|| [ID00003]
Der GOtt-begierige David Und GOtt-begierige Christe / Bey ansehnlicher
Leich-Bestättigung Der Weyland Hoch-Edlen / Hoch-Ehr und Tugend-begabten Frauen
/ FRAUEN
Annen Marien Hantelmannin / gebohrner Adenien / Des Hoch-Edlen und
Wohl-Ehrwürdigen Herrn / HERRN
Conrad Levin Hantelmanns / Des Hoch-Fürstl. Stiffts St. Blasii Canonici und
Fabricatoris, auch fürnehmen Patricii dieser Stadt hertzlich lieb-gewesener
Ehe-Liebsten / Am achten Sonntage p. Trin. war der 22. Julii M DCCXIV.
Aus dem erwehlten Leich-Text Psalm. XLII, 1. 2. Wie
der Hirsch schreyet etc.
Der Hoch-Fürstl. und Vornehmen Trauer-Versammlung und übrigen Bemeinde
vorgestellet von Eberhard Finen /
Hochfürstl. Braunschw. Lüneb. Consistorial-Raht / Hof-und Stiffts-Prediger /
Abten des Closters Michaelstein / und der Inspection Campen
Superintendenten.
Braunschweig / Gedruckt durch Joh. Georg Zilligern / Hertzogl. Priv.
Hof-Buchdr. 1715.
|| [ID00004]
|| [ID00005]
Dem Hoch-Edlen und Wol-Ehrwürdigen Herrn / HERRN
CONRAD LEVIN Hantelmann /
Des Fürstl. Stiffts St. Blasii Canonico und Fabricatori, auch fürnehmen
Patricio dieser Stadt / als Höchst-betrübten
Herrn Mittwer /
Wie auch Dessen säm̅tlichen Lieben Kindern Und übrigen Vornehmen
Anverwandten /
Ubergiebet mit hertzlichen Anwundsch göttlichen und kräfftigen Trostes / auch alles selbst-erwündschten Seegens und Beystandes / diese Leich-Predigt / Dero Gebets und dienstwilligster Eberhard Finen.
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|| [ID00007]
J. N. J.
GOTT! der lebendige GOtt / bey dem allein die lebendige Quelle / die den Durst unsrer Seelen stillet. JESUS L Hristus / der da hat lebendiges Wasser / von welchem wer da trincket / dem wird nimmer wieder dürsten; Und der werthe Heil. Geist / der in uns den heiligen Durst nach GOTT erwecket / und allein zu der rechten Trost-Qvelle leiten und führen kan; Dieser Dreyeinige GOtt öffne itzt diese Trost-Quelle den Betrübten; Er wircke in uns allen einen heiligen Durst und Begierde nach Ihm selbst / und stille denselben mit Ihm selbst in Zeit und Ewigkeit Amen.
|| [2]
Vorrede.
ER begehret mein / so will ich ihn aushelffen. Mit diesem Worten fällt GOTT
dorten dem König David ins Wort Ps. XCI. v. 14. und giebt darinn eine herrliche
Hoffnung vor GOTT-begierige Seelen. David hatte diesen gantzen Psalm herdurch /
denen Schützlingen GOTTES viel Gutes versprochen; mächtigen Beystand /
kräfftigen Trost / sicher Geleite von GOTT und seinen Engeln / krafft dessen sie
Löwen / Ottern und Drachen solten unter die Füsse treten; Und da fällt ihm nun
GOTT ins Wort / und will mit einer neuen Verheissung denen Zusagen Davids ihr
rechtes Gewichte geben. Er begehret mein spricht er / so will ich ihn aushelffen
/ rühmet damit zuforderst das Gute so Er an seinen Schützlingen findet / und
erbeut sich ihnen davor recht was Gutes wiederfahren zu lassen. Jenes heist: Er
begehret mein / dieses: Darum will ich ihn aushelffen. Jenes deutet an die
brünstige Liebe / davon der Gläubigen Hertz gegen Ihm entzündet / und das aus
solcher Liebe entstehende sehnliche Verlangen und innigliche Wündschen Ihn als
das höchste Gut zu haben / und mit Ihm hier im Glauben / dort im Schauen sich zu
vereinigen; Dieses / das Aushelffen praesupponiret die unumgängliche Noht und
Gefahr / in welche GOTT die Seinen nach seinem heiligen Raht und Willen gerathen
lässet. Aus denselben sich zu helffen reicht ihr Vermögen nicht zu / Menschen
Hülffe auch nicht / darum will Ers thun / Ich will ihm aushelffen / Ich will die
Gefahr abwenden und ihn daraus mächtig erretten.
|| [3]
O ein herrliches Erbieten / dessen GOTT begierige Seelen durch ihr gantzes Leben
/ fürnehmlich aber in der letzten Todes-Noht zu geniessen und sich zu erfreuen
haben. Je hefftiger sie zu solcher Zeit ihres GOttes begehren / je kräfftiger
erfolget die Aushelffung / denn da erlöset sie der HERR von allem Ubel / und
hilfft ihnen(2. Tim. IV,
18.) aus zu seinem himmlischen Reich.
Solte die Weyland Hoch-Edle und Tugend-begabte Frau / Frau Anna Maria
Hantelmannin / gebohrne Udenien / des Hoch-Edlen und Wol-Ehrwürdigen Herrn
Conrad Levin Hantelmanns / des Fürstlichen Stiffts S. Blasii Canonici und
Fabricatoris, auch Patricii hieselbst hertzlich lieb-gewesene Ehe-Liebste /
ihren erblasten Mund wieder öffnen / und uns noch ein Wort können hören lassen /
würde es dieses seyn: Der HERR hat mir ausgeholffen. Ich meine ja dieselbe hat
ihres GOttes / wie durch ihr gantzes wolgeführtes Leben / so insonderheit in
ihrem Sterbe-Bette begehret. Sie hatte zwar schon von ihren Tauff-Bunde her ein
Recht zu GOtt / auch ein Eigenthum an GOtt durch den Glauben; zum ruhigen Besitz
aber dieses höchsten Gutes kunte Sie in diesem Leben nicht gelangen / und die
Ruhe und Freude die sie in GOTT haben solte / wurde durch mancherley
Versuchungen / Bekümmernissen / Trübsahl / Kränckungen und Noht unterbrochen /
deswegen begehrte sie billig einen beständigen Genuß und ungefährtes und
ungestöhrtes Vergnügen. Die von GOtt ihr zugeschickte Kranckheit wolte ihr dazu
eine Hoffnung machen. Je grösser diese Hoffnung / je sehnlicher wurde das
Begehren / aber desto näher trat auch GOTT herzu ihr auszuhelffen. Der hefftige
Durst / welchen die Hitze der Kranckheit bey
|| [4]
ihr erwecket / machte sie gedencken an den grossen Durst / welchen
ihr JEsus am Creutz gelitten / und weil sie wuste / daß solcher Durst ihr zuwege
gebracht / daß ihr Seelen-Durst / das ist ihr Begehren nach GOtt solte gestillet
werden / so nahm bey ihr das Vertrauen zu / GOtt würde Ihr / die sein begehrete
/ nun bald aushelffen. Daher kam es / daß sie / als ihre Kranckheit am
hefstigsten / getrost sagte: Ich weiß von keiner Kranckheit mehr / und da der
Todes-Kampff erst angieng / rühmete: Ich habe schon überwunden. Mit was für
Freudigkeit empfieng sie von mir den letzten Seegen / und bezeugte mit allen dem
/ daß sie gewißlich gläubte GOtt würde ihr aushelffen. Nun so ist es auch GOtt
Lob erfolget / Sie begehrete ihres GOttes / und der hat ihr ausgeholffen /
ausgeholffen durch einen seeligen Abschied zu seinem himmlischen Reich.
Ihren hinterbliebenen Hochbetrübten Ehe-Herrn / Frau Mutter / Geschwister und
lieben Kindern / wuste sie keinen bessern Trost zu hinterlassen; als daß sie
bezeugte / es wäre ihr durch sterben nichts wiedriges / sondern das wiederfahren
/ was sie längst gewündschet. Erwehlete deswegen zu ihrem Leichen-Text einen
solchen Spruch / darinn ihre sehnliche GOttes-Begierde und Verlangen nach der
seeligen GOttes-Schau sich ausgedrucket findet. Wir wollen der Wolseel. Frau zu
einen schuldigen Andencken / und letzterer Ehren-Bezeugung / denen Betrübten zum
Trost / uns allen aber zur Aufweckung einer gleichen GOttes-Begierde denselben
einfältig mit einander betrachten / und erbitten dazu den Beystand des Heil.
Geistes in einen gläubigen und andächtigen
Vater Unser.
|| [5]
Leichen-Text.
Ps. XLII. v. 1. 2.
WJe der Hirsch schreyet nach frischem Wasser / so schreyet meine Seele GOTT zu
dir.
Meine Seele dürstet nach GOtt / nach dem lebendigen GOTT / wenn werde ich dahin
kommen / daß ich GOttes Angesicht schaue.
Eingang.
VOn Hertzen begehr ich dein des Nachts / dazu mit meinem Geist in mir wache ich
frühe zu dir / diese Worte finden wir in dem Freuden-Liede welches der Prophet
Esaias im Nahmen der Jüdischen Kirche aufgesetzet Cap. XXVI, 9. Es beschreibt
aber der Mann GOttes mit denselben!
Die GOtt-geheiligte Abend-und Morgen-Stunden der Gläubigen.
Wir besehen Istlich die Abend-und (II.) die Morgen-Andacht.
|| [6]
Von Hertzen / heist es / begehre ich dein des Nachts; Wolten wir dieses annehmen
von der Nacht der Trübsahl / wäre wol nicht ungereimt; denn wenn (Es. XXVI, 16.) Trübsahl da
ist so sucht man ja den HERRN. Weil aber die Früh-Stunden der Nacht entgegen
gesetzet werden / so behalten wir lieber die eigentliche Bedeutung / doch so /
daß wir nicht sowohl die Nacht selbst / als den Anfang derselben / den Abend /
und die Zeit da sich die Sonne unsern Augen entziehet / und uns eine traurige
Dunckelheit hinterlässet / verstehen. Denn GOtt will eben nicht von uns haben
daß wir die Ruhe / dazu Er die Nacht erschaffen / uns mit einer unzeitigen
Andacht stöhren sollen. Alles hat seine Zeit / und so hat auch die Andacht ihre
Zeit; Ehe aber die Gläubigen sich zur Ruhe begeben heiligen sie ihre
Abend-Stunden / womit? Mit einem hertzlichen Begehren ihres GOttes. Von Hertzen
begehre ich dein des Nachts. Dieses Begehren ist nach der Sprache des Heil.
Geistes gar ein sonderliches und ernstliches Begehren / Sehnsucht und Verlangen
nach einer angenehmen Sache. Wie es also gebraucht wird vor dem Appetit oder
Lüsternheit nach süssen (Mich. VII,
1. Deut. XIV, 26.) Wein-Trauben; oder nach allerhand Speiß und
Geträncke / dergleichen Begehren GOtt selbst Ihm zueignet (Ps. 132, 13.) durch den
Mund Davids sagend: Ich begehre in Zion zu wohnen. Die Gläubigen aber richten
solches Begehren nach GOtt; Ich begehre Dein heist es. Unter der Sonnen finden
sie nichts bessers / nichts daß ihres Wündschens und Verlangens so wehrt als
GOtt; Wie derselbige seine Vortrefflichkeiten und allvergnügende Eigenschafften
in seinem Worte denen Gläubigen zu erkennen giebet / mithin / wie Paulus redet /
seine Liebe in ihr Hertz durch den Eimer so vieler Wolthaten / und den süssesten
Geschmack seiner Freundlichkeit gleichsam wie mit einem starcken Guß
|| [7]
ausgiesset / so können sie nicht satt
davon kriegen / sondern(Rom. V,
5.) dern wündschen noch immer mehrere Güte / noch immer mehr
Versicherungen seiner Liebe / ja ihn selbst in einer unauflößlichen Vereinigung
zu haben und zu besitzen. Deß Begehren kömmt von Hertzen / von Hertzen begehre
ich dein. Was von Hertzen kömmt ist keine fliegende Hitze / kein bald kommender
und bald sich wieder verlierender Einfall / kein blosses Mundwerck und
verstohlne Andacht / sondern vielmehr ein eyffriges anhaltendes Nachsinnen; bey
welcher denn das Verlangen immer wächset / und das Seufftzen und Wündschen nach
GOtt aus dem innern des Hertzens immer höher steiget. Bey Tage / da die
äusserliche Sinnen mit diesen mit jenen Objectis zu wundern und zu krahmen haben
/ und dieselbe der Seele gleichsam zu führen / ist dieselbe nicht so geschickt
zu dieser GOttes Begierde / als wenn die einbrechende Nacht heist Feyrabend
machen / und alles umher stille und ruhig ist. Da dencket ein frommes Hertz dem
nach was es des Tages herdurch von seinen GOtt Gutes gehöret / gutes gelesen /
gutes empfangen; und kan zu einer desto brünstigern Andacht zu einem sehnlicherm
Verlangen kommen; drum heist es / von Hertzen begehre ich dein des Nachts.
