit Schmach- und
Quaal-Stöcken / wo nicht zum schändlichen(Buch der
Weißheit II. 19. 20.) Tode verdammen / doch mit einem langsamen Tode
quälen / indem man ihm für seine Liebe und treue Seel-Sorge einen Hertz-nagenden
Dampff nach dem andern anthun wird. Legt man ihn schon nicht ins Gefängniß / in
Ketten und Bande / wiewoll es an schimpfflichen arresten / Gefängnissen und
Verdammunge auff die Galleeren u. d. g. manches Orthes nicht fehlet / so wird
man ihm sonst andere Trübsahl mit Suspensionen / Remotionen / ungerechten
Processen und dergleichen anlegen / summa. Er muß um des Nahmens und des Worts
|| [24]
sti willen von der Welt
gehasset werden. Womit einer umgehet / das hänget ihm an. Ein Diener Christi
gehet um mit der Lehre und Predigt von dem Creutze JEsu / ists denn Wunder / daß
ihm das Creutz anhänget? Er ist ein Martyr / das ist Zeuge des HErrn JEsu und
seines Evangelii / schicket sich dann nicht auff einen Zeugen und Martyrem das
martyrium, die Marter / Quaal und Trübsahl woll? Ein Diener JEsu bringet das
Evangelium oder eine frölige Botschafft von der Gnade Gottes / soll es ihm dann
befrembden / wenn ihm die Welt den gewöhnlichen Boten-Lohn / welcher ist undanck
/ giebt? (Joh. VX. 19.) Wäre Er von der Welt / so
würde die Welt das ihre lieb haben / nun er aber nicht von der Welt ist / so
hasset ihn die Welt. Der Knecht ist ja nicht grösser denn sein Herr / haben sie
mich / spricht der HErr / verfolget (???. 20.) /
sie werden euch auch verfolgen / haben sie mein Wort gehalten / so werden sie
euers auch halten. Der HErr JEsus kam nicht daß er ihm dienen liesse / (Matt. XX 28.) sondern daß er dienete und gebe sein
Leben zur Erlösunge für viele. Er hielte sein Leben nicht theuer / achtete der
Schande / der Ketten und Bande nicht / auffdaß Er seinen Lauff vollendete mit
Freuden (da Er sich freuete seinen Weg zu lauffen wie ein Held) und das Ampt /
daß Er von seinem himmlischen Vater empfangen hatte / zu bezeugen das Evangelium
von der Gnade GOttes; Solte es dann seinen Dienern zu viel seyn mit vielen
Predigen / catechisiren / Besuchunge der Krancken (bevorab zur Zeit ansteckender
Kranckheit) und anderer Ampts-Arbeit die Leibes-Kräffte und Gesundheit daran
|| [25]
zusetzen / in augenschemliche
Lebens-Gefahr und in den Tod zu gehen? So waffnet euch denn / ihr treue Diener
und Zeugen JEsu Christi mit dem Sinn eures HErrn / und seines treu-gewesenen
Dieners / des Apostels Pauli, und sagt: Ich achte der keines. u. s. w. Wer will
uns(Rom. VIII. 35. seq.) scheiden von der
Liebe GOttes? Trubsahl oder Angst? Oder Verfolgunge? Oder Hunger? Oder Blösse?
Oder Fährlichkeit? Oder Schwerdt? Wie geschrieben stehet: Um deinen Willen
werden wir getödtet den gantzen Tag / wir sind geachtet für Schlacht-Schaafe.
Aber in dem allen überwinden wir weit / um des willen / der uns geliebet hat.
Denn ich bin gewiß / daß weder / Tod noch leben / weder Engel noch Fürstenthum /
noch Gewalt / weder Gegenwärtiges noch Zukünfftiges / weder Hohes noch Tieffes /
noch keine andere Creatur mag uns scheiden von der Liebe GOttes / die in Christo
JEsu ist unserm HErrn.
O! wie glückseelig ist eine Christliche Gemeine / welcher der HErr solche treue
Diener und Hirten nach seinem Hertzen gibt! Wiewoll und richtig zu dem ewigen
Leben werden die geführet / die den Ertz-Hirten Christum JEsum / als den ersten
und grossen Creutz-Träger / nach diesen auch die ihm nachgesetzte Hirten und
Lehrer zu Vorgängern haben / die ihren Zuhörern mit Worten und Wercken zuruffen:
Seyd meine Nachfolger / gleich(1 Cor. II. 1) wie
ich Christi: Der hat gelitten aussen vor dem Thor / so lasset uns nun zu ihm
hinauß gehen ausser
|| [26]
(Hebr. XIII. 12. 13.) dem Lager / und seine
Schmach tragen. O! seelig sind die / welche an solchen Lehrern und ihren
Trübsahlen in Christo sich nicht ärgern / um derselben willen nicht müde (Matt. XI. 6. Eph. III. 13.) werden / sondern
vielmehr dafür halten / daß sie ihnen eine Ehre sind / weil sie die Mahl-Zeichen
JEsu Christi sind / und gleichsam die himmlische Hoff-Farbe / dabey man JEsum
und seine rechtschaffene Diener kennet / welche (Hohel.
V. 10.) ist weiß und roht / das unschuldige und geduldige Leyden /
welcher Gnade GOttes man sich rühmen und freuen soll. Freuet euch / daß ihr mit
Christo leydet (und also freuet euch auch wenn eure Lehrer mit Christo leyden)
auffdaß (1. Pet. IV. 13. seq.) ihr auch zur Zeit
der Offenbahrunge seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben möget. Seelig seyd
ihr / wenn ihr (und eure Lehrer) geschmähet werdet über den Nahmen Christi /
denn der Geist der ein Geist der Herrlichkeit und GOttes ist / ruhet auff euch
(und ihnen.) Bey ihnen (den Verfolgern und Feinden) ist Er verlästert / aber bey
euch ist Er gepreiset: Niemand aber unter euch leyde als ein Mörder oder Dieb /
oder der in ein frembd Ampt greiffet / leydet er aber als ein Christe / so
schäme er sich nicht / Er ehre aber (cap. II.
20.) GOtt in solchem Fall. Was ist das für ein Ruhm / so ihr um
Missethat willen Streiche leydet? Aber wenn ihr um Wollthat willen leydet / das
ist Gnade bey GOtt. Als denen Aposteln für ihre Treue mit dem Staub-Besen
gelohnet wurde / giengen sie frölig von des Rahts (der sie hatte steupen lassen)
Angesicht /
|| [27]
daß sie würdig gewesen
waren um seines Nahmens(Apostel-Gesch. V. 41.)
willen Schmach zu leyden. Wir rühmen uns der Trübsahlen / sagt Paulus in aller
seiner getreuen Mit-Knechte Nahmen / dieweil wir wissen / daß Trübsahl(Rom. V. 3) Gedult bringet / Gedult aber bringet
Erfahrung / Erfahrunge aber bringet Hoffnunge / Hoffnunge aber lässt nicht zu
schanden werden / denn die Liebe Gottes ist außgegossen in unser Hertz durch den
heiligen Geist / welcher uns gegeben ist.
Wie nun die Liebe GOttes auch in eure Hertzen durch den heiligen Geist
außgegossen ist / also seyd ihr ja / liebe Christen / die erleuchtete des HErrn
/ die euer Lehrer Leiden und Trübsahlen / Schmach / Verachtunge / Verlästerunge
/ und wie sie sonst Nahmen haben mögen / nicht anders einsehet als ihre und eure
Ehre / Ruhm und Gnade von GOtt. Solche Lehrer und treue Diener JEsu Christi /
die weder Bande noch Tru̅bsahl achten / auch ihr Leben selbst
nicht theur halten / auffdaß sie ihren Lauff vollenden mit Freuden / und das
Ampt / das sie empfangen haben von dem HErrn JEsu / zu bezeugen das Evangelium
von der Gnade GOttes / solche / sage ich / nicht Bauch- und Welt- / sondern
Christi Diener erbittet euch von GOtt / solche lasset euch recommendiret seyn /
solche suchet / solche erwehlet. Lasset ja keine fleischliche Affecten in die
Wahl kommen / ladet euch nicht nach euren eigenen Lüsten selbst Lehrer auff nach
dem euch die Ohren jücken /(2. Tim. IV. 3.
