|| [ID00001]
Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken u.
Erinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel.
Vorrede.
ICh habe bey Endigung der Vorrede des ersten Theils versprochen / allhier noch
ein mehrers wegen der allbereit publicirten / und ferner zu publiciren
vorhabenden Juristischen Händel zu melden. Ich werde aber genöthiget / es kurtz
zu machen; weil ich durch andere nöthigere Arbeit gehindert werde / itzo
weitläufftiger zu seyn. Mein Intent gehet dahin / daß ich nicht alleine die von
mir verfertigte Urtheile und Responsa mit kurtzen Anmerckungen drücken zu lassen
gesonnen / sondern auch zuweilen diejenigen / so meine Herren Collegen referiret
und elaboriret; ingleichen unterschiedene Consilia juridica, und andere
merckwürdige kurtze juristische Schrifften mit einmischen / auch mehrentheils
meine Gedancken und
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Anmerckungen darüber /
wo nicht alsbald in demselbigen Theil / doch in folgenden melden wolle.
Was in specie diesen andern Theil betrifft / darf sich der Leser nicht wundern /
wenn er in selbigem so gar wenig und nur eilff Händel antrifft; weilich / wie
gesagt / wegen nöthigerer Arbeit / die ich aber / geliebts GOtt / künfftig nicht
vermuthe / gezwungen worden / mich nach etwas weitläufftigen und zum Theil von
andern verfertigten / oder von mir selbst schon voraus gearbeiteten Händeln
umzusehen. Jedoch hoffe ich / es werden auch dieselben dem Leser nicht
unangenehm fallen / und er auch darinnen wegen der Veränderung des Theatri zum
wenigsten kein Mißvergnügen finden. Der ERSTE Handel ist mir von einem guten
Freunde / den ich aber vergessen / wer es eigentlich gewesen / vor zehen und
mehr Jahren gar sauber und deutlich abgeschrieben communiciret worden / unter
dem Titul: Sonderliches Bedencken Hrn. Johann Reinholds von Vatkul /
Moscowitischen Ambassadeurs, Königl. Pohlmschen Geheimbden Raths /
unvorgreifliches Bedencken über den gegenwärtigen Zustand des Justitien-Wesens
und dessen künfftiger Verbesserung / Dreßden Anno 1703. Ich kan mir aber kaum
einbilden / daß der wahre Autor in diesem Titul benennet sey / und werden mich
demnach diejenigen /
|| [ID00005]
die genauere Käntniß
von dem rechten Autore haben / höchlich obligiren / wenn sie mir deßhalb
genauere Nachricht (die ich gebührend zu menagiren verspreche) geben wollen;
indem ich gesonnen bin / zu zeigen / daß dieses Consilium gantz nicht
practicabel sey / es möge nun davon Autor seyn / wer da wolle. Daß ich es jetzo
nicht gethan / noch thun können / ist die Ursache allbereit angezeiget worden /
ob ich schon bey der Durchlesung desselben alsbald für mich meine Gedancken auff
ein paar Blätgens summarisch entworffen; Indessen habe das Bedencken selbst in
paragraphos eingetheilet / und zu jedem Paragrapho am Rande kurtze Summarien
verfertiget / und kan der Leser zum voraus nachdencken / ob er es mit d m
Autore, oder mit mir halte / und indessen die publication des dritten Theils mit
einer kleinen Gedult erwarten. Der ANDERE Handel wird wegen vieler Ursachen
schon etwas angenehmer seyn / zumahl da er nicht alleine etliche Umstände mit
berühret / die zu meinem curriculo vitae gehören / sondern auch das bekandte
Sprichwort: Favor in judice plus valet, quam lex in Codice etwas erläutert. So
will ich auch hoffen, daß der DRITTE Handel wegen der im Responso selbst
angeführten Ursachen für einen außerlesenen und nicht gemeinen Handel werde
passiren können / ohne daß ich vonnöthen habe / nach der leider ietzo hier und
dar einreißenden garstigen Mode, viel Prahlens von selbigem oder von mir zu
machen. Der VIERTE Handel / darinnen
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unserer Facultät Bedencken über einen anderwärtigen Versuch / die Langwierigkeit
der Processe zu heben / enthalten ist / wird neben andern Nutzen auch zum Theil
einen kleinen Vorschmack geben / von dem / was ich etwa künfftig in meinen
Gedancken über den ersten Handel dieses andern Theils erinnern möchte / und
zugleich die im FUNFFTEN Handel angefügte teutsche Ubersetzung / von denen
Kennzeichen eines Politischen / zur Verbesserung der Justitz zu gebrauchenden
Artzts nicht verdrießlich machen. Den SECHSTEN Handel betreffend / wolte ich
zwar wünschen / daß der Autor des Bedenckens / warum er mit gutem Gewissen sich
nicht zur Formula Concordiae verpflichten können / keinen so verwirrten und
verdrießlichen Stilum gehabt hätte; aber es wird doch verhoffentlich der Leser
zugleich befinden / daß die von dem Autore angeführten rationes, so wohl
Politicae als Theologicae, wichtig sind / und schon für hundert Jahren die noch
zurück gebliebenen groben Brocken des Politischen Pabstthumbs in unserer Kirche
sehr handgreiflich zu erkennen gegeben. Und wie ich mich beflissen in dem
SIEBENDEN Handel eine und andere Umbstände des Bedenckens zu erläutern / und den
vormahligen Zustand des Religion-Wesens in dem Hertzogthum Magdeburg und in
Halle zu entwerffen; Also wird mir gleichfalls ein grosser Gefallen geschehen /
wenn mir jemand nähere Nachricht von diesem Bedencken / oder doch zum we
|| [ID00007]
nigsten von dem Autore desselben wird geben
können. Im dem 2. §. des siebenden Handels ist etwas weniges / und zwar sehr
undeutlich und confus von dem Zustand der Religion in Halle unter dem
Chur-Fürsten zu Mayntz Alberto gedacht worden / so gut ich selbiges in Olearii
Halygraphia angetroffen. Nachdem aber dieser Handel allbereit gedruckt gewesen /
habe ich gefunden / daß ich schon für 26. Jahren in dem damahls herausgegebenen
dritten Theil der Weißheit und Thorheit bald anfangs desselben etliche genauere
Umstände publiciret / auf was Weise Anno 1541. die Stadt Halle im Hertzogthum
Magdeburg ihre erste Evangelische Prediger erhalten / daraus nicht alleine
dasjenige / was in besagtem §. 2. allzukurtz und dunckel vorgebracht worden /
ein grosses Licht bekömmt / sondern auch daraus wird zu erkennen seyn / daß ehe
dessen mit der Reformation es hin und wieder / nach Gelegenheit menschlicher
Händel / die sich unter die geistlichen Sachen mischen / ziemlich unordentlich
hergegangen. Der ACHTE Handel gehet zwar eigentlich die Streitigkeit wegen der
Heyrath mit des verstorbenen Weibes Schwester an; ich habe mich aber dabey
beflissen, die grosse Confusion in Ehe-Sachen / darinnen wir grösten Theils noch
stecken / und dieser Confusion wahrhafftige Haupt-Ursachen zwar kurtz / aber
doch mit lebendigen Farben abzumahlen und zu entwerffen. Bey dem NEUNTEN Handel
von der Autorität des Longobardischen Rechts in Teutschland
|| [ID00008]
finde ich hier nichts weiter zu erinnern;
so wenig als bey dem ZEHENDEN Handel / der ein paar alberne und tumme
Hexen-Processe vorstellet / ausser daß ich in denen künfftigen Theilen mit
solchen Exempeln zu continuiren gesonnen bin. Was bey dem EILFTEN und letzten
Handel des Cantzlers Schwartzkopffs zu Braunschweig Bedencken von Einrichtung
des Juris circa Sacra (das ich von vertrauter Hand communiciret bekommen)
betrifft / habe ich solches praeliminariter allhier in gewisse paragraphos
eingetheilet / und den kurtzen Inhalt desselben am Rande beygefüget / ich
behalte mir aber bevor / künfftig / geliebts GOtt / meine Gedancken von diesem
Bedencken ausführlich zu eröffnen / nicht alleine / was das consilium selbst /
sondern auch was die daselbst angeführten Umstände betrifft / und werde ich
gleichfalls mit grossem Danck erkennen / wenn andere gute Freunde / oder
diejenigen / die etwa sonst ein Interesle bey denen in besagtem Bedencken
angeführten Umständen haben / mir einige mehrere Nachricht davon zu geben
belieben wollten. Halle den 28. September 1720.
CHRISTIANUS THOMASIUS, D.
|| [ID00009]
I. Handel. Unvorgreiffliches Bedencken über den gegenwärtigen Zustand des
Justitien-Wesens und dessen künfftigen Verbesserung.
§. I.
ES ist eine allgemeine Klage / welche die Erfahrung(Der
elende Zustand des Justiz-Wesens ist fürnemlich dem
Ehr- und Geld-Geitz der Richter und Advocaten zuzuschreiben.) selbst
bestärcket, daß das Justiz-Wesen, sonderlich in Civil- und Parthey-Sachen, in
diesem Lande schlecht, und nicht so beschaffen, wie es nach der Honestät,
Christenthum und Gewissen so wohl auch mit Facilität und Möglichkeit seyn solte
und könte. Wenn man auch nach der Ursache fraget, so weiß jederman zu sagen,
daß es theils an der Vielheit, Verzögerung und Kostbarkeit der Proceße, theils
aber, wann es nach langer Zeit und vielen aufgewandten Kosten zum Hauptwerck und
endlichen Ausspruch kommen solle, daran lieget, daß aus der perversitate
Judiciorum, wo sie sich entweder in allen ihren vier operationen, oder auch nur
in einen und andern derselben der Justiz praevaliren, umb Liebe, Haß, Furcht,
oder Gewinst willen, nothwendig ungerechte und verkehrte Urthel ersolgen, und
sich öffters unter diesen und jenen Schein des Rechtens coloriren lassen müssen,
welches aber so dann am meisten zu beklagen / und die Remedia auch desto
schwerer fallen, wann auch bey denen höhern Judiciis, die es
|| [2]
andern wehren, und die Aufsicht,
damit es nicht geschehe, haben solten, sich unter mancherley Colore viel und
ungerecht Wesen findet, und aber desto schädlichere Effectus nach sich ziehet.
Was man aber von dem Ursprung und innerlichen Trieb dieser Dinge ins gemein zu
sagen hat, komt fürnehmlich auf die ungemäßigte Ehre und Geld-Begierde, oder mit
einem Wort auf den Geitz an, welcher, wie die Wurtzel alles, also auch dieses
Ubels bey denen Judiciis ist, und gemeiniglich in die jetzt berührten beyden
schädlichen Zweige, als den Eigennutz und Eigensinn der Richter und Advocaten,
anwächset, auch sodann ferner in das offenbare Verderbnüß, davon man hier
handelt, oder in die schädliche Proceß-Seuche ausschlägt, ja dieselbe so wohl
nach ihren Ursprung als Wachsthum zeuget, träget und nutriret, woran Land und
Leute so gefährlich laboriren / und öffters der heilsamen Justiz selbsten, so
weit ins Hertz gegriffen wird, daß man bey gegenwärtigen Zustand wohl Ursache
drüber zu klagen hat, was in dergleichen Deliberation ein kluger Heyde sagte:
Sicut vis morborum pretia medentibus, ita fori tabes pecuniam Judicibus
& Advocatis fert, & in foro nihil tam venale est, quam
Advocatorum perfidia. Und weil ohnedem diese beyde mehr berührte Affecten, als
die ambitio & avaritia, indem einer mehr als der andere zu seyn, und
auch mehr als der andere zu haben gedencket, von böser Würckung und Effect seyn,
daß sie auch den Menschen des Vorzugs berauben, der ihn um der edlen Vernunfft
willen, vor denen unvernünfftigen Creaturen billig gebühret, indem diese von
aller Augenlust und hoffärtigen Leben, wie es die Schrifft nennet, befreyet
seyn, und nichts Ubels thun, als worzu sie durch die eigene Fleisches-Lust, oder
ductu victus vel veneris verleitet werden, auch den Menschen weit dissociabler,
und von der Einigkeit entferneter, als die Thiere machen, und zu Erhaltung der
menschlichen Societät nöthig ist. So ist es demnach kein Wunder, daß auch in
societate Judiciaria die schädlichen Effectus daraus erfolgen, und so viel mit
sich bringen, daß darüber die Judicia, und darunter auch die höchsten
Gerichts-Städte ihrer anständigen Natur und Endzweck zuwieder, nothwendig in
einer solchen Larven-Crämerey und dergleichen verderblichen statum
depraedationis publicae verfallen müssen, da die meisten theils von Zorn und
Rache eingenommene und verblendete Partheyen offt schlechte Wahre um viel Geld
kauffen, und von des Landes Vermögen selbsten, den Ehr und Gewinnsüchtigen
Richtern und Advocaten vermittelst der leeren Figuren und Formalitäten des
Processus, so viel aufgeopfert wird, daß wenn man es gegen den wahren und
eigentlichen Effect der Justiz, o
|| [3]
der
desjenigen, was einem Theil endlichen zu, und dem andern Theil abgesprochen
wird, rechnen solte, jenes oder die blosse Proceß-Kosten diesen weit, ja wohl
öffters doppelt und zehnfach übertreffen würden.
§. II. Dahero man denn auch wohl vernünfftig urtheilen solte, daß(General-Inhalt dieses Bedenckens.) es bey solchen
Zustand besser wäre, in Civil und Parthey-Sachen (denn die Criminal Sachen
schliesset man noch billig aus) die Justiz gar zu se questriren, oder lieber gar
keine, als dergleichen zu haben, die mit so grossen Abbruch und Verlust des
publici ausgeübet wird, und ihrer edlen Natur zuwieder durch den blossen
Mißbrauch gleichsam der nagende Wurm werden muß, der ein gut, wo nicht gar das
beste Theil, und das Marck selbsten von des Landes Vermögen heimlich verzehret;
weil aber gleichwohl der Schade nicht so verzweiffelt böse, daß er anders nicht
geheilet werden könte, es sey dann, daß man das kleinere Ubel von dem grösseren
erwehlete, hierüber es auch allerdings an dem ist, daß nechst der wahren
Gottesfurcht, auf den rechten Gebrauch einer reinen und gleich durchgehenden
Justiz, als der andern bewährten Grund-Säule, die Wohlfarth eines jeden Landes
beruhet; So ist nunmehro, nachdem die allgemeine Qvelle, woraus die trüben
Wolcken der Ungerechtigkeit und verderblichen Processe fliessen, verstopffet, so
wohl von den sich findenden special Gebrechen, auch denen Remediis, wodurch
jeden insonderheit zu helffen stehet, wie nicht weniger von denenjenigen zu
handeln, welche das Ubel aus seiner verderblichen Wurtzel universaliter, und
zwar mit guten Bestande, und solcher Behutsamkeit zu heben nöthig seynd, wodurch
man denen vitiis praevalidis & adductis, in ipsa adhibitione medelae,
gnugsam gewachsen ist, und nicht darüber zuschanden werden, oder besorgen darff,
daß wenn man diese Qvelle nicht sattsam verstopfen, oder auch nur in Proceß
verstossen würde, sie mit mehrern Ungestüm wieder ansbrechen, und endlich der
Schade gantz unheilbar werden, oder dasjenige hieraus erfolgen dürffte, was
dorten der Felix infelix (ap. Tacit. Ann. II.c 51.) erfahren muste: dum
intempestivis remediis delicta accendebat, daß das letzte ärger als das erste
würde.
§. III. Es finden sich aber, wann man, so viel die special - Gebrechen(Acht special-Classen derer
Gebrechen und der Mittel dawieder.) betrifft, so gleich in rem
praesentem gehen, und von denen eigentlichen Ursachen reden will, welche
zeithero in diesen Landen, zumahl bey denen höhern Judiciis nicht nur den
schädlichen Proceß-Wesen, und der Ungerechtigkeit selbst dienen, sondern auch
beyden den Colorem oder Schein des Rechten geben müssen, fürnehmlich diese: Als
(1) die unmäßige Erfindung neuer observantien, so wohl super forma Processus
|| [4]
als meritis causarum selbsten. Zum
(2) die Vielheit und grosse Menge der unnöthigen und leeren Interlocuten oder
Bey-Urthel. (3) Der allzu sehr überhand genommene Mißbrauch des sonst heilsamen
beneficii Appellationis. (4) Die Singularität, welcher sich ein und das andere
Judicium in gewissen Fällen zuschreibet, und vor andern den Vorzug haben will.
(5) Ingleichen daß sie pro amplianda jurisdictione die ihnen gesetzten limites
überschreiten und weiter gehen, als sich gebühret. Welchen ferner noch
unterschiedliche Dinge anhängig zu machen, so zwar ohne dis bekandt, u. zu jeden
Judicio nöthig, auch in göttlichen, natürlichen und weltlichen Rechten
verordnet, gleichwohl aber hier unterschiedener Ursachen halber nicht so gar zu
übergehen seynd, und zwar gehen solche fürnemlichen (6) die Personas und andere
Qualitates, sowohl den Unterhalt der Judiciorum darinnen, (7) den Modum
& tempora componendi & dirigendi, wie auch finiendi lites und
letzlichen (8) die Remedia an, welche die Eingangs berührte perversitates
judiciorum zu coerciren dienen.
(I. Die unmäßige Erfindung / Vermehrung und Aenderung der
observantien / und der daraus eutstehende Schade.)
§. IV. So viel nun 1) die von geraumer Zeit her contra leges publicas tam
communes quam provinciales eigenmächtig eingerissene Erfindung, auch öfftere
Vermehrung und Aenderung der neuen observantien concerniret, ist solche um
deswillen wohl vor eines der grösten Ubel und Verderbnüsse der Justiz zu halten,
weil sich dessen die höhern Collegia gleichsam, als eines wohl hergebrachten und
ihnen allein zustehenden Befugnüsses anmassen, und mithin die remedirung desto
schwerer machen; zudem aber es damit so weit kommen ist, daß nicht nur die ohne
dis zum grossen Nachtheil des gantzen Justiz-Wesens aufs höchste und bis zum
grösten Uberfluß getriebene Formalitäten und apices processus zusamt denen
daraus erwachsenden unzehligen Interlocuten, dadurch noch weiter vergröffert, so
dann auch in die merita causarum und sententias definitivas so weit gegriffen
wird, daß offt super uno eodemque puncto Juris, auch wohl in una eademque causa,
(da zuvoraus die edle Justiz constans & perpetua voluntas jus suum
cuique tribuendi seyn solte,) unterschiedene und gantz wiedereinander lauffende
Urthel gefallen, also daß weil zumahl diese mehr angeregte observanzen denen
Partheyen nicht bekandt, auch zweiffels ohne wegen deren vielfältigen
Aenderungen, da man sie bald gelten, bald nicht gelten läst, bald abschafft,
bald aber wieder einführet und erneuert, mit Fleiß verheelt und gleichsam als
Wercke der Finsterniß in verborgen gehalten werden, fast niemand mehr weiß, wo
er seinen Rath finden, oder worauf er solchen fundiren solle. Es ist aber noch
um so vielmehr bedencklicher und desto mehr zu beklagen, wenn
|| [5]
es dahin gedeyet, daß, wie man zwar
so leicht nicht glauben kan, doch gleichwohl gesaget werden, und auch fast nach
einen und andern Exempel das Ansehen gewinnen will, die guten Gesetze nur vor
die Reichen und Mächtigen gelten, wenn es aber an die Armen, und so gar auch
Witwen und Weisen kommt / und gleich noch darzu causam favorabilem e. g. dotis,
alimentorum &c. betrifft, denenselbigen per contrariam observantiam
derogiret, und wieder sie gesprochen wird. Wie dann unter andern zum Exempel das
c. 8. de procur. in 6to. ob sich gleich dessen wahrer Verstand einen jeden
Unpassionirten leicht zeiget, dennoch so lange auf der Marterbanck gewesen seyn
soll, und sich, nachdem man einen wohl oder übel gewolt, per varias res
& observantias hin und her ziehen lassen müssen, bis es endlich mit
mercklicher Kränckung der Justiz einer wächsernen Nase nicht ungleich worden.
Wannenhero nicht unzeitig zu besorgen, daß endlich hierunter die partialitäten
dem aequilibrio Justitiae allenthalben praeponderiren, und tot inventiones,
abrogationes, revocationes & renovationes observantiarum, quot calus pro
amicis geben, ja endlich alle perversitates Judiciorum darunter ihr Asylum
finden möchten.
§. V. Alldieweil aber gleichwohl, so man auch nur die Sache abstractive(Wie diesen Ubel / als welches Potestati Legislatoriae schnurstracks zu wieder, zu steuren
sey.) und in thesi consideriret, ein jedes Judicium von selbst wissen, und
sich dessen bescheiden soll, daß es kein solches officium vagum &
liberum habe, damit es nur nach eigenen Willen und Gefallen schalten und walten
könte, sondern weil des Menschen Verstand, so groß er auch bey manchen ist,
dennoch den ordentlichen Zuneigungen unterworffen ist und bleibet, und dahero
höchstnöthig seyn will, das richterliche Amt mit Gesetz und Ordnungen zu
beschräncken, wornach ein jeder Richter, er sey hoch oder niedrig, solches zu
führen und auch nach denen vorgeschriebenen Gesetzen GOtt und seinen Herrn, als
den oberisten Gesetzgebern genaue Rechenschafft zu geben schuldig, wie denn auch
um deßwillen die Potestas Judiciaria von der Legislatoria unterschieden ist,
damit diese über jene allezeit die Oberhand behält, und kein Richter ohne
schwere Verantwortung in ein höher Amt greiffen oder sich selbst seines
Gefallens Ziel oder Maaß zu dessen würck licher Ausübung setzen darff, sondern
wenn er ja in applicatione facti über den wahren Verstand, der ihm
vorgeschriebenen Gesetze Zweiffel hat, die Interpretation einig und allein von
dem Legislatore selbsten zu gewarten, und sich darüber Bescheids mit
Ausschliessung aller Exceptionen enthalten soll, wie solches nicht nur die Natur
und substanz der Sachen, sondern auch die disfalls gesetzten klaren Rechte in L.
12. C. de LL. erfordern, da es mit deutlichen Worten heißt: Leges condere soli
Impera
|| [6]
tori (Principi) concessum,
& leges interpretari soli dignum imperio esse oportet. Tam Conditor,
quam interpres legum solus Imperator (Princeps) juste existimatur. Dann dieses
gehöret eigentlich ad interpretationem authenticam und nicht ad judiciariam oder
doctrinalem, zudem aber, wann es gleich auf eine usualem mit denen offterwehnten
observantien angesehen seyn solte, dennoch auch wieder deren Natur und
Eigenschafft, ja contra ipsam sanam rationem lauffen würde, daß man eine
observanz contra legem praeteritam, den man vorhero pro valida erkennet, so bald
ex primo actu und da noch kein einiger actus in contrarium retro verhanden ist,
vor ungültig halten wolte, oder sich auch nur siguriren könte, und so man auch
gleich solche observantien unter die Constitutiones non editas rechnen wolte, so
ist es doch damit gleichfalls nicht ausgemacht, sondern heist dargegen: quod Lex
Civilis sine promulgatione nulla sit, nec vim obligandi ullam habeat, anderer
denenselben anklebenden Mängeln zu geschweigen, was bishero, wann es ad
hypothesin kommen / vor bedenckliche Exempel und Consequentien unter diesen
Colore erwachsen seyn, so gar, daß mancher rathsamer befunden, seine gerechte
Sache unter den angefangenen Proceß ersitzen zu lassen, als sich der Gewalt
seines mächtigen Gegentheils unter solchen ungemäßigten und seine Colores so
offt ändernden Observanz-Ubel weiter zu exponiren, wie man dann auch ehrliche
und geschickte Leute / die in hohen Collegiis sitzen, darüber klagen höret, und
mögen deren auch wohl gewesen seyn, die andern, welche unter der Macht der
Observanzen ihre Beherrschung treiben, lieber weichen, und ihr Amt quittiren,
als mit besorglicher Gefahr des Gewissens länger dabey bleiben wollen, so ist
höchstnöthig, solches bey Zeiten aus dem Grunde zu heben, und die
vorgeschriebene Rechte und Gesetze, gegen diesen, sich über sie schwingenden
Feind genugsam und dergestalt zu waffnen, daß nicht nur quoad praeterita alle
contra leges publicas eingeführte observanzen, als dehonestamenta so wohl Legum
& justitiae, als ipsius potestatis Legislatoriae gäntzlich abgeschaffet,
sondern auch die Judicia dahin angewiesen werden, damit sie sich dererselben
Erfindung ins künfftige in alle Wege, so wohl praeter als contra legem, und auch
in dubio enthalten, hingegen aber die observationes Legum & veritatis,
als die einige schon berührte Regul und Richtschnur ihres Ambts juxta L. 14. C.
de Jud. mit Ausschliessung alles observantien-Wesens seyn lassen, und wann ja
casus sich ereignen, darinnen sie Zweifel haben, was mens & intentio
Legislatoris eigentlich gewesen sey, solche an den Landes-Herrn mit angeführter
unmaßgeblicher Eröffnung ihres Gutachtens berichten,
|| [7]
und von demselben einig und allein
der Decision darüber gewarten; also daß keine observanz mehr übrig bleibt, noch
auch ins künfftige zu besorgen stehet, die nicht durch des Landes-Herrn als
Legislatoris simul & interpretis, ausdrückliche Einwilligung und
approbation legitimiret, und auch dadurch behörige publication zu jedermanns
Wissenschafft kommen ist. Dem Richterlichen Gehorsam aber hierunter desto
genauer zu prüffen, und anderes gutes mehr damit zu stifften, will ferner gantz
nützlich und nöthig seyn / daß allen und jeden gesprochenen Urtheln die Rationes
decidendi beygefüget werden, damit man sehen kan, ob sie von guter Art der
Actenmäßigen Wahrheit und promulgirten Gesetzen, oder von eigener passionirter
Erfindung herrühren, denn was man sonst de non edendis rationibus decidendi
sagt, ist nicht gnug, andere vernünfftige motiven aufzuheben, bevoraus zu der
Zeit, da die aequitas cerebrina über Hand nehmen, und die Urthel nicht ad
observationem legis & veritatis omnimodam als den beyden
substantial-Stücken der Justiz, sondern meistens aus eigenen Gehirn im Verborgen
gesponnen werden wollen, es auch zu Verhütung dessen einer solchen sichern Probe
bedarff, daß nach Befindung die Remedia gnugsam geschärffet, und endlich
zulänglich gemachet werden können.
§. VI. Anlangend 2) das Verderbnüß, so bey dem Justiz-Wesen /(II. Schaden durch die vielfältigen und unnöthigen Interlocute.) aus der grossen Menge der leeren
und unnöthigen Bey-Urthel und Interlocuten herrühret, welche über der forma
& figura processus und andern vielen Incidentien, welche meistens die
Advocaten ohne necessität und nur des mit denen judicibus habenden
gemeinnützigen Absehens halber zu erfinden wissen, ob gleich sonsten die
Vernunffts-Regul selbst erfordert: quod entia praeter necessitatem non sint
multiplicanda, gesprochen werden, so ist solches unter andern daraus sattsam
abzunehmen, weil sich die Anzahl der Bey-Urthel so weit erstrecket, daß auch bey
denen höchsten Judiciis in Lande, da man vor andern de simplici & plano
verfahren, und von denen es juxta L. 12. C. de Jud. besonders heissen solte, ut
tanquam divini Judices compendiose lites decidant, öffters unter 100. kaum
eines, ja wohl 3. 4. 5. 6. biß 700. Urtheln, so in einen Termin zur publication
kommen, nur 3. oder 4. zu finden seynd, die der Sachen regulariter (dann wann es
per accidens sich zuträgt, daß etwan e. g. um einer unterlassenen Formalität
oder versäumten Beweises willen definitive gesprochen wird, kan man solches
daher nicht rechnen) ihre endliche Entscheidung geben; zudem geschicht es wohl,
und seynd die Exempel
|| [8]
nicht
unbekandt, daß wann es auch nach zwantzig, dreißig und mehr Jahren dahin kommet,
daß endlich etwas definitive zu, und dem andern abgesprochen werden sollen, sich
dennoch das gantze Werck wiederum in das Schattenwerck, und die apices
Processus, oder ein solch schnödes Interlocut resolviret. Denn da fängt man an,
entweder über der blossen Formalität, oder der legitimation, als in einem hohen
judicio über diesen passum zwischen zweyen vornehmen Partheyen ein gantzes
seculum (quod omnem ferme fidem excurrit) gestritten und doch nicht definitive
erkant worden, von neuen wieder zu verfahren, oder man fällt auf eine vermeynte
ineptitudinem libelli, darauf man doch, wann sie anders relevant gewesen,
gleichwohl anfangs sehen sollen, da es dann erfolget, daß der Beklagte von der
Klage, immassen sie anbracht, absolviret wird, wodurch aber nichts anders als
dieses entstehet, daß nach so langer Zeit und vieler Geld-Splitterung der alte
Proceß einen neuen, mit dem er so lange schwanger gegangen, ans Tages-Licht
gebracht. So hat auch ferner vielmahls die Erfahrung bezeuget, daß wann gleich
eine Sache definitive abgeurthelt gewesen, und in Terminis executivis oder
executione rei judicatae bestanden, dennoch solche wohl noch 10. 20. und mehr
Jahre, durch dergleichen Bey-Urthel aufgehalten, und zuvoraus auch durch den
Mißbrauch der hierüber ergriffenen Appellationen durch zwey und drey Instantien,
mit weitern Verlust vieler Zeit und Kosten getrieben, und die Justiz als eine
Glocke ohne Kleppel geworden, ehe man den endlichen Effectum executionis in
denen bekandten dreyen Actibus erreichet. Uber dieses alles aber hat es sich je
zuweilen auch wohl dafür ansehen lassen, als ob die offtberührten Interlocuten
zu dergleichen Beginnen denen Judiciis dienen müssen, daß wann man gesehen, daß
das End-Urthel dem Parth, so man wohl gewolt, zuwieder ware, der andere Theil ex
vago hoc & nimis laxo sententiarum interlocutoriarum &
observantiarum arbitrio so lange herum getrieben worden, biß er endlich taedio
litis aut sumtuum penuria sein gut Recht fahren lassen, und dem hierunter sich
praevalirenden Wiedersacher preiß geben müssen. In so viel und noch weit mehr
schädliche Effectus erstrecken sich nun die grosse Menge der leeren Bey Urthel;
wann man aber davon kurtz reden, und dieselben beydes nach ihrer Natur und
Würckungen consideriren will / so seynd sie wohl der eigentliche Fund und Grund,
worauf man zeithero die edle Justiz, als ein Bild gantz ohne, oder doch nur von
so verderblichen Wesen, leider mit Betrübniß ansehen muß, daß sie eben durch
dieses special-Gebrechen vor andern zu einer solchen Cauponation oder
obberühr
|| [9]
ten Larven-Cramerey
worden, die bloß denen Richtern und Advocaten zum Gewinst dienet, und man also
davon mit Wahrheit saget, daß die Vielheit der leeren Urthel der Richter und
Advocaten Beutel mit Gebühren und Sporteln füllet.
§. VII. Dahero dann, und weil hingegen ein sehr grosses dadurch(Dienliche Mittel dawieder.) so wohl von dem
Publiquen als Privat-Vermögen des Landes hinweg genom̅en wird,
höchstnöthig seyn will, diesen bey der Justiz sich offenbarlich findenden sehr
schädlichen Gebrechen, solche Mittel vorzukehren / wodurch die oft angeregten
sententiae interlocutoriae meistentheils gar vermieden, die übrigen aber, und so
weit sie nöthig, auf eine andre Art und Weise, die viel weniger Zeit und Kosten
erfordert, ersetzt werden können. Und zwar ist, so viel jenes betriefft, 1)
bekant, wie viel Bey-Urthel gleich((1) Wegen der legitimation, caution, guarandae, competentiae fori,
insinuationis citationum.) Ansangs des Processes, und ehe es
noch von der Klage zu dem andern substantial-Sücke, oder ad litis contestationem
komt, nur überdem blossen passu legitimationis, cautionis, guarandae,
competentiae fori, citationis, insinuationis citationum, und dergleichen
gesprochen worden. Wann aber keine Klage eher angenommen, noch Citationes darauf
ausgefertiget, vielweniger der Kläger in termino zur Wiederholung zugelassen
wird, es habe denn mit allen itzterzehlten passibus seine Richtigkeit, massen
denn es auch des Landes Satzung, und unter andern insonderheit die Erledigung de
Ao. 1661. Tit. von Justiz-Sachen, §. 17. und andern Orten mehr erfordern, und
allenthalben was zur Verkürtzung der Processe gereichet, sonst nicht sowohl an
guten Gesetzen, und Ordnungen, als daran fehlet, daß solche entweder als
obsoleta gar nicht beobachtet, oder doch übel und eigennützig interpretiret
werden; so cessiren zum wenigsten alle die Bey-Urtheil, welche sonsten in den
berührten zwey ersten Theilen des Prcesses in grosser Anzahl gefallen. Es kan
aber auch 2) das angeregte gröste Inconvenienz, so nach 20. 30. und((2) Wegen Tüchtigkeit oder Untüchtigkeit der
Klage.) mehr Jahren, da alle partes processus absolviret und das
End-Urthel gewiß gehoffet wird, sich dennoch fast cum cujusvis scandalo
& summa partium desperatione wieder in ein schnödes Interlocut, über der
Formalität des libells resolviret, dadurch vermieden werden, wann gleich Anfangs
und vor allen Dingen, ehe noch das geringste in processu vorgehet, oder zur
Ausfertigung komt, die Klage, ob sie in ihrer forma substantiali &
fundamento juris richtig, und auf das jenige schlüßig sey, was des Klägers
intention mit sich bringet / wohl und genau examiniret, und nach dessen
Befindung entweder angenommen, oder der Kläger gleich damit a limine Judicii
abgewiesen wird. Dann ferner, 3) ist wie
|| [10]
der((3) Wegen)
(der durch der A dvocatorum
tergiversa sation entstehenden Interlocuten.) diejenige Interlocut, welche in währenden gantzen
Process von der Advocaten muthwilligen tergiversation und Verschleiffungen, oder
auch geflissentlich dahin zielenden Erfindungen neuer Incidentien herrühren,
dieses das einige kräfftigste Mittel, daß man dergleichen Inventiones
denenselben im geringsten nicht verstattet, sondern so bald sie nur angemercket
sind, (wie es dann offt levi solertia Judicis geschehen kan, die Autores sich
auch zu weilen selbst verrathen) dieselben deswegen ernstlich und ohnnachläßlich
bestraffet, oder doch in dubio, und zwar so bald ex officio, und ohne besonders
Erkäntniß, ihnen das Gewißen gerühret, und vor Annehmung dergleichen Schrifften
sie mit dem juramento malitiae beleget. ((4) Wegen der
übrigen Bey-Ucthel ante & post litis
contestationem, probationem, executionem & c.) Was
aber die übrigen Bey-Urthel belanget, welchen in und nach der Litis
Contestation, Probation, execution auf alle dabey vorfallende Dinge, und
insonderheit gesuchten delationes und dergleichen mehr gerichtet, auch in
gewisser massen nöthig sind, so kan 4) dem nun in modo & tempore über
Hand genommenen Mißbrauch gewehret werden, wann nach gleichmäßiger Anweisung der
angezogenen Landes Satzungen und Erledigung d. loc. an statt des ordentlichen
Verfahrens und Urthelsprechens, oder wenn es heist, wie es da insgemein so
lautet: daß die Partheyen ihre dißfalls habende Nothdurfft von Mund aus in die
Feder ad Acta bringen und rechtlichen Erkäntnüß darüber gewarten sollen: auf
kurtze schvifftliche oder auch nach Gelegenheit mündlich beschehene, und
registirte supplicate, implorationes, summarische Weisungen, Bescheide oder
resolu tiones sine omni ulteriori forma & strepitu judicii gegeben
werden. Welches denn bey denen höhern Iudiciis, so mit legalen und geschickten
Leuten besetzt / leicht, bey den niedrigen aber auch nicht schwer fället, daß,
wann dieselben allenfalls dieser Dinge nicht mächtig seyn, sie sich bey jenen in
möglichster Kürtze Bescheids erholen.
(Herrlicher Nutzen und würckungen besagter Mittel / so wohl
in Ansehung der Zeit; als der Rosten.)
§. IIX. Auf diese Masse nun können alle Processe durchgehendes und auch in
termnis executionis, da es, wie es schon berühret, offt noch vielles und fast
ärgerliches Intenloquirens giebet, so ferne ausgearbeitet werden, daß bloß nach
gesührtem Beweiß und Gegenbeweiß die sententiae definitivae zu ordentlichen
Rechtsspruch übrig bleiben. der Effect aber, wann das Justitien-Werck nur in hoc
puncto so eingerichtet, daß die sententiae Interlocutoriae entweder gäntzlich
vermieden, oder auf vorhergehende Masse rectificiret worden, ist zum wenigsten
dieser: daß was bishero sonderlich dey denen höhern Judiciis, so über dem
Urthelsprechen nur jährlich zu gewisser Zeit sitzen, 20. bis 30. Rthlr.
gekostet, (wie es dann mit jedem Interlocut, wenn man die Gericht- und
Advocaten-
|| [11]
Gebühren, nebst derer
Collegiorum ordentlichen Besoldungen zusammen rechnet, leicht so hoch, wo nicht
höher kommen wird) mit so vielen oder noch wenigern Groschen geschehen kan, und
wo regulariter virtel, halbe, oder auch wohl gantze und mehr Jahre mit einen
solchen Bey-Urthel dnrch unterschiedene Instantien mitappelliren und dergleichen
zugebracht, nunmehro die Sachen mit so viel Tagen, Wochen, Monaten oder
längststens Sächß. Fristen ausgebracht werden kan. Solte man auch die Rechnung
machen, was durch dieses einige Mittel in dem gantzen Lande, oder auch nur am 2.
oder 3 Orthen, wo die meisten Processe schweben, an unnöthigen Kosten könte
ersparet werden, so würde jenes sich gewiß jährlich auf etliche, das letztere
aber mehr als auf eine Tonne Goldes sich belauffen. Woraus leicht zu schlüssen,
was nur in diesen Stück, (da man zwar alle Judicia uud zwar leider! die Hohen
mehr als die Niedrigen durch allepartés vor diesem mehr bedeuteten Wesenlosen
Bilde kaum exkennen kan) geschweige denn durch den gantzen Mangel hafften
Zustandt, womit das JustiZ Wesen behafftet, dem Publico abgehet, und hingegen
dem Privat Nutzen der Richter (doch meistens denen Directoribus in höhern
Collegiis) und Advocaten als ein wiewohl unverschuldetes Schuld-Opfer zu Theil
wird.
§. IX. Was aber 3) das jenige Gebrechen betrifft, welches sich bey der(III. Grosser Mißbrauch der Appellationen und vielfältige querelen
darüber.) Justiz durch den über Hand genommenen grossen Mißbrauch
der Appellationen ereignet, ist zwar vor sich bekant, daß man deren Extension
und Erweiterung niemahls dem gemeinen Wesen zuttäglich, sondern vielmehr
jederzeit schädlich befunden; dahero denn auch, wie es die Historien, so wohl
viele bewehrte Recht-Lehrer und Politici, noch mehr aber die Römischen Civil
Rechte, und noch am allermeisten die vorhandene jüngste Reichs Satzungen de ao.
1594. §. 92. 93. 94. it. de ao. 1600. §. 17. 18. 19. und insonderheit der letzte
Reichs-Abschied de ao. 1654. §. 109. sec. usque 121. bezeugen, man auf deren
restrictiones und Beschrenckungen sorgfältig bedacht gewesen, und die Mittel
hierzu prospiciret: als man sonderlich gesehen, daß aus dem angeregten
Mißbrauch, nichts als langwierige Verschleiffungen der Processe erfolgeten, und
öffters zancksüchtiege u. wiederspenstige Leute und Unterthanen davon
Gelegenheit nehmen, GOtt und ihre ordentliche Obrigkeit zu beleidigen, und
verächtlich hindanzusetzen, wie nicht weniger den schon mit Unrecht gekränckten
Nächsten an Erlangung seines Rechten aufzuhalten, und zuverkürtzen, ja wohl
endlich gar darum, oder es dahin zu bringen, daß er es aus Mangel der Kosten
ersitzen lassen muß. Allein, wenn man diesen mehr angeregten
|| [12]
Mißbrauch, wie es bishero in
hiesigen Landen die Erfahrung, so wohl die bey unterschiedlichen Landtagen
darüber beweglich geführte gravamina auch letzlich auf dessen Remedirung
höchstlöblich gerichtete Land-Tags Propositiones bezeugen, noch so ferne
nachsiehet, daß nicht nur viel unzuläßliche und in Rechten verbothene
Appellationes angenom̅en, sondern auch allen und jeden um des
blossen Nahmens willen, ohne Unterscheid der Sachen der Effectus suspensivus
zugeschrieben wird, so ist es auch natürlicher Weise, und nach aller gesunden
Vernunfft kein Wunder, daß das daraus erfolgende Ubel sich je mehr und mehr
vergrössert, und dieses an sich selbst sonst heilsame beneficium, so seiner
Natur und Eigenschafft nach billig ein Antidotum contra Injustitiam seyn soll,
(ob gleich zuweilen auch eintrifft, was der Ulp. in L. 1. princip. ff. de
Appellat. gleich dem in Anfang gerührten usu sagt: quod nonnunquam bene latas
sententias in pejus reformet, nec semper melius pronunciat, qui novissimus
sententiam laturus est) gantz aus der Art schlagen, und in effectu ipsa pestis
Judicii werden muß. Dann eben damit, und zumahl durch die letztere, so auf den
effectum suspensivum illimitatum aller Appellationen gehet, kommet es weiter
nicht auf eine Quaestion an, die man hierbey zu formiren pfleget, welcher Judex
über die Admissibilität cognosciren solle (welches, daß es regulariter dem
Judici ad quem gehöre, fast keinen Zweiffel, doch auch seine beydes in Rechten
und gesunder Vernunfft gegründete Exceptiones hat) sondern es wird das arbitrium
hierüber einem jeden muthwilligen Appellanten, und zumahl den Gewissens-losen
und Gewinnsüchtigen Advocaten in die Hände gespielet, daß sie sub nudo nomine
Appellationis (bevoraus, wann sie noch zu ihrem bessern Behülfe bey denen
Clienten, das Hertze mit Nach und den Beutel mit Gelde angefüllet finden,) allen
Frevel, Spott und Bosheit beydes mit der Obrigkeit, und mit der Justiz treiben,
und den Proceß quasi per circulum in insinitum so gar auch in terminis
Executivis ihres Gefallens verschleiffen, wie dann, daß es offt 10. und mehr
Jahr in Executione rei Judicatae (da sonsten die Rechte gar keine Appellationes
gestatten, sondern vielmehr ausdrücklich und bey gewissen darauf gesetzten
Straffen statuiren: quod provocatio inde facta & sententia contra rem
judicatam lata sit ipso jure nulla, & provocatores 50. librarum argenti
animadversione multan disint p. L. 1. C. qv. provoc. non est nec. & L.
5. C. quorum appellat. non recip.) gewehret, die Erfahrung gelehret, sich auch
in rebus minimis exempla gefunden haben, daß Rechts-kräfftig abgeurthelte, und
noch darzu vergliche
|| [13]
ne Sachen, so
kaum in ihrem gantzen Werth 5. oder 10. Rthlr. importiret, unter diesem abusu
und dem ungerechten Trieb böser Advocaten, darinnen ihnen noch des Parths
Unverstand und einfältige Hoffarth gedienet, wiederum in neue kostbare
Weitläufftigkeit, und so viel sententias interlocutorias gesetzt und verwickelt
haben, daß nach grossen und sich wohl an die 1000. Rthlr. erstreckten oder den
berührten Werth hundert und mehrmahl übertroffenen Aufwand, die Partheyen nicht
gewust, woran sie seyn, und so zu sagen weder Anfang noch Ende vor sich gesehen,
biß sie endlich, und zumahl der aus Unwissenheit in einsältiger Einbildung
verführte und gantz enervirte Theil, mit Kummer und Jammer von dem Appellations
Process abstrahiret, und sich zu dem ersten Zweck legen müssen, anderer contra
veritatem darbey vorgefallener ungebührlichen Dinge und depravationen nicht zu
gedencken. Und ob man gleich den Respect, welcher dem Judici ad quem hierunter
gebühret / vorwendet; so wird doch damit, wann man solcher Gestalt das hohe
officium Judicis denen Appellanten gleichsam Preiß giebet, und in ministerio
instrumentali in der Ausübung ihres bösen Beginnens dienen lässet, dessen
Reputation und Authorität gar nicht vermehret, sondern vielmehr um ein
merckliches dehonestiret / und vermindert. Hingegen bestehet desselben Respect
wahrhafftig und wesentlich darinnen, wann, wie es in judiciaria vor andern
billig seyn solte, alle andere Respectus der Justiz weichen müsten, und
derselben, besonders in diesem Stück, ein wachsames Auge darauf schläget, wohin
viel löbliche Regenten mit guten Gesetzen gesehen: ne unquam frivolae
Appellationis diffugium detur, nec remedium Appellationis ad detensionem
iniquitatis aut exhibitionem patrocinii nequitiae; sed ad praesidium innocentiae
sit institutum. Wie unter andern in denen Canonischen Rechten, als welche
besonders in processualibus dem Juri Civili praevaliren, in cap. 61. junct. cap.
3. extr. de appellat. & in Concilio Trident. Sess. 13. C. 1. de
Reformatione heilsamlich verordnet; dann anderer Gestalt macht sich der Judex
fremder Sünden theilhafftig, wieder die Regul Pauli 1. ad Tim. c. V. v. 22. wie
hiervon ein guter Jurist dieser Lande vom rechtschaffenen ungefärbten
Christenthum, oder auch nur von einer reinen Moralität (wäre zu wünschen daß
dergleichen noch viel wären) gar nachdencklich geschrieben hat. Quicquid igitur
peccat temere Appellans, id totum suum facit Judex temeritatem illam non
coercens nec impediens; & incidit simul Judex in ista delicta omnia, qui
non impedivit, quod impedire potuit. Ziegl. in Dicast. de offic. Jud. &
Peccat. Concl. ult. §. 11.
|| [14]
(Ailerhand Mittel wieder diesen Mißbrauch.)
§. X. So viel aber die hierzu dienenden special-Mittel betrifft, ist eben nicht
nöthig, sich deren aus denen weitläufftigen Schrifften zu erholen, die von denen
Rechts-Lehrern de abusu appellationum tollendo & remediis contra eundem,
heraus gekommen, und darinnen sie auch insonderheit die Unart der Leute, die
sich dessen zu gebrauchen und allzeit GOtt und der Obrigkeit damit zu
wiederstreben, wie nicht minder den Nächsten zu beleidigen, und unrecht Gut an
sich zu bringen gewohnet seyn, mit mehrern und zwar ursprünglich und in der
Wurtzel selbst vorgestellet haben, vid. interim Hugo. Tract. de Abusu appellat.
tollendo. Latherus de Censu, Zieglerus in Dicast. de offic. Jud. & Pecc.
Concl. ult. Conring. ad Lamp. Part. I. §. 57. soondern man darff nur diejenigen
zu behöriger Anwendung und unverbrüchlichen Execution bringen, welche so wohl in
den allgemeinen Rechten, als Reichs-Satzungen mit reiffem Bedacht und Uberlegung
versehen seyn, und zwar, damit man endlich zur Sache komt, können die
zulänglichsten und füglichsten, bevoraus in diesen Landen, die vor Augen
liegende nimis vagam & laxam provocandi licentiam zu coerciren per L.
36. C. de Appell. regulariter darinnen (Verbietung der
Appellationen.) bestehen 1) daß es so wohl
in jure Civili als Canon. nbgleich in dem letzten erst durch das Concilium
Tridentinum sess. 24. C. 20. de Reform. verordnet, daß keine Appellation von
sententiis oder Decretis interlocutoriis, als welche ohne diß durch die
vorhergedachten Remedia (
(1) a sen. tentiis interlocutoriis.
) meistentheils cessiren; sondern allein von den Definitivis angenommen,
dann auch 2) alle diejenige rejiciret werden, welche in Rechten ausdrücklich
verbothen, und entweder ratione materiae aut formae vel personae oder aus andern
vernünfftigen Urfachen unter die causas non appellabiles (
(2) In causis non appellabili. bus.
) so fern gerechnet seyn, daß propter nudam interpositionem denenselben der
geringste Effectus suspensivus & inhibitivus nicht zugeschrieben,
sondern vielmehr ipsa de receptio vel sententia in contrarium facta aut lata
ipso jure vor null und nichtig gehalten wird, wie dann in denen Rechten viel
dergleichen Casus unter denen dißfalls bekanten Tituln de Appellat. rejic. vel
non. it. quib. app. non licet, & quorum Appell. non recip. auch hin und
her extra ordinem bey den vorfallenden Materien erzehlet, und auch die Regeln
gesetzet worden, daß solcher Appellationen ungeacht der Iudex a quo in der Sache
weiter verfahren könne, oder wie es in jure Canon, so wohl vor als nach dem
Concilio Tridentino von denen frivolis Appellationibus insgemein heisset: Judex
appellatione vel etiam emanata inhibitione aut omni stilo &
consuatudine, etiam immemoriali in contrarium non obstante,
|| [15]
ad ulteriora valeat procedere, in C.
61. X. de Appellat. & in sesl. 13. C. 1. it. in seff. 25. C. 13. de
Regularibus. Massen sich dann auch aus gesunder Vernunfft leicht schliessen
lässet, daß wo man bevoraus in causis summariis, vel quibusvis etiam quae sunt
celerrimae expeditionis oder darinnen damnum irreparabile leichtlich ex mora
erwachsen kan, vel etiam in causis rei judicatae, transactae aut juramento vel
confessione judiciali decisae, it. in sum maniissimus cambialibus,
alimentariis, tributariis, disciplinam publicam aut Politicam concernentibus,
aut contra sententias provisionales, und dergleichen ein anders statuiren
wollen; daraus nichts als die grösten absurda, inconvenientia und iniquitäten
erfolgen, auch der heilsamen Intention, welche durch die prohibitiones und
restrictiones der Appellationen in solchen Fällen die Legislatores geführet,
gantz verfehlet werden würde, worüber sie dann noch dieses wohl betrachtet, daß
die praesumtio allezeit mehr pro judice als pro parte, und wie schon vorhin
angezeiget, der gröste Respect des Judicis superioris vor GOtt und vor der Welt,
wann die Justiz vor allen andern Respecten den Vorzug hat, hingegen lautet es
zum Respect des Judicii oder Collegii recipientis nicht wohl, wann die
Appellation angenommen, hernach aber unter einerley anvertrauten hohen Nahmen,
daß solche nicht anzunehmen, oder nicht zuläßlich sey, erkannt, oder wann auch
zum Exempel propter nudam interpositam appellationem contra executionem rei
judicatae die Justiz illudiret, oder mit derselben so gespielet und gesprochen
wird: daß mit der Execution nulliter verfahren, und solche hinwieder zu cassiren
sey; es wird aber so dann diefelbe denen Judicatis gemäß billig anderweit
vollstreckt. Um welcher Ursachen willen dann auch ferner 3) gantz nöthig ist,
daß der in Rechten((3) Benehmung des effectus suspensivi in etlichen Fällen.)
bekandte Unterscheid zwischen effectu suspensivo & devolutivo, nach
Gelegenheit der Sachen und in gewissen Fällen, wann sie gleich sonst in ihrer
Maasse appellabiles, oder die Appellationes darinnen zugelassen seyn, genau in
acht genommen, und nur der letzte denenselben biß zu Endigung der Sache
zugeleget wird, damit nicht die angeregten inconveni entiae daraus entstehen,
als welche nicht weniger sich dabey ereignen können, und bey dem letzlich
obsiegenden Theils per Reformatoriam der((4) Determinitung einer gewissen summae appellabilis.) abgehende Gewinn nicht so groß, als
andern theils der Schade, oder der leere Ausgang beyder sententiae
confirmatoriae zu achten ist. Damit aber auch in geringen und nicht viel ja
öffters weniger als der Proceß kostet, importirenden Sachen der offtgemeldte
Abusus Appellat. vermieden bleibet; so bedarff es dessen / daß 4) eine summa
appellabilis, wie in
|| [16]
((1) In geringen Sachen Hebung der gravaminum per rescripta) denen Reichs-Satzungen versehen,
und noch durch den letztern Reichs-Abscheid de ao. 1654. die Erhöhung geschehen,
gesetzt würde; oder daß auch 5) da in dergleichen Sachen, quae sunt levis
momenti, oder auch etwa sonsten nur in forma Processus bey den Judiciis
inferioribus verstossen worden, solche nicht erst durch kostbare und langwierige
Appellations Process, sondern nur per viam supplicationis aut relationis an die
Judicia superiora gebracht, und von daraus die Remedirung per ((6) Depositio einer gewissen
Sum̅e in casum suc
cumbentia,) Rescripta weit kürtzerer Zeit, und mit viel wenigern
Kosten erhalten würde. Ingleichen 6) wann die Sache, zumahlen an Seiten des
Appellanten zweiffelhafftig, derselbe vor der Annehmung ein gewiß quantum an
Gelde, also, daß es dessen in casum succumbentiae verlustig ist, Gerichtlich zu
deponiren angehalten wird, wie an vielen Orthen die Oblervanz ist, und auch in
der Römischen Historia beym Tacito Ann. XIV. ((7) Des
Appellirenden theils und dessen Advocaten juramentum
malitiae.) C. 28. die vestigia cum hac ipsa ratione sich finden:
ne sit vacua solutaque poena appellandi licentia. Weiter aber 7) dienet zu einem
general Remedio das Juramentum malitiae, womit bey denen Judiciis Imperii nach
Verordnung der Reichs. Satzungen und der dißfalls abgehandelten sehr
nachdrücklichen formula indistincte alle Appellanten nebst ihren Advocaten ante
recept. Appellat. belegt worden. So sind auch 8) alle temere & frivolae
vel injuste appellantes, so wohl als andere ab initio & in progressu
Procesius vorhergehende und convincirende ((8) Straffe
der boßhafftigen Appellanten / an Leib, Ehre u.
Gut.) maliz mit unnachläßlicher Straffe an Leib, Ehr und Guth, wie solches
gleichfalls der letzte mehr angezogene Reichs-Abschied § und nach dem allen 120.
vermag, die poena corporalis, pecuniaria & infamia und nicht weniger in
denen allgemeinen Civil-Rechten als in L. 6. §. 4. L. 19. C. de Appell. L. 5. C.
quor. Appell. und zwar wie schongedacht ohne Ausnahm der Geistlichen per L. 2.
C. de Episc. audient. verordnet ist, anzusehen. Wie dann auch letzlich 9) wieder
die licentiam convitiandi ((9) Auch derer / die in
ihren Apellationen den Richter erster Instanz geschmähet.) & maled.
temeritatem, womit die Appell. Partheyen und Advocaten besonders den Judicem
primae Instantiae anzulassen gewohnet seyn, dieses als das ordentliche und
bewährteste Remedium coercitionis zu adhibiren, so von Paulo in L. 42. ff. de
Injur. mit diesen kurtzen Worten: Judici ab Appellatoribus convitium fieri non
oportet, alioquin infamia notantur, gantz adaequate gesetzt, auch an sich selbst
von der Billigkeit ist, ut qui alterius (nedum Judicis) famam laedit, ipse famae
dispendium patiatur.
§. XI Weiter und so viel denn 4) bey der Justiz angezeigten und (IV. Miß-) aus der Singularität gewisser Judic iorum
in diesen Landen herrühren
|| [17]
den
Gebrechen concerniret, bestehet derselbe kurtz darinnen, daß die(brauch und Ungrund des inhibition-Proceß in Hoff-Gerichten.) Hoffgerichte vor allen
andern Judiciis dieses besonders und vor sich allein haben wollen, daß sie in
causis Civ. & pecuniariis mit Poenal-Inhibitionen verfahren mögen; und
indem sie keinen Legem allegiren können, wodurch ihnen ein solch Privilegium
oder Jus Prohibendi gegeben worden, wissen sie sich bloß auf eine von langer
Zeit her vermeinte vor sich habende observanz zu beziehen. Weilaber gleichwohl
über dieses was vorhero von dergleichen unlegitimirten Observanzien weitläufftig
gesaget worden, nicht zu sehen, worauf oder in welcher rationabilität sich
dieselbe gründet, oder warum nicht vielmehr löblich und billig, auch dem
gemeinen Wesen selbst zuträglich sey; wann in einem Lande und in einerley
Objectis auch Justiz bey allen und jeden Judiciis gleich durchgehends zu finden
ist; so würde auch zu gantz ungezweiffelter Verbesserung des Justiz-Wesens
dienen, wann es also verordnet und eingeführet, daneben aber nicht weniger
praecavirt würde, daß solche poenal-inhibitiones, so ohnediß in causis civilibus
unter die irregularen zu rechnen, von keinen Judicio, es habe Nahmen, wie es
wolle, nicht eher ergiengen, oder der bekante Processus Inhibitivus ertheilet
würde, es sey dann ein casus inhibitivus oder ein solches factum verhanden, wie
es nicht nur die Rechte in genere also qualificiren, quod nullo modo justificare
possit, sondern auch die Landes-Satzungen und Erledigungen Tit. (von
Justiz-Wesen de ao. 1612. §. 9. und 1661. sub eod. Tit. §. 51. deren viere
specifice und restrictive benennen, als in casu contraventionis 1) contra rem
judicatam vel 2) transactam: violentiae publicae 3) in Personis vel 4) in rebus
commissae, auch, keine andere als diese erzehlte Fälle oder welche sich propter
manifestam injustitiam vel violentiam publicam mit diesen aequipariren, darunter
verstanden haben wollen.
§. XII. Es ist aber eben dieses, daß hierinnen die Hoff Gerichte so(Welcher demnach gäntzlich abzuschaffen.) weit
gehen, der Mißbrauch und die Contraventio Legis, so sich bey denenselben
ereignet, und worüber von Anfang bis zu Ende dieses Seculi fast bey allen
Land-Tägen die Landschafft sich zum höchsten beschweret hat, und der noch
währet, dem aber gewißlich durch kein zulänglich Mittel abgeholffen werden kan,
als wann diese Singularität sowohl propter abusum als usum non fundatum
aufgehoben, und was allen Judiciis gemein seyn soll, denenselben zugestanden
wird. Denn damit ist das Ubel in seiner Wurtzel erstickt, nehmlich der so offt
berührte Privat Gewinn, so dasselbe zeuget und nutriret und um deswillen
dergleichen Inhibitions-Processe erfunden, und so ferne gehäufft werden, daß man
fast aus allen
|| [18]
possessorien Klagen
in summariissimo, ungeacht kein Casus inhibitivus, noch ein solch factum
vorhanden, daß sich nullo modo justificiren liesse, Inhibition-Processe macht,
well sie denen Gerichten mehr sportuln und auch denen Ordinar-Advocaten, indem
sie sich, solche zu extrahiren, einer sonderbahren Geschicklichkeit zu rühmen
wissen, höhere Gebühren tragen; man wolte dann sagen, was Carpz. in Tract. de
Inhib. anführet, daß wegen der auch hierinnen contra leges publicas communes
& Provinciales neu erfundenen, und nicht wenig offt variirenden
Observantien die erkanten poenal-Inhibitiones, unter die Casus pro amicis zu
rechnen wären; welches aber auch nicht billig ist.
(V. Mißbrauch der unter der Larve / ampliandae jurisdictionis, vorgehet.)
§. XIII. Was denn ferner 5) von den Mangel des Justiz Wesens, so aus der
ampliatione jurisdictionis entstehet, zu sagen ist, käme in seiner application
darauf an, wann sich die höhern Judicia in diesem Lande nicht nur gewisse
singularia zuschreiben, sondern auch, was denen Niedrigen zustehet, gleich in
prima instantia mit denselben concurriren, und gemein haben wollen: und dieser
Gebrechen findet sich abermahls, wann man die Warheit bekennen soll, am
allermeiste̅ bey den Hoff-Gerichten. Dann ungeacht denenselben
durch die alte und neue Hoffgerichts-Ordnungen auch andere Verfassungen, u.
beschworne special Instructiones die limites Jurisdictionis weiter nicht, als so
fern sie der Beklagten Schrifftsäßigkeit zum Fundament haben, gesetzet; und
hingegen ausdrücklich & reiterato ohne alle limitation verbothen ist,
daß keine Ambtsassen in erster Instanz dahin gezogen werden sollen; so haben sie
doch von 10. und 20. Jahren her so viel Exceptiones zu machen und solche wiewohl
aus schwachen Gründen, als etwa einer Schrifftsäßigen Mitbelehnschafft, ob
gleich die Causa solche nicht concerniret, auch die special-Instructiones ihnen
hierinnen entgegen stehen, oder einer schlechten ab officio genommen
personal-dignität des Beklagten, ob schon das officium cessiret, und man nicht
weiß, ob er dessen ex culpa vel sine illa erlassen worden, oder auch einer,
wiewohl meistens von denen Advocaten zu etwas mehrern Schein des Rechtens
captirten Connexitate Causarum vel personarum erfunden, oder aus andern etwas
noch verborgenen, doch auch nicht stärckern rationen zu nehmen gewust, daß von
der Regel fast nichts mehr übrig blieben; je mehr sich aber diese Exceptiones
ausgebreitet, also daß sie legem ipsam weit übertroffen, je häuffiger sind auch
die schädliche Effectus darauf erfolget, die doch die Landes-Herren in ipsa
fundatione der Hoff Gerichte mit grossem Fleiß und Sorgfalt vermieden wissen
wollen. Sintemahl aus eben dieser dagegen eigenmächtig erfun
|| [19]
denen Concurrenz mit denen
Ambtsäßigen Gerichten, fast natürlicher Weise nichts anders erwachsen können,
als daß die Jurisdictiones der Aemter nicht nur an sich selbst geschmälert,
sondern auch mit denen höhern Judiciis confundiret worden, und vielerley
Unordnung (aber die auch das gute an sich selbst zu verderben fähig genug ist)
und Zerrüttung bey dem gantzen Justiz Wesen entstanden, und noch zu dem die
allzusehr überhand genommene Proceß-Seuche damit vermehret worden. Weil über der
blossen praevention oder auch der einigen Exception primae Instantiae, so wohl
anderer schlechten Incidentien neue langwierige Proceße in duplo vel triplo auf
die Bahn kommen, die doch das Haupt-Werck gar nicht concerniren, zudem aber
weder Beklagter noch der Judex ordinarius primae Instantiae sich eines
gedeylichen Urthels zu getrösten haben, wann der Judex superior contra
dispositionem & rationes Tit. C. ne quis in causa sua &c. und
zwar ex capite ampliandae jurisdictionis spricht, und der Eigennutz bey dem
Richter und Advocaten den Trieb giebt. Dahero dann alle gute moralische Gesetze
und Rechts-Lehrer eben dieses Capitel de amplianda &c. nicht unbillig
unter die Unächten rechnen, und die darnach folgende Urthel denen Peccatis
Judiciorum zuschreiben (vid. inter alia Ziegl. in Dicast. de off. &
Pecc. Jud. Concl. XI.) wie dann auch, wo sonsten ratio status als der
Justiz-Stieffmutter über dieser Justiz die Oberhand hat und heißt: Vissit
mensura Juris & utilitas justi prope mater & aequi, oder si jus
violetur, pro amplianda potestate violandum est, in caeteris justitiam colas, es
nirgend weder in re politica, vielweniger aber in judiciaria wohl zugehet;
dahero dann auch alle erbaren Heyden nach dem Licht der Natur solches
verworffen, und denjenigen pro hoste naturae & totius humanae societatis
gehalten, qui alteri sui commodi causa detrahit, wie hiervon der Cicero in Lib.
de offic. und sonderlich Lib. II. & III. copiose handelt.
§. XIV. Ubrigens aber und quoad remedium, weil wiederum(Welches als ein Observanzen-Ubel
abzuschaffen.) das observanz Ubel, wie in vielen, also auch in diesen
durch die ampliationes Jurisdictionum bey der Justiz vorfallende Gebrechen zu
einen besondern colore dienen muß, und man pro ratione nichts anders anzuführen
weiß, als die Observanz bringet es so mit sich, und sey vor langer Zeit also
eingeführet, mithin auch gleichsam als eine Possessio vel quasi, si non pareant
legibus & praescriptis superiorum, allegirt werden, welches zwar zumahl
in terminis officii wunderlich gnug klinget, und zu dem Bekäntniß, quod male
adinventa, malaeque consuetudines, neque ex longo tempore, neque ex longa
consuetudine confir
|| [20]
mentur, wie die
Nov. 134. C. 1. fast eben in dergleichen ampliationis materia sagt: so ist um
dieser und anderer oben §. IV. & V. angezogenen Ursachen willen, kein
besser und kürtzer Mittel, als daß auch besonders hierinnen alle eigenmächtig
erfundene Observantien, sie mögen alt oder neu, bekant oder als Wercke der
Finsternüß noch im Verborgenen seyn, gantz abgeschafft und verbothen, hingegen
die Judicia, bevoraus aber die Hoff-Gerichte auf die ihnen vorgeschriebenen
Ordnungen, Instructiones und Fundamental-Verfassungen angewiesen, auch wo es
nöthig mit zulänglicher Schärffe denenselben nachzuleben angehalten werden. Denn
es bleibt nochmahls dabey, daß juxta L. 14. C. de Jud. die observatio legis
& veritatis die einige und beste Observation aller Richter und ausser
dieser keine seyn soll.
(VI. General Anmerckungen / wie die
Richter beschaffen seyn sollen.)