So aber / wie die Gläubigen bey anbrechender Nacht eingeschlaffen / also wachen
sie wieder auf. Der Prophet spricht in ihrem Nahmen: Darzu mit meinem Geist in
mir wache ich früh zu dir. Geist und Hertz wollen sich hier nicht wol von
einander unterscheiden lassen / sondern wie die Abend-Andacht / so hat auch die
Morgen-Andacht ihren vornehmsten Sitz in der Seele / welche bald das Hertz bald
der Geist genennet wird / und wie die Frommen alle ihren Verstand / Gedancken
und Kräffte der Seelen gegen die Nacht auf das Begehren und Verlangen GOttes
gewandt / und damit eingeschlaffen / so
|| [8]
ist dasselbe so brünstig / daß sie darüber fast nicht recht ausschlaffen
können / sondern bey früher Morgens-Zeit / ermuntert sich der von GOtt erweckte
und zu GOtt gerichtete Geist / und wenn gleich der Tag erst in der Demmerung /
so scheinet schon die Sonne der Gnaden in ihrer Seelen / und bringt dieselbe in
neue Liebes-Flammen / zu neuen Wündschen / Begehren und Verlangen nach dem
höchsten Gut.
Daß also dieses Frühe wachen wird entgegen gesetzet / der Schläffrigkeit / der
Nachläßigkeit und Vergessenheit derer / welche / wenn gleich die äusserlichen
Sinnen wieder ermuntert werden / und in ihre Action und Bewegung kommen /
dennoch die Seele und den Geist / die Gedancken und Neigungen nicht in GOTT
ermuntern noch zu GOTT richten / sondern auf die Tages-Geschäffte / und auf das
Wesen dieser Welt auf eitles Tichten und Trachten wenden; Und bedeutet nun
zuforderst eine Uberlegung des Guten / welches sie des Nachts herdurch von dem
Hüter Israels der nicht schläffert noch schlummert genossen / mithin ein
danckbahres Loben und Dancken vor solche Wolthaten / mit dem sehnlichen Wundsch
und andächtigen Seufftzen / des lieben GOttes / und seiner Güte den angehenden
Tag ferner theilhafftig zu werden und zu bleiben / und zugleich den Heil.
Vorsatz alle Geschäffte / alles Unternehmen so zu fassen / daß man GOTT dabey
behalten / und in seiner Gemeinschafft und Vereinigung ungehemmet wandeln
wolle.
Nun M. A. diß ist die Abend und Morgen-Andacht der Gläubigen wie sie Jesaias
beschrieben / wie sie von allen Gläubigen und Frommen nach der Gnade die GOTT
darreicht auch geübet wird. Wir sehen aber wohl / daß eine heilige sehnliche
GOttes-Begierde das vornehmste in solcher Andacht sey / als womit die Frommen zu
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Bette gehen und wieder aufstehen
/ einschlaffen und erwachen. Je näher sie denn zu ihren Zweck kommen / und je
grösser die Hoffnung des begehrten bald theilhafftig zu werden / je stärcker
wird das Begehren / je sehnlicher das Verlangen / je mehr häuffen sich die
Seufftzer. Bey Krancken und dem Tode entgegen sehenden Kindern GOttes äussert
sich dieses deutlich; die bringen ihre Abend- und Morgen-Stunden / ja die
schlaff-losen Nächte selbst mit einer heiligen GOttes-Begierde hin / und können
wol recht sagen: Von Hertzen begehre ich dein des Nachts / dazu mit meinem Geist
wache ich frühe zu dir. Da die vor uns stehende Wolseel. Frau Hantelmannin in
ihren Krancken-und Todt-Bette lag / war sie dessen gewiß ein bewegliches
Exempel. Ihre Fertigkeit zum Tode / ihre Freudigkeit zum Abschied aus dieser
Welt hatte warlich eine heilige GOttes Begierde zum Grunde. Es lassen uns nicht
daran zweiffeln die vorhin abgelesene Worte Davids / welche / da sie dieselbe zu
ihren Leichen-Text erwehlet / hat sie deutlich zu erkennen gegeben / daß
dieselbe ihr Hertz und Gedancken / ihren damahligen Sinn recht ausdrücketen /
und Davids Begierde auch ihre Begierde wäre. Wir wollen dieselbe der Wolseel.
Frau zum Andencken / uns aber zur Erbauung in der Furcht GOttes zu betrachten
vor uns nehmen / und E. L. daraus vor Augen stellen:
Den GOTT-begierigen David.
|| [10]
Tractatio.
HNser GOTT-begierige David giebet seine GOTTes-Begierde in vorhadenden Text zu
erkennen
(I.) In einem Gleichniß.
(II.) In deutlichen Worten. Er vergleicht sich mit einem nach frischen Wasser dürstenden und schreyenden Hirsch sagende: Wie der Hirsch schreyet nach frischen Wasser. Der heilige Geist / welcher hier dem David nicht allein Hertz und Mund regieret / da er seine GOttes-Begierde zu erkennen gegeben / sondern auch die Feder oder Griffel geführet / als er diese Worte aufgezeichnet / pfleget uns mehrmahlen zu denen Geschöpffen GOttes zu führen / nicht nur an denselben die Weißheit unsers Schöpffers zu erkennen / sondern auch unsern Vorzug / und mithin einige Gleichheit unsers Zustandes mit den Ihren bey ihnen anzumercken. Hier muß also ein Hirsch ein wildes doch bekanntes Thier das Bild abgeben / in welchen David seine Begierde und Verlangen ihm selbst und uns vorstellen wollen. Zwar haben die Ausleger heiliger Schrifft vieles an den Hirsche bemercket / welches den Zustand eines Gläubigen abbilden könne; David aber richtet seine Gedancken fürnehmlich auf das Schreyen des Hirsches / und wie die Worte es geben auf die Ursache solches Schreyens nemlich den Durst. Denn es heist: Wie der Hirsch schreyet nach frischen Wasser. Woher dieser Durst des Hirsches entstehe / davon haben alte und neuere Schrifft-Gelehrte unterschiedene Gedancken. So ist bekannt / daß einige von denen Vätern der Kirchen aus der Historia animalium ihrer Zeiten / die
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von denen Hirschen an
sich gezogene / und verschluckte Schlangen als eine Ursach seines Durstes
angeben; massen sothaner Schlangen-Gifft eine hefftige Hitze / und folglich den
Durst bey ihnen erwecken müssen. Diese Meynung kan zwar in der application des
Gleichnisses gute Gedancken geben; indem freylich mit den Genuß der verbotenen
Frucht der Mensch den sündlichen Schlangen-Gifft eingesogen / und wenn er dessen
Hitze fühlet / Ursache hat nach Trost und Hülffe zu dürsten / und ein sehnliches
Verlangen zu tragen. Ob sie aber in der Natur gegründet / lassen wir dahin
gestellet seyn. Indessen darff es keines Beweises / daß die starcke Sommer-Hitze
einen Hirsch voraus in weitläufftigen dürren Heyden lechtzen und durstig mache.
Noch mehr kan dazu helffen wenn Jäger und Hunde den Hirsch verfolgen / und im
Walde und Feldern weitlich umtreiben. Da muß das arme Thier verhitzet werden /
und so viel der trockene Gaumen zulässet / durch hefftiges Schreyen seinen Durst
zu erkennen geben. Und zwar einen so hefftigen Durst / welchen nicht etwa ein
wenig zusammen gelauffenes Wasser stillen könne / sondern / wie es in der
Sprache des heiligen Geistes lautet: Gantze Bäche oder Quellen frischen Wassers
möchte er vor hefftigen Durst verschlucken. Nun mit einen solchen durstenden und
nach Wasser schreyenden Hirsch vergleicht sich David in seiner GOttes-Begierde;
Also / spricht er / schreyet meine Seele GOtt zu dir.
Wird ein Hirsch / wie vor gedacht durch die hefftige Sonnen-Hitze / und durch das
Herumtreiben der Jäger und Hunde ausgehelliget / und zu solchem Durst gebracht /
daß er nach Wasser schreyen muß / so hat es gewiß dem König David die Hitze der
vielfältigen Trübsalen / und mehrmahlen die das Hertz recht angreiffende
Sünden-Angst / nicht weniger die Zunöthigungen und Bedrängnissen seiner Feinde
und Verfolger so nahe gele
|| [12]
get
(Ps. CII, 4.) / daß /
seiner eignen Geständniß nach / seine Gebeine sind verbrand wie ein Brand / sein
Hertz geschlagen und verdorret wie Graß. Was Wunder wenn er in solcher
Beängstigung geschrieen / und durch solch Geschrey seine Noht an den Tag gelegt?
Er legt aber das Geschrey der Seelen zu: Meine Seele / sagt er / schreyet zu
dir. Die Leyden Davids traten ihm hauptsächlich ans Hertz und an die Seele. Ob
nun wol dieselbe eigentlich nicht schreyen kan / sondern / das Schreyen gehöret
dem Munde zu / so pflegt doch David insgemein sowol seine Bet-als Lob-Stimme der
Seelen zuzulegen; Wie solches hin und wieder in seinen Psalmen wahrzunehmen.
Einmahl deswegen / weil dieselbe aus dem innersten Verlangen der Seelen
herrühren / und der Mund nur dasjenige was die Seele ängstiget und quälet / muß
hervorbringen; theils auch / in der Absicht / weil das Verlangen und Begehren
der Seelen / wenn schon keine Stimme oder äuserlich Geschrey dasselbe an den Tag
leget / dennoch in den Ohren GOttes wie ein starckes Geschrey erschallet. Moses
sagt kein Wort / da er einstens vor Israel den Sieg erbitten wolte / und dennoch
(Exod. XIV, 15.) sagt
der HERR zu ihm; Was schreyest du zu mir / und der Heil. Geist schreyet in dem
Hertzen der (Gal. IV,
6.) Gläubigen Abba! lieber Vater. Dieses aber giebt er insonderheit
hiermit zu verstehen / daß sein Verlangen / seine Begierde / welche er mit Mund
und Feder hier ausdrucket / ein recht innigliches / hertzliches / ernstliches
Verlangen sey.