Apostel-Gesch. VI 3.) sucht nicht euch / sondern das was JEsu Christi
ist. Sehet euch um nach Männern / die ein gut Gerücht haben und voll heiligen
Geistes und Weißheit sind / von wel
|| [28]
chen ihr wegen ihrer bekandten Lehre und Gottseeligkeit die
Hoffnung und das Vertrauen zu GOtt habet / daß sie die Schaafe und nicht die
Wolle / Euch / und nicht sich selbst meynen: Daß sie vor dem Riß stehen / für
die Ehre und Lehre Christi ritterlich kämpffen / alle Widerwertigkeit nicht
achten werden / auffdaß sie ihren Lauff mit Freuden vollenden / und das Ampt /
daß sie von dem HErrn JEsu empfangen haben. Und wenn euch GOtt sothane Lehrer
und Seel-Sorger giebt / so liebet und ehret sie / und machet ihnen ihr von der
Welt und dem Teufel schwer genug gemachtes Ampt nicht noch schwerer. Hinfort /
sagt ein (Gal. VI. 17.) treuer Diener GOttes mit
unserm Apostel / mache mir niemand weiter mühe / den̅ ich trage
die Mahl-Zeichen des HErrn JEsu an meinem Leibe. Ists nicht gnug / daß sie um
euer und eurer Seeligkeit willen so viel von dem Höllischen Leviathan und seinen
Schuppen erdulden müssen; Daß sie für euch arbeiten müssen in dem Worte und in
der Lehre? Daß sie ihre Seele in ihren Händen tragen müssen? Tausendfache Angst
und Sorge haben / wie sie dem lieben GOtt ihres so schweren und hochwichtigen
Ampts wegen Rechenschafft geben mögen / daß das Verlohrne nicht an ihnen
richterlich gesucht werde? O! hasset / verachtet und verleumbdet sie ja nicht /
machet den betrübten und geängsteten Dienern Christi nicht mehr (Hebr. XIII. 17.) Betrübniß / daß sie ihr Ampt
euerntwegen nicht mit Seufftzen thun / denn das ist euch nicht gut / sondern
habet sie desto lieber um ihres Wercks willen / und seyd (1. Thess. V. 12. 13. Phil. IV. 9.) friedsam mit
ihnen / so wird der HErr des Friedens mit euch seyn. Solche Liebe und
Erkäntlichkeit der Christlichen Zuhörer ist den Creutz-tragenden Lehrern eine
grosse
|| [29]
Freude / eine Zierde und
Wollstand der Kirchen / wenn Johannes (der Prediger) die Mutter Christi (die
Gemeine des HErrn) zu sich nim̅t / und geistlich versorget /(Joh. XIX 26. 27. Matt. XII 50.) diese Johannem
mu̅tterlich liebet. Hingegen ein schändlicher Unstand der
Kirchen / wenn entweder die Lehrer Welt-Diener und Menschen-Knechte sind / und
die Zuhörer durch solche vielfältig geärgert werden / oder wenn die Zuhörer
Feinde des Creutzes und der wahren Diener Christi sind; Und die Lehrer darüber
vielfältig betrübet werden. Doch da ist und bleibet die Liebe GOttes ihr einiger
Trost; Ist ihnen die Welt nicht gewogen / was fragen sie nach dem Lieben / das
endlich muß betrüben? Wenn sie nur GOttes des Vaters / ihres Immanuels JEsu
Christi / und ihrer Brüder und Schwester in Christo hertzliche Liebe haben / so
genüget sie / die machet sie freudig / und zum Leyden und Sterben bereitwillig /
daß sie lauffen und nicht matt werden / daß sie wandeln(Jes. XL. 31.) und nicht müde werden / biß sie
ihren Lauff vollenden mit Freuden / und das Ampt / daß sie von dem HErrn JEsu
empfangen haben zu bezeugen das Evangelium von der Gnade GOttes. Da sie dann mit
Freuden auch zu seiner Zeit mit unserm Apostel anstimmen werden: Ich habe einen
guten Kampff gekämpffet /(2. Tim. IV. 7.) ich
habe den Lauff vollendet / ich habe Glauben gehalten. Und mit Freuden hören: Ey
du frommer und treuer Knecht! Und sagen: Hinfort ist mir beygelegt(Matth. XXV. 21.) die Crone der Gerechtigkeit u.
s. w. Da werden sie mit ewiger Freude und Wonne erfahren was Christus sagt: Wer
sein Leben verleuret um meinet willen / der wird(Matth. X 39.)
|| [30]
es finden. Ihr seyd es / die ihr
beharret ha bet in meinen (Lus. XXII. 28.
29.) Anfechtungen / und ich will euch das Reich bescheiden / wie mirs mein
Vater beschiden hat. Der Himmel jauchtzet und frolocket über solche treue Diener
GOttes; Sie haben / so lautet das him̅lische Jubel-Geschrey: Sie
haben ihn / (den / der sie verklaget Tag (Offenb. XII.
11.) und Nacht vor GOtt) überwunden durch des Lammes Blut / und durch
das Wort ihrer Zeugnisse / und haben ihr Leben nicht geliebet biß an den Tod.
Darum freuet ench ihr Himmel und die darinne wohnen.
Einen treuen Diener Christi / der keine Trübsahl / keine Mühe / keine Arbeit /
keine Feindschafft noch Haß der Welt geachtet hat / auffdaß Er seinen Lauff mit
Freuden vollendete / und das Ampt / das Er empfangen hatte von dem HErrn JEsu /
zu bezeugen das Evangelium von der Gnade GOttes / haben wir dieses Orts gehabt /
und nunmehro durch den Todt verlohren an unserm geliebten Mitt-Bruder / den
seel. Herrn M. Dörrien. Zwar zu Banden und Gefängnissen ist es mit ihm durch
GOttes Gnade nicht kommen / als der unter dem Schutz des Allerhöchsten und des
lieben Religion Friedens für äusserliche Gewaltthätigkeit und blutige
Verfolgunge sicher gelebet / und nicht allein seiner frommen Zuhörer und
Pfarr-Kinder Liebe / sondern auch anderer / die weder von dieser Gemeine / noch
von unserer Kirchen sind / Gunst gehabt und reichlich genossen hat. Doch an
Trübsahlen hat es ihm wohl nicht gemangelt. Auff einen jeglichen Christen /
allermeist einen Christlichen Prediger stürmen die Trübsahlen zu beyden Seiten
ein: Von wegen seiner
|| [31]
Sünde solche
Trübsahlen die Er mit andern Menschen gemein hat / und von wegen der
Gerechtigkeit / die eines Christen und Christlichen Lehrers eigen sind. Es hat
der liebe seelige Mann seine Trübsahlen / Kranckheiten / Leibes- und
Gemühts-Beschwerden / und dergleichen mehr die von der Sünde herrühren / als
eine väterliche Züchtigunge seines GOttes mit Christlicher Gelassenheit und
Gedult ertragen / und dazu sowoll als zu dem Tode selbst sich willig bezeiget /
und resolviret wie der H. Ambrosius in seiner letzten Kranckheit / der als Er
von den Umstehenden mit Thränen ersuchet und gebehten wurde / Er mögte doch GOtt
bitten / daß Er ihm sein Leben noch verlängerte / weil sie besorgeten und sich
hertzlich darüber betrübten / daß die Kirche eines so treuen Vorstehers und
Lehrers mögte beraubet werden / denselben zur Antwort gab: Non sic vixi, ut me
pudeat inter vos vivere, sed nec mori timeo, quia bonum Dominum habemus: Das ist
/ ich habe also mit und unter euch gelebet / daß ich mich solches meines Lebens
nicht schämen darff: Doch ich scheue auch den Tod nicht / weil wir einen feinen
und gütigen HErrn haben. Der H. Augustinus(Possidonius
in vita Augustini. c. 27.) hat sich an diesem von ihm sehr gerühmten
sapientissimo & piissimo Responso, an dieser überauß-klugen und Gottseeligen
Antwort sehr ergötzet / und sie sonderlich in seinem Alter hoch gelobet und
bewundert / auch diesen seinen Commentarium und Außlegunge darüber gemachet; Der
H. Ambrosius hatte darum gesagt: Ich scheue den Tod nicht / weil wir einen
feinen HErrn haben / damit Er nicht für den gehalten würde / der sich seines
gantz unsträfflichen Lebens vermässe: So viel und weit doch ein Mensch den
andern kennen / und des guten
|| [32]
an
ihm wahrnehmen könne / habe Er gesagt / ich schäme mich meines unter euch
geführten Lebens nicht: Denn weil ihm woll wissend gewesen / daß GOtt uns nach
seiner Gelindigkeit richte / habe Er lieber sagen wollen / daß er auff den
gütigen HErrn / nicht aber auff seine Verdienste sich verlasse / zu dem Er auch
täglich im Gebeht spräche: Vergib uns unsere Schuld / als wir vergeben unsern
Schuldigern.
