Transkription

Faber, Ludolph: Die letzte und beste Vocation eines treuen Dieners Jesu Christi : Wurde Aus Johann. 12. v. 26. an dem Beerdigungs-Tage Des ... Herrn Johann Bernhard Luhnen, S.S. Theologiæ Doctoris, Hoch-Fürstl. Braunschweig-Lüneburgischen Consistorial- und Kirchen-Raths/ Als Derselbe von dem Hof-Preddiger-Am[m]t zu Wolffenbüttel zur General-Superintendentur nacher Gandersheim beruffen worden; aber vor seiner Introduction die letzte und beste Vocation, durch seinen den 1. Dec. 1723. erfolgten seligen Tod ... .
[Inhaltsverzeichnis]
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Die letzte und beste VOCATION eines treuen Dieners JEsu Christi / Wurde Aus Johann. 12. v. 26. an dem Beerdigungs-Tage Des weiland Hochwürdigen / in GOtt andächtigen und Hochgelahrten Herrn / HERRN Johann Bernhard Luhnen, S. S. THEOLOGIAE DOCTORIS, Hoch-Fürstl. Braunschweig-Lüneburgischen Consistorial- und Kirchen-Raths / Als Derselbe von dem Hof-Vrediger-Am̅t zu Wolffenbüttel zur General-Superintendentur nacher Gandersheim beruffen worden; aber vor seiner Introduction die letzte und beste Vocation, durch seinen den 1. Dec. 1723. erfolgten seligen Tod / erhalten / In der Am III. Advents-Sonntage / in der Stiffts-Kirche daselbst gehaltenen und dem begehrten Druck überlassenen Leichen-Predigt Erwogen von M. Ludolph Fabern / Probsten des Closters zu Brunshausen und Special-Superintendenten in denen Aemtern Grene und Gandersheim.
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Wolffenbüttel / druckts Christian Bartsch / Hertzogl. Hof- und Cantzley-Buchdrucker.
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Des wolseligen Herrn Consistorial-Raths Luhnen hinterbliebenen hertz- und schmertzlichst betrübten Frau Witwen / der Hoch-Edelgebobrnen Frau Latharinen Elisabeth Luhnin / gebohrner MALLINKROT, und dann denen beyden Waysen Marcinen Eleonoren Luhnin und Johann Christian Luhn / Wie auch sämtlichen werthesten FAMILIE,
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übergiebt diese Leichen-Predigt / nebst inbrünstiger Anwünschung kräftigen Trostes / him̅lischen Seegens und anderweiter Freude / Dero zum Gebet und Dienst williger Diener M. LUDOLPH FABER.
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JESU / der du aller treuer Diener GOttes höchster und bester Beforderer bist / sie zu solchem Dienst aussonderst / beruffest und tüchtig machest; der du ihnen endlich die beste Beforderung giebest / wann du sie durch einen seligen Tod zu deiner Herrlichkeit beruffest / daß sie seyn sollen wo du bist; Ja JEsu / der du insgemein alle Christen als deine beruffene Diener in solche Herrlichkeit einführen wilt: Laß uns doch durch den Spiegel deines Worts diesen seligen Zustand deiner Diener recht einsehen / daß wir dadurch erwecket werden / auch unser Pflicht nachzukom̅en / und in deinem Dienst getreu zu seyn biß ans Ende / das verleihe uns um deiner ewigen Treue willen! Amen.

Vorrede.
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GEhr Betrübte / in GOtt allesam̅t hertzlich Geliebte. Es ist kaum ein vierthel Jahr verflossen / (war Dom. XV. post Trin.) da sichs bey der damaligen Vacantz ohngefehr fügete / daß ich das Wort des HErrn an dieser heiligen Stätte lehrete / und aus dem Sonntags-Evangelio / dieser lieben und hochansehnlichen Gemeine / durch die Gnade GOttes / vortrug: Die von JEsu gesuchte Befriedigung derer Seelen der Menschen.
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Die Gelegenheit hiezu gab mir einmal das praeloquium: (Luc. 9, 56.) Des Menschen Sohn ist nicht kommen der Menschen Seelen zu verderben / sondern zu erhalten; So dann auch das alloquium Davids an seine Seele: Sey nun wieder zu frieden / meine Seele / denn der HErr thut dir guts (Psalm. 116, 7.) Da wir denn mit Stillschweigen nicht vorbeygiengen / wie dieser grosse König vor allen seine Seele anredet / und ihm / bey seiner schweren Regierung / derselben Befriedigung höchst angelegen seyn lässet. Seele! lautet es / sey zu frieden / oder kehre wieder zu deiner Ruhe. O wol! wenn grosse Herren vor andern Vergnügen ihrer Seelen Beruhigung suchen / wie freudig können sie alsdann in GOtt leben. Die Seele ist der zarteste Theil im Menschen / und gleich wie in ein weiches Wachs leichter etwas kan gedrucket werden / als in einen harten Stein; wie ein zartes Auge leichter kan verletzet werden / als ein ander Glied: Also empfindet die Seele alles am hefftigsten und kan am ersten beunruhiget werden. Wann GOtt sich verwandelt in einen Grausamen / (Job. 30, 21.) und viel sagen von unser Seele: Sie hat keine Hülffe bey GOtt; (Psalm. 3, 3.) so entstehet Unruhe und Bekümmerniß im Hertzen / worinn die Seele ohne die Tröstungen GOttes nicht kan ergetzet und zur Ruhe gestellet werden. (Psalm. 94, 19.) An solcher Seelen-Ruhe läst es GOtt keinem mangeln / der darnach verlanget / wie das zu der Zeit mit mehren gezeiget ward / indem wir / erwehnter massen / aus dem gantzen Evangelio betrachteten: Die von JEsu gesuchte Befriedigung unserer Seelen / und wie man der vielen unnöthigen Sorgen überhaben seyn könnte. Niemand aber gedachte damals mit mir / daß ich sobald wiederum / an dieser heiligen Stätte / in der Versam̅lung so vieler beunruhigten Seelen erscheinen / und dasjenige verrichten solte / welches ich wünschete überhaben zu seyn; doch es hat dem Höchsten so gefallen / und wir sind schuldig uns in seinem Willen zu beruhigen. Ich bin nemlich beruffen eine Leichen-Predigt zu halten / wem aber? Demjenigen / der da von GOTT
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dem Allerhöchsten und unserm gnädigsten Landes-Vater beruffen war / an diesem Orte aller armen Seelen Befriedigung zu suchen / damit sie zum Leben erhalten würden. Es ist der weiland Hochwürdige / in GOtt Andächtige und Hochgelahrte Herr / Johann Bernhard Luhn / S. S. Theologiae Doctor, vom Hoffprediger-Amt zu Wolffenbüttel beruffener Consistorial-Rath / auch General-Superintendens im Hartz- und Leine-district. Ach! was vor ein hertzliches Verlangen hatte der wolselige Herr Consistorial-Rath einmal diese heilige Stätte zu betreten / und seinem Beruff gemäß / aus GOttes Brünnlein / (Psalm. 65, 15.) so Wassers die Fülle hat / die müden Seelen zu erquicken; Allein / GOTT wolte Ihn mit einer bessern Vocation ansehen. In der Walfahrt seines Lebens hat Er / wie die Personalien mit mehrem besagen / zu unterschiedlichen malen / auf des Allerhöchsten Winck / von einer station zur andern wandern müssen; Nun aber solte Er eine beständige Stelle im Himmel betreten. Dazu ward Er durch einen seligen Tod beruffen. Eins bedaure ich von meiner Seiten dabey / daß Er mir hierinnen zuvorkommen / und daß ich in meinem 70jährigen Alter dem die Leichen-Predigt zu halten genöthiget / welcher mir die letzte Rede hätte halten sollen. In einem war ich Ihm zuvorkommen / indem ich in eben dem Jahre / worinn der wolselige Herr Consistorial-Rath das Licht dieser Welt zum ersten erblicket / die academischen studia angefangen. Jetzo aber ist Er mir zuvorkommen / da Er durch den seligen Hintrit eher als ich absolviret / und zu der höchsten Ehren-Stelle / worinn Er / wie des Himmels Glantz / und wie die Sterne immer und ewiglich leuchten wird / (Dan. 12, 3.) beruffen worden. Die allerbeste Vocation / welche jemals ein Lebendiger wünschen oder erlangen können / ist Ihm bereits insinuiret worden. Darnach verlangte Ihn / wie die gantze Lebens-Zeit / so auch sonderlich auf seinem Krancken-Lager. Sein äußerstes bemühen war / sich sorgfältig dazu anzuschicken / und als ein würdiger Candidatus mit dem weissen Kleide der Unschuld und Gerechtigkeit Christi vor GOtt zu erscheinen. Nun ist sein Wunsch erfüllet.
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Er ist beruffen / nicht zur Arbeit / wie im Leben / sondern zur Ruhe. Er gehöret zu den seligen Todten / die in dem HErrn gestorben / von welchen der Geist spricht / daß sie ruhen von ihrer Arbeit. (Apoc. 14, 13.) Das ist eine herrliche Ruhe an Seiten des wolseligen Herrn Consistorial-Raths / aber nicht an Seiten der schmertzlich betrübten Frau Witwe / der hinterblieben Wäysen / und übrigen wehrten Anverwandten / als welche durch diesen Todes-Fall insgesamt in eine grosse Unruhe gerathen sind. Kein Wunder / wenn ein jeglicher unter ihnen mit seufftzenden Munde anjetzo die Worte Hiobs wiederhohlete: War ich nicht glückselig? War ich nicht fein stille? Hatte ich nicht gute Ruhe? Und kommet solche Unruhe. (Job. 3, 26.) Denn wenn Sie an den Verlust des wolseligen Herrn Consistorial-Raths gedencken / so kan Ihre Gemüths-Ruhe wol nicht ungestöret bleiben. Aber es ist noch etwas / so diese beunruhigte Hertzen beruhigen kan. Der GOtt / welcher den wolseligen Herrn Consistorial-Rath zu der allerseligsten Himmels-Ruhe beruffen hat / wird auch Ihre Seelen nicht ewiglich in Unruhe lassen. CHristi Lehre und Wort verspricht allen Mühsäligen und Beladenen Seelen-Ruhe / (Matth. 11, 28.) und wo die ist / da muß auch alle äußerliche Unruhe weichen. Deswegen wollen wir zu dieser Quelle eilen / und daraus Trost schöpfen für unsere bekümmerte Hertzen. Darzu wird insonderheit dienlich seyn / wenn wir von dem letzten und besten Ruff treuer Diener JEsu Christi nach Veranlassung des beliebten Leichen-Textes ein mehrers handeln. Dir aber / mein GOtt / ist wol wissend / daß ich nicht reden kan / wenn du mir nicht selbst das Wort in den Mund legest / und Ihr / in Christo geliebte Zuhörer / könnet nichts erbauliches hören / wenn nicht der Geist GOttes eure Ohren und Hertzen öfnet / darum wollen wir / GOttes Beystand zu unserm Vorhaben zu erlangen / im Geist und in der Warheit beten: ein andächtiges Vater Unser.
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Text. Johann. 12, 26.
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Wer mir dienen wil / der folge mir nach; und wo ich bin / da soll mein Diener auch seyn. Und wer mir dienen wird / den wird mein Vater ehren.

Eingang.
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WAs vor traurige fata treue und fromme Diener GOttes in dieser Welt zum öftern erleben müssen / solches haben wir diesen morgen (Dom. III. Adventus) aus dem Evangelio an Johanne dem Täuffer in mehren abnehmen können. Johannes der erste Prediger Neues Testaments / welcher dem theuresten Heylande den Weg bereiten solte / auch sein Amt mit aller Treue verwaltete / saß im Gefängniß / da hingegen Herodes / welcher in abscheulichen Sünden lebete / auf seinem königlichen Thron prangete. Der Freund JEsu in Banden? Was bringet ihn dazu? Die Warheit. Herodes / den man Antipas nennet / hatte seinem Bruder Philippo die Gemahlin entführet / das konte Johannes nicht ungestraffet lassen / sondern redete den Uebertreter mit diesen Worten an: Es ist nicht recht / daß du deines Bruders Weib habest. (Marc. 6, 18.) So redete Johannes nicht zu schelten / sondern zu unterrichten / nicht zu schmähen / sondern zu bessern / wie solches aller treuer Diener GOttes redlicher Zweck in ihrem Straff-Amt ist. So redlich gemeinet / so übel aufgenommen. Johannes muste darüber ins Gefängniß / endlich gar den Kopf hergeben. Das ist noch der Lohn treuer Diener JEsu in der Welt / es trifft bey ihnen das bekannte Sprichwort:
Veritas odium parit, Die Warheit gebiehret Haß /
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recht ein. Die Grace, sagt ein gewisser Lehrer / kan durch die Warheit auf einmal verschüttet werden. Wolten wir jetzt weitläuftig seyn und auch derer gedencken / welche außer der wahren Kirche sind / die sich zu allen Zeiten als Priester-Feinde der Evangelischen Kirchen erwiesen haben / so würden wir finden / daß die Egyptier vorzeiten nicht so einen grossen Greuel an denen Israelitischen Viehhirten können gehabt haben / (Gen. 46, 34.) als gramm und gehäßig sie denen Seelen-Hirten der Evangelischen Kirchen sind; Aber wir wollen nur in unser Lutherischen Kirche selbst uns umsehen / und da müssen wir klagen / daß auch unter denen / die gesunde Glieder der wahren Kirche seyn wollen / sich nicht wenige finden / denen es das gröste Vergnügen ist / wenn sie die Diener Christi verlästern und ihren Namen als einen boßhaften schelten können. Was dem Boten GOttes Ezechiel widerfuhr / der vorzeiten ein Liedlein seiner Zuhörer seyn muste / (Ezech. 33, 32.) das trifft noch jetzo treue Diener JEsu / die sich von der Welt / oftmals unter dem Schein eines besondern Lobes / aufs allerärgste müssen verlästern lassen. So ist die Welt gesinnet. Sie wil entweder gar keine / oder doch nur solche Prediger haben / die da predigen / was ihr wolgefället. Ihre Prediger sollen Aertzte seyn / aber die Wunden nicht rühren / Väter / aber die Boßheit ihrer Kinder nicht sehen / und ihren Ungehorsam nicht straffen. Findet die Welt das an ihren Lehrern / so sind sie ihr angenehm / voraus / wenn sie fein mit machen / und sich der Welt in ihrem sündlichen Wesen gleich stellen. Da wird erfüllet das Wort JEsu: Die Welt hat das ihre lieb. (Johann. 15, 19.) Redet aber ein treuer Diener GOttes die Warheit / und gehöret zu denen / die sich mit dräuen davon nicht abbringen lassen / nach dem Exempel Petri und Johannis; (Actor. 4, 17. seqq.) Beweiset er sich in seinem Leben / als ein unverwerflicher Zeuge der Warheit / und spricht mit Paulo: Wenn ich Menschen noch gefällig wäre / so wäre ich Christi Knecht nicht; (Galat. 1, 10.) So beisset die Welt / wie beym Stephano / die Zähne über ihn zusammen / (Actor. 7, 54.) So müssen sie seyn als ein Fluch und Feg-Opfer aller Leute. (1. Cor. 4, 13.) Es gehet ihnen desfals / wie einem Steinhauer / der sich nicht befremden lassen
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muß / wenn ihm bey seinem angewandten Fleiß und Mühe die Steine ins Gesichte fliegen: Also auch wenn treue Diener Christi das in dem Menschen verderbte Ebenbild GOttes / vermittelst des Hammers des göttlichen Worts / (Jerem. 23, 29.) wieder anrichten wollen / erfahren sie gemeiniglich / daß / wo nicht gar mit natürlichen Steinen wider sie verfahren wird / dergleichen Proceß die Juden mit CHristo vornehmen wolten / (Johann. 8, 59.) und mit Stephano ins Werck richteten / (Actor. 7, 58.) es auf andere Weise an ihnen erfüllet wird / was der bekannte Verß saget:
Praemia doctrinae lapides Ecclesia sentit. Vieler treuer Lehrer Lohn Sind nur Steine / Spott und Hohn. womit viele unchristliche Zuhörer weidlich um sich werffen. Gewiß es ist höchst zu verwundern / daß diejenigen gehasset werden / die denen Menschen alles gutes thun / und sie von der grösten Gefahr ihrer Seelen zu erretten suchen. Dem Menschen / welcher uns vom Unglück befreyet / dem Artzt / welcher dem Krancken zur Gesundheit hilfft / pflegt ja niemand gram̅ zu seyn. Wer auf einem Irrwege ist / darauf er in Gefahr seines Lebens gerathen müste / läst es sich nicht zuwider seyn / wenn jemand ihm den rechten Weg weiset. Wer sich besudelt nim̅t mit Danck an / wenn ihm die macul gezeiget wird / aber die Welt ist gar verkehrt; Sie hasset treue Lehrer / welche sie an ihrem Sünden-Schaden heilen / und zu Genesung ihrer todt-krancken Seele zu JESU / dem rechten Artzt / bringen wollen: Sie feindet diejenigen an / welche sie von dem Todes-Wege abführen und ihre Füsse auf den Weg des Friedens richten wollen: Sie stösset die Hand weg / welche ihr die heßlichen Sünden-Flecken abwaschen wil. Ist das nicht ein schnöder Undanck für so grosse Wolthaten? Und das macht eben das Amt der Diener JEsu beschwerlich / daß die Welt sie der Warheit wegen anfeindet. Nichts anders hat auch ein jedweder Christ / als ein Diener JEsu und geistlicher Priester / von der Welt zu gewarten / als Feindschafft / Verfolgung / Haß und Widerwillen. Alle / die
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gottselig leben wollen in Christo JEsu / müssen Verfolgung leiden / sagt Paulus (2. Timoth. 3, 12.) Aber deswegen wollen wir nicht aufhören JEsu zu dienen / sondern in seinem Dienst / unter allem Haß und Verfolgung der Welt / getrost verharren. Treue Lehrer lassen sich in ihrer Treue nicht irre machen / durch die Boßheit der Welt / weil sie GOTT und JESUM zum Schutz-HErrn haben. Von JESU sind sie gesendet und der schützet sie auch. Tastet meine Gesalbten nicht an / und thut meinen Propheten kein Leid / heist es (Psalm. 105, 15.) JEsus hat ihnen befohlen den Saamen des göttlichen Worts auszustreuen / und der lässet denselben auch noch in einige Hertzen fallen / die dem guten Lande gleich sind und Frucht bringen. JEsus hat ihnen geheissen zu pflantzen und zu begiessen / und der giebt auch das Gedeyen dazu. Oft werden die Verfolger der Warheit selbst Verthädiger derselben; aus einem schnaubenden Saulo wird ein betender Paulus / aus einem grimmigen Wolffe ein sanftmüthiges Schaaf. Das ist ein grosser Seegen / den treue Diener GOttes hier in ihrem Amt zu gewarten haben / aber noch ein grösserer Seegen ist für sie in der Ewigkeit aufgehoben. Wenn sie im Tode Feyer-Abend machen / so soll ihnen ihr Gnaden-Groschen / nach der Verheissung GOttes / gewiß werden. (Matth. 20, 8.) In Betrachtung dessen sind sie getrost in allen widrigen Schickungen / sie trotzen auf ihren Beruff / daß sie Diener GOttes sind. Und wol ihnen / daß sie sich dessen rühmen können. Wie sie beruffen sind mit Christo zu leiden / so sollen sie auch mit ihm zur Herrlichkeit erhaben werden / denn unser Heyland wil sich und seine treue Diener nicht trennen lassen: Wo ich bin / da soll mein Diener auch seyn / spricht er in unserm vorabgelesenen Text / welcher uns / hievon ein mehrers zu reden / Gelegenheit geben wird. Darum wollen wir denselben vor uns nehmen / und unter göttlicher Gnade / und Beystand des Heiligen Geistes / aus demselben unser Andacht vorhalten:
Ultimam & optimam vocationem servorum Jesu Christi.