Wohin aber ist dieß sein Verlangen gerichtet? Was ists das David so sehnlich
begehret / wornach er so ängstiglich schreyet? Meine Seele / sagt er / schreyet
O GOtt zu dir! Der Anspruch welchen David an GOtt thut / giebt uns zu erkennen /
daß es ihm mitten in sei
|| [13]
ner
Angst nicht anders vorkomme / als sehe er seinen GOtt vor Augen. Wie dorten der
Hagar / als sie bey ihrem und ihres Sohnes Durst in der grössesten Betrübniß saß
/ und ihr und ihres Kindes Leben schon hingegeben hatte /(Gen. XXI, 16. 19:) durch
GOttes sonderbahre Güte ein Wasser-Brunn in die Augen fiel / dahin sie gehen /
ihre Flaschen füllen / und sich und ihren Knaben träncken kunte / so thut auch
hier der gütige GOtt dem König David die Augen auf / daß er ihn als den Brunn
des lebendigen Wassers ersiehet / und daraus seine lechzende Seele träncken und
erquicken kan. Ach GOtt wil er sagen / du bist es / des ich begehre / du bist es
/ der meinen Durst kan löschen / nach dir schreyet / nach dir sehnet sich meine
Seele; Mein Scepter / meine Krone / wenn ich sie gleich ruhig tragen könte /
würde es doch nicht ausrichten / und wenn ich alle Glückseeligkeiten dieser Welt
bey einander hätte / wäre meiner Seelen nicht damit geholffen; alles dasjenige
was die Welt hat / ist nicht wehrt daß man ein Wort darum verliere / geschweige
denn daß man darnach schreyen solle; Drum GOTT nach dir schreyet meine Seele /
sie schreyet aber / wie ein Hirsch schreyet aus hefftigen Durst; Meine Seele
dürstet nach GOTT nach dem lebendigen(Es. XXXVIII, 17.) GOTT. Er schreibt abermahl
den Durst der Seelen zu / weil dieselbe die rechte Empfindung hatte von dem was
David fehlete / und folglich auch am meisten bekümmert war dasselbe anzuschaffen
/ und seiner theilhafftig zu werden.
Der Durst eines Menschen deutet zuforderst an einen Mangel dessen / womit dieses
Leyden zu stillen / denn auch eine hefftige Begierde / dessen hab-und
theilhafftig zu werden / so findet sichs in der Seelen Davids; da wird zum
öfftern der Mangel lebendigen Trostes sehr groß / daß er sagt: Meine Seele will
sich nicht trösten(Ps. LXXVII,
3.) lassen; Es gieng ihm wie dem Hiskia daß ihm
|| [14]
(Ies. XXXVIII, 17.) um
Trost sehr bange wurde. Und so groß der Mangel / so schmertzlich war das
Verlangen / daß keinen ausgehelligten Hirsch so sehr nach einer frischen Qvelle
verlangen kunte / als ihm nach denen freudigen Tröstungen seines GOttes. Nach
GOtt / sagt er / nach den lebendigen GOTT dürstet meine Seele. Er thut als wenn
er sich von dem vorhin im Glauben erblickten GOtt weg wende / und mit andern
rede / ihnen zu zeigen / wer es sey nach dem er sich so ängstiglich sehne. Denn
dieß ist seine Arth / daß er / seines Trostes / und seiner Freude andere gern
mit theilhafftig macht. Dieses giebt er anderswo zu erkennen mit diesen Worten:
Meine Seele soll sich rühmen des HErrn / daß die Elenden hören und (Ps. XXXIV, 4.) sich freuen.
Preiset mit mir den HErrn / und last uns mit einander seinen Nahmen erhöhen / da
ich den HErrn suchte / antwortete Er mir / und rettet mich aus aller meiner
Furcht.
Er nennet aber den GOtt den er gefunden einen lebendigen GOtt. Mit diesen Nahmen
haben Moses / Josua / David / die Propheten und Apostel den grossen GOtt
vielfältig beehret / Ihm dadurch das Voraus oder den Vorzug vor allen leblosen
Götzen der Heyden zu lassen; (Ps.
CXV, 4. s.) als in denen kein Leben / welche Augen haben und
nicht sehen / Mäuler und nicht reden / Ohren und nicht hören / Nasen und nicht
riechen / Hände und nicht greiffen / Füsse und nicht gehen. Mit solchen wäre dem
David wenig gedienet / und wenig Labung vor sein durstiges Hertz bey ihnen zu
hoffen gewesen seyn: Sein Durst wolte mit einer lebendigen Quelle gestillet seyn
/ und die fand er nirgends besser (Jer. XVII, 13.) als bey GOtt bey dem lebendigen GOtt. Der ist
lebendig / weil Er das Leben in Ihm selber und von Ihm selber hat / und zwar so
gewiß / daß wenn Er etwas fest betheuren und versichern will / so betheuret Ers
|| [15]
bey seinem Leben. Daher heist es
so offt in Heil. Schrifft! So wahr ich lebe s. w. GOTT heist aber auch der(Jes. XLIX, 19. Ez. XVIII,
20.) lebendige GOtt / weil alles was da lebet und Odem hat
solches von Ihm hat / insonderheit wir Menschen. Was unser natürliches Leben
betrifft / müssen wir ja sagen: In ihm leben / weben / und sind wir. In(Act. XVII, 28. Eph. II,
5.) Absicht des geistlichen Lebens heist es: Da wir todt waren in
Sünden / hat uns GOtt sammt Christo lebendig gemacht; Auch das ewige Leben
giebt(Joh. X, 28.)
JEsus den Schaafen seiner Heerde. Nun so ist es denn dieser lebendige GOtt
dessen David begehret. Faul stinckendes Wasser würde es dem dürstigen Hirsch
nicht thun; dem durstigen David auch nichts / was nicht lebendige Krafft mit
sich führete. Wie er denn wol eher zu dem lieben GOTT gesagt / bey dir ist die
lebendige(Ps. XXXVI,
10.) Quelle / so setzet er alles zurück was nicht GOTT ist / und
verlanget durch dessen Gnade / durch dessen kräfftigen Trost aufs neue belebet
zu werden.
Wir sehen aber nun noch mit wenigen an; Wie David seine Gottes-Begierde zu
erkennen giebet: Mit deutlichen Worten: Er spricht: Wenn werde ich dahin kommen
/ daß ich GOttes Angesicht schaue. Man siehet bald aus dieser Frage / daß Davids
GOttes-Begierde gar sehnlich gewesen / daß ihm die Zeit sehr lange gedaucht /
ehe er sein vorgesetztes Ziel erreichet; Sie ist aber nichts anders als ein
Wundsch zu GOtt zu kommen / und bey GOtt zu seyn. Was er denn vorhin so
ausgedrücket: Meine Seele schreyet zu GOtt wie ein Hirsch nach frischem Wasser /
meine Seele dürstet nach GOtt; ist eben das was er nun in diesen Wundsch fasset;
Ach ich wündsche hertzlich GOttes Angesicht zu schauen. Nicht ohne ist
|| [16]
es / daß die Redens-Arth GOttes
Angesicht schauen / oder vor GOttes Angesicht kommen im A. T. mehrentheils die
Erscheinung in dem Heiligthum und dem öffentlichen Gottesdienst bedeute. Denn
GOtt hatte seinem (Exod. XX,
14.) Volck verheissen / Er wolle an dem Orth da Er seines
Nahmens Gedächtniß stifften würde zu ihnen kommen und sie segnen. Insonderheit
solte sein Angesicht leuchten vor und auf dem Gnaden-Stuhl. Ob nun wol
diejenigen welche in der Hütte des Stiffts kamen / nicht in das Allerheiligste
und vor den Gnaden-Stuhl gelassen worden / denn allein der Hohe-Priester durffte
nur einmahl im Jahr hinein gehen; so richteten sie doch allezeit ihr Angesicht
bey ihrem Gottesdienst gegen dem Gnaden-Stuhl / und hieß also vor GOttes
Angesicht erscheinen eben so viel als GOTT in der Stiffts-Hütten / oder
nachgehends in dem Tempel dienen. Dieses war denn freylich dem König David gar
empfindlich und schmertzlich / daß er in seinem Exilio in der Flucht vor Saul
und Absolon von dem Gottesdienst zu Jerusalem / und von den fröhlichsten
Jahr-Festen abgehalten und entfernet werden muste / und also GOttes (Ps. XXVII, 4.) Angesicht
nicht kennen und die schönen Gottesdienste des HErrn nicht schauen und seinen
Tempel besuchen kunte; Maassen er bey solchem Gottesdienste seines GOttes und
dessen Güte mit höchst-freudiger Empfindung theilhafftig werden / seine Seele an
Ihm (Ps. XXXIV,
9.) sättigen und schmecken und sehen kunte wie freundlich der HERR
wäre. Er hatte deswegen lieb die (Ps. XXVI, 8.) Stätte des Hauses GOttes. Und stimmet nicht
ohne Uhrsach an: Wie lieblich sind deine Wohnungen (Ps. LXXXIV, 23.) HErr Zebaoth! Meine Seele
verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des HERRN.
|| [17]
Ich freue mich des / daß mir geredet
ist / daß wir(Ps. CXXII, 1.
seq.) werden in das Hauß des HErrn gehen / und daß unsre
Füsse werden stehen in den Thoren Jerusalems. Jedennoch war sothaner Genuß des
lieben GOttes noch lange nicht in solcher Vollkommenheit hier in der Welt zu
haben / daß Davids Begierde recht dadurch könte gestillet und vergnüget werden;
Sondern das rechte Anschauen GOttes bleibt ausgesetzet in das ewige(Matt. XVIII, 10.) Leben /
als in welchen bereits die Heil. Engel das Angesicht unsers himmlischen Vaters
sehen / und(Mat. XXII, 20. 1. Cor.
XIII, 12.) die Gläubigen / welche den Engeln Gottes gleich
seyn werden / werden daselbst auch GOtt sehen von Angesicht zu Angesicht. Dieß
wuste David / und tröstet sich damit / wenn er sein Gebeth wieder alle seine
Feinde mit diesen Worten schleust! Ich will schauen dein(Ps. XVII, 15.) Antlitz in
Gerechtigkeit / ich will satt werden wenn ich erwache nach deinem Bilde.
Ja eben dieses satt werden war nirgends zu hoffen als in dem ewigen Leben. Und
dahin gehet nun der Wundsch Davids / daß er doch seinen GOTT möchte haben / bey
und durch einen frölichen Gottesdienst / und an denen Gedächtnissen seiner
Wunder / und an den Verheissungen seiner ewigen Gnade und Erlösung sich
erquicken. Aber das Anschauen Gottes im ewigen Leben / liegt ihm zugleich mit in
dem Sinn / weil er wuste / daß das Trost-Wasser / damit er hier seine Seele
stillete / auch in das ewige(Joh.
IV, 44.) Leben quillen würde. Und also wündschet er auch
durch einen seeligen Abschied aus dieser Welt zu seinem GOtt zu kommen. Wer den
David kennet / wird hierbey sich des zu bescheiden wissen / daß sein Wundsch und
Begierde zwar sehnlich und hertzlich / aber doch dabey demühtig und gedultig
gewesen / und sonder
|| [18]
Zweiffel diese
dem David gewöhnliche Clausul werde mit (2. Sam. XV, 26.) sich geführet haben. Siehe
hier bin ich / GOtt mache es mit mir wie es Ihm wolgefällt.
Usus.
WAs können wir hierbey füglicher zu unser Erbauung ansehen / als den
Gott-begierigen Christen. Was da sey die Gottes-Begierde haben wir an den König
David wahrgenommen: Sie ist ein brünstiges und hertzliches Verlangen / GOttes /
als des höchsten Gutes theilhafftig zu werden und zu bleiben / hier in der Welt
durch die gewisse Versicherung seiner Gnade / dort aber durch das allein völlig
vergnügende Anschauen seines Angesichts. Diese Gottes-Begierde muß sich denn nun
billig nach dem Exempel Davids auch bey einen jeden Christen finden. Wir können
hier ja den König David nicht anders ansehen als einen Gläubigen / der mit GOTT
im Bunde stehe. Da haben wir aber die rechte Beschreibung eines Christen / der
ist mit GOtt in der heiligen Tauffe durch den geschenckten Glauben in den Bund
getreten. Krafft dieses Glaubens erkennet er so wol als David / daß alles was
nicht GOtt / nicht so gut und zulänglich sey / daß es unser Verlangen stillen /
und unser Hertz beruhigen könne / und also misset und schreibet er dieses allein
dem lieben GOtt zu.
Vermöge des Bundes den er mit GOTT gemacht / hat er recht zu GOtt / darff sich
seiner Liebe / seiner Huld und Gnade getrösten und ohne Wiederspruch anmaassen.