Meine Liebsten / der Entschluß des Seel. Herrn M. Dörrien war gleiches Inhalts /
wie mich denn derselbe sehr ergötzet und erfreuet hat / da selbigen von Ihm auff
seinem Siech-Bette vernahm / auch inskünfftige unvergeßlich ergötzen wird / und
damit ihr vernehmet / daß Er eines Schlages mit jenem des H. Ambrosii
Entschlusse gewesen / so höret den Klang und Inhalt desselben / welcher dieser
war: Wenn ihn GOtt noch länger in seinem Dienst und am Leben behalten wolte / so
wäre Er unter Göttlicher Gnaden Hülffe zu fernerer Arbeit und Leyden willig und
bereit: Fals aber GOtt ihn ab fodern wolte / wäre Er auch bereitwillig zu
sterben / weil wir einen gütigen HErrn hätten / dem zu dienen wir uns nicht
schämen noch durch den Tod zu Ihm zu kommen scheuen dürffen. Etwa dieses Sinnes
und Inhalts war die Entschliessung dieses zum Leyden und Sterben bereitwilligen
Evangelischen Predigers / unsers seeligen Herrn Mag. Dörrien. O! der grossen
Gnade GOttes / die wir danckbarlich zu erkennen und zu preisen haben / an einem
jeglichen / der von GOtt
|| [33]
zu bey
den bereit und willig gemachet wird / zu eines fernern Lebens nicht zeitliche
Ergötzunge und eitele Freude / sondern / Christliches Leyden / oder zum sehligen
Sterben. Das ist die rechte Christliche Gelassenheit / da man sich des lieben
GOttes gnädigen und guten Willen mit allen rechten Christen gantz und gar lässet
/ überlässet und spricht: Sihe hie bin ich / Er mache es mit(2. Sam. XV. 26.) mir wie es Ihm wollgefällt.
Solte es dem Seel. Herrn Magistro an der andern Seite / an Seiten der
Gerechtigkeit meyne ich / an Trübsahlen gefehlet haben? Ich glaube es nicht /
und Ihr / seine liebe Zuhörer / werdet es bestermassen wissen / ob nicht der
seelige Mann dißfals offt betrübet / zu klagen und zu seufftzen veranlasset sey:
Da ich mich dann von Particularitäten deßfals gerne enthalte / weil nicht allein
noch zur Zeit dieses Orths ziemlichermassen unbekandt / sondern auch der Meynung
bin / daß / wie bey dem Seel. Herrn Magister, also vielmehr bey uns alles müsse
/ wie vergeben / also auch vergessen seyn. Doch wie niemand ihm den Ruhm eines
treuen Dieners Christi aberkennen kan / also mag man uns nicht verdeucken / daß
wir nicht anders daher schliessen / als daß Er der Gerechtigkeit halben(Psal. XXXIV. 20. Pr. Sal. I. 18.) leyden müssen.
Der Gerechte muß viel leyden / insonderheit ein Lehrer der Gerechtigkeit. Wer
viele lehren muß / der muß viel leyden. Wie solte dann dieser Gerechte / dieser
Evangelische Lehrer / nicht viel um der Gerechtigkeit willen erduldet / und
darob Gedult gehabt haben? Als der ja woll wuste was sein Heyland gesagt:
|| [34]
(Matth. V 10. 11. 12.) Seelig sind / die um
Gerechtigkeit willen verfolget werden / denn das Himmelreich ist ihr. Seelig
seyd ihr / wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen / und
reden allerley übels wider euch / so sie daran ligen: Seyd frölig und getrost /
es wird euch im Himmel woll belohnet werden / denn also haben sie verfolget die
Propheten / die vor euch gewesen sind.
Ihr / meine Lieben / gedencket an diesen euren Lehrer (Hebr. XIII. 7.) / der euch das Wort GOttes gesagt hat / schauet sein
Ende an / und folget seinem Glauben nach. Seyd / wie Er war / treu und fleissig
in eurem gemeinen Christen-auch besondern Beruffs-Staude / seyd bereitwillig zum
Leyden und Sterben; Lasset euch in steter Bereitschafft und wie wachende Knechte
/ die auff ihren Herrn warten / erfinden / daß ihr dem Sohne GOttes allezeit mit
reinem Hertzen dienet / und ihn / wenn Er kömmt mit Freuden empfahet. Vergesset
der Liebe und Treue euers Lehrers nicht / sondern / wie euch der heilige Geist
selbst dazu anhält / gedencket an Ihn. Gedencket wie Er sich in eurem Dienst
verzehret / und euch so auffrichtig gemeynet und hertzlich geliebet. Wenn ihr
seine hochbetrübte Wittwe und Waisen sehet / so thut ihnen nach Vermögen / zum
wenigsten wünschet ihnen alles Guts und sagt / wie Raguel zu dem jungen Tobia:
(Tob. VII 7.) O! mein lieber Sohn (liebe Frau)
geseegnet seystu / denn du bist eines rechten frommen Mannes Sohn: (Wittwe.)
Vergesset seiner seeligmachenden Lehre / sei
|| [35]
ner Straffe / Vermahnunge /
und Trostes nicht. Vergesset eurer Pflicht und Gelu̅bde nicht /
die ihr dem Seel. Manne an GOttes Statt gethan / dem HErrn JEsu getreu zu
bleiben biß in den Tod: Auß Lieb an ihn die Welt für nichts zu achten / kein
Creutz zu achten / keine Schmach und Plagen; Nichts so lieb zu haben auff dieser
Welt / und wenn es auch das Leben selbst wäre / daß ihr nicht wollet gerne
fahren lassen / wenn es euch an Glauben / an guten Gewissen / und an der
Seeligkeit will hinderlich seyn. Auffdaß ihr euren Lauff mit Freuden vollenden /
und das Ende euers Glaubens / der Seelen Seeligkeit davon bringen möget. Das
gebe und verleihe Euch GOtt Vater / Sohn und Heil. Geist / hertzlich geliebet
und hochgelobet in Ewigkeit! Amen.
PERSONALIA.
DAmit wir nun von des seeligverstorbenen Hrn. Mag. ehrlicher Ankunft /
rühmlich-geführten Leben und seeligen Abschied noch etwas (üblichen Gebrauch
nach) vernehmen / so ist zu solchem Ende folgender Bericht einkommen: Es ist
derselbe im Jahr 1653. den 21. April. allhier von Christlichen Gottseeligen
Eltern auff diese mühsame Welt gebohren.
|| [36]
Sein Herr Vater ist gewesen der Ehren-Veste / Großachtbahre und Wollweise Hans
Dörrien / Bürger und viel jähriger Rahts-Verwandter allhier.
Seine Mutter / die Ehr- und Tugendsame Frau Catharina Röen / des seeligen Hrn.
Röen nachgelassene Jungfer Tochter.