§. XV. Hievon auf etliche generalia und zwar 6) diejenigen zukommen, welche die
personas und andere qualitates, wie auch den Unterhalt der Judiciorum angehen:
so weisen sowohl Göttliche, natürliche als die weltlichen Rechte, daß es so dann
wohl stehet, wann Gerichte und Obrigkeiten mit solchen Persohnen bestellet, die
nechst dem benöthigten, daß sie 1) den Verstand der Sachen und der darauf
geordneten Rechte, auch 2) Treu und 3) Fleiß, (sintemahl in diesen 3. Stücken
als einem wohlgeschlossenen Triangel die Vollkommenheit eines jeden Ministri
bestehet) an sich haben, noch ferner / so viel die Judicia betrifft, nach guter
Jethroischer Art also beschaffen sind, daß sie 4) GOtt fürchten, 5) die Wahrheit
lieben, und 6) dem Geitz (oder dem Geist, der so wohl nach Hochmuth, als Geld
und Gut strebet) feind, und mithin auch von der Capacität seyn, daß sie ihren
vorgesetzten drey Obern, GOtt, ihrem Herrn und dem Gesetze vor allen andern
reine und unschuldige Hände darbieten können, wie es der löbliche Kayser
Justinianus von jeden Richter fordert: Prae omnibus aliis mundas servare Deo,
Principi & Legi manus, in Nov. 17. C. 1. oder nach der Nov 8. c. 7.
administrationem justitiae puris custodire manibus, Deo & Principi, pro
ea semper reddituri rationem. Diesen folgt noch 7) die Bescheidenheit und
Verträglichkeit zu Facilitirung vieles Guten, zumahlen bey denen Judiciis, so
aus unterschiedenen Personen bestehen. Will man aber weiter ad publica gehen, so
ist es auch 8) nach der Heyden Ausspruch tam publice quam privatim wohl gethan,
wann sonderlich die hohen Obrigkeiten mit Wahrheit sagen, und sine ulla flagitii
conscientia aut verborum jurisjurandi per varias artes mutatione GOtt selbsten
darinnen zum Zeugen anruffen können, daß sie ihren Eyd gehalten, dum nihil ope
sua factum, quo quisque laederetur, ne
|| [21]
que se praemium authonorem ex calamitate civium cepisse, wie beym Tac. Hist.
IV. c. 41. stehet. Dan̅ ferner 9) ist es circa disciplinam
publica̅ eine herrliche und wohl temperirte Qualität, wann bey
der Obrigkeit sich findet juste consolans misericordia, & pie saeviens
disciplina, nach des Gregorii Ausspruch dist. 45. C. 9. So sind auch 10) die
folgenden zu einer feinen äusserlichen Gestalt nicht vorbey zu gehen, welche
zugleich die Authoritat als die animam justitiae in jedem judicio erhalten, wie
nicht weniger die Constantiam Judicis an Tag legen; und stehet sehr löblich,
wann der Richter, und sonderlich die Obristen und Directores in denen Judiciis
sich nach denen Regeln und rationibus des Callistrati in L. 19. ff. de offic.
Praes. mit richten' ut in adeundo quidem faciles se praebeant, sed contemni non
patiantur, nam ex conversatione aequali contemtio dignitatis nascitur. In
cognoscendo neque excandescant adversus eos, quos malos putant, nec precibus
calamitosorum inlacrymari oportet; quia non est constantis & recti
Judicis, cujus animi motum vultus detegit. Et summatim ita jus reddant, ut
autoritatem dignitatis ingenio suo augeant. Will man aber die innerliche
Qualität in 2. Worten beschreiben, so ist dieselbe, wie schon mehrmahl gedacht,
omnimoda veritatis & Legum observantia. Dann hierinnen bestehet die
gantze wesentliche Substanz und Vollkommenheit, so wohl der Jurium an sich
selbst, als der Richter und Judicii, sie haben Nahmen wie sie wollen, und so hat
es auch von uhralten Zeiten her gar wohl gelautet: Quod Judices non aliter
Judicialem calculum accipiant, nisi prius sacramentum praestitissent, omni modo
sese cum veritate & Legum observatione judicium esse disposituros, juxta
L. 14. pr. C. de Jud.
§. XVI. Ferner was die Advocaten als personas accessorias anlanget,(Item von der Advocaten)
so ist es zwar an dem, daß dieselben in societate Judiciaria nicht wohl zu
entrathen, und dahero auch fast mehr unter die personas necessarias zu rechnen
seyn, um welcher unentbrechlichen Nothwendigkeit willen(Nothwendigkeit.) ihnen dann auch die allgemeinen
Rechte in L. 14. C. de Adv. div. Jud. ein groß Lob in Militia togata zulegen, ob
gleich sonst ihrer in der Schrifft wenig, und hingegen der Richter mehr gedacht
wird; allein eben die jetztgedachte necessität ist die Mutter der Licenz worden,
die so viel Ubels gebohren hat, daß man schon bey der Römer Zeiten die Eingangs
berührte Klage geführet: quod nihil publicae mercis tam venale sit,(Und Untreue.) quam Advocatorum perfidia, und
dahero auch mit besonderer Sorgfalt auf die Remedirung gedacht hat, wie hiervon
eine gar merckwürdige
|| [22]
(Auch deren Ursache.) Deliberation bey dem Tacito
Ann. lib. XI. c. 5. 6. & 7. zu finden ist. Die wahre Ursache aber ist
wohl einig und allein die unter dem Trieb des Eigennutzes bey vielen erwachsene
Einbildung, als wann sie in ihrer Function an die Gewissens-Regul nicht so
genau, als das richterliche Ambt gebunden, dannenhero siehet man, daß auch die
erbarsten Heyden, und unter andern der Cicero, ob er gleich sonsten in seinen
Schrifften, und sonderlich in Lib de off. (vide inprimis lib. 1. c. 23. seq. l.
2. c. 3.) die Honestät auf den höchsten Grad, und eine solche Probe getrieben,
die man schwerlich bey Christen findet, dennoch als ein Advocat in den
schändlichen Irrthum verfallen, daß er auch eben in L. II. off. C. XIV.
ungescheut sagen darff: Nocentem impiumque defendere, vult multitudo, patitur
consuetudo, fert etiam humanitas, Judicis non est, semper in causis verum sequi,
Patroni nonnunquam verisimile, etiamsi minus sit verum, defendere. Es ist aber
diese Lehre nicht unter den Heyden geblieben, sondern leyder! auch bey den
Christen gar gemein worden, also daß viel Advocaten, wo nicht die meisten, wann
sie sich nicht öffentlich zu diesem Glauben bekennen (wiewohl deren seyn, die
sich nicht schämen, solchen auch im Munde zu führen) dennoch denselben in der
(Menge böser Advocaten.) That ausüben. Dahero kömt es nun, daß aller Orten, und
besonders auch in diesen Landen, über die Vielheit böser und Gewissenloser
Advocaten geklaget, und denenselben die meiste bey der Justiz eingerissene
Verderbnisse nicht ohne gegründete Ursach zugeschrieben, auch vor ein sehr rar
Wildpret gehalten wird / wenn man einen findet, der zugleich Gewissen und
Geschicklichkeit hat, oder mit ernst dahin beflissen ist, daß ihm der Ruhm und
der Lohn in der That und Wahrheit zugelegt werden könnte, welcher an dem
angezogenen Ort geschrieben stehet.
(Leichtes Remedium dawieder /
Erwehlung einer gemäßigten Anzahl geschickter und Gewissenhaffter Ad-)
§. XVII. Allein dieweil es gleichwohl eine so mögliche als nöthige Sache ist,
auch in diesem Stücke redliche Leute zu haben, und zu dem der Mißbrauch den
rechtmäßigen Gebrauch auch niemahls aufhebet, hierüber auch die Rechte nicht
weniger den Advocaten, als den Richtern die Mittel und den Weg zeigen, den sie
beyderseits secundum legem tam justitiae quam veritatis wandeln sollen, wie dann
ihre Pflicht und Obliegenheit eben an dem Orte, nemlich in dem L. 14. §. 1. C.
de Judic. geschriebenstehet, und gleich darauffolget, wo de off. &
juramento Judicum gehandelt, und dazu denen Advocaten fast mehr als denen
Richtern das verum & justum daselbst so ferne inculciret wird, daß sie
nicht nur Anfangs wissentlich keine ungerechte Sache annehmen, sondern sich auch
deren entschlagen sollen, wann sie in progressu litis dergleichen böse Be
|| [23]
schaffenheit wahrnehmen, die ihnen ab
initio unbekannt gewesen, oder(vocaten und derselben Verpflichtung.) verisimiliter pro
justa gehalten worden, weil der löbliche Gesetzgeber wohl gewust daß eben um der
angezogenen irrigen und schändlichen opinion willen sich der gröste Mangel bey
den Advocaten findet: so kan in diesen Landen die Application und Remedirung
leicht fallen, und ist nicht minder, von der wahren und unentbehrlichen
Nothwendigkeit, daß zu jeden, und zuvoraus zu denen höhern Judiciis geschickte
und Gewissenhaffte Advocaten, und zwar in einer gewissen, doch möglichst
eingezogenen Anzahl bestellet, vorhero aber nach diesen beyden
Essential-Qualitäten, und was hierüber die regula modestiae als die dritte, so
zwar zugleich aus der Conscienz fliesset, in L. 6. C. de postul. von ihnen
erfordert, gnugsam geprüffet, und auch darauf so wohl nach dem was die
Gelegenheit eines jeden Judicii besonders mit sich bringet, gantz indistincte
und ohne Ausnahm der graduirten Persohnen verpflichtet werden. Denn es ist nicht
gnug, daß diese von ihrer promotion die praesumtion der Geschicklichkeit in
allen zur Advocatur nöthigen Stücken praetendiren, und daß sie auch schon
vorhero zur Justiz geschworen haben, weil das officium Advocati und auch die
Beschaffenheit und Unterschied der Judiciorum ein mehrers erfordert, und
hierüber bekant ist, wie es bey denen promotionen öffters hergehet, daß man die
angeregte Praesumtion nicht aller Orten dafür halten kan, als wenn sie juris
& de jure so fernewäre, daß sie keine probationem in contrarium
zuliesse, indem die Erfahrung vielmahl bezeuget, daß mancher zu der Zeit nicht
gewust, oder von derselben an vergessen hat, was ein Doctor wissen soll.
§. XIIX. Will man aber weiter in die gesamten Verfassungen bey(Von Verbesserung der gesamten Verfassung bey Justiz-Collegiis.) denen Justiz Collegiis
dieser gesamten Lande gehen, so könte zu dere̅ mercklichen
Verbesserung dienen, daß 1) diejenigen welche temporaria seyn, und nur zu
gewissen auf viertel oder halbe Jahre gerichteten Zeiten sitzen, zu perpetuis
gemacht würden, dann dieses dienet nicht nur zur Beschleunigung und Verkürtzung
der Processe, als woran ein grosses liegt, daß es zu denen ordentlichen Terminen
keine so lange Fristen von viertel und halben Jahren brauchte, sondern auch zu
reifferer Uberlegung der Sachen,(1) Daß sie insgesamt
täglich sitzen und nicht erst in viertel Jahren u. d. g. zu) und
besserer Einigkeit in denen Collegiis, wann zumahl auch die Anzahl dieser
Persohnen, wie unten folget, eingezogen würde, welche sonsten unter vielen und
bevoraus solchen / die theils perpetuirlich, theils aber nur temporaria Membra
seynd, und also nicht gleich vollständige Information von der Sache haben,
schwer zu erhalten ist. So dann wäre auch höchstnöthig, und von Natur der Sache
selbsten, daß 2) in denen Judi
|| [24]
ciis
(zusammen kommen.) von erster und anderer
Instanz nicht einerley Persohnen sässen, weil es wieder die Convenienz und
wesentliche Beschaffenheit der Appellation (2) Daß
nicht einerley Personen in erster und anderer Instanz zugleich sitzen.) läufft, da jeder Appellant billig die
Hoffnung haben solte, daß die iniquitates der ersten Instanz corrigiret würden,
welche sich aber bey angezogener Bewandnüß mercklich vermindert. Und ob zwar
diejenigen so in prima instantia gesessen, sich von selbsten bescheiden solten,
daß sie bey denen in der Appellation vorkommenden Sachen abtreten, und sich des
votirens gäntzlich enthalten, so ist man doch dessen nicht gewiß, sondern muß
vielmehr besorgen, bezeugt auch vielleicht die Erfahrung, daß sie sich noch wohl
als acerrimi propugnatores primae sententiae & illam caeteris quasi
imperantes directo vel per indirectum darbey finden (3)
Daß die Judicia u. Rechts-Collegia nicht mit so viel einander anverwandten Personen besetzt
bleiben.) lassen. Hiernechst wäre dieses 3) nicht minder mit Nach druck
abzustellen, daß die Judicia und Rechts-Collegia nicht mit so vielen einander
anverwandten Persohnen besetzt blieben, wie bey einen und den andern sich anitzo
befindet, da unter denen gelehrten Assessoren (wie man sie nennet) so ausser
denen ordentlichen Terminen, wöchentlich in gewissen Tagen zusammen kommen,
gleichwohl aber weil sie vorhero die gantze Formam und figuram Processus so weit
disponiren, und dirigiren, daß es hernach mehr auf ein Ministerium als
Magisterium sententiarum bey den übrigen, da die andern dennoch auch zugegen,
ankömmet, die wenigsten seyn, welche einander nicht im nechsten Grad der
Blut-Freundschafft oder Schwägerschafft verwandt, oder auch nur einer von dem
andern keine solche moralische dependenz hätte, daß von seinem erheblichen
Wiederspruch ein rechtmäßiger Effect zu hoffen, welches alles, da es gleich
nicht wäre, noch die schädlichen effectus, welche alle Rechte und die gesunde
Vernunfft selbst praesumiret, und wegen menschlicher unordentlicher Zuneigung
und Gebrechen, fast unvermeidlich seyn, dennoch zum wenigsten um den äuserlichen
Schein zu vermeiden, und also Gewissenshalber ab gestellet, ja von denenselben
vermieden werden solte, die aus folcher Connexität ihre vermeinte
Ehren-Autorität und Nutzen ziehen, zugeschweigen, daß es nicht nur in einen,
sondern auch fast in allen vornehmsten Judiciis in Rechts-Collegiis dieser Lande
so beschaffen, daß wenn man die Rechnung machen solte, auf 3. 4. 5. oder mehr
einander befreundte oder auch im einen andern nexu & connexu
reverentiali gegen einander stehende Persohnen die meisten Urthel und
Rechts-Sprüche ankommen, und noch zu dem dieselben nicht nur ein solch
arbitrium, sondern auch so gar das Imperium sententiarum führen, daß ein jeder
Part, wo er sich auch hinwendet, sein gantzes Web und Wohl auf sie gestellet
seyn lassen
|| [25]
muß. Welches billig
nicht seyn solte, und darum auch bey vielen wohlverfaßten(4) Daß keiner / der in Rechts- und Justiz-Collegiis sitzt sich des Advocirens
gebrauchen dürffe.) Republiquen mit Ernst abgestellet ist, damit in
allen Rechts- und Gerichts Handlungen ein jeder seine freye Stimme hat, und
keiner durch das Verständnüß der gefreundten gehindert oder überstimmet wird. Um
einer andern moralischen oder vielmehr contramoralischen Verwandnüß aber, welche
Richter und Advocaten miteinander haben und gleichergestalt nicht viel gutes mit
sich bringet, wäre 4) die Anordnung zu thun, und darüber zu halten, daß keiner,
so in denen zumal höhern Rechts- und Justiz Collegiis sitzt, sich zugleich des
advocirens gebrauchen dürffe, weil es nicht allein infra dignitatem ist, sondern
auch den stetigen Verdacht, und viele Gelegenheit zu dergleichen bösen Dingen
giebet, welchen data occasione das menschliche Vermögen zu wiedersprechen
abermahls zu schwach ist. Nicht weniger bedarff es quoad constitutionem
judiciorum(5) Daß über 4. oder 6. Persohnen zu
einem Collegio oder judicio
nicht admitiret würden.) in personalibus,
da sich die Vielheit derer Persohnen findet, 5) des zwar schon berührten remedii
contra abundantiam, weil durch viel Hirten der Heerde offters nur übler
vorgestanden und gewartet wird, u. wann man nach dem bisherigen Eventu reden
will, so ist durch die beschehene Vermehrung der Persohnen in denen
Rechts-Collegiis der Zustand der Justiz nicht befördert, sondern vielmehr
dieselbe eine mit würckende Ursach derer Dinge worden, so einer andern
Einrichtung gar nöhtig bedürffen. Dahero denn auch wohl so nöthig ferner als
nützlich seyn wird, auf eine solche Mittelmasse zu dencken, daß die überflüßige
Anzahl so wo hl an Räthen und Assessoren, als denen Subalternen bey denen
Judiciis nach Befindung zur Helffte oder Drittentheile eingezogen und aus
denenselben ein solcher Selectus gemacht würde, die denen täglich vorfallenden
Geschäfften sufficient seyn könten. Dann dieses facilitiret nicht nur den
ordentlichen Unterhalt derer Collegiorum bey der Kammer, oder wo sie sonsten
solchen zu gewarten hätten, sondern macht auch offt die Arbeit leichter, und
fördersamer, als wenn sie unter der Vielheit steckt, darzu gleich die
divetsitas, singularitas, ja ipsa etiam perversitas ingeniorum, und das
geflissentliche / ursprünglich aber ex ambitione herrührende studium
cotradicendi vel etiam nonnunquam dicendi inania, den Fortgang der negotiorum
schwerer und langsamer macht, und geschiehet noch zu dem offt / daß sich einer
auf den andern verläst, und also dasjenige nicht oder doch nachläßig thut, was
er sonst vor sich mit besserem Fleiß und Applica ion thun würde. Zum wenigsten
aber ist gewiß, und bezeuget die Erfahrung selbsten, daß wann 3. 4. biß zum
höchsten 5. oder 6. Persohnen täglich sitzen und treulich an einem Strange
ziehen, oder ein
|| [26]
ander jedesmal mit
Verstande, Treu und Fleiß, auch besonders mit Verträglichkeit und Gedult
beytreten / sie nach Gelegenheit dieser Lande zuvoraus in rejudiciaria als die
ad Legem Justitiae & veritatis würden angezeiget, gantz genau, wo es
sonsten recht zugehet, da jeder seines Rechts versichert seyn soll, man an
nichts gebunden ist, viel gutes ausrichten und es so weit bestreiten können, daß
nicht leicht etwas biß auf den andern und dritten Tag übrig bleibt.
(Von Abschaffung der Sportuln / und zulänglicher Besoldung
der Richter und Advocaten.)
§. XIX. Allein so viel letzlich die Confervation und den Unterhalt der Judiciorum
in diesen Landen betrifft, so ist es wohl das vornehmste Stück, welches
dieselben aus denen angezeigten Mängeln in ihren behörigen Wohlstand und
Verbesserung setzen kan; dann weil wir schon zu mehrmahlen gedacht, daß alles
bisherige Ubel von dem uneingeschränckten Eigennutz der Richter und Advocaten in
Abforderung, auch Erhöhung und Vermchrung der Sporteln und Gebühren entstehet,
und demselben wohl meistens, wo nicht einig und allein die Vielheit,
Verlängerung, und eine folgliche Kostbahrkeit der Processe zuzuschreiben, gleich
wohl aber auch nicht zu leugnen ist, daß solche Dinge zu den ordentlichen
Salariis oder praemiis der Richter und Advocaten, wiewohl in ihrer determinirten
Masse zeithero gerechnet, nunmehro aber billig heisset; quod vitiis praesertim
praevalitis & adultis ante omnia fomenta sint detrahenda, so können wohl
die vorhergehende Remedia zu verbinden, und unter solcher Verbindung zu ihrem
abgesehenen Zweck zubringen, keine zulänglichere Mittel gefunden werden, als daß
wann die Judicia ihre vorhergedachte gute Consistenz haben, und mit Richtern und
Advocaten nach denen angezogenen Qualitäten besetzt seyn / beyde mit
auskömlicher und ehrlicher Besoldung jährlich versehen, hingegen aber alles, was
Sportuln und Gebühren heist, eingezogen, oder ad dispositionem L. Cinciae
lediglich gebracht wird. Solte es aber ja etwa darum nicht vor möglich oder
practicirlich gehalten werden, weil man meinte, daß doch eins theils auch
praemia extraordinaria virtutum bey Richtern und Advocaten seyn, andern theils
aber der pruritus litigantium mit den Aufwand der Unkosten von Anfang biß zu
Ende des Processus compesciret werden müsse, so wäre gleichwohl zum wenigsten,
um des Mißbrauchs willen es also zu verordnen, daß die Sporteln der Richter und
Advocaten nicht nach dem bißherigen unbeschrenckten Schattenwerck über der
lediglichen forma und figura, und vielen dabey unnöthig vorfallenden, oder
vielmehr erfundenen incidentien (daher meistentheils auch die unzehlich leeren
Interlocute entstehen), auch nicht so wohl nach importanz der Sachen, wie
hiervon
|| [27]
die Cammer-Gerichts-Ordnung
de a. 1495. §. 16. disponiret, sondern vielmehr nach den wahren wesentlichen
Substantialien des Processus, wie sie die natürliche Rechte und die gesunde
Vernunfft an die Hand geben, dergestalt eingetheilet würden, daß zum Exempel die
Partheyen gehalten wären, und zwar 1) der Kläger allein ein weniges bey
angestelter und angenommener Klage, hernach 2) beydes Kläger und Beklagter etwas
mehrers nach beschehener Antwort, dann 3) noch ein mehrers nach vollführten
Beweise, das meiste aber 4) wenn das End-Urtheil gesprochen, und in rem
judicatam ergangen, mithin auch 5) es zu dem endlichen Effect, oder ad
executionem rei judicatae kommen wäre, zu erlegen gehalten, der Sachfällige
Theil aber, wann er nicht probabilem causam litigii vor sich gehabt, in die
restitutionem des gantzen Aufwands condemniret, und die Execution gleich darauf
vollstrecket, im wiedrigen aber ein jeder Theil das Seinige zutragen angewiesen
würde, wobey man dann billig praesupponiret, daß der Judex sowohl in angeregter
Eintheilung, nach denen partibus processus substantialibus &
necessariis, als in endlicher determination des gantzen quanti sich also zu
verhalten hätte, daß er nach Erwegung der Sachen Schwer- und Wichtigkeit auch
der Mühe, welche dieselbe erfordert, sich allezeit als ein justus &
aequus moderator & taxator sumtuum litis erwiese, und es wie sonsten,
also auch in diesem Stück auf keine aequitatem cerebrinam hinaus lieffe,
wiewohl, weil der Mißbrauch hierinnen zu verhüten kaum möglich ist, es am besten
wäre, wann es bey dem nechst vorhergehenden Remedio verbliebe, und gegen
verordnete ehrliche und auskömliche Besoldung alle Accidentia von Gerichts- und
Advocaten gebühren abgeschaffet würden, als die auch in ihrer Natur &
qua sunt accidentia von der Substanz der Sache gar wohl seyn können, und zu dem
dergleichen Versehung vormahls im Reiche per Ord. Cam. deao. 1500. tit. 9.
geschehen.
§ XX. Hievon aber 7) auf die Formalia oder diejenigen Remedia(VII. Das 1. allgemeine Remedium
voluntarium die Processe zu kürtzen.
Versuchung der Güte.) zu kommen, die zu Verkürtzung des processus und
Absch neidung vieler Formalitäten, mithin auch der daraus entstehenden
unsäglichen Kosten dienen, so seynd in Rechten bereits folgende und zwar
persuasibilia & voluntaria versehen, und ist sich auch, wann die Judicia
angeführter massen bestellet, von deren eigenen Zuneigung Hoffnung zu machen,
daß sie erstlich gleich bey den ersten Angriff der Sache und auch wohl nach
Befindung in media & quavis parte processus, wie es der jüngste
Reichs-Abschied de ao. 1654. ausdrücklich vermag, nach dem sie von denen meritis
causae die benöthigte summarische Information erlanget haben, die
|| [28]
gütlichen Handlungen und Vergleiche
zu Verhütung der Geld, Zeit, ja das Christenthumb selbst fressenden Processe
angelegentlich und mit Fleiß, doch nicht weniger nach Anleitung des jetzt
allegirte̅ Reichs-Abschieds mit guter Bescheidenheit pflegen,
daß zu gleich auf die justitiam causae gesehen, und der Gerechte dadurch nicht
beschweret, dem Ungerechten aber übergeholffen werde, da sie dann auch mit
mehrer Zuverläßigkeit den endlichen Zweck hierinne erreichen, wann diese
Partheyen um der Judiciorum angezogener guter Beschaffenheit willen, desto
grössere Zuversicht haben können, daß es mit ihnen auf solche Masse Christlich,
wohl und billig gemeint sey, und dahero auch desto eher zur Einigkeit
incliniren, wie groß auch vorhin der Haß und Bitterkeit gegen einander gewesen,
und je seltener es in der That und Wahrheit übereintrifft, was man insgemein
sagt: daß man der Sachen Feind, der Persohn Freund seyn wolte Und weil dann auch
in den gemeinen Civil Rechten um eben diesen. Effect durch hierzu dienende
Persohnen desto eher zu verrichten, gantz heilsamlich versehen, daß ad
amicabiles compositiones nebst den weltlichen zu gleich geistliche Richter
gezogen werden sollen, wie solches in der Auth. Si vero contigerit C. de jud.
disponiret, und zu dem aus der Historie bekant ist, was bey den alten redlichen
Teutschen, da sie gleich noch unter dem blinden Heidenthum gestanden, das
sacerdotium gentile in componendis vel in decidendis litibus vor einen Valor
gehabt, de poenis vid. Tac. de Mor. Germ. c. 7. add. Myler. Archol. c. 16. (zu
geschweigen, was die Schrifft Deut. 17. v. 9. & 12. hiervon sagt, weil
es nunmehro mit der Verfassung weltlicher Gerichte eine andere Bewandnüß hat;)
so würde nicht undienlich seyn, sondern zweiffels ohne den angeregten guten
Effect zu Christlicher Einigkeit, so wohl zu Erspahrung der Zeit und Kosten, die
man sonst zu GOttes und des Nächsten Dienst anzuwenden schuldig, desto mehr
befördern, wann dergleichen Adjunction von geistlichen bey den weltlichen
Judiciis sonderlich in Anfange, und so lange noch die Sache in terminis
amicabilis compositionis versiret, zur observanz gebracht, und zum wenigsten
nach Befinden jedes Parts Seelsorger mit adhibiret würde. Es ist aber zu
beklagen, daß die gütliche Handlung in denen höhern Judiciis dieser Lande / ob
sie gleich durch offt wiederholte gute Gesetze und Landes-Ordnungen mit Ernst
darauf gewiesen seyn, und auch anfänglich die Termine zur Güte und Recht
jedesmahl, ja bey dem Hoff Gerichte gewisse Assessores und Advocaten in jedem
Termine niedergesetzet und verordnet seyn, und noch zu demselben solches vor
andern in denen Erledigungen de ao. 1661. Tit. von Justiz-
|| [29]
Sachen §. 15 unter einer
wohlbedachten masse, injungiret ist, dennoch fast gäntzlich unterlassen, und
ausser Augen gesetzt oder doch nicht mit behörigem Fleiß und Eifer getrieben
werden, ja wohl bey itzterwehnten Judiciis Curiae von denen 40. Jahren her, da
die letzte Versehung disfalls geschehen, zum wenigsten daran gedacht worden ist.
§. XXI. Dafern aber die Partheyen, um der zumahl gleich Anfangs(Das 2. Mittel / willkührlicher Schieds-Richter
Erwehlung.) zum Streit mehr verkehrten Sinne, oder auch der von
glücklichen Ausgang der Sache in Stande Rechtens ihnen von eigennützigen
Advocaten beygebrachten persuasionen willen, nicht dahin zu bringen seyn, dem
Process so fort durch gütlichen Vergleich seine Endfchafft zu geben; so ist der
2. und nechste Grad, daß dieselben nach Möglichkeit veranlasset werden, daß sie
den endlichen Ausspruch der Sache ad arbitrum vel arbitratum tertii oder
willkührlich erwehlten Richter stellen, geschiehet auch wohl eher, daß durch
solche Veranlassung von denenselben ein oder ander Membrum aus dem
Justiz-Collegio selbsten einmüthig erwehlet würde̅, die dann, wann
es so weit gebracht ist, gute Gelegenheit haben, die Gemüther der Partheyen je
mehr und mehr zu besänfftigen, und wo nicht gar noch vor dem Ausspruch Rechtens
zu vereinigen, doch zu desto williger Aufnehmung desselben vorläuffig zu
disponiren.
§. XXII. So aber auch dieses Mittel nicht anschlagen will, so komt(Das 3. Mittel, durch willkührliche Losse.) es 3.
ad abitrium sortis, zumahl in zweiffelhafftigen Sachen und seynd zudem etzliche
so beschaffen, daß Menschlicher Verstand nicht zu reichet, denenselben einen
andern Ausschlag zugeben, sondern müssen es dem göttlichen Willen anheim
stellen. Dahero dann auch die Schrifftrecht sagt, daß Loß stillet den Hader, und
Augustinus beschreibet es in seiner vollkommenen Substanz, daß es sey: Judicium
in humana dubitatione divinam voluntatem indicans, in c. 1. C. 26. qv. 2. adde
l. 3. pr. Cod. Comm. de Legat.
§. XXIII. Letzlichen aber und wann dieses nicht verfänget, die Partheyen(Das 4. Mittel / willkührliche Einschränckung der
Proceße durch Compromisse.) vom Streit
abzuhalten, oder auch in allen Sachen sich nicht füglich appliciren lassen will,
so hat ein jedes Judicium 4) darauf zu dencken, und ihnen alle diensame
Remonstrationes zuthun, daß mit ihrem gutem Willen die Processe durch
Compromissa eingeschränck et, und nur auf die Substantialia Processus gesehen,
bey jedem aber der modus und die Zeit so kurtz gefasset wird, als es immer seyn
kan, und die qualitas causae nur leiden will, da sich denn öffters auch in
Progressu die Mittel zur glücklichen Beylegung leichter geben.
|| [30]
(Das allgemeine Remedium coactivum
die Processe zu kürtzen / daß alle causae civiles in 3. Jahren geendiget werden.)
§. XXIV. Und so weit erstrecken sich die remedia ad componendas vel coarctandas
lites persuasibilia & voluntaria, haben auch in den natürlichen Rechten
ihren gar guten Grund; weil man es aber also ob conditionem humanam in Foro soli
regulariter dabey bewenden lassen muß, auch wieder die Natur der Güte selbst
streiten würde, wann man einen ausser gewissen Fällen, die intuitu publici vel
ad evitandum majus malum von der Regul ausgenommen seyn, dazu zwingen wolte, so
ist nunmehr auf das letzte Remedium zu dencken, welches so wohl vi coactiva als
directiva Legis civilis vel provincialis die Mängel und Gebrechen, die sich
circa formalia des Processus ereignen, und die so schädliche Verlängerung und
eine folgliche Kostbarkeit nach sich ziehen, abzuhelffen zulänglich und
practicirlich seye. Es braucht aber hier, gleich wie in allen sowohl
vorhergegangenen, als folgenden Remediis ad sanandas & abbreviandas
lites wiederum keines neuen Gesetzes, sondern nur dessen, daß, was hierunter so
wohl in den gemeinen Käyserlichen Rechten, als Reichs- und Landes-Satzungen
versehen, zu richtiger und unverrüchlicher Observanz citra omnes
interpretationes & cavillationes Legum sophisticas, wie sie in L. 12. §.
3. C. de aedif. priv. genennet werden, gebracht wird. Und weil dann bereits in
itzt angezogenen gemeinen Civil-Rechten, besonders in den bekanten L. 13. pr.
& §. 1. C. de Jud. heilsamlich, und eben aus dem intuitu salutis Reip.
welches bedachten Ursachen, damit die Procefle verkürtzt werden, & ne
lites fiant immortales versehen, daß alle causae civiles personales &
reales innerhalb 3. Jahren zu endlicher und völliger Erörterung gebracht werden
sollen; so ist nicht abzusehen, warum nicht auch in diesen Landen solch spatium
triennii allen ordinar und Civil Processen praefigiret, und auch die Eintheilung
solches spatii nach denen eigentlichen substantial Stücken des Processus
gemacht, und jeden als der Klage, Antwort, Beweiß, Urthel, und dessen Execution
eine gewisse Frist bestimmet werden könte, damit es zum wenigsten soweit in der
Regel bliebe, und keine dilationes ohne erhebliche und bey gebrachte Hindernüsse
gestatten, die gäntzliche Erörterung des Hauptwercks aber intra metas dicti
Triennii, als welches auch ad certas dandas dilationes zulänglich, unverrückt
und ohnverlängert erhalten, hingegen aber denen causis summariis, sowohl
civilibus als criminalibus & Ecclesiasticis eine kürtzere Zeit, und nach
Gelegenheit derselben ein oder 2. Jahr oder sonderlich in criminalibus &
inquisitoriis weniger gesetzt, und die Eintheilung wiederum secundum illa
necessaria & substantialia Procesius, quae sunt juris naturae
proportioniret würde.
|| [31]
§. XXV. Dieses alles ist nun so möglich als leicht, daß auch jeder(Dieses ist so möglich als leicht / wenn nur die Richter
und Advocaten es nicht hindern.) Sache, sie sey so schwer und intricat
als sie wolle, ihr völliges Vergnügen, so wohl in cognitione &
dijudicatione binnen solcher Zeit zum wenigsten in regula (daran aber keine als
nur diese Exceptiones zu machen, welche unvermeidlich seyn, und e. g. ex
calamitate publica vel interventione absentiae longinquum honestae &
necessariae partium &c. entstehen) geschehen kan, wann nur Richter und
Advocaten das ihrige treulich und gewissenhafft, ohne alle andere zum Eigennutz
oder dergleichen führende privat Absichten thun wollen. Dann an denen Partheyen
liegt das wenigste, weil keiner so verzweiffelt böse ist, daß er um nur seinem
Gegentheil zu schaden oder zu kräncken, den rechtlichen Ausgang in condemnatoria
vel absolutoria nicht lieber in kurtzer als langer Zeit wünschete.
§. XXVI. Inmassen denn auch die Möglichkeit sich daraus zeuget,(Und wenn die vielen Interlocute
abgeschafft auch die Sportuln anders eingerichtet
werden.) was an benachbarten Orthen, Republiquen und Königreichen, e.
g. in regno Daniae geschiehet, und gantz heilsamlich geordnet ist; und ob zwar
auch dieses gewiß ist, und ein jeder leicht schliessen kan, daß alle Processe in
dieser Zeit oder ad metas triennii vel minoris spatii zubringen, eine wahre
Unmöglichkeit bleibet, so lange als die bisherigen viele und unzehliche
Sententiae interlocutoriae oder Bey-Urthel währen; so ist doch nicht weniger
ausser allen Zweiffel zustellen, daß es so dann leicht und möglich fallen wird,
wann solchen Bey-Urtheln die vorherbedeute abhelfliche Masse und Ziel gesetzt
ist. Ja es wird die Facilität, die Processe in diese Enge zubringen, gantz
unfehlbar seyn, und sich von selbst zeigen, auch alle redliche Richter und
Advocaten, so viel man deren nöthig hat, aus eigenem Trieb desto schneller und
gewisser zum Ende eilen, wann gleichfalls angezeigter massen beydes Richter und
Advocaten mit ehrlichem Unterhalt versehen, hingegen aber alles was Gebühren und
Sportuln heist, wo nicht gäntzlich abgeschaffet, doch nach den wahren und
wesentlichen Stücken des Processes regulirt seyn, und gemäßiget wird, weil man
dieses ob wohl caeteris paribus um vieler Ursachen und Umstände willen wohl vor
das unbetrüglichste und bewährteste Mittel halten muß, wodurch die so weit
eingerissene und um sich greiffende schädliche Process-Seuche zu tilgen, und aus
der Wurtzel zu heben ist.
§. XXVII. So viel die letzlich 8) Eingangs berührte vier allgemeine(IIX. Vier Mittel, die vier Verderbnissen der Ge-)
Perversitates Judiciorum, als die Furcht, Liebe, Haß und Begierde, (nehmlich
nach Ehre oder Geld) und dawieder dienende Remedia betrifft, so seynd zwar die
Affecten an sich selbst und in ihrer abstraction von denen Objectis gantz
indifferent, und weder gut noch böse zu nennen, in der
|| [32]
(richte zu rilgen.) Application aber nehmen sie
die erste oder andere Beschaffenheit an sich, gleichwie die Wasser, die an sich
selbst schlecht und indifferent seyn, das Gute oder das Böse, die Reinigkeit
oder die Unreinigkeit an sich ziehen, von der Qualität der Oerther, dardurch sie
fliessen. Denn wenn man hier ad materiam substratam judiciorum gehet / so ist
wohl bey der Justiz nichts edlers, kan auch niemahls besser zugehen, als wann
der Richter 1) GOtt fürchtet und allezeit bedenckt, daß GOtt in der Stunde, da
er andere richtet, wiedernm nachdem er Recht und Unrecht spricht, das Belohnung-
oder Straff-Urthel über ihn fället und es auch unnachläßlich zu seiner Zeit
vollziehen wird juxta Sap. 6 Daherschliesset die Schrifft gantz bündig und wohl;
drum ihr Richter richtet recht, und laßt die Furcht des Herrn über euch seyn.
Ferner 2) wann er die Wahrheit liebet, als der Justiz einige und beste Freundin,
die andere aber alle ausschliesset, und ob sie gleich so ferne blind, dennoch
auch so subtil ist, daß sie andere, bevoraus aber ihre starck competirende
Stieff-Schwester rationem status so wenig neben sich leiden kan, als das sehende
Auge das kleinste Sandkörnlein, und darum saget Cassiodorus von solcher
rechtschaffenen Blindheit gar wohl: Justitia non novit patrem, non novit matrem,
veritatem novit, Personam non accipit, Deum imitatur. Dann 3) wann er des Rechts
begierig ist, und einig und allein darnach strebet, hingegen aber 4) den Geitz
und zumahl alle verführische Geschenck und Gaben, die auch bezeuge der Schrifft
die gerechtesten Richter zu verblenden, oder wo es möglich, auch die Justiz
selbsten in ihrer nur gedachten wohlanständigen Blindheit zuverkehren gnugsam
seyn, hasset und meidet.
(Nemlich Furcht / Begierde / Haß / und Liebe.)
§. XXIIX. Allein es werden diese Affecten böse, und eben zu den 4. Quellen,
daraus alle trübe Wasser der Ungerechtigkeit fließen, wann sie in der
application bestehen, und die heßliche Gestalt an sich haben, wie sie besage
canonischer Rechte cap. 78. C. 11. qu. 3. mit kurtzen determiniret und
beschrieben worden. Quatuor modis pervertitur humanum judicium. Timore, dum metu
potestatis aiicujus veritatem loqui pertimescimus: Cupiditate, dum praemio
animum alicujus corrumpimus: Odio, dum contra quemlibet adversarium molimur.
Amore, dum amico vel propinquo complacere contendimus.
(Dreyerley Straffen ex jure Civili.)
§. XXIX. Gleichwie aber auch ein jeder Richter, der sich in dieser Sudelpfitzen
vertiefft, oder nur durch eine und andere einnehmen läst, sich an dreyen
versündiget, und unrecht thut, nemlich an GOtt, dem Nechsten und sich selbst,
also haben so wohl die Civil als Canonischen
|| [33]
Rechte, damit man endlich auch auf die remedia dieser allgemeinen
Corruption in möglichster Summa kommt, dreyerley weltliche Straffen darauf
gesetzt, als daß er 1) seiner Ehre, die er vornehmlich von GOtt hat, als famae
suae prodigus & proprii persecutor honoris enisetzet, 2.) seines Ambts,
welches er so gröblich geschändet, verlustig seyn, und dann 3) dem
Unrechtleidenden Parth, welchen er hierdurch um das seine gebracht, den Schaden
wieder ersetzen, und der höhere auch destomehr, und unnachläßlicher gestrafft
werden soll. Wie hiervon das Jus Civile in dem bekannten Tit. C. de poenis Jud.
q. mal. jud disponiret, und nicht weniger dreyerley Straffen, als die
perditionem causae, amissi. onem honoris, & restitutionem damni in L. 1.
& auth. subseq. h. t. wieder denjenigen gesetzet hat, der den Richter
durch Gifft und Gaben auf seine Seite zubringen trachtet.
§. XXX. Weil aber dasjenige, was dißfalls in jure Canonico(Mit welchen das Jus Canonicum
übereinstimmet.) und besonders in Cap. 1. de sent. & re judic.
in 6to. versehen, um der convenienz willen, die es in diesem passu hat, und
indem sich zugleich auf das jus civile beziehet, wohl werth ist, daß es zum
Beschluß dieses unvorgreifflichen Bedenckens integre mit einer wenigen Zugabe
anher gesetzt wird. So lauten die Worte des Innocentii IV. merckwürdig also: Cum
aeterni tribunal Judicis illum reum non habeat, quem injuste Judex condemnat,
testante Propheta; Nec damnabit eum cum judicabitur ille. Caveant Judices,
& prudentes attendant, ut in causarum processibus nil vindicet odium
& favor usurpet, timor exulet, praemium aut exspectatio praemii
Justitiam non evertat, sed stateram gestent in manibus, lances appendant aequo
libramine ut in omnibus, quae in causis agenda fuerint, praesertim in
concipiendis sententiis & ferendis prae oculis habeant solum Deum:
illius imitantes exemplum, qui querelas populi tabernaculum ingressus ad dominum
deferebat, ut secundum ejus inperium judicaret. Si quis autem judex
ecclesiasticus ordinarius aut etiam delegatus famae suae prodigus &
proprii persecutor honoris contra conscientiam & contra justitiam in
gravamen partis alterius in judicio quicquam fecerit per gratiam vel per sordes,
ab executione officii per annum noverit se suspensum ad aestimationem litis
parti, quam laeserit nihilominus condemnandus. Sciturus quod suspensione duranta
damnabiliter ingesserit se divinis, irregularitatis laqueo se involvat, secundum
canonicas sanctiones, a qua non nisi per summum Pontificem poterit liberari
salvis aliis constitutionibus (scil. Juris Civi
|| [34]
lis in d. t. C. de poen. Jud. q. mal.
jud.) quae judicibus male judicantibus poenas ingerunt & infligunt;
Dignum est enim, ut qui in tot praesumit offendere poena multiplici castigetur.
(Noch ein locus parallelus ex Jure
Civili.)
§. XXXI. Nur ist noch billig hinzuzuthun, was der löbliche Keyser Iustinianus in
dem L. 14. C. de Jud. sagt: Judices attendentes ad Sacro-Sanctas Scripturas,
& Dei praesentia consecrati, ex majore praesidio lites diriment;
scituri, quod non magis alios judicant quam ipsi judicantur, cum etiam ipsis
magis, quam partibus terribile sit judicium, siquidem litigatores sub hominibus,
ipsi autem Deo inspectore adhibito causas proferunt trutinan das.
(Das allervornehmste Mittel ist die Gottes-Furcht.)
§. XXXII Woraus man siehet, daß alle Christliche Regenten ihren verordneten
Judiciis die Furcht GOttes, als dessen Bild sie selbsten an sich getragen, zum
Grunde und zur richtigen Regul und Richtschnur ihres Verhaltens gesetzt haben,
dann diese ist die Summa und wohl das einige und bewertheste Mittel, wieder alle
vorher angezeigte corruptelen, und welcher Richter nach dieser innerlichen
Bildung nicht beschaffen ist, der hat auch kein Gewissen, wer aber kein Gewissen
hat, ist geschickt genug alles zu thun, und kan ihn auch keine äusserliche
Straffe oder Gegen zwangs-Mittel, wie groß es auch sey, vom bösen so fern
abhalten, daß er nicht allezeit die Hoffnung haben solte, sich mit List oder
Gewalt, wann er zumahl in einen höhern Grad stehet, auchdurch das wiedrigste
Glück und Fatum daraus zu wickeln, welches denn auch so lange wehret, als GOttes
Langmuth, oder auch seine unerforschliche, doch allezeit heilsame und gerechte
Gerichte und Verhängniße in zeitlichen Dingen sich erstrecken.
(Beschluß dieses Bedenckenz.)
§. XXXIII. Und damit gehet dann auch dieses unvorgreifliche Bedencken über den
gegenwärtigen Zustand des Justiz Wesens in hiesigen Landen und dessen künfftigen
Verbesserung zu Ende, unter der schließlichen und richtigen Contestation, daß
wie es aus einfältigem, reinen und guten Hertzen in die Feder geflossen, also
auch zu niemands Beleidigung, sondern allein zur Ehre GOttes, und treuen Dienste
des Nechsten, zuförderst aber dem puplico zum besten angesehen, auch dardurch
keinen etwas benommen sey, der mit mehrern und reiffern Bedacht von der Sache zu
reden oder zu schreiben weiß.
|| [35]
II. Handel. Unterscheid zwischen der Vi publica oder Srassen-Raub und sonst
andern liederlichen Händeln aus der Strasse.
§. I.
GLeichwie ein Advocate, der nicht seinen Grund in der Theorie(Nutzen wenn man in Jure die praxin und Theorie mit
einander conjungiren kan.) wohl gelegt,
mehrentheils in Rabulismum zu verfallen pfleget; Also halte ich dafür, daß es
einem Lehrer grossen Nutzen schaffe, wenn er sich vorhero oder bey dem Anfang
seines Lesens etwas in paxi Advocando versuchet hat. Ist er so geschickt, daß er
beyde officia zugleich continuiren kan, so ist er für desto klüger zu halten;
denn insgemein sind diese beyde Aemter so beschaffen, daß, weil sie mit solchen
Verrichtungen zu thun haben, da die eine die andere gar offt zu hindern pfleget;
ein jedes davon einen gantzen Menschen requiriret. Zu geschweigen da das
Lehr-Amt sich mehr passive aufführen kan, als der Advocaten-Stand, der eine
grosse Activität erfordert. Meinen Genium betreffend, bin ich jederzeit mehr zu
lehren geneigt gewesen, als zu practiciren, ob es mir gleich nicht übel
gefallen, wenn ich die wenige Zeit meiner praxeos erfahren, quod sit aurea
praxis, und daß einen nicht allein die gemeinen Leute sehr veneriren und ehren,
sonderlich wenn man gantzen Bauerschafften wieder ihre Junckern bedienet ist,
sondern auch daß die praxis vielmehr Gelegenheit gebe, sich bey Hoffe bekannt zu
machen, als die Theorie. Ich wolte aber doch nicht viel Geld davor genommen
haben, daß ich in meiner Jugend mich nicht zugleich etliche Jahr in praxi
exerciret, weil mir dieses exercitium unter andern auch darinnen genutzt, daß
ich meinen Feinden und Lästerern das Maul stopffen können. Ein Specimen von
meiner Leipziger(Gelegenheit zu gegenwärtigen
Handel.) praxi habe ich bey Anfang des ersten Theils ausführlich erzehlet:
Ob ich nun wohl, da ich mich nach Halle zu wenden gezwungen war, die praxin
schon einige Zeit her aufgegeben hatte, und also nichts weniger intendirte, als
in Halle einen Advocaten abzugeben, so geschahe es doch, daß da ich nur etliche
wenige Monate allhier in Halle Anno 1690. gewesen war, durch die Brüderschafft
der Halleute, die nach der vulgare̅ Redens-Art Hallorum pflegen
genennet zu werden, per deputatos ersucht ward, einem von ihren confratibus die
defension zu führen, dem allbereit die tortur
|| [36]
war zuerkennet worden, und der aus Armuth nicht in dem Stande wäre,
sich einen Advocaten zu halten. Ich hatte eben damahls nicht viel zuthun, und
die regulae prudentiae riethen mir, wegen der etwa unten zu meldenden
Umbständen, diese sich selbst anbiethende Gelegenheit / der löblichen
Brüderschafft ihre bonne grace mit einer geringen Mühe ehrlicher Weise zu
erwerben, nicht aus Händen gehen zu lassen, und offerirte mich also, ihrem
Begehren, so viel als die Rechte zuliessen, zu willfahren; und als ich die Acta
zu sehen bekam, befand ich die Sache in folgendem Zustand.
(Summarischer Inhalt des streitigen
und zweifelhafften Handels.)
§. II. Der Casus ware in so weit richtig: Anno 1690. im Monat Majo hatten sich
zwey Hällische grosse Schüler Abends zwischen 9. und 10. Uhr mit zwey
liederlichen Huren auf der Land Strasse veruneiniget, und waren in ein
Handgemenge gekommen, daß sie sich mit einander geschlagen und die Weibs
Persohnen zur Erden gerissen hatten. Diese hatten ein paar nicht weit darvon
sich befindende Hallorum zu Hülffe geruffen, die die Weibs-Persohnen auch von
denen Schülern wieder loßgemacht, und diesen Gelegenheit gegeben, daß sie denen
Schülern ihre Hüthe und Mäntel mitgenommen. Nur darinnen war die differenz. Die
Schüler gaben vor, sie wären von den Weibs-Persohnen attaquiret worden, weil
sie, die Schüler, da jene sie mit Worten gegrüsset, nicht gedancket / worauf die
Menscher gescholten, und sie dergleichen wieder gethan, darauf diese den einen
Schüler schlagen wollen, und da der andere ihm hätte wollen zu Hülffe kommen,
hätten die Menscher die Hallorum geruffen, und diese hätten also nebst den
Menschern nicht allein die Schüler geschlagen, sondern auch denen Schülern die
Mäntel &c. genommen, und selbige den Huren gegeben, welche sich auch mit
denen Sachen davon gemacht. Die Hallorum hingegen sagten: die Schüler hätten den
Menschern auf der Strasse Unzucht zugemuthet / auch da diese ihnen wegen dieser
Zumuthung lose Worte gegeben, sie mit Gewalt nieder gerissen und gleichsam
nothzüchtigen wollen; da denn die zu Hülff geruffene Hallorum die
Weibs-Persohnen retten helffen; Sie hätten auch die Schüler nicht beraubet, noch
berauben helffen, sondern bey der Schlägerey wären den Schülern die Mäntel
entfallen, und die hätten die Weibs-Persohnen selbst aufgehoben, und inzwischen
entweder als eine satisfaction wegen der an ihnen auf öffentlicher Strasse
verübten Gewalt, oder gleichsam als ein Unterpfand mit genommen, weil sie die
Schüler nicht kannten, damit sie die Schüler, nemlich bewogen würden, bey
Widerforderung ihrer Mäntel sich zu melden, und sie die Weibs-Persohnen sich
so
|| [37]
dann an ihnen wegen der
zugefügten Gewalt auf der Strassen bey denen Gerichten erhohlen könten. Die
Weibes-Menscher waren nicht vorhanden, sondern man hatte nur die zwey Hallorum
erfahren, und die saßen im Gefängniß und wurde die Sache untersucht.
§. III. Damit ich aber auch die Sache etwas umständlicher vorstelle,(Deutlichere Erzehlung des Handels. Denuciation der Schüler.) kan ich nicht besser thun, als
wenn ich solches acten-mäßig thue; Ob ich nun wohl seit dem nichts gehöret, daß
aus denen Schülern wären berühmte Leute geworden, oder die dem gemeinen Wesen
sonst nützliche Dienste gethan, auch solches daraus nicht zuvermuthen, weil
ihren eigenen Angeben nach sie damahls recht grobe Jungens gewesen; so will ich
doch um anderer Ursachen willen so wohl ihren als der Hallorum Nahmen
verschweigen, und nur ihrer Vornahmen erwehnen; Die beyden Schüler hiessen der
eine Martin, der andre Jonas; die beyden Hallorum einer Chistoph, der andere
George. Die Inquisition für denen löblichen Thal-Gerichten fieng sich folgender
Gestalt an.
Actum Halle den 5ten Julii 1690.
Martin u. Jonas von Creyßen beede allhier frequentirende Schüler erscheinen und
rügen, wie daß ihnen gestern vor 5. Wochen ist der 30. Maj. als sie in der
Pulver-Mühle spatzieren gewesen, abends wieder nach der Stadt gangen, zwey
Weibs-Persohnen ihnen ohnweit der Brücken entgegen kommen, und die eine ihn
Jonas, denn Martin etliche Schritte vor ihn hergangen, gegrüsset, als er ihr
aber nicht gedancket, gesaget: du gelb-schneppischer Junge, du Fuchß, warum
danck estu mir nicht? Ich habe wohl ander Leute gegrüsset, die mir gedancket.
Als er sich nun darauf gegen sie unnütze gemacht, wären beyde Weibs-Stücke auf
ihn zugelauffen, und schlagen wollen, deswegen er Martin dazu gegangen, es
zuverwehren, alsobald hätten die beyden Weibs-Persohnen Christel, Christel
geruffen, darauf wären zwey Hallorum von der Brücken herkommen, und die zwey
Weibs-Persohnen hätten sie von hinterwärts, die Hallorum aber von vorwarts
angefallen, übel geschlagen, ihnen ihre Mäntel, Hüte und Hals-Krausen genommen,
solche denen Weibs-Persohnen gegeben, die sie mitgenommen, damahls wären ihnen
die Hallorum dem Namen nach unbekant gewesen, nunmehr aber hätten sie erfahren,
daß sie Christian und Christoph heissen solten, bitten sie zu bestraffen, und
zuverfügen, daß sie die ihnen abgenommenen Mäntel, Hüte u. Hals-krausen
restituiren müsten, auf dem Rathhauß wäre anfangs die Sache vorgenommen. Ihnen
wurde gesagt, daß sie die Registraturen vom Rathhauße abschrifftlich aufs
Thalhaus bringen, nechsten Montags zu Mittag um zwey Uhr wieder erscheinen, und
daß die Sache als denn vorgenommen werde, gewarten solten.
|| [38]
(Des einen denunciati Christophs
Antwort ad articulos.)
Nachdem aber ein Zeuge, Buchner, über den angegebenen Christian befraget worden
und ausgesaget hatte, daß dieser erst nach der Schlägerey hinaus kommen und
Regenwürmer suchen wollen, so hat man von demselben abstrahiret; und nur alleine
den Christoph, als von welchen nicht nur die Schüler, sondern auch der Buchner
berichtet, daß dieser das Schlagen mit verrichtet, den 7. Julii als bald über
folgende inquisitional articul verhöret.
Articuli Inquisitionales
Art. 1. Wie Inquisit mit Nahmen heisse? Sagt Christoph. A. 2. Wie alt er sey? S.
27. Jahr. A. 3. Was feine Handthierung sey? S. Er arbeite im Kothe zum Creutz
als Saltzknecht. A. 4. Ob Inquisit. am 30. May dieses Jahrs, ist der Freytag
nach Himmelfarth, Abends umb 9. auf der Brücke vor dem Claußthore gewesen? S.
Nein. A. 5. Ob der Holtzwächter Christian Friedrich Buchner bey ihm gewesen? S.
Nein. A. 6. Ob 2. Weibs-Persohnen über die Brücke nach den Wiesen zugangen? S.
Wisse es nicht. A. 7. Wer dieselben gewesen? Cessat. A. 8. Ob Inquisit gesehen,
daß 2. Schüler von der Wiese gedachten beyden Weibs-Persohnen entgegen kommen?
S. Nein. (* Weil Inquisit nicht gestehen wollen, daß er an dem Freytage nach
Himmelfarth auf der Brücken gewesen, und die Schüler schlagen helffen, so wurden
die beyden Schüler und Christian Friedrich Buchner herein gefordert, und ihnen
angesagt, sie solten in seiner Gegenwart aussagen, ob dieser einer von dem
beyden wäre, der sie geschlagen. Die Schüler sagten: daß er einer von den beyden
wäre / so sie geschlagen, und Mäntel, Hüte, und Halskrausen nehmen helffen.
Buchner aber bejahet gleichfalls, daß es einer von den beyden sey, der die
Schüler zu obberührter Zeit geschlagen; Christoph aber, wie beweglich ihn auch
zugeredet wurde / GOtt die Ehre zugeben, und die Wahrheit zu bekennen, blieb
doch bey seinem Verneinen, er wurde aber dennoch auf die Articulos
Inquisitionales weiter befragt) A. 9. Ob es nicht die Schüler gewesen, die ihm
jetzo vor gestellet worden, nemlich Martin und Jonas? S. Er hätte sie draußen
nicht gesehen. A. 10. Ob Inquisit gesehen, daß die Weibs-Persohnen mit den
beyden Schülern in Streit gerathen? S. Nein A. 11. Item / daß die
Weibs-Persohnen den einen Schüler beym Mantel und Hals gefaßt, und zu Boden
gezogen? S. Nein A. 12. Ob die Weibs-Persohnen geruffen: Christel, Christel, S.
Nein, wie er es gehöret haben könte, da er nicht dabey gewesen. A. 13. Ob nicht
auf solches ruffen Inquisit nebst Christian Buchnern zu den Weibstücken
hingelauffen? S. Nein. A. 14. Ob sie nicht beyde nebst den Weibsstücken auf die
Schüler hefftig loß geschlagen? S. Er hätte es nicht gesehen, geschweige es
gethan. A. 15. Ob sie dieselbe mit Schlagen, Stos
|| [39]
sen und Treten übel zugerichtet? S.
Nein. A. 16. Ob denen Schülern die Mäntel, Hüte, und Halßkrausen mit Gewalt
genommen? S. Er hätte das nicht gethan. A. 17. Ob sie solche geraubte Mäntel,
Hüte, Halßkrausen denen beyden Weibsstücken gegeben? S. Er hätte es nicht
gethan, auch nicht gesehen A. 18. Ob die beyden Weibs-Persohnen mit solchen
geraubten Sachen davon gegangen? Cessat. Quaesitus: Wo er denn zu der Zeit
gewesen, als die Schüler geschlagen worden: Ille sagt, er wisse es so eigentlich
nicht mehr, wo er zur selben Zeit gewesen, er dächte, er wäre zu Hause gewesen,
er wohnete bey seinen Vetter Christian am Moritz Kirchhoff. Weil er nun in
Kothen bey dem jetzigen Sieden zuarbeiten hätte, wurde er biß auf weiters
Erfordern dimittiret.
§. IV. Durch dieses continuirliche Leugnen machte nun Chistoph(Zeugen Verhör und erstes Urtheil wieder
Christophen.) seine Sache freylich nicht gut; zumahlen da am 9. Julii die
beyden Schüler so fort zum Eyd admittiret wurden (fol. 7. act.) daß dieser
Christoph einer von den beyden Hallorum sey, der sie am 30. May habe schlagen
helffen, und der Zeuge Buchner ein Gärtner und Holtzwächter ihn eod. die durch
nachfolgende eydliche Aussage ziemlich gravirte (fol. act. 8. 9. 10.)
Art. 1. Wahr daß Zeuge an dem Freytage nach Himmelfarth, war der 30. May, auf der
Brücke vorm Claußthore gewesen? S. Ja, auf der Schieferbrücke. A. 2. Wahr, daß
sich auch 2. Hallorum daselbst befunden? S. Ja die wären gekommen zum Thor
heraus mit 2. Weibes-Persohnen. A. 3. W. daß auch 2. Weibes-Persohnen über die
Brücke nach der Wiese zugangen? S. Die beyden Hallorum waren voran kommen, sich
bey ihm niedergesetzt, und gesaget, sie wolten Würmer suchen / darauf die beyden
Weibs-Persohnen nachkommen, zu denen die beyden Hallorum gesaget: wo wollen sie
denn noch hin? Sie hätten geantwortet, nach Paßendorf, und wären nach der Wiese
zugangen, die Hallorum aber bey ihm sitzen geblieben. A. 4. W. daß denenselben
2. Schüler auf der Wiese begegnet? S. Ja, und zwar diejenigen, die er am Montag
und jetzo auf dem Thalhause gesehen. A. 5. W. daß sich ein Streit zwischen den
Schülern und Weibsstücken auf der Wiesen erhoben: S. das hätte er nicht
wahrgenommen, als bis die Weibs-Persohnen Hülffe geruffen. A. 6. W. daß die
Weibsstücken auf die Schüler loßgeschlagen? S. das habe er nicht gesehen. A. 7.
W. daß die Weibsstücken die Hallorum zu Hülffe geruffen, und sonderlich
geschrien, Christel, Christel. S. er hätte wohl gehöret, daß sie Hülffe Hülffe
geruffen daß sie aber Christel geruffen, hätte er nicht gehöret. A. 8. W. daß
die beyden Hallorum von der Brücke zu ihnen gelauffen? S. Ja. A. 9. Wahr daß
unter diesen beyden Hallorum der eine, welcher ihm am Montage auf dem Thalhause
vorgestellet worden, und Christoph, insgemein Kieren Christel genannt, gewesen?
S. Ja den andern aber kennete er gar
|| [40]
nicht. A. 10. W. daß diese beyde Weibsstücken und die beyden Hallorum die
Schüler geschlagen und gestossen, daß sie blutrüstig worden. S. wie er dazu
kommen, wären sie voneinander, die Schüler aber sehr blutrüstig gewesen, und
sehr übel ausgesehen, im Hinzugehen hätte er gesehen, daß das Schlagen unter
einander gangen, und die Weibs Persohnen sowohl mit zugeschlagen, als die
Hallorum A. 11. W. daß die beyden Hallorum denen Schülern ihre Mäntel, Hüte und
Halßkrausen mit Gewalt genommen? S. wie er dazu kommen, hätten der Schüler
Mäntel und Hüte schon an der Erde gelegen, von Halskrausen wisse er nichts. A.
12. W. daß sie soche geraubte Stücke denen beyden Weibs-Persohnen gegeben? S.
Ja, die Hallorum hätten die Mäntel und Hüte aufgehoben und solche denen
Weibsstücken gegeben. A. 13. W. diß dieselben Weibsstücken mit sochen Sachen
davon gangen? S. Ja und hätten sie mit solchen Sachen Herrn D. N. auf der hohen
Brücke begegnet. A. 14. W daß es eben die beyden Schüler gewesen, welche Zeuge
am vergangenen Montage auf dem Thalhause gesehen? S. es wären eben dieselben
Schüler gewesen, die er am Montage und heute aufn Thal hause gesehen. A. 15. Ob
denn Zeuge die Weibs-Persohnen kenne? S. er kenne sie nicht. A. 16. Was sie vor
Kleidung angehabt, ob Hall- oder Bürgerliche Tracht? S. sie wären nicht in
Hallorum Tracht, sondern Bürgerlich auf Hamburger Arth mit weissen Hauben
gangen. A. 17. Wo die beyden Hallorum hingangen? S. die Hallorum wären nicht
wieder zurück kommen, und wisse er nicht, wo sie hingangen oder geblieben.
Also war es nun nicht zu verwundern, daß da so fort hernach die acta ad Scabinatum geschickt worden, folgendes Urtheil darauf erfolget: P. P. wird Christoph beschuldiget, daß er nebst noch einem Hall-Purschen und 2. Weibs-Persohnen mit Martinen und Jonaßen am 30. May a. c. Abends zwischen 9. und 10. Uhr auf der Strasse in Zanck und Schlägerey gerathen, sie Blutrünstig geschlagen, mit Füssen getreten / ihnen ihre Hüte, Mäntel und Halskrausen genommen, und denen Weibs-Persohnen gegeben, so solche mit fortgetragen, und beyden Schülern entwendet. Ob er nun zwar alles dessen nicht geständig seyn will, alldieweil aber nicht alleine gedachte Martin und Jonas, ihre Denunciation wegen der angegebenen Schlägerey eydlich erhalten, sondern auch der eydliche abgehörte Zeuge Friedrich Christian Buchner bestandig ausgesaget, daß Inquisit derjenige sey, so die beyden Schüler dergestalt schlagen, und die Sachen abnehmen helffen. So sind sie, wann zuforderst mehrgemeldte Denuncianten die von ihnen zugleich gerügte Beraubung ebenfalls eydlichen bestärcken würden, wohl befugt, Christophen zur gefänglichen Hafft zubringen, und woferne er anderweit auf die abgefassete articul sein gütlich Bekäntniß nicht thun wolte, ihn durch den Scharffrichter dergestalt angreiffen zulassen, daß er ihn mag ausziehen / entblössen, zur Leiter führen,
|| [41]
die
zur Peinlichkeit gehörige Instrumenta vorlegen, die Daumenstöcke anlegen / und
damit zuschrauben, auch da dieses nichts fruchtet, mit den Bandenschnüren, doch,
daß es vor dißmahl darbey verbleibe. Wann nun alles, was hierbey vorgehet,
fleißig ad acta geschrieben wird, ergehet darauf ferner / was Recht ist, von
Rechtswegen.
§. V. Den 18. Julii darauf bekräfftigten beyde Schüler (fol. 17.)(Entdeckung des andern Consorteis Görgens. Defensio pro avertenda für
beyde.) nochmahlen, daß Christoph ihnen ihre Mäntel und Hüte, item dem
Jonas in specie noch eine Halßkrause und dazu gehöriges Krausen-Band mit Gewalt
nehmen helffen, und denen dabey gewesenen Weibs-Persohnen gegeben, welche damit
davon gegangen. Sie beschwuren auch zugleich den Preiß der genommenen Sachen
zusammen auff 8. Thlr. 20 gl. So wenig nun als Christoph bißher hatte gestehen
wollen, daß er von dem gantzen Handel etwas wüste, so wenig wusten die Schüler
und der Judex, wer der andere Hallorum gewesen wäre: und kame es also gantz
unvermuthet, als am 22. Julii ein gewisser Advocatus Thrum im Nahmen nicht
alleine des Christophs, sondern auch des bisher unbekannten Georgens ein
Bittschreiben eingab (fol. 20.) und für beyde umb defension pro avertenda
anhielt, auch zugleich die allbereit verfertigte defension (fol. 21-24.) mit
übergab.
Deductio defensio nalis intuitu rapinae.
Vor denen Hoch Edlen, Edlen, Vesten, Hoch- und Wohlgelahrten Herren Saltz-Gräfen
und Ober-Bornmeistern, ihren Hochgeehrten und Gebietenden Herren erscheinen
unschuldig ad Inquisitionem gezogene Christoph und Görge, bedingen ihnen
Eingangs alle und jede rechtliche Wohlthaten, so pro rei exigentia und zu
Abwendung des Inquisition-Processes, auch Ausführung ihrer innocentz ihnen zu
gute kommen können oder mögen, protestiren wie der Uberfluß; und sagen hierauf
kürtzlich, pro avertenda ulteriori Inquisitione & manifestanda
innocentia, wie daß in Rechten versehen daß auf blosse delata und inculpata
wieder ehrliche unbescholtene Leute (auf die zwar von der Welt die Schmäh- und
Läster-Ströhme zuschiessen und fliessen) ohne fürgehende gnugsame indicia und
Verdacht nicht alsobald inquisitorie verfahren werden solle wie unsern
Hochgeehrten und gebietenden Herren die materia indiciorum am besten bekannt
ist. In denen Inquisition Acten wird verhoffentlich kein Autor famae noch
einiger delator oder Zeuge zu befinden seyn, welcher deponirt, er habe gehört
oder gesehen, daß Inculpati der Schüler Mäntel weggeraubet, ut autem fama
subsistat, maxime est necessarium, ut testis dicat, se audivisse a pluribus ejus
loci, in quo fama spargitur.