Er findet aber dabey sowol als David / daß ers noch lange nicht dahin gebracht /
daß er ohngestöhret / ohne hier
|| [19]
und
dar beeinträchtiget zu werden / dieses Guten in seiner vollkommenen Krafft
geniessen könne. Indessen / wie ein Christ / sowol als David / die
Thränen-Speise Tag und Nacht kosten muß / so hat er auch wol Uhrsach sich nach
GOTT zu sehnen / der ihm abwische die Thränen von seinen Augen; Wie er sowol als
David / wie ein Hirsch hier und dar beängstiget / herum getrieben / von den
Hunden umgeben / angehetzet und angeschossen wird / so wird seine Seele dadurch
matt und ausgehelliget / es entstehet bey ihm ein anhaltender Durst / welcher
nirgends anders / als bey GOTT der lebendigen Quelle hier gemäßiget / dort aber
völlig gelöschet werden kan. So sehet ihr denn wohl M. A. daß bey einem jeden
rechtschaffenen Christen eine heilige Gottes-Begierde sich finden müsse. Ja das
ist eben die rechte Arth und Eigenschafft einer von GOtt begnadigten Seelen /
daß sie alsdenn erst gnug hat / wenn sie GOtt hat. HERR(Ps. LXX, 25.) wenn ich
nur dich habe / sagt sie / mit Assaph / so frag ich nichts nach Himmel und Erden
/ wenn mir gleich Leib und Seel verschmacht / so bistu doch allezeit meines
Hertzens Trost und mein Theil; daher sie denn immer den Jesaia nachspricht:
Von(Jes. XXVI, 19.)
Hertzen begehr ich dein / Und abermahls mit David seufftzet: GOtt du bist mein
GOtt / früh wache ich zu(Ps. LXIII,
2.) dir / es durstet meine Seele nach dir. Meine Seele(Ps. CXLIII, 6.) dürstet
nach dir wie ein dürres Land.
Und wenn wir die Sache recht ansehen / so begreiffen wir bald / daß dasjenige /
was ein Mensch begehret / darum begehret wird / daß es ihn soll glückseeliger
machen. Sehet aber an / alles was nicht GOtt ist / ihr werdet nichts darunter
finden / daß solchen Effect und Würckung habe. Glückseelig seyn / will eine
Vergnügung des Hertzens erfordern / wo ist die wol bey
|| [20]
irrdischen Dingen zu finden? Salomon
sagt: Wer Geld liebet / wird des Geldes nimmer satt / und (Eccles. V, 9.) ich sage
überhaupt: Wer das Irrdische liebet wird des Irrdischen nimmer satt / warum?
Alles Irrdische (1. Cor. VII,
31.) sagt Paulus ist nur ein eine
Verthönung / ein Schein und Schatten-Wesen; irrdische Dinge sind (2. Cor. IV, 18.) Zeitlich. Was unter den Mond / ist so veränderlich (1. Joh. II, 17.) als der
Mond. Die Welt vergeht / und ihre Herrlichkeit ist wie ein Blumen-Strauß /
welcher verwelcket indem man daran reucht; wie ein Eyß / welches zerschmeltzet /
indem man es in der Hand hält.
Glückseelig seyn wil eine Beruhigung des Hertzens erfordern / wo ist die vom
irrdischen Dingen zu gewarten? (Prov. XI, 2.) Gut hilfft nicht am Tage des Zorns / spricht
Salomo. Wenn der Geist und das Gewissen rege und unruhig werden wegen der Sünde
/ da sind sie keine Harffe diesen bösen Geist zu stillen. Wo die Seele durch die
Sünde verwundet / kein Oel / das in solche Wunden dienet. Höret was Ezechiel
saget: Sie werden (Ez. VII,
19.) ihr Silber hinauf auf die Gassen werffen / und ihr Gold als
einen Unflath achten: Denn ihr Silber und Gold wird sie nicht erretten am Tage
des Zorns des HErrn. Ja mehr Unruhe / mehr Plage als Ruhe findet sich in den
irrdischen Dingen / sie (Marc. XIII,
17. Hos. XII, 2. Hab. II, 6.) heissen Dornen die müssen ja das
Hertz noch mehr zerreissen; Sie heissen ein Wind / dabey findet sich Sturm und
Ungewitter; Ein Schlamm / und wehe dem der ihn auf sich ladet. Es bleibet auch
wol bey dem Ausspruch Pauli: (1.
Tim. VI, 9.) Die da reich werden wollen die fallen in
Versuchung und Stricke / und viel thörichter und schädlicher Lüste / welche
versencken den Menschen ins Verderben und Verdammniß. Ja daß denn ein Christ
|| [21]
solche unvergnügliche / unbeständige
/ nicht beruhigende / folglich nicht glückseelig machende Dinge begehren solte!
Wolt ihrs thun ihr Welt-Gesinnete / so sage ich euch aus Jacob. IV, 2. Ihr seyd
begierig / und erlangets damit nicht. Es wird euch gehen / wie einen Krancken /
welcher diese oder jene Speise begehret / und meinet daran wolle er sich
erquicken / wenn er sie aber kriegt / eckelt ihm davor / und mag sie nicht
kosten. Kommt euch Welt-Verliebten solcher Eckel / kommt der bittere Geschmack
nicht gleich / so wird er kommen / wenn ihr der Süßigkeit und des Trostes am
meisten bedürfftig wäret. Darum begehret ein Christ billig das was ihn recht
glückseelig machen kan / das ist GOtt das höchste(Ps. CXLIV, 15. Gen. XVII, 1.) Gut. Wol dem
Volck des der HErr ein GOtt ist. Der ist Deus sufficientiae, der ist die rechte
Vergnügung / die rechte Beruhigung. Darum sagt David: Revertere in requiem anima
mea. Sey nun wieder zufrieden / sey ruhig meine Seele(Ps. CXVI, 17.) / denn der HERR thut dir
guts. Er ist der Brunn des Lebens / darinn die Seele sich nicht allein träncken
/ sondern so zu reden baden kan. Er allein ist das was besser ist als unsre
Seele / und dadurch kan sie denn auch verbessert werden; Er ist das bonum in quo
omnia bona, das Gut / in welchem alles gut.
Und noch eins: Wann wir etwas begehren / so begehren wir ja billig das / was
beständig und ewig ist. Ewig ist das beste Glied an der Kette der
Glückseeligkeit; Das finden wir bey GOtt / der verheist ein ewiges Leben;
Bey(Joh. X, 28.) dem
ist Freude die Fülle / und lieblich Wesen zu(Ps. XVI.) seiner rechten ewiglich. Und das ist
die Verheissung(Joh. II,
26.) / die Er uns verheissen hat / das ewige Leben.
|| [22]
Nun M. A. ich meyne ihr seyd überzeuget / daß ein Christ nichts als GOTT begehren
müsse. So last denn auch bey euch eine heilige GOttes-Begierde spühren; Stillet
eure Begierden / löschet den Durst eurer Seelen / nicht mit solchen Dingen /
welche dazu nicht tüchtig sind / sondern eure Seele dürste nach GOtt nach dem
lebendigen GOtt. Davids Wundsch sey euer Wundsch: Ach wenn werde ich dahin
kommen / daß ich GOttes Angesicht schaue. Ists nicht ein grosses / daß uns
erlaubt ist GOTT das höchste Gut zu begehren / nach dem lebendigen GOtt zu
dürsten? Ja daß uns GOTT selbsten lässet zuruffen: (Jes. LV, 1.) Wolan / alle die ihr durstig seyd
kommt her zum Wasser? Ists nicht ein grosses / daß GOTT das höchste Gut sich um
einen so geringen Preiß uns anbietet / wir sollen nur sein begehren / wir sollen
nur nach Ihm dürsten? Ach GOTT erwecke du selbst in unsern Hertzen diß heilige
Begehren / mache uns dürsten nach deiner Gnade.
Ihr aber M. A. schaffet hinaus aus eurem Hertzen alle sündliche Begierden / allen
Durst nach eitelen / irrdischen und vergänglichen Dingen. So lange die (Num. XI, 15.) Israeliten
Lust hatten zu dem Knoblauch Egyptens / hungerte sie nicht nach den Manna. Nach
GOTT und der Welt zugleich hungern ist gantz unmüglich! (1. Joh. II, 15.) Habt nicht
lieb die Welt / noch was in der Welt ist. Johannes verwehret eben nicht / daß
man was habe von der Welt / sondern das Liebhaben der Welt verbietet er; das
embsige Tichten und Trachten nach den Zeitlichen / denn bey solchem Durst muß
sich der Durst nach GOTT verliehren. Es ist aber höchst-gefährlich
|| [23]
ohne diesen Durst zu seyn; Denn wer
hier nicht mit David dürstet nach GOTT / der wird mit den reichen(Luc. XIV.) Mann in der
Höllen dürsten müssen / und keines Tröpfleins Wassers können habhafft werden
seine Zunge zu kühlen. Ach meine Seele / so durste du denn ja nach GOTT nach den
lebendigen GOTT / wündsche nichts mehr / begehre nichts mehr als GOTT zu
haben.
Wir haben uns hiebey vorzusehen / daß diese GOttes-Begierde rein sey / daß wir
nach GOTT dürsten / nach GOtt verlangen / nicht bloß und allein um des Guten /
so wir bey GOTT zu gewarten / sondern fürnemlich um sein selbst willen. Es muß
uns nicht nur die Gnade GOTTES / nicht nur der Himmel / sondern GOTT und unser
JESUS köstlich seyn.(1. Pet. II,
7.) Ich sage nochmahl unsre Begierde nach GOTT muß rein seyn
/ daß wir nicht GOTT / und die Sünden meynen beysammen zu behalten; Sondern die
Liebe zu GOTT / die Begierde zu GOTT muß unumschräncket seyn; GOTT mag / wenn
wir Ihn haben wollen / solche Articul vorschreiben / wie er immer will / wir
müssen sie eingehen; Will Er / wir sollen uns selbst verläugnen / wir sollen
unser Fleisch creutzigen sam̅t den Lüsten und Begierden; Wir
sollen um seinentwillen leyden / es muß daran nicht fehlen.
Eyfrig und aufrichtig muß auch unsere GOttes-Begierde seyn; Wündschen will es
nicht ausmachen / sondern das Hertz muß dursten. Der Faule(Prov. XXI, 24.) stirbt
über seinen Wündschen sagt Salomo. Wir müssen ringen / kämpffen / Gewalt anthun;
Wir müssen in einen heiligen und guten Wandel vor der
|| [24]
Welt auch sehen lassen / daß wir
einmahl gedencken GOttes Angesicht zu schauen.
Diese unsere GOttes-Begierde muß auch nicht unzeitig / sondern zeitig seyn. Der
Durst nach GOTT muß nicht biß ins Todt-Bette verschoben (Ps. LXIII, 2.) werden. Nein
David dürstet früh nach GOTT. (Matth. VI.) Ein begnadigtes Hertz trachtet am ersten nach dem
Reich GOTTes. Ehe der Bräutigam kömmt muß (Matt. XXV.) man sich mit Oel versehen / und die
Lampen brennend halten.
Beständigkeit muß auch seyn bey ber GOTTes-Begierde: Nicht nur so lange / als wir
/ wie ein Hirsch in der Welt gejaget und geänstiget werden / müssen wir nach
GOTT dürsten / sondern allezeit; Allezeit muß unser Verlangen zu GOTT gerichtet
seyn; Nicht nur zur Zeit der Trübsal / und wenn uns die Welt ein saur Gesichte
machet / müssen wir wündschen Gottes Angesicht zu schauen / sondern auch wenn
wirs in der Welt gut haben / so müssen wir dabey trachten das höchste Gut / GOtt
zu haben.