Von diesen Gottseeligen Eltern nun ist der seelige Herr Magister entsprossen /
und sofort nach seiner sündlichen Gebuhrt durch das Wasser-Bad der heiligen
Tauffe seinem Erlöser Christo JEsu einverleibet worden. Als Er nun ein wenig
erwachsen / haben Ihm seine Eltern zufoderst zu der seeligmachenden Erkäntniß
GOttes / denn auch allen einem Christen ziemenden Tugenden fleissig angesühret /
auch da sich ein sehr fähiges Ingenium gleich in seiner ersten Jugend bey Ihm
geeussert / in nützlichen Sprachen und Künsten treulich unterweisen lassen. Ob
Ihm auch wohl sein seeliger Herr Vater mit Raht und That wenig an die Hand hat
gehen können / so hat Er nicht desto minder auff des himmlischen Vaters Beystand
sich verlassend allhie sein angefangenes studiren fleissig fortgesetzet / die
Schulen fleissig besuchet / und sowoll durch anderer seiner getreuen
Praeceptoren als auch durch des Seel. Hrn. Mag. Lomeyers / als Rectoris, treue
Anweisung zu der durch
|| [37]
Göttlichen
Seegen nachgehends erlangeten sonderbahrer Wissenschafft gute Fundamenta
geleget. Anno 1674. den 7. Maji, im 21. Jahre seines Alters / ist Er von hie
auff die Universität Erfurt gezogen / und nachdem Er allda 2. Jahr lang fleissig
studiret / und in Logicis & Rhetoricis, Ethicis, Politicis & Theologicis
Philologicis, Historicis & Geographicis glückliche Progressus gethan / daß
sowohl seine Angehörige und Freunde / als auch die berühmte Herren Professores
Ihm gerahten einen Gradum anzunehmen / welches Er auch gethan und in dem 1676.
Jahre den 9. Maji nebst 5. andern von den damahligen Facultatis Philosophicae
Decano nunmehro seeligen Herrn Matthia Gruvio, Logices & Metaphysices
Professore publico öffentlich zum Magistro Philosophiae creiren lassen. Anno
1677. den 17. Novembris hat Er zu Erfurt publicè eine Disputation praesidendo
gehalten / de separatione propriorum, währender Zeit aber hat sich seine liebe
Mutter von dieser Welt begeben. Weil Er aber das studium Theologicum noch weiter
zu treiben und zu excoliren Begierde getragen / als hat Er dißfals in dem 1678.
Jahre den 17. Septembr. von Erfurt nach Jena sich begeben / allwo Er 2. Jahr
lang subsistiret und in Philosophicis Collegia activa gehalten / allwo Er auch
noch länger geblieben wäre / wenn nicht auß
|| [38]
herandringender Pest-Gefahr weichen müssen / da Er im Jahr 1680. im
Monath Septembr. sich wieder nach Erfurt begeben / allwo Er sich währender Zeit
theils mit Lernen / theils mit Lehren und disputiren / publicè & privatim
fleissig exerciret. Auff beyden hohen Schulen hat Er sowoll im Leben / als auch
im studiren sich dergestalt erwiesen / daß Er wegen seiner herrlichen Erudition
und vortrefflichen Qualitäten von denen Studiosis hochgehalten / und auch von
denen Herrn Professoribus sehr geliebet / wie auch nachgehends von allen und
jeden beständig aestimiret und hochgehalten worden. Wie es sich dann auch daher
gefüget / daß / als Er nach verflossenen 8. Jahren die Er auff der Universität
zugebracht / auf seines Seel. Herrn Vaters Begehren anhero sich in patriam
verfüget / welche Reise Er dann Anno 1680. mit GOtt angetreten / und in der
Woche vor Advent glücklich zu Hause angelanget. Nachdem Er sich nun allhie eine
Zeitlang auffgehalten / ist Er Anno 1682. durch sonderbahre Schickung Gottes von
der löblichen und Christlichen Gemeinde zu St. Michaëlis hieselbst durch
einhellige Stimme zu ihrem ordentlichen Seelen-Hirten rechtmässig erwählet
worden / und da Er zuvor bey einem Woll-Ehrwürdigen Ministerio sowohl in seiner
Prob-Predigt / als auch üblichen Colloquio höchst-rühmlich sich erwie
|| [39]
sen / am 5ten Martii von
dem damahligen nunmehseeligen Herrn Superintendenten Licent. Georgio Göetzio
öffentlich vorgestellet und introduciret / und von gesamptem Collegio der
ältesten nach uhralten Apostolischen Gebrauch durch Aufflegung dero Hände
ordiniret worden. Anno 1683. hat Er sich nach einer getreuen Gehülffin in seinem
Hauß-Wesen umgesehen / und dieselbe (nachdem Sie Ihm GOtt zugewiesen) nach
Wunsch gefunden / an des seeligen Herrn Augustini Försters treufleissigen
Predigers an der Kirche St. Michaëlis in Erfurt Jungfer Tochter Anna Maria
Försterin / itzo hinterlassenen hochbetrübten Fr. Wittwen (die GOtt in ihrer
Traurigkeit kräftig trösten und beystehen wolle) als mit welcher Er nach
vorhergepflogenem Raht und Bewilligung beyderseits lieben Eltern und
Anverwandten ehelich versprochen / dar auff den 3ten Octobr. selbigen Jahrs mit
Christ-üblichen Ceremonien sich Ihm trauen lassen / und in die 24. Jahr mit Ihr
eine höchst-liebreiche und vergnügliche Ehe besessen / auch darin durch GOttes
Seegen 5. Söhne erzeuget / welche alle / so lange als GOtt will / annoch im
Leben / deren sich der grundgütige GOtt väterlich annehmen / und nach seinem
Raht gnädig führen wolle. Mit was vor Treue / Fleiß und Fürsichtigkeit Er
solchem seinem heiligen Ampte vorgestanden / was Er vor ein exemplari
|| [40]
sches Leben gehalten / mit
was Sorgfalt Er sein Christenthum geführet / und mit was vor Dienstwilligkeit /
mit Raht und That Er gegen seinen Nächsten sich in seinem Leben jederzeit
erwiesen habe / davon wird Ihm männiglich ein rühmliches Zeugniß beylegen
können. GOtt / seinen HErrn / ehrete und fürchtete Er über alles / suchte bey
Ihm Vergebung seiner Sünde täglich und offt mit Thränen / und gebrauchte sich
des heiligen Abendmahls zum öfftern und andächtig. In der heiligen Bibel und
anderer geistreichen Männer Schrifften forschte und medirte Er embsig. Seiner
anbefohlnen Gemeine nahm Er sich treulich an / predigte das Wort GOttes deutlich
und gründlich / bemühete die Unwissenden zu lehren / zu was Ende Er eine
ausserordentliche Kinder-Lehre anfieng / damit Er mögte eine im Christenthum
wohl zubereitete Jugend haben / Er bemühete sich auch die betrübten zu trösten /
die sicheren zu schrecken / und die / so unrichtig und Gottlos wandelten / zum
Erkäntniß der Warheit zu leiten und zu führen. Und ob Er woll dadurch viele und
schwere Feindschafft / grossen Widerwillen / heimliche und öffentliche
Verfolgungen und dergleichen Verdrießlichkeiten mehr offtmahls auff sich ladete
/ so ertrug und überwandt Er doch alles mit Christlicher Großmühtigkeit / Gedult
und Bescheidenheit. Insonderheit wuste Er die Glau
|| [41]
bens-Lehre mit Nachdruck
vorzustellen und denen Widersachern hierin woll zu begegnen / wie dann solches
außweisen die viele Disputationen die Er mit ihnen gehabt / theils hier / theils
auch auff Universitäten. Da Er auch bey seinem heiligen Ampte einige Zeit übrig
hatte / auch allezeit grosse Lust hatte junge Leute zu informiren / hat Er
dieselbe nach dem Ihm verliehenen statlichen Talent, und auff Begehren vornehmer
von Adel / theils mit Auffsicht über Dero Söhne / theils mit deroselben
besonderer / auch anderweits gerühmten Information in Künsten und Sprachen
zuzubringen / Belieben getragen. Seinem eigenen Hause stund Er auch woll für /
liebete seine Ehegenossin von Hertzen / und erzog seine Kinder in der Zucht und
Vermahnung zum HErrn. Gegen seine Herren Collegen erwieß Er sich freundlich /
gegen die Armen mitleydig und behülfflich / gegen Wittwen und Waisen gutthätig
und barmhertzig / gegen jederman freundlich und bescheidentlich / daß Ihm dahero
ein längeres Leben / welches Ihm die vielen Aergernissen verkürtzet / woll wäre
zu wünschen gewesen. Gestalt der Seel. Herr Magister wegen schwerer
Leibes-Constitution die Er auff anderthalb Jahr her gefüblet hat /
unterschiedlichen Leibes-Gebrechen unterworffen gewesen / biß es endlich
herausgebrochen / und die Glieder-Kranckheit bekom
|| [42]
men. Einige Tage vorher als
am Buß- und Beht-Tage / welcher war der 16. Decembr. hat Er seine letzte Predigt
/ aber mit grosser Leibes-Schwachheit / gehalten (wie denn auch / welches
notabel, hat Er am Buß Tage seine Antrits-Predigt / am Buß-Tage seine letzte
Predigt gethan / und am Buß Tage ist Er auch gestorben) den 19 hujus hat Er sich
geleget / und es in alle Glieder bekommen / so / daß Er nicht gehen / stehen
noch sich bewegen könte / wozu denn eine grosse in- und äusserliche Hitze
geschlagen / wie denn auch durch schleunige Abnehmung der Leibes-Kräffte nicht
viel gutes angezeiget worden. Ob nun zwar von dem zu Raht gezogenen Hrn. Medico
allermüglister Fleiß angewendet / und an kostbahren Artzneyen nichts versparet
worden / auch vermittelst deren / bißweilen und auch noch vor kurtzer Zeit ein
guter Anblick zur Besserung sich hervor gethan / so daß die grosse Hitze und
Lämniß sich verlohren / der Schlaff wieder angefunden / und alles sich wohl
angelassen. So ist doch solche angefangene Besserung gar bald und unvermuhtlich
wieder verschwunden / indem Er darauff die Glieder-Kranckheit und zwar so starck
wieder bekommen / daß Er nicht ein Glied an gantzen Leibe hat bewegen können /
bey welcher traurigen Begebenheit sich sein Hr. Beicht-Vater bey ihm ange funden
/ das hochheilige Abendmahl empfangen / und mit
|| [43]
brünstiger Andacht gebehtet /
welcher / wie auch seine andere Herren Collegen Ihn öffters fleissig besuchet /
nachdem Er nun gesehen daß vor menschlichen Augen keine Hülffe mehr da / hat Er
Ihn fleissig getröstet und mit Ihm gebethet / darauff dann Ihn eingeseegnet.