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Den letzten und besten Ruff treuer Diener JESU CHristi. Wir mercken dabey:
I. Wer da ruffet. II. Welche die sind / so geruffen werden. III. Die Ehre / die denen Beruffenen wiederfahren soll. Seufzen aber vorhero:
Du heilige Brunst / süsser Trost / Ach hilff uns frölich und getrost In deinem Dienst beständig bleiben / Die Trübsal uns nicht abtreiben. O HErr! durch dein Krafft uns bereit / Und stärck des Fleisches Blödigkeit / Daß wir hier ritterlich ringen / Durch Tod und Leben zu dir dringen. Amen.

Abhandlung.
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ANdächtige Zuhörer / wenn wir nun vorerwehnter massen den letzten und besten Ruff treuer Diener JESU CHRisti mit einander betrachten wollen / so müssen wir dabey mercken:

I.
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Den Beruffer. Und davon hören wir in unserm Text / daß es unser JESUS sey / denn der trit selber auf und spricht: Wer mir dienen wil / der folge mir nach.
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Das ist eines Christen Schuldigkeit / daß er Christo nachfolge. Dazu ist er von seinem Heylande beruffen: Wer mir dienen wil / der folge mir nach; Aber was haben wir denn wol ehe aus seinem Munde gehöret? Des Menschen Sohn ist nicht kommen / daß er ihm dienen lasse / sondern daß er diene. (Matth. 20, 28.) Daher sich auch die Römischen Päbste / als welche Christi Stadthalter zu seyn praetendiren / servos servorum, Knechte aller Knechte / wollen nennen lassen. O demüthige Hochmuth! o hochmüthige Demuth! Freylich ist der von Hertzen demüthige Heyland darum nicht in die Welt kommen / daß Er ein weltlich Reich anrichtete / und wie die weltliche Könige sich von vielen Bedienten aufwarten liesse / sondern Er ist kommen die Menschen durch seine erbauliche Lehren zu unterrichten / und ihnen den Weg zu dem Himmelreich zu zeigen / gleichwie Er ihnen den Eingang dazu / durch sein heiliges Verdienst / geöfnet. Alle seine Verrichtungen / so wol sein heiliges Leben / als auch sein Leiden / Sterben und Auferstehen waren dahin gerichtet / das Reich Israel wieder aufzurichten / und die Hertzen der Menschen zu beherrschen. Dahin bemühete Er sich mit solchem Ernst und Eifer / daß auch kein eintziger Bluts-Tropfen in seinem allerheiligsten Leibe bleiben solte / welcher nicht zum besten seiner Gemeine angewendet würde. Das war der Dienst / wovon der Heyland redet / daß er nicht kommen sey / Ihm dienen zu lassen / sondern selber zu dienen / wie auch die folgenden Worte zu erkennen geben / daß es ein solcher Dienst / darinn JEsus sein Leben zur Erlösung für viele gegeben. In diesem Dienst hat Er keine Nachfolger und Neben-Diener haben wollen / darum spricht Er zu Petro / kurtz vor seinem grossen Leiden: Da ich hingehe / kanst du mir dismal nicht folgen / (Johann. 13, 36.) und schon im Alten Testament läst Er sich vernehmen: Ich trete die Kelter alleine / und ist niemand unter den Völckern mit mir. (Jesaj. 63, 3.) Aber wer in JEsu Reiche leben / und dessen Güter geniessen wil / den ruffet JEsus / Ihm zu dienen: Wer mir dienen wil / der folge mir nach; Nicht anders ist es / M. L.
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Wer von dem Dienst JEsu / welchen Er in der Knechts-Gestalt / zur Erlösung der Menschen / verrichtet / Nutzen haben wil / der muß JESUS Diener wieder werden / und Ihm nach folgen. Darzu beruffet sie der Heyland hie: Wer mir dienen wil / der folge mir nach. Welche nun nach einem besondern Amte / als Lehrer der Kirche / Diener JEsu seyn wollen / die hören hie / was ihre Schuldigkeit sey / sie sollen von JEsu beruffen seyn / und sich einer rechtmäßigen und göttlichen Vocation rühmen können. Ein rechtmäßiger Beruff ist das beste Mittel / in allen Versuchungen und Prüfungen / welche einem Lehrer wiederfahren können / auszuhalten. Hingegen / wo kein rechtmäßiger Beruff ist / da kan / zur Zeit der Trübsal / nicht die geringste Freudigkeit sich zeigen / zu geschweigen / daß oftmals eine Hinderniß der Erbauung der Gemeine / aus dem Mangel eines rechtmäßigen Beruffs / entstehet / und gehöret hieher / was Paulus spricht: Wie sollen sie predigen / wo sie nicht gesandt werden? (Rom. 10, 15.) und GOtt selbst: Ich sandte die Propheten nicht / noch lieffen sie: Ich redete nicht zu ihnen / noch weissagten sie. (Jerem. 23, 21.) Darum gedencken die Apostel so oft ihres Beruffs / weil so viel daran gelegen / wie sonderlich Paulus thut. (Galat. 1, 1.) Sie nennen sich deswegen auch / zu Anfang ihrer Briefe: Apostel und Knechte JEsu Christi. Damit legen sie zwar auch zu Tage ihre Demuth / wie sie sich gegen JEsum nicht anders achten / als die geringsten Knechte; so auch die Treue in ihrem Amte / wie ein Knecht die Geschäffte seines Herren verrichten und dabey Treue beweisen / auch alles zum besten des Herrn thun muß: so wollen sie auch des HErrn JESU instruction folgen und in aller Treue seine Ehre befordern. Insonderheit aber zielen sie mit dieser Benennung auf ihren Beruff / daß sie von JEsu gesandt / mit der Predigt des Worts. Darauf führen sie die Gemeinen / daß sie ihr Wort annehmen / als ob JEsus solches selber zu ihnen geredet. Ein Beweiß / daß JEsus derjenige sey / welchem wir den Beruff der Lehrer zuzuschreiben. Zwar es ist solcher Beruff allen dreyen Perso
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nen des Göttlichen Wesens gemein / und wir dürffen GOTT den Vater und GOTT den Heiligen Geist nicht davon ausschliessen. So gedencket Paulus GOttes des Vaters / in Erzehlung seines Beruffs / neben JEsu Christo. (Galat. 1, 1.) Und GOtt der Vater ists / der vorzeiten manchmal / und auf mancherley Weise / zu den Vätern geredet hat / durch die Propheten / (Ebr. 1, 1.) Vom Heiligen Geist saget Paulus / daß Er Bischöffe gesetzet / zu weiden die Gemeine GOttes. (Actor. 20, 28.) Dennoch aber wird unserm Heylande / dem GOtt-Menschen / als dem ewigen Wort des Vaters / und dem grossen Propheten / die Beruffung der Lehrer insonderheit zugeeignet. Siehe / ich sende zu euch Propheten / Weisen und Schrifftgelehrten / spricht JEsus selber / (Matth. 23, 34.) und Paulus weiset uns solches auch in diesen Worten an: Er hat etliche zu Aposteln gesetzet / etliche aber zu Propheten / etliche zu Evangelisten / etliche zu Hirten und Lehrern: (Ephes. 4, 11.) Ja dieses Werck gehöret mit zu der Gewalt / wovon der Mensch CHristus JESUS sagt: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Denn darauf folget so gleich: Darum gehet hin in alle Welt und lehret alle Völcker u. s. f. (Matth. 28, 18. 19. 20.) Hie möchte aber jemand gedencken / es sey wahr / daß der Beruff der Propheten Altes / und der Apostel und ersten Lehrer Neues Testaments göttlich gewesen; aber das lasse sich nicht appliciren auf den Beruff / welcher heut zu Tage in der Kirche üblich. Dem antworten wir nun mit guten Grunde / daß allerdings auch solcher heutige Beruff zum Lehr-Amt / welcher durch die Glieder der Kirche / rechtmäßiger Weise / geschicht / für göttlich zu achten. Denn waren nicht die Bischöffe zu Ephesus auch nur mittelbar / wie unsere heutige Lehrer / beruffen? Dennoch sagt Paulus von ihnen ausdrücklich: Der Heilige Geist habe sie in solche Aemter gesetzet. (Actor. 20, 28.) War nicht Archippas mittelbar zum Lehr-Amt beruffen? Dennoch heist es: Er habe sein Amt in dem Herrn empfangen / (Col. 4, 17.) Ebener maßen war auch Sosthenes nicht unmittelbar beruffen /
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und er war doch / so wol als Paulus / ein Diener Christi und Haushalter über GOttes Geheimniße. (1. Cor. 1, 1. & c. 4, 1.) Der HErr ists der noch Arbeiter in seine Erndte sendet. (Matth. 9, 38.) Denn diese Erndtezeit können wir ja nicht so einschrencken / daß wir sie von einer gewissen Zeit verstehen wolten / sondern sie währet bis zur eilften Stunde / bis es Abend wird / das ist bis an das Ende der Welt / wie uns das Gleichniß JEsu von denen Arbeitern / die der Hausvater in seinen Weinberg gesendet / dieses anweiset. (Matth. 20, 6. 8.) Also können wir gewiß seyn / daß noch jetzo GOttes Hand dabey ist / wenn rechtschaffene / mit nothwendigen Gaben versehene / und zum Predig-Amt tüchtige Männer / abgesondert werden / nach Maßgebung des heiligen göttlichen Worts / zum Dienst der Gemeine. Diese können sich ihres göttlichen Beruffs trösten. Sie sind Botschaffter an Christus statt. (2. Cor. 5, 20.) Und hieraus können wir auch lernen / was etwa denen Päbstischgesinneten zu antworten / wenn sie unsers sel. Vaters Lutheri Beruff / zur Reformation der Kirche / als ungöttlich und unrechtmäßig / ausschreyen / indem der theure Mann jaeinmal als Prediger / dann auch als Professor und Doctor, einen ordentlichen Beruff gehabt / da er auf die heilige Schrifft / als den Grund / worauf er seine Lehre zu bauen / gewiesen / wiewol sie daneben viel irrige menschliche Satzungen der heiligen Schrifft zur Seite setzeten / die aber / dem göttlichen Worte gleich / das Gewissen des seligen Mannes nicht verbinden kunten. Es kön̅te zu Erläuterung dieser Sache dienen das Wort JEsu / da Er seine Zuhörer weiset / auf die auf Mosis Stuhl sitzende Schrifftgelehrten und Pharisäer / (Matth. 23, 2.) nicht so fern sie viel Sauerteig der Lehre noch bey sich hatten / sondern so fern sie auf Mosis Stuhl sassen. Wir läugnen indessen nicht / daß / außer diesem ordentlichen Beruff / der selige Lutherus auch einen außerordentlichen Beruff zu dem besondern Dienst GOttes / in dem Werck der Reformation / gehabt / da ihm GOTT besondere Gaben / Muth und Krafft verliehen / das heilsame Werck der Reinigung der Kirche / behertzt anzufangen und glücklich auszuführen; wovon wir aber jetzo nicht weitläuftiger handeln können.
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Hie haben wir nun / wertheste Zuhörer / eine Warheit / welche alle diejenigen / so sich dem HErrn JESU / in seiner Kirche / als Lehrer / zu dienen gewidmet / zu mercken / daß sie sich bestreben einen rechtmäßigen und göttlichen Beruff zu erlangen. Da haben sie nicht nur zu prüfen den innerlichen Beruff / ob nemlich GOTT so viel Gaben und Geschicklichkeit in sie geleget / und sie dieselbige durch fleißiges studiren und Gebet erwecket / daß sie mit gutem Gewissen sich / als Lehrer / der Kirche GOttes anbieten können; sondern sie haben auch den äußerlichen Beruff mit Gedult zu erwarten / und durch unziemliche Wege sich nicht ins Amt zu dringen / ehe sie GOtt dazu haben wil / sonst möchten sie wenig Seegen mit hineinbringen. Zuhörer haben hieraus zu erkennen / die grosse Liebe GOttes gegen sie / daß Er noch allezeit solche Männer erwecket und beruffet / die durch lehren / vermahnen und trösten ihnen können nützlich seyn. Da mögen wir wol sagen mit Paulo: Es ist alles euer / es sey Paulus oder Apollo / es sey Kephas oder die Welt / (1. Cor. 3, 21. 22.) JEsus sendet Hirten und Lehrer / daß die Heiligen zugerichtet werden zum Werck des Amts / dadurch der Leib CHRisti erbauet werde. (Ephes. 4, 11.) für welche Wolthat Zuhörer GOtt zu dancken haben / und sich dadurch bewegen zu lassen / daß sie denen Lehrern gehorchen und ihnen folgen / ihr Wort / so sie aus der heiligen Schrifft zu ihnen reden / annehmen / nicht als Menschen-Wort; sondern / wie es auch warhaftig ist / als GOttes Wort. Wir Christen insgemein / haben auch von unserm allgemeinen Christen-Beruff nichts anders zu gedencken / als daß es ein göttlicher Beruff ist. GOTT hat in seinem ewigen Rath-Schluß denselben beschlossen / denn welche er zuvor versehen / die hat er auch verordnet -- welche er aber verordnet / die hat er auch beruffen. (Rom. 8, 29. 30.) Es sind auch göttliche Mittel / dadurch wir beruffen worden / nemlich die heilige Tauffe und das Wort GOttes / desto mehr sollen wir dem Beruffe folgen / weil er göttliches Ursprungs / und göttliche Güter bey sich hat. Dabey ist tröstlich / daß GOtt
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allmächtig und getreu ist / welcher uns beruffen hat. Denn so kan und wil Er uns erhalten / so kan und wil Er das angefangene Gnaden-Werck in uns vollenden. Wie nun JEsus / mit seinem Vater und dem werthen Heiligen Geiste / derjenige ist / welcher die Christen beruffet zu seinem Gnaden-Reich; welcher die Lehrer beruffet zu seinen Dienern an der Gemeine: So ist Er auch derjenige / welcher ihnen den letzten und besten Ruff ertheilet / da Er sie ruffet zum Reiche seiner Herrlichkeit in einem seligen Tode. Schöne Worte sinds / die Paulus hievon anführet / in dem eben angezogenen Ort: (Rom. 8, 30.) Welche GOtt beruffen hat / die hat er auch gerecht gemacht / welche er aber hat gerecht gemacht / die hat er auch herrlich gemacht. Dahin gehet aller vorhergehende Beruff. Alles Evangelium / welches geprediget wird / fasset in sich einen Beruff GOttes zur Seligkeit / deswegen heißt solche Predigt ein Evangelium von unser Seligkeit / (Ephes. 1, 13.) oder ein Evangelium / durch welches wir selig werden / (1. Cor. 15, 2.) ja es wird wol die Seligkeit selber genennet / (Ebr. 2, 3.) weil GOtt der Predigt seines Worts sich als eines Mittels bedienet / dadurch Er uns nicht nur zur Seligkeit beruffet; sondern in solchem Beruff dieselbe würcklich mittheilet. Das ist der Seegen / welchen Paulus treuen Lehrern des Worts aus dem Evangelio verheisset: sie sollen sich selbst selig machen / und die sie hören / (1. Tim. 4, 16.) JEsus allein kan uns solchen Ruff zur Seligkeit wiederfahren lassen / weil Er allein uns die Seligkeit erworben. Darum / wenn des göttlichen Beruffs zur Herrlichkeit gedacht wird / so heisset es / er sey geschehen in CHRisto JESU: Der GOtt aller Gnade / der uns beruffen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit / in Christo JESU / u. s. w. (1. Petr. 5, 10.) GOTT hat uns selig gemacht / und beruffen mit einem heiligen Ruff / nicht nach unsern Wercken / sondern nach seinem Vorsatz und Gnade / die uns gegeben ist in Christo JEsu vor der
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Zeit der Welt. (2. Tim. 1, 9.) Deswegen verknüpfet der Heyland in unsern Worten den Beruff zum Gnaden-Reich / mit dem Beruff zum Reich seiner Herrlichkeit: Wer mir dienen wil / der folge mir nach / und wo ich bin / da soll mein Diener auch seyn. Und bald nach unserm Text bezeuget Er / daß Er alle wolle zu sich ziehen / davon wir hernach etwas hören werden. Es erhellet hieraus zur Gnüge / daß JEsus der Beruffer sey / der seinen Dienern den letzten und besten Ruff wiederfahren läst. Und das ist für die Lehrer so wol / als für alle Christen / ein grosser Trost / daß ihr Beruff nicht auf Menschen / als welche insgesamt Lügen und Irrthum unterworffen sind / (Psalm. 116, 11.) beruhet; sondern auf GOTT und JESUM. Dabey kan das Hertz gewiß und ruhig seyn. JESUS / der treue und warhaftige Zeuge / wird diese Vocation nicht ändern / wie Paulus spricht: GOttes Gaben und Beruffung mögen ihn nicht gereuen. (Rom. 11, 29.)

II.