Bartol. in l. de minor. §. plutimum n. 14. ff. de Quaest. Vielmehr wird der Holtzwächter das contrarium aussagen, welcher weiß, daß In
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culpati nicht animo violentiae
exercendae zu denen streitenden Persohnen gangen, sondern als die Weibsbilder
von zweyen Scholaren, so bezecht, ihnen vom Böllwerckischen Holtze her entgegen
gestossen, und sie angefallen, überwältiget worden, und erbärmlich um Hülffe
geschrien, wären Christoph nebst Görgen, von dem Sessel, darauf sie mit dem
Holtzwächter geruhet, aufgestanden und mit dem Wächter zu denen Weibern / so
wohl von ihnen 300. Schritt gewesen, zu gelauffen und sie von einander gebracht.
Und ob wohl Chistoph auf Befragen dem Herrn Judici nach allen Umständen die
Wahrheit bey gütlichen Verhör von diesem actu entdecken sollen, so hat ihn doch
dieses zurück gehalten, daß er gemeinet, weil die Weiber privata vindicta die
Scholaren ihrer Mäntel beraubt, es schon Straffe genug wäre, den conatum stupri
violenti, wie es ihnen von denen Weibs-Persohnen imputirt worden, zu büssen, und
hat aus Einfalt nicht bedacht; daß er ob bonum publicum die Wahrheit zu sagen,
verobligiret, wenn er nicht contra jus & auctoritatem superioris
pecciren wolte wie treulich und conscientiose erinnert.
Gabr. Alvarez. de Velasco in judic. perf. rubr. 19. cap. 1. n. 32. Daß aber inculpati vom delicto und Abnahme der Mäntel nichts participiren, ist daraus offenbahr, daß die Scholaren, als ihnen an der hohen Brücke Herr Doctor und Inspector N. begegnet, sie ihm den Verlauff der Sache erzehlet und gefragt, ob ihm nicht 2. Weiber begegnet / diese hätten ihnen die Mäntel genommen, da sie von inculpatis gäntzlich abstrahiret, sie es auch nicht anders Ursach gehabt, massen sie den von einem Weib abgenommenen Mantel wieder vindicirt, und dem einen Schüler zugestellet, nichts destoweniger hätten die Weiber nescio an pro infamiae oder famae compensatione den extradirten Mantel dem Scholaren mit höchster furie wieder von dem Leibe gerissen, aus welcher extradition sowohl Christoph als auch George ihren dissensum genug zuverstehen gegeben, daß sie keine Lust an solcher violation gehabt. Und haben ihnen die Scholaren die Schuld selbst beyzumessen, indem sie denen Weibern Ursach zur querulir- und defendirung gegeben, totum malum vero imputatur ei, qui causam praebet.
l. 6. ff. de vi publ. Und ob sie gleich die zu Boden geworffenen und von demjenigen, was die Natur will verdeckt haben, entblössete Weiber von der Schüler Hände retten wollen, auch diese Schüler etwa hiervon durch den motum incommodirt, oder die Mäntel abgerissen worden; so heist es doch, animus & propositum, in quolibet actu, qui in delictum cadere videtur, attendi debet.
Beroj. Lib. l. Cons. 76. n. 79. Gail. 2. Obs. 99. n. 6. praeprimis vero dolus & animus rapiendi requiritur
l. 2. ff. de vi bon. rap. Wie will aber der animus probirt werden, indem der Holtzwächter von Anfang biß
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zum Ende bey der action praesens
gewesen, welcher ja ihre Intention würde observiret haben. So erfordert auch Dn.
Carpzov. pro forma rapinae arma
Pr. Crim. P. 2. Qu. 91. n. 6. dahingegen Inculpati ohne Gewehr und Stab gewesen, ja wegen erbarmender Liebe des sexus sequioris, dem sie zu Hülffe kommen wollen, periculum vitae eingehen müssen. Andere Dd. erfordern noch mehr requisita. 1) quod raptor sit solitus depraedari 2) quod spoliare instituerit, & fama publica contra eum laboret, & quod 3) fiat in viis publicis.
Ant. Fab. in C. l. 9. Tit. 24. de Poen. n. 3. Honded. Consil. 106. Quoad 1) requisitum rapinae wird keiner in der Stadt noch auf dem Land auftreten können, daß einigen solchen äusserlichen groben actum von inculpatis sie gehöret, geschweige daß sie solches practicirt. 2) Die Intention, warum sie ausgegangen, ist die Sammlung der Würmer zum Fischen gewesen, wie mit der Familie und Nachbarn zubezeugen, auch der Holtzwächter nicht anders aussagen wird, voluntas vero & propositum maleficia distinguunt.
l. 39. ff. de Furt. l. 1. C. ad l. Corn. de Sicar. etiam animus finalis princeps delicti & forma dicitur intrinseca.
Bald. in l. 1. n. 14. & seqq. C. de aedil. act. Soviel die Fam derer Inculpatorum betrifft, wollen sie zwar von einigen, so diß praeceptum nicht in vita practica exerciren: alium nempe hominem tanquam aeque hominem tracta, weil bey ihrer Societät keine abundantia bonorum corporis ac fortunae, vor deterioris conditionis gehalten werden, und seynd daher vieler laesion unterworffen, unterdeß muß man doch sie als ehrliche Leute dulden und passiren lassen, weil sie absonderlich einiges Criminis niemahlen nicht überführet worden seyn. Daß auch sie ratione Christianismi, ohne Ruhm zu melden, aestimirt werden, sollen attestata, daraus denn justae actiones in vita civili hervorscheinen und alles Spargiment verdunckeln, beygebracht werden. Et licet inquisiti praesumtionem aliquam delicti contra se haberent, tamen haec praesumtio ob bonam famam & existimationem eorum tolleretur.
Sixtin. L. 2. Cons. 16. n. 17. Fichard. Cons. 61. n. 3. Wormit auch das 3te requisitum abgelehnt wird. Wenn denn ex his deductis aliisque rationibus compluribus erhellet, daß indicia & proesumtiones probabiliter contrariisque adductis argumentis refutirt worden, daß wieder Christoph noch Görgen keine Inquisition statt finde.
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Als bitten Defensions-Führer inständig hiermit in Rechten zu erkennen und
auszusprechen, daß die wieder sie angestellete Inquisition gestalten Sachen nach
nicht statt habe. Salvis ulterioribus remediis juris.
(Gedancken über die Defension.
Christophs andere Verhör ad articulos.)
§. VI. Die vorstehende Defension ist recht nach dem alten damahlen höchstüblichen
Schrot und Korn eingerichtet, und hatte dieselbe nicht der Advocate Thrum, so
selbige unterschrieben, sondern dessen Patron ein berühmter Mann in praxi Hr. D.
U. verfertiget, der aber seinen Nahmen aus gewissen Ursachen, von welchen bald
soll gemeldet werden, nicht unterschrieben. Nun mochte er sich freylich nicht
eingebildet haben, daß der eine Cliente Christoph so eilig und geschwinde auf
articulos ohne vorhergehende summarische Aussage solte vernommen seyn, und ob er
gleich mochte gehöret haben, daß die acta zum Verspruch verschicket worden,
konte er sich doch, eo supposito, noch nicht befahren, daß die Sache schon auf
die Erkäntniß wegen der Tortur solte können avanciret seyn, sondern vermeinete,
es wäre erst auf die special Inquisition und Antwort auf articulos erkannt
worden. Und die Wahrheit zusagen, war es etwas ohngewöhnliches, einen
denunciaten das erstemahl da er erscheinet, alsbald auf articulos zuvernehmen.
Alleine es war geschehen. Bey dieser Bewandnüß nun wurde zwar die defension ad
acta genommen, aber nichts desto weniger Christoph für Gericht citirt, und am
23. Julii, da er erschienen, wider von neuen über die articulos Inquisitionales
abgehöret, wie folgende registratura fol. 26. actor. weiset (bey welcher zu
desto besserer Verständnüß die Artickul selbst oben ex §. 3. müssen wieder
nachgesehen werden.
Christoph erscheinet endlich auf Erfordern, und wurde ihm vorgehalten, er hätte
neulichst, als er auf Articul befragt worden, alles was ihm Schuld gegeben,
geläugnet, in dem heute unter ihn und Görgens (von dem er doch vorhin auch
nichts gesaget) Nahmen eingegebenen Schreiben aber hätte er nebst diesem ein und
das andere gestanden, darum er jetzo auf die Articul, so er geläugnet, nochmahls
befragt werden solte, und hat darauf, wie folget, geantwortet. Ad Art. 4. S. Ja.
ad 5. S. Ja. ad 6. S. Ja. ad 7. S. Er kennete sie wahrhafftig nicht. ad. 8 S.
Ja. ad. 9. S. ja, es wären die beyden Schüler gewesen, die ihm neulichst
vorgestellet worden. ad 10. S. sie wären wohl ein paar 100. Schritt von ihm
gewesen, und er gesehen, daß sie sich lange mit einander gerungen, und erst
gemeinet, daß sie sich gezäcket, endlich wären sie mit einander übergefallen,
und die Weibs-Persohnen unten zu liegen kommen. ad 11. S. Das habe er nicht
gesehen. ad 12. S. Er hätte nicht anders verstanden, als daß sie hätten
geschrien, umb Christus GOttes willen solten sie ihnen zu Hülffe kommen. ad 13.
S. Wie sie geruffen, so wäre er Inquisit,
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George, und der Holtzwächter Buchner hinzugelauffen. ad 14. S. Er
könte ihnen wohl eine Ohrfeige gegeben haben, wie sie solche voneinander
gebracht, es wäre ihm aber unwissend. ad 15. S. Nein. ad 16. S. Nein, die Mäntel
und Hüte hätten an der Erde gelegen / welche die Weibs-Bilder aufgehoben und zu
sich genommen, Georg hätte dem einem Weibs-Bilde den einen Mantel wieder
abgenommen, und solchen dem Schüler zugestellet, das Weibs-Bild aber hätte dem
Schüler den Mantel wieder weggerissen. ad 17. S. Nein. Weil nun Inquisit das
hauptsächlichste nicht gestehen wollen, ist er von den Stadt-Knechten hinüber
aufs Rathhauß gebracht worden.
§. VII. Nach Christophs Verhör ist an eben selben Tage auch(Georgens erste Verhör.) George über eben
dieselben articulos vernommen worden. Man lässet hierbey an seinen Ort gestellet
seyn, aus was für Ursachen der Herr Judex auch mit diesen also geeilet, und
nicht alleine ohne vorher gegangene summarische Verhör so geschwind auf
articulos ihn vernommen, sondern auch nicht einmahl auf seine eingegebene und
angenommene defension pro avertenda zuvorher hatte erkennen lassen. Die über
dessen Aussage fol. 27. seq. actorum gefertigte registratur lautet also:
Weil George auf Erfordern sich auch gestellet, ist er auf obige
Inquisitionalarticul gefragt, und von ihm, wie folget, geantwortet worden: ad
Art. 1. Sagt. Georg. A. 2. S. 22. Jahr. A. 3. S. Ein Läder-Knecht wäre er. A. 4.
S. den eigentlichen Tag wisse er nicht, den Tag aber / da das mit denen Schülern
vorgangen, wäre er draussen gewesen, und Regenwürmer suchen wollen, vorhero aber
sich zu Christopheln und dem Holtzwächter gesetzet. A. 5. S. Ja. A. 6. S. Er
hätte sie nicht gesehen. A. 7. Cessat. A 8. S. Das habe er nicht gesehen, als
wie erst ein Geschrey entstanden auf der Wiesen, zwischen denen Schülern und
Weibs-Persohnen, es wäre über 40. Schritte, wo nicht weiter von ihnen gewesen.
A. 9. Cessat. A. 10. S. wie das Geschrey entstanden, und sie einander bey den
Köpfen gehabt, wären sie darzu gekommen, hätten aber nicht mit geschlagen. A.
11. S. das hätte er nicht gesehen. A. 12. S. Sie hätten geschrien, Jesus, ist
denn keine Hülffe da, darauf hätte der Holtzwächter gesagt, kommt wir wollen hin
gehen und zusehen, was vor ein Leben ist. A. 13. S. Er wäre mit dem Holtzwächter
und Christophen hingelauffen. A. 14. S. Nein, er hätte keinen angerühret. A. 15
S. das habe er nicht gethan, auch nicht gesehen, daß es Christoph gethan. A. 16.
S. Er hätte nichts angegriffen, sondern zu dem einen Weibsstück gesagt: du Hure,
was nimstu dem den Mantel, und hätte ihr den Mantel wieder genommen, und dem
Schüler zugestellet, das Weibsstück aber hätte dem Schüler den Mantel wieder
genommen. A. 17. S. Nein, das habe er nicht gethan. A. 18. S. Ja. und wären sie
über die hohe Brücke damit
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gegangen;
Inquisit berichtet, dabey, daß die Weibsstücken denen Schülern unter Augen
gesagt, als wenn selbige, die Schüler nemlich, sie angefallen, ihnen in Busen
gegriffen, und einer die eine gar daniedergerissen, der eine Schüler hätte
darauf geantwortet, ich bin nicht Ursache dran, mein Cammerade hat es gethan.
Inquisit wurde auch mit den Stadt-Knechten hinüber aufs Rathhauß in Verwahrung
gebracht.
(Christophs dritte Verhör.)
§. IIX Den 24. Julii wurde Christoph zum dritten mahl fol. 30. seq. actorum und
zwar nach vorhergehender Bedrohung der Marter auf die abgeleugneten Artickel
vernommen.
Christoph wurde vom Rathhause aus dem Gefängnisse aufs Thal-Hauß gebracht, und
befragt, ob er das, was er gestern gefragt worden, aber verneinet hätte /
nunmehro gestehen wolte, wiedriges falls würde man ihn morgen dem Urthel gemäß
dem Scharfrichter übergeben, wolte er sich in solch Unglück begeben, hätte er
sichs selber beyzumessen, jetzo solte er nochmahls zum Uberfluß auf die Articul,
so er gestern verneinet, befraget werden, und antworten; so auch wie folget
geschehen. ad 7. S. Er kennete sie nicht, wenn es gleich sein Leben kosten
solte. ad 8. S. Er hielte es vor ein paar 100. Schritte, der Augenschein müste
es geben. ad 12. S. Er hätte es nicht anders verstanden, als das sie geruffen
umb Christus GOttes willen. ad 14. S. Ein paar Ohrfeigen möchte er ihnen wohl
geben haben. ad 15 S. Nein. ad 16. S. Nein, was er nicht gethan, könte er nicht
gestehen. ad 17. S. Nein, sondern die Weibsstücken hätten solche von der Erde
aufgenommen, Georg hätte dem einem Weibsstücke einen Mantel abgenommen und den
Schülern gegeben, die aber dennoch demselben solchen wieder abgenommen. ad 18.
S. Ja, die Schüler aber hätten übel gethan, daß ihnen die Sachen genommen
worden, darüber er nebst Georgen und dem Holtzwächter denen Weibs-Bildern
nachgangen, und solche ihnen wieder abnehmen wollen, auf der hohen Brücke am
Creutze wären die Weibs-Bilder ihnen wieder entgegen kommen, die Sachen aber
nicht bey sich gehabt, und gesaget, sie gäben die Sachen nicht wieder, biß die
Schüler kämen und sie bey der Obrigkeit verklageten, sie blieben in Passendorf,
die Schüler hätten sie nothzüchtigen wollen, die Schüler so dabey gewesen,
hätten sich selber gekiffen, und einer es immer auf den andern geschoben, die
Weisstücken angegriffen zu haben, die eine Weibs Persohn wäre unter dem
Angesicht zukratzet und ihr die Haube und Halßtuch abgerissen gewesen, die
Weibs-Persohnen hätten auch gesaget, daß die Schüler sie oben und unten
begriffen, und gar niedergerissen, welches der Holtzwächter mit angehöret, die
Weibsstücken wären wieder zurück nach Passendorff gegangen. Vorhero ehe sie auf
die hohe Brücke kommen, wäre Herr D. N. reitend ihnen begegnet, den hätten sie
gefragt, ob ihme 2. Weibs-Persohnen begegnet, die denen Schülern die Mäntel und
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Hüte genommen, darauf er Ja
gesagt, und zwar daß sie ihme an Zollhause begegnet. Inquisiten wurde nochmahls
zugeredet, GOtt die Ehre zu geben, und die Warheit zubekennen, damit ihm nicht
was arges wiederführe. Ille bleibet dabey, daß er nichts mehr wüsse. Quaesitus,
warum er denn im Anfang alles geleugnet, und insonderheit gesaget: daß er die
Schüler nicht gesehen. Ille antwortet, er hätte die Schüler nicht gerne wollen
in Unglück bringen, wie sie schon durch die ihnen genommene Sachen in Schaden
kommen, hätte es also lieber Schrifftlich zu übergeben gemeinet, bittet ihn, ehe
was weiter vorgenommen würde, mit seiner Defension zu hören. Ihm wurde gesagt,
er solte sagen, wer ihm seine Defension führen solte, so solten ihm die Acta
vorgelegt werden. Ille antwortet: Er wisse es selber nicht, er wolle mit seinen
Leuten reden, bat darbey, daß er möchte in ein leidlicher Gefängnüß gebracht
werden, so auch verordnet, und er dahin wieder aufs Rathhauß gebracht wurde.
§. IX. An eben selben Tage wurden beyde Schüler Jonas und Martin(Der beyden Schüler Aussage ad
articulos.) Actorumfol. 33. biß 36. ebenmäßig ad articulos
befragt, und zwar nicht ohne Ursach, weil sie von denen Hall-Leuten wiederum
übeler Thaten waren beschuldiget worden, und nicht ausser Verdacht waren.
Art. 1. Ob die beyden Weibs-Persohnen, wie sie ihnen begegnet auf dem Wege nach
Passendorff oder nach der Pulver-Mühle zugangen? Jonas Nach der Pulver-Mühle
wären sie zugangen, und nicht nach Passendorff. Martin. Sie wären nicht nach
Passendorff, sondern nach der Pulver-Mühle zugangen. Art. 2. Ob sie oder einer
unter ihnen denen Weibs-Persohnen nach dem Busen gegriffen, oder sonst unzüchtig
betappet, ja gar zur Erden gerissen? Jonas Nein, weder er noch der andre, sein
Cammerade wäre etwas vorangangen. Martin. Er hätte es nicht gethan, wisse auch
nicht, ob es sein Camerade gethan. Denn er wäre ein wenig vorhin gangen. Art. 3.
Ob denn ihre Mäntel und Hüte an der Erde gelegen, daß die Weibs-Persohnen solche
ihnen selbst genommen, oder ob die Hallorum solche genommen und den Weibsstücken
gegeben? Jonas, die Hallorum hätten sie den Weibsstücken gegeben, und dieselbe
wären damit nebst denen Hallorum fortgangen, der Holtzwächter aber wäre bey
ihnen denen Schülern blieben, und hätten sie die Hallorum gesuchet, der
Holtzwächter hätte gepfiffen, wären also auf sie zugangen, da die Hallorum die
Weibs-Persohnen auf der Brücke bey sich gehabt, jedoch ohne die ihnen
abgenommene Sachen. Martin, er hätte gesehen, daß Cristoph von der Erde einen
Mantel aufgehoben, und dem Weibsstücke gegeben. Art. 4. Ob denn ein Hallorum,
Georg genannt, der einen Weibs-Persohn einen Mantel wieder genommen und solchen
einem von ihnen beyden und welchen, wiedergegeben? Jonas, Nein. Martin Nein.
Art. 5. Ob dennoch das Weibsstücke ihn den Schüler wieder genommen? Jonas, das
wäre gar nicht geschehen, der Holtzwächter wäre mit da
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bey gewesen, der würde es ja gesehen
haben, die Hallorum hätten vielmehr gedrohet, sie wieder zuschlagen, als Martin
gesaget, er wolte klagen. Martin, Nein. Art. 6. Ob nachhero sie mit denen beyden
Hallorum und dem Holtzwächter nach der hohen Brücke den Weibsstücken nach
gegangen? Jonas, sie wären nur mit dem Holtzwächter nachgangen, ehe sie aber die
Brücke völlig erreichet, wären die Hallorum zu ihnen kommen. Martin, die
Hallorum wären mit den beyden Menschen fort und sie mit den Holtzwächter auf die
Brücke zugangen, da ihnen die Hallorum im Hingehen begegnet, und mit ihnen nach
der Brücke zugangen. Art. 7. Ob die beyden Weibs-Persohnen doch ohne die mit
genommene Mäntel und Hüte auf der hohen Brücke ihnen entgegen kommen? Jonas /
sie hätten vorne an der Brücke gestanden, doch aber ohne Mäntel und Hüte, und
wisse er nicht, wo sie die Sachen hingelegt haben möchten. Martin, sie wären zu
ihnen kommen, aber ohne das genommene Zeug. Art. 8. Ob nicht die
Weibes-Persohnen ihnen daselbst unter Augen gesagt, sie die Schüler hätten sie
begriffen, und Unzucht angemuthet? Jonas, er konte sich dessen nicht besinnen,
daß sie das gesagt haben solten, dabey referiret er, das Christian zu ihm
gesagt, daß die beyden Weibsstücken desselben Tages zu Glaucha im grauen Wolff,
und Christoph auch gewesen, der mit selben getantzet, es wären Huren, die der
Berlinische Kutscher mitgebracht, die sich auf dem Neumarck hinter dem Walle im
letzten Hause aufgehalten, Casper Frosch hätte sie 3. Tage hernach zu Merseburg
angetroffen. Martin, davon wisse er nichts. Art. 9. Ob nicht einer unter ihnen
auf den andern gescholten, und gesaget, er habe es nicht gethan, sondern sein
Cammerade. Jonas, das wäre nicht geschehen. Martin, die Hallorum hätten gesagt /
Jonas hätte dergleichen gethan / darauf er geantwortet, er könte davor nicht, er
hätte nichts gethan oder gesehen. Art. 10. Ob nicht die Weibs-Persohnen gesagt,
sie gäben die Mäntel, Hüte nicht wieder, biß die Schüler bey der Obrigkeit
klagten, sie blieben zu Passendorf. Jonas, das hätten sie nicht gesagt, den
andern Tag wären sie die Schüler nach Passendorff gangen, und die Weibsstücken
gesucht, dieselben aber nicht angetroffen, es wäre aber gesaget worden, daß die
Hallorum solche noch dieselbe Nacht nach Belwerg über die Saale gebracht hätten.
Martin, sie hätten gesagt, sie solten nach Passendorff kommen und sie anklagen,
sie wären auch den Sonntag darnach hinaus gangen, sie aber nicht angetroffen.
Art. 11. Ob sie die Schüler in der Pulver-Mühle sich betruncken? Jonas, sie
hätten zwar getruncken, jedoch aber keinen Rausch gehabt. Martin, Nein. Art. 12.
Ob sie nicht vor die Zeche etwas schuldig blieben, daß sie deßwegen noch
angehalten worden? Jonas, sie hätten gerne wollen gehen, es wäre aber der Kerl
nicht da gewesen, so das Geld empfangen sollen, dahero wären sie ein paar
Schritte fortgangen, inzwischen wäre der Kerl nach kommen, da er ihm das Bier
bezahlt, und noch 2. Pf. zu viel gegeben hätte. Martin, sie hätten weggehen und
bezahlen
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wollen, es wäre aber niem
and da gewesen, so das Geld an sich genommen, darumb wären sie ein wenig
fortgangen, indem aber wäre ihnen ein Kerl nachkommen, dem sie das Geld vors
Bier gegeben.
Weil sich nun die Schüler bey dieser Aussage auf Christian Froschen beruffen /
auch sonsten bißher in actis erwehnet worden, daß des Abends, da die Händel
vorgegangen, Herr D. N. herein geritten kommen, und auch davon was zu sagen
wüste; als ist alsobald nach der Schüler Aussage fol. 36. & 37. actorum
folgende registratur gemacht worden.
Herr D. N. berichtet, auf Befragen, wie er den 30. May von Schraplau anhero nach
der Stadt zugeritten, und nach 10. Uhr ans Zollhauß kommen, da hätten ihm 2.
Weibs-Persohnen vor dem Zollhause nach der Stadt zu begegnet, die etwas unter
der Schürtze getragen, hätten ihm aber nichts gesagt, wären in keinen Hallorum
Habit oder Tracht gangen, wie er weiter herein bey der Wiese kommen / hätte er
gesehen, daß der Holtzwächter Friedrich mit 2. Schülern starck geredet, die er
gefragt, was sie denn vor hätten, darauf sie ihm geklagt, daß sie von 2.
Weibsstücken geschlagen, und ihnen die Mäntel und Hüte genommen worden, welches
er ihnen verwiesen, daß sie sich von 2. Weibsstücken schlagen, und die Mäntel
nehmen lassen; inzwischen wären 2. Hallorum dazu getreten, und gesagt, wenn sie
die Schüler es nur gesagt, so hätten sie ihnen wieder darzu helffen wollen, er
hätte zu Buchnern dem Holtzwächter gesagt, er möchte doch zusehen, daß er ihnen
wieder darzu helffen könne, damit wäre er davon geritten. Christian Frosch ward
auf der Schüler Veranlassung befraget, ob er hätte den 30. Mäy Freytags nach
Himmelfarth 2. Weibs-Persohnen im grauen Wolff gesehen, mit denen Christoph
getantzet, er will aber davon nichts wissen. Jonas, der ihm vorgestellet wurde,
saget es ihm unter die Augen, daß er solches ihm erzehlet, Frosch will es doch
nicht gestehen, er habe zwar gesaget, Christoph wäre draussen gewesen, von den
Weibs-Persohnen aber nicht, er habe sie auch nicht gesehen. Martin wurde auch
herein gefordert, und gefragt, ob er gehöret, daß Christtan Frosch zu seinem
Cammerrathen gesagt, daß die Weibsstücken im grauen Wolff den 30. May gewesen,
nebst Christophen, und solcher mit ihnen getantzet. Ille saget Ja. Frosch aber
will solches nicht gestehen, ohnerachtet es ihm Martin unter Augen saget.
§. X. Hiernechst wurde fol. 38. d. 24. Julii Christophen schrifftlich(Was ferner für anderwärtiger Verschickung / der Acten fürgegangen. Nebst dem andern Urtheil.)
angedeutet, daß er seine Defension binnen 14. Tagen einbringen, aber seinen
Advocatum vorher, der Proceß-Ordnung gemäß, das juramen tum calumniae abschweren
lassen solte. Man fande auch rathsam, daß George mit dem Zeugen Buchnern und mit
Jonassen und Martinen confrontiret würde, weßwegen den 25. Julii solches
expediret worden, und ist die darüber verfertigte Registratur folgenden Inhalts.
|| [50]
Actum den 25. Julii. 1690.
Christian Friedrich Buchner wurde befragt, welchen Weg die beeden Weibsstücken
gegangen, ob sie den Weg nach Passendorff oder nach der Pulver Mühle zugangen?
Ille Sagt, sie wären über daß Brückgen auf der Wiese nach der Pulver-Mühle und
nicht die Strasse auf Passendorff zugangen. Inquisit Georg wurde aus dem
Gefängnüß vom Rathhause aufs Thalhauß bracht, und confrontirt über das, was er
ad art. inquis. 14. fol. 28 fac. 2. geleugnet, daß er nehmlich die Schüler mit
schlagen helffen, der Zeuge Christian Friedrich Buchner aber ad art. prob. 10.
fol. 9. fac. 2. es bejahet. Inquisit bleibt bey seinem Verneinen. Der Zeuge aber
saget ihm unter Augen, daß es geschehen. Ferner wurde Inquisit über das, was er
ad art. inquis. 16. fol. 28. fac. 2. verneinet, daß er der Schüler Hüte und
Mäntel nicht aufgehoben und denen Weibsstücken gegeben, mit Zeugen confrontiret,
er bleibet auch bey seinem vormahligen Verneinen, unerachtet es ihm Zeuge unter
Augen saget, daß es geschehen, wie er ad art. prob. 12. fol. act. 10. eydlich
ausgesagt. Jonas wurde auch herein gefordert, und ihm gesagt, er hätte fol. act.
17. eydlich erhalten, daß die Hallorum / davon einer dieser Inquisit George
seye, sie schlagen, auch die Hüte und Mäntel nehmen helffen und denen
Weibs-Persohnen gegeben, derselbe aber solches geleugnet, darumb er es
Inquisiten unter Augen sagen solte. Ille sagt, was er beschworen, das wäre wahr,
saget auch solches dem Inquisiten unter Augen Inquisit aber bleibt bey seinen
Verneinen. Desgleichensagt auch Martin Inquisiten unter Augen, was er eod. fol.
act. 17. eydlich bestärcket. Inquisit aber leugnet es beständig. Inquisit wurde
befragt, ob er seine Defension führen wolte, ehe die acta verschicket würden.
Ille antwortet, er könte sich nicht helffen, er wisse nicht, was er thun solte,
er hätte keine Freunde, die sich seiner annehmen könten, der Brief, der in
seinem Nahmen neulich mit eingegeben, wäre ohne sein Wissen und Willen gemacht
worden / er hätte es auch nicht unterschrieben, er könnte nicht schreiben,
Christoph könte und würde nicht anders sagen, als daß er keinen Schüler
angerühret, vielweniger geschlagen. Inquisit wurde wieder hinüber aufs Rathhauß
in Verwahrung gebracht.
Ob nun wohl hiernechst der Advocate Herr Thrum den 26. Julii in einem Schreiben
bat, daß man ihn mit dem Juramento calumniae verschonen möchte, und vorschützte,
daß zwar die Process Ordnung cap. 7. solches erfordere, er aber allbereit ein
13. jähriger Practicus wäre und der schon zu zweyen mahlen das Juramentum pro
administranda Justitia bey anderer Gelegenheit abgeleget hätte, so wurde ihm
doch zur Antwort gegeben, (fol 42.) daß solches nicht geschehen, und ohne
Leistung des Juramenti calumniae die Defension nicht angenommen werden könte,
addita ratione, daß denen Thal-Gerichten nicht zukäme, das, was in
|| [51]
der Process Ordnung ohne Unterscheid
von denen Advocaten verordnet wäre, ausser Augen zu setzen, wenn es auch gleich
eine graduirte Persohn betreffen solte. Und wurde über dieses noch selben Tag
fol. 45. eine Urtheils-Frage an den hiesigen Schöppenstuhl geschickt, und
gefragt, was mit Georgen zu thun sey: worauf den 27. Jul. folgendes Urthel fol.
48. ersolget:
Hat Inquisit George gestanden, daß er mit dabey gewesen, als denen beyden in
actis benannten Schülern die Mäntel, Halßkrausen und Hüte auf öffentlicher
Strasse abgenommen und sie geschlagen worden. Ob er nun zwar beständig leugnet,
daß er selbst weder Hand an sie geleget, noch ihnen die Sachen abnehmen helffen,
und denen beeden Weibs-Persohnen gegeben; alldieweil aber sowohl die
Denuncianten, als der abgehörte Zeuge beedes, und daß Inquisit sowohl die
Schüler schlagen, als ihnen die Mäntel, Halßkrausen und Hüte abnehmen helffen,
eydlich bekräfftiget und Inquisiten solches unter Augen gesaget, er auch nach
beschehener That mit denen Weibsstücken fortgegangen. So seynd sie wohl befugt,
woferne er abermahis in der Güte auf die ihm fürzuhaltende Inquisitionales
nichts richtiges bekennen würde, ihn dem Scharfrichter dergestalt zu untergeben,
daß er ihn möge ausziehen, entblössen, zur Leiter führen, die zur Peinlichkeit
gehörige instrumenta vorzeigen, die Daumenstöcke anlegen, damit zuschrauben, und
da diese nicht verfangen wolten, ihn mit denen Banden schnüren, doch daß es vor
diesesmahl dabey verbliebe. Wann nun alles was hierbey vorgehet, fleißig ad acta
geschrieben wird, ergehet auf deren fernere Verschickung, was sich zu Recht
gebühret.
§. XI. Den 28. Julii wurde Georgen Nachricht von der auch ihm(Christophs und Georgens andere Defension.) zuerkanten Tortur gegeben, und da er weiter in
Güte nichts gestehen wolte, ihm angedeutet, gleichfalls mit einer neuen
Defension einzukommen. Christophs Advocate Herr Thrum schwur den 30. Julii daß
von ihm begehrte Juramentum calumniae, es wurde auch den 5. Augusti, als
Georgens Freunde sich wegen ihrer Armuth entschuldigten, daß sie für Georgen
keinen defensorem bezahlen könten, Herrn Thrummen ex officio anbefohlen, die
Defension auch für Georgen mit einzurichten. Dieser übergab auch selbige den 7.
Augusti, und ist sie actorum fol. 58 biß 74 zu finden.
Vor denen Hoch-Edlen, Edlen, Vesten, Hoch- und wohlgelahrten Herren Saltz-Gräf
und Ober-Born-Meistern, Meinen Hochgeehrten und gebietenden Hrn. erscheinet
Christoph und George als zur Unschuld Inquisiti, sagen in Unterthänigkeit
höchstfleißigen Danck, daß ihnen wegen der inculpirten That der Mäntel und
anderer Mobilien Abnahme, wie auch der Schlägerey, ihre defensiones einzuwenden
großgünstig nach gelassen worden, übergeben hiermit ihre zu Recht gegründete
Deductionem innocentiae mit Vorbehalt aller ihnen zu Recht heilsamlich und zu
gute
|| [52]
verordneten Beneficien,
referviren und behalten ihnen auch vor, im Fall die wieder sie angeführten
indicia durch diese ihre defenfion nicht genugsam elidirt seyn solten, sich
eines mehrern Beweises contra testium personas & eorum dicta reprobando
zu gebrauchen, darvon zierlich protestirend, absonderlich protestiren sie wieder
alle actus & acta, so von Anfang bißher celebrirt, auch was Defendenten
nicht ausgereichet und annoch billig hätte communiciret werden sollen, wie denn
ihnen das post fol. 13. gehefstete aber eingeschlossene und versiegelte Urthel
ihnen biß dato verborgen blieben.
In genere haben unschuldige Inquisiti zu excipiren, daß Vermöge klarer Rechte
nicht in allen delictis indifferenter das remedium inquisitionis statt finde,
quippe per quod virorum honestorum existimatio vel opinione saltem vulgi haud
parum gravatur & sugillatur, dahero Illustrissimus &
Potentissimus Elector Brandenburgicus Dominus noster Clementissimus denen
Magistrats-Persohnen heilsame Information thut, wie caute hierinnen zu
procediren.
Polieey-Ordn. c. 6. Der hohen Ordnung auch bestimmet Illustrissimus Elector Saxoniae, quod nempe ad inquisitionis processum non properandum sit, nisi ejusmodi fuerit perpetratum delictum, per quod Reip. tranquillitas offenditur, quodque ACCUSA TORE NON EXISTENTE reoque praesente impunitum maneat, dahero secundum mentem DOMINI ELECTORIS erfordert wird, ut ACCUSATOR non adsit, qui adversus delinquentem processu ordinario agere possit. Eo enim exiftente Processus inquisitorius cessat & ordinarius processua inquisitionem excludit.
Carpz. Pr. Crim. P. 3. Q. 107. n. 34. & seqq. Wie denn vermeinte laesi gegenwärtig fol. 1. und in löblichen Thal-Gerichts und E. E. Raths-Acten ihre Sachen ordinaria via juris vindiciren wollen per verba fol. 2. Bitten zu verfügen, daß sie ihnen die abgenommenen Hüte, Mäntel und Halskrausen restituiren müssen. Gesetzt aber doch in praejudicium veritatis niemahls gestanden, daß sie personam denunciantem praesentiren wollen, so haben sie doch zur Inquisition nicht genugsame indicia angegeben, wie da erfordert wird in der
Pol. Ord. C. 17. §. 1. In Mangelung solcher Requisitorum, sunt ipsissima formalia pragmaticae sanctionis, soll die Inquisition nicht vorgenommen werden. Daß auch die Scholares als Denuncianten oder Zeugen nicht bestehen können, ist ex Actis fol. 32. klar, da sie als Inquisiti betrachtet werden, criminosi vero accusare non possunt.
caus. 6. qu. 1. etiamsi non sint condemnati.
Alex. Cons. 152.
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Zudem seynd diese Schüler socii criminis, protestando tamen quod Inquisiti nullum
per hoc fateantur, und wollen auch Denunciantes seyn / quae sunt diversa, sie
seynd alles Unheils Urheber, Anfänger und Ursach.
His praemissis wird in specie zu dem Inquisition-Process geschritten, und
erscheinet aus denen actis, daß die Schüler nicht allein Kläger, sondern auch
Zeugen-Stelle vertreten wollen, id quod jure prohibitum, & Delatoris ac
Denunciatoris Testimonium recipere valde absurdum reputatur in jure, in tantum,
ut testimonio Delatoris non credatur etiamsi sit nobilissima persona.
Fatinac. de Test. qu. 46. n. 93. Et in tantum delator a testificando repellitur, ut, si fueri examinatus, ejus depositio contra denunciatum nullum prorsus faciat indicium, nec ad torquendum nec ad inquirendum etiam quod ille in tortura enarraverit.
Idem d. l. Tit. 6. Qu. 60. n. 65. licet dictum leve sit.
Id. ib. n. 75. add. Oldekopp. obs. crim. 11. Tit. 2. n. 1. cum cit. Dd. Dahero denn ihr fol. 33. usque 34. befindliches Zeugniß auf einmahl zu Boden geleget und aus dem Wege geräumet wird. Ob auch gleich Christian Buchner von E. E. Rath d. 2. Jun. fol. 6 art. 9. befraget worden: Wahr, daß die Hallorum und die beyden Weibsstücken die Schüler weydlich auch blutrüstig geschlagen, und er darauf eydlich deponirt: Ja, sie wären aber schon von einander gewesen; so bejahet er dieses doch absque ratione & circumstantia, wer nemlich auf die Schüler loßgeschlagen, und wie? ob die Hallorum animo offendendi oder defendendi zur streitigen action gangen, wie er dann fol. 9. art. 10. diese actus confundirt und vorgeben, das Schlagen wäre untereinander gangen, ferner wie er wäre dazu kommen, wären sie schon von einander gewesen; at testi varianti fides non tribuitur.
l. qui varie ff. de Testib. fol. cit. 6. in R. actis affirmiret er art. 10. Wahr, daß diese Hallorum denen Schülern ihre Hüte und Mäntel genommen und denen Weibsstücken gegeben? So antwortet er doch allzu general und gedencket weder des Orts noch der Gelegenheit, wie sie genommen. In denen Thal-Gerichts-Acten fol. 10. art. 11. Wahr, daß die Hallorum die Mäntel und Hüte mit Gewalt genommen, antwortet er weiter nichts, als daß der Schüler Hüte, Mäntel etc. an der Erde gelegen, in seq. art. 12. antwortet er nicht directo ad art. sondern sagt, sie hätten die Hüte etc. ausgehoben, und denen Weibs-Persohnen gegeben, Ja in E. E. Raths-Acten fol. 5. bestehet seine Aussage in lauter opinionibus, er habe gemeinet, es würden es diese seyn, so die Schüler geschlagen.
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Si vero testis est falsus in uno puncto, illius depositio corruit.
Es ist auch Christian Friedrich Buchners, des Holtz wächters Zeugniß dahero
unkräfftig, weil es laut act. Curial. fol. 1. ehe Christoph und George gütlich
verhört / aufgenommen worden.
Inquisitus vero prius ad articulos examinandus est antequam testes jurent
& examinentur.
Brunnem. Inquis. Proc. C. 8. m. 1. n. 2. & 3. Carpz. Pr. Crim. P. 3. Qu. 113. n. 9. & 10. Kan auch dessen Zeugniß daher wieder Inquisiten nichts effectuiren, noch das allergeringste indicium erwecken, weil der Zeuge den Zeugen-Eyd nicht in Beyseyn des Inquisiten abgeleget, welches doch die Magdeburgische Policey-Ord. C. 60. §. bey der General-Inquisition 6. in fin. schlechterdings erfordert, dasselbe auch nebst vielen andern Dd. sowohl
Zangerus C. 4. §. 47. de quaest. als Oldekopp. Qu. 4. Tract. de App. in caus. Crim. annex. pet totum. de jure communi dergestalt nöthig erachtet, daß wann die Zeugen in praesentia inquisiti den Zeugen-Eyd nicht abgeleget, das examen vitio nullitatis laborire, und kein indicium ad torturam mache, cum nullum sit ipso jure, quod fit contra leges.
per l. 5. C. de LL: Cap. 64. de R. l. n. 6. id vero, quod nullum est, perinde habetur ac si omnino factummon esset,
L. 1. §. 2. ff. quod quisque juris. Und ist zu verwundern, daß die hiesigen Herren Schöppen, welche doch insonderheit vor andern ihnen die jura provincialia bekannt machen solten, dasselbe nicht consideriret / sondern so fort die tortur erkannt haben. Wenn auch das Zeugniß beständig wäre, so ist doch Zeuge zu Recht verwerfflich, indem er testis unicus ac singularis, cuius testimonium penitus adversatur iuri Divino & civili, und zwar, was das jus divinum anlangt, sind die klaren Worte GOttes vorhanden.
Deut. 19. v. 15. Es soll kein eintziger Zeuge wieder iemand auftreten über irgend einer Missethat oder Sünde, es sey welcherley Sünde es sey, die man thun kan, sondern in dem Munde zweyer oder dreyer Zeugen soll die Sache bestehen. Ratione juris civilis aber geben die
l. 20. ff. de quaest. & l. 9. C. de Test. §. 1. klare maße, und führet deßhalber der gewissenhaffte ICtus und berühmte Criminaliste Herr Dr. Oldekopp Obs. Crim. Tit. 4. obs. 38. p. 268. diese Worte: Ne
|| [55]
mo tamen tam sanctae
inculpataeque est vitae, ut solius ejus assertioni sit standum, nec sufficit
honestas & dignitas personae, ut ei soli fides habeatur, in alterius
praejudicium, ubi loquitur cum Dd. -. An non itaque facile potest contingere, ut
judici in unius hominis fide & conscientia fundamentum tam ardui negotii
ponenti imponatur; Regeret forte quispiam, ejusmodi testis unici testimonium non
ad definitive condemnandum. sed ad torturam tantum sufficere. Verum enim vero
cum agitur de reo torquendo, agitur de hominis salute, allegans Farinac. addit
suam : imo si bona cum pace cujusvis ego responderim,
quae mihi religionis & humanitatis ratio communis fuppeditat, inficias
irc non possum, nec mecum ituri sunt omnes alii, quibus funesta &
horribilis torturae Praxis est cognita, simulac reus trahitur ad equuleum,
statim ei mortem praeparari, ad ultimumque supplicium pontem sterni, ut parum
vel nihil distet ab eo, qui ducitur ad patibulum, nec dum tamen strangulatur per
rationes. -- Hinc multi populi tormenta & quod plus mali quam boni
attulerint, civitatibus, eorumque pernicie plures innocentes quam nocentes
damnaverint, imo quod non malis sed bonis hominibus rempublicam saepe purgarint,
renuerunt. Ob auch gleich einige ex art. 23. ord. crim. behaupten, daß testis
unicus de ipso delicto seu actu immediato & illo quod caput &
praecipuum in causa delicti est, deponens ein gnugsames indicium ad torturam
mache, so praesupponiren sie doch als höchstnöthig, quod 1) testis sit integer,
ein guter tauglicher und unverwerflicher Zeuge, 2) deponat exacte, gründlich,
& reddat rationem dicti sui, per illum sensum corporeum, qui dicto
congruit.
Tabor. ad art. 23. & 30. Clasen. ad eosd. nec non 65. art. ord. Crim. Crusius de indic. c. 4. Quoad 1) ist noch nicht erwiesen und dargethan, daß Buchner ein guter tauglicher Zeuge, wie die Peinliche Halß-Ger. Ord. Carol. V. art. 23 & 30. erfordert, sey, welches doch allerdings geschehen soll, quia lex, constitutio vel statutum non acquiescit illi simplici praesumptioni juris, quod testis sit probatae & integrae opinionis sive bonae existimationis, sed ejus probationem postulant, allermassen mit Anführung des Menochii und sehr vieler andern von dessen citirten Dd. in terminis terminantibus schön berührt,
Oldekopp. obs. Crim. Tit. 4. obs. 38. p. m. 271. und zugleich anführt, daß wo auf die qualitatem testis, quod sc. sit integer ac omni exceptione maior nicht articulirt und selbige erwiesen worden, sothanes Zeugens Aussage gar nicht tauge; und will man nur vorjetzo pro informatione Dominorum concipientium, keineswegs aber denen, so es obliegt, von der pro
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bation qualitatis testis zu befreyen,
dieses erinnern, daß dem Zeugen so wohl EXCEPTIO VILIS ET ABJECTAE CONDITIONIS
als PAUPERTATIS im Wege liege, massen er seinem eigenen Geständniß nach
Holtzwächter allhier ist, dessen Amt darinnen bestehet, daß er auf das auf der
Wiese liegende Floß-Holtz Achtung geben / die Leute, so etwan daran Schaden
thun, oder etwas davon entwenden wollen, pfänden und wegprügeln muß, zu welchem
Amt denn, weil es mit der Häscher ihrem viele Gemeinschafft hat, sich leichtlich
niemand, so nicht abjectissimi animi, gebrauchen lassen wird. Nechst dem
Dürfftigkeit halber kaum von der Hand ins Maul hat, pauper autem repellitur in
criminalibus a testando, sicuti & vilis atque abjectae conditionis homo
a testimonio arcetur in criminalibus.
Lancellot. de off. pl. in causa civ. p. 183. n. 80. Crusius de indic. p. 1. c. 91. Tabor. ad art. 23. ord. Crim. §. 3. in fin. Tantum abest, ut pro teste omni exceptione majore haberi possit, cujus dictum fidem ad quaestionem de reo habendam facit.
art. 23. ord. crim. ibique Dd. Zanger de quaest. C. 2. n. 29. Quippe quod & is, cujus testimonio fides propter exceptionem legibus approbatam detrahitur, testis omni exceptione major dici nequeat.
Zang. d. l. adeo ut & minima exceptio non faciat indicium.
Crus. de indic. P. 1. C. 4. n. 9. Nebst dem stimmet dessen Zeugniß mit Herrn D. N. seinem nicht überein, indem jener fol. 30. ausdrücklich verläugnet, es wären die Weibs-Personen nicht den Weg nach Passendorff, sondern nach der Wiese zugegangen, da hingegen Hr. Dr. N. dem als einem vornehmen Manne und Chux-Fürstl. Brandenb. Bedienten mehr Glauben als ihm beygeleget werden muß, fol. 36. berichtet, daß ihm die beyden Weibs-Personen vor dem Zoll-Hause, welches der eintzige Weg von Halle nach Passendorff ist, begegnet hätten, und also leichtlich zu schliessen, daß wie er in einem falsch deponiret, er es auch im andern nicht unterlassen haben werde, dergleichen Zeuge dann pro omni exceptione majore nicht passiren kan. Si vero testis est falsus de uno puncto, in totum illius depositio corruit.
Alex. in l. si ex falsis. C. de Transact. Clarus Quaest. 13. Nicht weniger weiset die Beylage sub welche nur in passibus utilibus angenommen, derselben aber in praejudicialibus wiedersprochen, auch dadurch an Seiten des Zeugens keine qualitas, quod sc. sit omni exceptione major, agnoscirt wird desuper solennissime protestando, was gestalt der Zeuge Buchner ad art. 16.
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ausgesagt: daß nur Christoph die
Mäntel und Hüte, so an der Erde gelegen, genommen und denen Weibs-Persohnen
gegeben hätte, ingleichen ad art. 19. es hätten die Weibs-Persohnen Herrn D. N.
auf der hohen Brücke, auf welcher man, wie Stad- und Land-kündig (& quod
patet expresse, non est probare necesse,
Wesenbec. Vol. 2. Cons. 58. n. 15.) nach Passendorff gehet, und dahin man sonsten von der Hällischen Schieferbrücke nicht kommen kan, begegnet, da er doch ratione jenes in actis fol. 10. ad art. 12. deponiret, beyde Hallorum hätten die Mäntel genommen und sie denen Weibs-Persohnen gegeben, und obgleich dieserhalb fol. 39. George mit dem Holtzwächter und Scholaren confrontirt wird, so sind doch contra jurantes graves praesumtiones, quae ipsos suspectosreddunt ac ipsorum perversas cogitationes produnt.
Masc. Concl. 49. n. 18. & 31. Man sehe nur, wie der Holtzwächter in einer solchen schweren Sache also frey im Reden, und dieselben auf die betrügliche opinion und extremam incertitudinem setzet. Act. Cur. fol. 5. Die Scholares seynd bald anfänglich a limine testium rejicirt, quia Delator sive denunciator criminis regulariter non potest recipi in testem.
Dd. in l. 7. C. de Accus. Alb. de Malet. in Tr. de test. C. 3. n. 6. Joh. Campeg. de test. reg. 103. in pr. In art. Dcfens. 16. scheinet es, daß Buchner pleniorem animi deliberationem nachhero erlangt, indem er von Georgen gantz abstrahirt; allein es solte Buchner bald Anfangs sein Gewissen wohl examiniret haben, tres ncmpe esse juramentorum comites, veritatem, judicium & justitiam.
Canon animadvert. 2. C. 22. q. 9. Wie er denn dieser praecipitanz halber, so contra reverentiam Numinis geschehen, billig exemplariter zu bestraffen. Weil nun der Zeuge in beyden Puncten sich directo & aperte contradicirt hat, so ist er denen Rechten nach vor nichts anders als einen, so seine Lust in Lügen, und der weder in diesen noch jenem veritatem justitiariam geredet habe / zu halten, auch per consequens pro teste omni exceptione majore, dessen Aussage ein indicium ad torturam zuwege brächte, nicht zu achten, und schreibet der weitberühmte JCtus
Crus. de indic. p. 1. c. 4. n. 4. also: testis qui aperte sibi contradicit, jam mendacii se ipsum constituit reum, ex altero enim necesse est mentiatur, quoniam ex regula Logicorum contradicentia praedicata in uno & eodem subjecto constare nequeunt; disparata, ut ait Ramus, non conveniunt secundum idem & ad idem & eodem tempore, & dicit Blancus, quod testis omnino super verisimili deponere debeat in nulla
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parte sibi contrarius, mit
diesem Anhange, daß dergleichen Zeugniß-deposition ad essectum torturae durchaus
kein indicium mache.
Quoad 2) aber ist in actis überall altum silentium und nirgend zu befinden, daß
der Zeuge gründlich, am wenigsten durch angehengte Ursache, warum er diesen oder
jenen Artickel wahr sagen könne, seine deposition gethan hätte. Nechstdem muß,
wenn unius testis dictum ein indicium ad torturam operiren soll, nichts
vorhanden seyn, welches pro reo militiret,
Clasen. ad art. ord. Crim. 23. in sin. p. 129. & art. 30. p. 157. in actis aber findet sich, daß denselben Abend da die Rencontre vorgegangen, die Schüler einzig u. allein die Weibs-Persohnen, daß sie die Mäntel und Hüte ihnen genommen, inculpirt und mit keinem Wort des Christophs gedacht. Gestalt denn Hr. D. N. fol. 36. deponirt, daß er den 31. May a. c. bey seiner Rückreise von Schraplau nach der Stadt zu gesehen, daß der Holtzwächter Christian Friedrich mit 2. Schülern starck geredet, die er gefragt: was sie denn vorhätten? Darauf sie ihm geklagt, daß sie von 2. Weibsstücken geschlagen und ihnen die Mäntel und Hute genommen worden, wie denn solches auch Buchner der Holtzwächter ad art. defens. 20. & seq. mit Umständen eydlich confirmiret. Nun lässet sich dahero bald errathen, daß die Denuncianten nachhero, daß, wenn sie sich an die Weiber halten solten, ihnen diese, wegen des attendirten stupri violenti zuschaffen machen würden, wohl gesehen, und deßwegen lieber diese Unwahrheit mit dem Zeugen erdacht, als wenn Christoph den Weibern die Mäntel gegeben hätte, gleichwie auch der Zeuge auszusagen nicht vermocht, daß Inquisit die Denuncianten also übel geschlagen etc. daß sie blutrünstig worden, sondern nur fol. 9. b. deponiret daß das Schlagen untereinander gegangen, und die Weibs-Persohnen sowohl mit zugeschlagen, als die Hallorum, also ist wenn gleich das letztere geschehen wäre, welches doch Christoph sich nicht erinnert, und der Zeuge im Hingehen, weil die Action Abends nach 10. Uhr und da es finster gewesen, erfolgt, nicht wohl habe sehen können, dasselbe also nicht beschaffen, daß man ihm deshalben eine mündliche correction geben, geschweige zu einiger Straffe ziehen kan. Gestalt da die Schüler an statt dessen, daß sie zu Hause über denen Büchern sitzen, die Grammaticam ihnen bekannt machen und, einen lateinischen autorem expliciren lernen sollen, wie auch ihr getreuer comes und consiliarius der Holtzwächter ad art. 7, defens. nicht bergen kan, besoffen aus der Schencke (ein fein museum vor solche Kerl die Ruthe dafür ad posteriora s. v.) gekommen, die frembden aus der Stadt Halle gehende Weibs-Persohnen auf öffentlicher Strasse angefallen, sie hier und da begriffen, endlich gar niedergerissen, und wie sie mit Thränen berichtet, nothzüchtigen wollen, diese aber fol. 9. Art. 5. um Christi GOttes willen Hülffe erbärmlich geruffen, Inquisit und George jure naturae in sensa agente verpflichtet gewesen, hinzuzulauffen, dem bedrängeten Theil Hülffe zu leisten, es wieder
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seines aggressoris fernere insultus
zu schützen, und grosse, GOttes Rache und Straffe über das Land ziehende Sünden
verhüten zu helffen, quilibet enim qui alios in periculo constitutos videt, eos
sive sint parentes & alii cognati, sive inimici, sive etiam ignotissimi,
defendere potest & tenetur.
Berlich. cum multis cit. textibus & Dd. Juris P. 4. Concl. 12. n. 44. & seqq. Die Hallorum haben dasjenige gethan, quod ex genere permissorum, pro hisce vero militat praesumtio innocentiae, quae transfert onus probandi in adversarium.
arg. l. 28. §. 2. ff. ex quibus caus. majores. Wenn auch bey solcher defension ein formale homicidium erfolgte, hätte doch poena ordinaria nicht statt und zwar ex favore erga membrum socialitatis, welches dadurch erhalten wird. Concludiren dahero ferner die JCti, quod si video fratrem vel amicum vel etiam ignotum rixantem & pugnantem cum aliquo, & stimulo defensionis proximi aggressorem invadam & occidam, non debeam puniri morte, quia non est animus ante deliberatus, sed tunc supervenit & est actus impetu factus.
Bald. in l. rationes C. de Episc. & Cler. Idem in l. 2. C. unde vi. Alex. Cons. 76. L. 2. Und obwohl fol. 27. art. 14. etwa einer von denen Schülern, weil sie die Weibs-Personen nicht lassen wollen, ehe sie in statum pacis gebracht werden können, etwa blessirt worden, haben sie sich solches als auctores rixae selbst zu imputiren, ex ratione
l. 6. ff. de vi publ. qui causam praebuerunt toti malo. Und obgleich Christoph bey dem ersten gütlichen Verhör ein und andere facta geläugnet, so ist doch dieses in der Defens. pro avert. fol. 30. & 31 excusiret worden, Etiam fatua causa excusat a dolo, per vulgata, hingegen siehet man wie zu respect seiner Obrigkeit Christoph fol. 26. intrepide & rotunde auf die vermeinten inquisitional-articul antwortet und wenn er seinem guten Gewissen nicht getrauet, hätte er sich fol. 26. nebst Georgen fol. 28. ad judicium nicht freywillig, als die in libertate positi gestellet, sondern latitiren können; spontanea vero praesentatio und constitutio ad carcerem hat diese Würckung, daß daraus die innocentia inquisiti in dubio nisi delictum plene probetur, adeo quod alias esset torquendus, stante tali spontanea constitutione, torqueri nec possit nec debeat, quia per ejusmodi constitutionem & comparitionem indicia adversus inquifitos laborantia tolluntur, welches de mente omnium Doctorum ist, testante
Prospero Farinac. L, 1. Tit. 5. quaest. 48. num. 50. usque 54. per ibi citat,
|| [60]
Es ist ungegründet, daß sie deshalb mit denen Weibs-Persohnen in action gerathen,
weil der eine unter ihnen, der, so ihn gegrüsset, nicht gedancket, sintemahl
nicht wahrscheinlich, daß zwey fremde Weibs-Personen Kerle auf der Strasse bey
der Nacht grüssen, u. sich deshalber in ein Gezänck u. Schlägerey einlassen
solten, es auch das Ansehen gewinnet, als wenn die guten Herren mit der
Unwahrheit umzugehen ziemlich gelernet hätten, indem da der eine von ihnen fol.
34. ad punct. 10. praefracte negiret, daß die Weibs-Persohnen nicht gesagt, sie
solten nach Passendorff kommen und sie verklagen, der andere fol. 35. ad eundem
solches klärlich zugestehet.
Zudem wäre es ein Sückgen aus dem Grobiano, wenn so ein Pursch, wie Denuncianten
sind, Leuten, so ihn grüssen, nicht dancken, sondern sich dazu so gut düncken
lassen wolte, es dürffte sich auch derselbe pro injuria nicht anziehen, wenn ihm
von dem, so er zu dancken sich verweigert, vermittelst ein paar Maulschellen
mores gelernet würden. Und wie zu verwundern, daß die Herren Scabini Hallenses
auf des einigen Zeugens Aussage die Tortur erkannt, also ist gleichergestalt
Verwunderungswürdig, daß selbige bey einem solchen facto wie der Zeuge selbst
anführet geschehen. Denn es kan ja ihnen nicht unbekannt seyn, daß die Tortur
nicht statt finde, nisi delicta sint talia, quae poenam torturae majorem,
qualis, est capitalis vel corporis afflictiva post se trahant
Clasen. ad art. 6. ord. Crim. Carol. p. 61. Tabor de tortura C. 4. §. 8. Carpz. P. 3. Qu. 119. n.9. seqq. Den Fall nun gesetzet, doch es in Ewigkeit nicht gestanden, es verhielte sich in facto also, wie der Zeuge Buchner aussaget, würde wohl jemand dassebe denen Rechten nach vor so böse halten können, daß es poenam capitis & corporis afflictivam nach sich zöge? Gewiß kein Mensch wird das thun. Zwar mögen die Herren Hallenses bey Abfassung des Urthels wohl auf die Gedancken gerathen seyn, als wenn Christoph ein crimen rapinae verübet hätte, alleine weit gefehlt, massen wenn der Philosophische canon, cui non competit definitio, ille nec definitum, noch nicht abgeschafft, die definitio rapinae, quae est, quod rapina sit dolosa & violenta rei alienae mobilis contrectatio, qua quis dolo malo rem alienam mobilem lucrifaciendi animo vi aufert.
Dn. Lyserus Prof. Witteb. disp. de rapina. C. 1. der Sache der Inquisiten bald den Ausschlag geben wird; solches aber klärer vorzustellen, so ist ausser allem Streit, daß ad crimen rapinae erfordert werde, 1. HOSTILIS AGGRESSIO
Art. 126. ord. crim. ibi: Boßhafftig. ut quis ex animo insidietur peregrinantibus, ut sua ipsis auferat.
Mev. ad ius Lubec. p. 4. Tit. 2. art. 1. n. 10.
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quippe quod is, qui dum ex casu in rixas vel sermones cum alio incidit, aliquid
aufert, Robbariam non committat.
id. d. l. Wo ist aber in denen actis angegeben, am wenigsten erwiesen worden, daß die Inquisiten auf der freyen Strasse auf jemanden in heimtückischer, boßhafftiger und leichtfertiger Weise zu dem Ende gelauret oder gewartet, auch ihm nachgestellet haben, daß sie ihm etwas von dem seinigen entwenden wollen? Muß nicht der Zeuge vielmehr selbst gestehen, daß sie auf die Wiese um Regenwürmer, solche zum Fischen zu gebrauchen, zu langen gekommen, und sich deßhalb bey ihm niedergesetzt. Anders würden sie wohl nicht aufgestanden und an den Ort, da die Rencontre zwischen den Schülern und Weibs-Personen vorgegangen, gekommen seyn, wenn sie das Geschrey, und das um GOttes, Hülffe, und zwar um Christi willen geruffen worden, nicht gehörethätten. 2. Wird erfordet violenta ablatio
Mev. & Lys. pr. Inst. vi bonorum d. l. Brunn. ad l. 1. C. vi bon. rapt. & quidem requiritur non quaevis violentia, sed quandoquidem verbum RAPERE vim & violentiam sonet, adeoque rapina absque violentia concipi nequeat
Fatin. oper. Crim. P. 5. Q. 145. §. raptus. n. 107. quae committitur vi majori ac hostili.
Carpz. in Pr. Crim. P. 2. Qu. 91. n. 3. & 4. & per quam terror hostilis viatoribus incutitur, cum INIUSTUM, quod perpenderunt Legislatores in crimine rapinae, consistat praecipue in TERRORE viatoribus hostiliter incusso, minus principaliter in bonis ablatis
Jo. a Felde in elem. jur univ. P. 2. membr. 5. art. 6. §. 2. Wo ist aber in denen actis angegeben, weniger erwiesen, daß Inquisiti die allergeringste Gewalt verübet, und vermittelst derselben die Mäntel und Hüte, auch Hals-Krausen denen Schülern abgenommen, oder sie die Mäntel herzugeben genöthiget haben? Nicht ein Buchstab erhellet davon ex actis ja nicht einmahl dieses, daß sie die geringsten minas, geschweige ein telum oder stimulum gegen die Schüler gebraucht, und dadurch ihnen einigen metum incutirt, und ob sie schon (wie der Zeuge, gleich die Denuncianten fol. 33. & 35. ad punctum 3. gethan, ausgesaget) die Mäntel und Hüte, so an der Erde gelegen, genommen, und denen Weibsstücken gegeben hätten, welches dieselben constanter negiret, so könnte dennoch, daß dabey einige vis, geschweige atrox ac hostilis adhibirt worden wäre, nicht asseriret werden, gestalt auch wohl ein kleines schwaches Kind dasselbe zu thun vermögend gewesen, ja das contrarium hujus requisiti 2. lieget am Tage, indem Georg, wie Inquisit Christoph fol. 12. gestehet, die ablation, Friede und Sicherheit zu erhalten, mit Macht fol. 28. art. 16. verwehret, denen Weibsstücken die Mäntel abge
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nommen, und denen Schülern gegeben, welches factum mehr rühmlich als
straffbar, nam finis primarius poenarum est emendatio communis, der es hier
nicht bedarff, man wolte denn virtutes vitia tituliren.
3. Wird erfordert, quod ablatio sit facta animo lucrifaciendi
Lyser. in diss. de rapina C. 1. §. 1. Farinac. quaest. 16. n. 31. Wo erscheinet aber ex actis das geringste, daß Inquisiti die Mäntel und Hüte behalten oder davon was genossen haben, vielmehr geben sowohl die Denuncianten, als der Zeuge vor (welches sie aber annoch negiren) daß die Mäntel und Hüte denen Weibs-Personen gegeben worden, und diese damit davon gegangen wären. Wannenhero jeder siehet, daß Inquisiti so wenig einen Vortheil von denen dem Vorgeben nach weggekommenen Mänteln und Hüten als animum lucrifaciendi gehabt haben können. Et si nulla adest spes lucrandi, dolus adesse non videtur
l. ult. ff. de ritu nupt. da doch pro requisito 4. erfordert wird dolus malus
l. 2. pr. ff. de vi bon. rapt. Carpz. d. quaest. 91. n. 1. dolus vero & animus delinquendi non praesumitur
per text. in l. 51. ff. pro soc. Woraus will aber an Seiten der Inquisiten ein dolus malus oder propositum malum erzwungen werden? in Wahrheit aus nichts. Posito namque, sed non concesso, es hätte Christoph fol. art. def. 16. denen Weibs-Personen die auf der Erden gelegene Mäntel gegeben, so zeugen von Denuncianten und denen Zeugen selbst angezogene Umstände, daß solches nicht animo doloso & intentione rapiendi sondern deßhalber geschehen wäre, damit von denen Weibs-Personen die Schüler vermittelst der Mäntel und Hüte, daß sie diejenigen wären, welche sie auf öffentlicher Strasse angefallen, niedergerissen und ihren bösen Willen höchststraffbarer Weise an ihnen verüben wollen, überführen oder sie doch so lange retiniren mögten, bis die aggressores ihnen des zugezogenen Schimpfs halber satisfaction gegeben, welches denn, zumahlen die Schüler hiesiges Orts fremde und nicht angesessen, man sie auch nicht gekannt, nicht nur nicht verbothen, sondern auch zugelassen ist.
vt ea. quae habet Jo. Franc. Balthas. P. 4. variarum rerum. Tit. 15. res 1. n. 4. seq. Chassan. in Consuetud. Burgund. §. 5. n. 55. & §. 7. n. 8. Zu geschweigen, daß Rechtens, quod quando factum aliquod ita est qualificatum, ut ex illo resultare possint duae praelumtiones, una doli mali & delicti inclusiva, altera exclusiva, semper illa, quae delictum excludit, praeferenda sit.
Jo. Fichard. Tom. 2. Cons. 108. n. 2.
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& a judice praesumendum sit, id quod in indiciis continetur, alia mente
fieri potuisse
Clasen. ad art. 6. ord. Crim. p. 61. In Summa: Wenn Inquisiti animo rapinam committendi auf die Wiese gegangen, daselbst auf fremde Leute heimtückischer Weise gelauret, die Schüler, als sie selbige gewahr worden, ohne Ursach von freyen Stücken angefallen, ihnen die Mäntel und Hüte, auch Hals-Krausen mit grosser Gewalt, animo lucrifaciendi abgerissen und damit sich davon gemacht hätten, so möchte auch dahin stehen, ob sie ein crimen rapinae verübet, wiewohl doch von vielen Doctoribus annoch erfordert wird, quod sit aggressio facta adhibito ferro & spoliatio saepius iterata.