O seelige Begierde die GOTT nicht wird unbelohnet lassen! Er ists ja der dieß
Begehren / diesen Durst in uns erwecket / so wird er auch Rath davor schaffen /
und ihn zu stillen wissen; bey Ihm ist ja die lebendige (Ps. XXXVI, 10.) Quelle. Wie
solte Er der Seinigen Durst nicht stillen? Sie sind seine Kinder / wie solte Er
sie hungern (Luc. XV,
17.) und dursten lassen. In meines Vaters Hause ist Brodts die
Fülle / spricht dort der verlohrne Sohn / wie solte es den frommen Kindern
GOTTES in ihres
|| [25]
Vaters Hause an
einem Labe-Trunck fehlen? Träncket GOtt das Erdreich wenn es durstig ist mit
einem erquickenden Regen / solte Er denn eine durstige Seele(Ps. LXV, 18.) nicht
laben? Ja Er wirds thun hier mit Gnade / und mit den süssen Trost seiner
Verheissung / wenn Er unsere. Seele an sein Wort wie an eine Mutter Brust leget
und stillet; Mit Friede und Ruhe unsers Gewissens / mit Seegen im himmlischen
Gütern; Und weil wir doch hier noch immer wieder durstig / und unsere Begierde
nicht völlig gestillet werden kan / so wird dorten auf die Erstlinge so wir hier
genossen / die volle Erndte / auf die Trauben ein voller Herbst / auf die
Tropffen der volle Strohm erfolgen / daß wir mit David sagen können: Ich wil
satt werden / wenn ich erwache nach deinem(Ps. XVII, 15.) Bilde.
Nun M. A. wir können die Seel. Frau Hantelmannin uns dißfalls wol zu einem
Exempel vorstellen. Gewiß Sie hat gute Proben ihrer GOTTes-Begierde von Ihr
spühren lassen. GOTT der sich Ihr in der heiligen Tauffe geschencket hatte / hat
seine Freundlichkeit und Güte Sie dergestalt lassen empfinden / daß Sie seiner
hier in der Welt nicht satt werden können / sondern noch immer einen Appetit
übrig behalten. Das Bittere der Trübsahl welches Sie von Kindheit an wol
gekostet / hat diesen Appetit immer gestärcket / und Sie in heiliger Begierde
und Durst nach GOTT erhalten. Hiervon kam es / daß Sie ihren Wandel führete /
als die GOTT hatte / GOtt auch nicht verliehren / sondern immer mehr und mehr in
den Besitz GOTTES sich befestigen wolte; Hiervon kam es / daß wann Sie durch
Sünden ihren
|| [26]
GOTT beleidiget hatte /
Sie mit einer so andächtigen mit vielen Thränen bezeugten Busse sein Antlitz
wieder suchte / und mit sehnlichen Verlangen wündschte Ihren JEsum zu
umfangen.
Ihre Leutseeligkeit und freundliches Wesen / Ihre Guthertzigkeit gegen alle und
jede mit denen Sie umzugehen hatte: Ihre willfährige Liebe gegen die
Hülffs-Bedürfftigen / Ihre Treue gegen ihren Ehegatten / Ihre zarte Vorsorge vor
ihre Kinder / und andere Tugenden mehr zeugeten von ihrem Glauben / Ihr Glaube
von ihrer Vereinigung mit Ihrem JEsu; Und diese war so fest geknüpffet / daß
nichts / nichts Sie beyde trennen konte. Mitten in ihrer Todes-Angst / da ich
Sie ermahnete an Ihrem JESU sich fest zu halten / gab Sie mir zur Antwort; Ja
als eine Klette. Sie beruhigte sich auch in GOtt als ihrem höchsten Gut
dergestalt / daß keine Angst / keine Furcht / keine Sorge für die Ihrigen Sie
beunruhigen konte; Ich habe / sagte Sie / meinen Kindern ohne GOtt nicht helffen
können: GOTT kan aber wol Ihnen ohne mich helffen; So fest verließ sie sich auf
GOtt / und Ihr Vertrauen zu GOtt gab Sie an den Tag mit den Worten Davids: Wer
(Ps. XCI, 1.) in den
Schirm des Höchsten sitzet / und unter den Schutz des Allmächtigen bleibet / der
spricht zu dem HERRN! Meine Zuversicht und meine Burg / mein GOTT auf den ich
hoffe. Diese Hoffnung hat Ihr GOtt auch nicht fehlen lassen / sondern sich ihrer
Seelen hertzlich angenommen; Sie im Glauben und ihren sehnlichen Verlangen
gestärcket und erhalten; Sie so freudig gemacht / daß wenn
|| [27]
Ihre Angst noch so groß / und man
anfieng mit Ihr zu beten / war keiner Angst gedacht / sondern Sie betete mit der
erbaulichsten Andacht mit / und Ihre stille Seufzer sind wie ein Geschrey
gewesen in GOttes Ohren. Und die sind nun gnädig erhöret; Denn nachdem ein
sanffter und seeliger Todt ihres Jammers ein Ende gemacht / und ihre Seele die
irrdische Hütte abgeleget / so wird Sie nun mit Wollust geträncket wie mit einem
Strohm / Sie wird nun weder hungern noch dürsten / denn das Lamm / zu dessen
Hochzeit / sie nunmehr eingeführet / weidet und leitet Sie zu den lebendigen
Wasser-Brunnen / und GOtt wischet ab alle Thränen von ihren Augen. Mit einem
Wort: Ihr Wundsch ist erfüllet; Und Sie ist dahin kommen / da sie GOttes
Angesicht schauet.
Hier will nun kein Betrüben / hier wollen keine Thränen statt finden. Die Seel.
Frau / da sie diesen Text aufgegeben / hat uns und den Ihrigen zeigen wollen /
daß sie noch dürste / noch verlange / noch wündsche / und sich sehne nach dem
was sie noch nicht hätte. Ich meyne / der ist noch betraurens wehrt / der nicht
hat was er haben will / nicht der / dessen Wundsch erfüllet / dessen Durst
gestillet / der des gewehret was Er begehret. Im Betracht dessen werden die
Hinterbliebene / Herr Wittwer / Kinder / Frau Mutter und Anverwandten / ihre
Liebe auch nach dem Tode der Seeligen erzeigen / und nicht ihren Wechsel
betrauren und bethränen / sondern Glück dazu wündschen. GOtt ohne dessen Hülffe
dieses nicht geschehen kan beruhige ihr Hertz / truckene ab ihre Augen /
ermuntere sie zu einer freudigen Geduld und Gelassenheit: Uns allen aber
verleihe Er
|| [28]
die Gnade / daß wir Sein
begehren / nach Ihm dürsten und verlangen / und endlich helffe Er uns aus / und
lasse uns dahin kommen / daß wir sein Angesicht schauen. Wer dieß begehret
seufftze mit mir:
Ach höchster GOtt verleihe mir Daß ich nur dich begehre / Und daß dein Geist mich für und für / Durch dein Wort neu gebehre: Daß ich dein Kind Dich such und find In allem Creutz und Leyden / Damit nicht Todt / Nicht Angst und Noht Von dir mich könne scheiden / Amen.
|| [ID00035]
PERSONALIA.
WAs der Seeligst-Verstorbenen Frauen / Annen Marien Hantelmannin / gebohrner
Udenien rühmliche Ankunfft / Christlich geführtes Leben und höchst-seeligen
Hintritt aus dieser Zeitlichkeit anbetrifft / so ist dieselbe von Vornehmen /
Christlichen und Gottseeligen Eltern an diese Welt gebohren worden.
Ihr Herr Vater ist gewesen der Weyland Wohl-Ehrwürdige und Hochgelahrte Herr M.
JUSTUS CHRISTOPHORUS UDENIUS, anfangs wohlverdienter Prediger an der St.
Marien-Kirche zu Osterode / nachgehends durch einen rechtmäßigen Beruff bey der
Christlichen Gemeinde zum Hertzberge; Welcher im 23ten Jahre seines
rühmlich-geführten Predigt-Am̅ts Anno 1686. gleich am 12ten Tage
nach der daselbst entstandenen grossen Feuers-Brunst seelig verstorben.
Die Frau Mutter / so annoch im Leben / und den Todes-Fall dieser ihrer so wohl
gerathenen Tochter mit vielen Thränen benetzet / ist die Wol-Edle Hoch-Ehr und
Tugend-begabte Frau Anna Maria von Dransfeldt.
Der Groß-Vater an des Vaters Seiten ist gewesen der Weyland Hoch-Ehrwürdige und
Hochgelahrte Herr M. MARTINUS UDENIUS, 22. Jähriger Ober-Prediger der Stadt
Münden an der Weser / und desselbigen Am̅ts Superintendens.
|| [ID00036]
Die Groß-Mutter an selbiger Seite ist gewesen / die Wol-Edle / Hoch-Ehr- und
Tugend-reiche Frau Maria Tornaria / des Weyland Hoch-Ehrwürdigen und
Hochgelahrten Herrn Johannis Tornarii, Bischöfflichen Verdenschen Hof-Predigers
und Superintendentis Eheleibliche Tochter.
Der Groß-Vater mütterlicher Seiten ist gewesen / der Hoch-Edle und Hoch-weise
Herr Jobst von Dransfeldt / Hochf. Braunschweigisch. Lüneburgischer Ammtmann des
Stiffs Walckenred.
Die Groß-Mutter selbiger Seiten ist gewesen Frau Catharina Hattorffin / Seel.
Hrn. Henrici Hattorffs / Fürstl. Braunschw. Lüneburgis. Eysen-Factors zu
Osterode eheleibliche Tochter.
Der Aelter-Vater an des Vaters Seiten ist gewesen / Herr Johann Uden / Vornehmer
Rahts-Verwandter der Stadt Göttingen.
Der Aelter-Vater mütterlicher Seiten ist gewesen / Herr Georg von Dransfeldt /
ebenfalls Rahts-Verwandter und Patricius zu Göttingen.
Von diesen ihren lieben Eltern ist unsere seelige Frau Mit-Schwester Anno 1677.
den 27. Novembris an diese Welt gebohren / und alsofort durch die Heil. Tauffe
ihrem Heylande und Erlöser CHristo JESU einverleibet / und nach ihrer lieben
Frau Mutter ihr der Nahme Anna Maria gegeben worden.
So bald Sie nun ein wenig erwachsen / und nur Alters halber fähig geschienen /
ist Sie sofort zur GOttesfurcht / andächtigen Gebeth / und allen dem
Jungfräulichen Geschlecht wohl-anstehenden Tugenden / theils durch treue
Aufsicht und Sorgfalt ihrer Hertz-geliebten Eltern / theils durch anderer
Information mit allen Fleiß angeführet worden. Darin Sie dann auch durch GOttes
Gnade dermassen zugenommen / daß / da ihr der Herr Vater frühzeitig in dem 9ten
Jahre ihres Alters entrissen / die Frau-Mutter darob sonderbahre Freude und
|| [ID00037]
Vergnügen empfunden / daß diese so
gewündschte und wohl gerahtene Tochter in allen Stücken / sowohl in denen ihrem
Stande zu kommenden Verrichtungen / als auch sonsten in der Haußhaltunge ihr
best-möglichst zur Hand gegangen.
Daher Sie dann durch GOttes sonderbahre Direction dem jetzigen Hochbetrübten
Wittwer Hrn. Curdt Levin Hantelmann / dieses Fürstl. Stiffts St. Blasii
wolgewürdigtem Canonico und Fabricatori, auch fürnehmen Patricio allhie bestens
recommendiret worden / welcher dann nach vorhergegangenen hertzlichen Gebeth und
Anruffung zu GOTT sich um Sie beworben / und GOTT hat ihn darinn in Gnaden
erhöret / daß Sie Anno 1702. Freytags vor Dominica Exaudi demselben mit Consens
beyderseits Frau Mütter und nächsten Anverwandten durch ein Verlöbniß nicht nur
versprochen / sondern auch darauf den 4. Octobris selbigen Jahrs vermittelst
Priesterlicher Copulation daselbst zum Hertzberge vertrauet und ehelich
beygeleget worden.
Welche Christliche Ehe so wohl gerahten / daß beyde Theile vergnüglich / beyder
Hertz ein Hertz / und beyder Wille ein Wille / und also ihre Gemühter und
Hertzen in allen ihren Thun und Wesen / im Freud und Leyd jederzeit einig
gewesen / die mit einander Glück und Unglück / wie es sich gefüget / in Gedult
gerne ertragen / dabey Sie dann den Seegen des Allerhöchsten reichlich
verspühret / indem Sie mit einander 4. Kinder / als einem Sohn und 3. Töchter /
davon die Jüngste ein halb Jahr und 3. Wochen alt / gezeuget / welche den
unschätzbahren Verlust / so sie hiebey erdulden / noch nicht begreiffen können.