Währender Kranckheit ist Er stille gewesen / seine Hände gefaltet und seine
Augen starre continuirlich in die Höhe gehoben / worüber Ihm die lieben Seinigen
gefraget was Er gedächte / welchen Er geantwortet / Er redete mit GOtt / sie
solten Ihm unverstöret lassen. Den Tag vor seinem Ende hat Er sein liebes
Ehe-Gemahl zu sich vor das Bette gefordert / und ihr gesaget: Nun ich will nach
den Himmel reisen / und sage meiner lieben Gemeinde 1000. gute Nacht / darauff
lag Er immer in Schlummernd hin auch den andern Tag als den Mittwochen / biß daß
sein Heyland kam / da Er dann unter dem Gebeth der Umstehenden zwischen 9. und
10. Uhr des Abends ohne einige widrige Bezeugung seinen Geist auffgegeben / und
gar sanfft und seelig in das Reich der Glorie und Herrligkeit versetzet worden /
nachdem Er in dieser Welt zugebracht / 53. Jahr weniger 2. Monathe.
|| [44]
Beschlusz.
(Ps. LVII. 8.)
MEin Hertz ist bereit / GOtt mein Hertz ist bereit / daß ich singe und lobe. Mit
diesen Worten / sagt man / habe die hochbenedeyete Mutter GOttes ihre seelige
Heimfahrt zu ihrem liebsten JEsus-Kinde gehalten. So stund Ihr und ihres Vaters
Davids / so auch des Seel. Herrn M. Dörrien Hertz / und war bereit zu leyden /
bereit zu sterben; Bereit in beyden / im Leyden und im Sterben / GOtt zu loben
und zu singen. Er singet und lobet nun / frey vom Leyden und Sterben / den
Allerhöchsten vor seinem Angesichte. Wir aber in diesem Thränen- und Jammerthale
loben auch den Vater des Lichts für alle Gnade und Wollthat / welche Er dem
Seelig-Verstorbenen in seiner Gebuhrt / Wieder-Gebuhrt / Erziehunge / in seinem
Leben und Ampte / in seiner Kranckheit und Tode so reichlich und vielfältig
erwiesen hat: Insonderheit für die Gnade / die Ihn starck gemacht und mit Krafft
auß der Höhe außgerüstet hat / das Zeitliche gegen das Ewige geringe / das Ewige
aber für alles Zeitliches und Vergängliches hochzuachten. Der HErr thue ferner
Barmhertzigkeit an
|| [45]
diesem in seine
Freude eingeführten Knechte! Er erquicke seine theuer-erkauffte Seele mit
himmlischer Lust und Wonne! Er bewahre seine Gebeine und lasse sie sanfft ruhen
in dem Schoosse unser aller Mutter der Erden / biß an den lieben jüngsten Tag!
Alsdenn vereinige Er sie mit dem Geiste dieses Gerechten / und mache sie ähnlich
dem verklärten Leibe unsers HErrn JEsu Christi! Der von Ihm hinterlassenen Fr.
Wittwen und lieben Kinder wolle Er sich als ein Vater der Barmhertzigkeit und
GOtt alles Trostes gnädig- und väterlich annehmen / Sie mit seinem Göttlichen
Trost starck / und willig zum Leyden ja zum Tode selbst machen! Er gebe Ihnen
seinen Göttlichen Willen / als ihre wahre Seeligkeit einzusehen Licht und Gnade
/ und zu erkennen / daß wie denen / die GOtt lieben / alle Dinge / also auch
das(Rom. IIX 28.) Absterben eines lieben
Mannes und Vaters zum besten dienen müssen! Der HErr unser GOtt sey mit Ihnen /
wie Er gewesen ist mit ihrem lieben Seel. Herrn und Vater. Er verlasse Sie nicht
/ und ziehe seine Hand nicht von ihnen ab / ihr Hertz zu neigen zu Ihm / daß sie
wandeln in allen seinen Wegen / und halten alle seine Gebote: Daß Sie in die
löbliche(1. B. der Kön. IIX 57. 58.)
Fußstapffen ihres Seel. respectivè Ehe-Herrn und Vaters treten / daß Er auch in
der Erden durch Sie geehret / und der Vater an seinen Kindern erkandt
|| [46]
und gesagt werde: Daß der Herr M.
Dörrien gestorben sey / als wäre Er nicht gestorben / indem Er seines Gleichen
hinter (Sir. XXX 4.) sich gelassen. Er erwecke
fromme und danckbare Hertzen / die auch im Tode an ihren seel. Seel-Sorger / und
dessen hochbetrübte Nachgelassene Barmhertzigkeit und Liebe erweisen! Sie / und
uns alle rüste der HErr HErr auß mit seiner Krafft / daß unser aller Lauff /
Ampt und Stand glücklich und Christsehliglich vollendet / alles übel ritterlich
überwunden und überstanden / und unser aller Endzweck / die ewige Seeligkeit
erlangen werde!
Wir lassen Ihn (unsern lieben Herrn M. Dörrien) nun schlaffen / Und gehen all’ heim unsere Strassen / Schicken uns auch mit allem Fleiß / Denn der Tod kömmt uns gleicher weiß. Das helff uns Christus unser Trost / Der uns durch sein Blut hat erlöst Vons Teufels Gewalt und ewiger Pein: Ihm sey Lob / Preiß und Ehr allein. Lasset uns zum Beschluß behten ein andächtiges Vater Unser etc.
|| [ID00049]
Das Nachdenckliche Opffer / Bey ansehnlicher Beerdigunge Des weyland
Hoch-Woll-Ehrwürdigen und Hochgelahrten
HERRN M. JOHANNIS ULRICI
Dörrien / Hochverdienten PASTORIS der Gemeine zu St. Michaëlis in Hildesheim /
Als Dieselbe
Im Jahr 1706. den 4. Martii unter vornehmer Begleitung ergieng /
An die Trauer-Versammlung In einer
Danck-Rede betrachtet Von
M. JOH. CHRISTOPH. LOSIO, Gymn. And. DIRECTORE.
Hildesheim / gedruckt bey Michael Geißmarn.
|| [48]
TIT. S. Allerseits
Geehrteste Anwesende.