Anton. Faberl. 9. C. Tit. 25. Def. 7. n. 3. Stephan. ad art. 126. ord. Crim. Nachdem aber kein eintziges von allen dem, was jetzo angeführt, geschehen, so ermisset, wie gedacht, ein jeder, daß wenn es sich schon in facto überall, als wie die Denuncianten und Zeuge selbst angegeben, verhielte, doch weder ein crimen rapinae noch ein ander delictum, welches einige poenam corporis afflictivam nach sich zöge, herauskäme; auch folgendlich keine tortur statt finde / ne quis gravius puniatur ex modo probandi quam ex modo condemnandi, quippe quod tortura corpus laceret, & ipsa morte durior sit,
Tabor. de tortura d. l. ac gravior utriusque manus abscissione.
Carpz. P. 3. Qu. 119. n. 10. Daß aber Christoph und George praesumtiones juris vor sich haben, resultirt aus Christian Buchners, Zeugens Aussage sol. 9. art. 3. daß sie ihrer Nahrung nach Würmer zum fischen wollen suchen, sie wären auch länger bey ihm sitzend blieben, wenn sie nicht art. 5. gehört, daß die Weibs-Leute um Hülffe geruffen, daraus offenbahr, daß sie weder habitudinem ad delinquendum noch animum laedendi sive dolum nicht gehabt, welches das requisitum cardinale primum ist, so seynd auch keine arma lethifera bey ihnen zu finden, ja gar inermes gewesen, welche die raptores aus Furcht, wenn sich adversarius opponiren mögte, bey sich führen. Es ist auch die vermeinte Wegnehmung der Mäntel etc. in keinem loco illicito geschehen, sondern auf der Wiese bey der Stadt Halle, darauf nicht allein die Thürmer ihre Augen wegen der Wacht haben, sondern auch die ex opposito an der Saale ihre Wohnung, stets die objecta daselbst observiren, auch dergleichen actiones remomotis arbitris, absonderlich weil diese Strasse weder Tag noch Nacht leer, nicht geschehen können, und ein Gemüth / das auf Schlägerey und Raub ausgehet, dieses communi sensu überlegt und wohl in acht nimmt, daß also alle requisita rapinae in praesenti processu ermangeln, wie oben angemerckt, absonderlich sind beyde In
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quisiti
bonae vocis & famae & non soliti depraedari. Als kan einiger
Verdacht oder indicium wieder sie nicht hafften, furtum quoque non praesumitur
factum a viro probo & bonae conditionis & famae
Menoch. L. 5. praesumt. 29. n. 4. est enim bona fama magnae importantiae & effectus, adeo, ut ea probata minuat indicia urgentia contra reum, qui est bonae conditionis, ut si etiam RAPINA vel res FURTIVAE inveniantur penes eum, non propterea erit indicicium contra eum, aut praesumtio, quod talia rapuerit vel subtraxerit.
Decian. Cons. 92. vol. 2. Bald. in l. fin. ff. de hered. instit. Hippol. de Marsil. in pr. Crim. §. diligenter n. 69. Nun kan kein Zeuge in actis auftreten, der da sagen könne, es wäre jemahls einer Nadel werth von Diebes-Stücken bey Inquisiten gefunden worden, non obstat, daß in E. E. Raths Acten fol. 6. und in Thal-Gerichts-Acten fol. 33. und 35. art. 3. vorgegeben wird / es hätten die Hallorum die Hüte und Mäntel genommen und weggegeben, so entstehet jederzeit die Frage: quo fine, an propter bonum, verum vel apparens. Et si hoc posito sed in praejudicium veritatis non concesso hätten sie vielleicht vermeinet, weil die Weibsstücken die Sache klagbar machen wollen, ihnen ein medium & modum artificialem probandi zu verschaffen, damit faciliori via sie zu ihrem Recht gelangen möchten, weil sie fol. 31. sehr querulirt, quando vero actus referri potest ad bonum & ad malum, refertur ad bonum
Menoch. L. 5. praesumt. n. 16. & ubicunque modo talis interpretatio capi potest, quae in rei favorem & liberationem tendit, eam amplecti debemus.
Hipp. de Marsil. Pr. Crim. §. postquam n. 14. in sin. Allein weil diese Zeugen inhabiles in civili judicio, vielmehr, da wir in criminali judicio versiren, ist weitere Beantwortung nicht nöthig. & quia ex praemissis infertur, quod Inquisitis nulla culpa adscribi possit, culpa igitur ceslante, cessare debet poena, quae pro culpa imponitur.
l. Neratius §. fin. l. aliud ff. de V. S. l. sancimus C. de poenis. Und wundert unschuldige Inquisiten nicht wenig, warumb sie alsbald in ein solch hart Gefängniß gesetzt, auch über öffentlichen Marckt etliche mahl zu gröster Beschimpfung zum examine aufs Rathhauß geschlossen geführet worden. 1) Weil nun Inquisiten die Gefängniß-Straffe vom 23. Jul. a. c. da sie fol. 27. inhaftiret worden, annoch continue aushalten müssen, und ihren armen Weibern und Kindern nichts erwerben können, daß sie jetzo fast die Bettelbrocken essen müssen, carcer namque est mala mansio & torturae species dicitur.
l. 7. ff. depositi.
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Bald. in l. 2. n.
7. de episc. audiend. Rol. a Vall. vol. 3. Cons. 17. & 18.
Auch 2) kein Gemüth und Vorsatz die Schüler zu schlagen und zuberauben gewesen,
deficiente vero doloso animo delictum non committitur quoad poenam sc.
corporalem.
Gail. 2. Obs. 110. n. 3. 3) Inquisiti sich niemahls des Raubs beflissen, dahero Jolephus Ludovici conscientiose redet.
Decis. 15. n. 85. pietatem maxime exercendam esse in illum, qui non solitus committere crimina. 4) Lässet auch Christoph fol. 31. seine Reue sattsam spühren, und excusirt sich, daß er in frontispicio der Obrigkeit, so jus & facultatem quoquo modo veritatem a reo exsculpendi non citra simulationis culpam, das malum, woraus alles entsponnen, nicht eröffnet, und ist jetzo ein gutes Werckzeug, daß in die frevele That, so die Schüler mit denen Weibsstücken ausgeübet, inquirirt und solche Fleisches-Wollust, dadurch GOttes Zorn entbrennt, und Städte und Länder in Ruin gerathen, der Gebühr nach bestrafft werden könne. Dannenhero bitten in diese Inquisition unschuldig gezogene Defendenten, diese Umstände reiflich und wohl zuerwegen, daß sie beyde Inquisiti Christoph und George von angestellter Inquisition billig zu absolviren, Denuncianten aber ihnen die verursachten Unkosten zu ersetzen, auch ihnen einen Gerichts-Schein in forma probante statt einer Ehren-Erklärung auszureichen schuldig, auch daß Inquisiten wieder die denuncianten actionem injuriarum anzustellen wohl befugt. Uber welches alles, und was sonsten omni meliori modo gebethen werden können, sollen, oder mögen, Inquisiti nobilissimum judicis officium pro juris ac justitiae administratione humiliter imploriret, und sich einem zuverläßigen absolutorischen Urtheil submittiret haben wollen. In vorstehender Defension haben sich die defendentes auf Christian Friedrich Buchners als defensional-Zeugens für denen Berg-Gerichten den 1. Augusti 1690. von neuem geschehene eydliche Abhörung ad articulos sub passim bezogen, die fol. 75. bis 80. in Actis zu lesen, undalso lautet: Art. 1. Wahr, daß am 30. May a. c. Abends um 9. Uhr 2. Hallorum, Christoph und George vor das Clauß-Thor gangen und sich zu Zeugen niedergesetzt? T. Ja. Art. 2. Wahr, daß sie Würme zu ihrem fischen zu suchen ausgangen? T. Das hätten sie ihm gesagt, daß sie Würme suchen wollen. Art. 3. Wahr, daß 2. Weibs-Persohnen vor sie auf der Brücke vorbey und nach Passendorfs zugangen? T. Ja Art. 4. Wahr, daß die Hallorum bey ihrer Meinung Würme zu su
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chen sitzen blieben? T. Sie wären bey ihme sitzen blieben. Art. 5.
Wie lange sie nach der 2. Weibs-Persohnen vorbey gehen sitzen blieben? T. Ein
paar Vater unser lang wären sie bey ihm sitzen blieben, als die Weibs-Persohnen
vorbey gangen gewesen. Art. 6. Wahr, daß 2. Schüler von einer Schencke, die
Pulvermühle genannt, nach der Wiese zugegangen gekommen? T. Ja sie wären von der
Pulvermühle hergekommen. Art. 7. Wahr, daß die Schüler bezecht gewesen? T. Ja,
sie wären etwas betruncken gewesen. Art. 8. Wahr, daß sich ein Streit zwischen
den 2. Schülern und denen 2. Weibsstücken auf der Wiese erhoben? T. Ja, die eine
Weibs-Persohn hätte umb Hülffe geschryen, und wäreu darauf die Hallorum bey ihm
Zeugen weggelauffen. Art. 9. Wahr, daß die 2. Hallorum, wie dieser Streit
angegangen, noch bey ihm auf der Brücke gesessen? T. Ja, wie die Weibs-Persohnen
angefangen zu schreyen, so wären die Hallorum bey ihm aufgestanden, und
weggelauffen. Art. 10. Wahr, daß die Weibsstücken die Hallorum umb Hülffe
geruffen? T. Ja. Art. 11. Wie weit diese von ihnen gewesen? T. Es wären
ohngefehr 100. Schritte gewesen. Art. 12. Wahr, daß Zeuge mit den Hallorum von
der Brücke zu den Weibsstücken gelauffen, und sie vor Gewalt beschützen wollen?
T. Ja, er wäre denen Hallorum nachgelauffen, und als er zu ihnen kommen, wäre
alles schon bund übergangen. Art. 13. Wahr, daß sie die Weibsstücken gantz
entblösset angetroffen? T. Sie wären in ihren Kleidern gegangen. Art. 14. Wahr,
daß die beyden Weibsstücken sich gar starck denen Schülern zur Gegenwehr
gestellet, sie auch blutig und zergekratzt unter dem Gesichte gesehen? T. Ja,
sowohl die Weibs-Persohnen, als die Hallorum hätten auf die Schüler
zugeschlagen, diese hätten auch sehr blutig ausgesehen. Art. 15. Wahr, daß der
Schüler Mäntel und Hüte auf der Erde gelegen haben? T. Ja. Art. 16. Wahr, daß
solche Mäntel und Hüte die Weibs-Bilder selbst aufgehoben, und damit davon
gegangen? T. Ein Hallorum hätte die Mäntel aufgehoben, und denen Weibern
gegeben, und wäre es Christoph gewesen. Art. 17. Wahr, daß Görge dem einen
Weibsstücke den Mantel abgenommen, und dem Schüler wieder zugestellet? T. Das
hätte er nicht gesehen. Art. 18. Wahr, daß das Weibsstücke dem Schüler solchen
mit Gewalt wieder abgenommen? T. Das wüste er auch nicht. Art. 19. Wahr, daß die
Weibsstücke mit denen Mänteln und andern Stücken dem Churfürstlichen
Brandenburgischen Inspectori Herr D.N. begegnet? T. Ja auf der hohen Brücke
hätten sie ihm mit den Mänteln und Hüten begegnet. Art. 20. Wahr, daß die
Schüler zu Herr D. N. gesagt, die Weibsstücke hätten sie geschlagen gehabt? T.
Die Hallorum hätten zu Herr D. N. gesagt, daß die Weiber die Schüler geschlagen.
Art. 21. Wahr, daß sie gleichfalls zu ihm gesaget, und geklagt / daß die
Weibsstücken ihnen die Mäntel und Hüte genommen? T. Die Schüler hätten es ihm
auch geklagt, daß die Weiber ih
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nen
die Mäntel genommen. Art. 22. Wahr, daß Herr D. N. sie schimpflich gehalten, daß
sie denen Weibsstücken die Macht gelassen, mit ihnen also zu verfahren? T. Es
wäre freylich lächerlich gewesen. Art. 23. Wahr, daß ohngeachtet bey solchem
discours Christoph und George gegenwärtig gewesen, von einigem Verdacht wieder
sie die Schüler kein Wort gemeldet? T. Das wüste er nicht. Art. 24. Dannenhero
illative wahr, daß Inquisit Christoph an der Abnahme keine Schuld. Est
illativus. Art. 25. Auch ferner wahr, daß Inquisit ab inquisitione zu
absolviren, und der Hafft zu entledigen sey? Est illativus.
§. XII. Ob nun wohl die vorstehende defension, wie der Augenschein(Das dritte Urtheil wieder die beyden Inquisiten.) weiset, mit allegatis und Latein zur Gnüge
versehen war, ich auch dabey für mich eben nicht viel sonderlichs zu erinnern
habe, ausser daß es vielleicht besser gewesen wäre, wenn der Herr Defensor die
passim wieder die Herren Scabinos, die die vorige Urtheil gesprochen, gebrauchte
verba etwas glimpfflicher vorgebracht und in factum temperiret hätte; auch die
Acta in den Schöppenstuhl nach Leipzig geschickt, und daselbst zugleich rationes
decidendi begehrt wurden, so konten doch auch aus diesem Urtheil, welches noch
im Augusto gesprochen war (Act. sol. 83, bis 88.), die beyden Inquisiten wenig
Trost finden.
P. P. Daß obgedachter Christoph und George in der übergebenen Defension etwas, so
ihnen zustatten kommen möchte, nicht ausgeführet, derowegen es bey den fol. 13.
& fol. 48. & seqq. befindlichen Urtheln nochmahls bleibet, und
werden demnach beyde Inquisiten, wenn sie es zum Angriff kommen lassen, hierüber
mit allem Ernst befraget, ob sie nicht die beyden Schüler angerührter massen
angefallen und geschlagen? Ob sie nicht auch ihnen die Mäntel, Hüte und Krausen
abnehmen helffen, und denen beyden Weibs-Personen zugestellt, daß sie solche
mitnehmen können? Wer diese Weiber gewesen, und wo sie sich aufhalten? Ob sie
nicht von denen abgenommenen Sachen etwas empfangen, oder zu gewarten gehabt? Wo
sie damit hinkommen? Was sie mehr dabey gethan, und ihnen hierumb bewust sey?
Wann nun ihre gütliche oder vor dem Scharfrichter gethane Aussage mit besondern
Fleiß aufgezeichnet, zu denen Acten gebracht, und nebst diesem wieder
überschickt wird, so ergehet darauf ferner, was Recht ist. V. R. W.
Rationes decidendi.
Ob wohl beyde Inquisiten in der fernerweit übergebenen Defension vornehmlich
anführen, daß nicht so fort wieder ehrliche und unbescholtene Leute mit der
Inquisition zu verfahren, und dahero auch sie anjetzo damit verschonet werden
sollen, zumahl da sie kein strafbahres factum verübt, sondern nur denen beyden
Weibs-Persohnen, welche von denen Schülern angefallen und genothzüchtiget werden
wollen, zu Hülffe kommen, auch ein gnugsamer Verdacht wieder sie disfalls nicht
verhanden,
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und weder die
geschlagenen und beraubten Schüler, Martin und Jonas, indem sie Dununcianten
seyn, noch der abgehörte Zeuge, Christian Buchner, in Ansehung, dessen
deposition ziemlich general und mit Herr D.N. attestato nicht überein kommen, er
ein armer Mann, testis unicus & varians, und den Zeugen-Eyd in der
Inquisiten Gegenwart nicht abgeleget, sie graviren können; im übrigen, wenn ja
was strafbares von ihnen begangen worden, sie solches durch die bishero
erlittene Hafft zur Gnüge verbüsset; Dieweil aber dennoch, was wegen nicht
allzugeschwinder Verfahrung mit der Inquisition wieder einen sonst ehrlichen
Mann angeführet worden, theils von dem Fall, wann wieder denselben keine
erhebliche und sufficiente Indicia vorhanden, theils de delictis levioribus
zuverstehen, deren keines von beyden auf gegenwärtigen Fall appliciret werden
kan, indem allhier, wo nicht ein robaria, doch zum wenigsten eine grosse Gewalt
auf öffentlichen Weg verübet worden, die Inquisiten auch, daß sie, als diese
Thätigkeit vorgangen, dabey gewesen, (wiewohl Christoph erst nach vielem
leugnen) nicht in Abrede seyn mögen, hierüber sowohl die beyden Schüler, als der
abgehörte Zeuge Christian Buchner, daß sie auch Hand mit angeleget, vermittelst
Eydes erhärtet, und also wieder sie, die Inquisiten, wie in denen vorigen
Urtheln mit mehrern ausgeführet, disfalls ziemliche Vermuthung fürhanden,
hingegen daß sie, daß die Weiber von denen Schülern zuerst angefallen, und
unzüchtig begriffen werden wollen, mit nichs dargethan, auch nicht glaublich /
weil sie selbst nichts gerüget, noch biß anhero sich angegeben, und dergestalt
mehrbeniemter Schüler eydliche Aussage allerdings zu attendiren, und ein
Denunciant, nach Gelegenheit der mit einlauffenden Umstände, zum Zeugnüß wohl
zuläßlich, auch des abgehörten Zeugen Buchners angezogenes Armuth ihn so wenig,
als die eingegebenen variationes, dessen Zeugnüß ungültig machen kan, zumahl
diese, die variationes, gar leicht und mit D. N. attestato conciliiret werden
können, und obgleich ein Zeuge wieder einen delinquenten zur comdemnation nicht
gnug, so kan doch derselbe dadurch so weit daß er seine Unschuld, nach
Beschaffenheit des Verbrechens und derer verhandenen Indicien entweder jurato,
oder vermittelst der Tortur erhalten muß, graviret werden, die Zeugen auch in
Inquisitionibus nicht eben wie in processu accusatorio ordinario in Gegenwart
des Inquisiti vereydet werden dürffen, im übrigen dieses Verbrechen nicht so
gering, oder dergestalt beschaffen; daß es sich mit etlich wenig Wochen
Gefängnüß verbüssen läst, so ist von uns gesprochener massen billich erkennet
worden.
Man siehet sonst aus dem Urtheil selbst, daß es etwas förmlicher eingerichtet,
indem die Fragen, worüber die Inquisiten bey der territion befraget werden
sollen, deutlich ausgedruckt sind. So ist auch in denen rationibus dubitandi
nichts vergessen worden, sondern man hat alles dasjenige was in der defension
pro Inquisitis vorgebracht worden, und ein
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vernünfftig dubium mit sich führet, kurtz jedoch deutlich
allegiret, und sich darauff in rationibus dubitandi zu antworten fleißig
angelegen seyn lassen.
§. XIII. Den 16. Augusti wurde beyden Inquisiten (fol. 89. seq.)(Was nach dem dritten Urtheil im Proceße ferner
vorgegangen.) der Inhalt des Urtheils angedeutet, und sie dabey
vermahnet, ihr Bekäntnüß richtiger zuthun, sonst würde selbiges ehestens an
ihnen exequirt werden. Sie erhielten aber ab illustri Regimine auf ihre
eingegebene supplication fol. 91. bis 100. den 20. Augusti ein Rescript, daß man
ihnen auf ihre Kosten noch eine defension verstatten solte. Ferner hat der
Thal-Vogt fol. 103. seq. folgenden Bericht eingeschickt.
Am 28. Augusti Abends vor 6. Uhr hat mich der Stock-Meister durch seine Frau aufs
Rathhauß erfordern lassen, welcher mir etwas sagen wolte, wegen des Inquisiten
Georgens, als ich nun zu ihme dem Stockmeister kommen, sagte er, es hätte George
in zwey Tagen weder essen noch triucken wollen, sondern gäbe vor, er hätte was
auf seinem Hertzen, bäthe, wenn er nur noch einmahl solte vor den Herrn
Saltzgräffen kommen, wolte er es alles sagen, wie es zugegangen wäre mit den
Schülern; worauff ich dem Stockmeister gesagt, er solte mir die Thüre vor dem
Brodt-Gewölbe aufschliessen, ich wolte mit Georgen reden; als ich vor das
Brodt-Gewölbe kommen, und gefragt, was sein Verlangen wäre, er hätte ja mit dem
Stockmeister geredet, ob hätte er was auf seinem Hertzen, das wolte er gerne loß
seyn, könte weder essen noch trincken, worauf ich ihme zugeredet, er sollte Gott
und dem Richter die Ehre geben, die Wahrheit sagen, warum er um eines andern
willen da sitzen und sich Ungelegenheit und Schimpff über den Hals ziehen wolte:
Worauf ermeldter George anfieng: Ich solte dem Herrn Saltzgräffen nur sagen, so
wäre es hergegangen: Er wäre den Tag, als es geschehen, nachdem er vorhero 4
Wagen Saltz geladen, Abends gegen 6. Uhr in grauen Wolff, auf dem Steinwege
gegangen, und hätte eine Kanne Bier trincken wollen, da wäre Christoph nebst
Christian Frosch gewesen, welche mit den beyden Weibsstücken, so des alten
Heu-Binders Töchter gewesen, getantzet, und hätte ihm Frosch angeredet: Gevatter
Petze, komm doch mit mir, wir wollen da nausgehen nach der Wiese; er aber George
hätte sich solches offt geweigert, die Weibsstücken hätten sich verlohren,
endlich auf vielfältiges Froschens Anhalten wäre er mit Christophen hinaus über
die so genannte Schieber-Brücke gegangen, sich an dem Kulge zu dem Wächter
Buchner gesetzet, allwo ein Geschrey sich erhoben, als sie ein klein weiligen da
gesessen, je helfft uns doch Kieren-Christel, kommt und helfft uns doch! darauf
wäre er sachte nach Christophen, welcher vor ihme geschwinde hinweg gelauffen,
hinter hergegangen, als er aber an die Holtz-Schüchten kommen, hätten sich die
Schüler nebst denen Weibsstücken und Schumannen geschlagen, und hätte er
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George gesehen, daß die Weibsstücken
die Mäntel gehabt, Schumann den Schülern die beyde Hüte von Köpffen gerissen,
und auch den Weibsstücken gegeben. Welches er alles ausführlich erzehlen wolte,
wenn er würde vorkommen. Weinete und sagte, er würde so voll Ungeziefer, und
drückte ihm sehr auf dem Hertzen, könte es nicht verschweigen, es hätten ihn
Frosch und Christoph darzu beredet, daß er nichts aussagen sollte, damit sie
nicht in Ungelegenheit kommen möchten. Dieses alles habe ich dem Chur-Fürstl.
Brandenb. Hochwohlverordneten Herrn Regierungs-Rathe, wie auch Saltz-Gräffen
berichtet, welcher so fort befohlen, weil es heute zu späte, die Herren
Ober-Bornmeistere und Secretarium morgen geliebts G. um 7. Uhr aufs Thalhaus zu
bestellen, da ermeldter Inquisite Görge sollte darüber vernommen werden.
Hierauf ist den 29. Augusti George fol. 105. seq. über vorstehenden Bericht des Thalvogts vernommen worden. Demnach Inquisit George sich gestern gegen den Thalvoigt vernehmen lassen, wie ihm leid sey, daß er bishero geleugnet, er wolle nunmehr die Wahrheit sagen, wenn er aufs Thalhauß gebracht würde, darum er heute aus dem Gefängniß vom Rathhause aufs Thalhauß gebracht und ermahnet worden, die Wahrheit zu sagen. Worauf er antwortete, er wolte nunmehro sagen, wie die Sache ergangen, Er wäre denselben Tage, wie es vorgegangen, in den grauen Wolff nach Glaucha gangen, daselbst Christoph und Christian Frosch auch gewesen, und mit des gewesenen Heubinders zwo Töchtern bey anderthalben Stunden getantzet, hernach hätten sich diese beyde mit denen Weibsstücken beredet, und wären die Weibs-Personen stracks weggangen, darauf Christoph und Frosch, was sie getruncken, bezahlet, und Christoph von oben aus der Schencke herunter gangen, Frosch aber droben geblieben; Frosch hätte droben zu ihm, Inquisiten gesagt, er solte mit Christophen gehen, Er George habe gefragt: wohin? da hätte Frosch gesagt: du wirst es wohl sehen, und setze dich nur hinaus auf die Brücke an den Kulck, und warte daselbst mit Christophen, Frosch wäre in die Stadt gangen und gesagt, er wolle noch jemand darinnen ruffen, er George habe sich überreden lassen, und wäre mit Christophen hinaus an obgedachten Ort gangen, und gewartet; wie sie nun etwa eine vierthel Stunde gesessen, da hätte sich ein Geschrey von denen Weibs-Personen, die in dem grauen Wolffe gewesen, und mit Froschen und Christophen getantzet, erhoben: Ach Herr JEsu Christ, Kühren Christel helfft uns! sie bringen uns umbs Leben. Damit wäre Christoph (der insgemein Kühren-Christel genannt wird) hinzugelauffen, Inquisit aber noch ein wenig zurück blieben, endlich aber mit dem Wächter nachgegangen, wie er nun nebst dem Wächter darzu kommen, hätte ein Schüler mit dem einen Weibsstücke an der Erde gelegen, auf welchen Christoph zugeschlagen, die andere Weibs-Person hätte da gestanden, und
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der Schüler Mäntel
unter dem Arme gehabt, da wäre er Inquisit, zugelauffen, und dem Weibsstücke
einen Mantel wieder genommen, dem Schüler gegeben, und gesagt: Ihr werdet die
Mäntel den Kerlln nicht gar nehmen, das Weibsstücke aber hätte dem Schüler den
Mantel wieder genommen, die Schüler wären auf das Weibsstücke zugelauffen, und
ihr die Mäntel wieder nehmen wollen, Christoph aber hätte den Schülern
abgewehret, auch ihnen die Hüte vom Kopffe gerissen, und hingeworffen, daß sie
die Weibs-Personen auch zu sich genommen, ein Stück von der Hals-Krause und Band
hätte er gefunden, davon er ein Stück Froschen gegeben, die Weibsstücken wären
mit dem genommenen Zeuge immer die hohe Brücke hinaus gegangen, und als die
Weibsstücken das Zeug etwan wohin gelegt gehabt, wären sie wieder zurück kommen,
bis an die Weiden und hätten zu den Schülern gesagt: Wir wollen das Zeug zum
Pfande behalten, darumb daß ihr’uns habt angegriffen, geht hin und klagt, wir
wollen uns so lange zu Passendorff aufhalten, und wären in einem wieder über die
hohe Brücke fortgangen, indem wäre Frosch auch hinaus kommen, Christophen aber
möchte es leid geworden seyn, daß sie das Zeug mitnehmen lassen, und wären sie
dreye insgesamt hinter hergangen, und die Weibsstücken gesuchet, solche aber
nicht finden können, darumb sie nach Passendorff gangen in die Schencke, und
daselbst bey dem Wirth bestellet, daß wenn Weibs-Personen in die Schencke kämen,
die Mäntel und Hüte hätten, er sie anhalten sollte; er könte es mit gutem
Gewissen erhalten, daß Christoph und Frosch die Weibsstücken hinaus bestellet /
massen denn nach geschehener That Christoph zu Inquisiten gesagt, er sollte
sagen, sie hätten wollen Regenwürmer zum angeln suchen, damit man nicht mercken
solle, daß sie die Weids-Personen hinaus bestellet, Frosch hätte ihm auch
gesagt, er sollte es leugnen, sie hätten ihm nichts gegeben, auch nichts
versprochen, es zu verschweigen. Christoph hätte den dicken Schüler geschlagen,
und den andern im weissen Rocke in das Angesicht geschlagen, davon er geblutet,
da doch die Schüler Christophen nichts gethan, sondern ihn nur gebeten, ihnen zu
helffen daß sie ihr Zeug, nemlich die Hüte und Mäntel wieder bekommen möchten.
Heubinders Töchter wären berüchtigte Leute, sonderlich hätte die eine hier
gestohlen, und wäre verweiset worden; Inquisit betheuret hoch, daß er mit keinem
Finger die Schüler berühret oder ihnen etwas abgenommen, und den Huren gegeben,
er hätte keine Mittel defension zu führen, hätte auch damit nichts zu thun.
Des Nachmittags hat man fol. 108. b. sequentibus Christophen über Georgens
Aussage summarisch vernommen.
Inquisit Christoph wurde aus dem Gefängniß vom Rathhause aufs Thalhaus gebracht,
und ihm Georgens heutige Aussage vorgehalten, und befragt, ob er auch in sich
gehen und gestehen wolte, was er bishero geleugnet. Derselbe antwortet, er könte
nicht mehr gestehen, als was er schon gestanden, denn er wisse nichts mehr;
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mit denen Weibs-Personen hätte er
zwar getantzet, kennete sie aber nicht, er hätte die Schüler auch nicht
geschlagen, vielweniger ihnen etwas genommen, wie die Schlägerey geschehen, und
die Weibs-Personen die Sachen weggetragen gehabt, hätte er gesagt zu denen
andern: wir könten in Verantwortung kommen, warum sie denen Weibsstücken
nachgegangen, und zusehen wollen, wo sie hinkommen, sie hätten aber selbige
nicht antreffen können. George könte nicht sagen, daß er denen Schülern was
gethan, oder genommen. Wie ihm ferner zugeredet wurde: Warumb sie die
Weibs-Personen nicht zu Zurückgebung der Sachen angehalten, ehe dieselben
weggegangen? antwortet er: Er habe es nicht so bedacht. Ihm wurde gesagt: es
sollte die Wahrheit schon aus ihm gebracht werden, und George es ihm unter die
Augen sagen. Ille: das möchte er thun, wenn es lange währete, müste er sich
selber was anthun. Ihm wurde solches verwiesen, und dem Thalvoigt befohlen,
denen Stadt-Knechten zu sagen, daß sie ihm kein Messer lassen solten. Weil er
nun bey seinem leugnen bliebe, ist gedachter George auch aus dem Gefängniß vom
Rathhauß aufs Thalhauß gebracht, und Christophen vorgestellet worden, und sagt
derselbe das, was er heute früh ausgesagt, Inquisiten Christophen unter Augen,
Christoph aber will nichts gestehen, auch die Weibs-Personen nicht gekannt
haben, ohnerachtet er mit ihnen mehr getantzet: daß die Weibs-Personen
Kühren-Christel geruffen, hätte er nicht gehöret, denn er hörete schwerlich. Zu
Hülffe wäre er ihnen kommen, und zwar mit Görgen zugleiche, ein paar Ohrfeigen
hätte er dem einen Schüler im schwartzen Kleide gegeben, weil sie gesagt, die
Weibs-Personen wären ihre Huren, dem andern aber hätte er nichts gethan,
ohnexachtet ihm George nochmals sagete, daß er ihn geschlagen, daß er geblutet.
Er Christoph sagt weiter, daß er nicht darzwischen getreten, wie dem einen
Weibsstücke der Schüler den Mantel wieder nehmen wollen, die Hüte hätte er denen
Schülern nicht genommen, und hingeworffen, sondern sie hätten an der Erde
gelegen, die die Weibs-Personen aufgehoben; InSumma er will nichts schuldig
seyn, darum sie beyde wieder auf das Rathhauß in das vorige Gefängniß gebracht
worden.
Den 5. und 6. September fol. 111. seq. sind Christian Frosch und Jeremias Schumann vernommen worden. Christian Frosch (so auf unterschiedlich es Erfordern sich endlich gestellet, und entschuldiget sich, daß er nicht einheimisch gewesen) wurde befragt, wer die Huren gewesen, mit denen er nebst Christophen des Tages, wie Abends die Schüler geschlagen und ihnen die Mäntel und Hüte genommen worden, getantzet. Ille antwortet, er hätte mit ihnen nicht getantzet, wäre auch nicht bey dem Tantz gewesen, und wisse er nicht, wie dieselben mit Nahmen hiessen, von andern aber hätte er gehöret, daß es Heubinders Töchter gewesen seyn solten. Derselbe wurde weiter befragt, ob er Christoph und George sich nicht hinaus vor das Clauß-Thor bestellet, und Ver
|| [73]
laß genommen,
nachzukommen. Ille sagt, er hätte sie nicht hinaus bestellet, sondern George
hätte zu ihme Froschen gesagt, sie wolten spatzieren gehen, er wäre zwar gegen
Abend hinaus vor das Clauß-Thor mit Jeremias Schumannen gegangen, und hätten
Regenwürmer gesucht, wie sie hinaus gegangen, hätten die Schüler an der
Schiefer-Brücke gestanden, und über sie hergewolt, in Meynung, sie wären
diejenigen, so ihnen die Mäntel abgenommen, der Holtzwächter Buchner aber hätte
gesagt, die Schüler solten sie gehen lassen, sie wären diejenigen nicht, damit
wären sie fortgegangen, und wie sie Würmer gesucht gehabt, wären sie nach
Passendorff gegangen, in die Schencke / woselbst sie Georgen und Christophen /
(aber keine Weibs-Personen bey ihnen) angetroffen, die da gesessen und
getruncken, dieselben hätten aber ihnen auf geschene Vorhaltung nicht gestehen
wollen, daß sie die Schüler geschlagen.
Jeremias Schumann wurde erfordert, u. berichtete auf Befragen, was ihm von dem
Handel, der zwischen Christoph, Georgen und zween Schülern, wie auch zwo
Weibs-Personen auf der Wiese vorgegangen, bewust sey. Ille, er habe zwar
gehöret, was zwischen zween Schülern, Christoph und Georgen vorgegangen seyn
solle, er wäre aber nicht dabey gewesen, sondern er wäre denselben Abend als
dieses geschehen, auf E.E.Raths-Keller gewesen, u. als er nach Hause gehen
wollen / da hätte ihm Christian Frosch begegnet, und gefragt, wo er hin wolte,
er hätte geantwortet, ich will nach Hause und hernach auf die Weise gehen, und
Regen-Würmer suchen, massen er dann auch nach Hause gegangen, und ein Stück
Essen geholet, Frosch aber hätte vor dem Hause gewartet, sie wären darauf mit
einander zwischen 7. und 8. Uhr, seines Behalts, denn es noch gantz Tag gewesen,
hinaus vor das Thor gangen auf die Wiese; wie sie nun auf das Brückgen an der
Wiese kommen, hätten ihnen die Schüler von ferne begegnet und dieselben gesagt:
das seynd sie. Wie sie aber näher zu ihnen zukommen, hätte der eine Schüler
gesagt: Nein, das sind sie nicht, den einen kenne ich, er ist ein Kannengiesser;
er hätte gefragt, was sie von ihnen haben wolten, sie solten sie mit frieden
lassen, die Schüler hätten geantwortet, zweene von euren Leuten nebst zwo
Weibs-Personen haben uns geschlagen und seynd uns unsere Mäntel und Hüte
wegkommen. Sie Schuhmann und Frosch wären darauf fort und auf die Wiese
gegangen, da sie eine halbe Stunde herumgegangen und Würmer gesucht, wie sie nun
wieder zurückgangen, hätten die Schüler an der Schiefer-Brücke bey dem
Holtzwächter Buchnern gestanden, da hätte er Schuhmann den Wächter gefragt, was
denn vorgegangen wäre mit denen Schülern, da hätte ihm der Wächter erzehlet, daß
zwo Halleute nebst zwo Weibs-Menschen die Schüler geschlagen, er hätte den
Holtzwächter gefragt, ob er sie nicht gekennet, der Wächter hätte gesagt, er
kennete sie zwar mit Nahmen nicht, doch hätte er sie ihnen beschrieben, wie sie
ausgesehen und in der Kleidung gegangen, da er sich denn so fort eingebildet,
daß Christoph u. George es ge
|| [74]
wesen
seyn würden, die Schüler und der Wächter hätten gesagt, daß jene über die hohe
Brücke gegangen, da hätten sie gemuthmasset, daß sie nach Passendorff gegangen,
weil sie sich hier etwan nicht getraueten, und weil es Monden-Schein gewesen,
wäre er nebst Froschen nach Passendorff gangen, daselbst sie dieselben in der
Schencke angetroffen, da sie an dem Tische gesessen, und getruncken, bey denen
der Wirth auch gesessen, Weibs-Personen hätten sie nicht gesehen; dieselben
hätten ihn Schuhmann und Frosch gefragt, was sie denn hier aussen wolten, darauf
er Jeremias Schuhmann gesagt, was habt ihr denn mit den Schülern vorgehabt, und
hätte ihnen die Hölle heiß gemacht, sie Christoph und George hätten es aber
nicht recht gestehen wollen, auch nicht recht läugnen können, sie wären des
Nachts mit den andern draussen blieben, gegen 2. Uhr aber des Morgens alle viere
von Pasiendorff hereingegangen, er Jeremias Schuhmann hätte es ihnen wegen der
Mäntel / Hüte und Menschen, wo sie hinkommen, vorgehalten, sie hätten aber von
nichts wissen wollen, wo es hinkommen.
(Neue Defension für Georgen
alleine.)
§. XIV. Indessen war Herr Thrum gestorben (fol. 115.) der bisher die von Herrn D.
U. für beyde inquisitos gemachte defensiones, weil der Herr D. das Juramentum
Calumniae nicht schwören wollen (vide fol. 119.) unterschrieben: und um diese
Zeit kamen die Deputirte von der Brüderschafft der Halleute, wie ich anfangs
gedacht, zu mir, u. baten mich, daß ich ihrem Cam̅eraden dem
Christoph doch fernere defension führen möchte. Ich verfertigte den 15. Septemb.
eine Supplic, die ich als Concipient mit unterschriebe (f. 115.) und bat, mir
die Acten vorlegen zu lassen. Mein Cliente bekam auch darauf fol. 116.
Einwilligung, jedoch iterum cum clausula praestandi ab Advocato ante
exhibitionem Defensionis juramenti Calumniae. Und weil ich nur Christophs
Advocate war, wegen Georgens aber von denen Halleuten nichts von mir ware
begehret worden, u. dieser wegen Armuth keinen Advocatum bezahlen konte, wurde
dem damahligen Advocato pauperum Hr. Lic. F. R. von Gerichten fol. 120. den 17.
Sept. aufgetragen, Georgens Defension über sich zu nehmen, jedoch mit
gleichmäßiger Anmuthung wegen des juramenti calumniae. Dieser nahm zwar die
Verfertigung der Defension auf sich, aber zum Jurament wolte er sich nicht
verstehen, weil er dem Inquisito von denen Gerichten zum Advocato bestellet
worden, wobey es auch bliebe, und übergab er den 27. Septemb. 1690. fol. 121.
bis 127. folgende Defension.
Vor Tit. denen Churfürstlichen Brandenburgischen zum löblichen Thal-Gerichten
hochverordneten Herren, Saltz-Gräfen und Ober-Bornmeistern erscheinet
obrubricirter Inquisit und opponiret nullitatem inquisitionis ob defectum
indiciorum. Inquisitio enim contra certam personam, licet ex mandato prin
|| [75]
cipis fuerit ordinata, nullo legitimo
indicio praecedente, formari non potest, Carpz. Prax. Crim. p. 3. qu. 118. n.
44. Indem nicht genug ist, daß die Schüter fol. act. 1. die vorgegangene
Schlägerey u. Spoliirung denunciret, sondern sie hätten auch solch factum mit
allen dabey gemeldeten Umständen beweisen und insonderheit den auf Georgen
gefasseten Verdacht und inculpation besser als geschehen behaupten sollen;
Gestalt die Denunciatio an und vor sich selbst kein indicium machet, noch den
Processum formiret, zumahl Denuncianten wie aus des Zeugens Aussage ad art. 7.
sol. 77. erhellet, seynd bezecht und betruncken gewesen, und also nicht
zuglauben, wann dasjenige, was in Trunckenheit und in einer Hitze und Furie
geschehen, gerichtlich denunciret wird. Zugeschweigen die denuncianten noch
münderjährig. conf. die von dem Stadt Rathe allhier ergangene Inquisitions-Acten
fol. 1. & 2. jam v. minores 20 annis prohibentur accusare. Carpz. prax.
Crim. p. 3. qu. 104. n. 25. & ferre testimonium. Testes enim in
criminalibus non admittuntur, nisi excesserint annum vigesimum. Carpz. prax.
Crim. p. 3. qu. 114. n. 4. l. 21. ff. de testib. In judiciis enim, in quibus
quasi contrahitur, requiritur voluntas & judicium, quae cum in hisce
desint, ad accusandum & denunciandum admitti non poslunt, etiamsi suam
suorumque injuriam persequantur. Id. n. 18. Wiewohl die Denuncianten sich selbst
diesen Handel beyzumessen, indem ex actis und sonst glaublicher und
vermuthlicher ist, daß die Schüler durch etwa ungebührliche Anmuthung und
schertzhafften Possen / den Weibs Persohnen zu den geklagten und denuncirten
Scheltworten und darauf erfolgeten Schlägen Ursach gegeben, als daß die
Weibs-Persohnen ohne Ursach sie solten gescholten und um Hülffe geruffen haben,
jam vero volenti non fit injuria. Daß nun den Weibs-Bildern die Schüler mit der
Klage zuvor gekommen, das giebet eben den Schülern keine gerechtsame, massen
Denuncianten nicht dargethan, daß die Weibs-Persohnen sie, weil sie dieselben
nicht gegrüsset / vor gelschnebelichte Jungen und Füchse gescholten; ja wenn
auch gleich solche verbal-injurien erfolget wären, hätten sie doch solche mit
real-injurien nicht compensiren und auf öffentlicher Strasse Schlägerey anfangen
sollen, daß man nun die Denuncianten fol. act 17. schwören lassen wollen, wird
eben nicht groß zu attendiren seyn. Testes enim in absentia partis jurantes non
probant, nec faciunt indicium ad torturam. Carpz. prax. Crim. p. 3. qu. 14. n.
5. Gestalt auch in der Churfürstlichen Magdeburgischen Policey-Ordnung c. 60. §.
6. klar verordnet, daß der Zeugen-Eyd in des inquisiti Beyseyn abgeleget werden
soll, dahero die von denen Herren Concipienten fol. act. 87. in rat. decidendi
dieserwegen geführte Meynung ungegründet und nicht zu attendiren ist; wiewohl
die Schüler nicht auf articulos befraget, sondern nur eydlich fol. act. 17.
beschworen, daß Christoph sie mit abschlagen helffen, und ihre Mäntel und
Sachen, deren Werth sie mit beschworen, denen Weibs-Persohnen hingegeben, welche
eydliche Aussage und Würderung aber
|| [76]
Georgen gar nicht graviret. So wenig nun der Denuncianten Aussage ein indicium
jure validum atque approbatum ad inquirendum giebet: so wenig giebt auch des
gewesenen Holtzsetzers Christian Friedrich Buchners Aussage fol. 78. ad artic.
14. ein indicium sufficiens, indem mit dessen Vereydigung gleichfals nicht
legaliter verfahren worden, indem solcher nicht in Beyseyn des Inquisiti
vereydiget worden, welches doch die vorhin angeführte Magdeburgische Landes- und
Policey-Ordnung pro forma erfordert; auch ist er testis unicus, qui nihil
probat, neque semiplenam probationem facit, quae vel juramento vel tortura, seu
territione verbali deberet elidi. Indem eben soviel, weil er nicht in praesentia
inquisiti geschworen, als wenn er nicht geschworen. Quod enim contra juris
publici & fanctionis provincialis formam fit, ipso jure nullum est. Zu
geschweigen dessen Aussage gantz obscur, general und zweiffelhafftig ist. Denn
ad artic. 14. fol. act. 78. saget er aus, als hätten die Hallorum (en
generalitatem & incertitudinem individui) auf die Schüler helffen
zuschlagen, da er doch solches nicht gesehen, sondern im Hinzulauffen verspührt,
daß sie sich untereinander geschlagen. Jam vero testis unicus, nisi sit omni
exceptione major & de visu deponat, ne quidem semiplenam facit fidem,
tantum abest, ut verisimile praebeat indicium ad torturam. Dn. Dieter. in coll.
crim. c. 9. aph. 9. n. 21. auch nicht wohl sehen können, indeme es des Abends um
10. Uhr geschehen. Daß aber Inquisit George hätte helffen zuschlagen oder den
Schülern ihre Kleidung abgenommen und spoliiret, findet man in Actis nicht /
noch die geringste Vermuthung und redliche Anzeige wieder ihn, sondern es ist
vielmehr zu glaube̅, daß er unschuldig ist, indem er sich
schrifftlich testant. act. fol. 20. 24. ehe er einmahl citiret, gemeldet und vor
Gerichte erschienen. Jam vero comparitio spontanea maximum est innocentiae
argumentum, adeo ut si quis citatus seu condemnatus compareat, omnia quae contra
eum sunt indicia, plane dispereant & evanescant, ita ut exinde
inquisitus torqueri non possit. Dieter. coll. crim. c. 9. aph. 9. n. 26. Quid
quod? non minus de delinquente ac de ipso delicto judici constare debet,
antequam contra certam personam inquisitio specialis formetur, in quibus duobus
totus vertitur Processus inquisitorius. Carpz. prax. crim. p. 3. qv. 108. n. 47.
Ist also disseits weder ein delinquent noch corpus delicti vorhanden, gestalt
er, wenn er plane absolutoriam nicht erhalten, sondern erst sich allenfals
deßwegen juramento purgiren müste / mit gutem Gewissen schwören kan, daß er sie
weder helffen schlagen, noch ihre Kleider spoliiret. Ut etiam legi Juliae de vi
publica seu privata locus esse possit, praecise dolus requiritur, alioquin eo
non probato aut penitus deficiente admissum degenerat aut in delictum plane
involuntarium, quod assequitur impunitatem, aut culposum, quod pro modo culpae
mitius punitur. Dieter. in coll. crim. cap. 7. aph. 7. th. 1. Semper enim de
vero dolo constare debet, &
|| [77]
solum hic attenditur, an raptor animum rapiendi habuerit, an non? l. 2. ff. de
vibon. rapt. Ekholt. ad ss. lib. 47. tit. 7. §. 1. Ja gesetzt, daß einer contra
legem Juliam de vi publica seu privata handelte, so hat doch nicht die
Inquisitio oder die tortura so fort statt. Poena enim utriusque tam vis publicae
quam privatae est hodie arbitraria. Struv. Dis. crim. 9. th. 15. Carpz. Prax.
crim. p. 1. qu. 40. n. 7. Hinc de jure Sax. raptor committens vim, ad
restitutionem rei ablatae & refusionem expensarum cum poena 30.
solidorum parti & insuper mulcta 60. solidorum judici solvenda
condemnatur. vid. Petr. Heig. ad princ. Instit. de vi bon. rapt. Jam vero
inquisitio nec tortura locum habet in delictis (posito sed neutiquam concesso,
Inquisitum deliquisse) quorum poena non est corporis afflictiva seu ultimum
supplicium. Carpz. Prax. crim. p. 3. qu. 119. n. 34. Ist also irrig, daß die
Herren Concipienten fol. act. 86. in ihren rationibus decidendi robariam,
depraedationem seu crimen formale vis publicae (haec enim synonyma sunt)
praesupponiren wollen, welches sich doch nach Erwegung aller Umstände nicht
findet, sondern es ist ein blosses Handgemenge unter einander gewesen, u. weder
pro rapina, robaria, seu crimine vis publicae vel privatae zu halten, gestalt
das corpus delicti zu Recht beständig nicht erwiesen, sondern man will, GOtt sey
es geklagt! erst per torturam, dahin das fol. act. 83. befindliche Urtheil
zielet, corpus delicti und personam delinuentis und participationem lucri
investigiren. Quodsi enim torturae locus esset ad investiganda delicta, pro
quibus levior aliqua poena quam corporis afflictiva imponitur, qualis est
relegatio, mulcta pecuniaria, aut carceris poena haud minima inde sequerentur
inconvenientia & absurda: siquidem primo id, quod est prohibitum una via
directe, ne videlicet ob crimen levius corpus rei poena laceretur, permitteretur
alia via & indirecte, nempe pertorturam, l. Avia §. Titio, de condit.
& demonstrat. Deinde puniretur quis gravius ex modo probandi quam ex
modo condemnandi; & sic poena non esset commensurata delicto, contra
legem 8. C. ad L Jul. de vi publ. v. Carpz. elegantissimam argumentandi
doctrinam in Prax. Crim. p. 3. qu. 119. n. 10. 11. 12. & sqq. Sehen also
die löbliche Thal-Gerichte, daß die Herren Urthels-Verfasser in sententionando
verstossen, u. zuweit gegangen, und an statt der rationum decidendi falsa
praesupposita sich gemachet, 1) als wären solche indicia vorhanden, die zur
tortur genugsam, 2) es vor eine robariam und grosse Gewalt, so auf öffentlichem
Wege geschehen, gehalten, 3) es wäre der Schüler Aussage allerdings zu
attendiren, 4) es könnte ein Denunciant in seiner eigenen Sache, befundenen
Umständen nach, zum Zeugniß wohl zu gelassen werden. 5) Könnte ein Zeuge wohl
einen Inquisitum dergestalt graviren, daß obgleich dessen Aussage nicht ad
condemnandum, doch ad torquendum genugsam. 6) als wäre nicht nöthig, daß die
Zeugen in Gegenwart des Inquisiti vereydet würden. 7)
|| [78]
Wäre es kein gering delictum, das
arbitraria vel poena carceris könte verbüsset werden.
Daß nun kein sufficiens indicium wieder Georgen sich hervor gethan, hat er oben
schon angeführet und ist anhero zu wiederholen nicht nöthig: daß aber dieses
denuncirte factum will pro Rapina seu Robaria oder öffentliche Gewalt gehalten
werden, ist irrig; rapina enim est dolosa vel violenta rei alienae mobilis
contrectatio. vid. Dn. Eckholt ad ff. L. 47. tit. 8. th. 1. Nun examinire man
die Sache etwas genauer / ob dann George dolose ac violenter etwas contrectiret,
und denen Schülern ihre Kleider spoliiret. Ex actis ist nicht einmahl die
geringste und zu Recht beständige Anzeige wieder ihn vorhanden, daß er solches
solte gethan haben; er ist auch nur mit hinzugelauffen, um zu sehen, was doch
passire. Er hat nicht animum hostilem vel animum grassandi gehabt, sed
conciliandi um weiter Unglück zu verhüten und den Hader zu stillen. Es ist auch
von denen genommenen Sachen bey ihm nichts gefunden worden, noch hat er etwas
davon zu empfangen oder zu gewarten gehabt. In decernenda igitur tortura
& poena judex caute procedere debet; cessat enim poena ordinaria in
rapina, quae non est hostilis, nec violenta. Carpz. Pr. Crim. p. . qu. 91. n.
1. & 7. Auch ist es nicht pro vi publica zu halten, vis enim publica fit
armis & coactis hominibus. §. 3. Inst. de publ. judic. welches sich ad
praesentem casum gar nicht appliciren läst. Daß man der Schüler Denunciation,
Vereydigung und Aussage nicht zu attendiren, hat Georg oben schon deduciret,
auch findet man in keinem textu gegründet, daß einer in criminalibus oder wann
einer criminaliter geklagt hätte, könte Testis in propria causa seyn; Junge fol.
act. 59. fac. 2. & fol. 60. Wiewohl die Schüler nicht einmahl den
Zeugen-Eyd, sondern nur den Würderungs-Eyd fol. 17. abgeleget. Ob nun wohl nicht
zu läugnen, daß ein eintziger Zeuge semiplene probirt, also daß dem Reo die
tortura oder territio oder juramentum purgationis adjudicirt werden kan: so ist
es doch von einem solchen Zeugen, qui omni exceptione major, cui nulla scilicet
exceptio opponi potest, vid. Dieterici coll. crim. c. 9. aph. 9. n. 22. Unicus
enim testis verisimile indicium non facit ad torturam, v. Const. Carol. art. 23
zu verstehen, der rechtmäßig vereydiget und dessen Depositio nicht dunckel,
zweiffelhafftig, general und obscur ist; Wann man nun des Holtzsetzers,
Christian Friedrich Buchners Person und Aussage fol. 10. ad artic. 10. und 12.
fol. act. 78. ad art. 14. consideriret, kan daraus auf Georgen nichts
concludiret werden, und per consequens ist auch dessen Aussage ad torquendum ceu
purgandum nicht hinlänglich, Sonst ist unleuglich, daß der Zeugen-Eyd in des
Inquisiti Beyseyn muß abgeleget werden, wie aus der Magdeburgischen
Policey-Ordnung c. 60. §. 6. erhellet; weil aber solches nicht geschehen, ist so
viel als hätte er gar nicht geschworen. Quod enim non rite sit, plane factum
esse non censetur. Nun lässet man die zukunffti
|| [79]
gen Herren Urthels-Verfasser, nach
Dero zur Justiz tragenden höchstrühmlichen Eyffer judiciren, ob dieses
denuncirte factum pro atrcci zu halten, und poena mortis vel corporis afflictiva
zu verbüssen sey, und ob man bey so bewandten Umständen auf die Tortur sprechen
und den armen unschuldigen Mann damit graviren könne? Allein so wenig die
rationes decidendi bestehen, so wenig bestehet auch das Urtheil. Derohalben ist
unschuldigen Inquisiti dienstliches Bitten, die löbl. Thal-Gerichte wollen
geruhen, die Acta nach anderweitigen rechtlichen Erkäntniß zu versenden, und die
rationes decidendi dabey zu requiriren, auch einen Extract aus der
Churfürstlichen Magdeburgischen Policey-Ordnung c. 60. §. 8. & c. 61. §.
2. unter des Thal-Secretarii Hand vidimirt mit beyzulegen. Solches gereichet zu
Abhelffung des Processus und Beförderung der Justiz und versiehet man sich
geneigter Willfahrung.
§. XV. Nun war die Reyhe an mir und an der defension meines(Wie sich der neue Defensor des
Christophs von dem Jur amentio Calumniae
befreyet.) Clienten des Christops. Ich hatte nun zwar auch nicht in
Willens, das mir zugemuthe juramentum calumniae zu schwören. Jedoch weil ich
solches erst nach verfertigter defension vor Ubergebung derselben schwören
solte, wäre es unzeitig gewesen, wenn ich alsbald dawieder protestiret hätte,
weil ich mich hätte befahren müssen, daß man mir so dann nicht einmahl die acta
ad excerpendum wütde fürgeleget haben. Deßhalben schwiege ich stille, hielte
auch nicht einmahl für nöthig, eine protestation ad acta zu geben oder zum
wenigsten coram Notario aufsetzen zu lassen, daß ich tacendo nichts wolte
eingeräumet haben, weil ich schon damahls die Pedanterey oder Rabulisterey, oder
wie das liebe Ding sonst möchte tituliret werden, dergleichen impertinenten und
unnützen protestationen erkante. Ich war vielmehr bekümmert in gehöriger und
permittirter Zeit eine defension nach meinem Geschmack zu verfertigen, die nach
der Methode dererjenigen, die ich allbereit in dem . Handel des ersten Theils
vorgestellet, eingerichtet wäre. Nachdem ich solche verfertiget, ware es Zeit
genug, auf Mittel zu sinnen, wie ich dieselbe ad acta bringen möchte, ohne daß
ich genöthiget würde, das juramentum calumniae zu schwören. Was solte ich aber
dißfals für eine Cautel brauchen? In meiner Bibliotheck waren wenig Tröster zu
finden, die de Cautelis geschrieben hatten. Solte ich aber in der Stadt
herumbschicken, und dieselben mit Mühe zusammen borgen, muste ich mich befahren,
daß man mir als einem uuangenehmen Frembdling keine leihen würde, zugeschweigen,
daß ich schon damahls der Meynung zugethan war, die in der neuen Edition meiner
verteutschten Prudentiae consultatoriae umständlicher cap. 8. §. 13. seq. zu
lesen ist, daß unter denen geschriebenen, und von denen sogenanten pragmaticis
den armen Legulejis & Rabulis recommendirten cautelen zum
|| [80]
wenigsten funffzehen sechzehen
Theilen nicht einen Schuß Pulver werth wären. Solte ich aber anfangen zu
protestiren, oder zu appelliren, dadurch wäre meinem Clienten wenig geholffen
gewesen, sondern er hätte nur länger sitzen müssen, oder wohl gar zu befahren
gehabt, daß die schon zu zweyenmahlen ihm zuerkannte tortur an ihm wäre exequirt
worden. Zudem ware ich noch ein junger 35jähriger Mann, der Herr Saltzgräffe
aber ein berühmter alter JCtus, von grosser Autorität, und zugleich hiesiger
Regierungs-Rath. Er hätte auch so ehrlich an mir gehandelt, daß, da mir sonsten
andre, als ich hier ankam, zum wenigsten äuserlich eine gute Mine machten, ob
sie mir schon von Hertzen feind waren, Er mir, als ich ihm die erste Visite gab,
offenhertzig, jedoch bescheiden, declarirt hatte, daß wenn ich keine auditores
von fremden Orten mitbringen würde, ich mich nicht würde zu getrösten haben, daß
ein eintziger von denen Hällischen jungen Leuten meine lectiones besuchen würde.
Also wagte ich es, und übergab den 1. Octobr. (Act. fol. 129.) ein Schreiben,
dem ich meine defension beyfügte, in dem Schreiben aber ohne Trotz, jedoch
cordate vorstellete, daß Vermöge der Proceß-Ordnung, auch eines absonderlichen
gnädigsten Rescripts, die Chur- und Fürstlichen Räthe, und Personen, die in
officio publico sässen, von dem Juramento Calumniae befreyet seyn solten.
Hiernächst auch die beykommende Defension ex meris principiis juris communis und
denen in Actis befindlichen Zeugen Aussagen und Registraturen verfertiget
worden, und solchergestalt die geringste praesumtio wieder dieselbe wegen
einiger calumniae nicht seyn könn̅e; auch letzlich, wenn die
Defension nicht angenommen werden solte, mein Cliente pro indefenso zu achten
und Obrigkeits wegen ex officio ihm ein Advocat constituiret werden müste, dabey
aber nicht abzusehen wäre, was er für andere momenta hiebey anführen könte, und
also mein Cliente mit noch längerer Hafft beleget werden würde: also hoffete
ich, man würde die Defension annehmen, und bäte die Acta auf eine Churfürstliche
Brandenburgische Universität zu verschicken.
(Unterschiedene und zum Theil wiedrige Verordnungen / der
Magde-)
§. XVI. Was sonsten von dem Juramento calumniae überhaupt zu halten sey, und ob
dadurch die Justiz befördert oder nicht vielmehr gehindert werde, darvon wird es
vielleicht Gelegenheit geben, anderswo ausführlich zu handeln, indessen habe ich
davon allbereit in notis ad Lancellottum hin und wieder meine Meynung entdeckt.
Anietzo will ich nur anführen, was von dem Juramento Calumniae der Advocaten in
der alten und neuen verbesserten Magdeburgischen Proceß-Ordnung enthalten. In
der alten, die der damahlige Herr Saltzgräffe, wo mir recht ist, selbst
|| [81]
hatte concipiren helffen, ist
folgendes in cap. 7. §. 1. zu lesen. Wenn die(burgischen Proceß-Ordnungen von Juramento Calumniae
der Advocaten.) Sache zum rechtlichen Ausspruch verwiesen worden, so
sollen alle und jede Partheyen, so keine verpflichtete Chur- und Fürstliche
Räthe seyn, und ihre Advocaten allerseits nicht ehe
gehöret oder zugelassen werden / bis sie in Person in loco
judicii das juramentum Calumniae generale auf
fleißige Verwarnung für der Straffe des Meineyds abgeschworen &c. Und im
50. Capitel §. 19. sind folgende Worte zu befinden: Die Advocaten, so in peinlichen Sachen bedienet seyn wollen, sollen nach
Durchsehung der Acten das Juramentum
Calumniae ohne Unterscheid in Person ablegen, und ehe sie solches praestiret keine Schrifft, die sie gefertiger /
angenommen werden. Aber in der verbesserten und Anno 1696. publicirten
Proceß-Ordnung lautet es gantz anders. Denn in cap. 7. §. 1. stehet also: Es ist
zwar in dem ersten § dieses Capitels die Constitution
gemeiner beschriebener Rechte von dem Juramento Calumniae
generali wohl bedächtig (dieses Wort ist etwas zweydeutig, denn
wohlbedächtig und klüglich, oder löblich sind nicht allezeit Synonyma)
eingeführet, doch weiset die Erfahrung (quae etiam est parum sapientum magistra)
daß dasselbe so wohl von denen Partheyen als Advocaten
nur aus Gewohnheit und sonder Consideration der
Seelen-Gefahr zum öfftern abgeschworen werde; derhalben wir dasselbe bey allen
und jeden Sachen nicht geleistet wissen wollen: sondern nur, wie hernach
deutlicher exprimiret wird, wenn der Partheyen oder Advocaten Boßheit offenbahr
ist etc. In 50. Capitel §. 6. wird in inquisition-Sachen folgends verordnet:
Kein Urtheil soll in Inquisitions-Sachen, sie betreffen
Todes, Leibes, oder andere Straffe, auch in notorischen
delictis zur Execution
gebracht werden, es sey denn der Inquisit mit der Defension nothdürftig gehört, und da sich dazu kein Advocatus finden lassen wolte, soll der Richter in Hohen
und unter Gerichten einen defensorem ex officio
verordnen, welcher aber das Juramentum Calumniae nichts
desto weniger abzuschwören gehalten seyn soll. Es wäre denn ein Doctor juris, oder hätte zur Justiz
specialiter geschworen.
§. XVII. Nun bescheide ich mich zwar gar wohl, daß ich mich damahlen(Christophs neue Defension.) auf die verbesserte Magdeburgische Proceß-Ordnung, als
die erst etliche Jahre hernach publiciret worden, in declinando juramento
calumniae nicht beziehen können, ich bescheide mich auch, daß dasjenige
|| [82]
was ich in §. 15. von denen Chur-
und Fürstlichen Räthen angeführet / so gar deutlich in der ersten Proceß-Ordnung
nicht enthalten war, daß man nicht ohne sonderbahre Mühe etwas dawieder zu
excipiren hätte finden sollen. Nichts destoweniger waren doch die andern
beygefügten rationes von der Deutlichkeit der in der übergebenen defension
angeführten momentorum so handgreifflich, daß der Herr Saltzgräffe die Defension
zu denen actis legte, und nicht wieder zurücke gab. Und lautet dieselbe also
fol. act. 130. biß 142.
Species sacti beruhet kürtzlich hierinnen: Christoph und George gehen am 30. May
Abends um 9. Uhr vor das Claußthor, und setzen sich bey dem Holtzwächter Buchner
auf der Brücke nieder; eine Zeitlang hernach gehen zwey Weibs-Persohnen bey
ihnen vorbey, die beyden Hallorum aber bleiben bey dem Holtzwächter sitzen, biß
kurtz darauf eine von denen Weibs-Persohnen, die etliche 100. Schritte von ihnen
zwischen dem Holtze gewesen, zu ruffen anfänget, man solle ihnen umb GOttes
willen zu Hülffe kommen, worauf die beyden Hallorum zugelauffen, und denen umb
Hülff ruffenden Weibs-Persohnen wieder 2. Schüler, die sich mit ihnen
geschlagen, beygestanden, auch Christoph nicht in Abrede ist, daß er dem einen
Schüler ein paar Maulschellen gegeben. So ist auch der Holtzwächter Buchner
ihnen bald nachgegangen, und hat von ferne gesehen, daß diese 6. Persohnen in
einem Handgemenge gewesen, als er aber nahe hinzu kommen, ist der Streit schon
geendiget gewesen. Die beyden Weibs-Persohnen nehmen hierauf den Schülern ihre
Mäntel, welche, als Buchner hinzu kommen, allbereit auf der Erde gelegen, und
gehen mit fort. Soweit ist die species facti mit des Zeugen Buchners Aussage
Actor. fol. 8. seqq. Ingleichen fol. 76. & seqq. einig, darinnen aber bestehet die einige Streitigkeit, ob Christoph die Mäntel aufgehoben, und denen Weibes-Persohnen gegeben, oder ob die Weibs-Persohnen die Mäntel von sich selbst genommen. Jenes bejahet Buchner
ad Art. 12. fol. 10. a. & ad Art. 16. fol. 78. b. Welches aber Christoph beständig verneinet. So ist auch zweiffelhafftig, was die Ursache des Streits gewesen, den die Schüler und Weibs-Persohnen unter einander gehabt. Die Schüler geben zwar
fol. 1. a. für / die eine Weibs-Persohn hätte den einen Schüler gegrüsset, der ihr doch nicht gedancket, worauf sie zu Scheltworten und hernach zu Schlägen gerathen. Die Hallorum aber wenden für, die Schüler hätten denen Weibs-Persohnen Unzucht angemuthet. Die Herren Scabini Hallenses haben
Actor. fol. 13. seqq. denen Inquisiten die Tortur zu erkennet, welches Urtheil auch die Herrn Schöppen zu Leipzig.
fol. 83. seqq.
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confirmiret, wiewohl sie in determinatione criminis nicht einig seyn, indem die
Herren Hallenses es pro rapina, die Lipsienses aber pro vi publica halten. Und
ist dannenhero der status controversiae: Ob Christoph mit der Tortur zu belegen
sey oder nicht? Dieses letztere scheinet, jedoch salva reverentia Dnn.
Concipientium den Acten mehr gemäß zu seyn: 1) Weil auf Seiten Christophs, wenn
er gleich hierbey einen excess begangen, dennoch kein delictum, das die tortur
verdienete, dadurch begangen worden. 2) Weil auch das imputirte crimen ihme
Christophen dergestalt nicht bewiesen worden, daß indicia ad torturam sufficitia
verhanden wären.