Es wolle aber der grosse GOTT sich über Sie wie ein Vater über seine Kinder
erbarmen / und ihnen seinen Heil. Geist verleihen / daß ihnen die letzte
Ermahnung ihrer Seel. Frau Mutter immer im Gedächtniß schweben möge; Dein
Lebelang habe GOtt vor Augen und im Hertzen / und hüte dich / daß du in keine
Sünde willigest / noch thust wieder GOttes Gebot.
|| [ID00038]
Weil nun also diese Ehe in sonderbahren Vergnügen / hertzlicher Liebe und
freundlicher Einigkeit bestanden / so wäre wol wenn es dem Höchsten beliebet
hätte / zu wündschen gewesen / daß selbige nicht hätte mögen so bald durch den
Todt zertrennet werden / welches da es dann so unvermuhtet geschehen / so ist es
dem Herrn Wittwer ein sehr grosses und schwehres Hauß-Creutz / dadurch ihm sein
Hertz gleichsam gespaltet und zertheilet / indem ihm seine hertzgeliebte
Hauß-Ehre / mit welcher Er die Tage seines Lebens hinzubringen gehoffet /
nunmehr so frühzeitig / da Sie noch nicht volle 12. Jahr bey einander gewesen /
hinweg genommen worden / dadurch Er diejenige verlohren / die ihn von Grund
ihres Hertzens geliebet / nach seinem selbst eigenen Wundsch ihm unter Augen
gangen / und alle Eheliche Treue / Liebe / Freundschafft und angenehme Dienste
erwiesen.
Wie dann ebenfals ihr Wandel und Verhalten gegen ihre Neben-Christen gantz
löblich und bekandt / daß Sie allemahl ein stilles eingezogenes und friedsahmes
Leben geliebet / von Hertzen fromm / sanfft- und demühtig gewesen / und sich so
friedfreund- und bescheidentlich erzeiget / daß Sie von jederman wegen ihrer
Modestie und Tugend-vollen sittsahmen Wesens lieb und wehrt gehalten worden;
Ihre Frau Schwieger-Mutter hat Sie als eine leibliche Mutter geehret / gegen
ihre Angehörige und Verwandte hat Sie eine sonderbahre Affection getragen / Ihre
Kinder und Gesinde hat Sie in der Zucht und Vermahnung zum HErrn erzogen und
angewiesen / ist ihnen mit rühmlichen Exempel vorgegangen / gegen die
Nohtleidende hat Sie sich gutthätig erzeiget / und hat Ihren beständigen Glauben
/ die Furcht und Liebe GOTTES durch tägliches Behten / Singen / fleißiges
Kirchen-gehen / und öfftern Gebrauch des Hochwürdigen Abendmahls dargethan und
bezeuget / dannenhero die sämmtlichen nahen Angehörigen / insonderheit die
beyden Hochbetrübten Frau Mütter / Herren Brüder / Frauen Schwestern zu ihrem
Trost und Vergnüglichkeit ein längers Leben Ihr treuhertzlich gegönnet und
gewündschet.
|| [ID00039]
Endlich ihre Kranckheit und seeligen Abschied betreffend / so hat Sie zuforderst
wegen eines den 4. Julii des Nachts in der Nachbarschafft entstandenen Feuers
sich hefftig entsetzet / dawieder aber sofort diensame Medicamente eingenommen /
auch Nachmittags darauf nach ihren Garten sich verfüget / nachhero hat Sie
nichts weiter gemercket / biß Sie den 7. Julii Abends um 8. Uhr über Hitze und
Durst geklaget / welches aber durch die darauf erfolgte gute Ruhe sich wieder
geleget / so gar daß Sie den folgenden 8. Julii als Sonntages zur Kirche gehen
wollen / davon aber durch ihren Eheliebsten abgerahten worden / und als Sie
nachgehends vermercket daß Sie ausgeschlagen / hat Sie resolviret zu schwitzen /
welches da es seinen gewöhnlichen guten effect nicht zeigen wollen / sind sofort
mit Zuziehunge des Herren Medici und Stadt-Physici, Herrn Doctor Helds diensahme
Mittel gebrauchet worden / welche auch anfangs einige Besserung gezeiget / biß
es sich des Nachts vor den 13ten Julii zu einen hitzigen Fieber geäussert;
Darauf dann die Seelige Frau sofort resolviret / des folgenden Morgens mit ihrem
GOTT sich zu versöhnen / und JESU Leib und Blut im Heil. Abendmahl zu geniessen;
desfalls auch seine Hochwürden den Hrn. Abt Finen / als ihren Herrn Beicht-Vater
zu sich erbitten lassen / und nach abgelegtem hertzlichen Bekäntnis und Bereuung
ihrer Sünden / dieses theure Liebes-Mahl mit grosser Devotion und Andacht
genossen.
Ob man nun wol vermeynet / daß da an fleißiger Besuchung des Herren Medici an
continuirlichen Gebrauch der Medicamenten und an aller ersinnlichsten Pflege
nichts ermangelt / es würde die Seel. Frau / in betracht ihrer guten Natur noch
wieder restituiret worden seyn; so hat dennoch die hefftige innerliche Hitze /
und die daher entstehende grosse Hertzens-Angst nicht können gedämpffet werden;
In betracht dessen Sie dann solches mit grosser Standhafftigkeit und Christl.
Gelassenheit ertragen / auch bey fleißigen Anspruch ihres Tit. Hn. Beicht-Vaters
/ und geschehener Anfrage / ob Sie mit ihrem Gott wol zufrieden / es möchte
gehen zum Leben
|| [ID00040]
oder zum Sterben?
geantwortet: Des HErrn Wille geschehe: und ihre Freudigkeit gegen dem Todt
sattsam zu erkennen gegeben; Ja da Sie den 14. Julii Abends nach 9. Uhr ihres
Ehe-Liebsten Bruder zu sich verlanget / hat derselbe die gantze Nacht herdurch
die erbaulichsten und tröstlichsten Reden mit ihr geführet / da Sie dann zu
vielen selbsten Anlaß gegeben / und wie Sie nach 3. Uhr vermeldet / daß ihr vor
dem ambrechenden neuen Morgen etwas grauete / sind Ihr vorgehalten die Worte aus
den Klaglied. Jerem. am III. Die Güte / des HErrn ist es / daß wir nicht gar aus
sind / seine Barmhertzigkeit hat noch kein Ende sondern Sie ist alle Morgen neu
/ und daß diese neue Güte GOttes bey dem anbrechenden Morgen auch über Sie würde
aufgehen / hat Sie in ihre Hände geschlagen / und selber gesprochen:
JESU Güte hat kein Ende / Sie ist alle Morgen neu / Das beweisen JESU Hände / Die da schaffen / Oder Treu! Daß ich leb / doch ich nicht hier / Sondern CHRISTUS lebt in mir. Auch verlanget daß der gantze Gesang von Anfang biß zum Ende ihr müssen vorgelesen werden / da Sie dann alles nachgesprochen / und bey dem Beschluß dieses Gesanges gesaget; Sind das nicht herrliche Worte! Hierauf hat Sie angefangen ihr Hauß zu bestellen / zuforderst vor ihren Eheliebsten gesorget / wie Er doch möchte seiner bißherigen beschwerlichen Mühe in Führung des Bau-Ampts erleichtert werden / hiernechst von ihrer lieben Kinder Erziehung / von ihrer Begräbniß-Stelle / und von ihrem Todten-Gerähte geredet / auch gedacht / daß man bey ihrer Beerdigung allen Pomp vermeiden solte / und zu ihrem Leichen-Text erwehlet / die vorhin erklährte Worte Davids: Wie der Hirschschreyet nach frischen Wasser etc. Hiebey
|| [ID00041]
erinnerte Sie sich / daß ihr seel. Hr.
Vater verordnet / daß ihm bey seinem Abdrucke solten zu geruffen werden die
Worte; Halt im Gedächtnis JEsum Christum den Gecreutzigten; Dabey verlangend /
ein Gleichmäßiges solte auch bey ihr geschehen / in der süssen Vorstellung!
Wen̅ Sie darauf in Friede von hinnen gefahren / würde nechst
dem Anschauen ihres GOttes dieses ihr eine grosse Vergnügung geben / daß Sie
unter so vielen Tausend Seelen dennoch vor andern ihre lieben beyden Väter / als
ihren Leiblichen und ihren Herrn Schwiger-Vater die beyden treuen Diener GOttes
erkennen solte / die Sie dann in den grössesten Freuden empfangen / und das
Heilig / Heilig / Heilig mit ihr anstimmen würden / und eben diß solten auch die
Ihrigen / wann Sie künfftig folgen würden / von ihr zu gewarten haben. In
solcher Devotion und Andacht hat Sie den Sonntag / als den 15. Julii unter dem
anhaltenden Gebrauch der Artzeney zugebracht / biß des Abends nach 8. Uhr der
Paroxysmus eingetreten / da Sie dann einige Todes-Zeichen bey sich vermercket /
sich darauf mit ihrem Eheliebsten geletzet / und Ihn nebst den lieben Kindern
der Gnade GOttes empfohlen; Hierauf als ihr Herr Beicht-Vater Sie nochmahls
besuchet / und mit Ihr / auch mit denen Umstehenden nächsten Anverwandten
hertzlich zu GOTT geflehet / hat Sie wiederum ihre Beständigkeit / daß Sie auf
JESU Blut und Todt abscheiden wolte / zu erkennen gegeben / und darauf von ihm
den Kirchen-Seegen empfangen.
Nachher ist mit solchem andächtigen Beten / Flehen und Seufftzen immer angehalten
/ und da ihr zuletzt nochmahls zugeruffen:
Halt im Gedächtnis JEsum Christum den Gecreutzigten; auch Sie befraget worden: ob
Sie diesen Gecreutzigten JEsum in ihren Hertzen hätte? Hat Sie solches mit einem
leisen Ja bekräfftiget.
|| [ID00042]
In welcher tapffermühtigen Beständigkeit Sie dann ihres Abschiedes gedultig
erwartet; Und der barmhertzige Vater in Himmel hat auch ihr und der Umstehenden
unablässiges Gebeth in Gnaden erhöret / indem er Sie bey vollkommnen guten
Verstande / ohne einlge Ungebährde und Verstellung / gleich am 12ten Tage nach
dem zuvor gehabten grossen Feuer-Schrecken durch einen sanfft- und seeligen Todt
den 16. Julii, Morgens kurtz vor 3. Uhr von dieser Welt abgefodert / nach dem
Sie ihr zwar kurtzes / jedoch rühmlich geführtes Leben gebracht auf 36. Jahr /
7. Monath 2. Wochen und 4. Tage.
Du GOtt-Begierige hast nun was Du begehret / Nun ist dein Durst gestillt / dein Wundsch ist dir gewehret / Du hast nun Gott / Gott dich / du schaust sein Angesicht Wol Dir! Wol uns einmahl / wenn uns wie dir geschicht. Amen.
|| [ID00043]
Letzte Liebes-Bezeugung Gegen die Wolseelige Fr. Hantelmannin /
Einiger guten Freunde und Verwandten.
|| [ID00044]
SUb coelo nihil est, coelestis particula aurae Unde queat sitim Mens relevare suam Non ergo miror, Tua quod suavissima Conjux, HANTELMANNE poli Tecta superna petat. Chara Parens, Tu charus Ei, Fraterque Sororque Proles chara, Deus sed mage charus erat. Sitiit ergo Deum; Sitim Deus Ipse levavit. Felix, cui sitim sic relevare datur. Piis manibus beatè defunctae hanc amoris non interituri Tesseram posuit EBERHARD FINEN.