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Welche sinds aber die von Christo zu seinem Dienst beruffen werden? JESUS nennet sie seine Diener und Nachfolger: Wer mir dienen wil / der folge mir nach / und wo ich bin da soll mein Diener auch seyn. Das zeiget uns die Pflicht der wahren Christen / sie sollen JEsu nachfolgen und seine Diener seyn. Diese Nachfolge JEsu in seinem Dienst kom̅t zuforderst an / auf die gläubige Annehmung seiner Lehre: Meine Schaafe hören meine Stimme / spricht deswegen der Heyland / und ich kenne sie und sie folgen mir. (Joh. 10, 27.) Und Paulus läst sich gegen Timotheum vernehmen: Wenn du den Brüdern solches (er redet von der Warheit und dem Wort Christi) vorhälst / so wirst du ein guter Diener JESU CHristi seyn / (1. Tim. 4, 6.) Das müssen wir von allen Christen sagen / daß sie alsdann Die
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ner Christi sind / wann sie sich von Christi Wort nicht trennen lassen / sondern dasselbige im Glauben annehmen; Dann kom̅t auch die Nachfolge JEsu in seinem Dienst an auf die Nachahmung seines Tugend-Exempels: Ein Beyspiel habe ich euch gegeben / daß ihr thut / wie ich euch gethan habe / spricht JESUS. (Joh. 13, 15.) Und abermal: Lernet von mir / denn ich bin sanftmüthig / und von Hertzen demüthig / (Matth. 11, 29.) Wollen wir auch den Apostel Petrum davon hören / so hat derselbe kaum die Christen zur Gedult im leiden ermahnet / so führet er sie so gleich auf das Exempel JESU: Denn dazu seyd ihr beruffen. Sintemal auch Christus gelitten hat für uns / und uns ein Vorbild gelassen / daß ihr solt nachfolgen seinen Fußstapfen. (1. Petr. 2, 21.) Also kan kein Jesus-Diener zugleich dem Teufel dienen. Denn wie stimmet Christus und Belial? Was hat das Licht für Gemeinschafft mit der Finsterniß? (2. Cor. 6, 14. 15.) Kein Jesus-Diener kan zugleich seinem eigenen Fleische dienen. Denn die Christum angehören / die dienen dem Fleische nicht / sondern sie creutzigen das Fleisch samt den Lüsten und Begierden. (Galat. 5, 24.) Kein JEsus-Diener kan zugleich dem Mammon dienen / nein: Ihr könnet nicht GOtt dienen und dem Mammon. (Matth. 6, 24.) Kein Jesus-Diener kan zugleich dem Bauche dienen. (Rom. 16, 18.) Denn wer seinen Bauch zum Götzen machet / den nennet Paulus einen Feind des Creutzes Christi / (Phil. 3, 18. 19.) und nicht seinen Diener. Ja freylich! wie JEsus allein der HErr ist / der uns verlohrne und verdam̅te Menschen erlöset hat / so sollen wir Ihm auch alleine dienen. Denn dazu ist Christus auch gestorben / und auferstanden und wieder lebendig worden / daß er über Todte und Lebendige HERR sey / (Rom. 14, 9.) Darum ruffet er nun in unsern Worten: Wer mir dienen wil / der
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folge mir nach / anzuzeigen / daß es nicht gleich viel sey / wie man in seinem Dienst sich aufführe. Ein selbsterwählter Gottesdienst kan unserm Heylande unmöglich gefallen. Und wollen wir nun die Regul wissen wornach der Dienst JEsu muß eingerichtet seyn / siehe / so weiset JEsus solche hier an / wir sollen Ihm nachfolgen. Was wollen wir nun sagen von denen / die Christo nur mit dem Munde und mit äusserlichen Geberden dienen / deren Hertz doch ferne von Ihm ist / solten auch die wol rechtschaffene Diener JEsu heissen? Der theure Heyland mag hievon selber den Ausspruch thun / der spricht aber / daß sie Ihm vergeblich dienen. (Matth 15, 9.) Und abermal: Was heisset ihr mich Herr / Herr / und thut nicht was ich euch sage? (Luc. 6, 46.) Er nennet diejenigen / die nur zu Ihm Herr / Herr / sagen / und doch nicht den Willen seines him̅lischen Vaters thun / (eine schöne Beschreibung der Heuchler /) nicht seine Diener; sondern Uebelthäter. (Matth. 7, 21 -- 23.) Kan Paulus an den Knechten nicht leiden / wenn sie ihren Herren nur für Augen dienen: (Ephes. 6, 6.) So wird JEsus der Hertzenkündiger viel weniger / an solchen Augen-Dienern im Christenthum / Gefallen haben können. Ein gleiches Urtheil können wir fällen / über die unbeständige Diener Christi / die zwar eine zeitlang JEsu nachfolgen / und im Glauben und heiligem Leben sich wol beweisen / aber es mag nur eine geringe Anfechtung oder Reitzung kommen / von zeitlicher Wollust / oder Ehre / so fallen sie ab / und kündigen JEsu gleichsam den Dienst auf. Diese sind nicht die wahren Diener JEsu / wovon unser Text redet. Prediget JEsus ihnen von der Herrlichkeit seines Reichs / und lässet ihnen davon einen Strahl sehen / wie Petro und seinen Gesellen auf dem Verklärungs-Berge / so wollen sie Hütten bauen / und bey JEsu als rechtschaffene Diener aushalten. So bald aber weiter von Creutz und Leiden mit JEsu / als dem Wege zu solcher Herrlichkeit / vorfällt / so lautets gar anders / da kan Petrus wol von seinem HErrn sagen: Er kenne sein nicht. (Matth. 27, 72. 74.) Dieser schreckliche Fall Petri ist geschrieben zur Warnung. Aber wie viele siehet man noch / die JEsum Christum für ihren HErrn erkannt / und von der Evange
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lischen Warheit überzeuget sind / daß sie geschmecket das gütige Wort GOttes / und dennoch abfallen / und wiederum ihnen selbst den Sohn GOttes creutzigen / und für Spott halten. (Ebr. 6, 5. 6.) So viele wählen sich eine Religion / nachdem ihre passionen / und zeitliche Absichten sie reitzen. So viele fallen in eine Lebens-Art / die gantz nach der Welt schmeckt / und werden heimliche Epicurer / auch wol öffentliche Spötter alles Glaubens / und guten Wandels. Wenn Demas diese Welt lieb gewinnet / so verläst er Paulum. (2. Tim. 4, 10.) Sorge / Reichthum und Wollust dieses Lebens / ersticken den Saamen des göttlichen Worts. (Luc. 8, 14.) Da gehen viele hinter sich / und wandeln fort nicht mehr mit JEsu / wenn sie ein Wort von Christo hören / so mit ihren fleischlichen Gedancken nicht überein kom̅t / wie wir ein Exempel haben an jenen Nachfolgern JEsu. (Johann. 6, 66.) Anders machen es die rechtschaffene Diener JEsu. Sie wissen / was geschrieben stehet: Mein Kind / wilt du GOttes Diener seyn / so schicke dich zur Anfechtung. (Sir. 2, 1.) Also beweisen sie sich / in allen Dingen / als die Diener GOttes / in grosser Gedult / in Trübsal / in Nöthen / in Aengsten. (2. Cor. 6, 4.) Sehen sie / daß andere von Christo weggehen / und nicht mehr seine Diener seyn wollen; so sagen sie hingegen zu ihrem Heylande: HErr / wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. (Johann. 6, 68.) Sie fassen mit Josua den Entschluß / daß sie dem HErrn dienen wollen / wenn gleich die meisten es anders machen würden. (Jos. 24, 15.) Solche treue Diener JEsu sind nun rechtschaffene Lehrer in ihrem Amt; Darum heisset das Lehr-Amt ein Dienen. Paulus sagt: Ich dancke dem HErrn CHristo JEsu / der mich starck gemachet / und treu geachtet hat / und gesetzet in das Amt / eigentlich den Dienst. (1. Tim. 1, 12.) Wie sich denn deswegen / eben gedachter massen / die Apostel zum öftern Knechte GOttes und JEsu nennen. Doch gehet dieses nicht allein die Apostel an / sondern es heisset insgemein
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von allen Lehrern / daß sie Diener JEsu sind. Ein Knecht des HErrn soll nicht zänckisch seyn / sagt Paulus insgemein / (2. Timoth. 2, 24.) Seine Vermahnung an Timotheum zeiget eben das: Thue das Werck eines Evangelischen Predigers / richte dein Amt / im Grund-Text: deinen Dienst redlich aus. 2. Timoth. 4, 5. Sind die Lehrer nun Diener JEsu in ihrem Amt / so müssen sie sich auch als Diener JEsu aufführen / daß sie Christo treulich nachfolgen / keine andere Lehre bringen / als die sie aus seinem Munde gehöret / und aus seinem Wort gelernet haben / dadurch sie JESU ihrem HErrn Seelen zuzubringen suchen. Das war die Bemühung unsers Heylandes in den Tagen seines Fleisches / daß er die Seelen der Menschen zu erhalten suchete / wie wir davon in der Vorrede gehöret / das war der Endzweck aller seiner heiligen Reden und Thaten / und das soll auch der Endzweck der Diener JEsu in ihrem Amte seyn / ihrem Heylande Seelen zu gewinnen / und seine Ehre zu befordern. Hie ist also ausgeschlossen alle Herrschafft über das Volck / und über die Gewissen / ihnen etwas wider die Schrifft aufzudringen. Denn das stehet einem treuen Diener gar nicht an / über die Unterthanen seines HErrn zu herrschen. Die Herrschafft über die Gewissen / stehet dem HErrn JESU allein zu / die muß sich keiner seiner Diener anmassen. Daher verbietet Petrus denen Lehrern das herrschen über das Volck so ernstlich. 1. Pet. 5, 3. Keine rechtschaffene Diener JEsu sollen auch ihre eigene Ehre / in der Führung ihres Amts / suchen. Denn wenn der Mensch seine eigene Ehre suchet / so suchet er nicht das was JEsu Christi ist. Phil. 2, 21. So folget er auch JEsu nicht nach / der in seiner Lehre / und denen mit der Lehre verknüpften Wundern / nicht seine Ehre gesuchet; (Joh. 8, 50.) Sondern sie sollen nur suchen / die Ehre JEsu Christi zu befodern / Ihm Seelen zu gewinnen / sein Reich zu erweitern / und gegen die Hinderniße desselben zu kämpfen. Davon sollen sie sich nicht abhalten lassen / durch ihren eigenen Nutzen / oder Bequemlichkeit / sonst werden sie in dem Dienst Christi bald träg erfunden werden / und dem Bauche die
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nen; (Phil. 3, 19.) sondern / da sie JEsu Exempel vor Augen haben / wie Er bey aller Gelegenheit / so wol des Tages als des Nachts / durch seine Lehre der Menschen Heyl befodert: so sollen sie demselben / als seine Diener / nachfolgen. Sonderlich sollen sie ablegen die Menschen-Gefälligkeit / daß sie nicht in Absicht / die Gunst ber Grossen zu behalten / oder aus Furcht / dieselbe zu verliehren / böses gut / und gutes böse heissen. Pauli Worte sollen ihnen / als ein beständiges Denckmahl / vor Augen seyn: Predige ich denn Menschen / oder GOtt zum Dienste? oder gedencke ich Menschen gefällig zu seyn? Wenn ich den Menschen noch gefällig wäre / so wäre ich Christi Knecht nicht. (Galat. 1, 10.) Wer so CHristo nachfolget / daß er / in solcher Nachfolge / keines Menschen Gunst / oder Ungunst achtet; sondern nur suchet seinem HErrn zu gefallen / der ist ein rechtschaffener Diener JEsu. In der heutigen Epistel nennet Paulus diese Pflicht der Lehrer: Ein treu erfunden werden: Dafür halte uns jedermann / nemlich für CHristi Diener / und Haushalter über GOttes Geheimnisse. Nun suchet man nicht mehr an den Haushaltern / denn daß sie treu erfunden werden. (1. Cor. 4, 1. 2.) Erleuchteter Paulus! Du sagest: Man suchet nichts mehr als Treue / bey denen Dienern CHristi / nemlich die zu solchem Dienst die nöthige Geschicklichkeit haben. Mit allem Recht. Denn was wolte der für ein Haushalter und Diener seyn / welcher mit Engel-Zungen reden könnte und noch so verständig wäre / wenn er seinem Herrn keine Treue bewiese. Wem wäre mit seinen Gaben etwas gedienet? Treue ist demnach die vornehmste Eigenschaft / die ein rechtschaffener Diener JEsu an sich haben soll. Solche treue Diener JEsu erlangen endlich von GOTT den letzten und besten Ruff zu seiner himmlischen Herrlichkeit. Viele sind beruffen / aber wenig sind auserwählet /
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sagt der Heyland (Matth. 20, 16.) das kom̅t daher / weil nur wenige ihrem Heylande treu dienen / so gelangen auch nur wenige zu dem würcklichen Genuß der Seligkeit. Die Arbeiter / so es sich im Dienst JEsu sauer werden lassen / werden geruffen zu Empfahung des Lohns. (Matth. 20, 8.) Der fromme und getreue Knecht / der über wenigem getreu gewesen / wird über viel gesetzt / und gehet ein zu seines Herren Freude; da hingegen der untreue Knecht gantz von der Gnade seines Herren weggewiesen wird. (Matth. 25, 21. 28.) Merckliche Worte sinds die Paulus seinem Timotheo vorhält: So jemand auch kämpfet / wird er doch nicht gekrönet / er kämpfe denn recht. (2. Timoth. 2, 5.) Was das für eine Krone sey erkläret der Apostel anderswo / nemlich die Krone der Gerechtigkeit / die der HERR an jenem Tage geben wird / (2. Timoth. 4, 8.) oder das ewige Leben / nach dem abermaligen Ausspruch Pauli: (1. Tim. 6, 12.) Kämpfe den guten Kampf des Glaubens / ergreiffe das ewige Leben / dazu du auch beruffen bist. In welchen Worten ausdrücklich gezeiget wird / daß auf das rechtschaffene Kämpfen / oder ernstliche Bemühen / in der besondern Pflicht der Lehrer / und der allgemeinen Pflicht aller Christen / das ewige Leben folgen soll / dazu die Christen beruffen sind. Und das führet uns zu dem dritten Theil unser Betrachtung / nach welchem wir noch zu vernehmen

III.