Was das (I) betrifft, so kan das imputirte crimen auf Seiten Christophs kein
rapina seyn; denn die Weibs-Personen haben denen Schülern die Mäntel nicht mit
Gewalt entrissen, sondern Buchner sagt aus
ad Art. 11. fol. 10. a. & ad Art. 15. f. 78. a. daß, wie er wäre darzu kommen, die Mäntel der Schüler auf der Erde gelegen, indem sich die Partheyen mit einander geschlagen, und wenn gleich posito, aber nichts eingeräumet, Christoph die Mäntel aufgehoben, und denen Weibs-Personen gegeben, so könte doch solches vor keine gewaltsame Beraubung gehalten werden. Weswegen auch die Herren Scabini Lipsienses sich solches selbst bescheiden, und de rapina oder robbaria in ihren rationibus decidendi
fol. 86. a. sehr zweiffelhafftig reden, und ihre Worte
Wo nicht eine robharia so gut seyn, als wenn sie es selbsten nicht pro rapina hielten, weswegen also dieser Punct von sich selbsten wegfället. Daß aber die Herren Lipsienses
d. fol. 86. in verbis doch zum wenigsten eine grosse Gewaltthat etc. es pro vi publica halten, kan man hierbey nicht absehen, in dem bekanten Rechtens, quod ad vim publicam requirantur arma, aut convocatio hominum
leg. 1. & 3. l. 10. §. 1. D. ad leg. Jul. de vi publica. & Dd. communiter ad d. tit. dergleichen aber keines von Christophen gesaget werden kan, indem sie nur auf umb Hülffe ruffen der Weibs-Personen mit denen Schülern in Handgemenge gerathen. Und obschon diese Streitigkeit auf öffentlichem Wege vorgegangen, so ist doch ex communibus Juris principiis bekant, daß der Ort alleine ad vim publicam nicht gnug sey; massen zum öfftern dergleichen Streitigkeiten auf öffentlichen Wegen, sonderlich zwischen vilibus personis vorgehen, die man, wenn es hoch köm̅t, pro injuria privata zu halten und zu bestraffen pfleget. Und obschon
in d. l. 10. §. 1. gesaget wird, hac lege tenetur & qui convocatis hominibus vim fecerit, que quis verberetur & pulsetur, worauf vielleicht die Herren Lipsienses reflectiret ha
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ben mögen, weil auf das
Zuruffen der Weibes-Personen die Schüler von denen Hallorum mit geschlagen
worden: so ist doch abermahls ex vulgatis fundamentis Juris bekant, daß (1)
dieser Text mehr von denen zu verstehen, qui convocarunt homines als von denen
convocatis hominibus selbst, und solchergestalt, würde der Text zwar wieder die
Weibes-Personen, nicht aber wieder Christophen anzuführen seyn. (2) Muß man auch
bey diesem crimine das Haupt-Absehen dahin richten, ob die convocatio geschehen,
ut vis inferatur, welches abermahls von denen Weibs-Personen nicht gesaget
werden kan; massen diese vielmehr die Hallorum gerufft, ut vis repellatur.
Vide Buchners Aussage ad art. 7. f. 9. b. er hätte wohl gehöret / daß sie Hülffe / Hülffe gerussen / daß sie aber Christel geruffen / hätte er nicht gehöret. Confer eundem ad Art. 8. fol. 77. a. Ingleichen Georgens letzte Bekäntniß f 106. a. Sie hätten geschrien: Ach HErr JEsu CHrist / Kieren Christel helfft uns / sie bringen uns ums Leben. Bey welcher Bewantnüß denn sehr wahrscheinlich, daß die Schüler denen Weibes-Personen entweder Unzucht mit Gewalt angemuthet, oder doch sonsten eine grosse Gewalt an ihnen verübet, weshalben auch vielmehr denen Schülern vis publica zu imputiren wäre.
arg. l. 3. §. 4. D. de vi publ. Nec obstat, daß die Herren Scabini Lipsienses
act. fol. 86. b. anführen, es wäre nicht glaublich, daß die Weibs-Personen von denen Schülern zu erst angefallen, und unzüchtig begriffen werden wollen, weil sie selbst nichts gerüget, noch bishero sich angegeben; denn es scheinet die Ursache derer Herren Scabinorum nicht schlüßig zu seyn, zumahl wenn man ex Actis betrachtet, daß diese Dirnen eben deshalber denen Schülern die Mäntel genommen, damit sie der zugefügten Gewalt wegen, sich selbsten Satisfaction verschaffen möchten, und nicht erst klagen, oder die Sache rügen dörfften,
Vid. Georgens letzte Bekänntnüß f. 107. a. Die Weibs-Personen hätten zum Schülern gesagt: wir wollen das Zeugum Pfande behalten / darum daß ihr uns habt angegriffen / gehet hin und klaget / wir wollen uns so lange Zeit zu Passendorff aufhalten. Und warum solte dieses so unglaublich seyn, da doch (1) die Thäter erwachsene Schüler sind, und ex Jure bekant, was die Doctores, sonderlich diejenigen, die de privilegiis Scholarium geschrieben haben, insgemein de lascivia Scholarium zu annotiren pflegen, v. g. Quod scholaris quando est solus cum sola non praesumatur orare pater noster; Ingleichen, daß ein Haußwirth einem Scholari die Haußmiethe deßwegen nicht aufsagen könne, wenn er Huren auf die Stuben führe, weil er hätte praesumiren sollen, daß es die Scholares nicht anders zu machen pflegten. So ist auch der gemeine Vers nicht unbekant: Nox & amor vinumque nihil moderabile suadent; und ist ex Actis wohl zu mercken, daß (2) die Schüler truncken gewesen.
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Vid. Buchners Aussage ad art. 7. f. 77. a. (3) So ist es allbereit Abends zwischen 9. und 10. Uhr gewesen,
per testimonium ejusd. Buchners fol. 76. a. (4) So scheinet es auch, daß die Schüler sich recht wohl zum Handel geschickt, indem, wie obgemeldet, die Schüler ihre Mäntel und Hüte deswegen auf die Erde nieder geleget,
per dicta ejusd. Buchners ad Art. 15. f. 78. a. und ist viel wahrscheinlicher, daß die Schüler die Mäntel von sich geworffen, als daß die Weibs-Personen dieselbe ihnen mit Gewalt vom Halß gerissen haben solten; zumahln da notorium und Stadt-kündig ist, daß die Hällischen Schüler ihre Mäntel nicht um sich nehmen und anschnüren, wie sonst gewöhnlich, sondern auf einer Achsel, ja beynahe aufn Ellbogen hängen haben, wie ehedessen die Penäle ihre Mäntel zu tragen gepflogen. Und obschon die Schüler, daß sie solches gethan, nicht gestehen wollen, so ist doch auch sehr nachdencklich, daß sie (5) nicht hertzhafftig und (wie ihnen, wenn sie gantz unschuldig gewesen, gebühret hätte) verneinen können, daß sie damahls in ipso actu von denen Weibs-Personen der zugefügten Gewaltthat beschuldiget worden. Denn derjenige, so dißfalls der Thäter seyn soll, saget
ad Art. 8. f. 34. a. Ob nicht die Weibs-Personen ihnen daselbst unter Augen gesaget, sie die Schüler hätten sie begriffen und Unzucht angemuthet? gantz erschrocken und zweiffelhafftig
Er könte sich dessen nicht besinnen / daß sie das gesaget haben solten. und mischet ex anxietate conscientiae, und weil er sich zweiffels ohne nicht so gerecht gewust, Besage
dd. Actor. f. 34. a. andere impertinente und zum wenigsten
ad d. Art. 8. nicht gehörige Umstände ein, welches er nicht solte gethan, sondern besagten Artic. hertzhafft und pure verneinet haben, wenn er von besagter Beschuldigung so reine gewesen wäre. So graviret auch besagten Thäter nicht wenig, daß er
ad Art. 9. d. fol. 34. a. Ob nicht einer unter ihnen auf den andern gescholten / und gesagt: ich habe es nicht gethan / sondern mein Cammerathe etc. den Artickul rotunde verneinet
das wäre nicht geschehen / da doch sein Cammerathe
ad d. Art. 9. f 35. b. gantz anders ausschwatzet:
Die Hallorum hätten gesaget / Jonas hätte dergleichen gethan / worauf er geantwortet / er könte davor nicht / er hätte nichts gethan oder gesehen. Endlich so sind auch (6) offtgemeldte Schüler eines liederlichen Gemüthes, welches daraus abzunehmen, daß sie aus der Pulvermühle davon gangen, und ihre Zeche
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nicht bezahlet, daß man ihnen
auf den Weg nachlauffen, und das Geld einfordern müssen; massen sie solches
selbsten
ad Art. 12. f. 34. b. & f. 36. a. nicht gäntzlich in Abrede seyn können, ob sie gleich diese kahle Entschuldigung vorgewendet, der Kerl, dem man das Geld zahle, wäre nicht da gewesen, als sie weggehen wollen, welches sehr unwahrscheinlich, indem bekannt, daß in denen Bierschencken die Leute denen man Geld zu zahlen hat, sich nicht weit zuverlauffen pflegen, auch das geschwinde Nachlauffen des Schenck-Knechts, das sie daselbst selbsten einräumen, sattsame Vermuthung giebet, daß sie mit Vorsatz davon gegangen; zugeschweigen, daß (7) der Ort wo dieses geschehen, auch in Consideration zuziehen ist, nehmlich zwischen dem Flößholtz, da bey so später Abendzeit sonsten sich nicht leichte jemand zu finden pfleget, den sie vermuthe̅ können, daß er ihnen in ihren Vorhaben werde hinderlich seyn. Ja letzlich (8) ob sie schon fol. 1. eine gantz andere Ursache ihres Streits vorgeben, so sagen sie doch selbst dabey ihre eigene Schande aus, und daß sie allerdings zu dem fürfallenden Handgemenge Ursache gegeben, indem sie einräumen, daß die eine Weibs-Persohn sie freundlich gegrüsset, sie aber derselben nicht gedancket hätten, welches nicht alleine denen gemeinen officiis humanitatis zuwieder laufft, sondern auch wieder die den Schülern bekannt seyn sollende Disticha Catonis läufft, worinnen unter andern ein Hexameter sich endet; Saluta libenter. Wannenhero gestalten Sachen nach, und wenn ja allenfalls, (das doch noch nicht gestanden wird) von Chrstophen hierbey ein Excess begangen seyn solte, derselbe allerdings pro delicto leviori zu halten wäre, welches keine solche Straffe nach sich ziehen könte, weshalben einige Tortur zu erkennen wäre, zumahlen da bey denen Hallorum auch ad mitigationem poenae rusticitas, die sonst in vielen delictis poenam lindert, in Consideration gezogen werden müste, indem dergleichen Leute ex ignorantia Juris gar leichte pro re licita halten können, daß bey solchen Fällen vergönnet sey, einen der auf öffentlichen Wege einer Persohn Unzucht zugemuthet, oder auch nur sonsten eine gewaltthätige Unhöfflichkeit und Injurie erweiset, den Mantel zum Pfande zu behalten, weil sonsten vergönnet ist, daß man des andern sein Vieh welches per pastum oder sonsten einigen Schaden zufüget, Pfands weise innen behalten darff Was aber nun auch hiernechst das (II) anlanget, so sind, wenn schon ein delictum tortura dignum vorhanden wäre, (deme doch per deducta beständig wiedersprochen wird,) dannoch die ad torturam gehörige requisita in Actis nicht vorhanden. Denn es ist (1) bekanten Rechtens, daß man nicht einmahl ad Inquisitionem specialem, geschweige denn ad torturam schreiten solle, wenn kein corpus delicti fürhanden.
l. 1. §. 24. D. ad Sen. Cons. Syll.
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Brunnemann. Process. Inquisit. cap. 8. membr. 5. n. 18. Chur-Brandenb. Magdeb. Proceß-Ordnung c. 50. §. 5. zumahl wenn es delicta facti permanentis seyn, dergleichen furtum und folglich auch rapina ist.
Carpzov. Quaest. 108. n. 36. Nun sind aber die geraubt seyn sollenden Mäntel und Hüte nicht fürhanden, und folget also, daß noch zur Zeit keine Tortur allhier erkennet werden könne. (2) Wenn man betrachtet, wer diejenigen seyn, die Christophen bey diesem Inquisitions Process graviret, und auf welche die Herren Scabini Lipsienses in ihrer Sentenz fürnemlich reflectiret, so sind es die beyden Schüler, massen dann solches aus denen rationibus decidendi
Act. f. 86. a. verbis: So wohl die beyden Schüler / daß sie auch Hand angeleget / vermittelst Eydes erhärtet / item fol. 86. b. verb. Und dergestalt mehr beniembter Schüler eydliche Aussage allerdings zu attendiren. erhellet. Nun hat aber Inquisit in seiner vorigen Defension
Act. fol. 59. b. verhoffentlich zur Gnüge ausgeführet, daß man die Delatores in Processu criminali nicht zum Juramento lassen, oder wenn dieses gleich geschehen, derselben Aussage, dennoch ad decernendam torturam nicht attendiren solle; und obwohl die Herren Lipsienses
d. f. 86. b. Hierwieder vorgeben, daß ein Denunciante nach Gelegenheit der mit einlauffenden Umstände zum Zeugniß wohl zuläßlich wäre, so kan man doch nich absehen, wie dieses auf gegenwärtigen Fall mit Bestande appliciret werden könne. Denn man bescheidet sich zwar gar gerne, daß die bekante Regel de non admittendo denunciatore ad testimonium dicendum auf gewisse masse ihren Abfall leide, und dem arbitrio judicis nicht gäntzlich benommen sey, dieselben nach Gelegenheit der Umbstände zum Zeugnüß zuzulassen; allein es ist auch hinwiederum bekant, daß die Doctores dißfalls gantz gegründet distinguiren, ob die Denunciatores privati bey dem crimine, das sie denunciren, selbsten interessiret sind, und wegen ihrer eigenen Injurie, die sie gelitten zu haben, vorgeben, die denunciation geschehen, und dieserwegen den Denunciatum bestrafft wissen wollen, oder ob sie solche Dinge denunciren, die sie selbsten nichts angehen; von jenen wird allerdings die besagte Regel, daß ihre eydliche Aussage kein indicium ad torturam mache, verstanden; von diesen aber ist allein die gerühmte exception zuzulässen.
Brunnemann. d. l. cap. 8. membr. 2. n. 23. Und weil demnach die Schüler zu der ersten Classe gehören, indem sie ausdrücklich
f. 1. Act. b. bey der Denunciation gebethen, die Inquisiten zu bestraffen, auch die Denuncia
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tion gantz aperte wegen der selbst
gelittenen vorgegebenen Injurie geschehen, so kan der Herren Lipsiensium
disfalls angeführte ratio decidendi Christophen nicht praejudiciren; wobey
sonderlich noch dieses zu beobachten ist, daß wenn man in dem
Inquisitions-Process auf die eydliche Aussage der Denuncianten de injuria
propria in decernenda tortura reflectiren wolte, dieses inconveniens daraus
erfolgen würde, daß dergleichen Leute ihre condition in processu Inquisitorio
besser, derer reorum aber ihre condition schlimmer seyn würde, als in processu
accusatorio. Denn es ist ja bekant, daß in processu accusatorio Actore non
probante der reus nicht torquiret werden kan, wie ingleichen daß der Actor, wenn
er nichts probiret, nicht einmahl in processu civili, geschweige denn in
criminali, in welchem sonsten probationes multo clariores erfordert werden, zum
Jurament zugelassen werde. Wenn nun ein peinlicher Kläger, wenn er den processum
Inquisitorium wehlete, und die gelittene Injuriam deducirte, so fort zum
Jurament zugelassen würde, so würde er allemahl besagtes Axioma eludiren, und an
statt des processus accusatorii den Inquisitorium wehlen. Zu geschweigen, daß
wenn die Denunciation ein solch privilegium mit sich führen solte, dieses
offenbahrlich daraus folgen würde, daß, wenn die beyden Hallorum denen Schülern
zuvorkommen wären und die denenselben Schuld gegebene Gewaltthat an denen
Weibes-Personen denunciret, auch diese Denunciation (wie itzo die Schüler die
ihrige) beschworen hätten, so würden nach der Herren Lipsiensium argumentation
die Schüler anitzo der Tortur gewärtig seyn, die Hallorum aber nicht einmahl als
Inquisiten, sondern gleichwie die Schüler, als testes tractiret werden müssen;
dergleichen Würckung der praevention in criminalibus doch niemahlen ein JCtus
zugeschrieben, noch salvis principiis juris zuschreiben können. Hierzu kömmt
noch ferner, daß per deducta wieder die Schüler starcke Vermuthungen seyn, daß
sie bey den entstandenen Zanck-Händeln autores rixae gewesen, und dannenhero bey
diesen Umbständen destoweniger zum Juramento testium hätten zugelassen werden
sollen. So ist auch dieses nicht zu vergessen, daß ihre Aussage in vielen
Umständen von des Zeugen Buchners seiner deposition discrepant ist. Denn wann
sie (1) vorgeben
fol. 1. b. die Weibes-Personen hätten Christel, Christel geruffen, so saget Buchner,
fol. 9. b. ad Art. 7. er hätte wohl gehöret, daß sie Hülffe, Hülffe geruffen, daß sie aber Christel geruffen, hätte er nicht gehöret;
Conf. ejusd. testis Aussage ad art. 10. f. 77. b. (2) Wenn die Schüler
fol. 1. b. vorgeben, die Weibs-Personen hätten sie von hintenwärts, die Hallorum aber
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von vorwarts angefallen, und übel
geschlagen, und solcher gestalt die Hallorum zu aggressoribus machen wollen, so
saget der Zeuge
fol. 9. ad art. 5. & seqq. ingleichen fol. 77. b. ad Art. 10. &. seqq. daß die Hallorum erst, nachdem sie um Hülffe geruffen worden, hinzu gelauffen, und also der Streit zwischen denen Weibs-Persohnen und Schülern nothwendig angegangen seyn müsse, auch solcher gestalt die Hallorum nicht pro aggressoribus gehalten werden können, sondern vielmehr, daß sie die Schüler und Weibs-Persohnen von einander bringen wollen: massen denn auch, so bald der Zeuge hinzu kommen, und selbst die Weibs-Persohnen vor Gewalt beschützen wollen, sie schon von einander gebracht gewesen
ad Art. 10. f. 9. b. & ad Art. 12. f. 77. b. (3) Wenn die Schüler
f. 1. b. denunciren, die Hallorum hätten ihnen ihre Mäntel, Hüte und Halßkrausen genommen, und solche den Weibs-Persohnen gegeben, und dergestalt die Hallorum gar deutlich einer rapinae beschuldigen, so saget der Zeuge
ad Art. 11. f. 10. a. & ad art. 15. f. 78. a. als er hinzu kommen, hätten der Schüler Mantel und Hüte an der Erde gelegen, von Halskrausen wisse er nichts. Ja die Schüler selbst können diesen Umstand nicht in Abrede seyn: massen denn Jonas
ad Art. 3. f. 33. a. (welcher dergestalt eingerichtet ist: ob denn ihre Mäntel und Hüte an der Erde gelegen, daß die Weibs-Persohnen solche ihnen selbst genommen, oder ob die Hallorum solche genommen, und den Weibsstücken gegeben,) auf diesen Umstand, daß die Mäntel auf der Erde gelegen, gar nicht rotunde mit Ja oder Nein geantwortet, sondern eine gantz impertinente Antwort vorgebracht, und nur schlecht weg gesagt, die Hallorum hätten sie den Weibsstücken gegeben; wie dann in gleichen Martin
ad d. Art. f. 35. a. antwortet: er hätte gesehen, daß Christoph von der Erde einen Mantel aufgehoben und den Weibsstücken gegeben, und also gleichergestalt nichts beständiges determiniret, wie die Mäntel auf die Erde zuliegen kommen. (4) Sagen zwar die Schüler
ad art. 11. f. 34. b. & fol. 36. a. Sie hätten keinen Rausch gehabt; da hingegen Buchner
ad art. 7. f. 77. a. ausdrücklich saget, sie wären etwas betruncken gewesen. Wannenhero auch aus dieser vielfältigen Spahrung der Wahrheit, so auf Seiten der Schüler vorgangen, ihr
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abgelegtes Zeugniß, wenn es
gleich sonst zuläßlich wäre, gantz nichts tauget, sondern des eintzigen Buchners
Zeugnüß übrig bleibet.
Was demnach (3) dieses Buchners Zeugnüß selbst anlanget, so hat dieser
Christophen in keinem Punct graviret, als daß er ausgesaget
ad Art. 12. f. 10. a. & ad art. 16. f. 78. Christoph hätte die Mäntel aufgehoben, und den Weibs-Persohnen gegeben, welches bißhero Christoph beständig verneinet. Hierwieder aber hat Christoph in seiner vorigen Defension angeführet, daß Buchner disfalls nur testis unicus sey, dessen Aussage solcher gestalt ad decernendam torturam nicht sufficient wäre, worwieder die Herren Lipsienses
fol. 87. a. regeriren, daß obgleich ein Zeuge wieder einen Delinquenten zur condemnation nicht genug, so könne doch derselbe dadurch so weit, daß er seine Unschuld nach Beschaffenheit des Verbrechens und der verhandenen Indicien entweder jurato, oder vermittelst der Tortur erhalten müsse, graviret werden. Nun bescheidet man sich zwar wiederumb, daß wenn ein tüchtiger Zeuge de crimine ipso, daß er solches vollbringen gesehen, deponiret, derselbe gestalten Sachen nach ad decernendam torturam sufficient seyn könne.
Carpzov. Inquisition-Proceß p. m. 108. & in Pract. Crim. quaest. 114. n. 54. Hergegen aber, wenn er nur von einem indicio ad torturam deponiret, so müssen zum wenigsten zwey Zeugen vorhanden seyn, wenn die Tortur erkennet werden soll.
per expressa verba Const. crimin. art. 30. Brunnemann d. c. 8. membr. 5. n. 17. Wann demnach Buchner wieder Christophen ausgesagt, daß er die auf der Erden liegende Mäntel aufgehoben, und denen Weibs-Persohnen gegeben, so ist zuförderst die Frage, ob dieses Aufheben und Ubergebung der Mäntel denn eigentlich das delictum selbsten sey? welches beständig verneinet wird; massen denn, wie oben gedacht, solche Aufhebung der auf der Erden liegenden Mäntel an sich selbst keine rapina ist, zumahl wenn solche zu dem Ende geschehen, daß die Weibs-Persohnen ein Pfand hätten, die Schüler wegen der an ihnen verübten Gewaltthat zu überzeugen. Und auf diese Weise könte diese Aufhebung und Ubergebung, wenn es hoch käme, für nichts mehr als pro indicio aliquo geachtet werden. Schließlich ist (4) Georgens letzte Aussage, die er
fol. 103. & seqq. ingleichen f. 105. und seqq. gethan, noch übrig, als worinnen eines und das andere zu befinden ist, welches Christophen in etwas graviren könte. Wenn man aber im Gegentheil betrachtet, daß 1) dieser George ein Correus und Socius criminis seyn soll, derer Aussage sonsten in dem Inquisitions-Proceß selten pro sufficiente ad torturam alterius gehalten wird: 2) Wohl zu beobachten ist, daß dieser George, in so weit er Christophen
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graviren könte, von dem
Thal-Voigt gantz offenbar induciret, und ihme solches zu thun, gantz deutlich
suppeditiret worden, indem der Thalvoigt selbst
fol. 103. a. ausdrücklich meldet, er habe ihme Georgen zugeredet, warumb er umb eines andern (durch den er niemand als Christophen gemeinet haben kan) willen da sitzen, und sich Ungelegenheit und Schimpf über den Halß ziehen wolte; dergleichen suppeditationes sonst im Inquisitions-Proceß verbothen werden / und die darauf erfolgte Aussage mit nichten zu attendiren ist: (3) Daß gleichwohl eben dieser George viel Dinge gemeldet, die Christophen zu seiner Defension zu statten kommen, z. E. Wenn er sagt:
fol. 104. a. Er habe, als er hinzu kommen, gesehen, daß die Weibsstücken die Mäntel gehabt, ingleichen
fol. 106. a. die Weibs-Personen hätten geschrien: Ach Herr JEsu Christ, Kieren-Christel helfft uns, sie bringen uns umbs Leben! Ferner
eod. fol. wie er darzu kommen, hätte ein Schüler mit dem einen Weibsstücke auf der Erde gelegen, auf welchen Christoph zu geschlagen, die andere Weibs-Person wäre da gestanden, und der Schüler Mäntel unterm Arme gehabt, weiter
fol. 107. a. die Weibs-Personen hätten zu den Schülern gesagt, wir wollen das Zeug zum Pfande behalten, darumb, daß ihr uns habt angegriffen etc. Item: Christophen möchte es leid geworden seyn, daß sie das Zeug mitnehmen lassen etc. Item: Sie wären nach Passendorf gangen in die Schencke, und hätten daselbst bey dem Wirth bestellet, daß, wenn Weibes-Personen in die Schencke kämen, die Mäntel und Hüte hätten, er sie anhalten solte: Hiernechst auch (4) nicht zuvergessen, daß besagter George zu seiner eigenen exculpation viel Dinge gemeldet, die mit Buchners des Zeugen Aussage gantz nicht übereinstimmen, z. E. Wenn er
fol. 103. b. & fol. 106. a. vorgibt, er wäre nicht mit Christophen zugleich auf das Geschrey der Weibs-Personen zugelauffen, sondern wäre noch ein wenig zurücke blieben, und endlich mit dem Wächter Buchnern nachgegangen, da doch Buchner
ad art. 8. f. 9. b. & ad art. 12. f. 77. b. gemeldet, daß die beyden Hallorum auf das geschehene Geschrey der Weibs-Personen zugleich hingelauffen, er Buchner aber ihnen beyden erst nachgelauffen sey; wie ingleichen, wenn George saget
fol. 106. b. er wäre zugelauffen, und hätte dem Weibsstücke einen Mantel wieder genommen,
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dem Schüler gegeben und gesagt: ihr
werdet die Mäntel den Kerln nicht gar nehmen; das Weibsstücke aber hätte dem
Schüler den Mantel wieder genommen etc. Wovon doch Buchner
ad art. 17. & 18. f. 78. b. gantz nichts wissen will: so erhellet aus diesen jetzt angeführten Umbständen gar deutlich, daß diese letzte Aussage Georgens, so ferne sie Christophen graviren kan, gantz nicht zu attendiren sey, noch ein beständig indicium ad torturam wieder diesen machen könne. Letzlich, so ist auch (5) noch dieses zu erinnern, daß von Christophens facto, weil derselbe bey diesem Inquisitions-Proceß nicht persona principalis, sondern nur adjuvans seyn soll, weder ad torturam, noch condemnationem etwas beständiges concludiret werden könne, ehe und bevor man wieder die Weibs-Personen als personas principales den Proceß gebührend formiret, wannenhero auch die Herren Lipsienses
fol. 83. b. gar nachdrücklich erinnern, es solten die Inquisiten unter andern auch hierüber mit allem Ernst befraget werden, wer diese Weiber gewesen, und wo sie sich aufgehalten? Nun aber ist diese Frage allbereit zur Gnüge erörtert, indem Georg Menthe in seiner letzten Aussage gemeldet, daß dieselben des hiesigen Heubinders Töchter seyn. Ja es ist nicht zu verschweigen, daß für wenig Tagen, als Görge aus der Wind-Ecke aufm Rathhause zum Fenster nausgesehen, er des einen Weibsstückes von den beyden Heubinders-Töchtern mit Nahmen Catharina, daß sie auf dem Marckte bey Caspar Froschen gestanden, ansichtig worden, welches er nicht alleine dem Stockmeister alsbald vermeldet, sondern es hat auch der eine Stadtknecht, Lorentz Begreiß, nachdem er die Rathhaus-Treppe herunter kommen, und den Thalvoigt für dem Raths-Keller angetroffen, demselben solches entdecket, und das Mensche, die noch auf dem Marckte gestanden, gezeiget, auch ihn gefragt, wie er dächte? das wäre diejenige, deswegen die Hallorum sässen, worauf aber der Thalvoigt, (dessen Amt sonst ist, denen Stadtknechten anzudeuten, wer des Thalgerichts halber in Hafft genommen werden soll) zur Antwort gegeben, es wird sich wohl schicken; Wodurch er gewißlich entweder seine üble intention gegen Christophen, die er, wie jetzt erwehnet, allbereit bey Georgens letzter Aussage gnugsam an den Tag gegeben, ferner bezeuget, indem durch die Einziehung dieses Weibsstückes Christophs Unschuld gar leichte hätte an den Tag kommen können, oder hat doch zum wenigsten durch diese Nachläßigkeit sein Amt übel verrichtet, und kan dannenhero diese negligenz (über welche gedachter Stadtknecht vernommen werden kan,) Christophen nicht praejudiciren. Wann demnach in dieser Deduction verhoffentlich zur Gnüge ausgeführet wor
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den, daß (1) das Christophen
imputirte crimen nicht pro rapina oder vi publica, sondern pro delicto leviori
zu halten, (2) wenn es gleich rapina oder vis publica wäre, dennoch das corpus
delicti annoch ermangelte, (3) der Schüler als Denuncianten in causa propria,
und die nicht wenige Vermuthung bey dieser Sache wieder sich haben, ihre Aussage
pro testimonio fide digno nicht zu achten, (4) Buchners Zeugniß aber entweder
Inquisiten wenig graviret, oder doch nur pro testimonio testis unici super
indicio aliquo non super delicto ipso zu halten, (5) wie ingleichen Georgens
letzte Aussage per suggessionem des Thalvoigts entstanden, in vielen Stücken
Christophen zu statten komme, im übrigen aber mit Buchners, des Zeugen Aussage
nicht übereinstimme, und (6) per negligentiam des Thalvoigts, daß er die
Principal-Person bey diesem Handel nicht arrestiren lassen, Christophen nichts
praejudiciret werden könne; Als hoffet man, die neuen Herren Urtheilfasser
werden Inquisiten mit Zuerkänntniß der tortur verschonen, und entweder gäntzlich
absolviren, oder doch zum wenigsten mit einer linderen Sentenz ansehen; und
bittet, daferne über verhoffen noch keine sententia definitiva erfolgen solte;
zugleich hierüber mit zu erkennen: Ob nicht Inquisit, der sein bißgen Brodt für
sein Weib und Kind in der Halle mit Handarbeit kümmerlich suchen muß, und wegen
der langwierigen Gefängniß in die äusserste Armuth gerathen, gestalten Sachen
nach gegen einer gemäßigten caution der Hafft zu erlassen?
§. XIIX. Es kan aber auch vielleicht dieses die Haupt-Ursache gewesen(Allerhand wiedrige Urtheile von derselben.) seyn,
warum man die defension nicht wieder zurücke gegeben, weil man dieselbige für so
ungeschickt gehalten, daß darauf unmöglich für Christophen eine gelindere
Sentenz würde erfolgen können, und mithin die gesammten Halleute mir aufden Halß
würden gehetzt werden können. Denn es fanden sich etliche Tage nach der
übergebenen und angenommenen defension die ehemahls von der Brüderschafft der
Halleute an mich geschickte Deputirte wieder bey mir ein, und querulirten, daß
Sie von vielen vornehmen Leuten wären gewarnet worden, daß die übergebene
defension so nicht beschaffen wäre, daß Christoph sich eines gelinderen Urtheils
würde zu getrösten haben, und fragten gar beweglich bey mir an, wie sie sich
hierinnen zu verhalten hätten. Ich konte ihnen hierauf keine andere Antwort
ertheilen; als, sie müsten die vornehmen Leute reden lassen, und inzwischen
vorher das neue Urtheil erwarten. Ja ich wurde sonsten von vertrauter Hand
berichtet, wie gedachte von mir verfertigte defension in consessu illustris
Regiminis von etlichen Herren Räthen wäre examiniret und absonderlich daran
getadelt worden, daß so wenig Latein, id est, so wenig allegata legum &
doctorum darinnen anzutreffen wären, daß man sich billig verwundern müste, daß
ich von meiner Erfah
|| [94]
rung in praxi
zu̅ erstenmal allhier in Halle, als ein Neuling eine so
schlechte Probe abgeleget hätte; und muste davon gar vieles seyn geredet worden,
weil man mich zugleich berichtete, daß der damahlige Hr. Cantzler, Herr
Gottfried von Jena, nach seiner ingenieusen Manier diesen Herren
Splitter-Richtern solte zur Antwort gegeben haben; daß ich vielleicht die gantze
Sache vor so geringe angesehen hätte, daß ich nicht für nöthig gehalten, denen
neuen Herren Urthelsfassern mit vielen allegatis u. Latein beschwerlich zu seyn,
und würde ich es verhoffentlich auch hieran nicht ermangeln lassen, wenn mir ein
verwirreter casus unter die Hände würde gegeben werden.
(Neues Jenisches Urtheil, das die vorher erkannte Tortur in einen Reinigungs-Eyd verwandelt.)
§. XIX. Nun war freylich die Sache so unstreitig nicht / daß ich denen Halleuten
hätte eine Aenderung des Urtheils unfehlbar versprechen können; indem es sich
leicht hätte fügen können, daß, wenn zumahlen die Acta einem jungen unerfahrnen
und die Acta obenhin lesenden referenten wären unter die Hände kommen, die
beyden vorigen Urtheil sodann ratione torturae hätten consirmiret werden können;
und wenn solches geschehen wäre, weiß ich nicht, was ich von der Brüderschafft,
wenn auch meine defension noch so vernünfftig und legal eingerichtet gewesen
wäre, durch Anhetzung anderer, für ein gratial würde zu erwarten gehabt haben.
Davon nichts zu gedencken, daß die acten nicht nach meinen Bitten auf eine
Chur-Brandenburgische Universität, sondern nach Jena waren geschickt worden;
denn es konnte a parte Domini Judicis dieses Bedencken gewesen seyn, daß die
Chur-Brandenburgischen Universitäten etwas weit entlegen wären, und die
Verschickung dahin viel kosten würde; es konte aber auch wohl seyn, daß man in
Jena mehr bekante hatte, und daß eine (obschon nur generale, und in quantum de
jure) beygefügte schrifftliche recommendation, das Urtheil zu befördern, meinem
Clienten, auch ohne des Scribentis und dessen, an den man schrieb, böse
intention, propter varia hominum etiam eruditorum praejudicia, einiger massen
praejudicirlich seyn können. Ich liesse aber unseren Herre GOtt sorgen, und
erwartete selbst mit Verlangen, was das neue Urtheil sprechen würde. Die
Urtheils-Frage ware fol. act. 149. in terminis consuetis & generalibus
aufgesetzt, nur daß Dominus Judex sich die meines Erachtens unnöthige auch
unnützliche Mühe genommen, und kürtzlich angeführet hatte, daß er die beyden
neuen Defensores absque juramento calumniae zugelassen hätte, damit die
Inquisiti, zumahl da sie andere Advocaten zu bezahlen unvermögend wären, nicht
länger in squalore carceris gelassen würden, jedoch aber diese admission
künfftig in andern Fällen zu keiner consequenz gezogen werden solte. Das Urtheil
|| [95]
kam auch noch im Monat October
zurücke, und war fol. 151. folgenden Inhalts:
Nunmehr aus den Acten so viel zu befinden, daß beyde Inquisiten auf vorhergehende
ernste Verwarnung vor dem Meineyd / und dessen schwerer Straffe, worzu auch ein
Geistlicher zu gebrauchen, vermittelst Eydes sich reinigen, und daß sie die
beyden Schüler gerügter massen nicht angefallen noch geschlagen, ihnen die
Mäntel, Hüte und Krausen nicht abnehmen helffen, und solche denen
Weibes-Personen nicht zugestellet, daß sie solche mitnehmen können, ingleichen,
daß sie von den abgenommenen Sachen nichts empfangen, noch zu gewarten gehabt,
zu schwören schuldig. Sie thun nun solches / oder nicht, so ergehet nichts
destoweniger auf anderweite Verschickung der Acten, was recht ist. V. R. W.
§. XX. So wenig aber der Dominus Judex sich dieses Urtheils versehen;(Des Judicis neue Ersindungen
Christophen zum Jurament nicht zuzulassen.) so
wenig gefiel es ihm, zum wenigsten ratione Christophs. Und obwohl sein officium
meines Erachtens erforderte, dasselbige ratione beyder Inquisiten, zur execution
zu bringen, so zeigen doch die folgende registraturen, wie er sich, so viel an
ihn war, bemühet, Christophen zu dem Jurament nicht zu zulassen, worüber ich
mich zwar billich entsehe, als der ich als Defensor auch dabey interessiret war,
einige Glossen zu machen, sondern ich überlasse dieses alles eines jeden
unpartheyischen Lesers selbst eigener Beurtheilung. Die hieher gehörige
Registraturen fol. 153. bis 159. sind folgenden Inhalts.
Von vorstehenden Urtheil ist doppelte Abschrifft gemacht, und auf Befehl des
Herrn Saltz-Gräffens und derer Ober-Bornmeistere durch den Thalvoigt, die eine
Christophen, die andere aber Georgen auf dem Rathhause in das Gefängnüß gegeben,
und ihnen dabey angedeutet worden, sich wohl zu prüfen, ob sie mit gutem und
reinem Gewissen, darzu ihnen ein gewisser Tag benennet werden solte, schwören
könten, so nachrichtlich ad Acta zu registriren befohlen worden den 17. Oct. Ao.
1690.
Demnach heute Acto Christoph und George zu Abschwörung des ihnen durch das, von
der Juristen-Facultät zu Jena eingehohltes Urtheil zuerkanten Reinigungs-Eydes,
aus dem Gefängnüß vom Rathhause aufs Thalhauß gebracht, ist beyden Inquisiten,
sowohl von dem Herrn Saltz-Gräffen, als Herrn Mag. Reichhelmen, Pastore an der
Kirchen zu St. Moritz allhier, der Georgens Beichtvater ist, ernste Verwarnung
vor den Mein-Eyde und dessen schweren Straffe sich zu hüten, geschehen, und
ihnen vorgestellet worden, wie man gäntzlich davor hielte, daß sie, sonderlich
Christoph, mit gutem Gewissen den Eyd nicht schwören konte. Denn wie er
anfänglich von der gantzen Sache nichts wissen, auch weder Schüler, noch die
Weibsstücken gesehen haben wolte, als habe er doch hernach solches, und daß er
den einen Schüler Ohrfeigen gegeben, gestanden, und George ihm unter Augen
gesagt, daß er, Christoph
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auf den
einen Schüler, so mit dem einen Weibsstücke auf der Erden gelegen, zugeschlagen,
ihnen, denen Schülern, die Hüte vom Kopffe gerissen, und hingeworffen, so die
Weibs-Persohnen zu sich genommen, damit er nun seine Seele und Seeligkeit nicht
in Gefahr setzte, solte er sich wohl prüffen, und die Wahrheit lieber bekennen,
denn es treffe nicht sowohl den Leib, als seine durch Christi Blut theuer
erlösete Seele an, die er durch Abschwörung des erkannten Eydes in die grösseste
Gefahr setzte. Christoph antwortete: er könte nicht mehr gestehen, als was er
gethan, und allbereit gestanden: als die Weibes-Personen Hülffe geruffen, wäre
er zugelauffen, und zu denen Schülern gesagt, warumb sie die Menschen auf der
Strasse angegriffen, und hätte darnebst dem einem Schüler ein paar Ohrfeigen
gegeben, davon er geblutet.
Georg aber sagt: Er könte mit gutem Gewissen schwören, denn er keinen Schüler zu
schlagen angerühret, auch denenselben weder Mäntel noch Hüte nehmen helffen und
denen Weibs-Persohnen gegeben, sondern vielmehr dem einem Weibesstücke einen
Mantel abgenommen und dem Schüler wieder zugestellet, massen denn Christoph
nichts anders sagen könte und würde, Christoph aber hätte den einen Schüler, als
er mit dem Weibsstücke zur Erden gelegen, wie auch hernach, wie sie wieder
aufgestanden gewesen, geschlagen, daß er davon geblutet, auch dem Schüler den
Hut von Kopffe gerissen, und hingeworffen, wie er hiebevor allbereits ausgesagt,
gestehet auch, daß er ein schwartz altes Krausen-Band oder Schleiffe nebst einem
Stücke von der zerrissenen Hals-Krause von der Erden, da es zerrissen gelegen,
aufgehoben, in Meynung, denen Schülern wieder zu zustellen, weil es doch sonst
die Weibsstücken auch mitgenommen hätten, ausser dem könte und wolte er mit
reinem Gewissen alles schwören, was ihm schon vorgelesen, die Schleiffe hätte
Frosch zu sich genommen, und auf den Hut gebunden, das Stücke von der Krause
aber, habe er George, mit in dem Gefängnüß gehabt, und sein Essen mit zugedeckt,
würde auch wohl, wie das Gefängnüß gereiniget, mit ausgekehret seyn.
Weil man nun Georgen mehr dann Christophen zutrauete, daß derselbe mit besserm
Gewissen, denn Christoph, den erkanten Reinigungs-Eyd abschwören könne, ist
resolviret worden, ihm solchen, doch wegen des Krausen-Bandes und Stücke von der
Krause darinne gemeldet, abschwören zu lassen, massen es auch geschehen, wie
folget:
Ich Georg schwöre zu GOtt, daß ich die beyden Schüler gerügter massen nicht
angefallen noch geschlagen, ihnen die Mäntel, Hüte und Krausen nicht abnehmen
helffen, und solche denen beyden Weibes-Personen nicht zugestellet, daß sie
solches mit nehmen können, auch von denen abgenommenen Sachen nichts empfangen,
noch zu gewarten gehabt, ausser daß ich ein schwartz Krausen-Band, und ein
Stücke von der zerrissenen Krause von der Erden aufgehoben, und mit nach Hause
genommen, So wahr mir GOtt helffe und sein heiliges Wort.
|| [97]
Sonsten aber berichtet er nach abgelegten Eyde, daß Christoph nicht nur auf den
einen Schüler, wie er auf der Erde mit dem Weibsstücke gelegen, zugeschlagen,
sondern auch, wie derselbe, nebst dem Weibsstücke aufgestanden gewesen, und er
George, dem einen Weibesstücke des Schülers Mantel abgenommen, und dem Schüler
wieder zugestellet gehabt, das Weibesstücke aber den Schüler den Mantel wieder
wegnehmen wollen, darzwischen gelauffen, und dem Schüler in das Angesicht
geschlagen, daß er davon geblutet, da dann das Weibesstücke den Mantel wieder zu
sich gerissen, und mit sich genommen. George muste abtreten, und wurde Christoph
abermahls in die Gerichts-Stube gefordert, und ihm Georgens so wohl jetzige als
vorige Aussage vorgehalten, und ihm gesagt, man könte ihn bey solcher Bewandniß
unmöglich zu Abschwörung des Reinigungs-Eydes zulassen, denn er schwüre sich zum
Teuffel, so nicht zu verantworten stünde.
Derselbe aber will nicht gestehen, daß er auf den einen Schüler, so mit dem
Weibsstücke auf der Erde über einander her gelegen, geschlagen, ausser daß er
ihm wie vor gedacht, ein paar Ohrfeigen gegeben hätte, denen Schülern auch nicht
die Hüte genommen und denen Weibsstücken zugeworffen.
Darum George auch wieder in die Gerichts-Stube gefordert wurde, und sagt derselbe
Christophen alles das unter die Augen, was er vorhin berichtet, sonderlich auch,
daß die Weibesstücken, wie sie Hülffe geschrien, geruffen, Kieren Christel!
Kommt uns zu Hülffe, hernach hätte Christoph gegen ihn, Georgen selbst gesaget,
daß sie ihn mit Nahmen geruffen.
Als nun Christophen ferner zugeredet, und ihm solches alles, was gesagt, nach
einander vorgehalten wurde, antwortete er auf keines recht, sondern redet was
anders, doch sagte er, endlich könte es wohl seyn, wiewohl er es nicht wüste,
wolte es, weil es George sagte, auch gestehen.
Ihme wurde gesagt, er müste es pure sagen, ob er es gethan, oder nicht gethan
hätte? Denn man könte ihn ohne dem dergestalt nicht zum Eyde verstatten, sondern
müste ferner darüber erkennen, und ihn jetzo wieder hinüber aufs Rathhauß ins
Gefängnüß bringen lassen, Illc sagt, er könte sich nicht darein finden, was er
eigentlich gethan haben solte; worauf ihm gesagt wurde, man wolte ihn
Artickuls-weise fragen, er solte aber nur mit Ja und Nein antworten, darauf ist
er über nachfolgende Artickul befragt worden, und hat wie folget geantwortet.
Art. 1. Ob Inquisit auf den einen Schüler, als er mit dem Weibsstücke an der
Erden gelegen, zugeschlagen? Sagt, Ja. Art. 2. Ob darauf das Weibesstücke und
der Schüler von einander gebracht, und beyde aufgerichts gestanden? Sagt Ja.
Art. 3. Ob George dem einen Weibesstück einen den Schülern abgenommenen Mantel
wieder genommen und den Schülern gegeben? Sagt Ja. Art. 4. Ob nicht das eine
Weibesstücke solchen ihr abgenommenen Mantel dem Schü
|| [98]
ler wieder nehmen wollen? Sagt Ja.
Art. 5. Ob Inquisit nicht zugetreten, und denselben Schüler geschlagen, daß ihn
die Nase geblutet? Sagt Ja. Art. 6. Ob nicht das Weibesstücke dadurch
Gelegenheit bekommen, dem Schüler den Mantel wieder abzunehmen? Sagt, wie er den
Schüler geschlagen, damit hätte das Mensche den Mantel gekriegt. Art. 7. Ob
Inquisit dem Schüler den Hut von Kopffe gerissen, und dem Weibesstücke
hingeworffen? Sagt, daß hätte er nicht gethan, wie er aber den Schüler
geschlagen, wäre demselben der Hut von Kopffe gefallen, daß ihn das Weibesstücke
bekommen.
Christophen wurde angedeutet, daß weil die Sache durch sein jetziges Geständnüß
in einen andern Stand gekommen, man ihn den Reinigungs-Eyd erkanter massen nicht
schwören lassen könte, sondern man wolte die Sache ferner überlegen / vorjetzo
aber solte er mit denen Stadtknechten hinüber aufs Rathhauß ins Gefängnüß wieder
gebracht werden, massen es auch geschehen, hierauf ist George gegen Bürgschafft
der Hafft erlassen worden. Den 20. Oct. 1690.
(Christophs darüber geführte Beschwerung.)
§. XXI. Nun kam die Reyhe wieder an mich Ich wolte zwar den Inquisitum im
Gefängnüß nicht selbst vernehmen, sondern ließ mich begnügen, daß die bißherigen
deputati von dem was vorgegangen seyn solte mich informirten, und nachdem ich
Copey von den nur ertheilten registraturen erhalten, übergab ich den 23. Octobr.
fol. 163. seq. folgende Nothdurfft.
Obwohl, in dem jüngst zu Jena gesprochenen Urtheil, so wohl mir Endes
nnterschriebenen, als Georgen das Juramentum purgationis zu erkennet, auch der
jüngst verwichene 20. dieses Monats zu Abschwörung desselben anberaumet worden,
und ich mich dannenhero gewiß versehen hätte, man würde nach vorher gegangener
gewöhnlicher Verwarnung für der Straffe des Meyneids ja so wohl mich, als
Georgen zulassen, so weisen doch die Acta, und die disfalls ergangene
Registratur Act. fol. 153. & seqq. daß nicht alleine 1. wieder den sonst
gewöhnlichen Inquisition Process und citra alias consuetum Judicis officium fol.
155. b. registriret worden:
Daß man Georgen mehr dann mir zugetrauet / daß derselbe mit bessern Gewissen als ich den erkannten Reinigungs-Eyd abschwören könte / 2) daß besagter George nach abgelegten Eyde fol. 156. a. von neuen wieder mich befraget worden, über dieses auch (3) fol. 156. b. über Georgens Aussage von neuen mir Vorhaltung geschehen; wie auch (4) besage ejusd. folii mir vermeldet worden,
Man könte mich bey solcher Bewandnüß unmöglich zu Abschwörung des Reinigungs-Eydes zu lassen / denn ich schwüre mich zum Teuffel / welches nicht zu verantworten stünde. wie denn auch ferner (5) ich abermahls fol. 157. a. mit Georgen confrontiret worden, und als ich bey meiner einmahl gethanen Aussage und Erklärung geblieben, (aus
|| [99]
ser daß ich auf hartes
Zureden endlich fol. 157. b. gesagt, es könte wohl seyn, wiewohl ich es nicht
wüste, so wolte ich doch, weil es George gesaget, es gestehen) man ferner 6)
besage Registratur fol. 157. b. mir zugesetzet, man könte mich dergestalt nicht
zum Eyde verstatten, sondern müsse ferner darüber erkennen, und mich wieder
hinüber aufs Nathhauß ins Gefängnüß bringen lassen, worauf man 7) mich von neuen
über Artickul vernommen, auch 8) nach meiner geschehenen Aussage mir endlich
angedeutet, fol. 159. b.
daß weil die Sache auf mein Geständnüß in einenandern Stand gekommen / man mir den Reinigungs-Eyd erkanter massen nicht schwören lassen könte. Und 9) man mich hierauf wieder in daß Gefängnüß geführet: Wann dann, Hochgeehrte Herren und Patronen, hieraus erhellet, daß (1) hierinnen allenthalben wieder den tenor des eingeholten Urthels mit mir verfahren worden, in Ansehen 2) man hierbey die gewöhnliche Verwarnung vor der Straffe des Meineyds nicht beobachtet, auch (3) dergleichen confrontationes und Abhörung über Artickul dem Inquisitions Process nicht gemäß, auch 4) Georgens Aussage mich im geringsten nicht graviren, noch ein neu Indicium wieder mich machen kan, indem das von Georgen abgelegte Juramentum purgatorium nimmermehr die Krafft haben kan, daß er vor einen Zeugen wieder mich könne angesehen werden, und über dieses 5) meine Hochgeehrten Herren und Patroni sich bestens entsinnen werden, daß bey diesen Actibus und sonderlich bey der Abhörung über Artickul sol. 158. unter andern harten Zuredungen auch diese geschehen, daß wenn ich nicht in Güte dasjenige, worüber ich gefraget worden, gestehen wolte, man mich durch Meister Hansen (welches des hiesigen Scharffrichters Nahme ist) schon darzu bringen wolte, wiewohl 6) diese Formalien auch zu meinem Praejudiz nicht mit in die Registratur gebracht worden; hierbey aber 7) ich wieder die von mir geschehene Aussage fol. 158. zu erinnern habe, daß das jenige, was ich ad Artic. 3. 4. 5. 6. & 7. gemeldet, sich in der That nicht so verhalte, sondern ich bloß aus Furcht der angedroheten Marter dasjenige, was daselbst registriret worden, gestanden; wiewohl auch 8) wenn auch gleich das, was ich daselbst ad Art. 5. 6. 7. ausgesagt, sich so verhielte, dennoch solches keine gnugsame Ursachen, warum ich zu dem zuerkanten Eyde nicht gelassen werden kan; massen dann 9) wenn ich gleich den Schüler, als er aufgestanden, geschlagen, und das Weibsstücke dadurch Gelegenheit bekommen hätte, demselben den Mantel und Hut zu nehmen, dennoch ich weder darüber vernommen worden, ob ich die Schläge dem Schüler mit der Intention gegeben, daß das Weibsstücke besagte Sachen ihme nehmen sollen, vielweniger ich nach meinem Gewissen, solches von mir geschehen zu seyn gestanden habe, oder gestehen kan, sondern vielmehr 10) noch mahlen bereit bin, zuerkanter massen durch den Eyd mich zu reinigen.
|| [100]
Daß ich die beyden Schüler gerügter massen nicht angefallen / ihnen die Mäntel / Hüte und Krausen nicht abnehmen helffen / und solche den beyden Weibs-Persohnen nicht zugestellet / daß sie solche mit nehmen können / auch von denen abgenommenen Sachen nichts empfangen noch zugewarten gehabt / Also werden meine Hochgeehrte Herren und Patronen nach der ihnen beywohnenden Erkäntnüß selbst hochgeneigt ermessen, daß mir hierbey allenthalben Exceptio nullitatis zustatten komme; Und gelanget dannenhero an dieselben mein unterdienstl. und gehorsamstes Bitten, sie wollen sich über mich erbarmen, und in Ansehen meiner ausgestandenen langwierigen Gefängnüß, wie auch meiner Armuth und armen Weibes und Kinder förderlichst einen Termin anberaumen, und mich zu Ablegung des mir zuerkanten Reinigungs-Eydes zulassen; wiedrigen falls werden sie mich nicht verdencken, daß weil die Sache mir an Haut und Haare gehet, und mein Leib und Leben betrifft, ich genöthiget werde, hiermit wieder fernere Versendung der Acten feyerlichst zu protestiren, und bey Churfürstl Durchl. meinem Gnäd. Herrn entweder umb avocation der Sache, oder zum wenigsten umb adjunction eines Herrn Commissarii unterthänigst zu suppliciren, wiewohl ich aus gehorsambsten Respect gegen meine Hochgeehrten Herren und Patronen, dieses alles gern entübrigt wäre, massen ich denn allezeit verharre etc. (Judex bleibt Anfangs bey seinem Vorsatz.) §. XXII. Es wolte aber auch diese Supplique bey dem Herrn Judice nicht so fort durchdringen, sondern mein Cliente bekam den 24. Octobr. fol. 167. seq. folgende schrifftliche resolution. Es ist bey den Thal-Gerichten verlesen worden, was Christoph darumb, daß er den 20. dieses zur Leistung des Reinigungs-Eyds nicht gelassen worden, in Schrifften angeführet, weilen aber ein gewissenhaffter Richter mit allem Fleiß sich dahin zu bemühen hat, daß Mein-Eyde verhütet werden, so hat man billig Ursache gehabt, bey Christophen deswegen sorgfältig zu seyn, sintemahl denen Thal-Gerichten desselben Verhalten und daß er in andern losen Händeln hiebevor schuldig befunden, nicht unbekant; überdiß er selbst gestanden, daß er den einen Schüler geschlagen, daß er geblutet, und was sonst vor mehr andere Umbstände in Actis vorhanden, deßwegen auch die confrontatio Inquisiti cum correo allerdings zuläßig, hingegen Christoph von Georgen das nicht sagen können, was dieser von jenem ausgesaget, und eydlich erhalten will, wiewohl er es hernach meistens selbst gestanden, worzu er dann durch keine Bedrohung mit Meister Hansen, wie der Scharffrichter hier heissen soll, (dessen Nahmen doch Gottfried ist,) sondern durch der Gerichte und des Inquisiti Seelsorgers Zureden seiner Seelen Seeligkeit wahrzunehmen, gebracht worden, aus welchem unwahren Vorgeben dann Christophs böses Gemüthe umb so vielmehr abzunehmen, indem weder Meister Hansens, noch sonst des Scharffrichters mit einigem Worte dabey gedacht wor
|| [101]
den, und dahero auch nicht
registriret werden können. Bey welcher Bewandtniß gar nicht nulliter, sondern
allerdings rechtmäßig verfahren worden, und wird man impartiales darüber
erkennen lassen. Will sich Christoph an Sr. Chur-Fürstl. Durchl. zu Brandenburg
Unsern Gnädigsten Chur-Fürsten und Herrn wenden, werden es die Thal-Gerichte
gerne geschehen lassen, hingegen aber auch der Sachen Bewandniß unterthänigst zu
berichten nicht ermangeln, welches Christophen zum Bescheide vermeldet wird.
Es wurde auch den 25. Octobris fol. 169. seq. Christoph von neuen vernommen / und darüber folgende Registratur verfertiget. Christoph wurde aus dem Gefängniß vom Rath-Hause aufs Thal-Hauß gebracht, und ihm vorgehalten, warum er in seiner übergebenen Schrifft dasjenige, was er den 20. hujus auf die Articul, darauf er befragt worden, gestanden, wieder geläugnet, man wolte ihm nochmahls vermahnet haben, sich wohl zu bedencken und die Wahrheit zu sagen, es wäre ja vorhero kein Zwang gegen ihm gebrauchet, sondern ihm nur vorgestellet worden, was George gleichwohl ausgesagt, und wie er hierunter seiner Seelen Seeligkeit wahrnehmen solte. Er antwortet, was er dazumahl ausser seiner vorigen Geständniß ausgesagt, wäre aus Furcht geschehen, weil er gehöret daß er nicht zum Eyde gelassen, sondern wieder ins Gefängniß gebracht werden sollen. Ihme wurde gefagt, man wolte ihm nochmahls auf die neulichsten Articul befragen, massen dann auch solches erfolget, und hat Inquisit darauf geantwortet: Ad 1. Sagt, er hätte zwar neulichst es gestanden, aber solches aus Furcht, und zwar darum gethan, weil er wieder hinüber aufs Rath-Hauß ins Gefängniß geführet werden sollen, er hätte aber den Schüler nicht, als er auf der Erden gelegen, geschlagen. Ad 2. S. sie wären von einander bracht und hätten aufgerichts gestanden. Ad. 3. S. Ja. Ad. 4. S. Ja. Ad. 5. S. Denselben Schüler hätte er nicht, sondern den andern geschlagen. Ad. 6. S. Er hätte es zwar damahls (nehmlich den 20. dieses) gestanden, es wäre aber nicht so, denn den Schüler, welchem das Weibesstücke den Mantel wiedergenommen, habe er nicht geschlagen. Inquisiten wurde auch vorgehalten, daß er in gedachten seinem Schreiben angeführet, die Thal-Gerichte hätten ihm mit Meister Hansen gedrohet, so aber der Wahrheit nicht gemäß, denn es wären dergleichen Worte nicht geredet, wie alle damahls anwesende Gerichts-Persohnen bezeugen, sein Seelsorger Herr M. Reichhelm, der von Anfange biß zum Ende darbey gewesen, werde es auch nicht anders sagen können, darum ihm solches verwiesen wurde, ille sagt, er wäre bestürtzt gewesen, und hätte er es nicht anders verstanden, als daß einmahl von dem Herrn Saltzgräffen also gesagt worden. Inquisit wurde wieder hinüber aufs Rath-Hauß in voriges Gefängniß gebracht, und beschlossen, ihn nächsten Dienstags in Beyseyn Herrn M. Reichhelms wieder vorzunehmen.
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(Aendert sich aber doch.)
§. XXIII. Hier war nun periculum in mora. Ich war also nicht säumig, sondern
setzte folgende supplique an die Hoch-Preußliche Regierung auf.
Ewre Excellenz und Meine Hochgeehrteste Herren geruhen gnädig und hochgeneigt
zuvernehmen, wie in denen für den löblichen Thalgerichten allhier wieder mich
und Georgen anhängigen Inquisitions-Sachen wegen einiger zwischen zweyen
Weibs-Persohnen und zweyen Schülern auf der Strasse vorgegangenen Schlägerey
ohnlängst ein Urtheil eingeholt worden, des Inhalts:
Daß wir beyde uns mit einem Eyde reinigen solten / daß wir die beyden Schüler gerügter massen nicht angefallen / ihnen die Mäntel / Hüte und Krausen nicht abnehmen helffen / und solche den beyden Weibs-Persohnen nicht zugestellet / daß sie solche mitnehmen können / auch von den abgenommenen Sachen nichts empfangen noch zu gewarten gehabt. Worauf auch die löbl. Thalgerichte den verwichenen Montag zwar zu Ablegung dieser Eyde anberaumet, aber dabey diesen Procesl mit mir vorgenommen, daß nachdem George seines Orts den Eyd abgeleget, derselbe testantibus actis fol 156. seq. aufs neue wieder mich befraget, ich mit ihm confrontiret, und über Articul vernommen worden, auch nachdem solches geschehen, man mich nicht zu Ablegung des zuerkenneten Eydes zulassen wollen, sondern unter dem praetext, ob wäre die Sache in einen andern Stand gerathen, mich wieder in das Gefängniß geführet. Vor der Abhörung über Articul hat man mir erst mit ungewöhnlichen und harten Bedrohungen zugesetzt, massen denn nicht alleine die Registraturen dergleichen ausweisen act. fol. 155. b.
Daß man Georgen mehr denn mir zugetrauet / daß derselbe mit besserm Gewissen als ich den erkannten Reinigungs-Eyd abschwören könte / Ingleichen nach Georgens Abhörung wieder mich fol 156. b.
Man könte mich bey solcher Bewaudniß unmöglich zu Abschwörung des Reinigungs-Eydes zulassen / denn ich schwüre mich zum Teuffel / welches nicht zu verantworten stünde. und ferner fol. 157. b. ehe ich noch auf die Articul verhöret worden,
Man könne mich nicht zum Eyde verstatten / sondern müsse ferner darüber erkennen / und mich wieder hinnüber ins Gefängniß bringen lassen; sondern es hat auch der Herr Saltzgräffe mir mit Meister Hansen gedrohet, wiewohl er solches ietzo verneinet, es auch leider nicht registriret worden, welches ich dann billig GOtt befehlen und überlassen muß. Es bestehen aber diejenigen puncta, derer mich George beschuldiget, und wegen welcher ich mit ihm confrontiret und auf Articul vernommen worden, darinnen, daß da ich schon ante sententiam in actis gestanden, daß ich dem einen Schüler, da er mit der Weibs-Persohn auf der Erde gelegen, ein paar Maulschellen gegeben; besagter George mich beschuldiget, daß ich auch, als sie wieder aufgestanden, und die Weibs-Persohn dem Schüler den Mantel nehmen wollen, hinzugetreten und den Schüler geschlagen, daß dadurch die
|| [103]
Weibs-Persohn Gelegenheit bekommen den Mantel zu sich zu reissen. Und hat mich
die Furcht für der langwierigen Gefängniß, und geschehenen Bedrohungen
verleitet, daß ich in der Antwort auf die Articul diese puncta bejahet.
Gleichwie aber, Gnädige und Höchstgeehrteste Herren, bekannten Rechtens, daß (1)
in executione sententiarum in Processu criminali eines Unterrichters officium
bloß mercenarium sey, und er solchem nachzuleben seiner Pflicht nach verbunden,
auch in dessen Ansehen die Peinliche Halßgerichts-Ordnung passim die Richter in
zweiffelhafften Fällen an die Rechtssprüche der Gelehrten weiset; die
Magdeburgische Proceß-Ordnung aber,
tit. 50. §. 18. daß sie denen Urtheilen nachkommen sollen, ausdrücklich vermag; (2) bey dieser Bewandniß aber alles, was für denen Thalgerichten wieder mich vorgenommen worden, inter notorias nullitates zu rechnen ist, auch hiernechst weder Georgens Aussage wieder mich noch meine Antwort ad articulos für kein neu indicium passiren kan, indem (3) kein Inquisite durch das abgelegte Juramentum purgatorium sich zu einem tüchtigen Zeugen capabel machen kan, (4) meine Aussage aber tanquam metu & minis extorta ebenfalls pro nulla zuhalten, (wie sich denn auch die Sache in der That nicht so verhält, als ich damahls aus Furcht ausgesagt) und über dieses (5) dem zuerkenneten Eyde nichts praejudiciret, wenn ich auch schon den Schüler, als er aufgestanden, geschlagen hätte, weil ich solches doch nicht aus der intention gethan hätte, daß das Mensche ihm den Mantel nehmen solte, von welcher intention denn (6) in denen Artickeln nichts enthalten ist, und ich solcher gestalt (7) den zuerkenneten Eyd nochmahls mit guten Gewissen schwören kan und will; Also habe denen löblichen Thalgerichten ich exceptionem nullitatis opponiret, und sie gebeten mich zum Juramento zu admittiren, habe aber an dessen statt beykommende notification sub A erhalten, worinnen sie mit nichtigen und nichts inferirenden-Gründen die begangene Nullität zu justificiren suchen. Wann dann aus obangeführten Umständen sattsam erhellet, das nicht alleine exceptio nullitatis, sondern auch exceptio suspecti judicis mir zu statten kommen (wiewohl ich solches alles salva reverentia, die ich denen löblichen Thalgerichten schuldig bin, gesaget haben will:) Als gelanget an Ewre Excellenz und meine Höchstgeehrteste Herren mein unterthäniges und gehorsamstes Bitten, denen löblichen Thalgerichten anzubefehlen, daß sie mich ungesäumt zu Ablegung des zuerkenneten Eydes zu lassen, auch hierbey S. T. den Herrn Regirungs-Rath Crausen bey diesen Process denen löblichen Thalgerichten zu adjungiren. Und weil nicht ohne Ursache es zu befahren, es möchten die löblichen Thalgerichte die Sache zu differiren suchen, hierbey in hunc casum die gnädige Verordnung zu thun, daß in Ansehen meiner, allbereit über 13. Wochen ausgestandenen Gefängnisses, bekannter
|| [104]
Armuth, und
verlassenen Weibs und Kinder, ich gegen Stellung tüchtiger Bürgen zuforderst der
Hafft erlassen werde, in Verharrung.
(Christophs Reinigungs-Eyd.)
Der Herr Judex besann sich aber eines andern, und liesse es zu Ubergebung dieser
supplique nicht kommen, sondern er admittirte Christophen den 28. Octobris fol.
175. zu folgenden Reinigungs-Eyd.
Ich Christoph schwöre, daß ich die beyden Schüler gerügter massen nicht
angefallen, noch geschlagen, ausser daß ich meinem vorigen Geständniß nach dem
einen ein paar Ohrfeigen gegeben, daß er davon geblutet. Ich habe ihnen auch die
Mäntel, Hüte und Krausen nicht abnehmen helffen, und solche denen beyden
Weibes-Persohnen nicht zugestellet, daß sie solche wegnehmen können, ingleichen
habe ich von den abgenommenen Sachen nichts empfangen, noch zu gewarten gehabt.
So wahr mir etc.
(Definitiv-Urtheil.)
Es wurden auch die acten noch selbiges Tages wieder ad Dominos ICtos Jenenses
geschickt, und wurde daraus im December fol. 179. dieses Urtheil erhalten.
Obwohl beyde Inquisiten den ihnen zuerkannten Reinigungs-Eyd, und zwar George
ohne Außzug, nunmehro abgeleget; so werden doch dieselbe wegen ihres mit denen
beyden Schülern getriebenen Unfugs und Christoph wegen seines gewaltsamen
Zuschlagens, beyderseits auch der mit denen verdächtigen Weibs-Bildern
gepflogenen Gemeinschafft halber über das bereits ausgestandene annoch mit
ferneren, und zwar Christoph auf drey Wochen / George aber auf acht Tage
Gefängniß bestrafft, seynd auch beyde die verursachte Unkosten abzutragen
verbunden. Und wird hierüber Christoph denen Schülern zu Ersetzung der ihnen von
den Weibsstücken mitgenommenen und fol. act. 17. (auf 8. Rthlr. 20. gl.)
gewürdigten Sachen billig angehalten. V. R. W.
(Einige merckwürdige Umstände / was dem Defensori aus des Christophs defension für
Vortheil erwachsen.)
§. XXIV. Und hiermit hatte dieser Handel sein Ende. Ich habe allbereit oben §. 1.