WAnn uns GOTT allezeit dasselbe wolť gewehren / Was wir von seiner Hand mit wündschen offt begehren / Und wenn wir könten auch durch Tugend und Verstand / Durch Wolthat / Geld und Gut entgehn des Todes Band / Wenn Zucht und Ehrbarkeit für Sterben könť bewahren / So würde mancher nicht so froh von hinnen fahren. Allein so macht die Sund / daß durch des Todes Krafft Der Menschen Fleisch bald Früh / bald spät wird weggerafft.
|| [ID00045]
Diß musť
erfahren auch / O Schmertz! der Seelen schläget! Die Edle Frau die man zu früh
zum Grabe träget / Die nur auf Guts zu thun im Leben war bedacht / Und das / was
ihre Pflicht / nie setzte aus der Acht. O seltzames Geschick! wer hätť sichs wol
versehen / Daß es so bald / so früh um Ihr solt seyn geschehen / Auf deren
Wangen schien ein angenehmes Roht / Sol die so bald erblaßt nun werden Staub und
Koht? Dieß muß Herr Vetter / Ihm durch Geist und Seele schneiden / Sein halbes
Hertz ist hin! Ach! mehr als herbes Leiden! Er weiß nicht wie Er doch in dieses
Leid gebracht / Und ängstet sich so offt durch Tag und manche Nacht. Sein
Tugend-voller Schatz / soll nun vermisset werden? Sein Augen-Lust und Freud /
sein bester Trost auf Erden / Die dahin war bedacht / wie Sie / was hie und dar
Ihm konte bringen Zorn / Bekümmerniß / Gefahr Und einigs Hertzeleyd / aufs beste
möchť ablehnen / Wie die Abigail! das war ihr täglichs Sehnen / Wie Sie durch
treue Pfleg Ihm möchť ergetzlich seyn / Die in der Gottesfurcht ohn allen
Heuchel-Schein Ein recht Exempel war. Ihr Ruhm soll nun auch bleiben Bey uns
nach ihrem Toď / wir wollen in Marmor schreiben Wie Sie ein Tugend-Bild / wie
Sie gewesen hier Des Mannes Freud und Kron / und ihres Hauses Zier. Ich schreibe
weiter nichts / weil es möcht geh’n zu Hertzen Mein wehrter Vetter / Ihm / und
bringen neue Schmertzen; Er sey in GOtt getrost / und habe guten Muht / GOtt
wird es alles schon mit Ihm auch machen gut. Ihr Kinder / stellet ein Eur
klägliches Beginnen / Laß’t ferner nun nicht mehr die nassen Thränen rinnen /
Der Mutter Seegen wird auf Euch schon fest beruh’n / Wenn Ihr vor Augen stets
GOtt habt in euren Thun.
|| [ID00046]
Sie aber Seelige!
hat ihren Zweg erlanget / Da Sie vor GOttes Thron im schönsten Purpur pranget /
Sie lebet dort bey GOtt in frohen Himmels Saal / Wo keine Traurigkeit / kein
Creutz noch Thränen-Thal. Der Leib liegt in der Ruh’in leichten Sand begraben /
Die Seel in Paradieß geneust des Höchsten Gaben. Sie ruhe wol / der Leib im
Grab’ / in GOtt der Geist Biß der Sie wiederum zusammen kommen heist.
Auf zwar freundliches Begehren / jedoch zu sonderbahrem Trost seinem Hochgeehrten
Hrn. Vettern aus recht mitleidenden Hertzen setzet dieses
M. Rudolph Heinrich Rethmeyer / Pastor St. Mich & Rever. Minist. Brunsv.
Sub-Senior.
Sonnet.
O Leid! O grosser Schmertz! Ach übermachtes Klagen / Den allzufrühen Fall / rufft hier der Kinder Schaar / Ach Todt wie trennest du diß sanffte Liebes-Paar / Mag der Herr Wittwer wol bey nassen Augen sagen / Die werthe Freundschafft nun wird seuffzend allhier fragen? Muß denn des Todes-Biß anitzt das Hertz abnagen! Betraur Sie jedermann / und trachte stets dabey Wie daß Sie von uns zwar den Augen sey entnommen / Hingegen leb vergnügt in voller Freud der Frommen / Und ruffe / komm und sieh / was hier vor Freude sey / O wol Ihr die gelebt / daß Sie den Himmel hat / Den Himmel im Besitz die rechte Freuden-Stadt.
|| [ID00047]
ERgo nos vitae memores decet esse caducae, Non mors humano subjacet arbitrio? Per varios casus homo transit, pulvis & umbra. Hinc memor es mortis, judiciique memor! Ah! miserere Deus, tristes solare relictos Et largire illis gaudia mille, Deus. Haecce lugens moestissimo Domino Viduo ex quintuplici nexu conjunctissimus amicus apponere voluit & debuit M. H. C. B.
DEin Brieff / mein werthster Freund / in welchem du geschrieben Daß deine Liebste todt / hat zwar ein hart Betrüben / In meiner Brust erweckt; Doch gieng es erst recht an / Als ich auf dein Geheiß den Fall hab kund gethan / In der Frau Mutter Hauß. So kan ich leicht gedencken / Wie dieser herber Riß dein treues Hertz muß kräncken / Da du entbehren solt / was ich mit Mund und Hand Dir ehemahls verhieß / von diesem Liebes-Pfand. Du wirst gewiß weit mehrs bey Ihr gefunden haben An allerhand Gemüths / und schönen Liebes-Gaben / An Gottesfurcht / Verstand / an Zucht / Geschicklichkeit / An Demuth und Gedult / und seltner Höflichkeit / Als ich dir vor gesagt. Daher es wird geschehen Daß / ob du gleich hinfort Sie hier nicht mehr wirst sehen / Sie dir doch in dem Sinn / und in Gedancken klebt Und also stets in dir und deiner Liebe lebt. Indeß / mein werthster Freund / ergieb dich Gottes Willen / So wird dir die Geduld schon deinen Kummer stillen / Und schaffen / daß du stets auch mitten in dem Leid Wirst spühren GOttes Gnad / und Hertzens Freudigkeit.
|| [ID00048]
GOtt wolle über Dich
/ und deinen Kindern walten / Und Euch noch lange Zeit gesund und wohl erhalten
/ Biß daß Er Euch zu sich / und an den Ort erhebt / Wo dein hertzliebster Schatz
/ und Jener Mutter lebt.
Mit diesen wenigen hat gegen seinen liebwerthesten Herrn Gevattern sein Beyleyd
bezeugen wollen
J. F. O. P. H.
ICh wolte gern / mein Freund / und hochgeschätzter Herr / Ich wolte / sag ich / gern zu seiner Udin Ehr / Die meine Waase war / ein Denckmahl hieher schreiben / Und Ihr verdientes Lob mit allem Fleisse treiben. Allein anjetzo bin ich dazu nicht geschickt: Mich schmertzet eben das / was seine Seele drückt. Wann ich nun soll den Sinn auf seine Udin lencken / Muß ich nothwendig auch an meinen Riß gedencken / Dabey vergehet mir fast alle Tichter-Krafft / Die ohne dem bey mir nicht viel besonders schafft. Doch muß der Freundes-Pflicht das Unvermögen weichen: Dieselbe will ich nun ohn Kunst und Zierde reichen. Mein Schatz! mein Kind! mein Hertz! so spricht man in der Eh / Und / wenn man sagen kan / daß es mit Recht gescheh / So ists auf dieser Welt das gröste Glück zu nennen / So sieht man beyderseits das rechte Feuer brennen. Hochwerther Hantelmann / die Seelge war sein Schatz: Hier hatte Zucht und Ehr und alle Tugend Platz. Sie war sein liebes Kind / voll rein / und treuer Sinnen / Entfernt von allem Falsch und tückischen Beginnen. Sie war sein eigen Hertz / sein mehr als ander ich / Sein alles; auch nicht eins /(Uden im Griechischen / ist zusammen gesetzt aus , das ist / auch nicht eins.) was Er nur wündschte sich / Hat Ihm an Ihr gefehlt. Je mehr Er nun besessen / Je weniger kan Er der Udin jetzt vergessen.
|| [ID00049]
Wie könts auch müglich seyn? Wer diese
Liebe kennet / Der weiß wol / daß sie auch noch nach dem Tode brennet / Und in
sich selber geht / weil das Object entrissen: Denn fühlt man ihre Krafft mit
schweren Hertzens-Bissen. Wann uns der Himmel nicht mit Trost bewahrete / So
würden wir verzehrt durch solches harte Weh. Von oben kömmt es her / daß wir den
Kelch zwar trincken / Doch nicht in tieffer Traur und Kummer gantz versincken!
Bißher bestehen wir durch diese Gnaden-Hand. Dieselbe bleibe uns auch ferner
zugewand. Damit dein Ammt und Hauß und Kindern nichts gebreche / Was nütz und
heilsam ist. Es sey so / wie ich spreche! Ich rede nun zuletzt die Hantelmännin
an: Du fromme liebe Seel / hast mehr geliebt den Mann Und Kinder / als dich
selbst. Doch Christo / deinem Leben / Dem warstu über sie unendlich mehr
ergeben. Darum hat er dich auch gar früh dahin versetzt / Allwo Vollkommenheit
vors Stückwerck recht ergetzt. Wir lassen stets bey uns dein Angedencken blühen
/ Biß wir dir alle nach mit GOttes Hülffe ziehen.
Zu letzten Ehren seiner Hochwerthen / und nun Wolseel. Fr. Waasen /
Wie auch Aus schuldigster Pflicht gegen den nachgelassenen Hrn. Wittwer / als
seinen Hochzuehrenden Hrn. Schwager / aufgesetzt von
Friedr. Weichmann / Rect. Mart.
ICh soll / Herr Bruder zwar Ihm einen Trost-Brieff schreiben Und mit Aufmunterung dem Schmertz entgegen gehn; Allein dergleichen läst sich nicht gezwungen treiben / Ein Tröster muß ja frey / und sonder Trauren seyn. Das Leid zu welchen mich des Himmels Schluß erkohren / Macht daß die Musa scheint ein Traur-Gemach zu scheuen, Es schall’t die Trauer-Post mir immer vor den Ohren: Die Schwester ist erblaßt! O Schmertz! O Hertzens-Pein!
|| [ID00050]
O
Schmertz! O Hertzens-Pein! So ob den Fall empfunden / In unserer Mutter Hauß /
mein und der Schwester Hertz / Allein noch grösser sind / die tieffen
Seelen-Wunden / Die der Frau-Mutter macht der herbe Hertzens-Schmertz. An Ihm
Herr Bruder kan man nichts als Trauren lesen / Da das / was Er geliebt / liegt
auf der Todten-Baar: Die seiner Augen Lust / mit Tugendsamen Wesen / Und seines
Hauses Cron / nach Sirachs Ausspruch war. Jedoch Er kan doch nicht den Schluß
des Himmels ändern: Er fasse in Geduld des Allerhöchsten Raht / Und sey vergnügt
zugleich mit denen Liebes-Pfändern Die Ihm die Seelige noch hinterlassen hat /
Es ist die Seeligste aufs glücklichste versetzet / Aus diesen Thränen-Thal ins
frohe Himmels-Zelt: Sie wird / vor JEsu Stuhl / mit lauter Lust ergetzet /
Nachdem SIE gute Nacht gegeben dieser Welt. Wol Ihr! SIE ist erlößt: SIE ist zum
Hafen kommen / Aus diesen wilden Meer / zum Port der sichern Ruh. Ja SIE ist in
den Port des Himmels aufgenommen / Drum ruffet IHR mein Mund / im Tode diß noch
zu: Nun / Schwester ruhe wol / in deiner Ruhe-Cammer / Du gehest nur voran / zu
der verschwiegnen Grufft / Wir schauen dich verklährt nach hingelegten Jammer /
So bald des Menschen Sohn / steht auf Ihr Menschen rufft.