WIr leben anitzo in einer Zeit / da wir das Gedächtniß des Todes unsers Heilandes
mit. einander feyren / wodurch nemlich Christus ein Opffer für die Sünde
geopffert hat / das ewiglich gilt / und mit welchem Opffer Er vollendet (Hebr. X. 12.) hat in Ewigkeit / die geheiliget
werden. Dieses ist das allgemeine / eigentliche und eintzige Versühn-Opffer /
welches Christus einmahl am Creutz für uns vollzogen / daselbst Er für unsere
Sünde genug gethan / seinen Vater versühnet / dessen Zorn gestillet und uns die
Vergebung der Sünden erworben hat. Und zwar so zielten auff dieses
Versühn-Opffer unter den Jüden alle Levitische Versühn-Opffer / alle Schuld- und
Brand-Opffer / welche nur ein dunckler Abriß und Vorbild waren auff das rechte
Versühn-Opffer / welches Christus mit seinem Tode allein und nur zu einem Mahle
geopffert / und damit unsere Erlösung erfüllet hat. An diesem Opffer haben wir
zwar alle Theil nach der herrlichen Frucht und Geniessung durch den Glauben /
aber es ist allein ein Werck und Verdienst unsers Heylandes / dabey sich kein
Mensch rühmen kan / daß er für sich oder für andere eine Versühnung schaffen
oder würcken kan.
|| [49]
Es findet sich aber eine andere Ahrt des Opffers / welche das Lob- und
Danck-Opffer genennet wird / welches wir unserm GOtt von Grund unsers Hertzen
bringen sollen und müssen / für dessen erwiesene Wollthaten. Und was ist / das
wir nicht von GOtt empfangen haben / und also als ein Opffer wieder zu seiner
Ehr und Verherrligung seines Nahmens ihm zu geben schuldig seyn? In diesem
Verstande haben wir noch bey unserm Christenthum unsere geistliche Altäre und
Opffer / ja unser gantze Gottes-Dienst mag also gar wohl ein geistliches Opffer
genennet werden.
Aber was rede ich solches an diesem Orte / da wir Vorhabens sind die Gebeine des
weyland Hoch-Woll-Ehrwürdigen und Hochgelahrten Herrn M. ULRICI Dörrien / eines
vier und zwantzig-jährigen hochverdienten Pastoris dieser S. Michaëlis-Gemeine
zu ihrer Ruhe-Städte zu begleiten und einzusencken.
Meine Herren /
Ich lasse mich gedüncken / daß ich eben hierzu einige sonderbahre Ursachen habe.
Denn nicht zu gedencken / daß die Zeit unserer Kirchen-Andacht mich auff diese
Gedancken führen könte / so muß ich frey herauß bekennen / daß der seelige Herr
Magister mir diesen Concept gleichsam selbst in den Mund gelegt. Denn / als ich
nunmehr fast vor vierzehen Tagen / denselben zum letztenmahle besuchte / so
sagte Er unter andern ein und andermahl: Traget doch mein Opffer nach der Kirche
/ und bedeutete mich zugleich / daß ich gegen vierzehen Tage wieder
|| [50]
her in dieses Hauß kommen mögte.
Welches zwar als eine kleine Ungleichheit der Gedancken von den Seinigen
entschuldiget wurde / ich aber als ein nachdenckliches Rähtsel annahm / welches
die erfolgende Zeit vielleicht balde aufflösen würde. Man sagte mir dabey / daß
der seelige HErr sonst überall wenig redete / wohl aber seine Hände zu falten /
und starre gen Himmel zu sehen gewohnet wäre / denen Anwesenden aber auff ihre
Nachfrage antwortete: Er redete mit GOtt. Wie solten mir denn nicht diese seine
letzte Rede / ein Denck-Mahl seyn seiner tieffen Gedancken und verborgenen
Meynung? Ich bin demnach gegen vierzehen Tage nach meiner Visite allhier in
diesem Hause gegenwärtig / und sehe nun / was wir für ein Opffer / nemlich
seinen verblichenen Leichnam in die Kirche hinbringen sollen. Da hat nun unser
Seel. Herr Magister gleichsam sagen wollen (2. Tim.
IV.) / was Paulus an den Timotheum geschrieben: Ich werde schier
geopffert / und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden. Es thue doch ein
jeder die Liebe an mir und bringe meinen Leib / als mein letztes in der Welt
übriges Opffer zur Kirchen / wo die Gebeine und Asche meines Cörpers bey dem
Altar mögen auffgehoben werden.
Nun dahin ist es nemlich anitzo gekommen / daß wir was von ihm übrig ist / als
ein Opffer in die Kirche hinbringen sollen: Nachdem unsern seeligen Hrn.
Magister in seinem Leben sowohl andere / als Er auch selbst sich dem HErrn
rühmlich geopffert haben. Welches mit dero Genehmhaltung anitzo noch mit wenigen
zu rühmen
|| [51]
der Gewohnheit nach mich
verpflichtet finde. Andere zwar / und sonderlich seine geliebte Eltern / haben
Ihn angefangen zu opffern von Anno 53. in vorigem Seculo, da Er gebohren / und
wir werden Ihn anitzo opffern im 53ten Jahre seines Alters. Seine Eltern haben
an Ihm gethan so viel sie vermocht / Ihn zur Tauffe / zur Kirche und Schule
gebracht und zu aller Gottesfurcht erzogen. Ich erinnere mich von seinem Seel.
Herrn Vater gar offt gehöret zu haben / daß Er einsmahl in seiner Wanderschafft
zu Berlin eine erbauliche und bewegliche Predigt gehöret / und von der Zeit an
nicht auffgehöret habe / in seiner Einfalt / GOtt inniglich und mit Thränen zu
bitten / Er mögte Ihn dermahleins würdig machen einen Sohn zu haben / der mit
aller Erbauung das Evangelium des HErrn predigen mögte: Und weil Er solches
erlebet hatte / so pflegte Er nicht ohne Thränen sein Danck-Opffer seinem GOtt
abzustatten.
Die getreue Praeceptores an hiesigem Gymnasio haben an Ihm biß in sein ein und
zwantzigste Jahr / und andere Lehrer auff denen beyden Universitäten Jena und
Erfurt gleichfals das Ihrige gethan / und nicht ermangelt sein fehiges ingenium,
und stattliche Gaben gantzer acht Jahr durch also zu bereiten / daß Er zum
Dienste der Christlichen Kirche mit Nutzen mögte befordert werden. Worzu auch
ferner nicht wenig beygetragen diejenigen Patronen und Wollthäter / welche nach
ihrer Mildigkeit Ihm beygesprungen und mit stipendiis reichliche Forderung
gethan. Eltern die ihre Kinder / als eine Gabe des HErrn GOTT opffern:
Praeceptores welche die köstliche Talenta, so GOtt ihren Anvertrau
|| [52]
ten beygelegt / wohl bewahren und
mit Wucher zum Dienst der Kirchen und des Vaterlandes darstellen / thun woll ein
seeliges und dem Höchsten gefälliges Opffer. O! lasse ihm doch der gütige GOtt
noch immerhin / wie in vorigen Jahren wohlgefallen / wenn Gottseelige Eltern
ihre Kinder zu Dienste des HErrn widmen / und unsere Schulen in beständigem
Seegen dem HErrn ein geschicktes Opffer nach dem andern darzustellen bemühet und
beseeliget seyn: Auch nicht fehlen an Patronen und Wollthätern / welche diesen
beyden in ihren Opffern zu Hülffe kommen.