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Die Ehre wozu Christi Diener beruffen werden. Grosse Ehre ists / daß Christus sie würdiget seine Diener zu nennen. Nicht genug / sie sollen auch da seyn / wo JESUS ist. Noch nicht genug / sondern sie sollen von seinem himmlischen Vater geehret werden. Alles dieses hören wir in unsern Worten: Wo ich bin / da soll mein Diener auch seyn / und wer mir dienen wird / den wird mein Va
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ter ehren. Und das wird uns lehren / wie der letzte Beruff der Diener JEsu / der beste sey. Ich sage: Es ist eine grosse Ehre / ein Diener CHristi zu heissen. Die heilige Schrifft weiß denen Gerechten fast keinen grössern Ehren-Titul beyzulegen / als daß sie dieselbe Knechte und Diener des HErrn nennet. Die drey Ertz-Väter / Abraham / Isaac und Jacob waren grosse Männer. Sie hatten die Verheissung / daß der Meßias aus ihren Nachkommen solte gebohren werden. Die Gläubigen nennen sich von Abraham / ja GOtt selber hat sie so werth geachtet / daß Er sich von ihnen nennet einen GOTT Abrahams / Isaacs und Jacobs / (Exod. 3, 6.) Aber wir können / als was besonders / von ihnen anmercken / daß sie Diener GOttes heissen. (Exod. 32, 13.) Moses war ein hochgeehrter Mann. GOtt redete mit ihm wie ein Freund mit dem andern. Er that viel Wunder / darinn er einen grossen Vorzug vor den andern Propheten hatte / dennoch war das seine gröste Ehre / daß er ein Knecht GOttes heist: Also starb Mose / der Knecht des HErrn / lesen wir von ihm. (Deut. 34, 5.) David war ein Mann nach dem Hertzen GOttes / ein grosser König und hocherleuchteter Prophet / daneben ein Vorbild des Meßiä und ein besonderer aus denen Vätern / von welchen Christus nach dem Fleisch herkommen; aber es wird als eine grosse Ehre von ihm gesagt: daß er ein Diener GOttes gewesen. Denn so spricht der HERR: Ich wil diese Stadt schützen / daß ich ihr aushelffe um meinet willen / und um meines Dieners Davids willen. (Jesai. 37, 35.) Daher beruffet sich David vor GOTT in seinem Gebet auf diesen Ehren-Titul: O HERR / ich bin dein Knecht; ich bin dein Knecht / deiner Magd Sohn. (Psalm. 116, 16.) Solch eine grosse Ehre ists / ein Diener GOttes und JEsu zu heissen! dessen können sich nun alle Gläubige rühmen / daß sie Diener GOttes und JEsu sind. Nennet GOTT dort den gottseligen Hiob seinen Knecht; (Job. 1, 8.) So nennet JEsus in unserm Text alle seine Nachfolger / das sind gläubige Christen / seine Diener / daher
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sind sie hochgeehrt. Insonderheit ist das auch eine grosse Ehre für die Lehrer / daß sie Diener JEsu sind. Sie mögen noch so viel verlästert und gerichtet werden / von denen weltlich gesinneten / so müssen sie ihnen doch diesen Ehren-Namen lassen: Dafür halte uns jedermann / nemlich für CHristus Diener / sagt Paulus (1. Corinth. 4, 1.) Wolte der HErr JEsus seine Apostel hoch ehren / so gab Er ihnen den Titul welcher vordem denen vornehmsten Staats-Ministris eigen war / da Er sie seine Freunde nennte / und zwar deswegen weil Er ihnen alle Geheimniße seines Reichs im Evangelio geoffenbaret. (Johann. 15, 15.) Wirds nun in der Welt für eine grosse Ehre geachtet / ein Minister eines grossen Herrn zu seyn / und dessen geheime Sachen zu wissen; so ists denen Lehrern vielmehr eine Ehre / daß JEsus sie für seine Diener erkennet / denen Er die Geheimniße seines Reichs im Wort offenbaret / um die Vermehrung solches Reichs dadurch zu befordern. Der Dienst eines grossen Ministri, gehet doch nur auf den Wolstand der Länder und Republiquen. Aber der Dienst der Lehrer / gehet auf Seelen / deren jegliche mehr werth / als viele Königreiche / ja als die gantze Welt / nach dem Ausspruch unsers Heylandes. (Matth. 16, 26.) Diese Ehre der Gläubigen insgemein / und der Lehrer insonderheit / da sie Diener JEsu sind / wird in ihrem Tode / da sie den letzten Beruff von GOtt erhalten / nicht verringert / sondern vermehret. Sie bleiben auch im Tode Diener JEsu / und können alsdenn mit Simeon sagen: HErr / nun lässest du deinen Diener im Friede fahren. (Luc. 2, 29.) David / ob er gleich gestorben / heisset dennoch ein Diener GOttes. Durch den Tod werden die Gläubigen beruffen zu der Gemeinschafft der heiligen Engel / die da vor GOTT stehen und ihm dienen / (Dan. 7, 10.) daß sie auch Tag und Nacht vor dem Stuhl GOttes stehen und ihm dienen unter der Menge vieler tausend Engel. Da werden sie recht herrliche Dienste thun. Hie ist der Dienst JEsu mit vielen Leiden umgeben / aber dort wird alles Leiden verbannet seyn. Hie wird man im Dienst JEsu / sehr zum Sünden-Dienst / und zum Welt-
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Dienst gereitzet / aber dort werden alle solche Versuchungen aufhören / weil da die Diener JESU vollkommen gerecht und heilig sind. Ist nun nicht der letzte Beruff treuer Diener JEsu der beste? Höret nur / was JESUS weiter saget: Wo ich bin / da soll mein Diener auch seyn. Wo ist aber JEsus? Er ist durch seinen Tod in die Herrlichkeit seines Vaters eingegangen / und diese Herrlichkeit behält Er nicht allein für sich; sondern Er wil sie auch denen Seinen mittheilen / ihnen dieselbe sehen und geniessen lassen / nach seiner Zusage: Vater / ich wil / daß / wo Ich bin / auch die bey mir seyn / die du mir gegeben hast / daß sie meine Herrlichkeit sehen. (Johann. 17, 24.) O tröstliche Rede JESU! die uns zeiget / daß seine Diener seyn sollen / wo Er ist. Ist das aber nicht eine grosse Ehre für einen Diener JEsu? daß JEsus sein HErr ihn zum Genuß seiner Herrlichkeit lassen wil. Paulus nennets deswegen: Ein erhaben werden zur Herrlichkeit mit CHristo. (Rom. 8, 17.) Aber / theurester JESU! wie sollen wir den Weg finden / zu dem Ort / wo du bist? Und woher sollen wir Krafft kriegen / denselben zu betreten? Wir müssen zu deinem Vater und dir / durch dich kommen / nach deinen eigenen Worten: Ich bin der Weg / und die Warheit / und das Leben: Niemand kom̅t zum Vater / denn durch mich. (Johann. 14, 6.) Du bist die Himmels-Leiter so Jacob im Traum gesehen / (Genes. 28, 2.) die von der Erde bis an den Himmel gereichet / und auf welcher die Engel auf- und niedergestiegen / worauf auch deine gläubige Diener sich erheben müssen zum Himmel / und da zu seyn wo du bist / ach so zeuch uns nach dir / so lauffen wir. Wer da meinet / G. Z. aus eigener Krafft gen Him̅el zu fahren / der betrieget sich selbst. Niemand fähret gen Himmel / (nemlich aus eigener Krafft) denn der vom Himmel hernieder kommen ist / nemlich des Menschen Sohn / der im Himmel ist. (Joh. 3, 13.) JESUS ist der Hertzog unser Seligkeit / der die Kinder Got
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tes zur Herrlichkeit führet / (Ebr. 2, 10.) und allen / die Ihm gehorsam sind / eine Ursach worden der ewigen Seligkeit. (Ebr. 5, 9.) Hieraus erkennen wir erst / was für ein Trost in den Worten JEsu verborgen liege: Wo Ich bin / da soll mein Diener auch seyn. JESUS verheisset solches nicht nur; sondern Er kan und wil es auch würcklich leisten; darum spricht Er bald nach unsern Worten: Wenn ich erhöhet werde von der Erden / wil ich sie alle zu mir ziehen. (Joh. 12, 32.) JEsus ward erhöhet in seiner Creutzigung / denn in dieser Todes-Straffe wurden die Missethäter bekanntlich von der Erden erhöhet / und da Er um unser Sünde willen sich creutzigen ließ / so wurde seine erbarmende Liebe hiedurch in ihrer Höhe vorgestellet / und dadurch ziehet Er uns zu sich / aus dem Reich des Satans in das Reich GOttes / von der Erden in den Himmel. Als Adam sich selbst erhöhen und GOtt gleich seyn wolte / zog er uns alle auch nach sich / aber unter sich / da er unser aller Verderben auf uns brachte / die Sünde und den Tod. Indem aber unser HErr JEsus / der andere Adam / sich erhöhen läst / ziehet Er seine Diener zu sich / zu ihrem Nutzen und Besten. Er ziehet sie aus dem Reich des Satans / aus der Hand unserer Feinde / die uns zu mächtig waren. (Ps. 18, 18) in seine selige Gemeinschafft / daß wir / erlöset aus der Hand unserer Feinde / ihm dieneten / ohne Furcht unser Lebenlang / in Heiligkeit und Gerechtigkeit / die ihm gefällig ist. (Luc. 1, 74. 75.) So wie GOtt / leiblicher Weise / den Noah aus dem Angst-Kasten / die Kinder Israel aus der Egyptischen Dienstbarkeit / den Jeremiam aus der Schlamm-Grube / und den Daniel aus dem Löwen-Graben heraus gezogen; so ziehet unser Heyland durch sein heiliges Verdienst aus allem Elende uns heraus. Er ziehet uns zu sich / zum Genuß seiner Heyls-Güter / in Zeit und Ewigkeit. Das bringet diese Versicherung mit sich: Wo Ich bin / da soll mein Diener auch seyn. Das ist eine grosse Ehre für die Diener JESU / daß sie zu der Gemeinschafft ihres HErrn gelangen /
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und seine Miterben seyn sollen / (Rom. 8, 17.) daraus können wir auch die Ehre treuer Lehrer JEsu beurtheilen / als welche sich sonderlich hierauf zu freuen haben. Saget JEsus dort zu seinen Jüngern: Ihr seyds / die ihr beharret habet bey mir in meinen Anfechtungen. Und Ich wil euch das Reich bescheiden / wie mirs mein Vater beschieden hat / daß ihr essen und trincken sollet über meinem Tisch in meinem Reich / und sitzen auf Stühlen / und richten die zwölff Geschlechte Israel; (Luc. 22, 28–30.) Und abermal: Ich wil euch zu mir nehmen / auf daß ihr seyd / wo Ich bin. (Johann. 14, 3.) Warum solten wir dieses in gewisser Masse nicht auf alle Nachfolger der Apostel und ersten Lehrer ziehen können? Da ja Daniel (cap. 12, 3.) insgemein von denen treuen Lehrern sagt: Daß sie werden leuchten wie des Himmels Glantz und wie die Sterne immer und ewiglich / mithin auch wol vor andern Auserwählten einen Vorzug haben / wie ein Stern den andern übertrifft nach der Klarheit. (1. Corinth. 15, 41.) Das ist gewiß / JEsus wil treue Lehrer dahin ruffen / wo Er ist. Wie Er sie hingeruffen zu seinem Dienst / unter Creutz und Verfolgungen; so wil Er sie / durch einen seligen Tod / ruffen / Ihm zu dienen / in vollenkommener Herrlichkeit und Seligkeit. Darum ist der letzte Beruff treuer Diener JEsu der beste. Noch weiter führen uns dieses die Schluß-Worte unsers Textes zu Gemüthe: Und wer mir dienen wird / den wird mein Vater ehren. Wer wil das mit Gedancken fassen? (redet ein gewisser Lehrer /) wer wil es mit Worten aussprechen? was es sey / wenn ein Mensch / von GOtt dem him̅lischen Vater / geehret wird. Es wäre ja genug / fähret er fort / wenn der HErr gesagt hätte: Wer mir dienet / den wird mein Vater wegen solches Dienstes aus Gnaden belohnen / Er wird ihn unter seine Knechte zehlen / Er wird ihn schützen / versorgen und erhalten. Noch mehr wäre es / wenn Er gesagt hätte: Wer mir dienet / den
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wird mein Vater lieben / wie ein Herr seinen getreuen Diener liebet; Aber / daß er saget: Wer mir dienet / den wird mein Vater ehren / das ist aus der massen viel. Wenn ein grosser Herr einen seiner Unterthanen hervorzeucht / und ihn ehret; das wird mit Verwunderung gehöret / und gesehen. Wenn Pharao den gewissenhaften Joseph aus dem Gefängniß lässet hohlen / und ihn aus bewegenden Ursachen zum Stadthalter über gantz Egyptenland machet / einen Ring von seinem Finger abnimmt / und an Josephs Finger stecket / ihn mit weisser Seide kleidet / eine güldene Kette an seinen Hals hänget / und vor ihm her ausruffen lässet: Der ist des Landes Vater; (Genes. 41, 42. 43.) so ist leicht zu erachten / wie nicht nur Joseph selbst / sondern auch das gantze Land / darüber wird in Verwunderung gesetzet seyn. Eine hohe Ehre ist es gewesen / da der Persische König Ahaßverus den Haman groß gemachet / und seinen Stuhl über alle Fürsten gesetzet / wenn nur diese Ehre beständig geblieben / wenn Haman sich darinnen nur finden können / und an seiner Person nicht wahr gemachet / daß je höher der Gottlose steiget / je tieffer er fallen muß. Noch höher aber war die Ehre / welche dem Mardochai erwiesen / als er die königliche Kleider anzulegen bekam / auf des Königs Roß gesetzet wurde / da man ihn mit der königlichen Krone zierete / und vor ihm her ausrieff: So wird man thun dem Mann / den der König gerne ehren wolte. (Esth. 6.) Dieses alles aber ist nur Kinderspiel gegen die Ehre / da GOtt der him̅lische Vater einen treuen Diener seines Sohns ehret. Zwar diese Ehre fället nicht in der Welt Augen und Ohren / weil sie nicht ist von dieser Welt / viel mehr sind die treuen Diener JEsu vor der Welt die allerverachteste / und tragen die Mahlzeichen JEsu an ihren Leibern / als welcher auch in den Augen der Ungläubigen der allerverachteste und unwertheste ist. (Jes. 53, 3.) Darum kennet die Welt die Kinder GOttes nicht / denn sie kennet GOtt nicht. Aber ob gleich diese Ehre der treuen Diener JEsu / für den Augen der Welt-Kinder / verborgen; so ist sie doch den Gläubigen offenbar / und sie erfahrens zur Gnüge / daß sie der
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him̅lische Vater ehret. Er ehret sie schon hier / denn sie sind GOttes Kinder / welch eine Ehre ist das? Johannes zielet darauf wenn er spricht: Wie viel JEsum aufnahmen / denen gab er Macht oder die Würde GOttes Kinder zu werden / die an seinen Namen gläuben. (Johann. 1, 12.) Sehet / welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget / daß wir GOttes Kinder sollen heissen. (1. Johann. 3, 1.) Sind sie aber GOttes Kinder / so sind sie JEsu Brüder. Und wir wissen / daß JEsus sich nicht schämet so die Seinen zu nennen. (Ebr. 2, 11.) Wie JEsus nun geehret worden von seinem Vater / da Er Ihn gesalbet mit dem Heiligen Geist / so werden auch die Gläubigen von GOTT geehret / daß sie gesalbet sind / doch in geringerm Maaß als JEsus. Sie sind zu Königen und Priestern gemacht vor GOtt dem Vater / (Apoc. 1, 6.) sie heissen das auserwählte Geschlecht / das königliche Priesterthum. (1. Petr. 2, 9.) Das gereichet ihnen zu der grösten Ehre. Priester und Propheten waren vormals die ehrwürdigsten Leute / und wer weiß nicht / daß Könige für allen andern grosse Ehre haben; solten denn nicht die Diener JEsu ehrwürdig seyn / da sie geistliche Priester / Propheten und Könige sind? Gewiß je fürtreflicher das geistliche für dem leiblichen ist / je grössern Vorzug haben sie / selbst für den leiblichen Königen / und wir mögen hiebey wol an die Worte JEsu gedencken / da Er seinen Jüngern / und gläubigen Dienern N. T. einen Vorzug für vielen Königen und Propheten A. T. zugestehet. (Luc. 10, 23. 24.) Sonderlich wird der HErr unser GOtt getreue JEsus-Diener ehren nach ihrem seligen Tode. Unser Leben ist doch hie noch verborgen mit CHristo in GOTT / wenn aber Christus / unser Leben / sich offenbaren wird / denn werden wir auch offenbar werden mit Ihm in der Herrlichkeit (Col. 3, 3. 4.) Es wird gesäet in Unehre / und wird auferstehen in Herrlichkeit / sagt Paulus Gleichniß weise von dem Zustande unser Leiber in und nach dem Tode. (1. Cor. 15, 43.) Die Gläubigen warten deswegen auf den letzten Beruff GOttes mit Verlangen / weil alsdenn
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ihre noch verborgene Ehre wird herrlich offenbar werden. Wir sind nun GOttes Kinder / und ist noch nicht erschienen / was wir seyn werden. Wir wissen aber / wenn es erscheinen wird / daß wir ihm gleich seyn werden / denn wir werden ihn sehen / wie er ist. (1. Joh. 3, 2.) Auf diese Ehre freuen sich auch treue Lehrer / die JEsu besondere Diener sind. GOtt gedencket dort im Gesetz eines Tagelöhners / der seinem Herrn einen zwiefältigen Dienst geleistet / und wil solches Diensts nicht vergessen haben. (Deut. 15, 18.) Treue Lehrer sinds auch / welche dem Heylande gleichsam einen zwiefältigen Dienst leisten. Einmal dienen sie JESU / als rechtschaffene Christen / da sie für sich selbst / im Glauben und in der Liebe / Ihrem HErrn zu gefallen suchen. Hernach dienen sie JESU in ihrem Amt / da sie an den Seelen der Menschen arbeiten / um dieselbe CHristo zuzubringen. Solte der treue Heyland dieses zwiefältigen Dienstes wol vergessen können? Ach nein / Er wil ihnen einen zwiefachen Gnaden-Lohn / eine gedoppelte Ehre / dafür wiederfahren lassen. Ich weiß deinen Dienst heisset es von dem Bischoff zu Thyatira. (Apoc. 2, 19.) Auf dieses Wissen folget eine gewisse Belohnung. Verachtet gleich die Welt CHristi Diener / und wil nicht erkennen / wie hoch ihr Dienst für GOTT gehalten sey / so dürffen wir uns darüber nicht verwundern / achtet doch die Welt den HErrn unsern GOtt selbst nicht / wie solte sie denn seine Diener achten? Vielweniger haben sich gottselige Lehrer darüber zu betrüben / weil ihre Ehre nicht auf die Meinung und Uebung der Welt / sondern auf des him̅lischen Vaters gnädige Verheissung sich gründet / der wird sie schon zu ehren wissen. Sie sinds insonderheit / welche Brüder JEsu heissen / wie wir sehen / daß der theureste Heyland / nach seiner Auferstehung / diesen Namen besonders seinen Aposteln beyleget / (Johann. 20, 17.) folglich haben sie auch an der Ehre und Herrlichkeit des theuresten Immanuels / unsers treuesten Bruders / und Seelen-Freundes JEsu / besonders Theil. Hat der him̅lische Vater JEsum geehret nach seinem Leiden / so wird er der Die
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ner JEsu / der treuen Lehrer nicht vergessen / sondern / wie sie in ihrem Amt viel mit Christo leiden müssen / so werden sie auch mit Ihm zur Herrlichkeit erhaben werden. Selig seyd ihr / wenn euch die Menschen um meinet Willen schmähen und verfolgen / und reden allerley übels wider euch / so sie daran lügen. Seyd frölich und getrost / es wird euch im Himmel wol belohnet werden. (Matth. 5, 11. 12.) Im Tode werden sie zu der rechten Ehren-Stelle gelangen und die süssen Worte hören: Ey du from̅er und getreuer Knecht / du bist über wenigem getreu gewesen; Ich wil dich über viel setzen. Gehe ein zu deines HERRN Freude. (Matth. 25, 21.) Ists nun nicht offenbar / daß der letzte Beruff treuer Diener JEsu der beste sey? So machts JEsus / Er behält das beste zu letzt. Darauf sollen wir harren. Ist der Dienst JEsu nun gleich im Anfange voller Beschwerlichkeit und im Fortgange mit vielen Leiden verknüpffet / nur getrost / im Ausgange wird er desto leichter und angenehmer seyn / wann wir zu der seligen Gemeinschafft unsers hochgelobten Heylandes und der allergrösten Ehre und Herrlichkeit / nach diesem Leben / werden beruffen werden.

Gebrauch.