Hiemit wolte gegen seinen Hochwerthesten Hrn. Bruder seine Condolence bezeugen
/
J. M. UDEN.
B. defunctae ad moestos relictos:
DEr Schöpffer ruffet mich / die Stunden sind erschienen / Da ich die Nichtigkeit der Welt verlassen muß; Hertzliebste gute Nacht! ich geh zum Sternenbühnen Wolan! ich bin bereit und folge Seinem Schluß; Zwar Ihrer Meinung nach geh ich zufrüh von hinnen / Zufrüh ach viel zufrüh hör ich aus Ihrem Munde /
|| [ID00051]
Ich sehe Schrecken gnug desfals an Ihren
Sinnen / Und wie Sie zu der Hülff bemüht aus Hertzens Grund; Allein dis Leben
ist den Rosen zu vergleichen / Die bald in Ihrem Dufft und Anmuhts-Glantze
stehn! Bald aber müssen sie in kurtzer Frist verbleichen / Wenn über sie jetzt
Sturm jetzt grosse Hitz ergehn. Ach freylich Blum und Mensch gehn fast auf
gleichen Wegen / Der kurtzen Endlichkeit mit schnellen Fusse zu / Sie wissen /
daß mein Wapen selbst dem nicht entgegen / Als welches Rosen führt / diß zeigt
aufs Letzte Nu. Mein erste Sorge dann ist jetzt dahin gerichtet / Daß wie ich in
der Tauff zu GOttes Kind gemacht / Also auch meine Sünd durch JEsum werd
vernichtet / Der mein Fürsprecher ist wenn Mosis Donner kracht. Um diesen
Lebens-Baum schling ich mich seine Rebe / Und laß ihn eher nicht biß ich
geseegnet bin / Ich weiß Er lebt in mir / und daß ich in Ihm lebe / Diß ist mein
bester Trost / der liegt mir stets in Sinn / Mein Hirte JEsus wird sein mattes
Schäflein führen Zum Lebens-Wasser-Brunn / Ach darauf freu ich mich / Mein Durst
darnach ist groß; Wie etwa beym Aufspüren Ein Hirsch zur frischen Quell mit
Schreyen sehnet sich / Diß hat ER mir am Creutz mit seinem Blut erworben / Und
da ich des gewiß / so muß mir seyn der Sieg; Das Lamm so da für mich erwürget
und gestorben / Hat Palm und Crohn bereit nach überstandnem Krieg. Was aber
liegt mich an / was hält mich noch zurücke? Was hebstu doch mein Schatz um mich
vor Klagen an? Ach wende dein Gesicht und deine Jammer-Blicke / Damit ich ohne
Schmertz die Welt gesegnen kan. Schau an die Allmachts-Hand die dieses also
lencket / Was die hierunter thut / ist alles wolgethan / Die hat mich dir ja
nicht zum Eigenthum geschencket / Vielmehr als wie ein Pfand geneigt vertrauet
an /
|| [ID00052]
Diß fodert Er anjetzt / drum gib dich
Seinem Willen / Und liefre solches aus in GOtt Gelassenheit / Sein Trost- und
Gnaden-Blick wird deinen Kummer stillen / Wann du nur zu Ihm flehst mit Hertzens
Brünstigkeit. Den Kindern / die Er uns im Ehestand verliehen / Wird seine
Gütigkeit anstat der Mutter seyn / Er reicht dir Kräffte dar Sie klüglich
aufzuziehen / Sein Vater-Auge schaut bey allem Unglück drein. Drum gib dich doch
mein Hertz und gönne mir die Freuden / Zu denen jetzt mein Geist durch meinen
Heyland geht / Ich kan nun statt der Angst in schönen Rosen weyden / Sehn wie
der Engel Heer vor GOttes Throne steht. Hertzliebste insgesampt die mir ans
Hertz gebunden Und die mich wiederum hertzinniglich geliebt / Ich scheide jetzt
von SIE und hab bald überwunden / Biß jener Frühlings-Tag mich Ihnen wiedergibt
/ Ich lasse diese Welt den Sammel-Platz der Sünden / Wo Satan immerzu auf neue
Laster denckt / Wo Böse sich zum Druck der Gottesfurcht verbinden / Und wo der
scharffe Dorn der Christen Pfad verschrenckt. Sie ist das Lazareht von vielen
tausend Seuchen / Die Folter / welche stets mit neuen Unglück dräut / Die Wüste
/ wo Gefahr und wilde Thiere schleichen / Und da die Schlange sich auf unser
Elend freut; Aus solcher Bangsamkeit wird nun mein Geist gerücket / Schau wie
mein JEsus schon die Himmels-Burg aufmacht / Fahr wol / O Eitelkeit / und was
mich hier gedrücket / Genug / ich scheide fort / Ade zu guter Nacht.
Aus brüderlichen Gemüht mit betrübter Feder entworffenr von
CHRISTIANO FRIDERICO HANTELMANN.
|| [ID00053]
SO hat / Hochwerthester / des Himmels Glück entrissen Was Ihm am liebsten war? hat der ergrimmte Todt Ihm seinen besten Schatz ins dunckle Grab geschmissen? Ach ja / sein Brief / zeigt mir die unverhoffte Noht Mit grosser Wehmuht an. Wie mag sein Hertz beklemmet / Wie sein betrübter Geist voll Angst und Trauren seyn! Mir deucht / ich sehe nichts / daß seine Thränen hemmet Da man sein ander Ich senckt in das Grab hinein. Und solte dieser Riß sein Hertz nicht blutend machen / Der Ihm den einen Theil davon in Stücken bricht? Solt er in solcher Angst mit frohem Munde lachen? So wär in seiner Brust die Menschheit selber nicht. Fällt mir das Tugend-Bild in Augen und Gedancken / Daß in der Seeligen von GOTT geleget war: So wil mir selbst die Hand vor Leyd im Schreiben wancken / Da dieser theure Schatz liegt auf der Todten-Bahr. Belobte Frömmigkeit die Königinn der Tugend Fand in der stillen Brust den ersten Thron geziert: Keuschheit und Redlichkeit / hat man in ihrer Jugend Als Jener Töchter / stets gantz ungefälscht verspührt. Ihr holdes Angesicht / die Freundlichkeit der Minen / Der Kleider Nettigkeit / ohn allen Stoltz und Pracht / Kont auch bey ihrem Feinď ein reiches Lob verdienen / Dies hat bey Groß und Klein Sie offt beliebt gemacht. Solt ich noch ferner gehn / und auch die Sorgfalt preisen / Wie unverdrossen Sie die Haußhaltung geführt: So könt ich Marthae Geist in allen Thaten weisen / Und was man sonst vor Lob an guten Müttern spührt. Doch ich verschweige dieß: Mein Mund soll auch nicht sagen / Wie Sie als Ehgattin sich gegen Ihm bezeigt. Ich möchte / wehrter Freund / Ihm frische Wunden schlagen / Da Ihm die erste noch das matte Hertze beugt. Allein / Betrübtester / was ists / daß er sich kräncket? Nimmt er als Canonist nicht GOttes Canon an? Heist der nicht: Menschenkind / du wirst ins Grab gesencket: Wer ist der seine Seel daraus erretten kan?
|| [ID00054]
Soll unser Wille nicht des Höchsten Willen
lieben? Der auch im grösten Leyď es hertzlich mit uns meint: Er reicht uns
Zucker / wenn die Salsen uns betrüben / Obs unsrer Schwachheit gleich sehr hart
und bitter scheint. Was meint Er / werther Freund / hats GOtt nicht gut gemachet
Da er der Seeligen den Himmel selbst geschenckt? Da Sie ohn einges Leyd in Freud
und Wonne lachet / Da ihr Erlöser Sie mit Himmels- tränckt. Ach Marae bitres Weh wird jetzo recht versüsset / Maria hat
nunmehr das beste Theil erwählt. Sie ist wo Süßigkeik in gantzen Ströhmen
fliesset. Sie ist in froher Lust Naemi zugezählt. Vorhin war Sie ein Nichts /
wie diß ihr nahme lehret / Und wie nach Davids Spruch / Nichts alle Menschen
sind. Nun aber ist Ihr Nichts in ewigs was verkehret; Sie ist zum Theil schon
jetzt der Ewigkeiten Kind. Mir deucht / Sie rufft von dar Ihm diesen Spruch
zurücke; Was ist es liebste (r daß du dich voller Pein / Und eitler Unruh machst! ergib dich dem
Geschicke / Und harr auf deinem Gott / der wird dein Tröster seyn. Nun diesen
Wahl-Spruch wird er ja zu Hertzen nehmen / Will Er der Seeligen nach Hertzens
Wunsche thun. Er stell die Thränen ein / Er hemme doch sein grämen Er lasse
seinen Schatz in JEsu Armen ruhn: Da ist er wol verwahrt. Er laß ihm aus den
Wellen Der ungestühmen Welt / als kluger Handelsmann In sichern Hafen gehn: Da
schadet kein Nachstellen / Er weiß / daß da kein Dieb / kein Räuber stehlen kan.
Indeß sey GOttes Huld mit Ihm und seinen Kindern / Sein liebreich Mutter-Hertz /
sey stets zu Sie geneigt. Der Him̅el Ihn / das wird die Schmertzen lindern Bis er zur Seeligen gleichfals
gen Himmel steigt.
|| [ID00055]
EPITAPHIUM.
SChau Leser:
Hier unter diesem Steine liegt ein Nichts das etwas war und alles geworden ist
/ seit dem es scheinet in nichts verwandelt zu werden.
Fragestu / was es sey?
Es ist der Cörper Der Weyland
Hoch-Edlen / Hoch-Ehr und Tugend-belobten Frauen / Fr. Anna Maria Hantelmannin
/ gebohrnen Uden / Diese war dem Nahmen nach ein Nichts / () in der That aber etwas.
Alles kanstu von Ihr nicht verlangen.
In dieser Unvollkommenheit ist nichts vollkommenes:
Was man aber bey denen nichtigen Menschen vor etwas hält fand sich bey
Ihr:
Rechtschaffne Tugend Ein ungeheucheltes Christenthum / welches allein einen
Menschen zu etwas macht /
Kurtz: Eine gesunde Seele in einem gesunden Leibe spührete man bey Ihr.
|| [ID00056]
Zweiffelstu noch / Ob Sie etwas gewesen?
Ihre Hinterlassene werden dir mit ihrem Klagen bezeugen / daß Sie an Ihr mehr
als etwas verlohren.
Doch nun ist Sie alles geworden.
Da der Leib der Verwesung übergeben / die ihn bald in ein anscheinendes Nichts
verwandeln wird / damit ein besser Etwas daraus werde:
Daß die Seele zu dem gekommen / der alles in allen ist / hieran darffstu nicht
zweiffeln:
Sie hat in Ihrer Nichtigkeit wol gelebet / drum ist Sie wol gestorben / wol in
die Ewigkeit gefahren.
Gehe nun hin und folge Ihr nach im Glauben / Leben / Sterben So wird dein
Nichts in Alles verwandelt werden.
Dieses hat der Seelig-Verstorbenen zu schuldigen letzten Ehren aufsetzen
wollen
LUDOVICUS GÜNTHER.
GELHUD.
|| [ID00057]
ACh Fall! Ach herber Fall! der Uns anjetzt betrifft / Der unser Hertz und Hauß in Boy und Nacht verkehret / Der unsre Trübniß / Leyd / und Creutzes-Wermuht mehret / Der uns als wie ein Sturm auf wilder See umschifft;
Ach Schmertz! der Marck und Bein als wie ein Blitz durchdringt / Ach Riß! der uns das Hertz als wie ein Schwerdt zertheilet / Ach Schaden! den so leicht kein Trostes-Pflaster heilet / Ach Schlag! davon vor Angst die treue Brust zerspringt;
Die Liebe so ich Ihr Frau-Mutter schuldig bin / Hat ihre Fackel jetzt in mir tieff angezündet / Sie ist es auch die mich mit Kummer-Seilen bindet / Und augenblicklich kränckt den Schmertzens-vollen Sinn.
Es ist mir Zentner schwer was ich erdulden muß / Es schallt der harte Thon mir immerdar in Ohren / Die allerliebste Mutter hastu nun verlohren / Es trieffet Aug und Hertz vom bittern Thränen Fluß;
Doch der sich in der Schrifft der Wäysen Schutz-Herr nennt / Wird auch bey mir die treue Mutter-Stell vertreten / Wenn ich nur als sein Kind mich zu ihm wend mit Beten / Er ist es ja der uns die Seinen wol erkennt.
So geh Sie dann dahin wo keine Drückungs-Last / Wo Ihr Erlöser Sie mit stoltzer Ruhe lohnet / Wo Lust und Lieblichkeit in reicher Maasse wohnet / Wo lauter Herrlichkeit Ihr heilges Haupt umfast. So beklaget und beträhnet den höchst-empfindlichen Verlust seiner hertzallerliebsten Mama Joh. Julius Christoph Hantelmann.
|| [ID00058]