Doch lasset mich nur mit wenigen melden / wie unser Seel. Herr Magister auff eine
so GOtt wollgefällige Weise sich seinem GOtt zu widmen bemühet gewesen. Er fieng
nemlich an / von Jugend auff / seinen Leib zu begeben zu einem Opffer / daß da
lebendig / heilig und GOtt wollgefallig wäre / dieweil Er wuste / daß solches
der Christen ihr vernünfftiger Gottesdienst ist / nach der Epistel an die Römer
XII. 1. Daher kam das Wollverhalten sowoll in hohen / als niedrigen Schulen /
biß daß Er nunmehro vor vier und zwantzig Jahren durch sonderbahre Regierung des
Allerhöchsten zu einem Pastore dieser St. Michaëlis-Gemeine beruffen worden /
und also angefangen hat das Evangelium GOttes in dieser Gemeine zu Opffern /
damit auch diese Eingepfarrete ein Opffer werden / und GOtt geheiliget seyn
mögten durch den heiligen Geist / nach dem Sinn Pauli zu reden Rom. XV. 16. In
diesem Ampte hat Er mit freudigem Auffthun seines Mundes unver
|| [53]
drossen und unermüdet die
Frucht und Farren der Lippen geopffert / zu reden mit dem Hosea im XIV. ver. 3.
Sein Brand-Opffer war Busse und Erneurung des Lebens / weil Er wohl wuste / daß
die Opffer die GOtt gefallen / ein geängsteter Geist und zerschlagenes Hertz
seyn / das GOtt nicht verachten kan / Ps. LI 19. Daher war auch seine
sonderbahre Freude sowohl für sich Buß-Gedancken zu haben / als auch seiner
Gemeine die Busse zu verkündigen. Wie dan̅ der Buß-Tag Ihm
sonderlich mercklich worden / da Er an einem Buß-Tage seine erste und letzte
Predigt gehalten / und bey angehendem letzteren Buß-Tage auch sein Leben
geendiget hat. Sein Mitleyden gegen die Armen war sonderlich / alldieweil Er
wohl wuste / daß man Wollzuthun und Mitzutheilen nicht vergessen solte / als
welche Opffer vor GOtt wollgefällig / Ebr. XIII. 16. Imgleichen daß die
Barmhertzigkeit gegen die Armen und Elenden ein süsser Geruch und angenehmes
Opffer wäre. Phil IV. 18. In seinem Gebeht war er inbrünstig und andächtig / und
befliß sich / daß dasselbe vor GOtt als ein gutes Opffer tügen mögte. Uberall
aber opfferte Er sich zu dem Dienste seines GOttes. Daß Er unsträfflich und als
ein Fürbild seiner Gemeine mögte erfunden werden. Daher auch sein Nahme ist wie
eine außgeschüttete Salbe / und der Geruch seines exemplarischen Priesterlichen
Lebens ergiesset sich weit und breit. Endlich / da es GOtt also gefallen wolte /
daß Er durch ein langwieriges Lager / und schwere Kranckheit niedergeleget würde
/ und Er wohl sahe / daß GOttes Wille wa̅re / daß Er dem Tode
geopffert würde / so
|| [54]
hat Er seine
Seele durch Glauben und Seufftzer ihrem Schöpffer und Erlöser wieder heimgegeben
/ und sich damit gerne geopffert / damit Er versam̅let würde zu
denen getreuen Zeugen unter dem Altar / welche erwürget sind um des Wortes
GOttes willen und um des Zeugnissen willen / das sie hatten / zu reden auß der
Offenbahrunge Johannis VI. 9.
Nun / meine hochgeehrte Herren Anwesende / was ist denn noch übrig / als daß wir
Ubriggebliebene den verblichenen Leib und die Gebeine des Seel. Herrn Magistri
opffern / wie Er selbst begehret hat? Er hat nemlich diesen Irrdischen Rest der
Erden überlassen / zu einem Opffer / aber dabey seine Bitte lassen ergehen / daß
wir dieses Opffer in die Kirche St. Michaëlis hinzubringen geneigt seyn mögten.
Dieses ist der letzte Dienst / den dieser treue Diener von dieser Gemeine fodert
/ und vergnügen sich die sämptliche Angehörige / insonderheit die hochbetrübte
Frau Wittwe / und Herren Söhne / daß Ihr seeliger Herr und Vater eine so
geneigte Willfahrung von meinen hochgeehrten Herren / die sämptliche
Leydtragende aber eine so grosse Ehre durch derselbigen hochansehnliche
frequentz zu geniessen haben.
Es richtet dieses ihre hochbetrübte Hertzen nicht wenig auff / in ihrem fast
harten und schweren Leydwesen / und machen Sie ihnen die Hoffnunge / Sie werden
nicht allein diese Ehren-Bezeugung und sonderliche Gunst und Liebe voritzo
erweisen / sondern auch hinkünfftig das Opffer ihres Wollthuns und
Barmhertzigkeit der hoch
|| [55]
betrübten Frau Wittwen und verlassenen Waisen gerne gewehren. Sie
indessen erkennen mit dienstlichem Dancke nicht allein die itzige Ehre und
Affection, sondern auch alle Liebe / die Sie dem Seel. Herrn Magister im Leben
und Tode erwiesen habe. Wie Sie denn hiemit für sich / und auff Befehl des Seel
Herrn Magistri durch meinen Mund / sowohl allen und jeden Gönnern und Freunden /
als insonderheit dieser löblichen Gemeine für alle Wollthaten tausendfältig
Danck abstatten / und alle himmlische Vergeltunge anerwünschen. Schließlich / so
lasset uns auff seyn / und dieses Opffer an seinen Orth bringen. Darum bitten
die Leydtragende und verpflichten sich dafür zu aller Erkäntlichkeit und
Gegen-Diensten: Wünschen von Hertzen / daß GOtt wolle das Opffer ihres /
Hertzens und die Seufftzer Ihm gefallen lassen / nach welchen sie bitten / daß
meine hochgeehrte Herren vor allem Leyde bewahret und mit allem Segen ihres
Orths erfreuet / für allen schmertzlichen Trauer-Fällen aber lange Zeit bewahret
seyn mögen.
Nach-Gedichte.
VOll dem der seinen Geist und Seele GOtt ergiebet / Und stracks von Kindheit an nur seinen Schöpffer liebet / Von dem er alles hat / der stellt sein theures Pfand / Daß er bewahren soll in treu und sichre Hand: Und wird wenn alles fehlt / nicht ohne Wucher bleiben / Vielmehr / was er gewinnt zum höchsten Auffgeld treiben. Denn wer sich so verleurt / daß Er zu GOtt sich kehrt / Dem bleibt sein rechtes Gut auff ewig unversehrt.
|| [56]
Ein solches Hertze war bey diesem Mann zu finden / Dem seelgen Dörrien / Er ließ
sich gar nichts binden / Da sonst der Strick der Welt fast alles fesseln kan /
Er sah auff seinen GOtt von Kindes Beinen an. Daher war seine Lust der Weißheit
nachzugehen / Und unverdroßne Müh beständig außzustehen / Biß Er die Lorbeer
trug für den bewehrten Fleiß Und wider allen Neid behielte seinen Preiß. Als der
Beruff von GOtt ihm hieß die Heerde weiden Die Christus hat erlöst / war Er
bereit zu leyden Was treuen Dienern wird zu leyden fürgestellt / Woll wissend /
daß ihr Lohn sey schlecht bey dieser Welt. Er litte demnach gern / als wie ein
JEsus-Streiter Und war beständig treu / ein redlicher Arbeiter Im Dienste seines
HErrn: Biß daß es GOtt gefiel / Zu schencken ihm die Cron der Treue köstlichs
Ziel. Da ward der Hertzens-Wunsch des Seeligen erfüllet / Da ward der
Seelen-Durst und Seufftzen nun gestillet / Daß Er von aller Welt und Sünden-Last
erlöst Bey Christo solte seyn für alles Leyd getröst / Für Kummer recht erfreut.
Woll Ihm der nunmehr lebet In höchster Seeligkeit / darnach Er hier gestrebet.
Er hat bey Zeiten Ihm sein bestes Theil erwehlt / Drum Ihn im Tode selbst kein
Trost noch Leben fehlt. GOtt lasse die Gebein in sanffter Ruhe liegen Und in dem
Grabe selbst begrünten Wachsthum kriegen. Der seegne was allhier des Seelgen
Nahmen trägt / Daß Heyl und Wollergehn werd auff sein Hauß gelegt.
|| [57]
CARMINA LUGUBRIA.