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WOllen demnach die Lehrer in ihrem Amt mit Seegen arbeiten / der Gemeine GOttes erbaulich seyn / und mit Recht den Ehren-Namen eines Dieners JEsu führen; so müssen sie sich zu förderst eines rechtmäßigen Beruffs rühmen können. Paulus sagt: Niemand nim̅t ihm selbst die Ehre / sondern der auch beruffen sey von GOtt / gleich wie der Aaron. Also auch CHristus hat sich nicht selbst in die Ehre gesetzet / daß er Hohepriester würde etc. (Ebr. 5, 4. 5.) Wie also CHristus nicht unberuffen in sein
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Hohespriesterliches Amt kommen / sondern dazu beruffen worden: so sollen die Nachfolger JEsu auch in das öffentliche Lehr-Amt sich nicht ohnberuffen eindringen. Sie müssen dann zuförderst die nöthigen Amts-Gaben haben / daß sie selbst gründlich wissen und verstehen / was sie andere lehren sollen. JEsus nahm zu an Weißheit / (Luc. 2, 52.) und die seine Nachfolger im Lehr-Amt seyn wollen / müssen auch nach der wahren Weißheit trachten / daß sie darinn immer wachsen und zunehmen. Sie sollen der Sprache des Heiligen Geistes kundig seyn / damit sie die Heil. Schrifft verstehen und geschickt sind die Unwissenden gründlich zu unterrichten und deutlich zu überzeugen / die Widersprecher klüglich und kräfftig zu widerlegen / die Boßhafftigen nachdrücklich zu bestraffen / die Irrenden sanftmüthig zurecht zu weisen und fleissig zu ermahnen / die Angefochtenen und Traurigen aber liebreich zu trösten. Dazu gehöret unermüdeter Fleiß / und eyfriges Gebet / natürliche Fähigkeit zum Grunde gesetzet. Und das ist der innerliche Beruff / den ein Diener GOttes haben muß / der mit Nutzen in der Kirche lehren wil. Hiernechst soll denn auch der äußerliche Beruff rechtmäßig seyn / daß man auf dem Wege bleibe / den GOtt in seinem Wort angewiesen / und sich also einen Nachfolger JEsu nennen könne. Denn JEsus kunte sich seines Beruffs / und daß Ihn der HErr gesandt / denen Elenden zu predigen / (Jes. 61, 1.) öffentlich rühmen / woran es auch rechtschaffenen Lehrern / als Nachfolgern JEsu / nicht mangeln darff. Was wollen oder können wir aber von denen sagen? welche nicht in ihrem Gewissen ein Zeugniß eines rechtmäßigen Beruffs haben; die nicht mit Warheit vor GOTT mit dem Apostel Paulo in gewisser Maasse sagen können / daß sie Knechte JEsu Christi sind und beruffen zu ihrem Lehr-Amt. (Rom. 1, 1.) Auf welche sich keinesweges schicket / was der Heilige GOtt durch den Propheten Jesaiam geredet: Ich habe dich beruffen -- du solt mein Knecht seyn; denn ich erwähle dich / und verwerffe dich nicht / (Jes. 41, 9.) bey welchen es vielmehr eintrifft / was wir beym Propheten Jeremia lesen:
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Ich sandte die Propheten nicht / noch lieffen sie / ich redete zu ihnen nicht / noch weissagten sie; (Jer. 23, 21.) Denen es so wol an gründlicher Gelehrsamkeit als an rechtschaffener Treue mangelt; die weder Amts- noch Heiligungs-Gaben besitzen; und sich so wenig eines innerlichen / als äußerlichen rechtmäßigen Beruffs rühmen können / sondern nur aus fleischlicher Absicht sich ins Amt hinein schleichen / oder mit Gewalt hinein dringen; können wir die auch wol in die Classe treuer Diener JEsu setzen? Keinesweges. O was wollen die dem HErrn antworten / wenn Er einmal in ihrem Gewissen zur Zeit der Anfechtung / und im Tode sie fraget: Freund / wie bist du herein kommen? Wer ungeruffen in den Palast des Königs Ahasveri kam / muste sterben / und wer ungeruffen in die Kirche GOttes / welche seine Behausung ist / eindringet / hat Ursach ein schweres göttliches Gericht zu fürchten. Daher entstehet so viel Unordnung in der Kirche GOttes / daß solches mit Thränen nicht gnug beklaget werden kan. Unsere Widersacher nehmen auch / wenn sie von denen unrechtmäßigen Wegen / darauf mancher ins Predig-Amt hinein kom̅t / hören / daher Gelegenheit / das Evangelische Predig-Amt zu lästern und desselben Glieder Schimpfs-weise Praedicanten zu nennen. Doch wie die Fehler der Personen das Amt an sich nicht verächtlich machen; so bleibt auch das Evangelische Predig-Amt / ohngeachtet daß viele sich unberuffen dahinein dringen und nicht recht darinn aufführen / ehrwürdig / und zwar gereichet das sonderlich zu ihrer Ehre / daß sie Praedicanten heissen / weil sie als Praedicanten JEsu Nachfolger sind / ob gleich die Papisten solches als ein Scheltwort ihnen vorwerffen. Höret aber / ihr Unbedachtsame: Es ist einem Evangelischen Lehrer keine Schande / wenn er das thut / was göttliche Ordnung in seinem Amte erfodert und haben wil / daß er nemlich prediget. Schlaget doch auf / was in eurer lateinischen Münchs-Bibel / (Marc. 1, 3.) von dem HErrn JEsu stehet: Erat praedicans: Er war ein Praedicant / hat ihm denn dieses der Heilige Geist (man nim̅t diese Frage aus dem Munde eines bekannten Evangelischen Lehrers) zur Ehre / oder zur Schande / nachgeschrieben? Traun zur höchsten
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Ehre / weil er das Amt / wozu ihn sein him̅lischer Vater gesandt / so treulich verwaltet und geprediget / dazu Er sich auch schon durch den Mund des Propheten Jesaia (cap. 61, 1. 2.) willig erkläret / und gesagt: Der Geist des HErrn ist über mir; darum hat mich der HErr gesalbet. Er hat mich gesandt / den Elenden zu predigen / die zerbrochenen Hertzen zu verbinden; zu predigen den Gefangenen eine Erledigung / den Gebundenen eine Oefnung. Ist Er denn nicht also / als ein Praedicant von GOTT prophezeyet worden? Was nun unserm JEsu nicht schimpflich ist / das kan uns / als seinen Dienern nicht nachtheilig / sondern muß uns vielmehr eine grosse Ehre seyn / weil wir dadurch mit Recht in societatem Jesu transferiret werden. Die Papisten legen uns einen eintzigen Spruch aus der heiligen Schrifft vor / darinn gesagt wird: Halte Messe; wie wir beym Propheten Jesaia (cap. 40, 6.) finden: Predige; Und gleichwol halten sie Messe / ohne göttliche Vocation / ja wider das göttliche Wort / als welches ausdrücklich lehret / daß CHristus einmal sich geopfert; daß Er einmal durch sein eigen Blut in das Heilige eingegangen und eine ewige Erlösung erfunden; (Ebr. 9, 12. 28.) Das Predigen hingegen / welches GOtt geboten / schimpfen sie / und halten es für geringe. Wehe mir / wenn ich das Evangelium nicht predigte. Thue ichs gerne / so wird mir gelohnet / thue ichs aber ungerne / so ist mir das Amt doch befohlen schreibet Paulus (1. Cor. 9, 16. 17.) Worinn alle diejenigen / so das Predigen schimpfen / ihre völlige Widerlegung finden. Also gereicht es uns Lehrern zum grösten Trost / wenn wir in unserm Predigen und übrigen Amts-Verrichtungen den göttlichen Beruff vor uns haben und sagen können: Ich als ein beruffener und verordneter Diener JEsu Christi / dadurch wir alle Versuchungen / die uns in unserm Amt begegnen / am besten überwinden können. Dabey ist denn unsere Schuldigkeit / daß
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wir uns in allen Dingen beweisen als Diener GOttes / und Nachfolger JESU / wie wir dazu beruffen sind. JESUS unser HERR lehrete in grosser Krafft und Bewegung. Er redete durch den Heiligen Geist / (Jes. 61, 1.) daher sich die Leute verwunderten / über seine grosse Weißheit. (Marc. 6, 2 sqq.) Er redete in grosser Lieblichkeit / daß sich die Leute über seine holdseligen Worte verwunderten. (Luc. 4, 22.) Es war keine unordentliche Bewegung der affecten in seinen Reden zu spüren / sondern alle Worte zeugeten von der heiligen Ruhe seiner Seele / so daß der Heyland auch in Ansehung seiner Lehre sagen kunte: Welcher unter euch kan mich einer Sünde zeihen? So ich euch aber die Warheit sage / warum gläubet ihr mir nicht? (Johann. 8, 46.) Dennoch waren seine Reden nicht kraftloß / sondern voller Nachdruck und Freymüthigkeit / so daß in den Hertzen der Zuhörer ein Feuer / und heftiger Trieb / zur gehorsamen Folge / dadurch erwecket wurde. Davon zeugen jene Jünger: Brannte nicht unser Hertz in uns / da er mit uns redete auf dem Wege / als er uns die Schrifft öffnete? (Luc. 24, 32.) Hie hören treue Diener JEsu / welchergestalt sie schuldig / in dem Vortrage der Warheit / dem Exempel des HERRN JESU nachzufolgen. JEsus lehrete in grosser Weißheit / seine Nachfolger und Diener sollen auch suchen / durch den Geist der Weißheit / zu reden. Sie sollen Schrifftgelehrte seyn / zum Himmelreich gelehrt / die aus ihrem Schatz hervorbringen altes und neues. Denn das wäre einem Lehrer keine Ehre / wenn er / bey so grossem Reichthum der Weißheit des Evangelii / sich keinen Vorrath gesam̅let / daraus er für seine Zuhörer / als ein kluger Haushalter / hervorlangen könnte / was zu ihrer Sättigung und Vergnügung dienen kan; Deswegen sollen Lehrer kämpfen um ihre Zuhörer / auf daß ihre Hertzen ermahnet / und zusammen gefasset werden in der Liebe / zu allem Reichthum des gewissen Verstandes / zu erkennen das Geheimniß Gottes und des Vaters und Christi. (Col. 2, 1. 2.) Lehrete JEsus in grosser Lieblichkeit und Krafft; So sollen seine Diener auch also lehren / daß sie den Trost des
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Evangelii nachdrücklich vorstellen / nicht mit Worten menschlicher Weißheit / Verdrehung der heiligen Schrifft / und Einmengung eigener Passionen und Absichten; sondern mit Beweisung des Geistes und der Krafft / daß ein Feuer und Trieb zum Glauben und zur Gottseligkeit / in den Hertzen ihrer Zuhörer / angezündet und erwecket werde. Dazu gehöret besonderer Fleiß / beständige Wachsamkeit / eifriges Gebet / und anhaltendes Nachsinnen. Wir können leicht dencken / wie viel Hindernisse uns hie in den Weg geworffen werden / wenn wir also suchen / unserm Beruff zu Folge / uns selbst / und die uns hören / selig zu machen; Aber dagegen sollen wir kämpfen / bis wir überwinden: Wer überwindet / heisset es / der soll mit weissen Kleidern angethan werden. (Apoc. 3, 5.) Ach JEsu! wie eine schwere Pflicht haben deine Diener zu beobachten / ehe sie so überwinden. Welch ein harter Kampf gehet vor solchem Siege her. Lehrer müssen kämpfen für sich als Christen / daß sie Glauben und gut Gewissen bewahren / und gegen alle Hindernisse des Teufels / der Welt und des Fleisches solchen Schatz in acht nehmen. Das ist ein Kampf / der geschehen muß in Gedult / (Ebr. 12, 1.) und mit Leiden / (Phil. 1, 27. 29. 30.) daher ist er sauer. Lehrer müssen aber auch kämpfen für andere / daß sie Sorge tragen für die Gemeinen / im heiligen Eifer brennen / wenn sie geärgert werden / (2. Cor. 11, 28. 29.) daß sie beten für ihre Gemeinen um göttliche Krafft im Guten auszudauren / (Rom. 15, 30.) daß sie vermahnen / straffen / warnen / dräuen / und darinn nicht müde werden. Da ist denn solcher Kampf so viel grösser / je grösser die Gemeinen sind / daran sie JEsu dienen / je mehr sich der Boßhaftigen finden / die sich als grosse Berge / wie dort (Zach. 4, 7.) ihnen in den Weg legen / daß sie ihr Amt / nach Erfoderung göttlichen Willens / nicht ausrichten können. Wenn der Drache streitet mit seinen Engeln / so müssen treue Diener JEsu / als Engel des him̅lischen Michaels / auch streiten / daß der Drache und seine Engel nicht siegen / sondern ausgeworffen werden. (Apoc. 12, 7. 8.) Müssen sie dabey viel leiden / so haben sie auf JEsum ihren HErrn zu sehen / dem es nicht besser gangen / und sich damit aufzurichten. Solchergestalt tröstete der selige Lutherus
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einsmal einen Prediger / der über viele Verdrießlichkeiten / bey treuer Ausrichtung seines Amts / klagete / da er ihn auf ein Crucifix wieß mit diesen Worten: Was hat dieser from̅e Mann für treue Dienste der Welt gethan / und ist darüber ans Creutz geschlagen worden / wir sind nicht besser. Daher Melanchthon gesagt: Es ist die gröste Thorheit CHRisto dienen und doch nichts leiden wollen. Die klugen Hebräer haben bey denen Namen der Söhne Ismaels: Misma, Duma, Massa diese artige Gedancken: Misma hätte den Namen vom hören / Duma vom schweigen / Massa vom dulden. Hieraus machet einer diese feine Sitten-Lehre / die sonderlich ein Diener Gottes wol zu observiren:
Multa audi, dic pauca, feras quodcunque ferendum. Man muß viel hören / wenig sagen / Dabey sein Creutz gedultig tragen. Das ist freylich von den Dienern GOttes wol in acht zu nehmen. Bey GOtt allein ist keine Veränderung / noch Wechsel des Lichts und der Finsterniß / bey seinen Dienern aber wol. Hier sind sie oft mit vielen truben Wolcken der Verfolgung umgeben / aber das Ungewitter wird bald vorüber gehen / und ihr Recht wird ans Licht kommen wie der Mittag. Sonderlich wird sich solche selige Veränderung an ihnen zeigen in der letzten Vocation / da ihnen die Krone der Gerechtigkeit wird beygeleget werden. Sie sind Diener JEsu / welch eine Ehre ist das? Und wie sie als Diener JESU gelebet / so werden sie auch als Diener JESU selig sterben. Von David heists / daß er entschlaffen / da er zu seiner Zeit gedienet hatte dem Willen Gottes. (Actor. 13, 36.) So werden treue Diener JEsu auch nicht verderben im Tode / sondern entschlaffen. Ihre Seele schläfft nicht / sondern die dienet GOtt vor seinem Throne / der Leib aber schläfft / und der soll einmal wieder herrlich hervor kommen / so daß ein treuer Diener JEsu seinem Heylande dort mit Leib und Seele in der grösten Ehre / Herrlichkeit und Seligkeit dienen wird. Da wird der Nachdruck dieser Worte uns recht bekannt werden. Wo ich bin da soll mein Diener auch seyn / und wer mir dienet / den wird mein Vater ehren; und wir werden aus der Erfahrung wissen / daß die letzte Vocation die beste sey.