& passim erwehnet, daß ich diese Defension theils aus Erbarmniß über den
Inquisitum, theils auch aus dem Absehen, mich allhier einiger massen in
Sicherheit zu setzen, über mich genommen. Dieses aber desto deutlicher
zuverstehen, will ich noch folgende Umstände hinzusetzen, die vielleicht dem
curiösen Leser nicht unangenehm seyn werden. Als Anno. 1690 ich von Seiner
Chur-Fürstl. Durchl. zu Brandenburg gegen Ostern hierher geschickt ward, einen
Versuch zu thun, ob nicht etwa zu hoffen sey, daß eine Universität allhier
angerichtet werden könte; traff ich die damahligen hiesigen Proceres grösten
Theils in einer nicht allzu favorablen intention für mich an. Ich liesse mich
aber nichts abschrecken, sondern fieng meine lectiones
|| [105]
im Nahmen GOttes an: Disputirte
auch den 23. Augusti solenniter von der Glückseeligkeit der Brandenburgischen
Unterthanen, wegen des durch etliche Churfürstliche edicta verbesserten
geistlichen und weltlichen Stands. Was bey dieser Disputation selbst
fürgegangen, wird vielleicht bey anderer Gelegenheit ausführlicher können
erzehlet werden. Die Disputation ist hernach Anno 1705. in meinen Auserlesenen
und in deutsch noch nie gedruckten Schrifften, in die Teutsche Sprache übersetzt
worden, und daselbst bald anfänglich zu befinden. In dieser Disputation nun
hatte ich unter andern §. 9. p. 35. seq. der deutschen Ubersetzung etwas frey
dererjenigen ihre Meynung wiederleget, die damahls behaupten wolten: Die
Lutheraner solten mit den Reformirten nicht viel Gemeinschafft haben, und ihre
Predigten nicht besuchen, weil zu befahren wäre, daß sie durch ein heimliches
und desto gefährlichers Gifft möchten inficirt werden. Hiermit hatte ich nun das
Kalb ins Auge geschlagen. Und ließ sich ein Prediger hiesiges Orts, (den ich
kurtz zuvor aus guter intention zu meinem Beicht-Vater gewählet hatte,) durch
andre verleiten, daß er sich unterstund, des Sontags drauf diesen Punct meiner
disputation auf öffentlicher Cantzel zu refutiren. Dieweil aber meine
disputation lateinisch geschrieben war, und das gemeine Volck also nicht
urtheilen konte, ob mir zuviel oder recht geschehen; als setzte ich in deutscher
Sprache eine Erklährung und Vertheydigung meiner Lehre auf, über die Frage; Ob
denen Lutheranern von ihren Lehrern mit gutem Gewissen könte untersagt werden,
mit den Reformirten keine Gemeinschafft zu halten, noch ihre Predigten zu
besuchen, (die hernach der andern edition besagter meiner disputation in quarto
beygefüget, auch in meinen Anno 1701. zum ersten mahl edirten kleinen deutschen
Schrifften N. VI. p. 341. seq. zu lesen ist.) Dieselbe ließ ich alsbald druckeu,
und da mich ein gewisser Freund, der sich damahls die Stifftung einer neuen
Universität allhier für andern angelegen seyn liesse, erinnerte, ob ich nicht
auch in teutscher Sprache etwas öffentlich anschlagen wolte, und ich ihm von
diesem meinem Scripto einige Eröffnung that, war er zufrieden, daß ich selbiges
an denen Kirch-Thüren (weil damahls noch kein gewisses schwartzes Bret
ausersehen war) anschlagen möchte, welches auch den nächsten Sontag drauf zu
Ende des Augusti geschahe, daß es also auch der gemeine Mann, der vor acht Tagen
die vermeinte Wiederlegung meiner disputation angehöret hatte, lesen, und daß
mir in der vorgenommenen Wiederlegung viel Unrecht geschehen, erkennen möchte.
|| [106]
Dieweil aber damahlen in dieser
guten Stadt die principia der so genannten
Lutherischen, daß ist, mit der ex reliquiis Papatus noch beybehaltenen
Ketzermacherey und dem tödlichen Haß gegen die Reformirten höchst inficirten
religion, noch dominirten, wolte oder konte diese meine teutsche Schrifft bey
der gemeinen Bürgerschafft keinen sonderlichen ingress finden; sondern ich wurde
bald gewahr, daß da vorhero die meisten Bürger wegen der Hoffnung einer bald
allhier aufzurichtenden Universität, und ihnen dadurch zuwachsender besserer
Nahrung, mir mit aller Höfflichkeit und Freundlichkeit begegnet hatten, nach
dieser meiner öffentlich angeschlagenen teutschen Vertheydigung dieselben, wenn
ich auf der Gassen gieng, mir den Rücken zukehreten, und nach Leipzig durch
unterschiedene von hieraus ergangene Schreiben berichtet wurde, daß die hiesige
Halleute mir mit ehesten die Fenster einwerffen und mich wieder aus Halle
verjagen würden. Dieweil ich nun bey dieser Bewandniß billig Ursach hatte, mehr
für denen Halleuten, als für der übrigen gemeinen Bürgerschafft mich in acht zu
nehmen; Als ware dieses eine von denen fürnehmsten Ursachen mit, warumb ich die
im Monat September besagten 1690. Jahrs mir aufgetragene defension des
Christophs über mich nahm, und mir angelegen seyn liesse, jedoch durch
rechtmäßige Mittel, für selbigen ein gelinderes Urtheil zu erlangen, und dadurch
die Halleute, wenn sie etwan, von meinen damahl hier dominirenden Wiederwärtigen
heimlich angereitzet werden solten, von allem Unfug per indirectum abzuhalten.
Es war auch nach dem erhaltenen definitiv Urtheil genugsam zu spühren, daß diese
meine praecaution nicht unfruchtbar gewesen, immassen nach der Zeit die Halleute
nicht alleine meine lectiones publicas, (weil ich selbige, so lange ich allhier
gewesen, in teutscher Sprache gehalten) fleißig besuchten, sondern auch, wenn
sie in denen Bier-Kellern mit denen andern gemeinen Bürgern in compagnie waren,
wieder dieselbigen und dero falsche Beschuldigungen mich nach ihrem Vermögen,
jedoch ohne Zanck und Streit, vertheydigten, bis auch der Haß der Bürgerschafft,
oder deren Kaltsinnigkeit gegen mich, durch GOttes Gnade, sich nach und nach
verlohre.
|| [107]
III. Handel. Allerhand Rechts-Fragen von ungleicher Heyrath zwischen
Reichs-Fürsten / und Weibs-Personen von geringem Bürger-Stand.
§. I.
AM 8. Novembr. 1717. wurde durch einen absonderlich deßhalb(Die proponirten vier
Fragen) hieher geschickten Bothen ein gnädigstes Schreiben von einem
Durchlauchtigsten Reichs-Fürsten mir eingehändiget, in welchem an mich begehret
wurde, über die beygefügte speciem facti und die darinnen enthaltene vier Fragen
ein Responsum zu verfertigen.
Es finden sich drey Fürstliche Herren Brüdere, Cajus, Titius und Mevius welche
vermöge Fürstlich-Väterlichen Testaments und darüber unter sich errichteten
Recesse die angefallene Landes-Portion dergestalt in Gemeinschafft besitzen, daß
der älteste Fürstliche Herr Bruder, als Cajus, communi nomine die
Landes-Regierung führet. Wenige Jahre nach des Herrn Vatern Ableiben, lässet
sich der dritte Fürstliche Herr Bruder durch eine Weibs-Persohn, bürgerlichen
Standes, welche als Cammer-Mädgen bey seiner Prinzeßin Schwester in Diensten
gestanden, dahin verleiten, daß er sich mit selbiger ohne seiner noch lebenden
Fürstlichen Frau Mutter Vorwissen und Consens, auch ohne die geringste vor oder
nach her gepflogener Communication mit dero Fürstlichen Herren Brüdern in
höchster Stille und Geheim ausserhalb Landes trauen lassen, von welcher Zeit an
er auch beständig ausserhalb Landes sich mit selbiger aufgehalten, und einen
Sohn nebst verschiedenen Töchtern, dem Vernehmen nach, mit ihr erzeuget, ohne
dißfalls seiner Frau Mutter, noch dero Herrn Gebrüdern die geringste
Notification davon zu thun. Als nun inzwischen sich gefüget, daß occasione der
von des Herrn Erb-Printzen zu Anhalt-Bernburg Hochfürstlichen Durchlauchtigkeit
getroffenen gleichmäßigen inegalen, auf dero Herrn Vaters Hochfürstl.
Durchlauchtigkeit beschehenen hefftigen Wiederspruch aber von Kayserl. Majestät
praecedente causae cognitione pro matrimonio ad morganaticam declarirten
Vermählung, sich verschiedene regierende Herren dieses uhralten Fürstlichen
Hauses zusammen gethan, und nach ergangener reiffen deliberation, wie
dergleichen denen alten Reichs-Fürstlichen Häusern höchst despectirlich und fast
gemein werden wollenden ungleichen Vermählungen
|| [108]
in Zeiten vorzukommen seyn möchte,
das verbindliche Pactum sub Aunter sich errichtet, welchem nachhero auch noch
mehrere aus andern alt-Fürstlichen Häusern accediret, und der ältere regierende
Herr Bruder Cajus von sothanem getroffenen Pacto dem jüngern Bruder Mevio
freundbrüderliche Eröffnung gethan, und selbigen zum Beytritt, gleich der
Mittlere Bruder Titius immittelst auch willig gethan, invitiret, will dieser auf
keine Weise sothanes Pactum agnosciren, erkläret solches vielmehr als ungültig,
und verlanget unter hefftigen protestationen dessen völlige cassation, mit dem
weitern ungegründeten praetenso, daß diese ihme angetrauete Persohn mit andern
Fürstlichen Gemahlinnen, nicht minder seine aus solcher ungleichen Ehe erzeugte
descendenten mit andern ebenbürtigen Printzen und Printzeßinnen gleiches
Fürstliches tractament und Pracht geniessen, mithin auch seine männliche
Descendenz der succession in die Fürstliche Lande dereinst fähig seyn müsten.
Wann aber nicht nur die Fürstliche Frau Mutter, sondern auch die beyden
Fürstliche Herren Gebrüdere, benebst allen übrig Anverwandten dieses uhralte
Reichs-Fürstlichen Hauses, dieser so ungleichen und in dem Fürstlichen Hause
noch nie erhörten Heyrath sich auf alle Weise zuwieder setzen, und weder die
Persohn selbst, noch auch denen von ihr erzeugten Kindern das angemaste
Fürstliche tractament einzustehen gemeinet seyn, am allerwenigsten aber die
beede Fürstlichen Herren Gebrüdere die aus solcher ungleichen Ehe gebohrne
männliche descendenz der Landes-succession und Regierung auf begebende Fälle
fähig erkennen, vielmehr solche ab omni successione hujus feudi regalis majoris
excludiret und lediglich nach des Printzen Mevii in GOttes Händen stehen den
Ableiben mit einem Adelichen oder höchstens Freyherlichen Unterhalt versehen,
mithin diese ungleiche Heyrath nur pro matrmonio ad morganaticam gehalten wissen
wollen; Als verlangen Fürstliche Gebrüdere zu Begründung ihrer intention über
folgende vier quaestiones nach einem cum rationibus dubitandi &
decidendi ausgearbeiteten gründlichen rechtlichen Gutachten
I. Ob nicht die beyde Fürstliche Herren Gebrüdere Cajus und Titius und deren
Fürstliche descendenz, des tertio geniti aus solchem maxime inaequali &
in Principali domo inaudito matrimonio erzeugten Kindern nebst ihrer Mutter den
praetendirten Fürstlichen Rang und tractament sowohl, als auch
II. So viel in specie die männliche descendenz betrifft, diese dereinsten von der
Succession in denen Fürstlichen gemeinsamen Landen und concurrenz bey der
Landes-Regierung völlig zu excludiren, nach denen alten teutschen Lehn-Rechten
und Reichs-Gewohnheiten optimo jure befugt seyn, mithin
III. Sowohl die Persohn selbst, als auch die von ihr erzeugte Kinder mit dem
Tractament des Adelichen oder höchstens Freyherrlichen Standes sich zuvergnügen,
nicht minder nach des Hertzogs Mevii in Gottes Händen stehenden Ableiben mit
|| [109]
einem bey dergleichen inegalen
Verheyrathungen oder matrimoniis ad morganaticam im Reiche nicht ungewöhnlichen
billigmäßigen Unterhalt und Abfertigung zufrieden seyn müssen, und endlichen
IV. Ob nicht daher allenfalls, und da des Printzen Mevii Durchl. so vielen ihnen
entgegen stehenden wichtigen rationibus Politicis & Juridicis nicht
nachgeben, noch auch auf die viele ihnen von andern Fürstlichen Höfen beschehene
remonstrationes der Billigkeit nach reflexion machen solte, die Römische
Käyserliche Majestät als Obrister Lehn-Herr dieses feudi Regalis majoris und
Reichs-Fürstenthums aus der beyden Fürstlichen Herren Gebrüdere und Herren
Agnaten Imploration, gar wohl befugt, ex plenitudine potestatis diese ungleiche
Heyrath, gleich bey Anhalt-Berenburg bereits praecedente causae cognitione schon
geschehen, nach Anhandgebung der klaren alten teutschen Lehn-Rechten und
Reichs-Gewohnheiten zu Aufrechthaltung des Reichs-Fürsten-Standes pro matrimonio
ad morganaticam zu declariren, und sowohl der Person selbst, als denen aus
solcher Ehe erzeugten Kindern ein erleidliches zum Unterhalt auszusetzen, mithin
sie vom praetendirten Fürstlichen tractament und a successione feudali
excludiren könne.
§. II. Gleichwie nun die in dieser specie facti allegirte Beylage(Das beygefügte Fürstliche Schreiben.) sub A. im
folgenden vierten paragrapho gleichfalls wird zu lesen seyn; Also war das
Gnädigste an mich ergangene Fürstliche Schreiben folgenden Inhalts:
Ich mag dem Herrn Geheimen Rath in besonderem Vertrauen nicht verhalten,
welchergestalt meines jüngern Herrn Bruders Hertzog N. N. Liebden durch eine
gemeine Weibs-Person, welche bey meiner Printzeßin Schwester Liebden als
Cammer-Mädgen in Diensten gestanden, vor wenigen Jahren dahin verleitet worden,
daß er sich selbige ausserhalb Landes antrauen lassen, und mit ihr etliche
Kinder erzeuget, allermassen nun weder meiner Frau Mutter Gnaden, noch auch ich
und meines Hrn. Bruders Liebden jemahlen gemeynet seyn, dieser Weibs-Person und
denen daher gebohrnen Kindern den sonst Fürstlichen Gemahlinnen und Kindern
gebührenden Rang und Tractament einzugestehen, noch weniger aber dessen daher
entsprungene männliche descendenz bey ereignenden meines Bruders N. N. Liebden
Todes-Fall zur Landes-Succession zu admittiren, ob wir schon sonsten nicht in
Abrede seyn, denenselben zu ihrer Unterhaltung ein billiges Quantum zu
verwilligen, allermassen ich auch bereits nach Beyfuge sub sign. gegen Ihn
occasione des der Mesallianzen halben im Fürstlichen Hause Sachsen
Ernestinischer Linie errichteten und der specie facti sub A. beygelegten Pacti
mich darzu erbothen. Nachdeme aber meines Herrn Bruders Liebden, sonder Zweifel
aus persuasion dieser Weibs-Person, auf alle Weise behaupten will, daß selbige
das Tractament und Rang gleich andern Fürstlichen Gemahlinnen haben,
|| [110]
seine Kinder auch als Fürstliche
Printzen und Printzeßinnen regardiret und bey der Fürstlichen Landes-Succession
und Regierung dereinsten auf begebende Fälle admittiret werden müsten, und
darunter sich auf die bekannte rationes juris civilis, quod uxor sequatur
dignitatem mariti, und die solchem principio blindlings folgende DD. laut des
Anschlusses sub sign. zu gründen scheinet, Ich aber hergegen in denen festen
Gedancken stehe, daß dergleichen zwischen Reichs-Fürsten entstehende
Quaestiones, welche keine blosse feuda minora nobilium, sondern feuda majora
regalia, Reichs-Fürstenthümer, und Reichs-Lehen pro objecto haben, nicht nach
dem jure civili, sondern jure feudali Allemannico, und alten
Reichs-Gewohnheiten, nach welchem partus deteriorem conditionem gefolget, i. e.
das Kind gehöret zur ärgern Hand / und dergleichen Matrimonia cum plebeja pro
matrimoniis ad Morganaticam, die Kinder aber der Succession in feudis majoribus
regalibus unfähig gehalten worden, decidiret werden müste, mithin Ich des Herrn
Geheimden Raths Rechtliches Gutachten zu so mehrern Begründung dieses asserti
mich zu bedienen gemeinet bin; Als hat derselbe hierbey eine sub fictis
nominibus entworffene speciem facti mit angefügten 4. Quaestionibus zu
empfangen, mit dem gnädigsten Ersuchen, er wolle so fort solche genau überlegen,
und mir sodann sein gründliches Bedencken cum rationibus dubitandi &
decidendi durch Uberbringern dieses wohl verwahret zurück senden, auch die
gantze Sache best-möglichst secretiren. Worbey Ich dem Herrn Geheimden Rath die
darunter habende Bemühung gebührend ersetzen lassen, und übrigens mit
Fürstlichen Gnaden wohl beygethan verbleiben werde etc. den 9. Octobris
1717.
(Das darinnen allegirte Erbeten sub )
§. III. Ob ich nun wohl mich schuldigst zu seyn erachtet, die an mich in
vorstehendem gnädigsten Schreiben begehrte Secretirung des Handels damahls zu
bewerckstelligen; so wird doch dieselbe, ausser daß auch noch ietzo den
Hoch-Fürstlichen Herrn Requirenten nicht benenne, nicht ferner nöthig seyn,
nachdem ich nicht alleine von hoher Hand berichtet worden, daß diese Sache
allbereit am Käyserlichen Hoffe zu Wien anhängig gemacht, und mein Responsum
zugleich mit übergeben, auch nicht ohne approbation sey aufgenommen worden /
sondern ich auch wahrgenommen, daß ein andrer JCtus sein in eben diesem Handel
verfertigtes Responsum unlängst in öffentlichem Druck publiciret. So viel das in
vorigem Schreiben gedachte Erbiethen des Durchlauchtigsten Herrn Requirentis an
den Herrn Bruder sub betrifft, ist selbiges folgenden Inhalts:
Ewrer Liebden verhalte in Freund-Brüderlichem Vertrauen nicht, was gestalt sowohl
derer Herren Hertzoge zu Sachsen-Gotha Hildburgshausen Liebden
|| [111]
mit anhoffender Conformität von
Sachsen-Weimar und Sachsen-Eisenach, als auch übriger von Unserer Linie, sowohl
als dem gantzen Chur-Hause Sachsen, nebst des regierenden Fürstens zu
Anhalt-Bernburg Liebden, nicht weniger, als des Herrn Fürsten zu Anhalt-Zerbst
Liebden mich theils zum öfftern ersuchet, theils zu accediren versprochen, mit
selbigen einen Verein zu treffen, nach welchem eines Theils bey etwa in dero
Fürstlichen Häusern u. dem Meinen geschehen, sich ereignenden Mesalliancen mit
Adelichen und Bürgerlichen Standes-Personen, auch dieser Erhebung zu Fürstlichen
und Gräflichen Dignitäten, die daraus erzeugte Männliche Kinder zu einiger
Succession in die Lande jedweden Fürstenthumbs so lange nicht gelassen werden
solten, bis in jedem besagter Fürstlicher Häuser alle aus gleichen und gültigen
Fürstlichen Ehen erzeugte Printzen gantzlich abgestorben; Obgleich selbige sonst
mit einer honneten Versorgung bedacht werden könnten: Andern Theils aber
Kayserl. Majestät durch gegründete Vorstellungen dahin zu vermögen wäre, daß
dieselbe zu Erhaltung des Alt-Fürstlichen Lustre, welches ohnedem bey ietzigen
Zeiten auf verschiedene fatale Weise in Abfall gerathen will, keine
Standes-Erhöhung zum faveur dergleichen Mesalliances fernerhin zu accordiren,
auch wo es allbereit geschehen, obiges Pactum wegen der Succession zu
confirmiren geruhen möchten, an deren Erlangung so weniger Zweiffel zu machen,
als noch letzthin Ihro Käyserl. Majestät auf des Herrn Fürsten zu Bernburg
Liebden gegen dero Erb-Printzens Liebden, so sich mit einer Person, bürgerlichen
Standes vermählet, geführte Beschwehrung, den Hrn. Erb-Printzen nach der Anfüge
abgewiesen, und das väterliche Testament und Verordnung, wodurch dessen aus
dieser angleichen Ehe folgende Männliche Descendenz a successione gäntzlich
excludiret wird, allergnädigst confirmiret haben. Allermassen ich
vollkommentlich persuadiret bin, daß Eure Liebden nach dero beywohnenden
besondern Lumiere und jederzeit bezeugten Eyffer vor die Aufrechthaltung
Unseres, ausser dem sehr entkräffteten Fürstlichen Particular-Hauses, dero dem
Verlaut nach getroffene Verehligung niemahls anders als pro morganatica werden
gehalten wissen wollen, mithin auf keine Standes-Erhöhung ihrer angetrauten, und
daraus etwa zu folgerende gleichmäßige Succession dero solchergestalt
erzielenden Männlichen Descendenz bey hiesigen Landen reflectiren: So habe in
diesem regard, und da noch mehrere Fürstliche Anverwandte / andere
Alt-Fürstliche benachbarte Häuser zu sothaner Verein zu treten in procinctu
stehen, wohl keinen Umgang nehmen können, dem publico und unserm Fürstlichen
Hause zum Besten, besagtes pactum mit abzuschliessen; wie Ich dann hiervon Eurer
Liebden gutmüthige und Freund-Brüderliche Nachricht mittelst des in Copia hiebey
angeschlossenen pacti hierdurch zugeben, keinesweges ausfetzen wollen, nicht
zweiffelnd, dieselbe werden das solchergestalt Verabhandelte gleichfalls für
nöthig und nützlich erachten, und im übrigen von mir und meiner Eurer Liebden
ge
|| [112]
widmeten Brüderlichen treuen
Ergebenheit versichert seyn, daß ich nichts destoweniger Eurer Liebden aus
dieser ungleichen Ehe erfolgende Descendenz, so sie dergleichen erhalten, oder
auch bereits schon haben solten, sowohl als dero angetrauten einen billigen und
hinlänglichen Unterhalt und Abfindung auszusetzen keine difficultät machen
werde. Darum ich mir hierüber Eurer Liebden förderlichste Freund-Brüderliche
Meynung ausbitte und allezeit bereit seyn werde, darüber mit derselben in
weitere gütliche und vertrauliche Handlung zu treten, der ich in beständiger und
aufrichtiger Ergebenheit Lebenslang zu verharren gedencke, als wahrhafftig bin.
&c. den 1sten Augsti 1717.
(Copey von dem Fürstlichen Pacto.)
§. IV. Das Pactum, das etliche Fürstliche Häuser wieder dergleichen ungleiche
Heyrathen aufgesetzet hatten, und dessen in dem vorhergehenden Erbieten, sowohl
auch in der specie facti gedacht worden, ist um destomehr zu attendiren, weil es
recht kurtz und deutlich, dabey aber klug und vernünfftig verfasset ist, indem
darinnen keine Legulejistische, Rabulistische Streiche, protestationes,
reservationes, renuntiationes und anderes dergleichen klopfechterische Aufheben
und Wesen anzutreffen, sondern von dem Herrn Concipienten mit Fleiß sind
ausgelassen worden, damit sich noch diese Stunde viele in der Pedantischen
Jurisprudenz aufferzogene sonst berühmte Leute zu schleppen, ja daran recht zu
vergnügen, auch diejenigen Aufsätze, die, wie dieses Fürstliche Pactum,
eingerichtet sind, zu verabscheuen und für ungelehrt auszuschreyen pflegen. Es
lautet aber also:
Demnach zu nicht geringem Mißvergnügen vieler considerablen und fürnehmen
Reichs-Fürsten bisher wahrzunehmen gewesen, daß durch die täglich mehr gemein
werdende Vermählung Fürstlicher Herren mit Personen, so von ihrer Hohen
naissance allzuweit entfernet, nur Adelichen oder Bürgerlichen Standes sind, und
durch die aus solchen mesalliancen öffters folgende legitimationen derer auch
ausser der Ehe erzeugten Kinder, auch Standes-Erhöhungen, der sich also in die
ältesten und ansehnlichsten Reichs-Fürstlichen Familien durch unzuläßige und
schimpfliche Wege einschleichenden geringen Leuthe / nicht nur solcher
Fürstlichen Häuser, nebst des gantzen Reichs-Fürsten-Standes hohes Luftre und
Ansehen, darinnen sie von vielen Seculis floriret, mercklich verdunckelt und
vergeringert, sondern auch zu vielen Sünden, Schanden und Lastern Anlaß gegeben
werde, welche nichts als lauter Unseegen, GOttes Zorn, zeitliche und ewige
Straffe nach sich ziehen, auch bey Fürstlichen Zusammenkünfften und sonst
allerhand beschwerliche Inconvenienzien verursachen. Als haben derer Herren
Hertzoge zu N. N. N. Hoch-Fürstliche, Hoch-Fürstliche, Hoch-Fürstliche
Durchlauchtigkeiten auf gepflogene reifliche Uberlegung aller dieser Umstände,
und durch was vor Mittel solchem Unwesen in Zukunfft vorzu
|| [113]
bauen, zu Erhaltung solches gemein
nutzigen Zwecks, in Hoffnung, daß andere regierende Reichs-Fürsten diesem pacto
mit beytreten werden, folgendes unter einander verbündlich abgeredet und
geschlossen.
1) Wollen dieselbe samt und sonders in Zukunfft in ihren testamenten und pactis
domus aufs nachdrücklichste verbiethen, daß ihre Printzen mit nicht geringern,
als Reichs-Gräflichen Standes-Persohnen sich vermählen.
2) Da aber dennoch dergleichen mesalliancen geschehen solten, oder Zeithero ohne
Erhebung in Fürsten-Stand geschehen wären, dieselbe anders nicht, als matrimonia
ad morganaticam consideriren.
3) Die eingeheyrathete Dames erwehneten geringern Standes keinesweges vor
Fürstinnen tractiren und halten, noch ihnen unter sich solchen Rang verstatten.
4) Die aus solchen Ehen entspriessende Kinder aber gar nicht als Fürsten
consideriren, noch denenselben eher die Landes-succession eingestehen, als wenn
keine Printzen mehr vorhanden, so von beyderseits Fürstlichen Standes mäßigen
Eltern gebohren.
5) Einander in maintenirung dieser Verein, consilio & ope judicialiter
& extrajudicialiter wieder diejenige, so sich derselben entgegen
stellen, in alle thunliche Wege assistiren und Fleiß anwenden, daß noch mehr
regierende Fürsten, welche hierdurch freund-vetterlich dazu invitiret werden,
accediren.
6) Dieses Pacti confirmation bey Käyserlicher Majestät zu erlangen sich bemühen,
und dann
7) Durch die ihrige alles Mögliche vorkehren lassen, damit in dergleichen Fällen
hinführo zu Wien keine Standes-Erhöhungen verhenget werden. Zu Uhrkund dessen
ist diese Abrede also zu Pappier gebracht, von allerseits Fürstlichen
Paciscenten mittelst eigenhändiger Unterschrifft und beygedruckten Fürstlichen
Signete vollzogen und gegen einander ausgewechselt worden.
§. V. Die rationes und gravamina, die der jüngere Fürst,(Gravamina wieder obiges Pactum.) der sich mit dem Cammer-Mädgen
verheyrathet, wieder das pactum hatte aufsetzen lassen, sind auch kurtz,
deutlich, und ohne unnöthiges Latein; ja es hat der Concipient auch die leges
selbst, auf die er sich doch beziehet, nicht einmahl allegiret, sondern nur den
Inhalt derselben summatim hergesetzt, welches er scheint mit Fleiß gethan zu
haben, umb denen dissentientibus etwas mehr Mühe zu machen. So ist auch die
disposition der Gravaminum sehr ordentlich eingerichtet, und solte sich der
Concipient wohl dazu geschicket haben, die gantze Jurisprudenz nach Anleitung
des bekanten diverso respectu sehr theuren und höchstwohlfeilen Instructorii in
schöne Tabellen zu bringen. Sie bestehen in folgenden membris:
|| [114]
I. Finde darinnen bey weitem dasjenige nicht / was zu finden vermeynet. Denn
1) Ist das kein gültiges noch anzunehmendes Pactum, da man invito & inconsulto tertio (der nothwendig mit concurriren oder wenigstens es approbiren und unterschreiben muß, wo anders das Pactum die erforderte Form und Krafft haben, auch bestehen soll), hingegen zum Nutzen des Anstiffters machet und schliesset, was man nur will. Daher
2) Es besser wäre, man gäbe dem Kinde seinen rechten Nahmen, und hiesse dieses Quasi Pactum ein ungültiges decretum, welches der dabey hochbeleydigte Tertius zu unterzeichnen gar nicht gesonnen noch schuldig, weil er ein solches forum nicht erkennet, wo kein Superior, Inferiori sondern Pares Curiae, einander Gesetze vorschreiben: Ja ein Bruder dem andern, der mit in der Communion ist / seine Gemahlin und Kinder richten und abfertigen will. Welches ein gewaltiges Attentatum.
II. Sind dessen Puncta, in so weit dieselbe ihr Absehen mit auf meine Gemahlin und Kinder gerichtet,
1) Schimpflich, indem man redet:
) Von Kindern ausser der Ehe erzeuget, deren Ich keine habe, sintemahl der mutuus consensus, der die Ehe macht, oder vielmehr das Verlöbniß beyder Conthoralen, das fundament aller Liebes-Pflegung gewesen, hiernechst die darauf erfolgte Copulatio sacerdotalis die Ehe, (welche, gleich alle Rechte aussagen: Omnem tollit maculam, etiam quoad Parentes) vor der Welt allerdings bestätiget und bekräfftiget.
) Von Einschleichen geringer Leute in Fürstliche Häuser; dergleichen hier nicht geschehen; Massen Ich Meine Gemahlin, und diese nicht Meine Person angesuchet und zur Ehe begehret, noch mich im geringsten darzu angereitzet oder persuadiret hat.
) Von vielen in solchen Allianzen und Heyrathen vorgehenden Sünden: Deren keine in Puncto conjugii zwischen Mir (der eine reine Ehe lieber als ein unzüchtiges Leben oder einen GOtt verhaßten Concubinat erwehlet) und Meiner Gemahlin kan angezeiget werden.
2) Gar nicht Christlich; Da man, im Fall ein junger Herr und Fürst, der das donum continentiae nicht hat, gewisser Ursachen halber, eine seinem Stande gemässe Person nicht heyrathen kan, Krafft dieses so genannten Pacti nöthiget und gleichsam zwinget zu thun, was GOtt und seinem Gesetz zuwiederläuffet, also mit einem zarten, empfindlichen und tugendhafften Gewissen nicht bestehen mag.
3) Irrig und unkräfftig; Angesehen man aus einem Conjugio absolute matrimonium ad Morganaticam oder Morgengabicam machet, Krafft wel
|| [115]
cher Ehe (die juxta Grotium dem
Concubinat nicht unähnlich) dem Weibe sambt Ihren Kindern expacto nur ein
gewisses Legatum zugeleget, Sie aber sämtlich von der Erbschafft ausgeschlossen
worden; Dann weilen solche Ehe auf ein Pactum beruhet, selbiges aber von Mir nie
gemachet, noch getroffen werden soll, so kan mich eines andern Wille nicht darzu
obligiren, fällt also dieses praejudicium, ob hätte mich in ein solch
Ehe-Verbindniß eingelassen, von selbst dahin.
4) Contradicirend. Da man Meine Kinder vor jetzo nicht wohl, aber zu einer andern Zeit, wenn nehmlich alle Fürstliche Descendenten abgehen solten, erkennen und zur Landes-Succession admittiren will. Denn sind sie keine Fürsten, und will man deren Erhebung in den Fürsten-Stand bey Ihro Käyserl. Maj. verhindern, wie können sie alsdann, wenn ein solcher Casus sich ereignen solte, Fürsten werden, und als Reichs-Fürsten regieren.
5) Wieder die Gesetze; Gestalt es heisset:
A. Matrimonia nobiliorum cum ignobilioribus vel plebejis nullo modo sunt prohibita, & non modo de Jure divino, sed etiam de Jure canonico & civili omnino rata & firma sunt. NB. Sine aliqua, personarum distinctione, modo liberae & ingenuae sint mulieres, nullaque nefariarum conjunctionum subsit suspicio.
B. Mulier plebeja, si nubat viro nobili, & ipsa fit nobilis, & liberi ex hoc matrimonio procreati, vere habentur nobiles. Rationes sunt:
a) Ex parte uxoris.
1) Quod mariti nobiles tribuunt foeminis nobilissimam dignitatem.
2) Quod uxor semper sequitur conditionem mariti.
b) Ex parte liberorum.
1) Quod pater & non mater nobilitat.
2) Quod filius sequitur conditionem Patris (& non matris) quoad familiam, dignitatem & honores.
3) Quod filii ex ignobili matre, patre tamen nobili nati, ad feuda in Camera & Saxoniae Electoratu admittantur.
4) Quod tales filii non, nisi pacto speciali intercedente, a successione expellantur. Wann dieses ein Praerogativ der Noblesse, warum nicht der Fürsten? Oder wo sind die Statuta oder wiedrige Gesetze, die denen Fürsten diese Praerogativa absprchen?
|| [116]
(General-Bedencklichkeiten bey diesem Handel.)
§. VI. Jedoch ist hierbey auch nicht zu läugnen, daß der Concipient dieser
gravaminum grosse Ursache gehabt, sich zu persuadiren, daß der jüngere Fürst,
für welchen er den Aufsatz gemacht, das Recht unstreitig auf seiner Seite habe,
welches mich auch vornehmlich bewoge, die elaboration des von mir begehrten
Responsi desto eher über mich zu nehmen. Was ich mit diesen kurtzen Worten
eigentlich sagen wollen, wird beygefügtes mein Antwort-Schreiben deutlicher
eröffnen.
Durchlauchtigster Hertzog: Gnädigster Fürst und Herr. Obwohl sonsten theils meine ordentliche überhäuffte Verrichtungen, theils mein zunehmendes Alter mir nicht vergönnet, für mich ins besondere responsa zu geben; oder rechtliche deductiones zu machen, weßhalben ich auch einige Jahre bißher von unterschiedenen Fürstlichen Höfen dieserwegen an mich ergangene gnädigste Begehren unterthänigst deprecirt; So habe ich mir doch um deßwegen ein Gewissen gemacht, bey Ew. Hochfürstl. Durchl. wegen der gnädigst mir anbefohlnen elaboration der mir zugeschickten vier Fragen dergleichen zu thun, in Erwegung, daß, obschon Ew. Hochfl. Durchl. in denen proponirten Fragen nach der Wahrheit in denen uhralten, continuirten, und nimmer abrogirten löblichen teutschen Gewohnheiten und Rechten gegründet sind, ich dennoch kein Collegium Juris ietzo weiß, das nicht (zum wenigsten grösten Theils) von thörichter Liebe gegen das Justinianische Recht, und von unvernünfftigem Haß gegen ihre alte väterliche Landes-Sitten eingenommen, andrer Meynung seyn solte; wie ich denn auch aller angewendeten Mühe ungeachtet von denen heutigen berühmten JCtis keinen einigen gefunden, dessen Beystand ich mich aus dessen Schrifften rechtschaffen hätte bedienen können, und wäre es meines unmaßgeblichen Erachtens sehr gut, wenn die hohen Fürstlichen Interessenten einem gelehrten Patriotischen Mann von ihren Bedienten auftrügen, diese Materie in einem besondern tractat auszuführen, und diese gemeinen, aus dem Pabstthum noch herrührenden, aber doch auf allen protestirenden Universitäten noch herrschenden sottilen der gelehrten Welt für Augen zu legen, absonderlich aber des Feltmanns tractat de impari conjugio von Capitel zu Capitel zu refutiren. Inzwischen habe nach meinem wenigen Vermögen in dem beyliegenden responso eine kleine Anleitung darzu gegeben; und wie ich von Hertzen wünsche, daß Ewre Hoch-Fürstl. Durchl. an dieser meiner geringen Arbeit ein gnädigstes Gefallen finden möchte, etc. Also empfehle Ewrer Hoch-Fürstl. Durchlauchtigkeit beständiger hohen Gnade ich mich ferner gehorsamst, und bin Lebenslang etc. Halle den 20sten Nov. 1717. (Beantwortung.) §. VII. Ich hoffe aber nichts destoweniger, daß ich in meinem Responso die Beantwortung der mir vorgelegten vier Fragen zwar
|| [117]
so kurtz als möglich, jedoch so
deutlich und handgreiflich vorgebracht,(der mir
vorgelegten Fragen / nebst dem Responso
selbst.) und die Nichtigkeit, nebst dem Ursprung der gegentheiligen zwar
gemeinen, aber doch irrigen, Meynung werde gezeiget haben, daß ich auch meines
Orts kein Bedencken trage, dasselbige der Beurtheilung eines jeden
unpartheyischen Lesers zu unterwerffen, wenn er nur in dem Stande ist, sich
seiner von GOtt verliehenen fünff Sinne zu gebrauchen, und dem Praejudicio
Autoritatis, nebst allen seinen Wercken, und allem seinen Wesen von
Hertzens-Grunde entsaget hat, oder noch zu entsagen bereit ist. Es lautet aber
mein Responsum also:
Als mir eine Spccies facti nebst etlichen Beylagen und vier Fragen zugesendet,
und meine rechtliche Meynung darüber begehret worden; demnach achte ich nach
fleißiger Erwegung derselben vor Recht:
Haben drey Fürstliche Herren Brüder, Cajus, Titius und(SPECIES FACTI.) Mevius vermöge väterlichen Testaments und darüber
unter sich ertheilten Recesse die angefallene Landes-Portion dergestalt in
Gemeinschafft bishero besessen, daß der ältere Fürstliche Herr Bruder Cajus
communi nomine die Landes-Regierung geführet. Wenige Jahr nach des Herrn Vatern
Ableiben lässet sich der jüngste Herr Mevius dahin verleiten, daß er sich mit
einer Weibes-Person bürgerlichen Standes, welche als Cammer-Mädgen bey seiner
Printzeßin Schwester in Diensten gestanden, ohne seiner noch lebenden
Fürstlichen Frau Mutter Wissen und Willen, auch ohne die geringste vor oder
nachhero gepflogene communication mit Dero Fürstlichen Herren Brüdern, dem
Verlaut nach in aller Stille und in Geheim ausserhalb Landes trauen lassen, auch
von solcher Zeit an beständig ausserhalb Landes sich mit selbiger aufgehalten,
und einen Sohn nebst etlichen Töchtern gezeuget haben soll, ohne daß er von
diesen Umbständen weder seiner Frau Mutter noch denen Herren Gebrüdern die
geringste Eröffnung gethan. Hat sich inzwischen gefüget, daß, occasione des von
des Herrn Erb-Printzens zu Anhalt-Bernburg getroffener gleichmäßigen inaequalen,
aber auf des Hoch-Fürstlichen Herrn Vaters beschehenen hefftigen Wiederspruch
von Käyserlicher Majestät praecedente causae cognitione, ratione effectuum pro
matrimonio ad Morganaticam declarirten Ehe, sich verschiedene regierende Herren
obgedachten uhralten Fürstlichen Hauses zusammen gethan, und nach
vorhergegangener fleißigen deliberation, wie dergleichen denen alten
Reichs-Fürstlichen Häusern höchst-despectirlichen, ungleichen Vermählungen
vorzukommen seyn möchte, ein verbindliches Pactum unter sich gemacht, worinnen
Sie unter andern alle sol
|| [118]
che
mesalliancen ratione effectuum pro matrimoniis ad Morganaticam declariret; Denen
auch mehrere aus alten Fürstlichen Häusern accediret, und hat der ältere
regierende Herr Bruder Cajus von sothanen getroffenem Pacto dem jüngern Bruder
Mevio Eröffnung gethan, und Ihme zum Beytritt invitiret, der aber nicht alleine
solches sich zu thun geweigert, sondern auch selbiges vor ungültig declariret,
und unter hefftigen protestationen dessen cassation verlanget, und gar deutlich
praetendiret, daß sowohl die Ihm angetrauete Person mit andern Fürstlichen
Gemahlinnen, als auch die aus solcher ungleichen Ehe erzeugte Descendenten mit
andern ebenbürtigen Printzen und Printzeßinnen gleiches Fürstliches tractament
und Rechte geniessen, mithin auch seine männliche Descendenten der succession in
die Fürstlichen Lande dereinst fähig seyn müßten. Hingegen sind nicht alleine
die Fürstliche Frau Mutter, sondern auch die beyden Fürstlichen Herren Gebrüder
auf alle Weise sich zu wiedersetzen, und weder der geheyratheten Weibs-Person
selbst, noch auch denen von Ihr erzeugten Kindern das von Mevio praetendirte
Fürstliche tractament einzuräumen oder wiederfahren zu lassen, am allerwenigsten
aber die aus solcher ungleichen Ehe gebohrne Männliche Descendenten auf
begebende Fälle der Landes-Succession und Regierung fähig zu erkennen gemeinet,
sondern vielmehr in diesen Fällen gesonnen, selbige a successione hujus Feudi zu
excludiren, und nach des Fürsten Mevii Absterben mit einem Adelichen, oder
höchstens Freyherrlichen Unterhalt zu versehen, und folglich diese ungleiche
Heyrath quoad hos effectus pro matrimonio ad Morganaticam zu erkennen.
Wannenhero zum ersten gefraget wird?
(QVAESTIO 1.)
Ob die beyde Fürstliche Herren Gebrüdere Cajus und Titius, und deren Fürstliche
Descendenz des tertio geniti aus solcher ungleichen Heyrath erzeugten Kindern
und dero Mutter nach teutschen Rechten den von Mevio praetendirten Rang und
Fürstliches Tractament zu geben schuldig seyn?
(RATIONES DUBITAN-, DI IN SUMMA.)
Nun ist zwar an dem, daß der Fürst Mevius dieser und seiner übrigen bey der
folgenden Frage abzuhandelnden praetensionen versichert zu seyn scheinet; indem
er in der Beylage sub unter andern mit anführet, quod matrimonia nobiliorum
cum ignobilibus vel plebejis nullo modo sint prohibita, & non modo de
jure divino, sed etiam de jure canonico & civili rata & firma
sint, sine aliqua personarum distinctione, modo liberae & ingenuae sint
mulieres, item quod mulier plebeja, si nubat viro nobili, & ipsa fiat
nobilis, & liberi ex hoc
|| [119]
matrimonio procreati vere habeantur nobiles, quia videlicet uxores &
filii sequantur conditionem mariti ac patris, & quia pater, non mater
nobilitet, & quia denique in Camera & Saxonia Electorali filii
ex ignobili matre nati, patre tamen nobili nati ad feuda admittantut, nisi pacto
speciali intercedente a successione expellantur: auch diesem Lateine annoch in
teutscher Sprache beygefüget, daß wen̅ dieses eine praerogativ der
Noblesse wäre, warum solches nicht auch auf die Fürsten könne appliciret werden?
oder wo denn die statuta und wiedrige Gesetze wären, die denen Fürsten dieses
Recht (nemlich daß die Weiber und Kinder nach dem Stand des Mannes und Vaters
gerechnet werden müsten) oder praerogativ absprächen.
Ja es ist auch ferner kein Zweiffel, daß es bey diesen angeführten(AUTORES PRAECIPUI PRO AFFIPMATIVA.) rationibus
dem Fürsten Mevio an autoribus juris und allegatis legum & Doctorum und
vielem Latein nicht mangeln könne, indem man bißhero viele Jahre hier und dar in
der Lehre von den Würckungen ungleicher Ehe Henrici Salmuths responsum pro
matrimonio principis cum virgine nobili, Betsii tractatum de Pactis familiarum
illustrium capite 6. Myleri ab Ehrenbach Gamologiam cap. 5. & seq.
Feltmanni gantzen tractat de conjugio impari u. s. w. fast blindlings zu folgen,
oder von denen neuern des Ludolphi tractat de Jure Foeminarum illustrium Sect.
1. §. 8. seq. oder Sam. Strykii de dissensu sponsalitio Sect. 5. §. 74. seq.
auszuschreiben gewohnet gewesen, welche autores insgesammt entweder einmüthig
dahin zielen, daß die von Fürsten geheyratheten Weiber, wenn sie auch gleich
Bürger-Standes wären, ohne fernere Umstände dadurch zu Fürstinnen würden, und
ihre Kinder für ebenbürtig zu achten wären, wenn kein pactum ad morganaticam
vorgegangen, durch welches diese beyde Effecte gehindert würden; oder wenn sie
gleich die bürgerlichen an Fürsten verheyrathete Weibes-Personen ohne special
erlangte Erhöhung der Obern für Fürstinnen nicht halten, dennoch die aus solchen
Ehen erzeugte Kinder sowohl, als die mit Adelichen Weibes-Personen erzeugete
nach Unterscheid des Geschlechts für successions oder Lehensfähig achten.
Die von diesen autoribus angeführte weitläufftige rationes gehen(ET PLURES ADHUC PRO EA EX ILLIS EXCERPTAE
RATIONES.) kürtzlich dahin: daß nach Römischen Rechten die Weiber und
Kinder durch die Heyrath von des Mannes und Vaters Würde participiren; daß doch
gleichwohl, wenn ein Fürst eine Adeliche oder bürgerliche sich trauen liesse,
hieraus eine wahre Ehe für GOtt und der ehrbahren Welt entstünde; und folglich
diese Ehe auch alle Würckungen einer rechtmäßigen Ehe haben müß
|| [120]
te; daß wenn die mit geringeren
Persohnen getroffene Fürstliche Heyrathen die geheyratheten Weiber und erzeugte
Kinder nicht an und für sich selbst ipso jure oder in regula Standes- und
Lehensfähig mache, oder schon vor Alters gemacht hätten, sodann nicht nöthig
gewesen wäre, pacta ad Morganaticam zu erfinden, und erst vermittelst derselben
sowohl die geheyratheten Weiber, als die erzeugten Kinder von diesen Juribus
auszuschliessen; Daß kein geschriebenes Gesetze angeführet werden könne, welches
denen ungleichen Weibern und Kindern zuwieder sey; daß obgleich in Pandectis
etliche leges sich fänden, die dergleichen Heyrathen zuwieder wären; dennoch
Käyser Justinianus diese harten und in purem Hoch muth sich gründenten Gesetze
in Novellis wieder aufgehoben; daß die etwan im Gegentheil angeführte Exempel
nicht mehr als eine Particular-Gewohnheit bewiesen, und, da ohne dem nicht nach
Exempeln zu judiciren wäre, für keine Universal-Regel geachtet werden möchten,
auch sonsten die gehörigen requisita einer rechtmäßigen Gewohnheit nicht hätten,
und was etwan noch einige andere raisons seyn mögen.
(COMMENDATIO FELTMANNI PRAE EIUS AD VERSARIO.)
Und wie diese controverse sonderlich occasione der von Graff Ernst Wilhelm zu
Bentheim mit seiner Gräflichen Fräulein Schwester gewesenen Cammer-Mädgen
Gertraud Zelst getroffenen Ehe und der daraus entstehenden Streitigkeiten, von
beyden Theilen in Schrifften ventiliret worden, also muß man gestehen, daß der
berühmte JCtus Feltmann die Sache der ungleichen Ehe-Weiber und deren Kinder in
seinem deswegen edirten Tractat de conjugio impari viel ordentlicher, beredter
und gelehrter vertheydiget, als etwan von dem Autore geschehen, der das
Gräfliche Bentheim-Steinfurtische Gegen-Manifest verfertiget und behaupten
wollen, daß der Fürstlichen Persohnen Ehe-Weiber geringern Standes, und deren
Kinder für Fürsten-mäßig nicht zu achten wären, noch in Fürstenthümern
succediren könten.
(DECISIO PRO NEGATIVA.)
Nichts desto weniger aber halte ich gäntzlich dafür, daß die gegenseitige Meynung
vernünftiger und denen teutschen Rechten und Gewohnheiten gemässer sey,
nehmlich, daß die beyden Fürstlichen Herren Gebrüdern Cajus und Titius und derer
Fürstlichen Descendenz des Fürsten Mevii aus seiner ungleichen Heyrath erzeugten
Kindern und dero Mutter nach den teutschen Rechten Fürstlichen Rang und
Fürstliches tractament zu geben nicht schuldig seyn.
(MORIBUS GERMANUS)
Denn es ist offenbahr, daß, wenn ja bey den Römern zu allen Zeiten die Weiber und
Kinder indistincte nach des Mannes digni
|| [121]
tät gerechnet worden wären, auch die Kinder dem Vater
succediret(NIAE LIBEROS EX MATRE IGNOPILIORE
PROGENITOS SEQVI HUJUS CONDITIONEM.) hätten, dennoch wie in den
meisten andern, also auch in diesem Stück, die teutschen mores von denen
Römischen Sitten schon vor Alters gantz unterschieden gewesen. Adamus enim
Bremensis sic tradit de Saxonibus: Quatuor differentus gens
illa subsistit: Nobilium scilicet & liberorum, & libertorum
atque servorum. Non modo de una Saxonum natione hoc intelligendum; sed
de universa Germanorum gente; nam cuncta quae Tacitus in libro de Germania
universis tribuit Germanis, Adamus unis Saxonibus pene iisdem adscribit verbis,
&c. Qui superioribus haec continuo subnectit. Et id
legibus firmatum, ut nulla pars in copulandis conjugiis propriae sortis
terminos transferat, sed nobilis nobilem ducat uxorem & liber
liberam, liberius conjugatur libertae, & servus ancillae. Si vero
quispiam hominum sibi non congruentem & genere praestantiorem duxit
uxorem, cum vitae suae damno componat. Rigida admodum lex, fateor, sed
utilissima, ut mox apparebit. Hodie etiam in Germania (in ea nimirum, quae a
Galliae Italiaeque finibus simulque moribus remotior) idem mos quam
religiosissime observatur, non equidem poenae alicujus praestitutae metu, sed
antiquissima persuasione; cum omnino se suumque ordinem nobiles homines pollui
credant, si quis vel tenuissima sorte vir ducat oppidanam licet ditissimam.
Philippus Cluverus German. Antiq. lib. 1. cap. 15. p. 98. seq. Adde Hachenbergium Germaniae Mediae dissert. 2. §. 30. & dissert. 5. §. 4. Der in dem ersten loco noch darbey anführet: Invaluit quoque gentis nostrae moribus post Henrici Aucupis tempora, ut nobiles atroci ignominia removerentur, a torneamentis, qui nobilitatis suae testimonium, ut loquebantur a quarto non habebant progenitore, veluti inter duodecim torneamenti leges a Ruexnero, Goldasto, aliisque refertur. In lege Salica befindet sich unter andern folgendes: Si quis ingenuus ancillam alienam in conjugium acceperit, ipse cum ea in servitium implicetur.
Lex Salica tit. 14. §. 11. p. 320. edit. Lindenbrogii. Es bezeuget hiernechst Lehmann
in der Speyer. Chronick lib. 2. cap. 19. circa finem p. m. 59. daß dieses bey denen Teutschen sonderlich in acht genommen worden, daß wenn Ungleiche in die Ehe zusammen gekommen, die Kinder der Mutter Stand gefolget, dergestalt, daß wenn zum Exempel die Mutter eine Leibeigne, die Kinder auch leibeigen gewesen u. s. w.
|| [122]
confer Hertium de Special. Rom. Germ. Imp. Rebuspubl. Sect. 2. §. 5. p. 106. in notis. Wannenhero auch die aus ungleicher Ehe erzeugten Söhne schon vor Alters dem Vater in seinem Lehn nicht succediret und folglich auch die Subvasallen nicht investiren können.
Jus Feudale Alem. cap. 40. Sächsisch Lehn-Recht cap. 20. Auch des Vaters Schild und Erbe nicht behalten.
Sächsisch Land-Recht lib. 3. art. 72. (nach dem Sächsischen Text und der Lateinischen Version, indem Zobel es nicht allenthalben wohl übersetzt.) Noch weniger die aus ungleichen Ehen erzeugte Kinder für Turnier- und Stiffts-mäßig gehalten worden.
Limn. Jur. Publ. l. 6. c. 5. n. 62. seq. Mylerus Gamol. c. 5. §. 38. seq. Cap. Leopold. §. 40. in med. Noch auf Reichs-Tägen des Sitzes und Stimme im Fürsten-Rath fähig sind.
Bertram de Comitiis membro 3. th. 43. (PRIMUM FALSUM DISSENTIENTIUM.) Daß aber diese Meynung bishero von denen auch berühmtesten Scribenten nicht angenommen worden, ist hauptsächlich der Ursache zu zuschreiben, daß nachdem man leyder die alten teutschen Gewohnheiten auf Univerfitäten unter die Banck gesteck et, man sich selbst und die Discentes beredet, es müsten alle controversiae, sowohl juris publici als privati, sowohl die zum Lehn-als Land-Recht gehören, entweder aus dem Römischen Justinianeischen oder doch zum wenigsten aus dem Longobardischen Lehn-Recht decidiret werden, und sey hierbey sehr notabel, daß der compilator Juris Feudalis Longobardici sage, quod matrimonium ad Morganaticam improbetur ratione, & ex usu tamen admittatur.
2. Feud. 26. Allein es ist bishero von etlichen, wiewohl wenigen Gelehrten, handgreiflich gewiesen worden, daß sowohl das Jus Justinianeum als Feudale Longobardicum nur in subsidium, und wenn die alten teutschen jederzeit daurenden Gewohnheiten nicht ad decisionem zureichten, im Teutschen Reich angenommen worden,
ut ostendi in selectis capitibus juris Feudalis Germaniae §. 68. 69. 70. & de libri veteris de beneficiis usu §. 24. seq. In specie aber, so viel Feltmanns Buch de impari conjugio betrifft, ist zu erinnern, daß er darinnen gantz partheyisch gehandelt, indem er selbiges als Advocatus der einen Bentheimischen, damahls in Hol
|| [123]
land sich aufhaltenden Parthey
geschrieben, wie er denn dieses deutlich genug in der Vorrede bekennet und nicht
dissimuliret, und dannenhero diejenigen, so ihn blindlings ausschreiben oder
allegiren, dieses wohl hätten beobachten sollen, und solches umb so viel desto
mehr, da der Augenschein weiset, daß er vielfältig durch den gantzen Tractat
mehr more oratorio & sophistice, als wie es einem unpartheyischen
Jureconsulto sonsten zugestanden hätte, verfahren, obschon in diesem seinen
Tractat er mehr Fleiß und erudition oder Belesenheit sehen lassen, als der
Advocatus des Gegentheils.
Wenn man nun dieses wohl erweget, so ist nicht mehr schwer auf(RESPONSIO GENERALIS AD RATIONES DUBITANDI.) die
rationes der dissentientium zu antworten. Denn was gehen uns Teutschen in
Sachen, da die alten und niemahls abgeschafften Gewohnheiten das Gegentheil
versichern, die Römischen Gesetze an; ja noch mehr solten wir uns schämen, da
Justinianus die alten Römischen guten Sitten, die die ungleichen Heyrathen
vielfältig improbiret,
l. 16. pr. l. 23. 27. 34. §. f. 42. § 1. 43. §. 10. 44. 47. 49. ff. de Ritu Nup. l. 3. C. eod. l. 7. C. de incest. nupt. l. 1. C. de nat. lib. abgeschafft, und sein unlöbliches Exempel dadurch zu justificiren getrachtet,
l. 23. C. de nupt. Nov. 51. 78. c. 3. 89. cap. ult. (indem wohl bekannt, daß seine Gemahlin von gar niedriger extraction gewesen,) daß wir uns und andere bereden wolten, daß Käyserliche Majestät, ingleichen die Chur- und Fürsten des Römischen Reichs sich es jemahls in die Gedancken hätten kommen lassen / an statt Ihrer löblichen alten Gewohnheiten dieses Justinianeische Recht anzunehmen.
Uti post alios putat Stryk. us. mod. Pand. ad tit. de ritu nupt. §. 6. Ferner so haben die dissentirende Scribenten darinnen gröblich(SPECIALES, DE CONFUSIONE ESSENTIALIUM ET NATURALIUM MATRIMONII.) verstossen, wenn sie gemeinet, daß weil die mit einer geringen Weibs-Person getroffene Ehe in foro conscientiae für eine wahre Ehe zu halten wäre in Ansehung der schuldigen ehelichen Pflicht, des Ehebruchs, und so ferner; sie gemeinet, daß deßhalb solche Ehen auch alle Würckungen in solchen Dingen, die von eines jeden Volcks Gutachten dependiren, und von dem allgemeinen Recht der Natur nicht determiniret seyn, nothwendig haben müsten; dergleichen sind aber unstreitig alle successiones sive ab intestato sive testamentariae, absonderlich aber die successiones in Lehen, ingleichen die Fürstliche und Gräffliche Würde, cum omnis dignitas a lege civili sit, non an natura.
|| [124]
Ludolph. de jure foem. illustr. d. Art. I. §. II. p. 27. Myler. Gamol. cap. 5. §. 53. Ja es sind auch nicht einmahl die Erbschafften der Kinder, und die so genannte legitima von dieser gemeinen Regel auszunehmen, obwohl der helle Hauffen der Glossatorum und ihrer Jünger dawieder schreyet.
Vt latius deduxi in disputatione de legitima viventis cap. 3. §. 23. seq. p. 70. seq. Zugeschweigen, daß die Canonisten, die doch sonsten aus der Ehe einen Abgott oder ein Sacrament machen, selbsten gestehen, daß eine solche Gewohnheit nicht unrecht sey, nach welcher die Söhne in Betrachtung ihres Standes und Würden nicht nach dem Vater, sondern nach der Mutter gerechnet würden.
Sanchez de matrimonio lib. 7. disp. 24. num. 2. fol. 90. (DE ORIGINE PACTORUM AD MORGANATICAM.) Was ferner de origine pactorum ad morganaticam angeführet worden / daß aus denenselben zu praesumiren sey / als ob auch nach teutschen Gewohnheiten in regula die ungleichen Weiber für Fürstenmäßig, und die aus solchen Ehen erzeugten Kinder pro successoribus feudalibus zu halten wären / wie sonderlich Feltmann
de impari matrimonio Parte I. Cap. 3. n. 161. seq. urgiret, ist gantz ungegründet, indem dergleichen pacta ad morganaticam nicht in odium derer ungleichen Weibs-Personen, und der von ihnen zu hoffenden Kinder von denen Fürstlichen Ehemännern jemahls verfertiget worden, beyderfeits von denen ihnen sonsten & si citra hoc pactum foret, zustehenden Fürsten und Successions-Rechten auszuschliessen, wie Feltmann angiebt, sondern gantz umbgekehret in favorem der ungleichen Ehe-Weiber und Kinder entstanden, damit dieselben, die sonsten citra pactum nach obdeducirter teutscher Gewohnheit von aller dignität und succession in feudis regalibus würden seyn aus geschlossen worden, nicht nach des Fürstlichen Ehemanns und Vaters Tode in die euserste Verachtung und Dürfftigkeit, wenn sie von der blossen Gnade des Successoris ihre alimenta erwarten solten, fallen dürfften, sondern vi pacti ad morganaticam bey Zeiten wüsten, wessen sie sich nach ihres Herrn Ehegemahls oder Herrn Vaters Tode zu getrösten hätten. Zugeschweigen, daß es an Exempeln nicht mangeln dürffte, daß die aus ungleichen Ehen erzeugte Kinder, wenn ihre Väter keine pacta ad morganaticum gemacht, nach dero Tode zur sucessione feudali nicht gelassen worden.
Autor des Bentheim-Steinfurthischen Gegen-Manifests Parte 2. cap. I. p. m. 43.
|| [125]
Unter welchen sonderlich das Exempel der zwischen Ertz-Hertzog Ferdinand zu
Oesterreich mit Philippina Welseria vor andern sehr merckwürdig ist.
De quo videantur Hertius de Special. Imp. Germ. Rebusp. sect. 2. §. 5. p. 104. 106. Feltm. de imp. matrim. c. 1. §. 131. Mylerus Gamol. c. 5. §. 17. & c. 6. §. 13. Ja es hätten die Autores, so sich dieser gantz ungegründeten(DE ORIGINE ET CAUSA, CUR UXORES IGNOBLIORES AB IMPERATORIBUS PER PRIVILEGIUM MARITIS FUERINT EXEQVATAE.) praesumtion de occasione matrimoniorum cum pacto ad morganaticam bishero nebst Feltmanno bedienet, bedencken sollen, daß wenn schon die alte, und jederzeit continuirte Teutsche Gewohnheit, daß die aus ungleicher Ehe erzeugte Kinder in regula ihres Herrn Vaters dignität nebst ihrer Mutter nicht theilhafftig würden, noch in feudis succedireten, so deutlich als oben geschehen, nicht erwiesen wäre, dennoch vielmehr wieder sie (die dissentirenden Autores) aus folgenden Umbstand eine starcke praesumtio zu nehmen sey. Daß die Fürstlichen oder Gräfflichen Personen, die in solche ungleiche Ehen getreten, wenn sie ihre geheyratheten Ehe Frauen und Kinder der Fürstlichen dignität und succession in feuda theilhafftig machen wollen, mit confens ihrer Herren Brüder oder Vettern, oder doch zum wenigsten ohne derselben contradiction durch die Römischen Käyser ex speciali gratia & privilegio diese ihre Gemahlinnen in den Fürsten- oder Graffen-Stand erhöhen lassen,
davon die neuesten exempla beym Ludolph. de juribus Foemin. illustr. sect. 1. §. 9. lit. y. zu lesen. Denn was hätte dergleichen Fürsten und Graffen wohl sonst bewegen können, per gratiam & privilegium Caesaris diese dignität und Successions-Recht für ihre Gemahlinnen und Kinder zu erlangen, wenn diese beyde secundum regulam & jura communia Germanica ipso jure ex ipso matrimonio mariti vel patris diese dignität und Successions-Recht gehabt hätten, und Feltmann nebst seinen Adhaerenten leichtlich begreiffen können, daß sein Latein
d. c. 3. n. 162. Exceptio enim semper firmat regulam, neque haec unquam melius probata intelligitur, quam si eam declinare laboremus per inventa quaedam acuta &c. sich besser auf die pro nostra sententia angeführte praesumtion, als auf die feinige sich appliciren liesse. Ob ein geschriebenes Gesetze angeführet werden könne, in welchem(DE AUTORITATE.) in Teutschland verordnet worden, daß die Eheweiber und Kinder
|| [126]
(CONSVETVDINVM IN REPVBLICA.) von geringern Stande
von der Fürstlichen Würde und Lehns-Succession ausschliesse, thut nichts oder
wenig zur Sache. Man lasse es seyn, daß alle oben angeführte loca auch aus dem
alten Sächsischen und Allemannischen Recht nach dem sensu juris Romani pro
legibus scriptis nicht zu achten seyn, sondern wie das Jus Feudale Longobardicum
nur pro compilationibus consuetudinum gehalten werden müssen; so ist doch genug
und denen ersten principiis juris gemäß, inveteratam consuetudinem habere vim
legis, eam veritati aequipollere, actus humanos determinare & illis
formam dare, imo esse jus, cui exjure naturae reverentia debeatur, &
quod judex. nisi litem suam facere velit, sequi teneatur.
l. 6. ff. de just. & jure l. 3. Cod. de aedif. privat. cap. venientes X. de jurejur. & ibi Dd. communiter. Ja es hat der Hauptverfechter der gegentheiligen Meynung
Feltm. d. tract. Part. 1. c. 1. n. 32. seq. dieses argument de consuetudine für eines von den stärckesten gehalten, wenn er also davon schreibet: Cum consuetudinis ususve longaevi non vilis sit auctoritas
2. F. 1. pr. & ICtis de moribus patriae suae testimonium perhibentibus facile credamus.
Dd. comm. multi autem rerum Germanicarum peritissimi uno ore ajant, sordidum genitricis ortum semper jure nostro publico liberis obstare, neamplissimas patris dignitates capere possint.
Petrus de Andlo de Imper. Rom. lib. 2. c. 12. p. m. 117. Gryphiander de Weichbildis Saxonicis c. 46. n. 14. nemo forsitan id amplius in dubium vocabit, sed hanc septimam technam (denn Feltmann nennet more magis Oratorio quam Juridico alle ihm wiederstreitende rationes in seinem Buche technas) putabit esse inextricabilem, praesertim si resciverit, illorum opinionem contradictorio judicio in summo Caesaris tribunali aulico esse firmatam.
Andler Jurispr. addit. ad lib. 2. tit. 10. p. 719. & 724. Nec dissimilia olim talium summopere gnarum Schenckium Tauteburgensem docuisse.
in Comment. ad 2. Feud. 29. n. 10. Hic namque ait; semper, ubi quaestio est de feudo dignitatis aut illustri, filios, quos princeps aut comes tulit ex muliere vili, aut
|| [127]
abjecta, non admitti ad patris sui
successionem: rationem hanc subjiciens propter OBSCURITATEM materni generis
&c. Wenn(INSUFFICIENTIA EXCEPTIONVM
FELTMANNI.) man aber im Gegentheil betrachtet, was Feltmann dieser raison
de consuetudine entgegen setzt, muß sich billig ein Unpartheyischer in seinem
Nahmen schämen. Denn es bestehen seine Beantwortungen in folgenden: 1) Sey
dergleichen Gewohnheit bey den Teutschen nirgend verhanden,
d. l. Part. 1. c. 3. n. 12. welches allzutreiste Vorgeben, so wohl als das 2) daß es keine allgemeine Gewohnheit gewesen.
d. c. 3. n. 98. auch von einem Kinde aus den bishero angeführten Zeugnissen und Exempeln wiederleget werden kan. Daß aber 3) die vor unsere Meynung angeführten Autores, nahmentlich aber der Baron Schenck, nicht von angetrauten Ehe-Weibern, sondern von Concubinen reden sollten, wie Feltmann
n. 99. praetendiret, ist eben so ein offenbahres nichtiges Vorgeben, daß wer die oben angeführten loca autorum, ja nur die kurtz vorhero von Feltmanno selbst aus dem Baron Schenck excerpirten Worte ansiehet, sich verwundern muß, wie ein sonst so gelehrter Mann in diesem Stück alle Scham so weit von sich legen können, zu geschweigen / daß es vielleicht nicht unschwer seyn solte zu bescheinigen, daß für alters solche so gar ungleiche Ehen concubinate, und die Ehe-Weiber von so geringer extraction eheliche Concubinen zu nennen gebräuchlich gewesen.