I.
QUem pietas, doctrina, fides, patientia, candor Formarant gregis exemplum, Patremque ducemque Hunc cito surripuit non exorabile fatum. Corpore molle cubat tristis sub tegmine cippi At mens caelicolis semper sociata triumphat. Tristanti domui lachrymis sua fata riganti, Sit Deus ipse pater, judex, vindexque benignus. In luctuosum at beatum obitum, Collegae & Compatris sui desideratissimi paucula haec apponere voluit M. JUSTUS Witter / P. ad D. Georg & Min. Senior.
|| [58]
II.
DU theurer GOttes-Mann hast nun das Ampt vollendet / Daß dir vertrauet war / und deinen Lauff vollbracht; Nachdem du selbsten dich in keinem theur geacht / Nur GOttes Knecht zu seyn: O seelig / der so endet! Dieses wenige wolte zum Denckmahl gepflogener auffrichtiger Collegialischer Freundschafft mit dem sehligen Herrn Mag. hinzusetzen M. FRANCISCUS HENRICUS Meyer. P. ad D. Andr.
III.
EXimii quondam doctoris imago Johannes, Et laetus JESU prodromus usque sui. En / de more tubae resonans deserta per arva, Ad Domini incessum stravit ubique viam. Terricolis iter is coeli monstravit ad astra; Ad mortem, JESU fidus & ipse fuit. Hic Noster praeco defunctus nempe Magister Sane Joannes alter adusque fuit. Hicce fide, vitae, morum probitate coruscus, Ut lumen clarum & sidus in urbe fuit.
|| [59]
Hic docto fidei pia
verba sonabat & ore, Et tonuit summi jussu verenda Dei. Hic iter Evigenis
monstravit ad atria coeli Et docuit purè dogmata sacra Dei; Svaviter erexit
lassusque favore supremi Gratia(Ulricus quasi Huldreich.) sic gratum nomen habere dedit. Ast
heu! hic Vates est funere mersus acerbo Corpus & exstinctum tristia busta
tenent. Sed quoniam Domino servivit pectore fido Iste suo servo caelica regna
dedit. Ante thronum JESU degens sine fine beatus Trisagium laetus perpete voce
canat. Sic voluit DEUS hoc donum(Dörrien si scribatur Dorien quasi
deno.) quod contulit ipse, Coeli laetitiis
ergo beare sui.
Haec in honorem beate defuncti Domini Subsenioris adjicere voluit
M. JACOBUS Dörrien / Pastor ad S. Lamberti.
|| [60]
IV.
DÖRRIUS, integrior quo non vivebat in Urbe Nostra, sincera nec pietate prior, Cum moritur tristi submersus funere fato, Commissumque sibi linquit ovile, gregem: Ipsa rigat Pietas lacrymarum flumine vultus, Ingemit & toto pectore Prisca Fides. Quis nostrûm cesset proprios his jungere luctus, nostro Quis lacry mis nolit busta rigare piis? Lugendum hôc magis est, quo plures tempore Vivunt, qui simulant cum Pietate Fidem. Sed magis hôc etiam luctum fas ponere, vitae Quo minus hîc fas est de brevitate queri. Nam qui sic, medio quamvis, decedit, in aevo, Longior hunc sequitur, quam data vita fuit. Optimo integerrimoque Domino DÖRRIO, de Ecclesia Christi praeclarè merito, eoque nomine immortali laude digno, hoc sincerae amicitiae monumentum ponere voluit, debuit M. JOH. HENR. Rittmeyer / Pastor ad St. Lamberti.
|| [61]
V.
NIemand beweine den / der selbst für freuden lachet / Der seinen Wunsch erreicht nach so viel Angst und Müh! Es hat / Geehrteste / GOtt alles woll gemachet; Der Vater ruht dort auß / und lebt im Sohne hie. Mit diesem wenigen wolee seine Hochachtung gegen den Seelig-Verstorbenen und seine Freundschafft gegen die Hinterlassene bezeugen. SYLV. Tappen / P. ad D. Andr.
VI.
ISt denn mein Baum verdorrt? mögt Sie Frau Dörrien klagen; Der mir und meinem Hauß den kühlen Schatten gab. Ist dann mein Mann schon todt? Was soll ich Wittwe sagen? Die Freude ist dahin / der Trost / der Nahrungs-Stab.
|| [62]
Allein was klaget Sie? Sieht Sie
nicht daß Er blühet An seinem Lebens-Stamm in GOttes Paradeiß? Sieht Sie nicht
auch wie GOtt die Zweige hervorziehet? Und daß an Vaters Stell gepropfft ein
grüner Reiß?
Ach ja / noch Trost genug! Verlust ist mir ersetzet: Mein Mann der grünt in GOtt / in Ruhm / und in dem Sohn. GOtt sey gelobet stets / der so mein Hertz ergetzet. Er fahre ferner fort mit seinem Gnaden-Lohn. Diß wolte dem wollseeligen Herrn Subseniori und im Leben hochgeschätzten Collegen zu Pflicht und Ehren / und der Fran Witwen zu Trost beyfügen Rudolph August Stieber / Past. ad D. Martin.
VII.
OPtime te summo DOMINO, Pater euge! probasti, Qui sua commisit jussa verenda Tibi. Optatas etenim servus, nec inutilis esse, Et Tibi commissas pascere fidus oves.
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Vinea quae CHRISTI Tibi
demandata, sacrato Dogmate, voce, stylo, creverat illa Tuo. Mirum! quae Tibi
cunctipotens concesserat inde, Manarintque sacro quae Tibi fonte bona. Virtutum,
Pietas Regina, in corde vigebat, Relligio sedem fixerat ore suam. Integer, hoc
semper duxisti opus esse supremum, Displicuisse malis, seque probasse bonis.
Flexanimo sermone, oestro Tu percitus irae Sanctae, carpebas crimina tetra Tuo.
Idem, si turpis facti fortasse pigebat, Tristitiae miseris dulce levamen eras.
Scilicet, hoc studio magni penetrale Tonantis Jam patet, immensi & regia
celsa Tibi. Quâ tandem exceptus rosei ut novus incola coeli, Mysta sacer cunctis
non leve Nomen eris.
J. J. Chaden / Lunaeburgens. Gymnasii
Andr. Alumnus.
VIII.
OPtima quaeque rapit mors, pessima quaeque relinquit, Conditor Iliadis magnus Homerus ait.
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Indignans querulis verbis & voce gemente, Egregios celeri morte perire
viros. Sed viles homines, quos nullis dotibus auxit Natura, in mundo vivere
posse diu. Gentilem vatem verissima verba locutum DÖRRIUS exemplo comprobat ipse
suo. Qui vigili studio dum publica commoda quaerit Ut candela cadit, fataque
dura subit. O tristem nimium casum lachrymosaque fata, Quae nos affligunt hoc
moriente viro. Sed quis consiliis jussisque resistere Patris Audeat aeterni?
Quis reprehendat eum? Propterea lachrymis turgentia lumina moestis Siccemus,
lachrymae hunc non revocare queunt. Tu vero tantâ Vir devenerande fruaris
Prosperitate, Tibi quam Deus ipse dedit. Sis multum laetus, sis terque quaterque
beatus, Et nitidi capias gaudia blanda Poli.
JOHANNES THEODORUS Schorkopff /
Gymnasii Hilde siensis Andreani alumnus.
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VIII.
Bespräch.
ACh Bruder! Weißt du was? O Leid! das uns betroffen? Der welcher uns nun erst als Vater helffen solte / Macht uns zu Waysen bald / ach! wider alles Hoffen. Ich weiß versichert nicht / wer uns nun schützen wolte. A. H. Dörrien.
IX.
Antwort.
MEin Bruder / weißt du nicht / daß GOtt im Himmel lebet? Der Waysen Vater / der so gerne hilfft auß Noht! Ps. LXVIII. 6. Die Waysen / Wittwen / selbst auch auß dem Staub’ erhebet / 1. Sam. II. 8. Drum hange nur an Ihm / und halte sein Geboht. Lev. XXII. 31. L. E. Dörrien.
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HODIE MIHI,
CRAS TIBI.