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Zu dieser Herrlichkeit und Seligkeit der Diener JEsu ist unser wolseliger Herr Consistorial-Rath bereits gelanget. Er war ein Diener und Nachfolger seines Heylandes / da Er an der Warheit seines Evangelii feste hielt. Denn wir wissen von JEsu / daß Er / nach dem Geständniß seiner Feinde / den Weg GOttes recht gelehret. (Matth. 22, 16.) Das hat der Wolselige auch gethan / und also heist Er mit Recht ein Diener und Nachfolger JESU. Er folgete auch denen Fußstapfen JEsu nach in der Gottseligkeit / wie solches der Heyland von seinen Jüngern fodert: Ihr seyd meine Freunde / so ihr thut / was ich euch gebiete. (Joh. 15, 14.) Also konnte Er sich auch in Warheit nennen einen beruffenen Diener JESU Christi. Denn Er hatte einen innerlichen Beruff zum Lehr-Amt / da GOtt einen grossen Schatz der Gelehrsamkeit in ihn geleget / und ihm herrliche Amts-Gaben mitgetheilet / daß Er mächtig war in der heiligen Schrifft / und also tüchtig / im Geist und in der Krafft JEsu / die Unwissenden zu unterrichten / die Widersprecher einzutreiben / die Ungezogenen zu bestraffen / die Irrenden zu ermahnen und die Blöden zu trösten. Es fehlete ihm auch nicht an dem äußerlichen rechtmäßigen Beruff zum Lehr-Amt / wie wir davon hernach in den Personalien hören werden. Wenn wir dieses zusammen nehmen / so müssen wir / mit Paulo aus der heutigen Epistel zu reden / dafür halten / oder den festen Schluß machen / daß der Wolselige ein Diener CHristi und Haushalter über GOttes Geheimnisse gewesen sey. Und zwar ist Er ein treuer Diener seines HErrn gewesen / der das Pfund / so ihm anvertrauet war / nicht vergrub: sondern damit wucherte / und seinem Heylande Seelen zu gewinnen suchete. Dabey hat Er viel Haß und Feindschafft der Welt auf sich nehmen müssen / als das gewöhnliche Tractement / womit die treuen Knechte Christi von der Welt belohnet werden; Aber darinn hat Er sich auch als ein Diener JESU erwiesen / da Er in gedultiger Ertragung seines Creutzes den Fußstapfen JESU nachgefolget. Wir wissen wol / G. Z. wie schwer es unserm Fleisch und Blut ankom̅t / um des Guten willen zu leiden / und das war es auch / worüber unser wolseliger Herr Consistorial-Rath öfters
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geseuftzet / welches uns seine Aufrichtigkeit in dem Dienst JEsu so viel deutlicher zeiget / daß Er Mosis Sinn gehabt / und die Schmach CHRisti für grössern Reichthum geachtet / als die Schätze dieses Welt-Egyptens / denn Er sahe an die Belohnung. (Ebr. 11, 26.) Da Er sich nun / in seiner rechtmäßigen Vocation zum Dienst GOttes / rechtschaffen gehalten / so hat Ihn sein HErr JEsus auch gewürdiget / die letzte und beste Vocation / in einem seligen Tode / Ihm zu ertheilen / und Ihn / der Seele nach / in sein Reich zu beruffen / zu der allergrösten Ehre und Herrlichkeit / daß Er da seyn soll / wo JEsus sein HErr und Heyland ist / und wo Er von GOTT / vor allen auserwählten Engeln und Menschen / als ein treuer JEsus-Diener / ewiglich geehret werden soll. Und wie sein erblasseter Leib JEsu ebenfals treulich gedienet / und um seinet willen so gedultig gelitten / so soll Er auch / am Tage der frölichen Auferstehung / zu solcher Herrlichkeit gelangen und mit der Seele vereiniget dem verklärten Leibe JESU ähnlich werden. Wir aber G. Z. sollen das Ende dieses unsers treuen Lehrers anschauen / und seinem Glauben nachfolgen. Er träget nun die Krone / welche der HERR JESUS allen treuen Dienern zugesaget / da Er spricht: Sey getreu bis an den Tod / so wil ich dir die Krone des Lebens geben. (Apoc. 2, 10.) Lasset uns auch JEsu treu dienen nach unserm Christen-Beruff / daß wir zuletzt auch zu Empfahung dieser Lebens-Krone beruffen werden. Ach ja / sind viel treue Diener und Dienerinnen Christi verhanden / so sind auch viel Kronen. JEsus hat unserm wolseligen Herrn Consistorial-Rath die seine schon aufgesetzet / Er hat auch für mich und euch / für alle die seine Erscheinung lieb haben / einem jeden seine Krone / in seiner him̅lischen Wohnung / gleichsam hingesetzet / die warten unser. Kom̅ts denn mit uns zu einem seligen Sterben / so werden wir beruffen dieselbe aus der Hand des HERRN zu empfangen. Du / O selige Seele / hast nun bereits erfahren / daß die letzte Vocation die beste sey. Alle Noth / Verfolgung / Schmertz / Leiden und Ungemach sind / wie der Nebel von der aufgehenden Sonne / vertrieben. Hie wurdest du beruffen zu Würden / aber auch zu Bürden. Hingegen dort hast du die gröste Würde / aber nicht die geringste Bürde. Hie hattest du
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schwere Last / dort geniessest du der süssesten Rast. Für die zeitliche Verdrießlichkeit / empfindest du ewige Vergnüglichkeit. Wurden die Knechte bey den Römern / wenn sie freygelassen wurden / mit weissen Kleidern beehret / welches auch denenjenigen / welche den Sieg über ihre Feinde erhalten / wiederfuhr; So bist du auch / nach dem du / von allem schweren Dienst erlediget / zu der herrlichen Freyheit der Kinder GOttes kommen / und den Sieg über Sünde / Tod / Teufel und Hölle davon getragen / mit der schönen und weissen Seide der Unschuld des Lammes / und der Gerechtigkeit der Heiligen gezieret und geschmücket. In was für einem Leide aber hinterlässest du / die über deinen Tod so schmertzlich klagende / ängstlich seuftzende / und bitterlich weinende Frau Wittwe / auch hinterlassene zarte Kinder / und übrige Blutsverwandte? Wo soll ich Worte finden? Die von Trauren und Leidwesen gantz entkräfftete / und von Seufftzen und Thränen sehr ermüdete Frau Wittwe aufzurichten. Ich muß frey bekennen / daß meine Beredsamkeit gegen ihren Schmertz in keine Vergleichung zu ziehen. Hattest du ihr vor einigen Zeiten / bey der Verlobung und Verehlichung das Hertz genommen / und ihr nachmals zu einem süssen Trost / zur Hülffe und Beystand / zu einer Stütze / und steten Zuflucht gedienet / so reisset dein tödtlicher Hintrit alles wieder nieder / Aus der Lust machest du Unlust / aus der Freude Leid / aus dem Vergnügen Mißvergnügen. Soll ich ihren Schmertz nur einiger Massen vorstellen / muß ich dazu die Worte eines in der ersten Kirche berühmten Lehrers borgen / womit er beym Ableben seines nahen Anverwandten / den innern Zustand seines Hertzens anzeigete / und also heraus brach: ” O GOTT! ”du hast mir ein hartes erzeiget / einen Theil meines Hertzens ”hast du von mir durch den Tod gerissen / und das andere wilt ”du nun in meinem Leibe durch Thränen ersäuffen. So gehets auch Ihr anjetzo / welches ein jeder aus ihrem Gesichte gar leichtlich lesen kan / indem sie durch die von den Wangen häuffig herunter lauffende Thränen / die Trübsal des Hertzens / wie eine fontaine, durch das in die Höhe steigende Wasser / den starcken Druck anzeiget. Du prangest in schöner
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weisser Seide / Sie muß sich in dem elenden schwartzen Trauer-Kleide sehen lassen. Dein Angesicht gläntzet wie die Sterne / Sie hat ihr Antlitz mit Trauer-Flor verhüllet. Du freuest dich / bey der Hochzeit des Lammes / Sie isset ihr Brodt mit Thränen / ja / daß ich es recht sage / Sie hat nach deinem Absterben einen fast immerwährenden Fast-Tag gehalten. Hast du sie aber gleich verlassen / wird doch der HERR nicht von ihr weichen / welcher der Wittwen grosser Beystand und Patron ist. Angesehen Er denenselben ein herrlich Privilegium gegeben / und denen / so sie beleidigen / den Fluch gedrohet. (Deuter. 27, 19. & cap. 24, 17.) Der fasset die Thränen / welche zwar die Wangen herab fliessen / doch über sich in die Wolcken steigen / (Sir. 35, 18.) zusammen und zählet sie. (Psalm. 56, 9.) Er wird auch diese höchst-schmertzlichst betrübte Frau Wittwe in ihrem Elende nicht verlassen / sondern ihr kräftiger Trost und Hülffe seyn / das durch Drangsal ermüdete Hertz wird Er erquicken / und die Wunde heilen. Zu einem grossen Vergnügen wird denen sämtlichen Leidtragenden der Hingang / des wolseligen Herrn Consistorial-Raths / zum Vater annoch dienen / wenn sie in genaue Betrachtung ziehen werden / daß der / welchen sie im Leben so sehr geliebet / in die him̅lische Wohnung eingegangen / und sich in der grösten Herrlichkeit befindet. Wäre es müglich / daß wir ihm einen Blick in die Ewigkeit nachschicken / und seine unbeschreibliche Glückseligkeit nur in etwas ersehen könnten / würden wir alles gern hindan setzen / wir würden / statt des Traurens / Freuden-Lieder singen / und GOtt für die selige Auflösung von Hertzen dancken / da würde aus unserm Munde nichts anders gehöret werden / als: Gelobet sey der HERR! Der GOtt nun / welcher den wolseligen Herrn Consistorial-Rath jetzo so herrlich bereits erquicket hat / sey auch der hinterlassenen Frau Wittwen bester Beystand / und der hinterbliebenen Kinder getreuester Vater. Er stehe Ihnen hie in der Zeit bey / mit allerley Trost / bis Er Sie vollenkommen erquicke in jener Ewigkeit. Dahin verhelffe Er uns alle / um seiner ewigen Liebe und Gnade willen! Amen.
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Geburt / Leben und Tod des wolseligen Herrn Consistorial-Raths Johann Bernhard Luhns.
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LS ist der wolselige Herr Consistorial-Rath Luhn anno 1673 den 19. August: in der Stadt Quedlinburg an diese Welt gebohren. Der Vater ist gewesen Herr Heinrich Luhn / Kauff- und Handels-Mann / zuerst in Quedlinburg / nachhero zu Elbingerode. Die Mutter / Frau Christina Margareta Wagnerin / eine Tochter des berühmten und hochgelahrten Herrn Johannis Wagneri, Physici auch Medici daselbst. Der Groß-Vater / Väterlicher Seite / Herr Henning Luhn / Kauff- und Handels-Mann zu Quedlinburg. Die Groß-Mutter / Frau Anna Sophia Kegelers / Herrn Jobst Ludolph Kegelers / eines Hochlöblichen Raths zu Halberstadt Cämmerers / eheleibliche Tochter. Von solchen frommen und Christlichen Eltern und Vor-Eltern ist der Wolselige entsprossen / die ihn nicht nur so bald nach der leiblichen Geburt dem HErrn CHristo / in der heiligen Tauffe / zugeführet; sondern
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auch hernach wol erzogen / und bey heran-wachsenden Jahren / so wol öffentlich / als privatim fleißig unterrichten lassen. In dem Quedlinburgischen Gymnasio ließ der Wolselige gar zeitig von sich blicken / wie viele Talenta ihm der Höchste anvertrauet hätte. Wie Er denn insonderheit dem Herrn M. Samueli Schmidio, damaligen Rectori vieles zu dancken hatte / dessen Treue und Fleiß Er oftmals gerühmet hat. Anno 1691. als Er kaum das 18te Jahr seines Alters zurück geleget / ist Er von solcher Geschicklichkeit befunden worden / daß Er mit Ruhm auf die Academie zu Wittenberg ziehen können. Daselbst hat er in der Theologie die Doctores: Deutschmannum, Hannekenium, Neumannum, Loescherum seniorem, Schroeerum und Wernsdorfium gehöret. In den Morgenländischen Sprachen bediente er sich des berühmten Dassovii Anweisung. In den Alterthümern und in der Historie / wie auch Mathesi hatte er dem Schurtzfleischio und Strauchio vieles zu dancken. In der Weltweißheit und Griechischen Sprache unterrichteten ihn Roeschelius und Wichmanshausen, massen er des letztern Tisch- und Haus-Genosse ins sechste Jahr gewesen ist. Ob nun gleich der Wolselige nachdem Er 8. Jahr seine studia academica mit sonderbarem Fleisse getrieben / mit erlangter grosser erudition wol zufrieden seyn können: So hat Er doch andere polite
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und cultivirte Völcker zu besuchen nicht vorbey gelassen / indem Er mit Ihro Hochgräfl. Excellentz dem damals jungen Grafen von Reussen / als Hofmeister nach Holland / Franckreich und Italien gereiset. Zu Venedig hat er sich darauf / auf Anhalten einiger vornehmer Evangelischer Geschlechter / insonderheit bey der Schorers Famille, als geheimbder Haus-Prediger 3 Jahr aufgehalten. Von da gedachte Er wiederum in sein Vaterland zu kehren / reisete also wieder zurück nach Augspurg / und nachdem Er sich mit denen gelehrtesten Leuten daselbst bekannt gemacht / reisete Er ferner nach Leipzig. Allein die Wittenbergische Herren Professores zogen ihn bald wieder zu sich / und vornemlich wünschete Herr AEgidius Strauchius nichts mehr / als ihn zum Adjuncto und Nachfolger in der Professione Matheseos zu haben. Diese favorable Umstände machten / daß der Wolselige sich von der Zeit an zum academischen Leben applicirte. Solchergestalt ward Er anno 1696. zu gedachtem Wittenberg zum Magister creiret / zu dem Ende / damit Er auch / mit seiner Gelahrsamkeit / im öffentlichen Lesen / denen Herren Studiosis dienen könnte / wozu Er sich durch unterschiedliche Disputationes, als unter andern: de Poëtis graecis ante Homerum, legitimirte / wie er denn in eben dem Jahre seine öffentliche praelectiones anfing / da Er pro praesidio eine Disputation: de Libanio Sophista gehalten. Das folgende 1697ste Jahr krönete ihn
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annoch mit grösserer Ehre / anerwogen Er auf besageter Academie vom Serenissimo zum Professore Philosophiae Adjuncto gnädigst verordnet wurde. In dieser Bestallung hat er viele Collegia Theologica, Philosophica, Mathematica, Historica und Geographica gelesen / auch verschiedene Tractate als: de legis naturae immutabilitate: de vita Matthiae Friderici Beckii: de magno pisce qui Jonam vatem deglutiit, und andere mehr geschrieben. Anno 1705. den 18ten Dec. wurde er von des Hochseligen Hertzoges Anthon Ulrichs Durchl. glorwürdigsten Andenckens / von mehrbesagter Universität hinweg- und nach Wolffenbüttel zum Hof-Prediger-Amt gnädigst beruffen / auch so bald daselbst gewöhnlicher massen ordiniret und introduciret. Anno 1717 hat er auf oftbelobter Universität Wittenberg pro gradu doctorali: de necessitate formularum fidei disputiret / nach der Zeit aber seiner Hof-Prediger-Bedienung wiederum mit vieler Treue und Aufrichtigkeit gegen GOtt vorgestanden. Im Anfange des lauffenden 1723sten Jahrs / hat es unsers jetzt regierenden gnädigsten Herren Hertzoges August Wilhelms Durchl. gefallen / den Wolseligen an einen andern Ort zu versetzen / wannenhero er zum General-Superintendenten zu Bandersheim / dann auch zum Consistorial-Rath gnädigst ernennet worden. Wie hertz
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lich gerne er nun in dieser neuen Bedienung seine Amts-Verrichtungen mit gehörigem Fleisse abwarten wollen; so ist er doch durch die ihm zugestossene anhaltende Schwachheit / zu seinem grössesten Leidwesen / daran verhindert worden. Anno 1706. hat er sich zum ersten mal in den Stand der Ehe begeben / da ihm Jungfer Sophia Elisabeth Spechtin / des damaligen Oberhof-Predigers / Consistorial-Raths und Abts des Closters Riddagshausen / Herrn Christian Spechts Jungfer Tochter am 13. Julii auf dem Hochfürstl. Lust-Hause Saltzdahlum ehelich angetrauet wurde / in welcher gesegneten Ehe Er vier Jahr gelebet und zwey Kinder gezeuget hat / so aber frühzeitig / und annoch vor der Mutter / in die selige Ewigkeit gegangen. Anno 1711. hat Er sich zum andern mal mit Jungfer Annen Margareten Schwartzin / Herrn Marcus Schwartzen / Rathsherrn in Braunschweig Jungfer Tochter verehliget / und in solcher Ehe drey Kinder gezeuget / davon eine Tochter bald gestorben / die andern beyden aber / als ein Sohn und eine Tochter annoch / so lange der HErr wil / im Leben sind / und in ihrer Kindheit des Vaters frühzeitigen Tod beweinen. Als auch diese zweyte Ehe anno 1716. durch den Tod zertrennet / ist Er vier Jahr in dem einsamen Witwer-Stande geblieben / bis Er sich anno 1720. den 2. Mart. zum dritten mal mit
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Frauen Catharinen Elisabeth Mallinkrot, seligen Herrn Doct. Dresings, gewesenen Gerichts-Schuldheissen zu Schöningen und Königslutter / nachgelassener Frau Wittwen / verehliget / welche anjetzo / durch den betrübten Abschied des Wolseligen / in die allertiesfste Traurigkeit gesetzet ist. Von der Kranckheit und dem darauf erfolgten Absterben des Wolseligen / ist noch übrig zu melden / daßschon zu Wolffenbüttel derselbe mit Stein-Schmertzen und einem Fieber beschweret gewesen / welche Kranckheit / durch die Her-Reise nach Bandersheim / überhand genommen / so daß Er / durch die dadurch verursachete Schmertzen / gantz entkräftet / das Bette hüten müssen. Und ob es gleich nicht gefehlet an denen bewährtesten Artzneyen / so die Herren Doctores Burchardi, Albrecht, und Berckelmann verordnet; so haben doch selbige den gewünschten effect nicht thun wollen. Bey solchen Umständen schickte sich der Wolselige desto mehr zu einem seligen Ende Christgläubig und getrost an / wie Er denn schon die gantze Zeit seiner Kranckheit mit Gebet und Flehen sich zu GOtt gewandt / oft unter den grössesten Schmertzen mit gelassener Seele den HErrn gelobet. In solcher devotion blieb Er bis ans Ende seines Lebens / und genoß / zum Beweiß seines Glaubens und der Liebe gegen den HErrn JEsum / in sechs Tagen zweymal das heilige Abendmahl / worauf Er
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den 1sten Decembr. dieses lauffenden 1723sten Jahrs Morgens um 2 Uhr / (welche Todes-Stunde Er ihm selbst des Abends vorher verkündiget) unter hertzlichem Gebet und schmertzlichen Thränen der Umstehenden / sanft und selig verschieden / nachdem Er sein Alter nicht höher gebracht / als auf 50 Jahr / 3 Monath und 12 Tage. DEm HErrn unserm BOtt sey für alle Gnade und Barmhertzigkeit / so Er dem Wolseligen an Seel und Leib / im Leben und im Sterben erzeiget / ewig Lob und Danck gesagt. Und wie er Desselben Seele allbereit vor das Angesicht seiner Herrlichkeit gestellet unsträflich mit Freuden; so gönne er dem erblasseten Cörper im Schooß der Erden eine sanffte Ruhe / bis er ihn an jenem Tage mit der Seele wiederum vereinigen und zum ewigen Leben einführen wird. Er tröste die durch diesen Todes-Fall schmertzlichst betrübte Frau Wittwe / hinterbliebene Kinder und sämtliche Leidtragende / durch die Krafft seines Geistes. Er lasse sie Gefässe seiner Gnade seyn und setze sie zum Segen ewiglich. Uns allen aber lehre der HErr unsere Tage zehlen / daß wir klug werden / und durch das Verdienst JESU / zu seiner Zeit / eine selige Nachfarth halten mögen / AMEN.
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Trauer-Rede So Dem Wolseligen Herrn CONSISTORIAL-Rath HERRN Johann Bernhard Luhn zu schuldigsten Ehren und Andencken In der Landersheimischen Kirche unter Volck-reicher ansehnlicher Versam̅lung gehalten ist Von Johann Christoph Harenberg / Rectore daselbst.
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Allerseits Höchst- und Hoch-zuehrende Anwesende!