Nach Auleitung des Exempels / das von mir in dissertatione de concubinatu von dem Grafen von Isenburg de anno 1619. angeführet worden. Und wie hiemit zugleich der letzte Einwurff, daß die vor die disseitige(INPRIMIS DE PARTICULARITATE EARUM.) Meynung streitende Exempel nicht mehr als eine particulare Gewohnheit bewiesen, ingleichen daß ohne dem nicht nach den Exempeln zu judiciren wäre, grösten Theils beantwortet ist; Also hebet derselbe auch die oben aus denen alten legibus Francorum, Allemannorum, Saxonum u. s. w. von der allgemeinen teutschen Gewohnheit angesührte testimonia gantz nicht auf, sondern es muß doch diese Regul zum wenigsten gelten / quod exempla illustrent, ja da über die bißhero allegirten so vielfältigen Exempel noch mehr vorhanden, welche der Herr Ludolph
de Jure Foemin. illustr. Sect. 1. §. 9. litt. aa. p. 23. und in addit. 1. p. 13. mit grossen Fleiß colligiret, so muß es auch billig heissen, quod ex tam multis exemplis tam diu probetur consuetudo universalis, biß von
|| [128]
Gegentheil andere Exempel in
contrarium angeführet worden, welches aber bißher weder von Feltmanno noch
seinem Anhange geschehen.
Die andere an mich gethane Frage ist:
(QVAESIIO II.)
Ob die aus des Hertzogs Mevii ungleicher Heyrath erzeugte männliche Descendenz
nicht von den Fürstlichen Herren Brüdern und deren Linie nach Mevii Tode
secundum principia der alten Teutschen Lehn-Rechte und Reichs-Gewohnheiten von
der succession in denen Fürstlichen gemeinsamen Landen, und von der concurrenz
bey der Landes-Regierung optimo jure völlig excludiret werden könten.
(RATIONES DUBITANDI PRO NEGATIVA.)
Ob nun wohl bey deducirung der negativae so wohl von dem Hertzog Mevio, als auch
von denen Doctoribus insgemein eben die rationes, die bey der ersten Frage
vorgestellet worden, pflegen angebracht zu werden, inmassen, wenn die Mutter,
die vor dem geringeren Standes gewesen, nach der Verheyrathung durch dieselbe
ipso jure eine Fürstin wird, so dann die pro affirmativa streitende
Haupt-raison, daß in Teutschland die aus ungleicher Ehe erzeugten Kinder nach
ihrer Mutter Stande gerechnet werden müsten, hinweg fället, wie dann auch meines
Wissens niemand daran zweiffelt, daß, wenn eine ungleiche Ehe-Genossin non
contradicentibus Agnatis von Käyserlicher Majestät in Fürsten-Stand erhoben
worden, alsdenn ihre Kinder ipso jure & in regula gleichfalls für
ebenbürtig und Fürstenmäßig gehalten werden müssen; auch dannenhero Carpzovius
Jurisprudentiae Consist. lib. 2. def. 9. 10. 11. aus einerley rationibus folgert, daß, weil nach seiner und des Ober-Consistorii zu Dreßden Meynung die von einem Edelmann in Sachsen geheyrathete Handwercks-Manns und Drathziehers Tochter für eine Adeliche Frau gehalten worden, auch die Kinder in denen Adelichen Lehen-Gütern succediren müsten: woraus Fürst Mevius ferner urgiret, daß diese decision auch auf die Fürstlichen Heyrathen appliciret werden müste. (RASPONSIO PRO AFFIRMATIVA.) So bin ich doch diesem allen unerachtet, der gäntzlichen Meynung, daß eben deßwegen, weil bey der ersten Frage augenscheinlich gezeiget worden, daß die Ehe eines Fürsten mit einer von bürgerlichem Stande nach alten teutschen Rechten und Gewohnheiten die angetrauete Ehefrau, ohne derselben special Erhöhung von Käyserl. Majestät, in den Stand nicht setze, daß sie von andern Fürsten und Fürstinnen des Reichs für Fürstenmässig geachtet werden müsse; auch die mit des Hertzogs Mevii Ehe-Frauen erzeugte Söhne nicht für Fürstenmäßig geachtet, noch zur Lehens-succession
|| [129]
Landes-Regierung zugelassen werden könnten; wannenhero es billich zu verwundern,
wie es möglich gewesen, daß der Herr Ludolph, der doch
de Jure Foem. ill ustr. sect. 1. §. 9. 10. & 11. mit so grossem Fleiß und judicio behauptet, daß nach Teutschen Gewohnheiten eine plebeja, die einen Fürsten oder Graffen, oder Edelmann heyrathe, ohne Käyserliche Erhöhung ein gemeines Mensche bliebe, und auf die objectiones der Gegner recht wohl geantwortet, dennoch in diesem Stück eine grosse Schwachheit des judicii blicken lassen, daß er
d. §. 9. lit. aa. p 24. mit Hornio, Titio, Ittero, Rumelino u. s. w. bloß aus der Meynung der Glossatorum und der Regul des neuen Justinianeischen Rechts, quod filii sequantur conditionem patris, die aus solcher Ehe erzeugten Kinder nichts destoweniger für Fürstenmäßig und Lehensfähig gehalten. Nachdem auch bey voriger Frage die rationes dubitandi allbereits(RESPONSIO AD RATIONEM DUBITANDI: QVOD JURE CAMERALI LIBERI EX FOEMINA IGNOBILI NATI ADMITTANTHR AD SUCCESSIONEM IN FEUDIS.) ihr abhelffliche Masse bekommen, als ist nicht nöthig, allhier das vorige zu wiederhohlen, sondern nur noch übrig, daß das letzte argument des Hertzogs Mevii etwas ausführlicher beantwortet werde, da er vorschützt, daß sowohl in der Cammer als in Sachsen die Ehen eines Edelmanns mit einer Handwercksmanns-Tochter dergestalt angesehen würden, daß die Kinder für Lehensfähig zu achten wären. Nun wäre zu wünschen, daß anfänglich dieses assertum nur in etwas erwiesen und bescheinigt worden wäre: da aber solches nicht geschehen ist dem Gegen-asserto, daß die Cammer von dergleichen judicatis nichts wisse, so lange Glauben beyzumessen, bis ein dergleichen praejudicium vorgewiesen wird; und da es auch über verhoffen geschehen solte, müste doch wohl zu beobachten seyn, ob nicht andere Umstände bey demselben casu vorhanden gewesen, in welchen die Herren Camerales denen Kindern die Lehens-succession zuerkennet, nemlich daß z. E. die agnaten nicht wiedersprochen, oder wohl gar bey Lebzeiten des Vaters, die Frau und Kinder als ebenbürtige Personen tractiret, oder die Frau vom Käyser zur Fürstlichen oder Adelichen dignität erhoben worden; ingleichen ob dergleichen res judicatae alt oder neu, u. ob die neuen nicht auf offenbahr irrigen u. einander wiedersprechenden principiis (wie nur jetzo bey der doctrin des Herrn Cammer-Gerichts-Assessoris Ludolphi angeführet worden) sich gegründet u. s. w. So viel Sachsen betrifft, hat Hertzog Mevius vermuthlich auf den kurtz(ITEM JURE SAXONICO EIECTORALI.) vorher aus Carpzovii Jurisprudentia Ecclesiastica angeführten locum sein Absehen gerichtet, woraus aber nichts mehr bewiesen wird, als daß das Ober-Consistorium zu Dreßden nebst Carpzovio der Meynung ge
|| [130]
wesen, daß nach Römischen und
Päbstlichen Rechten dergleichen Kinder für ebenbürtig zu halten, und daraus
Land-übliche Teutsche Rechte, aus Unwissenheit der alten Teutschen Gewohnheiten,
gemacht, im übrigen aber ratione successionis nicht gesprochen, noch als
Consistoriales über die Lehensfähigkeit directe sprechen können, viel weniger
ihre ex falsa persuasione gesprochene Sentenz für ein jus commune Saxonicum zu
allegiren sey.
(ACCDERE, QVOD HOC LOCO A NOBILIBUS AD PRINCIPES PARUM APTE
CONCLUDATUR.)
Wann aber auch gleich dieses assertum, quod filii ex foemina ignobili nati
succedant in feuda nobilium, seine Richtigkeit allenthalben hätte; so kan doch
nicht abgesehen werden, mit was für Grunde der Hertzog Mevius schreiben können,
daß wenn dieses bey der noblesse angienge, warum solches nicht auf die Fürsten
könne appliciret werden? Die gemeinen principia Dialectica pflegen sonst noch
auf den ersten trivial-Schulen folgender Weise inculciret zu werden, daß man a
minori ad majus zwar negative aber nicht affirmative, argumentiren könne. So
viel fället wohl in jedermans Augen, daß wann die Ehe an sich selbst nicht fähig
ist, eine bürgerliche Frau, zumahl vom geringen und Handwercks-Stande, Adelich
zu machen; so seye sie auch noch vielweniger fähig, eine dergleichen geringe
Weibes-Person Fürsten-mäßig zu machen; Aber wenn ich die Sache umkehren und also
schliessen will: Die Ehe ist heute in Sachsen und anderswo capable, eine
Weibes-Person von Bürger Stande und ihre Kinder Adelich und Lehensfähig zu
machen, Ergo macht sie auch dergleichen Weibes-Personen Fürsten-mäßig, so siehet
auch ein Ungelehrter, der nur ein wenig natürlichen Urtheils hat, gleich, daß
dieses so wenig schliesse, als wann ich argumentiren wolte: Ein Handelsman hätte
so viel Geld für sich gebracht / daß er vermittelst desselben Ritter-Güter an
sich kauffen, und die zur nobilitirung erforderte Unkosten leichtlich erlegen
könte; Ergo könne er auch vermittelst desselben Fürstenthümer erhandeln, und bey
S. Käyserlichen Majestät sich den Fürsten-Stand zuwege bringen.
Und eben also ist es auch mit der dritten Frage beschaffen.
(QVAESTIO III.)
Ob nemlich Hertzog Mevii Ehefrau sowohl als auch die von ihr erzeugte Kinder mit
dem tractament des Adelichen oder höchstens Freyherrlichen Standes sich zu
vergnügen, nicht minder nach des Hertzogs Mevii in GOttes Händen stehenden
Ableiben mit einem bey dergleichen inegalen Verheyrathungen oder matrimoniis ad
morganaticam im Reiche nicht ungewöhnlichen billigmäßigen Unterhalt und
Abfertigung zufrieden seyn müste.
|| [131]
Denn obwohl die Doctores insgemein dafür halten, daß weil in(RATIONES DVBITANDI PRO NEGATIVA.) Teutschland
indistincte die Weiber vermittelst der Ehe ihrer Männer dignität und Stand
erlangten, auch die mit ungleichen Ehe-Weibern erzeugte Kinder von der
Lehens-succession nicht ausgeschlossen werden könten, wenn nicht bald anfangs
bey der Ehe solches per pactum ad morganaticam geschehen wäre; und daß
dergleichen pacta sonst keinen andern Zweck hätten, als die aus solcher Ehe
erzeugte Kinder per modum exceptionis von der sonst secundum regulam ihnen
gehörigen succession auszuschliessen, und nach diesen hypothesibus von sich
selbst folget, daß da Hertzog Mevius dergleichen pacta nicht gemacht, noch
iemahls zu machen gesonnen gewesen, oder noch ist, dessen Ehe-Frau und Kinder
als Fürstliche Standes-Personen angesehen werden müsten, und nicht schuldig
wären, mit einem von denen Fürstlichen agnatis ihnen etwa destinirten Adelichen
oder Freyherrlichen Unterhalt sich abfinden zu lassen.
Dieweil aber dennoch bey Abhandlung der ersten Frage obgesagte(RESPONSIO PRO AFFIRMATIVA.) hypotheses sattsam
refutiret, und deren Ungrund gezeiget worden; als halte ich dafür, daß die
Ehefrau und Kinder quaestionis nicht alleine zufrieden seyn müssen, sondern mit
hohem Danck anzunehmen schuldig seyn, wann sie nach Hertzogs Mevii Tode von
denen Fürstlichen Agnaten oder casu emergente von denen Landes Ständen mit
Freyherrlichen oder auch nur Adelichen Unterhalt versehen werden, und wird diese
meine Meynung über die bey der ersten Frage bewiesene uhralte und niemahl
abgeschaffte Gewohnheit der Teutschen durch das Exempel weiland Ferdinandi
Ertz-Hertzogs von Oesterreich, und was die Autores davon bemerckt, gar
nachdrücklich illustriret. Dieser Herr hatte sich ohne seines(QVAE ILLVSTRATVR EXEMPLO ILLVSTRI FERDINANDI ARCHIDVCIS
AVSTRIAS ET PHILIPPINAE WELSERAE.) Herrn Vaters Vorwissen, wie Herr
Hertzog Mevius ohne consens sei ner Frau Mutter,
(Derer consens nach Teutschen Rechten eben sowohl zu denen Verheyrathungen der Kinder / als nach Römischen Recht der consens des Vaters erfordert wird Vid. disp. mea de usu practico tit. Instit. de nupt. cap. 2. §. 12 & omnino Zieglorus in praetat. ad notas in Grotium circa sinem.) mit einer wohlgezogenen Jungfer aus Augspurg verheyrathet, und auch keine pacta ad morganaticam gemacht, und muste dannenhero der aus dieser Ehe gezeugete Sohn GOtt dancken, daß ihme von denen Oesterreichischen Ständen ein nicht gar zu schimpflicher Unterhalt ausgemacht wurde, und beschämet der Frantzösische Scribente Thuanus dißfalls unsere in das Römische Recht allzusehr verliebte Juristen, (denen sonst auch Zieglerus
|| [132]
in ietztgemeldter praefation den Text lieset) wenn er hiervon also schreibet
histor. libr. 43. Egregio inter Germanos honestatis toro immaculato debitae exemplo, quae non patitur, ut soboles ex clandestina & impare nec publicae parentibus probata conjunctione procreata legitima habeatur & in majorem haereditatem succedat. Ja wenn gleich der Herr Vater (oder im gegenwärtigen casu die Frau Mutter) in die Ehe consentiret hätte, so wären doch die andern rationes und die imparitas conjugii alleine genug gewesen, den Sohn des Ertz-Hertzogs Ferdinandi von der succession auszuschliessen, wie Michael Piccartus
Observationum Historico-Politicarum Decade IX. Cap. 1. p. 137. gar wohl angemerckt: Sic ordines provinciarum Ferdinandi Archiducis Austriae noluere liberos ex Philippina Welsera. eleganti ingenio & forma virgine, patricia Augustae Vindelicorum familia nata, patri succedere, non tam, ut opinatur Thuanus, quod clam patre Ferdinandus illam sibi sociasset, quales nuptiae minime legitimae censeantur, quam, quod impar esset matrimonium, & liberi ex eo suscepti tantae successionis capaces non viderentur. Itaque vix multis precibus ab ordinibus impetrare potuit, ut exiguum Castellum ex tam opulento patrimonio detraheretur, quo Carolum grandiorem natu filium ex Welsera natum cum Marchionis (CVM RESPONSIONE AD EXCEPTIONES FELTMANNI.) titulo donavit &c. und ist die von Feltmanno wieder dieses factum
De impari matrimonio Parte 1. c. 3. n. 394. 404. eingestreuete replic, daß dieses Exempel nichts beweise, weil eines Theils Ferdinandus und sein Sohn keine rechtschaffene geschickte Advocaten, (oder keinen Feltmann nebst dessen tractat de impari matrimonio) gehabt hätten, andern Theils aber die Ehe des Ferdinandi wieder des Vaters Willen ungültig gewesen, wo nicht lächerlich, doch ziemlich impertinent, zumahlen da die von Piccarto angeführte Umstände das Gegentheil sattsam zeigen; zugeschweigen, daß auch des Feltmanns letzte replic nicht geschickt ist, daß Hertzogs Mevii Kinder daraus einen Trost schöpffen könten, weil ihr Herr Vater sich wieder seiner Fürstlichen Frau Matter Willen mit ihrer Mutter verheyrathet.
Auf die vierte Frage:
(QVAESTIO IV.)
Ob nicht dahero, und da des Printzen Mevii Durchl. so vielen Ihnen entgegen
stehenden rationibus und juribus nicht nachgeben, noch auch auf die viele ihnen
von andern Fürstlichen Höffen beschehe remon
|| [133]
strationes reflexion machen solte, die Römische Käyserliche
Majestät als Obrister Lehn-Herr dieses fêudi regalis majoris und
Reichs-Fürstenthums auf der beyden Fürstlichen Herren Gebrüdere und Agnaten
imploration befugt sey, ex plenitudine potestatis diese ungleiche Heyrath nach
den alten Teutschen Lehen-Rechten und Reichs-Gewohnheiten zu Aufrechthaltung des
Reichs-Fürsten-Standes pro matrimonio ad morganaticam zu declariren, und sowohl
der Mutter selbst, als denen aus solcher Ehe erzeugten Kindern ein erleidlich es
zum Unterhalt auszusetzen, mithin sie von praetendirten Fürstlichen tractament
und a successione feudali excludiren könne?
erachte ich vor recht:
Obwohl die meisten Doctores der Meynung sind, daß wenn gleich(RATIONES DUBITANDI PRO NEGATIVA.) zwischen
Fürstlichen Häusern gewisse pacta, in welchen die ungleichen Ehen pro
matrimoniis ad morganaticam declariret worden, getroffen und vollzogen wären,
dennoch selbige intuitu successorum für unzuläßlich, null und nichtig zu achten,
ja nicht einmahl ab Imperatore cum effectu confirmiret werden möchten.
JCti Helmstadienses in prolixo responso, quod refert & apptobat Strykius de diffensu sponsalitio Sect. 5. §. 75. ad §. 78. id quod approbare etiam videtur Ludolphus de jure foemin. illustr. sect. 1. §. 9. lit. aa. §. 24. Adde Feltmann de conjugio impari part. 3, cap. 3. n. 185. seq. cum pacta super feudis antiquis liberis non obsint
per leges & Dd. alleg. a Feltmanno. d. part. 3. cap. 2. n. 3. seq. und aus diesen principiis von sich selbst zu folgen scheinet, daß auch Käyserliche Majestät die Kinder des Hertzogs Mevii nicht vor Lehensunfähig, noch dieses matrimonium pro matrimonio ad morganaticam declatiren könne, zumahlen da eigentlich diejenigen Ehen nur matrimonia ad morganaticam genennet werden, wenn der Ehemann mit dem Eheweibe von ungleichen Stande selbst wegen der ungleichen succession pacta gemacht hat
2. Feud. 26. & ibi Dd. Dieweil aber dennoch die dissentientes eines Theils sich auf die bey(RESPONSIO ADEAS.) der ersten Frage allbereit refutirten rationes hauptsächlich gründen, nemlich daß die ungleiche Ehe eine wahre Ehe sey, daß nach Römischen Recht das Weib des Mannes Stand erlange, und die Kinder nach des Vaters Stande geschätzet werden müsten, daß dergleichen Ehen communi consuetudine recipiret wären, u. s. w. theils aber in specie de conjugio principis cum virgine nobili ihre Haupt-rationes verstanden wissen wollen,
|| [134]
Strykius d. l. §. 77. p. 278. n. 1. & 2. und folglich ihr assertum auf die Ehen mit unadelichen und geringeren Weibs-Personen von Bürgers-Stande nicht zu extendiren ist, und ferner was die Lehn-Rechte de pactis parentum in feudis antiquis, quod ea non obsint liberis etwa disponiren, de talibus pactis, quae (RATIONES DECIDENDI.) repugnant juri communi zu verstehen ist, hingegen aber oben gezeiget worden, daß nach gemeinen uhralten Teutschen Gewohnheiten dergleichen Kinder etiam citra pactum patris ad morganaticam, oder citra pacta principum agnatorum nicht Lehensfähig sind; und Käyserliche Majestät, wenn sie nach dem vorhabenden Petito derer Fürstlichen Herren Agnaten über diese Sache cognosciren und sprechen solten, nichts thun würden, als daß sie offenbahr irrige und denen alten Teutschen Lehn-Rechten zuwieder lauffende Meynungen, der auf die alte Teutschen jura ohne Ursach erbitterten, oder derselben gantz unwissenden und Bürgerlichen Schul-Doctorum, wie dermahleins höchstnöthig, verwerffen, mithin aber die alten Teutschen löblichen jura und Gewohnheiten (die von Gelehrten Standes-Personen, und fürnemlich von dem berühmten Herrn von Seckendorff
Parte 2. des Fürsten-Staats cap. 7. n. 26. p. 159. Nach alten Herkommen des Teutschlan des verheyrathen sich die Teutschen Fürsten und vornehmen Reichs-Graffen an keine andere Person / als welche aus Fürstlichen / Gräfflichen oder demselben gleich geachteten Geschlecht, welches zumahl im Reich bekannt / und etwa auch dem Landes-Fürsten / der da heyrathet / nicht unterworffen oder Landsäßig wäre / gebohren ist / und sind Exempel anzuziehen / daß im Fall eine Fürstliche und hohe Person es hierinnen anders gehalten / und an eine gemeine von Adel oder bürgerlichen Standes sich vermählet / es ihnen nicht allein zur bösen Nachrede gereichet / sondern auch denen also erzielten Kindern ihr Stand und Recht zur Landes-Regierung sehr beschnitten / auch wohl aberkannt / oder sie mit geringern Gütern abgewiesen worden etc. gar wohl und rühmlich erkannt worden) würden bekräftigen, bekannt machen, und aus der Verdunckelung wieder an das Licht bringen; auch aus diesen und andern Ursachen Seine Käyserliche Majestät vor wenigen Jahren dergleichen Spruch, da der Printz von Anhalt-Bernburg, auf gleiche Weise, wie in gegenwärtigem casu geschehen, mit einer geringen Weibes-Person ohne des Herrn Vaters Willen sich verheyrathet, praecedente causae cognitione ergehen lassen; ferner bey vorgesetzten Umständen kein vernünfftiger Mensch an der Befugnüß allerhöchst-gedachter Seiner Käyserlichen Majestätt zweiffeln wird, noch sich daran zu zweiffeln unterstehen darff, immassen er sonsten sich in die augenscheinlichste
|| [135]
Leib- und
Lebens-Gefahr begeben würde, auch die Liebhaber des Justinianeischen Rechts
solches umb desto weniger zu leugnen Ursache haben könten, je deutlicher
dergleichen in selbigen pro reis criminis sacrilegii declariret werden
Per verba clara l. 3. C. de crimine sacrilcgii: Disputare de principis judicio non oportet: Sacrilegii enim instar est, dubitare an is dignus sit, quem elegerit Imperator. indem ja, weil dignus & indignus correlata & opposita sind, eben die raison dieses legis auf diejenigen zu appliciren ist, qui dubitant, an indignus sit, quem Imperator, inprimis causa cognita, rejecerit, & indignum judicaverit; im übrigen aber was in rationibus dubitandi von der forma matrimonii ad morganaticam stricte sic dicti erinnert worden, niemand entgegen, indem de forma allhier nicht die Frage ist, sondern bey vorkommender Benennung des matrimonii ad morganaticam nur auf dessen effect und Würckung reflectiret wird, cujus, secundum notissimam regulam primae philosophiae, etiam plurcs possunt esse causae: So halte ich dafür, daß die Römische Käyserliche Majestät(DECISIO PRO AFFIRMATIVA.) wohl befugt, auf imploration der beyden Fürstlichen Herren Gebrüder und Agnaten, die zwischen Hertzog Mevio und seiner Ehefrauen getroffene Heyrath, ratione effectus pro matrimonio ad morganaticam zu declariren, und sowohl der Persohn selbst, als denen aus solcher Ehe erzeugten Kindern ein erleidliches zum Unterhalt auszusetzen, und sie mithin von den praetendirten Fürstlichen Tractament und a successione feudali zu excludiren. Alles von Rechts wegen. §. IIX. Eine andre Frage, die aber mit der vorigen eine ziemliche(Beantwortung einer andern Frage: Ob bey den Teutschen die Mütter ihren Stand auf alle ihre Kinder fort pflantzen.) Verwandschafft hat, ist diejenige: Ob der Fürstliche, Gräffliche, Adeliche Stand auch auf die Kinder der Fürstlichen, Gräfflichen, Adelichen Dames fortgepflantzet werde, die sie mit Mannes-Persohnen von geringern Stande gezeuget haben? Sowohl die vergangene Geschichten, als auch die tägliche Erfahrung bezeuget so handgreiflich und augenscheinlich, daß nach denen Teutschen Gebräuchen und Herkommen auch diese Frage zu verneinen sey, daß man sich kaum einbilden kan, möglich zu seyn, daß jemahls ein JCtus das Gegentheil zu behaupten sich unterstehen könte. Gleichwie aber nichts so wunderlich und der gesunden Vernunfft so zuwieder erdacht werden kan, daß nicht zuweilen, ja wohl öffters in der Politischen Welt geschehen solte; Also ist auch in der so genannten Gelehrten Welt keine Meynung so abgeschmackt, die nicht zu
|| [136]
weilen, ja gar öffters von vielen
Gelehrten solte vorgetragen und vertheydiget werden: Derowegen ist nicht zu
verwundern, daß auch jemand zu unsern Zeiten sich gefunden / der als eine
ausgemachte und unzweiffelhaffte Sache bejahet; daß alle von Fürstlichen,
Gräfflichen, Adelichen Dames nicht nur in der Ehe mit geringern Manns-Persohnen,
sondern sogar auch ausser der Ehe gezeugte Kinder, gleichfalls für Fürsten und
Fürstinnen, Graffen und Gräffinnen, Herren und Fräulein u. s. w. bey denen
Teutschen müsten gehalten werden, wieder welche Meynung aber unvonnöthen ist,
etwas mehrers zu melden, nachdem der Herr Geheime Rath Gundling in einer Anno
1718. gehaltenen Disputation: An nobilitet Venter? dieselbe allbereit so
gründlich wiederleget, daß auch dawieder bishero nicht das geringste hat
repliciret werden können.
((Warnung für dem Vorurtheil der Ubereilung))
§. IX. Bey dieser Gelegenheit aber wird mir doch verhoffentlich vergönnet seyn,
junge studirende Leute treulich zu warnen, daß sie je eher je lieber in
Ausbesserung ihres Verstandes anfangen, nicht allein das schädliche praejudicium
autoritatis zu meiden, sondern auch das andre Haupt-praejudicium der Ubereilung,
oder praecipitantiae, (von welchen beyden ich in meiner Vernunfft-Lehre
ausführlich gehandelt) zu unterdrücken. Denn es ist eines so schädlich als das
andere, und wenn man nicht beyzeiten anfängt, diese zwey Haupt-Feinde der
Wahrheit zu befechten, so ist hernach keine Besserung zu hoffen. Zum wenigsten
habe ich nicht erlebet, daß unter hunderten, die dißfalls mit dieser Bestreitung
biß in das viertzigste Jahr gewartet hätten, auch nur zwey oder drey hernach was
wichtiges hätten praestiren können. Uber dieses, sind diejenigen, die allzusehr
an dem praejudicio autoritatis hangen, nicht so ridicul und unerträglich als
diejenigen, die durch das praejudicium praecipitantiae eingenommen, zwar an
keines andern Menschen, aber an ihrer eigenen autorität kleben bleiben; alle
andere neben sich verachten, sich und ihre Meynungen überall und zu allen Zeiten
sowohl mündlich als in Schrifften loben, und so handgreiflich zu verstehen
geben, daß sie der gäntzlichen Meynung seyn, es werde die Weisheit mit ihnen
ersterben, daß auch junge Leute, geschweige denn wahrhafftig-Gelehrte und
Erfahrne ihre Discurse und Schrifften nicht ohne den grösten Eckel anhören und
lesen können Ich will jungen Gemüthern nur diese kurtze, jedoch sensible Lehren
zu behertzigen geben. Alle Prahlerey ist ein recht lächerlicher Ehrgeitz. Wo
aber ein lächerlicher Ehrgeitz do
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miniret, da ist es unstreitig, daß nicht einmahl eine wahrhafftige Ambitio
passio dominans sey. Denn diese, ob sie gleich auch nicht lobwürdig ist, so ist
sie doch mit einem guten judicio vergesellschafftet. Aber Prahlerey hat ne micam
quidem judicii, sondern bestehet bloß in einer lächerlichen, oder auch nach
Gelegenheit Beweinungs-würdigen Einbildung. So wenig nun als auch junge Leute
sich wünschen würden an der Stelle eines armen rasenden Menschen zu seyn, der
kein gantz Kleid am Leibe hat, und in der äusersten Armuth stecket, der voller
Läuse, Geschwären und Krätze auf dem Miste sitzt, und sich dabey einbildet, als
ob er ein grosser Potentat sey, alle Vorübergehende für seine Diener und Sclaven
hält, auch daneben allezeit frölich und gutes Muths ist, dieweil seine rasende
Einbildung ihn diese thörichte Sachen beredet: so wenig sollen sich auch selbige
durch die falsche Einbildung solcher Prahlenden Gemüther verleiten lassen, ihrem
Exempel zu folgen, und in deren Fußstapffen zu treten.
§. X. Noch eine andere Frage: Ob denn dieses für ein unbetrügliches(Und noch einer andern Frage. Was davon zu halten sey;
Wenn Leute von bürgerlichen Stande Adeliche und noch höhern Standes Damen zu Verheyrathung mit ihnen
verleiten.) Kennzeichen einer wahren GOttesfurcht und Verachtung der
hoffärtigen Welt zu halten sey, wenn z. E. Leute von geringer, bürgerlichen und
dergleichen extraction sich bemühen, Adeliche, Gräffliche, Fürstliche Dames zu
heyrathen und zur Verehlichung mit ihnen zu bereden. Die Beantwortung dieser
Frage ist etwas delicat und kützlich, und ich weiß wohl, was zuweilen für
argumenta zu Bejahung derselben pflegen fürgebracht zu werden. Also will ich nur
dem unpartheyischen Leser zu überlegen geben, was auf folgende objection etwan
zu antworten sey. Denn als ich schon vor vielen Jahren mit dem scharffsinnigen
Königlichen Preußischen Geheimen Rath und Cantzler bey der Magdeburgischen
Regierung, Herrn Gottfried von Jena über dieser Materie einmahl in Discurs
verfiel, und nach meinem damahligen Zustand dergleichen Ehen nach Vermögen
vertheidigte, hörete er mich mit grosser Gelassenheit an, und ließ mich völlig
ausreden. Hernach sprach er gantz glimpflich zu mir: Er häte mich, ich möchte
ihm doch eine vernünfftige Ursach geben, wenn dergleichen ungleiche Ehen ein
unfehlbahres oder doch nur wahrscheinliches Zeichen einer wahren Gelassenheit
und Verachung der eitelen Ehre der Welt seyn solten, wie es doch käme, daß NB.
dergleichen Manns-Personen (denn ausser denenselben bescheidete er sich, daß es
auch genug Exempel von dem, das er jetzo erwehnen wolte, geben möchte) sich nur
bemüheten, vornehmere Damen als ihr geringer Stand wäre, zu heyrathen, und warum
sie nicht auch zu Be
|| [138]
zeugung der
Verachtung der eitelen Welt. Ehre, geringere Menschen, zum Exempel Mägde, oder
gar von andern Geschwächte heyratheten? Ich bin ihm aber die Antwort schuldig
blieben, ob ich schon mich sonst äuserst bemühete, eine vernünfftige zu finden.
Und wird mir dannenhero lieb seyn, wenn von andern eine nachdrückliche Antwort
noch erfunden werden möchte.
§. I.
(Exempel einer neuen Proceß Ordnung geschwindes Recht zu
ertheilen)
ES sind billich alle diejenige zu loben, die nicht alleine das allgemeine Elend
der in unserem Teutschland überall im Schwang gehenden Aufhaltung der
administration der Justiz zu Hertzen nehmen, sondern auch zugleich auf Mittel
und Wege bedacht sind, wie diesem Ubel abzuhelffen und die promte administration
wieder in Schwang gebracht werde. Und in diesem Ansehen hatten auch in einer
gewissen Graffschafft die Herren Cantzeley-Director und Räthe Anno 1717. im
Anfang des Jahrs eine neue Proceß-Ordnung aufgesetzt, folgenden Inhalts:
Wir N. N. &c. Thun kund und zu wissen, demnach die Erfahrung bezeuget,
was vor Schaden und Unheil aus den langwierigen Processen und darbey
vorlaufenden Aufzügen entstehet, und daß mancher Unterthane dadurch gantz
ruiniret, und in äusserste Armuth gebracht wird, ein solches aber hauptfächlich
daher rühret, wann der Richter an gewisse Formalitäten, die doch zu Erfahrung
der Wahrheit eben nicht nöthig, oder an gewisse allzugeraume Termine gebunden
ist, hergegen denen Partheyen und Advocaten allerhand Aufzüge zu machen, und
sonderlich die Klage und anders wieder besser Wissen und Gewissen zu leugnen,
ungestrafft hingehet. Und Wir dann in unsern Gewissen uns gedrungen finden,
solchem Unheil soviel möglich abzuhelffen, und unsern Unterthanen promte justiz
administriren zu lassen, so haben Wir auf auswertiger vortrefflicher und der
Rechten kundiger Gelehrten eingeholtes Gutachten hiermit und Krafft dieses
verordnet, daß
1) Alle Processus hinführo fummarisch sollen geführet, und dabey nur dasjenige,
was zu Erforschung der Wahrheit nöthig, beobachtet, jedoch die Partheyen gnugsam
gehöret, und nicht übereilet werdensollen, solchem nach soll
|| [139]
2) Der Kläger seine Klage, es sey in Form eines Libells, oder simplicis
Narrationis vorbringen, die Documenta, wordurch er seine Klage beweisen will, in
Copia mit Erbieten dieselbe in Termino in Originalibus zu produciren, beylegen,
oder sich zum Beweißthum durch Zeugen off oder den Eyd deferiren.
3) Darauf soll der Judex Termin zum gütlichen Vergleich, oder in dessen
Entstehung, zu rechtlicher Entscheidung, mit communication der Klage und deren
Beylagen ansetzen, und
4) In Termino auf alle mögliche Weise einen Vergleich (wenn gleich der Termin
nicht darzu angesetzet wäre) tentiren. In dessen Entstehung aber entweder so
gleich nach vorhergegangener agnition oder eydlichen Diffession derer
Documentorum, wenn einige produciret worden, einen Bescheid, es sey nun ein
definitiv, oder ein Interlocut, zu Benennung derer Zeugen, oder wenn sie bereits
benennet sind (massen der Richter partes darum befragen soll) zu deren Abhörung,
oder doch zu Exhibition deren Beweiß-Artickuln, oder zu Abstattung des de-oder
referirten Eydes, oder zu Beybringung und Bescheinigung des Beklagten
exceptionen &c. fassen, und denselben eodem vel alio die publiciren,
oder aber der Sachen Wichtigkeit nach, vorhero partes rechtlich verfahren
lassen; dabey aber vor allen Dingen dahin sehen, daß der Beklagte auf die Klage
deutlich, und zwar auf jeden punct, obwohl nicht solen ni litis contestatione
antworte, und die communicirte und nun in Originalibus producirte documenta
agnoscire, oder zur eydlichen Diffession, oder wenn ein Eyd deferiret, zu dessen
Abstattung sich erbiethe, oder den Eyd referire, sodann alle seine Exceptiones
opponire. Darauf dann ein Bescheid eodem vel alio die abzufassen, und zu
publiciren, oder in vim publicati denen Partheyen zuzuschicken. Es soll auch
5) Solch Verfahren und Antworten eodem die und ohne Gestattung des bisher
mißbrauchten Septidui geschehen / es sey denn, daß der Richter dasselbe
zuzulassen erhebliche Ursachen fände, welchenfalls er aber, nachdem der Beklagte
dupliciret, ohne weitere Citation einen Bescheid abfassen, und denselben denen
Partheyen in vim publicationis zuschicken soll.
6) In solchen Bescheid soll Judex sich des officii suppletorii, so weit es in
Rechten gegründet ist, gebrauchen, und entweder dem Beklagten, wenn er nicht
deutlich auf ieden Punct geantwortet, eine deutlichere Antwort sub poena
confessi & convicti auferleget, und er dabenebenst (wo nicht wichtige
Ursachen ihn entschuldigten) in die Unkosten dieses Termins condemniret, oder
wenn er die Documenta nicht agnosciret, noch zur eydlichen Diffesion sich
erbothen hätte, dieselbe pro recognitis gehalten, wenn er sie aber
recognosciret, jedoch seine Exceptiones dargegen reserviret hat, zu deren
Bescheinigung oder Beweis, oder wenn ein Eyd deoder referiret wäre, zu dessen
Abstattung, oder endlich wenn der Beweis durch Zeugen zuführen, zu deren
denomination und Exhibition derer Beweis-Artickuln
|| [140]
falls aber bereits in Termino
Zeugen denominiret worden, zu deren summarischen Abhörung, oder da es nöthig, zu
Beybringung derer Beweis-Artickuln Terminus angesetzt werden.
7) Wann Beklagter seine Exceptiones gegen die Documenta beweisen soll, so hat er
eben das, was von Klägern oben §. 2. gesagt ist, in acht zu nehmen.
8) So bald Kläger Beweis-Artickul beygebracht, sollen dieselbe dem Beklagten
nicht nur zu Formirung derer Interrogatorie̅, sondern auch
allenfalls seine Articulos reprobatorios binnen eben solchem Termino
einzubringen, communiciret / darauf ein kurtzer praeclusivischer Terminus zu
Producirung bey derseits Zeugen angesetzet, und Klägern die
reprobatorial-Articul, um, da er will, Interrogatoria in Termino zu übergeben,
communiciret werden.
9) Wann auch der Beklagte einige Reconvention gegen den Kläger anzustellen
gemeinet wäre, soll er solches in primo termino melden, und binnen drey Wochen
hernach seine Documenta beylegen, oder Zeugen denominiren, oder den Eyd
deferiren, demnechst zur Agnition derer Documenten, oder Abhörung derer Zeugen,
oder Abstattung des Eydes, jedoch cum clausula: Es wäre denn, daß Kläger dem
Beklagten den Eyd referiren wolte, Terminus angesetzet, und in Conventione
& Reconventione pari passu gehandelt werden. Ingleichen soll
10) Beweiß und Gegen-Beweiß pari passu geführet werden.
11) So bald die Zeugen verhöret sind, soll deren Aussage entweder in Termino
productionis oder 8 Tage hernach publiciret werden.
12) Nach publicirten Attestatis Testium sollen keine Disputationes über der
Zeugen Aussage admittiret werden, jedoch stehet denen Partheyen frey, binnen
drey Wochen ihre etwahige Erinnerungen ratione Personarum & Attestatorum
Testium beyzubringen, da dann, wie auch sonst dem Richter frey stehet, ein oder
andere Schrifft-Wechselung zugestatten. Sonst soll so gleich nach denen drey
Wochen ein Bescheid gefasset, und zu dessen Publication Terminus angesetzet,
oder gestalten Sachen nach, die Acta verschickt werden.
13) Termine soll der Richter nach seinem Gutfinden, jedoch nicht zu kurtz setzen,
und an statt der Sächs. Frist ein Terminus legalis, wenn der Judex keinen andern
praefigiret hat, von drey Wochen seyn, auch von dem Judice niemahls ohne
erhebliche und bescheinigte Ursache prorogiret, auch wenn der Terminus vorbey,
in contumaciam verfahren werden.
14) Demnach man auch wahrgenommen, daß unter andern auch folgende Puncte die
promte Administration der Justiz verhindert, und sonst unbillig seyn, wenn 1)
der Judex nicht, so offt ers nöthig findet, partes ex officio citiren kan, 2)
daß derjenige, so einen Eyd zu leisten, sich binnen gewisser Zeit sub poena
desertionis darzu offeriren soll, 3) daß der Kläger seine Documenta, ob er
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sie gleich ante litis
contestationem oder responsionem rei produciret hat, dennoch bey Verlust der
Sache sie wiederum reproduciren muß. 4) Wann der Judex zur Publication eines
jeden Interlocuts, z. E. darinn die Einlassung anbefohlen wird, partes citiren
muß, 5) Wann in processu executivo dem Judici nicht solte freystehen, delationem
juramenti zu admittiren, oder selbst das Suppletorium oder purgatorium zu
injungiren. 6) Wann in solchen Sachen, da die Partheyen einig sind, als super
recognitione Documentorum ohnnöthiger Weise Bescheid abgefasset wird, 7) Wann
die temere litigantes nicht gestraffet, auch wohl gar nicht in die Unkosten
condemniret, oder sonst das unwahrhaffte Vorgeben oder Leugnen derer Partheyen
und Advocaten nicht gestraffet werden: So verordnen Wir hiermit, und wollen, daß
obspecificirte Impedimenta und Inconvenientien abgeschaffet, und soviel den 1,
4, 5, 6 Punct anlanget, dem Judici nach Befinden zu verfahren nachgelassen seyn
soll. Was ader den 7 betrifft, sollen die temere litigantes allerdings mit
arbitrarischer Straffe belegt, und allemahl die Parthey, so verlieret, in die
Unkosten condemniret, ein jedes unwahrhafftes Vorgeben oder Leugnen aber, mit 1.
2. 5. und mehr Gülden ohnnach läßig bestraffet werden, der Beklagte aber, so die
Klage leugnet, und nachmahls überführet wird, daß ers gewust, die libellirte
Post doppelt bezahlen, auch der Advocat, so ihn darzu instigiret, oder die
Wahrheit zu sagen nicht ermahnet hat, halb so viel erlegen. Weil
15) Die Erfahrung giebt, daß das Summarissimum bisweilen sehr mißbraucht wird, so
wollen wir, daß hinkünfftig dasselbe nur alsdenn, wenn periculum armorum oder in
mora obhanden, statt haben solle.
16) Im übrigen lassen wir es so wohl in erster Instanz, als bey Leuterungen und
Appellationen bey dem in hiesigem Gerichte recipirten modo procedendi, nur daß
durchgehends die Termini (ausser denen fatalibus interponendae in des Judicis
arbitrio stehen, und wenn er keinen angesetzt, der legalis von drey Wochen seyn,
auch der Leuterant in casum Succumbentiae eine Summe Geldes a 5,10, 20 und mehr
Reichsthaler deponiren soll, welches letztere jedoch in des Judicis arbitrio
stehet, und die arme Partheyen, die solche Gelder nicht aufbringen können, und
gleichwohl probabilem leuterandi causam haben, dennoch zu zulassen sind. Weil
aber
17) Alle Verordnungen nicht hinlänglich sind, allen Künsteleyen und Boßheiten der
Menschen, die GOtt nicht fürchten, zu begegnen, woferne sie nicht selbst zum
Guten incliniren, So wollen wir nicht allein 1) Unsere Gerichte mit redlichen
und solchen Personen, die den allgegenwärtigen und allwissenden Gott wahrhafftig
fürchten, besetzen, sondern auch verordnen, daß 2) die Unterthanen zum öfftern
in denen Predigten und Catechisationen von Processen abgemahnet, und daß sie
lieber von
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ihrem Recht etwas
nachgeben solten, unterrichtet werden. Ferner 3) sollen diejenige, so von Unsern
Unterthanen Jura studiren wollen, ehe sie auf Universitäten gehen, sich bey
Unserer Regierung angeben, und daselbst eine Anleitung empfangen, wie sie ihr
Studium Juris anfangen und prosequiren sollen, damit sie nicht sich allein auf
die jura legen; sondern auch vornehmlich die Heilige Schrifft studiren, ihre
Affecten bezwingen lernen, mithin wenn sie dermahleinst Richter oder Advocaten
abgeben solten, redlich dargehen, und nicht aus Eigennutz und Geld-Geitz die
Justiz verdrehen oder protrahiren; darbey wir dann 4) diejenige Advocaten, so
ihre Partheyen zum gütlichen Vergleich bringen, Unserer Gnade und aller
Beförderung versichern, und soll denenselben solchenfalls ihre Mühe höher, als
wenn sie Process geführet hätten, belohnet, und von denen Partheyen bezahlet
werden, diejenigen aber, so ohnnöthige Weitläufftigkeit machen, sollen
empfindlich gestrafft werden.
Befehlen darauf Unseren Cantzley-Directori und Räthen auf diese Unsere Verordnung
bey Unsern Gerichten ernstlich zu halten, und weder selbst dargegen zu handeln,
noch daß es durch andere geschehe, geschehen zu lassen.
(Begehrung unsers Bedenckens hierüber.)
§. II. Gleichwie aber der Herr Concipient dieser Ordnung darinnen klüglich
gehandelt hatte, daß er bald anfangs derselben sich vorgesetzet, vor dero
publicirung anderer der Rechten-kundigen Gelehrten ihr Gutachten einzuhohlen;
also war unsere Facultät Ihm deßhalben nicht wenig obligirt, daß er dißfalls bey
derselben den Anfang machen wollen, in einem den 2. Januarii datirten und den
14. ejusdem uns praesentirten Schreiben.
Demnach auf Befehl Unsers Gnädigsten Grafens und Herrns beygehende Verordnung von
Abkürtzung der Processe aufgesetzet worden, so hat man dieselbe Unsern
Hochgeehrtesten Herrn um deswillen communiciren, und dero erleuchtetes Gutachten
darüber ausbitten wollen, weil man versichert ist, daß dieselbe vor andern
Universitäten den Schaden, so aus dem gewöhnlichen modo procedendi entstehet,
einsehen, und nach der deßfalls ergangenen höchst-rühmlichen Verordnung Seiner
Königlichen Majestät in Preussen ohne Zweifel viele gute Consilia werden
zusammen gebracht haben. Ersuchen also dieselben hierdurch gantz dienstlich,
nicht allein dieses Concept mit Fleiß durchzugehen, und was zu ändern oder zu
verbessern seyn möchte, zu moniren, sondern auch, wie etwa ein anders und
bessers aufzusetzen, an Hand zu geben. Diese zum Heyl vieler Menschen
anzuwendende Bemühung werden Unsers Gnädigsten Herrn Hochgräffliche Gnade,
sowohl als wir mit geziemenden Danck erkennen, und was pro honorario erfordert
wird, soll gleich abgestattet werden, und verbleiben zu freundlichen Diensten
willig.
(Des Autoris vor-)
§. III. So bald ich diese neue Ordnung empfangen, lase ich dieselbe mit grossem
Verlangen und Begierde durch, zumahl da ich schon
|| [143]
damals im Begriff war, meine am 18.
Martii darauf gehaltene disputation(läuffiges votum darüber.) auszuarbeiten, in welcher ich
mich bemühet, ausführlich und deutlich darzuthun, daß die Ausbesserung des
langweiligen Justiz-Wesens zwar weder leichte noch unmöglich, indessen aber sehr
schwer sey, und mit grosser Behutsamkeit vorgenommen werden müsse; Dieweil ich
aber mich bemühet hatte, in besagter disputation, die vor anderthalb hundert
Jahren biß zu unserer Zeit gegebene Consilia vieler Juristen von allerhand
Schrot und Korne, theils zu excerpiren, theils so deutlich als möglich, derer
Unzulänglichkeit oder impracticabilität, u zugleich den Hauptsatz meiner
disputation aus diesen gegebenen consiliis zu beweisen; so wurde ich noch mehr
in dieser meiner Meynung durch die Durchlesung dieser uns geschickten neuen
Ordnung bestärcket. Und dannenhero gieng mein vorläuffiges judicium privatum und
votum dahin, daß zwar, wie allbereit erwehnet, die intention derselben sehr gut
sey, es sey aber doch dem unerachtet zu befahren, daß der hierbey intendirte
Zweck wohl schwerlich erhalten werden dürffte, indem nicht alleine viele aus
denen votis singulorum zu colligirende, und in dem begehrten responso zu
specificirende Ursachen dieses riethen, sondern auch noch zur Zeit allerdings
ohnmöglich sey, die bißherige Langwierigkeit der Processe 1) im Teutschen Reich,
2) wenn gleich ein sehr mächtiger Reichs-Stand sich dessen unterfienge, 3) durch
eine zu verfertigende neue Proceß-Ordnung, und wenn sie 4) noch so bedächtig und
scharffsinnig aufgesetzet würde, 5) ohne handgreifflichen Schaden der gemeinen
Wohlfahrt 6) so geschwinde und auf einmahl zu heben.
§. IV. Dieweil aber der sonderliche Zustand des in dieser Sache(Absonderliche vota seiner
übrigen Herren Collegen.) von uns begehrten
responsi erforderte, daß ich ante plenam relationem den Aufsatz der neuen
Ordnung einem jeden von meinen Herren Collegen insonderheit durchzulesen
zustellen müste; als truge ich in dem nechsten Convent die Sache vor, nebst
Vermeldung meines praeliminar voti, nebst Bitte, demselben unerachtet mir ihre
offenhertzige Meynung von der Sache, nemlich ob und was sie etwan bey dem
Aufsatz zu erinnern hätten, kurtz und gut, jedoch schrifftlich mitzutheilen,
damit hernach in pleno ferner ein allgemeines conclusum darüber gemacht werden
könte. Nun bescheide ich mich wohl, daß ich nach der gemeinen Natur aller
collegiorum verbunden bin, nicht aus der Schule zu schwatzen, und die vota
particularia nicht zu verrathen. Dieweil ich aber auch dem publico für nützlich
achte, daß ich jederman zeige, daß das von mir elaborirte responsum nicht meine
eigene Erfindung, sondern ein einmüthi
|| [144]
ger Schluß des gantzen Collegii sey; so habe ich dafür gehalten, es werde
meiner allgemeinen Verpflichtung und unsern statutis kein Abbruch geschehen,
wenn ich eines theils die vota singulorum dem geneigten Leser ohne Benennung der
Herren Autorum vor Augen legte, andern theils aber auch in recensirung derselben
den gewöhnlichen Rang und Ordnung in unserer Facultät (absque tamen praejudicio)
nicht beobachtete, sondern gleichsam wie aus einem Glücks-Topf dieselben eines
nach dem andern ergriffe. Das erste votum nun, das mir unter die Hände fället,
stellet kurtz vor, was der Herr Autor desselbigen an diesem und jenem paragrapho
der Proceß-Ordnung quaestionis desiderire, ohne daß es dem Herrn Autori
beliebet, in genere etwas zu melden, was seine Gedancken von Verkürtzung der
Processe seyn möchten.
Ad §. 1.
Bey dem ersten Articul der überschickten Proceß-Ordnung finde zu erinnern, daß
die Advocaten und Richter mit der Zeit disputiren werden, was zur Erforschung
der Wahrheit und also zum summarischen Proceß gehöre, wenn selbiger nicht erst
deutlicher beschrieben wird.
Ad §. 8.
Wann die Processe summarisch geführet werden sollen, so sehe ich nicht, warum
über den Beweiß-Articuln jederzeit Interrogatoria zugelassen worden, da bekannt,
daß man dadurch sowohl die Zeugen als den Richter meistentheils zu verwirren
suche; auch sonsten in processu summario die interrogatoria cessiren.
Ad §. 9.
Wenn der Processe weniger werden sollen, so hielte ich für rathsam, daß man die
Reconvention erst finita conventione anstellte; alsdenn würde mancher mit seiner
affectirten reconvention wegbleiben, und die conventio bald aus werden. Und ob
zwar gesaget werden könte, hier, wo die caussa reconventionis cum conventione
geführet würde, seye ein Proceß, dort würden zwey daraus; so halte ich doch
dafür, daß die Deutlichkeit und bessere Ordnung solche moram compensiren oder
vielleicht cum lucro ersetzen würde. Wozu noch kommet, daß wer in conventione
verspielet, sich wohl propter expensas besinnen werde, die reconvention, wenn er
nicht klar fundirt, anzustellen.
Ad §. 12.
Hierbey ist bedencklich, daß gar keine Disputir-Gesetze sollen zugelassen werden,
hernach aber, daß doch nach einigen Umbständen so wohl wieder der Zeugen Person
als deren Aussage Schrifften mögen zugelassen werden. Das erste kan nicht
absolute bestehen, weil der Richter offt über ein und andere circumstanz aus
solchen Gesetzen eclairciret wird. Uber die Zulassung der Schrifften aber werden
sich neue
|| [145]
Schwierigkeiten zeugen,
immassen ein ieder leichtlich scheinbahre Ursachen anzugeben wissen wird, warum
er erst wieder der Zeugen Person und Aussage annoch wolle gehöret seyn. Dieses
Gezäncke aber wird alsdenn länger dauren, als die Disputations-Gesetze selbsten,
absonderlich wenn in der Proceß-Ordnung die Anzahl der Gesetze, item das fatale
determinirt würde, in welchem die Disputir-Gesetze vollführet werden sollen.
Ad §. 14.
N. 2.) Wann ich den Concipienten recht verstehe, so will er kein fatale
oblationis ad juramentum praeclusivum haben. Dadurch aber wird der Proceß länger
werden, und der saumselige seine declaration und oblation immer anstehen lassen,
weil er weiß, daß er dadurch nicht könne praecludirt werden.
N. 3.) Ich sehe nicht was reproductio documentrum vor Schaden thun könne, wann
einmahl solches die Partheyen wissen. Dann obzwar solche reproductio superflua
scheinet, weil schon dieproductio geschehen, so ist doch bekand, daß man die
documenta nicht forne bey der Klage, sondern bey dem Beweiß und Gegen-Beweiß
suche, auch nicht klar, ob sich der Kläger annoch solcher documentorum bedienen
wolle, und in quibus passibus. Die Richter selbst übersehen auch leicht die
documenta und deren vim probandi, wenn sie nicht convenienti loco stehen; Ja,
gleichwie dasjenige, was bey der litis contestation von dem Beweiß und
Gegen-Beweiß angehänget wird, nicht zu attendiren: also hielte ich dafür, daß
die zur Unzeit geschene Productio documentorum gleichfalls nicht in Betrachtung
zu ziehen sey.
N. 5.) Juramenti delatio hat deßwegen in Processu executivo nicht statt, weil
dadurch dem Richter die Sache nicht vor die Augen auf einmahl geleget wird. Es
ist diese cerebrina aequitas dem fini und der essenz des Processus Executivi
zuwieder. Darum muß entweder gar kein Unterscheid inter Processum executivum
& ordinarium gemachet werden, oder es muß die Eydes Delation und
impositio Juramenti ex officio wegfallen.
N. 7.) Daß der verliehret, soll gestraffet werden, ist deßwegen nicht absolute zu
behaupten, weil die Urtheile fatal, und sorti ähnlich, caussa saepe dubia,
Doctores in ihren Meynungen uneinig und die Responsa und Decisa bekandter massen
wiedereinander lauffen.
Ad §. 17.
Sind pia desideria, welche in abstracto fürtreflich klingen, in concreto aber
Wind sind.
Letzlich wird zu bedencken seyn, ob im gantzen Lande solche gescheide und promte
Richter, als diese Ordnung verlanget, zu finden?
|| [146]
In dem andern voto hatte dem Herrn Autori beliebet, nicht sowohl bey der Proceß-Ordnung selbst wieder das jenige, was darinne̅ gesetzt worden, etwas zu erinnern, als etliche defecte anzumercken, so darinnen ausgelassen worden und doch zur Verkürtzung der Processe ihm nöthig zu seyn scheinen. In dem communicirten Gräflichen Aufsatz, die Abkürtzung derer Processen betreffend, ist anfänglich wohlgesetzet, daß der Proeeß summarisch geführet, und der Kläger seine Klage ohne alle Zierlichkeit verfertigen, auch hernach ferner aufs kürtzeste verfahren werden solle. Ich defiderire aber bey diesen allen, daß 1. nichts sonderliches von der Legitimation verordnet, worüber gleichwohl der Proceß viele Jahre trainiret wird, ehe solcher Punct zur Richtigkeit kommet; 2. keine Straffe darauff gesetzet, wann beklagter malitiose litem negative contestirt. 3. Wegen denen zugebenden Dilationen keine nachdrückliche Versehung gethan, sondern dem arbitrio judicis überlassen. 4. Wegen der Beneficiorum suspensivorum alles in vorigen Stande gelassen 5. Wegen Beschleinigung der Executionum rei judicatae keine ernstliche Verfügung geschehen. Andere zu bemerckende Dinge vorietzo zugeschweigen; absonderlich was den gantzen schrifflichen Proceß betrifft, bey dessen Beybehaltung die Processe so leicht nicht abgekürtzet werden können. Salvo rectius sentientium judicio.
Das dritte votum zeiget zwar en general die Ursache an, warum der Herr Autor die an uns geschickte neue Ordnung nicht approbiren könne, hält aber aus gewissen Ursachen seine eigene Gedancken, wie dem Ubel der Processe zu begegnen sey, annoch zurücke. Weil aber dem gemeinen Wesen ein vieles dran gelegen, daß dieselben ferner nicht verheelet werden, als will ich hiermit den Herrn Autorem gebührend ersuchen, solche nunmehro ie eher ie lieber zu entdecken. Obwohl das Elend der verderblichen Processe in Teutschland am Tage lieget, so ist doch diesem Ubel durch eine melange der Päbstlichen Ordnunge und der natürlichen oder civil Rechten nicht zu helffen, sondern es müste ein gantz anderer modus suum cuique tribuendi eingeführet werden, wovon ich ein Project an Ihro Majestät, Unsern Allergnädigsten König allerunterthänigst übergeben, welches ich ohne special concession andern noch nicht communiciren mag. Das beygehende Project aber würde vielmehr schädlich als nützlich seyn, indem darinnen des judicis arbitrio mehrentheils alles anheim gelassen und also zu casibus pro amico grosse Anlaß gegeben wird, welche nicht unrecht von dem berühmten Bachovio casus pro diabolo genennet werden, worüber mehr Streit erreget, als gutes dadurch geschaffet werden würde. Wie aber sonst dem Ubel der Processe zu begegnen, solches soll ob GOtt will, von mir nechstens gezeuget werden.
|| [147]
Das vierte votum berühret zwar die neue Proceß-Ordnung nicht von paragrapho zu
paragrapho, es zeiget aber doch dabey unterschiedene merckwürdige desiderata bey
derselbigen kurtz und deutlich an.
Der Herr Concipient hat überhaupt eine gute Intention in dem Entwurff blicken
lassen, gleichwohl remarquire ich diß dabey, deß er 1) alle Processe summarisch
tractiret haben will, welches ohne Zweiffel in oppositione Processus Saxonici
solennis zu verstehen, da denn meines Erachtens nöhtig geweson, die differenz
unter diesem und jenem Proceß deutlicher zu weisen. 2) Lässet der Concipient das
meiste fast ankommen, auf arbitrium judicis, welches zwar, wofern der Richter
gewissenhafft und verständig ist, nicht zu tadeln, weilen aber solche nicht auf
allem Bäumen wachsen, kan dieses mehr der Justiz schaden als dieselbe befördern.
3) Indem man alles so genau einschräncken und verkürtzen will, auch deßwegen die
gantze Ordnung mit kurtzen und nicht gar zu deutlichen Worten abgefasset,
befürchte ich, daß man Gelegenheit zu vielem disputiren geben wird, und wäre
meines Erachtens besser gewesen, wenn man nur in der alten Proceß-Ordnung das
nöthigste, so wegbleiben kan, geändert, und die apices processus juris Saxonici
gehoben e. g. die bey der Eydes-Delation vorkommende Subtilitaeten, ferner, daß
wenn einer sein Gewissen mit Beweiß vertreten wolle, so fort nach dem Beweiß die
Urtheil, posthabito juramento einzurichten etc. 4) Sind noch viele subterfugia
übrig, unter welchen die advocati den Proceß verlängern können, absonderlich daß
man die remedia suspensiva nicht gehemmet, und restringirt, welche am meisten
den Proceß verlängern etc. 5) Wird bey den Unter-Gerichten, wo nicht allemahl
gute und gescheidte Richter sind, vorzubauen seyn, daß diese Ordnung, wie sie
hier verfasset, nicht mehr confusion als Verkürtzung der Processe operire und
dahero die appellationes vermehre und lites ex litibus progenerire. Salvo
meliori.
Das fünffte votum mercket nicht allein das vornehmste momentum an, was der Herr
Autor bey der gantzen neuen Ordnung zu desideriren habe; sondern es werden auch
bey ieden paragrapho derselben kurtze monita beygefüget.
Nachdeme ich die projectirte Verbesserung der Processe gelesen, finde ich
überhaupt, daß ie freyere Hände man dem Richter hierinnen lässet, und von dem
alten abgehet; iemehr Gewalt hat derselbe, wenn er will, die Sachen zu drehen
und den Partheyen Tort zu thun, einer zu favorisiren, und die andere
unterzudrucken. Und wer will allen Richtern ansehen, ob sie redliche und
wiedergebohrne Leute seyn, multi videntur & non sunt. Wie ich denn
allezeit der Meynung bin, daß der Richter ihre Boßheit und Ubereilung der
Partheyen zu der so behutsamen und etwas langsamen Proceß-Ordnung Anlaß gegeben.
Und bey solchen Umständen dürfften gar wenig paragraphi bleiben, da meinem
Urtheil nach nicht zu besorgen, daß man in alterum extre
|| [148]
mum verfalle, und die Leute honesta
concussione überfallen und übereilen lasse. Ad §. 1.) Auch in ordinario gehöret
alles dem Absehen des Gesetzgebers nach, zu Erforschung und Erhaltung der
Wahrheit. Ad § 2. Ist gut. Aber tausend confusion zu besorgen, wenn nicht auf
das genus actionis recht libelliret wird. Ad §. 3. & 4. Cavendum hic a
judicis concussione. Da man die Leute anfähret, drohet, ihnen weiß nicht was von
Ruin und sachfältigen Urtheln vorsaget. Werden auch hundert Nullitäten daraus
werden. Ad §. 5. gehet meistens aber nicht in weitläufftigen Sachen an. Ad § 6.
7. ist allzugschwmde, und das meiste ohnedem juris. Ad. §. 8. Möchte angehen. Ad
§. 9. Machet die Sache in hundert casibus verwirrter, als wenn alles separatim
tractiret wird. Ad §. 10. 11. 12. Macht confusion und die Disputationes sind
nöthig und nützlich. Denn ein Judex nicht alles sehen kan, wo es die Partheyen
zu suchen. Ad §. 13. Quid si judex sit malus, partiumque studiosus, was kan da
vor Uberlegung geschehen? Ad §. 14. Sind lauter heilsame Ordnungen, die aber wie
hundert andere Dinge mißbrauchet werden. Ad §. 15. ist ohne dem juris. Ad §. 16.
A judicis arbitrio libera nos Domine. Ad §. 17. sunt haec pia desideria.
Das sechste votum ist zwar sehr kurtz gefaßt; aber es hat doch der Herr Autor in demselben mit wenig Worten viele gute und nützliche Erinnerungen gegeben. Das gantze Werck, wie ich sehe, kommt darauf an, man will die in andern Proceß-Ordnungen gesetzte terminos fatales abschaffen, und fast alles dem arbitrio judicis überlassen, dann davon stehet gleich im anfang in verbis: Ein solches aber hauptsächlich daher rühret etc. Es weiset es auch das übersande Concept durch und durch. Hierdurch soll der Proceß abgekürtzet werden, und das medium ad hunc finem ob tinendum stehet in §. 17. num. 1. nemlich, daß der Herr Graff alle Gerichte mit Personen, die GOtt wahrhafftig fürchten, besetzen will. so dieses geschiehet oder geschehen kan, so ist meine Meynung, daß die Proceß-Ordnung wohl passiren könne. Solten sich aber dergleichen Leute nicht antreffen lassen, so zweiffele ich, daß dieses Concept der Proceß-Ordnung einigen Nutzen haben werde. Es fehlet auch sonst gar viel daran, dann zum Exempel in §. 4. ist gar nicht gedacht, ob exceptiones dilatoriae statt haben sollen oder nicht? item ob alle sonst gebräuchliche oder nur etliche admissibel? Hieraus werden unzehliche dubia Processum protrahentia erwachsen. Es stehet nicht darinn, ob exceptiones dilatoriae ante oder post litem contestatam opponiret werden sollen. Item de peremptoriis. Wolte man sagen, dieses müsse ex juribus & ordinationibus aliis supplirt werden, tunc respondeo, auf solche Art bleiben alle vorige controversien und wird der Proceß nicht kürtzer. Wenn ich alle Paragraphos wolte durchgehen, so würden meine mo
|| [149]
nita viel grösser, als diese
Proceß-Ordnung. Dahero gehet mein votum dahin / daß diese Ordnung noch nicht
reiff seye, sondern daß ein des Processes erfahrner Mann sie dergestalt
einrichten müsse, daß die bishero vorgekommene dubia und controversiae mit
kurtzen Worten darinnen deutlich exprimiret und gehoben werden.
§. V. Nachdem ich nun diese vota beysammen und mit attention(Das Responsum selbst / nebst
dessen summarischen Inhalt in marginè.)
durchlesen hatte, trug ich hernach in pleno die Sache nochmahls distincte von
Artickel zu Artickel der neuen Proceß-Ordnung vor, referirte, was bey ieden
derselben von meinen Herren Collegen erinnert worden, truge auch dabey vor / was
ich etwan noch über dieses für mich angemercket hatte, (welches man in der
Ausarbeitung des responsi gar leicht wird finden können,) und wurde darauf nicht
per pluralitatem votorum, sondern einmüthig geschlossen, daß das responsum von
mir, wie es nun folget, aufgesetzet werden solte, (welches auch noch im
Februario 1717. geschahe) dessen summarischen Inhalt ich um mehrerer
Annehmlichkeit willen ietzo in margine beygefüget.
Als dieselben uns das Concept einer Verordnung von Abkürtzung der Proceße
zugeschickt, und gebeten, dieselbe mit Fleiß durchzugehen, und nicht alleine,
was darinnen zu ändern und zu verbessern seyn möchte, zu erinnern, sondern auch,
wie etwa eine andere und bessere Verordnung aufzusetzen, an die Hand zu geben;
demnach haben wir Ordinarius &c. nach vorhergegangener fleißiger
Durchlesung des zu geschickten Concepts, so von einen jeden unter uns
insbesondre geschehen, uns zusam̅en gethan, und nach gebührender
Uberlegung, so viel der Sachen Wichtigkeit erfordert, uns einmüthig nach
folgender Antwort verglichen.