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HOechst ansehnlich und sonderbar war die Bedienung eines Hohenpriesters im alten Testamente / so wol wegen der ausnehmenden Würde / Erwählung / Salbung und Kleider / als auch in Betrachtung der Reinigkeit / des Amts / der Erleuchtung und des Todes. Wir wissen zum besten / daß dadurch als / durch ein Vorbild / das vollkommene Gegen-Bild JEsus Christus / in seinem dreyfachen Amte und seiner höchsten Unschuld / auch algemeinen Erlösung abgeschattet und uns vorgemahlet sey. Es ist uns aber zugleich nicht unbekannt / daß derselbe theurste Mittler und Hohepriester des neuen Testaments / nach Entziehung seiner sichtbaren Gegenwart / etliche zu Aposteln / etliche aber zu Propheten / etliche zu Evangelisten / etliche zu Lehrern und Hirten gesetzt habe / daß die Heiligen zugerichtet werden zum Wercke des Amts / dadurch der Leib Christi erbauet werde: und daß außer dem eintzigen höchsten sichtbaren Hohenpriester altes Testaments / annoch vier andere Hohepriester von geringerer Würde / wegen gewisser Zeiten und besonderer Oerter vorhanden gewesen sind. Ich werde nicht irren / wenn ich den nunmehro wolseligen Herrn Johann Bernhard Luhn / gewesenen Hoch-Fürstlichen Braunschweig-Lüneburgischen Consistorial-Rath / General-Superintendenten hie
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selbst und Doctorem der heiligen Schrifft / als einen Hohenpriester neues Testaments ansehe und betrachte. Denn gleichwie ein Hoherpriester altes Testaments aus seinen Brüdern / von der Versammlung der Priester und der hohen Landes-Obrigkeit / wenn dieselbe unterschieden war / erwählet und bestätiget wurde: Also ist auch der Wolselige / dessen Gebeine wir anitzt vor uns sehen / aus den Brüdern der Augspurgischen Confession und der reinen Orthodoxie, von dem Durchlauchtigsten Hertzog / unserm gnädigsten Landes-Herrn zu einem Hohenpriester / oder / zum Consistorial-Rath und General-Superintendenten hieselbst gnädigst ernennet / und von dem theils aus der Priesterschafft bestehenden Hoch-Fürstl. Consistorio davor angesehen und geachtet worden. Die Bestallung des Hohenpriesters altes Testaments wurde durch die Badung / Creutzförmische Salbung / (Incertam esse traditionem de cruciformi illa vnctione, tradit Campegius Vitringa Observat. Sacr. L. II. c. 15. p. 461. Sed contra sunt Relandus in Antiqu. Ebr. P. II. c. 1. §. 5. Gemara in Kerithut. p. 77. c. 1. R. Salomo ad Exod. xxx, 30. Recentiores Judaei per Caph, non per Chi exprimunt, sed ex confusione potestatis litterae graecae & ebraicae.) Anziehung der heiligen Kleider und einem besonderen Opfer vollzogen: Der Wolselige war aus der Fülle JEsu gewaschen / in dem Bade der Wiedergeburt / gesalbet mit dem Freuden-Oel / durch die Kraft des gecreutzigten Heylandes / angezogen mit dem Rock der Gerechtigkeit und hellen Kleidern des Heils / erfüllet mit dem Lob- und Gebet-Opfer / für sich und alle Gläubigen / insonderheit für dieselben / so seinem Amte anvertrauet waren. Und gleich wie die Specerey / aus welcher dem Hohenpriester altes Testaments ein Salb-Oel verfertiget wurde / nicht allein aus wolriechenden Cimmet / Calmus und Casia bestand / sondern auch bittere Myrrhen in sich fassete: Also ist der Seligverstorbene zwar mit vielen Freuden und mancher unschuldigen Anmuthigkeit dieser flüchtigen Zeit erquicket / aber von dem bit
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tern Myrrhen des Frucht-bringenden Creutzes ist Er als ein Creutzträger JESU nicht befreyet geblieben / maßen der grosse GOtt die Seinen / nach dem Exempel JEsu / erst allenthalben durch vieles Leiden versucht werden lässet / bevor sie mit Ihm in den Stand der Erhöhung eintreten. Ein besonderer Vorzug des Hohenpriesters altes Testaments war es / daß er GOtt den HErrn durch ein jährliches Opfer am Versöhnungs-Tage in baumwollenen weissen Kleidern versöhnete / und durch das Licht und Recht von GOtt Offenbarung empfing: Also ist auch ein Prediger des HErrn ein Botschafter an CHristus statt / und ist ihm das Amt gegeben / daß die Versöhnung verkündiget / und das Vermögen / durch das Licht der göttlichen Erleuchtung und das Recht eines unbefleckten Lebens / in der Schrifft und Gebete GOTT um die nöthige Offenbarung anzuruffen / wodurch Er die Salbung der Lehre und des Kampfes empfänget / welche da allerley lehret. Was wir in diesem Stücke dem Wolseligen zueignen könnten / solches übergehe mit betrübten Stillschweigen / massen ja davon die Proben in Welschland / in der Schweitz / zu Wittenberg und Wolfenbüttel genugsam erschollen sind. Die Hohepriester altes Testaments wurden / wenn sie rechtschaffen waren / von GOtt einer ausnehmenden Gnade werth geschätzet / und es waren strenge Verbote vorhanden / die Gesalbten des HErrn nicht anzutasten: Ich meine / der Höchste habe den Wolseligen zum Lobe seiner Herrlichkeit wol erhalten und beschützet / massen / wie ich aus dessen eignen Munde gehöret / noch vor der Hohenpriester-Würde der Himmel ihn / in einem augenscheinlichen Unfall und Todes-Unglück zu Venedig / (Conf. Progr. ad orationem ausspicalem Luhmi scriptum a summe Rev. Gottlieb Wernsdorfio p. penultima.) nicht hat wollen umkommen lassen / da ihn / ich weiß nicht welche unsichtbare Kraft / des Nachts aufgewecket / ihn geschüttelt und gerüttelt / und endlich genöthiget hat aus dem Zimmer zu lauffen / mit dem Erfolg / daß da Er kaum die Füsse dem Gemach entzogen hatte / der Bode zerrissen / und auf das Bette mit grossen Krachen gefallen ist. Ein merckliches Exem
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pel der Wunderwercke unserer Zeiten und Widerlegung derer / welche die unsichtbaren Substantzen läugnen! dieses war der Vorschmack der göttlichen Erhaltung / welche der Wolselige in seinem künftigen Amte völliger geniessen solte. Eine grosse Sorge bezeigete auch GOtt endlich bey dem Tode der Hohenpriester altes Testaments / da Er insonderheit den Aaron hieß auf den Berg gehen und seine Amts-Kleider vorher ablegen. Du / O Wolseliger / bist auch zur Höhe gegangen: Du hast das Kleid der Sterblichkeit abgeleget und hier vor unsern Augen hinterlassen: Deine hohenpriesterlichen Kleider hat dir der Tod entnom̅en / und einem andern / deinem zukünftigen Nachfolger im Amte / übergeben. Dein Hintrit ist den Deinigen und den gläubigen Israeliten hieselbst ein trauriger Fall. Diejenigen / welche aus deinem Amte / Aufrichtigkeit und auserlesenen Gelehrsamkeit eine Nahrung ihrer Seelen schöpfen wolten / sehen dir vor der Zeit betrübet und bethränet nach. Die Hochwürdigste Durchlauchtigste Frau Abbatißin begehrte dich gnädigst zu ihren Lehns-Mann aufzunehmen. Du aber lässest dich nirgends finden. Ein Hoch- und Wolwürdiges Capitulum hoffete dich an ihrer Seite zu sehen / so hast du deinen Abschied mit ihnen allzufrüh vor angebrochenem Tage gemacht. Die säm̅tliche Hoch- und Wol-Ehrwürdige Clerisey in der Nähe und Ferne dachten daran / wie sie dir ihre Treue und Glückwünsche abstatten wolten / und werden genöthiget Trauer- und Trost-Worte hervor zu suchen. Ein Ehrenvester Hochlöblicher Rath und die wertheste Bürgerschaft hieselbst forschten mit seufzenden Verlangen nach der Stunde / da sie deine liebreiche durchdringende Stimme in diesem Lobethale Zions anhören und sich daraus erbauen wolten. Ach aber / die Stimme erstummet und der Bau ist zerrissen! Das liebste Eheband ist aufgebunden und zertrennet: Die hinterlassene Schäflein / Sohn und Tochter sind verirret: Und du bist dahin! Ich setze demnach aus höchstem Mitleiden die Grabschrift:
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Hier liegt der Kirchen-Rath / Herr Doctor Luhn erblaßt: Der mürbe Cörper ist zum bleiben hinterblieben. Jedoch der Seelen nach ist Er ein kurtzer Gast. Der Tod hat Ihn / ohn hie zu lehren / aufgerieben. Jedoch getrost / du bist dahin / wo Dir der höchste Hohepriester JESUS das helle Kleid der Unschuld und den rechten priesterlichen Schmuck angeleget hat. Die Gläubigen werden nur einen Augenblick geschieden / und die Hände der heiligen Engel müssen sie wiederum zusammen tragen / daß sie sich ewig ergetzen. Die ewigen Güter des Himmels sind eine köstlichere Belehnung und Belohnung / als welcher uns die Zeitlichkeit gewähret. Den Ertz-Vätern / den Heiligen und Fürstenthümern im Himmel zur Seite gehen und mit Abraham / Isaac und Jacob im Reiche GOttes zu Tische sitzen / gibt gewiß Brodt ohne Noth / Wein ohne Weinen / Lust ohne Last. Ja ein Lehrer lehret die Seinigen auch im Tode / und bringet / für die streitende Kirche auf Erden / auch im Himmel ein reines Räuch-Opfer dar / ja er wird erst im Tode gesalbet mit Freuden-Oel über seine Genossen / so er in der Sterblichkeit zurück gelassen hat. Die Seele stimmet in dem him̅lischen Zion das Lied Mosis und des Lammes an / und fodert Beystand für die bedrängte Kirche auf Erden. Wenn der Bau dieser irrdischen Hütten zerrissen wird / so wissen die Gläubigen / daß sie einen bessern Bau bekommen von GOtt / erbauet im Himmel. Der höchste GOtt ist der Wittwen und Wäysen kräftigster Mann und Vater / dessen die Erde ist / und alles so darinn: Der die Gedancken lencket / wie die Wasser-Bäche und die Sache der Verlassenen wunderbar fortsetzet und herrlich hinaus führet. Wer wolte demnach dem Wolseligen die theure Seligkeit mißgönnen / welche durch aller Welt Güter nicht mag erkaufft werden? Der Seligverstorbene lehret durch sein Exempel / wohin unsere meiste Gedancken sollen gerichtet werden / nemlich auf die Sterbe-Kunst: Er zeiget / wo man den besten Trost und Erquickung finden soll / nemlich im
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Himmel: Sein Zustand ermahnet die Hinterlassene und durch seinen Abschied betrübte Hertzen / worinn sie den rechten Trost und die durchdringlichste Hertzens-Artzeney finden sollen / nemlich in der Beruhigung unter dem Willen GOttes. Wannenhero ich dann denen respective mitleidenden und Leid-tragenden Seelen den allerreichsten Trost und die kräftigste Erquickung / von dem GOtte des Trostes / anwünsche. Daß derselbe mit dem Oele und Weine seiner ewigen Gnade alle geschlagene Wunden lindere / alle Hertzen aufrichte / sie an Seele und Leib stärcke / und ihr Leben wolle eine lange und gelassene Betrachtung des Todes seyn lassen. Ich statte auch an die allerseits Höchst- und hochzuehrende Anwesende unterthänigsten / gehorsamsten und gehörigen Danck ab / im Namen der durch diesen Todes-Fall betroffenen / weil Sie zu christlichen Ehren / menschlichen Mitleiden und Erinnerung ihrer eigenen Sterblichkeit dem Wolseligen die letzte Gnade oder Pflicht haben erweisen wollen; mit hertzlichem Begehren / daß Sie allerseits der grosse GOTT nach seinem heiligen Willen annoch lange den Ihrigen zum Schutze / Trost und Freude erhalten / vornemlich aber gnädiglich verleihen wolle / daß wir der Welt und ihren Lüsten immerfort absterben / damit / wenn wir sterben / wir nicht ewig sterben / sondern vom Tode zum ewigen unendlichen Freuden-Leben hindurch dringen mögen.
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CARMINA und Ehren-Schrifften zum Gedächtniß Des weiland Hochwürdigen und Hochgelahrten Herrn / HERRN Johann Bernhard Luhnen / S. S. THEOLOGIAE DOCTORIS, Hoch-Fürstl. Braunschweig-Lüneburgischen Consistorial-Raths / Auch General-Superintendentis zu Bandersheim / Von innen benahmten guten Freunden und Anverwandten mitleidigst geschrieben / und in der Ordnung / wie sie eingesandt / abgedruckt.
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Miserat Altitonans summo de culmine coeli Pandoram, donis muneribusque gravem. Mortales animis desideriisque stupebant, Optabantque eius diuite dote frui. Leucorea ardebat, Guelferbitumque fouebat: Holmia, et Hamburgum corde fauebat ei. DUX BRUNSUICENSIS merito tenuisse studebat, Gandesiaeque suae non renegabat eam. ABBATISSA pio tandem dignata fauore Illam cum lacrymis GANDESIENSIS erat. Vtraque condoluit miseram SCHWARZBVRGICA PRINCEPS, Et quae de FRISIO PRINCIPE nata fuit. KROLLIADES nostra summus Praefectus in aula, Orbis delicium, Martis et artis amor, CONSESSUSque CATHEDRALIS, praeclara corona, Ipsam tentabant reddere rite suam. TV LVNI, TE TE puto, TV Pandora fuisti: Te Deus ornarat dotibus, arte, prece. Vix adapertus eras orbi, vix viderat orbis, Quot TE thesauris sparserat ipse Deus. Jam dotes Tecum fugiunt, o tristia fata! Atque Tuis tantum spem superesse facis. O vidua, o dulcis puer atque tenella puella Fidite, quaeso, Deo. Spes bona portus crit. Piis manibus piissimi litteratissimique viri: Joannis Bernardi Lunii consecrarunt Rector & Collegae Lycei Gandersheimensis.
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Er gläntzet gantz und gar. So hieß das letzte Wort / Womit vor kurtzer Zeit wir unsern Glückwunsch schlossen. Dis ist auch jetzt zuerst in unsern Reim geflossen / Da unser Freuden-Stern wegeilt von seinem Ort. Wir sind in uns verwirrt und allzu sehr bestürtzt. Ein jeder fragt / wo ist der werthe Mond geblieben / Was hat den theuren Glantz durch trübe Nacht vertrieben? Wie ist doch alsobald des Luhnens Lauff verkürtzt! Wir haben Deine Güt’ / ô theurster Man̅ / erkan̅t / Jedoch des Glücks beraubt / Dich von Person zu kennen. Wir waren nicht gesinnt uns also früh zu trennen / Weil unser Brust und Hertz Dir gäntzlich zugewandt. Ach Du verläst uns erst! doch lassen wir Dich nicht. Es bleibt Dein Tugend-Gold in unser Blut gepräget: So lange sich in uns noch eine Ader reget / Regt sich zugleich in uns Dein Lehr-und Tugend-Licht. Wir sind gar sehr betrübt / und Dein Geist ist erfreut / Weil Du nunmehr entrückt aus der Planeten Orden / Und aus dem Monde bist zur hellen Sonne worden / Die ihren güldnen Strahl in ew’ge Zeiten streut. Ihr Hochbetrübte / weint / ein Tag dünckt Euch ein Jahr; Ihr seyd gantz Thränen-voll bey Todes-Finsternissen / Jedoch ist Euer Licht nicht durch die Nacht entrissen; Es ist noch mehr erhöht; Es gläntzet gantz und gar. Zum wol-verdienten Andencken des Wolseligen / und denen hochbetrübten Hinterbliebenen zum Trost / schrieben dieses aus tieffster Schuldigkeit gegenwärtige Studiosi Philologiae der Schule in Gandersheim.
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Der Ruff des Himmels fing dort in dem Paradiese Schon bey dem Adam an / als er durch seine Kraft Sich als den ersten Freund des Predig-Amts erwiese / Ja selbsten predigte / mit Nachdruck / Kraft und Saft. Nachdem berieff oft GOtt zum pred’gen reine Engel / Doch weil der Mensch an sich / was menschlich ist / empfand; So solten Menschen auch selbst zeigen Menschen-Mängel / Durch Menschen machet GOtt den Weg des Heils bekannt. Wir tragen zwar den Schatz / den GOtt uns anvertrauet / Im irrdischen Gefäß / doch gibt GOtt Gnad und Geist / Daß durch sein Himmels-Wort der Himmel wird gebauet / Daß dieses Licht den Schatz des ew’gen Lebens weis’t. Ach aber! dieses Amt ist auch mit Creutz und Leiden / Als einer Wagenburg / beständig eingeschränckt. Was CHristo widersteht / das lässt sich ohngern weiden / Weil es mehr auf das nichts / als wahre Busse denckt. Drum ist der letzte Ruff / von dem / der für uns wachet; Der Lehrer Ertz-Bischoff / der treuen Diener Lohn / Der mit dem Zu-sich-ruff / sie hertzet und anlachet / Der allerbeste Ruff / er bringt die Ehren-Kron: Dis hat der theure Luhn erfahren und studiret / Daß dieser letzte Ruff der allerbeste sey. Ob Ihn ein grosser Ruff schon mit viel Ehren zieret / So macht Er sich dennoch des Lehr-Beruffes frey. Der him̅lische Beruff / der Ihn zu JESU leitet / Wird von Ihm aller Ehr der Erden vorgesetzt. Weil dieser viele Last und jener Lust bedeutet / Wird billig jener mehr denn eitles wol geschätzt. Nun lebe / theurer Luhn / und schweb’ in tausend Freuden / Wo JEsus ist / daselbst muß auch sein Diener seyn. Der Heyland rufft uns auch / auf gleiche Art zu scheiden / Der him̅lische Beruff zur Kron / ist allgemein. Wann dis die Trauer-Schaar nach Ihrem Theil erweget / Wird der bestürtzte Sinn mit rechtem Trost erquickt; Den Riß hat GOtt gethan / der heilge Gründe heget / Drum wischt die Thränen ab / GOtt hat es so geschickt. Dieses hat der hochbetrübten Frau Wittwen zum Trost mit beyfügen wollen M. L. Faber.
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Luna fuit Lunius radians à Sole Theandro, Quae noctis pernox expulit hìc tenebras. Luna fuit dio velociter aethere currens; At falcata tamen, pallida namque fuit. Occidit hinc tristi casu, quem Musa vetabat, Quemque dolet lacrymis grex pius innumeris. Pallida Luna pluit, rubicunda flat, alba serenat. Haec thesis Astrologûm jam quoque nostra siet. Dum rubuit Lunius vitâ, vox flaminis instar, Suavis & hìc sonuit, grandis & hìc tonuit. Certò cadunt imbres, pluit &, dum palluit ille Lethô, quippe madent lumina, quaeque genae. Candidus at factus post mortem, Solis ad instar. Nequaquam Lunae, fulget in arce poli. In obitum, toti Ecclesiae Evangelicae lugubrem, Domini Doctoris LUNII, Theologi consummatissimi & de universa Christi Ecclesia praeclarissimè meriti, Affinis, Compatris & Amici fui edecumati, lugens scribebat Tremoniae Henricus Bernhardus Dresingius, ad D. Reinoldi Pastor Primarius, & Archi-Gymnasii Tremoniensis Scholarcha.
LUHNIUS heu! multis exstinctus flebilis, ejus Mors tamen inprimis venit acerba mihi. Qui licet his oculis nunquam fuerit mihi visus; Attamen his oculis plus is amatus erat. An quis de facie non notus possit amari, et Laudari? dantur qui dubitare volunt. Jesum surgentem pauci vidêre: sed illum Omnis Apostolicus coetus amore colit. Hinc illos Christus jam praedicat esse beatos, Qui, licet haud videant, credere corde student.( Joh. 20, 29. ) Atque suos multum laudat Petrus, quod amarunt Illum, quem nunquam conspicere ante datum.( 1. Petr. 1, 8. ) Qui tantum, quae sunt praesentia, laudibus ornant, Corporis hi dotes, non bona, mentis amant.
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Ergo non dubito laudare et amare quoque absens, Quem virtus laudat quem pietatis amor. Suavis eras LUHNI cunctis, ubicunque moratus, Sive domi solus, seu peregrinus eras. Cur non & mihimet, qui sum tibi sanguine junctus, In vita gratus, morteque amatus eris. Georg. Henr. Wiederhold, Past: Evang: Huxariens:
LVHNI noster amor, quis non tua fata doleret? Quis siccis legeret marmora moesta genis? Occidis heu! tristi praereptus morte, Tuorum Plangit amor, felix spes perit illa Tui. Te Deus à primis aptum formaverat annis, Et Pastorem olim jusserat esse Gregis, Linguaque spiravit veneres, & scripta lepores, Nominis atque decus docta cathedra canit. Te non paucorum votis sacer expetit ardor, Qui magnis optant dotibus usque frui. Haec GANDERSHEIMO tandem fortuna benigna Obtigit, atque fuit sedula cura gregis. Phoebus at invidit radios, lucemque benignam, Qui claro invexit nubila nigra Polo. Heu! moritur DOCTOR, cui vitâ pendere vitam Cunctorum votum, si licuisset, erat. Quis satis hunc obitum plangat, mea moesta Camoena Debita prae lacrymis solvere justa nequit. Huic sit fausta quies, quem Coelo JOVA beavit, COELO, quam TERRA dignior ille fuit. Beatis manibus Domini Avunculi sui condolentiae & observantiae testandae ergo contra votum posuit Hermannus Henricus Brökelmann, J. U. D. & Advocatus Regius.
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Der in seiner angenehmsten Völle stillstehende und untergehende Tugend-Mond.
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So stehst Du demnach still / der Du so hell geschienen / O angenehmster Mond! so hem̅st Du deinen Lauff! Wir blicken zwar Dir nach / mit höchst-bestürtzten Minen / Und unser Auge thränt zur Wolcken-Burg hinauf / Der grosse Josua befiehlt Dir still zu stehen / Der Josua / so selbst der Fürst des Himmels ist; Mir deucht / ich kan um Dich die klaren Worte sehen: Zum Himmel auserkießt.
Zum Himmel auserkießt / O Wort voll Geist und Leben! Wie glücklich ist doch der / so hiezu auserwählt? Wer wolte solch ein Glück für alle Welten geben? Da man sich zu der Schaar der Patriarchen zehlt / Wo man die Engel hört in ihren Chören singen / Da man Hallelujah und Gloria anstim̅t / Wo Deine Ehren-Kron die schönen Wort umschlingen: O Mond / so lieblich glim̅t.
O Mond / so lieblich glim̅t; wilst Du denn untergehen? Ach! kehre doch noch einst mit hellem Strahl zurück / Doch nein! Du eilest fort / und läst uns traurig stehen / Wo bleibet nun dein Glantz / der unser Hertz erquick? Mit Dir verfinstern sich zugleich des Glückes Sternen / Jetzt sehen wir vor uns die tunckle Trauer-Nacht / Ja man erblickt die Schrifft aus höchster Hand von fernen: GOtt hat es wohl gemacht.
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GOtt hat es wohl gemacht / wie kan der Böses machen; Der aller Güte Quell / und einger Ursprung ist? So kan ein Christen-Hertz / auch in dem Weinen lachen / Wenn / der es wohl gemacht / es nur mit Troste küßt; O Trost voll Lieblichkeit! O unvergleichlich Wesen! Da fliegt mit Monica die Seele Himmel an / Woselbst man diese Wort kan in den Wolcken lesen: Kom̅ / theurer Gottes-Mann.
Kom̅ / theurer Gottes-Mann / willkommen treuer Lehrer / Es hat dein Mond bisher der Welt genug gegläntzt / Du warst danieden ja der Irrenden Bekehrer; Hier wirst Du mit dem Laub der Ewigkeit umkräntzt / Dort kunt die Kirche Dich zu ihren Säulen schreiben: Es hatte Wittenberg dein kluges Haupt geschmückt / Drum sieht man diese Schrifft in Amethist verleiben: Noch höher aufgerückt.
Noch höher aufgerückt / doch weiter von den Deinen / Schau / wie dein Eh-Gemahl die treuen Hände ringt / Wie sieht man kläglich doch / die Liebes-Pflantzen weinen! Dieweil dein Untergang durch Hertz und Seele dringt / Diejenigen / so längst vor Dir sind hergeschritten / Wovon die Erste mir ein Theil des Hertzens war / Die nehmen diese Wort nebst Dich in Ihre Mitten: Hier lebst Du ohn Gefahr.
Hier lebst Du ohn Gefahr / ohn Wechselung der Zeiten / Hier leuchtet dein Gesicht / als wie die Morgenröth. Hier wil dein schöner Mond fast mit der Sonne streiten / Der auf der Unterwelt nicht immer voll besteht. Ist unserm Auge gleich dein Glantz zu früh entrissen; So drückt sich doch dein Ruhm in Alabaster ein / Draus gläntzen diese Wort auch in den Finsternißen: In zehnmal hellern Schein.
|| [ID00070]

In zehnmal hellern Schein / in unumschränckter Wonne Umfängt dein JESUS Dich / dein Seelen-Bräutigam. Da leuchtet nun dein Mond / als wie die helle Sonne / Da weidet mitten Dich im Stuhl das GOttes-Lam̅. Must Du in Ajalon dem Trauer-Thal verschwinden / Geht dort die Sonne der Gerechtigkeit Dir auf / Wo der Drey-Einge GOTT nebst diesem Wunsch zu finden: Ein schöner Wechsel-Lauff.
Ein schöner Wechsel-Lauf! nun prangst Du vor dem Throne Im priesterlichen Schmuck vor GOttes Majestät. Da ziert dein edles Haupt / die unverwelckte Krone / Damit dein JESUS Dich aufs lieblichste erhöht / Bist Du denn vor dem Thron der Götter hier gestanden / Hat deines Mondes Safft sie oftermals benetzt / So kom̅t zuletzt die Schrifft von ihren hohen Handen: Bleib ewiglich ergetzt.
Bleib ewiglich ergetzt / das wünschen unsre Hertzen. Wir richten Dir zuletzt noch Sieges-Zeichen auf / Nebst Pyramiden / so umsteckt mit Ehren-Kertzen / Nachdem dein Tugend-Mond vollführt den Lebens-Lauf. Wir wollen dieses noch auf deinen Leichstein graben: Hier liegt ein holder Freund / den schmertzlich wir gemißt / Und tadelt schon der Neid noch was an seinen Gaben; So mercke wol / daß Ihn die Tugend nie vergißt. Dis wolte aus hertzlichem Mitleiden / zum Trost der hochbetrübten Frau Wittwen / und lieben Kinder / mit wenigen vorstellen des Wolseligen nahe Anverwandtin A. M. Pfeffern / geb. Spechtin.
|| [ID00071]

GOtt ist getreu. Drum / Mensch / sey auch getreu In seinem Dienst / bis an das Lebens Ende. Ist gleich viel Creutz und Anfechtung dabey / Beut eine Noth der andern gleich die Hände: Getrost / GOtt ist dein Schild und dein sehr grosser Lohn / Die Ewigkeit giebt dir zuletzt die Ehren-Kron. GOtt ist getreu bis in die Ewigkeit / Das hast Du auch / wolselger Luhn / erfahren. Was vor der Welt den Seinen ist bereit / Und zugesagt vor so viel Zeit und Jahren / Das hast Du nun erlangt und brauchst es ohne Scheu / Nun siehst Du / was Du sonst geglaubt / daß GOtt getreu. Hiemit wolte dem wolseligen Herrn Consistorial-Rath die letzte Schuldigkeit erweisen D. W. Mallinkrot, Pastor in Dortmund.

Sonnet.
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Wer JEsu treulich dient / den wil Er treulich lohnen / Sein Dienst ist angenehm / er macht auf ewig frey. Ist gleich ein wenig Müh’ und Anfechtung dabey; Was ist das / wenn man denckt an jene Gnaden-Kronen? Nichts hindert diesen Dienst / nicht Fürstenthüm’u. Thronen / Nicht Teufel / Höll’ und Tod / nicht alle Tyranney / Ein Diener Christi bleibt in allem Creutz getreu. Das macht / wo JEsus / ist soll auch sein Diener wohnen. Dein treuer JEsus-Dienst / wolsel’ger Luhn / ist aus. Du bist nach kurtzer Last zur ew’gen Ruhe kommen / Zur Himmels-Freystadt hat Dich JEsus eingenommen / Zu seyn da wo Er ist / in seines Vaters Haus. Da dienst Du in der Schaar der völligen Gerechten / Und hast den Gnaden-Lohn mit allen treuen Knechten. Dem wolseligen Herrn Consistorial-Rath schrieb dieses zu letzter Ehre mit betrübtem Hertzen W. H. TB.
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Betrübteste / hört auf mit grämen / klagen / weinen / Weil Eur geliebter Luhn einst wird verklärt erscheinen / Sein Geist und Priester-Rock gläntzt heller denn der Schnee / GOtt schenckt Ihm Lohn und Kron aus Gnaden in der Höh’. Weil Er in Gottesfurcht gelehrt / gelebt / gestorben / So ruht Er nun in GOtt / die Kron ist Ihm erworben / Er ist wie Simeon in GOtt geschlaffen ein / Und wer so / wie Er / stirbt / der wird unsterblich seyn. Dis wenige ist hertzlich mitleidend aus dienstlicher Schuldigkeit denen Hochbetrübten zum Trost gesetzet von L. G. Mallinkrot, J. V. D.
Ein Pfeiler fällt dahin / der Kirchen-Wolfahrt Stütze / Du bists / O theurer Luhn / der Priester theurstes Haupt. Jetzt da dein grosser Geist der Kirchen noch groß nütze / Wird doch / ach Schmertz! dein Licht so früh’ uns weggeraubt. Wir können deiner Asch’ jetzt billig Thränen gönnen / Und dencken deines Ruhms / wie Du schon längst verdient / Und da wir leider jetzt Dir nicht selbst dancken können / Sey unser Hertz der Ort darinn dein Ruhm stets grünt. Indessen ruhe wol Du Mann von grossen Gaben / Dein Geist geneußt der Freud in deines JEsu Schooß. Den Deinen / die dein Trost jetzt leider nicht kan laben / Sey GOtt Mann / Schutz und Trost / das ist das beste Looß. Mit diesen wenigen bezeuget sein gehorsamstes Bey-Leyd gegen die höchstbetrübte Frau Wittwe und säm̅tliche Anverwandte H. A. Mallinkrot, Med. D.
Der theure Luhn ist todt / Er liegt zu früh’ erblasset / Der treue Wächter läst zu früh die Heerd allein / Die mit Verlangen Ihn und Aengsten kaum gefasset / Ihr sehnlich Hoffen sinckt ins finstre Grab hinein. Ja theurer Mann / du / du bist uns zu früh’ entgangen / Und da am Abend erst der Lohn der Treu bestim̅t / Hat solchen deine Seel’ am Mittag schon empfangen / Da aus Herodes Brut dein Heyland dich wegnim̅t.
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Denn deine seltne Treu / die alles Böse fegte / Ohn Heucheln GOttes Ehr’ und Menschen Beßrung sucht’ / Die Welt und was der folgt / längst wider sich erregte / Ward Dir dem Leibe nach zur bittern Creutzes-Frucht. Nun hast Du zwar erreicht / wozu Dich GOtt beschieden / Und trägst den Gnaden-Lohn / durch JEsum Christ davon / Weil Du gewesen treu / bis an das End’ hienieden / Empfähst Du von dem Lamm die ew’ge Ehren-Kron. Uns aber / die der Riß des hellen Mondes rühret / Noch mehr der Wittwen Schmertz / die fast in Thränen schwim̅t. Und derer Antlitz jetzt die bleiche Farbe führet / Da Ihrs Gemahls Verlust Ihr Trost und Freude hem̅t / Die / sag ich / tröste GOtt / weil Sie dein Fall erschrecket / Und wisch mit linder Hand doch Ihre Thränen ab. Sey auch der Waysen Trost / der Sie mit Flügeln decket / Ja beyder Hülff und Schutz / Mann / Vater / Schild und Stab. Du aber / heller Mond / der seine schöne Gaben Im Straffen / Lehr und Trost / hier trefflich angewandt / Dein Geist ist nun erhöht und JEsus wird dich laben / Weil hie die falsche Welt dein treu-seyn nicht erkannt. Indessen wird bey uns / die GOtt und sein Wort lieben / Dein’ ungefärbte Treu’ in stetem Seegen seyn. Dein Ruhm wird unsrer Seel mit Stahl seyn eingeschrieben / Bis wir auch einsten gehn zur Himmels-Thür hinein. Aus schmertzlichem Mitleiden setztete dieses zum Andencken ein verbundener Vetter und Diener C. L. Witte, J. V. D.
Ein helles Licht geht weg aus Kedars finstern Hütten / Der Mond entziehet sich aus unserm Horizont / Wolt’ uns nicht Finsterniß und Trauren fast zerrütten? Da diese Lamp’ und Licht uns nicht mehr scheinen konnt. Dis Mond-Licht / Lamp’ und Oel / hat GOtt von uns genommen. Das sein Licht / Oel und Schein uns treulichst mitgetheilt / Weil Ihn die Welt nicht werth / muß Er zum Himmel kommen / Da GOtt Ihn zu sich rufft / mit Ihm von hinnen eilt /
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Und spricht: Du treuer Knecht / der du im Kampf und Leiden / Dein anvertraut Talent hast treulich angewandt / Kom̅ her / es ist nun Zeit / geh ein zum Himmels-Freuden / Wo jeder Zeiten war dein rechtes Vaterland. In dieses Paradieß ist Er nun eingegangen / Wolseliger Herr Luhn / ein Mann / klug / from̅ und treu / Der allerwerts mit Recht den Namen konnt erlangen / Er lehre recht und rein / und leb’ ohn Heucheley. Frau Wittwe / lasse Sie sich dis zum Troste dienen / Daß Ihr Gemahl erhöht zum Seraphinen-Chor. Ihr Antlitz / daß bisher von Schmertz erblaßt geschienen / Erfreue GOtt mit Trost in Ihrem Trauer-Flor. Indessen / theurer Luhn / Du Held und Laster-Stöhrer / Deß Ruhm in Ewigkeit bey uns nicht sterben soll / Du rechtes Contrefait und Ausbund tapfrer Lehrer / Des wahren Christenthums / ruh sanft und schlaffe wol! Zur schuldigsten und letzten Ehre des wolseligen Herrn Consistorial-Raths und zum Trost der hochbetrübten Frau Wittwen und säm̅tlichen Leid-tragenden familie setzete dieses E. M. Ruperti.
Billig klagt man jetzt von Hertzen / daß der Tag so früh sich neigt / Und mit unserm Leid und Schmertzen sich so bald das dunckle zeigt / Da die Sonne von uns fliehet / und die Nacht ohn Mondesschein / Ja ein Licht und Stern jetzt ziehet in das finstre Grab hinein. GOtt nim̅t ja die besten Lichter dieser Welt am ersten hin / Weil die Welt und Splitter-Richter oft betrübt ihr Hertz und Sin̅ / Denn sie sehn nicht das Gerichte / wie zum Unglück dieser Welt Treuer Lehrer Recht und Lichte GOtt weg reißt ins Him̅elszelt. Düstre Tage / Traurigkeiten / fürchtet man in solcher Nacht / Wenn die Lichter unsrer Zeiten / werden von der Welt gebracht; Drum setzt man dem Schmertz und Leiden / unsrer Seel jetzt billig bey. Daß dein Licht / Trost / Lehr’ und Freuden / liebster Luhn / erloschen sey.
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Doch der Mond / den wir beweinen / daß Er allzu früh’entflohn / Wird jetzt klar und herrlich scheinen / dorten vor des Lammes Thron / Und dein Glantz ist unverdunckelt / weil ein Strahl von deinem Geist Noch aus Gruft un̅ Erden funckelt / und auf deine Klarheit weißt. Es werd’ auch durch GOttes trösten / die Frau Wittwe stets erquickt / Wenn Ihr Traur und Schmertz am grösten / werd’ Ihr Hülffe zugeschickt. Jonathan ist Ihr entrissen / der Ihr ander Hertz und Wonn / Mond und Licht muß Sie jetzt missen / JESUS sey Ihr Schild und Sonn! Hiemit hat seine letzte Pflicht schmertzlich bezeugen wollen des Seligverstorbenen treuer Freund W. G. Kegel.
LUNIUS heu! lunae similis, sua lumina claudit, Cujus in hoc mundo lucida vita fuit. Doctrina ac vita cunctis praeluxit, & umbras Noctis peccati dispulit igne Dei, Clara Evangelii verbique ardente lucerna, Quam sol justitiae Christus ei tribuit. Nos in tristitiae tenebris remanemus, at Ille Mortuus & radiat sidus ut aethereum. Hoc perpendentes lacrymas teneatis amici, Lux verbi Domini vos recreare velit! Ita piis manibus Domini LUNII debitum post fata cultum testari voluit Jo. Frid. Bismarck, Medic. Doctor.
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Veni, Vidi, Vici.
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Gandesiam Venit, Vidit, simul et quoque Vicit LUHNIUS, in bello qui tulit arma sacro. Haec tria summorum pugilum vix contigit uni Gentili; (Julium innuo Caesarem, qui ê pugna Pharsalica redux triumphator in patriam, victoriam non magis feliciter quam velociter â Pompejo M. reportatam tribus his verbis coram Senatu denunciavit: Veni, Vidi, Vici.) Hoc pugili contigeritne sacro? Victor abire statim Veniendo Videndo quis ausit? Non nisi qui pugil est de meliore luto. Si Venit ad sacri Videt et quis praelia belli Heros, nonne stupet, sit licet herculeus? Usque tremit, Veniat, Videat; post plurima tandem Vincit fata, bonus qui Coriphaeus erat. Ast melior cecidit Domini sors lata supremi NOSTRO, quem tristis jam capit urna, VIRO; Victor erat, patriam Veniendo Videndo palaestram. Annulum et huic Mitram cum Viteberga daret. Victor erat, Guelphas Veniendo Videndo phalanges, Militiae hinc summos huic dedit aula gradus. Ast abitu vacuata meo sacra castra petentem Gandesica, invasit Panicus horror eum. Interim eo Venit, Viditque pericula belli, Tanta quidem, ut se vix Vincere posse ratus. Ast iterum placuit Domino, ut Veniensque Vidensque Praelia Gandesiae Vincere posset item. Nam prius ac stadij pugil hic Juctantis arenam, Sancta triumphantis moenia Victor adit. Ita gratulabundus B. Dominum Successorem suum in Militante, Eundemque Antecessorem in Triumphante Ecclesia lugens, laetansque prosequitur Augustus Stisser / Eccles. et Scholar. Brunswic. Superintendens.


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