Es ist freylich an dem, daß unerachtet die langwierige administration(Lob der guten Intention.)
der Justitz und Verzögerung derselben dem gemeinen Wesen höchstschädlich ist,
auch viele rechtschaffene gelehrte Männer bißher fast in die 200. Jahr in
öffentlichen Schrifften, auch die gesamte Reichs-u. eines ieden Reichs-Stands
Land-Stände auf Reichs-und Land-Tägen vielfältig drüber geklagt, und wie diesem
Ubel zu helffen wäre, so wohl gerathen, als auch durch allerhand neue Gesetze,
Decisiones, Constitutiones und Proceß-Ordnungen in der That selbst zu verbessern
getrachtet, dennoch zeithero, an statt, daß dieses alles den erwünschten Zweck
erreichen sollen, vielmehr dem allen zuwieder das Ubel immer mehr und mehr
zugenommen, es
|| [150]
sey nun daß die
vorgeschlagenen und ge brauchten Mittel nicht vermögend und zulänglich genug
gewesen, dasselbe zu heben, oder daß selbige wohl gar aus Mangel gnugsamer
Erkäntnüß des wahren Ursprungs von dem Ubel, an der Vergrösserung unschuldige
Ursache gewesen. Weßhalben nicht nur alle diejenigen Reichs-Stände, die sich
ernstlich angelegen seyn lassen, dieser allgemeinen Kranckheit zum wenigsten an
ihren Ort zu steuren, höchlich zu loben, sondern auch dero treuen Räthen, die
nach denen von GOtt verliehenen Kräfften ihres Verstandes alles, was ihnen nur
möglich gewesen, darzu contribuiret, nachdrücklicher Danck abzustatten.
(Gener al- Erinnerung wegen der
Richter / und daß die Beförderung der Justiz schwerlich
zu erhalten sey / wenn man ihren arbitrio zu viel
einräume.)
Gleichwie aber vor allen Dingen dahin zu trachten, daß die Haupt-Ursache der
bishero verzögerten administration der Justiz recht untersucht und erforschet
werde, weswegen auch selbiges zu entdecken der Herr Concipiente bald bey Anfang
der Verordnung sehr rühmlich bemühet gewesen; und dafür gehalten,
Daß dasselbige hauptsächlich daher rühre / wenn der Nichter an eine gewisse Formalität / die doch zu Erforschung der Wahrheit eben nicht nöthig / oder an gewisse allzugeraume Termine gebunden seye / hergegen denen Advocateu und Partheyen allerhand Aufzüge zu machen / und sonderlich die Klage und anders wieder besser Wissen und Gewissen zu leugnen / ungestrafft hingehe. Also wird gleichfalls von uns vor allen Dingen ferner zu überlegen anheim gegeben, ob hierinnen die wahre Hauptursache getroffen worden; und ob, wie bißhero unterschiedene gelehrte Männer angemerckt, die üble administration der Justiz, die nicht alleine aus Verzögerung der Processe, sondern auch aus Ubereilung und passionirten Urtheilen der Richter zu befahren, nicht sowohl denen Partheyen und deren Beyständen als denen Richtern selbst zuzuschreiben; und ob nicht eben diesem Ubel vorzukommen, etliche secula bisher aus trifftigen Ursachen in denen Proceß-Ordnungen der Richter ihr Amt so deutlich und distinct beschrieben worden, damit ihne̅, so viel thunlich, die Gelegenheit, dasselbe zu mißbrauchen, abgeschnitten werden möchte; dahingegen, wenn alles, oder doch das meiste vom Proceß, wie in gegenwärtiger Verordnung fast in allen Artickuln geschiehet, ihrem arbitrio und Willkühr überlassen werden solte, denenselben Thür und Thor, so zu sagen, wieder geöffnet werden würde, nach ihren passionibus über die armen Unterthanen unter den Schein der Gerechtigkeit, und Beförderung der Justiz, zu tyrannisiren, und casus pro amico (die der berühmte Bachovius nicht ohne raison casus pro diabolo zu nennen pflegte) zu formiren; ja endlich ob das in §. 17. geschehene Versprechen:
|| [151]
Die Gerichte mit redlichen und solchen Personen / die den allgegenwärtigen und allwissenden GOtt wahrhafftig fürchten / zu besetzen / genugsam sey, den ietzt erwehnten zu befürchtenden grossen Schaden abzuhalten, und nicht vielmehr zubefahren, daß von dergleichen Personen allenthalben ein sehr geringer Vorrath vorhanden, und man also schwerlich zu hoffen habe, derer so viel zu finden, daß alle Gerichts-Aemter damit besetzet werden könten; zu geschweigen, daß eine sehr sonderbahre Klugheit und Erfahrenheit dazu erfordert werde, unter denen, die insgemein, (auch von vornehmen und Reichen, ingleichen von gelehrten Leuten) davor gehalten werden, die wahrhafftigen von den scheinheiligen, und sich selbst betriegenden Pharisäischen Gemüthern genau zu entscheiden. Bey dem 1. Artickul der Verordnung befürchten wir nicht ohne Ursache,(Special- Erinnerungen bey dem ersten Artickel wegen des Processus summarii.) daß derselbe wegen seiner allzugrossen generalität und Dunckelheit denen Partheyen und Advocaten zu vieler Weitläuffligkeit Anlaß geben dürffte, indem bekannt, daß die Juristen und Pragmatici selbst nicht einig sind, was doch für eine deutliche differenz in der That inter processum ordinarium & summarium sey, zumahl da die Verfertiger derer Proceß-Ordnungen über den Processum ordinarium sich bisher bona fide beredet, daß sie denenselben nichts anders, als was zu Erforschung der Wahrheit nöthig, und daß die Partheyen gnugsamen gehöret und nicht übereilet werden sollen, hätten einfliessen lassen, und demnach, so lange nicht deutlicher erkläret und determiniret wird, was in Processu summario zu Erforschung der Wahrheit eigentlich nothwendig sey, an statt der intendirten Verkürtzung nichts, als unzehliche interlocute, ingleichen Läuterungen und Appellationes zu befahren seyn dörffen. Nachdem auch nicht deutlich exprimiret worden, ob die Partheyen(Wegen Zulassung des schriftlichen Einbringens.) ihre Nothdurfft mündlich oder schrifftlich einbringen sollen, vielmehr unterschiedene Oerter dahin zu incliniren scheinen, daß der Herr Concipient den schrifftlichen Proeeß intendiret: gleichwohl aber die tägliche Erfahrung bezeuget, daß eben das schrifftliche Verfahren die gröste Ursache sey, warum die Processe an denen Orten, wo schrifftlich verfahren wird, drey oder viermahl so lange dauren, als an denen Orten, wo mündlich verfahren; oder von Mund aus in die Feder eingebracht wird; Als wird diese Erinnerung gleichfalls zu fernerer Uberlegung anheim gestellet. Bey dem 2 Artickul ist vermuthlich vergessen worden, wegen rechter(Bey dem 2. Artickul von rech-) Einrichtung des libells nöthige Erinnerungen zu thun, indem ja mehr als zu bekannt, daß die Klag-libelle gemeiniglich so inept und confus
|| [152]
(ter Einrichtung der Klage) eingerichtet werden,
daß man nicht einmahl errathen kan, was die Kläger haben wollen, und daß diese
Tummheit aus bekannten Ursachen täglich immer mehr und mehr zunimmt, auch die
bishero dawieder vorgeschriebene panacee der clausulae salutaris de imploratione
officii judicis wenig oder besser zu sagen, gar nichts gefruchtet; sondern durch
die exceptiones inepti libelli der Proceß, und zwar öffters ohne Schuld des
Beklagten viele Jahre aufgehalten zu werden pfleget.
(Ingleichen wegen der exceptionum
dilatoriarum)
Eine gleiche Erinnerung ist nicht nur wegen der ebenmäßig ausgelassenen
Verordnung de legitimatione, sondern auch von allen exceptionibus dilatoriis zu
thun, als deren keiner mit einem Worte gedacht wird, und dennoch dieselbige
nicht alle so beschaffen sind, daß man sie gar ausmertzen könne, weshalb nicht
unbillich zu verordnen gewesen wäre, ob und welche exceptiones vor admissibel zu
halten, und zu welcher Zeit solche opponiret werden solten, und da es nicht
geschehen, zu befürchten, daß aus solcher Unterlassung nichts als viele dubia
processum distrahentia erfolgen dürfften.
(Und endlich wegen des der Klage beyzulegenden Beweises)
Daß im übrigen in besagten articulo 2. dem Kläger anbefohlen worden, bey seinen
libell die media probandi, wenn selbige in documenten bestehen, alsbald in copia
beyzulegen, oder sich wegen der Zeugnüßführung oder Eydes deferirung zu
erklären, dabey finden wir dieses zu erinnern, daß diejenigen / die dieses
Mittel zu erst auf die Bahne gebracht, vermuthlich dahin ihr Absehen gerichtet,
damit dadurch alle diejenigen Weitläufftigkeiten, die sich insgemein wegen der
litis contestation und wenn solche hernach richtig, wegen der bey Führung des
Beweises gesuchten dilationen zu ereignen, und den Proceß gar viele Jahre
aufzuhalten pflegen, auf einmahl abgeschnitten würden, wenn nehmlich jeder
Kläger, der bey einen moroso debitore oder Reo ordentlicher Weise zu vermuthen
hat, daß derselbe alle geklagte Puncte ableugnen werde, bald anfangs als wenn
litis contestatio negativa bereits geschehen, sich seinen Beweiß zu führen
anschickte; Nachdem aber in der Verordnung quaestionis, articulo 4. daß die
litis contestation richtig geschehen und articulo 14. daß der Beklagte, der die
Klage muthwillig geleugnet, der gantzen Sache verlustig seyn, ja die geklagte
Post doppelt bezahlen solle, disponiret worden, geben wir billig zu überlegen,
ob auf diese Art der obgemeldete Zweck werde erhalten, oder nicht vielmehr durch
den anticipirten Beweiß, ehe Kläger noch weiß, was Beklagter verneinen werde,
und der nachherigen Wiederholung desselben, der Proceß vielmehr verlängert
werden, zu geschweigen, daß wir bisher vielfältig aus denen
|| [153]
acten, in welchen dergleichen
methode, daß die Führung des Beweises alsbald der Klage oder denen exceptionibus
beygefüget worden, wahrgenommen, daß auf diese Weise die Schrifften über die
massen verdrießlich, weitläufftig und dergestalt verwirret gemacht worden, daß
auch der geschickteste Juriste kaum vermögend gewesen, bey dieser grossen
Verwirrung einen deutlichen statum controversiae zu formiren, und dasjenige
worüber eigentlich gesprochen werden soll, zu finden; zumahlen wenn, wie bereits
oben erwehnet worden, die Klage unverständlich und ungeschickt vorgebracht, oder
auch die exceptiones ohne judicio miteinander gehäuffet, und untereinander
geworffen worden. Bey dieser Bewandnüß nun würde weiter nachzudencken seyn, ob
es nicht besser sey, wenn verordnet würde, daß wenn Beklagter sich nicht gleich
im ersten termin zum wenigsten eventualiter auf die Klage gebührend einliesse,
sodann alsbald lis pro negative contestata gehalten werden, und Kläger ohne
Verstattung mehrerer dilationen alsbald zu Führung des Beweises gehalten seyn
solte.
Bey dem 3. und 4. Artickul halten wir dafür, daß die Versuchung(Bey dem 3. und 4. Artickel wegen Versuchung des
Vergleichs.) des Vergleichs nach der heutigen Beschaffenheit der
Gemüther, und fürnehmlich wenn die Partheyen per mandatarios agiren, an statt
daß sie die Processe befördern solte, denselben vielmehr verlängere, oder wohl
gar partheyischen oder auch unpartheyischen, aber dabey eigensinnigen und mit
einer eingebildeten Billigkeit eingenommenen Richtern grosse Gelegenheit gebe,
unschuldige Partheyen zu übereilen, und unter dem Schein oder eigener
persuasion, die Gerechtigkeit und das gemeine Wohlseyn zu befördern, zu
concutiren.
Was den 5. Artickul betrifft, so ist zwar nicht zu leugnen, daß(Bey dem 5. Artickel vom septiduo
Saxenico.) das septiduum in Sachsen, wie alle Dinge zuweilen,
und vielleicht offte gemißbraucht worden. Ob aber nicht zu einer grösseren
Verlängerung der Proresse Gelegenheit gegeben werde, wenn an statt des
Einbringens von Mund aus in die Feder ein schrifftliches Verfahren eingeführet
wird, setzen wir unsers Orts ausser allen Zweiffel; weil sodann das rechtliche
Einbringen schwerlich und sehr selten (wenn gleich ultra duplicas kein Satz mehr
zugelassen würde) in einem Tage expediret werden könte, und also der Richter
mehrentheils erhebliche Ursachen oder doch praetexte finden würde, von der hier
vorgeschriebenen Regel abzugehen.
Und wie ferner, was etwa bey dem 6. Artickel sonderlich wegen(Beym 8. Artickel wegen der) der litis
contestation zu erinnern seyn dörffte, allbereit oben ad artic. 2. in der
letzten Anmerckung vorgebracht worden; Also hat quoad artic. 8.
|| [154]
(Beweiß Artickel und der Interrogatoriorum.) bißher den Proceß sehr aufgehalten, daß
aus vielen Ursachen die Advocaten Gelegenheit bekom̅en, eine lange
Zeit über der ineptitudine articulorum und interrogatoriorum zuverfahren, indem
eines Theils sowohl die Kläger als Beklagte und ihre Beystände, (die entweder
von Natur kein judicium logicum gehabt, oder auch, die nach der hergebrachten
methode, ohne die einen Studioso juris höchstnöthige principia philosophiae
ihren so genannten cursum juris und zwar mehrentheils in galop gerade
durchgeritten, u. so unwissend in formirung der Artickul und interrogatoriorum,
als in formirung eines vernünfftigen libells, und vernünfftiger Aussuchung derer
ihren clienten nützlichen exceptionen gewesen, durch viele weitläufftige und
unnützliche, auch zuweilen denen Partheyen oder Zeugen höchstschimpfliche
respective Artickel und interrogatoria, Gelegenheit zu einem weitläufftigen
Gezäncke gegeben, oder den Richter mehr verwirret, als quoad veritatem facti
informiret, andern thells aber die auch per communem observantiam eingeführte
interrogatoria generalia grösten Theils unvernünfftig, aberglaubisch und
reliquien des Pabstthums zu seyn, in öffentlichen Schrifften allbereit dargethan
worden, und überhaupt mit der gesunden Vernunfft streitet, daß da der Zweck
derer Artickel und interrogatoriorum seyn soll, damit dem Richter die Umstände
des facti probandi wahrscheinlich gemacht werden, man die Sorge für die Artickel
und interrogatoria denen Partheyen und deren Advocaten überlassen, die doch der
Richter am besten wissen soll, auch besser wissen kan als die Partheyen, welcher
Umstand ihm an zweiffelhafftigsten vorkömmt, und da zum wenigsten die Parthey,
wieder welche der Beweiß geführet wird, gemeiniglich durch ihre interrogatoria
den Richter mehr zu verwirren, als selbigem ein Licht zu geben, bemühet ist. Wir
würden dannenhero uns sehr erfreuet haben, wenn wir an statt dessen, was in
artic. 8. von denen Beweiß-Artickeln und Interrogatoriis verordnet worden, ein
tüchtiges und practicabeles Consilium, wie diesem grossen und frequenten malo
begegnet werden möchte, würden angetroffen haben.
(Bey dem 9. Artickel wegen der reconvention.)
Warum aber der Herr Concipient in artic. 9. darinnen von dem Sächsischen Proceß
abgegangen, daß er die Reconvention will pari passu mit der Convention tractiret
wissen, ist uns um so viel destomehr bedencklich vorkommen, weil die tägliche
Erfahrung aus denen ad Collegia geschickten acten bezeuget, daß durch dieses
Mittel entweder aus ignöranz oder Vorsatz aus denen exceptionibus, die gar wohl
in ipsa conventione tractiret werden können, ein neuer Proceß gemacht / oder
|| [158]
(rinnerungen.) vocaten und gerichtliche
Procuratores extendiret worden, wie es ohne Zweiffel auch von denen
Assessoribus, secretariis & aliis ministris Judicum wird zu verstehen
seyn. Ob das N. 2. erwehnte Vermahnen an die Unterthanen, daß sie lieber von
ihrem Rechte etwas nachlassen, als Processe führen solten, viel fruchten werde,
ist mehr zu wünschen als zu hoffen, und würde hierbey auch zu verhüten seyn, daß
dergleichen Vermahnungen nicht also eingerichtet würden, daß die Mächtigen und
Gewaltigen daher mehr Gelegenheit nehmen können, denen Armen und Dürfftigen noch
mehreres Unrecht zu thun. Das Consilium für die Auditores juris, N. 3. ist in
Ansehen der wilden oder allzulebhafften ingeniorum gar nützlich; es scheinet
aber dabey vergessen zu seyn, daß die melancholischen und tieffsinnigen ingenia
auch darneben wohl zu erinnern seyn dürfften, daß sie für allen Dingen nicht
allzuviel auf sich selbst, ihre Tugend und Frömmigkeit halten, nicht auf die
gesunde Vernunfft, als wenn sie gantz und gar verderbet sey, schelten; sondern
daß ehe sie ihren cursum juris antreten, sie die genuina principia recte
ratiocinandi, die politische und Kirchen-Historie, (und zwar diese letzte
sonderlich nicht nach der von dem Clero Papali eingeführten Art,) ingleichen die
wahre Lehre von dem Recht der Natur und denen Gründen der ächten morale
rechtschaffen legen, auch wenn sie jemand finden, der ihnen vernünfftige Gründe
der Regierungs-Kunst beybringen will, diese seltene Gelegenheit ja nicht aus der
Hand gehen lassen, weil die tägliche Erfahrung weiset, daß die meisten Richter
und Advocaten mehr aus Unterlassung dieser nöthigen Erinnerung als aus blosser
Boßheit die Processe verwirren. Die bey dem 4. Punct geschehene Erinnerungen für
die Advocaten sind allzu general und undeutlich gesetzt, und also wohl
schwerlich zulänglich, denenselben eine rechtschaffene Begierde oder Furcht
einzudrücken.
(Anhang von Langwierigkeit der Executionen.)
Nachdem auch endlich gnugsam bekannt, daß die allerverdrießlichsten Verzögerungen
des Processes bey execution der Urtheil vorzugehen pflegen, also hätten wir auch
deßwegen, und warum dieser nöthige Punct zu emendiren vergessen worden, nicht
weniger wegen vieler andern Umstände, noch unterschiedenes zu erinnern. Wir
befahren aber nicht unbillich, daß die darunter sehr schwerlich zu vermeidende
Weitläufftigkeit Unsern Hochgeehrten Herren ohnangenehm seyn dürffte, und
zweiffeln im geringsten nicht, es werden dieselben aus denen bisherigen
begehrten und gutgemeinten Errinnerungen sattsam abnehmen können, ob das uns
zugeschickte Project den intendirten Zweck zu befördern werde geschickt seyn,
|| [156]
disputir Gesetzen zu erklären;
und vielleicht zu Verkürtzung der Processe dienlicher seyn würde, wenn man denen
Partheyen, unter welchen derjenige, so den Beweiß impugniren will, den Anfang zu
machen hätte / nicht mehr als einen Satz zuliesse / und ihnen dabey die zu
nichts dienliche Weitläufftigkeit und thörichte allegirungen derer legum
& Dd. in Dingen, daran kein Mensche zweiffelt, oder die nichts zur Sache
dienen, mit Nachdruck verbieten könte.
(Beym 13. Art. wegen Setzung der Termine.)
Bey dem artic. 13. befürchten wir nicht ohne Ursach, daß die darinnen intendirte
Verkürtzung nicht erhalten werden könne, weil des Judicis Gutbefinden, und daß
er auch von denen darinnen praefigirten drey Wochen abgehen oder selbige
prorogiren könne, gar zu viel überlassen, zumahlen auch nicht deutlich dabey
erklähret worden, worinnen eigentlich die Erheblichkeit der Ursache bestehen,
oder wie die Bescheinigung derselben beschaffen seyn solle; welches alles nicht
anders, als denen Partheyen neue Gelegenheit darüber zu streiten, geben dürffte.
(Beym 14. Artickel wegen dessen Kürtze und Dünckelheit /
ingleichen wegen der condemnation in expensas.)
In dem 14. Artickel sind sieben unterschiedene merckwürdige Puncte, deren ein
jeder zum wenigsten einen eigenen Artickel verdienet hätte, allzukurtz zusammen
gefaßt, und geben durch diese Kürtze und mit derselben verknüpfften
Undeutlichkeit nothwendig zum Mißbrauch und disputiren um so vielmehr Anlaß,
weil da gar vergessen worden, wegen des andern und dritten Puncts anzuzeigen,
wie man sich darbey verhalten solle; bey dem 1. 4. 5. und 6. aber des Judicis
arbitrio allzuviel wieder eingeräumet worden; weßwegen wir unvonnöthen zu seyn
erachten, mit mehrern weitläufftigen monitis über jeden Punct beschwerlich zu
seyn, ausser daß wir quoad punctum 7. nur dieses wenige erinnern, daß die
daselbst befindliche Worte
und allemahl die Parthey / so verlieret / in die Unkosten condemniret. vermuthlich aus denen vorhergehenden Worten, sub hac conditione, si temere litigaverit, restringiret werde̅ müssen, weil es sonsten sehr unbillig seyn würde, die verlierende Parthey allemahl in die Unkosten zu verdammen, da doch wie bekannt die Gelehrten und collegia quoad jura selbst nicht einig seyn, und dannenhero die Urtheil denen casibus fortuitis verglichen zu werden pflegen, auch die acta täglich weisen, daß auch aus vielen andern Ursachen der, so den Proceß verlieret, pro temerario litigatore nicht allemahl zu halten sey. (Item wegen der poenae mendacii.) Von der poena mendacii ist aus den, was wir allbereit oben ad artic. 2. erwehnet, leicht zu begreiffen, daß es keiner poena mendacii in litis contestatione negativa brauchen werde, wenn die Partheyen also
|| [157]
bald bey ihrem libell oder bey denen
exceptionibus ihre Documenta und andern Beweiß vorbringen sollen, oder wenn in
dilatione litis contestationis lis pro negative contestata gehalten werden
solle. So wäre auch wohl vorhero zu untersuchen, ob diejenigen, die die poenam
mendacii judicialis zum ersten als ein dienliches remedium recommendiret, einen
wahrhafftigen und von allen Scholastischen und Jesuitischen Schlacken
gesauberten Concept de veritate & mendacio, item von dem Unterscheid
inter mendacium & falsiloquium gehabt, und ob die ratio status Romani,
und die raison, quod mendaces ob contemtum majestatis Praetoriae puniantur, auch
auf unsere Stadt-und Land-Richter, ingleichen die Gerichts-Verwalter, Richter
und Schöppen auf denen Dörffern, bißhero vernünfftig appliciret worden u. s. w.
Bey dem artic. 15. finden wir nicht, warum das Possessorium summariissimum(Beym 15. Art. wegen des possessorii
summariissimi.) um deßwillen,
daß es bißweilen mißbraucht wird / abgeschafft zu werden verdiene, vielweniger wie es abgeschafft werden könne, da doch für allen Dingen in actionibus realibus die quaestio praejudicialis quis possessor sit, abgethan werden muß, u. da der Hr. Concipient alle Sache̅ ohnedem su m̅arisch tractiret wissen will, auch da in summariissimo der Proceß viel eher geendiget wird, als in possessorio ordinario, zu geschweigen, daß endlich der Herr Concipient durch die letzten Worte
oder in mora obhanden den gantzen Articul wieder aufzuheben scheinet, weil in allen quaestionibus super possessione periculum in mora gegenwärtig ist. Es hat auch dem Herrn Concipienten bey dem artic. 16. gefallen,(Beym 16. Art. wegen der Leuterungen und Appellationen.) bey Leuterungen und Appellationen es bey dem gewöhnlichen modo procedendi zu lassen, ausser daß des Judicis arbitrio allhier abermahl gar zuviel eingeräumet wird; da doch bißhero gar vielfältig und von vielen geklagt worden, daß die remedia suspensiva gar sehr gemißbraucht, und dadurch der Proceß noch einmahl so lange pflege protrahiret zu werden, und im übrigen je höher und mächtiger die judices sind, je mehr Ursachen fürhanden sind, in denen Proceß-Ordnungen, ihre Macht und arbitrium einzuschräncken. Ob wir nun wohl bey dem letzten Artickel quoad N. 1. oben ad Praefationem(Beym letzten Art. allerhand nöthige Er-) allereit angemerckt, daß das darinnen geschehene Versprechen, die Gerichte mit redlichen und GOtt warhafftig fürchtenden Personen zu besetzen, sehr schwer zu practiciren seyn dürffte, so hat uns doch dabeneben gewundert, warum dieses remedium nicht auch zugleich auf die Ad
|| [158]
vocaten
(rinnerungen.) und gerichtliche Procuratores
extendiret worden, wie es ohne Zweiffel auch von denen Assessoribus, secretariis
& aliis ministris Judicum wird zu verstehen seyn. Ob das N. 2. erwehnte
Vermahnen an die Unterthanen, daß sie lieber von ihrem Rechte etwas nachlassen,
als Processe führen solten, viel fruchten werde, ist mehr zu wünschen als zu
hoffen, und würde hierbey auch zu verhüten seyn, daß dergleichen Vermahnungen
nicht also eingerichtet würden, daß die Mächtigen und Gewaltigen daher mehr
Gelegenheit nehmen können, denen Armen und Dürfftigen noch mehrerses Unrecht
zu thun. Das Consilium für die Auditores juris, N. 3. ist in Ansehen der wilden
oder allzulebhafften ingeniorum gar nützlich; es scheinet aber dabey vergessen
zu seyn, daß die melancholischen und tieffsinnigen ingenia auch darneben wohl zu
erinnern seyn dürfften, daß sie für allen Dingen nicht allzuviel auf sich
selbst, ihre Tugend und Frömmigkeit halten, nicht auf die gesunde Vernunfft, als
wenn sie gantz und gar verderbet sey, schelten; sondern daß ehe sie ihren cursum
juris antreten, sie die genuina principia recte ratiocinandi, die politische und
Kirchen-Historie, (und zwar diese letzte sonderlich nicht nach der von dem Clero
Papali eingeführten Art,) ingleichen die wahre Lehre von dem Recht der Natur und
denen Gründen der ächten morale rechtschaffen legen, auch wenn sie jemand
finden, der ihnen vernünfftige Gründe der Regierungs-Kunst beybringen will,
diese seltene Gelegenheit ja nicht aus der Hand gehen lassen, weil die tägliche
Erfahrung weiset, daß die meisten Richter und Advocaten mehr aus Unterlassung
dieser nöthigen Erinnerung als aus blosser Boßheit die Processe verwirren. Die
bey dem 4. Punct geschehene Erinnerungen für die Advocaten sind allzu general
und undeutlich gesetzt, und also wohl schwerlich zulänglich, denenselben eine
rechtschaffene Begierde oder Furcht einzudrücken.
(Anhang von Langwierigkeit der Executionen.)
Nachdem auch endlich gnugsam bekannt, daß die allerverdrießlichsten Verzögerungen
des Processes bey execution der Urtheil vorzugehen pflegen, also hätten wir auch
deßwegen, und warum dieser nöthige Punct zu emendiren vergessen worden, nicht
weniger wegen vieler andern Umstände, noch unterschiedenes zu erinnern. Wir
befahren aber nicht unbillich, daß die darunter sehr schwerlich zu vermeidende
Weitläufftigkeit Unsern Hochgeehrten Herren ohnangenehm seyn dürffte, und
zweiffeln im geringsten nicht, es werden dieselben aus denen bisherigen
begehrten und gutgemeinten Errinnerungen sattsam abnehmen können, ob das uns
zugeschickte Project den intendirten Zweck zu befördern werde geschickt seyn,
|| [159]
oder ob nicht vielmehr dieselbe
mehr confusion verursachen, die appellationes vermehren, und lites ex litibus so
zu sagen hecken werde.
So viel zuletzt die von uns begehrte an die Handgebung, eine andre(Warum noch zur Zeit nicht rathsam / eine bessere
Proceß-Ordnung zu verfertigen.) und bessere Proceß-Ordnung
aufzusetzen, belanget, so wären wir zwar so willig, als schuldig, Unseren
Hochgeehrten Herren auch hierinnen zu dienen, absonderlich da wir wohl
begreiffen, daß es keine Kunst sey, etwas zu tadeln, wenn man es nicht
verbessern kan; Alleine wir sind nach genauer Uberlegung dieser wichtigen Sache
der gäntzlichen Meynung, daß dem verderbten Justitien Wercke auch durch die
schönste und beste Proceß-Ordnung noch zur Zeit nicht zu helffen sey, sondern
daß derjenige, der zu Heilung dieses Ubels nützliche Rathschläge geben wolle,
zuförderst die Beschaffenheit haben müsse, daß er nebst denen nur kurtz vorher
gemeldten studiis auch diese Qualitäten besitze, daß er gegen das
Justinianeische und Canonische Recht weder eine unvernünfftige, obschon
scheinheilige u. bisher grand mode gewesene, Hochachtung, noch einen gleichfalls
unvernünftigen ödtlichen Haß trage, sondern in beyden das Gute von dem Bösen
wohl zu unterscheiden wisse; ingleichem daß er die Römer bey Leibe nicht pro
cordatissimis mortalium, und die alten Teutschen für tumme Leute halte; hernach,
daß er das Elend der verzögerten Justiz nach allen Umständen und nicht alleine
secundum singulos titulos processus, sondern auch secundum singulos titulos
materiarum, darüber Proceß geführet wird, u. zwar bey diesen letzten sonderlich
die incertitudinem juris & responsa collegiorum contra collegia tief
einsehe, den wahren und bisher gar von wenigen erkannten Brunqvell dieses
doppelten Ubels aus der Historie unpartheyisch und genau untersuche, und zu
demonstriren capable sey; ferner, daß er gantz unstreitig begreiffe, daß so
wenig als ein contracter, von der Gicht geplagter Mensch durch Zwang und Schläge
kan curiret werden, so wenig auch die etliche secula eingewurtzelte üble
administration der Justiz durch Poenal-Gesetze oder Proceß-Ordnungen, nach denen
Regeln politischer Klugheit gehoben werden könne; und daß er nach dieser
Betrachtung unwiedertreibliche Ursache zu geben wisse, warum die bishero etliche
secula in vielen Christlichen Reichen ud Republiqven versuchte Mittel wenig oder
gar nichts gefruchtet, sondern vielmehr geschadet und übel ärger gemacht? ob bey
dieser Bewandniß, absonderlich in Teutschland, sowohl bey dem Reich insgemein,
als bey denen theils Catholischen, theils Evangelischen Ständen insonderheit,
eine baldige Besserung könne gehoffet werden? Was hierbey etwan ein
Evangelischer Stand nicht allein in Ansehung des gesamten Reichs, des
Cammergerichts
|| [160]
und
Reichs-Hoff-Raths, sondern auch wegen der von seinen eigenen Unterthanen und
Land-Ständen zu befahrenden Hinderniß sich zu besorgen habe, und wie dieser
Besorgniß ohne Gefahr und Schaden zu begegnen sey? Ja wir sind versichert, daß
wenn alles dasjenige, was bisher kürtzlich gleichsam per indicem gemeldet
worden, noch so ausführlich und deutlich werde dargethan und gleichsam
mathematice demonstriret werden, dennoch die praxis davon nicht eher zu hoffen
sey, als bis diese neue und bishero fast unerkannte Wahrheiten erstlich cum
applausu der Studenten und ihrer Eltern, ingleichen der Hoff-Minister eine gute
Zeit auf Universitäten dociret worden, das ist, bis die von denen bisherigen
Lehren eingenommene Leute an Höfen, auf denen Universitäten, in Städten und
Dörffern werden dermahleins ad patres gegangen seyn; wie von allem diesen
etliche unter uns theils allbereit ihre Gedancken in Schrifften eröffnet, theils
wir insgesamt solches bey Gelegenheit es ferner zu thun uns vorbehalten.
Und seynd wir in übrigen Unsern Hochgeehrten Herren bey allen uns gegebenen
Gelegenheiten nach Vermögen zu dienen bereit.
(Connexion des folgenden Handels
mit dem gegenwärtigen.)
§. VI. Ich habe in vorstehendem Responso zum Beschluß desselben auf das kürtzeste
und quasi per indicem angeführet; was für Gelahrheit und Geschicklichkeit bey
demjenigen erfordert werde, dessen sich etwa Fürsten und Herren künfftig zu
nützlichen Rathschlägen, das verwirrete Justiz-Wesen in bessern Stand zu
bringen, vernünfftig bedienen möchten, nun hatte ich zwar schon damahls in der
unter Händen habenden und bereit in §. 3. erwehnten disputation etwas überhaupt
davon erwähnet; ich hatte mir aber auch schon damahls vorgenommen, diese
wichtige Materie in einer absonderlichen disputation deutlicher und
weitläufftiger auszuführen. Dieweil ich nun dieses Vorhaben hernach in der dem
29. Julii besagten 1717. Jahrs gehaltenen disputation völlig zu Stande gebracht;
als wird verhoffentlich dem geneigten Leser nicht zuwieder seyn, wenn ich
gemeldte disputation nunmehro an statt des folgenden Handels in teutscher
Sprache beyfüge.
|| [161]
V. Handel. Von denen Kennzeichen und Vorsichtigkeit eines politischen Artztes
/ der etwan zur Verkürtzung der langwierigen Processe nützlich zu
gebrauchen.
§. I.
ICh bin gesonnen, dasjenige, so von der Beschaffenheit eines Gelehrten,(Die Ursachen / warum gegenwärtige Arbeit vergeblich
zuseyn scheinet.) dessen Raths man sich wegen der langweiligen
Verwaltung der Justiz etwa bedienen wolte, zu anderer Zeit a) mit wenigem
erinnert worden, weitläufftiger auszuführen und zu beweisen. Wobey uns gleich
Anfangs dieser Zweiffel vorfället, ob eine so grosse Gelehrsamkeit, dergleichen
damahls angezeuget worden, bey dem Rathgeber, ingleichen ob so vieler
Weitläufftigkeit, als ich eben daselbst gedacht, in den Rathschlägen selbst von
nöthen sey, und ob nicht vielmehr ein jeder vernünfftiger Mensch, der nur einen
mittelmäßigen gesunden Verstand und Judicium besitzet, wenn er alle Umwege derer
Processe gleichsam mit(a) de emend admin justit:
difficult. §. ult.) einem Hieb abschneidet, und sonst nichts, als was
alleine zur Wahrheit einer geschehenen Sache gehöret, zuläßt, weit geschickter
sey, die längst gewünschte Verkürtzung derer bißhero in Teutschland üblichen
Processe in Stand zubringen. Denn dieses ist nicht zu leugnen, daß die
verdrießlichen Processe durch die Gelehrten in Teutschland eingeführet, und daß
durch eben dieselben, und durch die von ihnen bißhero vergeblich versuchte
Hülffs-Mittel dieses Ubel allenthalben mehr und mehr zugenommen: So könne auch
entweder mit Salomonis Exempel, oder, wenn man sich sonst einen Handel von einer
Personal- oder Real-Klage vorstellete, deutlich gewiesen werden, daß auch
Streit-Händel, so schwer zu beweisen sind, wenn nur ein redlicher Richter den
Proceß nach seinen Gutdüncken führen dürffe, oder wenn die Partheyen selbst eine
geschwinde Entscheidung ihres Streits eyfrig suchten, in sehr kurtzer Zeit, und
ordentlich in einer Monats-Frist könne zu Ende gebracht werden. Jedoch glauben
wir nicht, daß dieses alles unserm Zweiffel einige Gewißheit geben solte, ob ich
gleich befinde, daß dergleichen Ursachen einen weiland hochberühmten Juristen
und fast gemeinen Lehrer von gantz Teutschland bewogen, von diesem Vornehmen
also zuschreiben. b) Daß mehr Hoffnung übrig sey, wenn im Rech
|| [162]
ten(b)
Disser. de judic. prin-)
(cip. juxta solam facti veritat. §. 3. circa
sin.) unerfahrne, die aber eine natürliche Klugheit und Erfahrenheit in
öffentlichen Geschäfften haben, zu dieser Arbeit gebraucht würden, damit
dieselben nach Anleitung ihrer natürlichen Klugheit eine Art vorschrieben, nach
welcher die Streitigkeiten derer Unterthanen mit erhabenen Segeln, wie in l. 5.
C. de Naufrag. diese Formul gebraucht wird, (daß ist wie die folgende Worte
anzeigen, wenn man nur dieses, was die Warheit einer geschehenen Sache zu
erweisen gehöret, annimmt,) beygeleget werden. Da denn dieses Werck mit eben
solcher Glückseeligkeit würde erreichst werden, als die Schweden und Dänen in
ihren Ländern geniessen, allwo ein jedweder sein Recht auf das kürtzeste suchen
kan, und die weitläufftigen und verwirreten Processe gantz unbekannt seyn.
(Die Antworthierauf.)
§. II. Alleine hierauf ist leichtlich vielerley zu antworten. Die Gelehrten haben
zwar die Rechtsgelahrheit und Verwaltung der Justiz verfälschet, und thun
solches auch ietzo noch, iedoch ist solches nicht der wahren Gelehrsamkeit und
Lehre beyzumessen, sondern weil man bißher eine Wissenschafft subtiler, unnützer
und schädlicher Dinge vor Gelehrsamkeit gehalten; ingleichen weil man dieses vor
Gelahrheit ausgegeben, wenn man viele Sätze und Meynungen, die entweder halb und
halb, oder wohl gar nicht recht zusammen gehangen / oder nichts zur Sache
gethan, auswendig herzusagen gewust, oder wenn man einen Rathschlag oder etwa
ein Buch aus seinen locis communibus, darin̅en lauter Flickwerck,
gleichwie seidene, wollene und leinene Flecke von allerhand Fabrique und
hunderterley Farben in einem Kasten beysam̅en gelegen, nebst
beygefügter approbation gleichgesinnter Gesellen, zusammen gestoppelt; mit einem
Worte: die falsche und unnütze Gelehrsamkeit ist schuld daran. Dahero muß man
nicht flugs von einem extremo auf das andre fallen, und einen solchen Artzt zur
Verbesserung der Justiz verlangen, der nichts von der wahren Gelehrsamkeit
besitzet. Es muß vielmehr umgekehrt werden, und weil die falsche Gelehrsamkeit
der Kranckheit Ursache ist, muß man die wahre ergreiffen, damit so wohl die
falsche Gelehrsamkeit nicht weiter, wie bißhero herrsche, als auch diese
Kranckheit geheilet werde. Also wenn z. E. die Marckt-schreyer eine Kranckheit
durch ihre falschen Artzeneyen verschlimmert haben, nimmt man deßwegen zur
Verbesserung dieses Schadens nicht solche Leute, welche ein gutes natürliches
Judicium und Erfahre̅heit haben, im übrigen aber der Medicin gantz
unerfahren seyn, sondern man suchet billig hierzu rechtschaffene gelehrte und
geschickte Medicos aus. Her
|| [163]
nach,
gleichwie nicht alle Könige Salomones sind, also ist auch von der
ausserordentlichen und höchsten Gewalt der Könige nicht sicher und gewiß, auf
die ordentliche Gewalt derer untern Richter zuschliessen. Es muß dem Richter ein
solcher Proceß vorgeschrieben werden, daß wenn er solchen nicht in acht nimmt,
seine Partheylichkeit oder Unwissenheit gleich könne bewiesen werden, und nach
welchem alle Gelegenheit, eine geschwinde Entscheidung derer Streit-Sachen zu
verhindern, (wenn auch gleich solches die Partheyen selbst thun wolten,) jedoch
ohne Verletzung ihres Rechts abgeschnitten wird. Ferner finden sich viele und
mancherley Umstände, welche machen daß ein Streit nicht so geschwinde kan
abgethan werden, als geschehen würde, wenn sie nicht verhanden wären. Uber
dieses ist es gar kein gutes Zeichen, daß gleich damahls, da man die Lehrer des
Justinianeischen und Canonischen Rechts einen geschickten und klugen Rath zu
geben vor untüchtig hält, und nur Leute, welche eine natürliche Klugheit haben,
darzu erfordert, bey der Redens-Art levato velo oder mit erhabenem Segel, man
sich auf l. 5. C. de Naufrag. berufft, gleich als wenn diese Redens-Art sonst
barbarisch wäre, oder durch die allegirte Stelle verbessert würde, oder als ob
eine real Erklärung aus diesem Texte könte gezogen werden, was für einen
Vortheil doch eigentlich die Beylegung mit erhabenen Segel mit sich führe.
Nächstdem giebt mir dasjenige was von blosser Annehmung solcher Dinge, die ad
veritatem facti, zur Wahrheit einer geschehenen Sache gehören, gesetzet wird,
noch keine deutliche Vorstellung dessen, was in dem gewöhnlichen ordentlichen
Processe etwan vor überflüßig zu halten, und folglich ins künfftige wegzulassen
wäre. Denn da werden die Autores derer eingeführten Proceß-Ordnungen in processu
ordinario sprechen, daß, wenn nur etwa, und vielleicht auch gar nicht,) die
Rechte, welche exceptiones dilatorias zulassen, ausgemertzet wären, alles
übrige, die Klageschrifft, Einlassung, Ausflüchte, Beweise, Sätze, Urtheile,
Mittel den Urtheilen die Krafft zubenehmen, und die Vollziehung derer Urtheile
insgesamt darzu gehörten, daß der Richter von der Wahrheit einer geschehenen
Sache, die der Kläger oder Beklagte vorgebracht, versichert werde. Dahero nöthig
gewesen wäre, den wahren Verstand dieser Clausul, sola facti
veritate inspecta, welche c) vor die(c)
dictosoco §. 7.) kräfftigste gehalten wird, in einer deutlichen
Beschreibung fein handgreiflich vorzutragen. Da aber dieses nicht geschehen,
glaube ich, es dürffte einem natürlich klugen Menschen, er möchte derer Rechte
erfahren seyn oder nicht, wenig damit gedienet seyn, daß an statt solcher
Beschreibung nur gesaget worden, es werde diese Clausul von denen Spanischen,
Portugiesischen, I
|| [164]
taliänischen und
Teutschen Juristen recommendiret und von sonderlicher Würckung gehalten. So wird
er auch daraus nicht viel Trost schöpffen, (d)
ibid.) daß in eben dieser Dissertation versprochen worden d), man wolle die
Meynungen dieser. Juristen darüber anführen, was in dieser Clausul sonderliches
verborgen sey, und wie weit ein Regent oder dessen Delegatus sich derselben
wieder die Reguln des Processes zu bedienen habe, und dieselbigen auf die Probe
stellen. Denn wie die Meynung dieser Juristen einer an sich selbst dunckelen
Sache wenig Licht giebt, und über dieses diese Gelehrten öffters unter einander
nicht eins sind; also wird solche Probe, oder derer JCtorum gleichförmige oder
wiedrige Meynungen, wenn zumahl die Probe nicht recht deutliche und klare
Grundsätze hat, den Leser mehr verwirrter, als klüger machen.
(Insonderheit denen Schweden und Dänen)
§. III. Von denen Schweden und Dänen muß besonders gehandelt werden. Dieses ist
wahr, daß bey ihnen eine geschwinde Erhaltung des Rechts in Gebrauch, und alle
Weitläufftigkeit im processiren unbekannt sey. Ja ich gebe auch dieses gerne zu,
daß die Urheber derer Gesetze und gerichtlichen Ordnungen in Dännemarck und
Schweden Leute gewesen, welche beyder Rechten, worinnen wir Doctores creiren,
gantz unerfahren gewesen, und nur eine natürliche Klugheit, (daß ist, welche
nicht in Schulen, sondern durch lange Erfahrung zuwege gebracht worde̅) besessen, daher folget aber wiederum nicht, daß wenn bey uns
einer, der nur solche natürliche Klugheit hätte, dergleichen vornähme, es eben
so glücklich einschlagen würde. Die Dänen und Schweden haben niemahls ein
ungewisses Recht, und also auch die daraus fliessende Langwierigkeit der
Processe nicht gehabt, denn also schreibet nach des Conringii Lehrsätzen der
Oldenburgerus: (e) Thesiur. Rerump. part. 2. p. 216.
&. 218. it. p. 270.) e) Alle Könige in Schweden müssen vor
ihrer Krönung schwören, daß sie ohne Beyfall der Stände kein neues Gesetze
einführen wollen. Derer vornehmsten Stände sind drey welche das gröste Ansehen
im Reich haben: nehmlich die Geistlichen, Edellent und Bauren u. s. w. Der
Schweden ihre Gesetze sind sehr alt, und noch von Zeiten S. Erici eines
Schwedischen Königes biß jetzo geblieben, ausgenommen die Kirchen-Gesetze u. s.
w. Die Dänen gebrauchen die Gesetze ihrer Vorfahren, ihr gerichtlicher Proceß
ist nicht verwirret, sondern leichte und weit natürlicher, als der unsrige.
Dergleichen erzehlet (f) Epist. l. jurispublici
Europaei, p. 14. & 29.) von diesen Völckern Joachimus
Hagemeierus, f) Die Dänen haben eine bequeme, und nach den Sitten dieser Nation
sehr geschickte Regiments-Form, indem alle Provintzen in gewisse Aem
|| [165]
ter eingetheiler sind, wohin man
Richter gesetzet / welche die Dänischen Gesetze wohl inne haben. Denn daselbst
werden die Streit-Händel der Unterthanen nicht nach dem Justinianeischen oder
Päbstlichen Recht entschieden, sondern bloß nach den Dänischen Gesetzen, welche
Waldemarus II. soll haben in ein Corpus zusammen bringen lassen. Dieses
Cimbrische Recht ist unter dem König Christiano IV. verbessert und eingeführet
worden / dahero in diesem Reiche vor die Juristen und Advocaten nicht viel zu
thun ist, weil alles auf die alten statuta ankommt. Und von den Schweden
schreibt er also: In Schweden gilt kein Römisches Jus civile. Die vorkommende
Streit-Sachen werden nach ihrem National-Recht ausgemacht, welches schon fast
vor dreyhundert Jahren aus denen Upländischen und West-Gothischen Gesetzen
zusammen gelesen ist. Siehe noch ferner von den Schweden Loccenium g) und von
den Dänen den unbenannten(g) Histor. Suec. l. 8. ad
an. 1615. p. 524. & Antiquit. Suec. Goth. c. 2. 3. 4.) Autorem
der Vertheidigung des Dänischen Staats h) Weit anders ist es nun mit andern
Europaeischen Völckern bewandt, welche, nachdem sie ihre alten Sitten und
Gesetze weggeworffen, oder dieselben mit fremden Rechten vermenget, schon eine
geraume Zeit mit verdrießlichen Processen sind geplagt gewesen. Die gesunden
pflegen eine gantz andere Diaet zu halten, als die Krancken, als welche leicht
hinfallen würden,(h) Vertheid. des Staats von
Dännemarck. F. 1. 6. u. R. 3. a.) wenn ihnen in ihrer Kranckheit eine
solche Lebens-Art vorgeschrieben würde, welche gesunde Menschen in acht nehmen.
Es scheinet auch, als wenn der berühmte Autor, welcher diesen Rath giebt,
solches alles schon eingesehen. Denn was wäre sonst nöthig gewesen, daß er den
Nachdruck der Clausul: Sola facti veritate inspecta, aus dem Canonischen Rechte,
welches er doch selbst vor die Qvelle der Weitläuftigkeit in Processen hält i)
oder aus denen Canonisten k) mit grosser(i) D. Disp.
§. 1.) Mühe und Arbeit erzehlete und untersuchete? und dennoch nach
geschehener Sache wenig dadurch erlanget, gleich als in einer dunckeln(k) ibid. §. 7. seq.) und zweiffelhafften
Handlung. Warum hat man nicht das Schwedische und Dänische Corpus Juris zum
Gebrauch vorgeschlagen, oder warum ist nicht zum wenigsten aus demselbigen, oder
aus denen Processen, wie sie in Schweden und Dännemarck gewöhnlich sind, als aus
einer gewisseren und vernünfftigern Qvelle, und die nicht in der Juristen ihrer
blossen Einbildung bestehet die Krafft und Nachdruck dieser Formul erklähret und
bewiesen worden?
|| [166]
(Das 1. so hierzu erfordert wird / ist ein gut natürliches
Judicium.)
§. IV. Man dencke aber nicht etwa, daß, da ich gesaget, eine natürliche Klugheit,
so mit Erfahrung in öffentlichen Geschäfften verknüpfet ist, sey zu Verbesserung
der Justiz nicht genug, ich deswegen Klugheit und Erfahrung gar verwerffe,
sondern daß ich vielmehr das erstere, oder ein natürliches Judicium nebst der
Erfahrenheit bey einem Rathgeber vor allen Dingen erfordere. Jedoch wir müssen
dieses etwas deutlicher auslegen. Alle Menschen sind von Natur zur Thorheit
geneigt, daher ist weder Weißheit noch Klugheit natürlich, sondern beydes muß
erst erlanget werden. Die Mittel, sie zu erlangen, sind theils Erfahrung, theils
(l) vid. Prudent. Consult. c. 1. §. 23. sq.
Conring. de Civil. prud. p. 107. 111.) Anführung und Lehre, oder
Exempel anderer, iedoch weiser Leute. l) Denn derer Thoren Anführung, welche vor
weise gehalten werden, muß nothwendig wieder zur Thorheit, so unter der
vermeynten Weißheit verstecket ist, leiten. Da man aber bishero überall in der
Meynung gestanden, die Lehre der Weißheit und Klugheit werde allein auf
Universitäten gehohlet, so ist auch alles, was die, so sich nicht auf die studia
geleget, allein durch die eingepflantzete und tägliche Anleitung e. g. ihrer
Eltern, Herren und guten Freunde, und durch Erfahrenheit, ohne eine deutliche
und in Ordnung gebrachte Lehr-Art, begriffen, natürliche Klugheit benamet
worden. Weil aber diese Bedeutung sehr zweydeutig und dunckel ist, habe ich
davor lieber sagen wollen, ein natürliches Judicium oder Urtheil, welches sich
nemlich von Jugend auf spüren läßt, und theils durch Erfahrung, theils durch
weise Lehren ausgebessert wird. Denn einige Menschen sind von Natur gantz tumm,
und Lebenslang nicht zu ändern, und dieses aus Mangel oder Unvollkommenheit
derer innerlichen Theile des Gehirns; andere haben ein langsames ingenium und
judicium, so aber wenn die Verbesserung dazu kommt, sich vorthut und täglich
zunimmet; andere aber geben gleich in ihren zarten Jahren Zeichen eines hurtigen
und geschickten judicii von sich, welches nachgehends durch Lehre und Erfahrung
aufs höchste gebracht wird. Die natürlich tummen wird keiner um Rath fragen, wie
eine Regiments-Form zu ändern sey. Was die langsamen Köpffe anbelanget, so
pflegen zwar dieselben, wenn sie verbessert werden, ihre Mitschüler, die wohl
fertige aber unbeständige und flüchtige ingenia haben, weit zu übertreffen;
allein eben ihre natürliche Langsamkeit zeiget an, daß sie von dem Vorurtheil
menschlicher Autorität sehr eingenommen, und also zur Veränderung derer
verdrießlichen Processe, welche, wo nicht durchgehends, doch mehrentheils (auch
noch heutiges Tages) aus dergleichen Vorurtheilen entsprungen, nicht recht
geschickt seyn, ja, wie solches die bisher erwehnten Rathschläge ausweisen,
indem
|| [167]
sie sich bemühen, die
Verbesserung derer Processe, den Rathschlägen ihrer Vorfahren und dem Alterthum
ohne Schaden, zu Stande zu bringen, so schaden sie dadurch mehr, als daß sie
helffen solten. Nun sind die lebhaftigen und muntern Köpffe noch übrig, welche,
wenn sie von Natur einige Beständigkeit und Vorsicht haben, die geheimen
Ursachen eines Ubels eher ergründen, als die andern, auch ohne tieffe und
langweilige Untersuchung dasjenige, so ein Rathschlag nach sich ziehen dürffte,
vorher sehen, und also sowohl zu Heilung des Leibes, als zu denen Rathschlägen
von Verbesserung des Gemüths, Hauswesens und Regiments, in geistlichen und
weltlichen, besondern und öffentlichen, bürgerlichen und peinlichen Handlungen
am geschicktesten sind.
§. V. Die Betrachtung von dem Verstande giebt uns nun auch(2 Eine fröliche Gemüths-Neigung doch die niemand
schadet.) die Frage an die Hand, was einer, in Ansehung des Willens,
von Natur vor eine Gemüths-Neigung haben müsse, wenn er heilsame Rathschläge mit
Nutzen beytragen soll. Warum die langsamen Köpffe hierzu nicht taugen, ist schon
erwiesen worden: Die Langsamkeit ist ein Merckmahl des Geitzes und der
Melancholie, obgleich darunter etwas vom Zorn und Ehrgeitz mit ist. Bey
dergleichen Leuten ist dieses Ubel, welches wir heben wollen, jung worden, und
durch selbige hat es immer weiter um sich gegriffen, dahero man sich von ihnen
so leicht keiner Verbesserung zu getrösten, ob sie wohl vielleicht, wenn sie
erst einmahl zu Stande gebracht wäre, zu deren Erhaltung nicht untüchtig seyn
würden. Die fertigen, aber dabey flüchtigen ingenia zeigen zwar ein lustiges und
von Melancholie an sich selbst freyes Temperament an, allein wenn die
Ehr-Begierde solches nicht mäßiget, sonderlich aber wenn es mit Geld-Geitz
vermischt ist, ist es unbeständig, und folglich sowohl einen gescheiden Rath zu
geben, als ins Werck zu richten, höchst unfähig, (es sey dann, daß sie aus
Furcht für andern zum guten einiger massen angetrieben werden.) Und das sind
fürnemlich diejenigen, welche, da sie wegen derer abwechselnden Bewegung der
Frölichkeit und Melancholie eine grosse Unbeständigkeit haben, bald freygebig
sind, und denen alles hingeben, denen sie nicht geben solten, bald wiederum sich
als die kärgsten Filtze aufführen, wenn sie gleich die Erbarkeit,
Barmhertzigkeit und Gerechtigkeit zu geben antreiben solte. Es bringet diese
Mixtur einen solchen Unverstand zuwege, daß die Menschen ihre Ungerechtigkeit
nicht verbergen, noch sich vor der daraus erwachsenden Schande fürchten, sondern
wohl gar, wenn sie nur Geld zusammen scharren, oder wenigstens ersparen können,
auch ihre Eltern, Kinder und Vaterland verrathen solten. Hier siehet man
zugleich,
|| [168]
(damit das gesagte zu
gegenwärtigen Zweck angewendet werde) das Kennzeichen derer, die gleichsam zu
Legulejis und Rabulisten gebohren sind, und sie mögen nun Richter oder Advocaten
werden, die Verwaltung der Justiz nicht durch geheime, sondern
höchst-unverschämte Griffe hemmen. Wie nun diese keinen ernstlichen Vorsatz
haben, das Ubel, so ihr Abgott ist, aus der Republique wegzuschaffen; also
können die von ihnen gegebene Rathschläge nicht anders als arglistig und
betrüglich, ja, aus Mangel ihres natürlichen judicii, thöricht und ungereimet
seyn. Hierher gehören einiger ihre weitläufftigen consilia, die aus vielen
autoribus ohne Verstand zusammen geschmattert worden; ingleichen die, so fast
mit eben so wenig Verstande anderer öffters nicht verstandene Meynungen
verwerffen, ihre eigene aber mit überhäufften, undienlichen und sich selbst
wiedersprechenden Beweißthümern vertreten, wovon ich eines jeden Fleiß
überlasse, aus meiner ersten Dissertation Exempel zu suchen. Nun haben wir noch
die lustigen und eben nicht blöden ingenia, die aber Niemand Schaden zufügen,
und sich vor dem Laster der Unverschämtheit hüten, als deren zur Munterkeit
geneigtes Temperament mit einer ehrbahren und geziemenden Ehrbegierde gemäßiget
ist. Wie nun solche ihre Schulden freywillig bezahlen, und ihren Creditoribus
nicht leicht Gelegenheit zu streiten geben, noch, wenn sie belanget worden, den
Proceß ins weite zu spielen suchen, also ist auch ihr Verstand zwar nicht
durchaus vollkommen, doch weit geschickter als bey denen andern, die Ursachen
des Ubels ziemlich tief zu betrachten, und die nichtswürdigen und schädlichen
Hülffs-Mittel, von denen rechten und geschickten zu unterscheiden.
(3) Ein reifes Alter und Erfahrenheit.)
§. VI. Da nun aber ein natürlich gutes ingenium, wie erst gesaget worden, wenn
Unterweisung und Erfahrung dazu kommt, in der Klugheit vollkommener gemacht
wird, so müssen wir erst etwas von der Erfahrung sagen, weil auch dieselbe, es
bekomme sie ein Mensch aus eigenen oder anderer Menschen Thun und Lassen, nicht
sowohl der Kunst und Anweisung, als meistens der Natur und dem Alter, oder
solchen Gelegenheiten, welche wir uns nicht selbsten machen können,
zuzuschreiben. Wir haben einen bekannten Vers des Hesiodi, in welchem er denen
jungen Leuthen das Thun, denen Männern das Rathen, und denen alten Leuten das
Bethen zueignet; alleine es ist mir nicht unbekannt, daß die Poeten so wohl
irren, als andere. Das ist gewiß, daß die Jugend wegen Mangel oder
Unzulänglichkeit der Lehre und Erfahrung zum Rathgeben nicht geschickt sey,
sondern ihre Thaten durch die Befehle und Anschläge derer Männer und Alten
regieret werden müssen. Warum aber
|| [169]
der Poete die Rathschläge allein bey denen Männern suchet, und alte Leute
gleichsam davon ausschliesset, kan ich nicht sehen. Ich wolte lieber sagen, die
Jugend tauge nicht zum Rathgeben, aber zum Vollbringen: Hingegen sey es bey
denen Alten gerade umgekehrt; und die Männer könten sowohl denen Verrichtungen
junger Leute mit einem gescheiden Rath beystehen, als auch ihre eigene
Geschäffte nach alter Leute Vorschrifft besorgen. Denn Männer haben einige
Erfahrung nebst Hurtigkeit des ingenii, und können sich auf ihre Leibes-Kräffte
verlassen, doch gehen ihnen die Alten in der Lehre und Erfahrung noch vor.
Hinwieder gehen denen Alten die Leibes-Kräffte ab, daß sie wenig mehr thun
können, aber eine lange Erfahrung macht sie um so viel behutsamer. Eine kluge
Behutsamkeit aber ist die Seele eines Rathschlags. Es ist mir bekannt, daß das
hohe Alter feige oder doch wenigstens furchtsamer als das männliche ist. Im
Rathgeben aber muß man öffters etwas wagen, und darum hält vielleicht der Poet
die Männer nur vor geschickt dazu. Doch ist hierbey zu mercken, daß unterm
Rathgeben in Kriegs- und Friedens-Zeiten ein grosser Unterscheid sey. Im Kriege
muß freylich offt viel hazardiret werden, weswegen ich auch nicht behaupten
wolte, daß alte Leuthe so gut als die Männer zu Kriegs-Räthen taugen. Allein bey
Rathschlägen, so eine friedliche Reipublique anbetreffen, ist eigentlich keine
Kühnheit und Eilfertigkeit nöthig, wohl aber eine Behutsamkeit, die der
Furchtsamkeit sehr nahe kömmt. Der Friede aber ist der ordentliche Zustand einer
Republick und müssen alle Kriege um des Friedens willen geführet, auch mitten
unter denen Waffen auf den Frieden gedacht werden. Und weil in Kriegs-Wesen die
Gesetze nichts gelten, auch der Grund und die Absicht einer geschwinden
Verwaltung der Justiz der Friedens-Stand ist, als folget von selbsten, daß junge
Leute zu denen Rathschlägen von Verkürtzung derer Processe nicht geschickt; alte
Leute aber, wenn sie nur nicht schon wieder kindisch werden, die Männer hierinne
weit übertreffen.
§. VII. Von der Lehre wird mehr zu erinnern seyn, weil bißher in(4) Daß man die Lehre / die Wahrheit zu erfinden und die
Schriften wohl) denen meisten Schulen fast nur dergleichen Lehren
vorgetragen worden, aus welchen man entweder gar keinen gescheiden Rath geben
können, oder welche doch nicht zulänglich gewesen, einem die Kunst sich und
andern wohl zu rathen recht beyzubringen. Die muß nun also ein Artzt der in
letzten Zügen liegenden Justiz wohl verstehen, auf daß er das jenige, so von
solcher Lehren Einfalt und Unzulänglichkeit geschrieben worden, nicht nur andern
glauben, sondern selbst bemercken könne. Uber dieses soll er noch vie
|| [170]
les, (auszulegen, inne habe.) so bißher in Schulen hindangesetzet, zur
Klugheit aber höchstnöthig ist, lernen, oder durch gewisse Hülffs-Mittel, welche
noch von niemand vorgeschlagen worden, selbsten erfinden. Er muß die Menschen
kennen, das ist, sich selbst und andere. Vor allen Dingen muß er den genauen
Unterscheid zwischen der Natur des menschlichen Verstandes und Willens wissen,
und wie man den Verstand in Erfindung der Wahrheit anzuwenden habe.
Ob nun wohl hier die gemeine Logica in Erfindung der Wahrheit nicht (m) Descripta optime a B. Jac. Tomasio post quaestiones
logicas.) von sonderlichen Nutzen, doch aber die eingeführte Art zu
disputiren m) zum wenigsten so viel lehret, wie in denen Vernunfftschlüssen
viele unnöthige Ausschweiffungen zu vermeiden, wie ein beständiger status
controversiae zu formiren und zu behalten, ingleiche̅ auf was Art
man sich vor denen täglich vorkommenden vielen betrüglichen Sophistereye̅ zu hüten, welches insgesammt eine̅ redlichen
Erfinder der Warheit zum wenigsten vorbereitet, dieselbe desto leichter zu
erfinden; so kan man leicht ermessen, was es der Verwaltung der Justiz
geschadet, daß die Studiosi Juris, (aus denen künfftig Richter, Advocaten und
Räthe werden sollen,) schon seit 50. Jahren, die gantze Philosophie und
absonderlich die Kunst wohl zu disputiren gäntzlich hindangesetzet und ohne
Betretung dieses Vorgemachs in die Jurisprudentz gleichsam durch die Fenster
einsteigen u. einbrechen wollen. Dahero man sich gar nicht zu verwundern, woher
es kom̅e, daß die Advocaten gemeiniglich Klage-Schrifften, so mit
wunderlicher u. fast unglaublicher Ungeschicklichkeit verfertiget sind,
übergeben, und aber, wenn sie excipiren, Articul formiren, u. über den
geführte̅ Beweiß disputiren sollen etc. die Acten mit lauter
verwirrete̅ Sachen meistens anfüllen; daß auch ingleichem die
Richter in einer gantz klahren und verständl. Sache aus Unwissenheit, den statum
controversiae recht zu formiren, die Urtheilsfragen (n)
de qua actum in cautelis circa praecogn. Jurispr. c. 10. §. 60.
seqq.) aus wichtigen Ursachen, wie sie schreiben, öffters an
Juristen-Facultäten zu schicken pflegen, wenn schon die Partheyen selbst darein
nicht consentiren oder gar darwieder protestiren; ja daß auch endlich die Räthe
in ihre Consilia von Verbesserung der Justiz so viel läppisch und unbrauchbar
Zeug heutiges Tages hier und da mit eimnischen. Man hat auch noch eine andere
Art, die Wahrheit zu erfinde und die Unwahrheit nack end (o) in memorabilibus Socratis) vorzustellen, nemlich
durch Fragen n) (welche Art uns von dem Xenophonte o) erhalten, hingegen von
Platonep gantz albern, und wieder seines Lehrmeisters (p) in singulis ejus operibus) des Socratis deutliche Manier
vorgetragen, im übrigen auch von Mons. Clerc q) gelobet, und einiger maßen
entworffen worden). Diese Art ist denen Richtern in peinlichen Sachen
höchstnöthig, bißher aber von denen (q) part. 4. c.
9.) meisten nichts geachtet worden, und ob sie wohl zu der Klugheit zu
rathen insonderheit nicht hilfft, dieweil sie aber doch das Judicium sehr
|| [171]
schärffet und ein von Affecten
nicht zu starck bewegtes Gemüth praesupponirt; so wird selbige auch unser Artzt
der Justitz schwerlich entbehren können. Er muß sich aber vor dem überflüßigen
studio demonstrandi hüten, sowohl für der falschen und unnützen
Aristotelisch-Cartesianischen Art, als auch für der wahren d. i. mathematischen
Manier, (so zwar sonst im gemeinen Leben nicht ohne Nutzen), so ferne nemlich
ein Artzt der krancken Justiz die gemeine Wohlfarth der Republique vor Augen
haben muß. Denn Rathschläge werden von zukünfftigen Sachen gegeben, deren
Ausgang nur wahrscheinlich, und von der Gewißheit derer mathematischen
Wahrheiten gantz unterschieden ist; weswegen es kein Wunder, daß auch derer
grösten Mathematicorum Rathschläge von Verbesserung der Justitz und Beförderung
der Gewißheit im Rechten vom Zweck abgegangen, und in praxi mit Nutzen nicht
gebrauchet werden können. Er muß sich aber noch mehr in acht nehmen vor der
Lehre und Erlernung derer Locorum Topicorum, auch der so genannten Juristischen,
als welche mit denen unendlichen Ampliationen und Limitationen derer Reguln die
Leute zu allerley Rathschlägen höchst ungeschickt macht. Hingegen wird er sich
die gemeiniglich unterlassene Lehre, wie man geschriebene Sachen und Händel
vernünfftig erklähren und auslegen solle, welche zur Erkäntnüß der Wahrheit sehr
nöthig, und der gantzen Jurisprudenz gleichsam ihr Leben giebt, höchst angelegen
seyn lassen / sich aber zugleich vor denen gemeinen Büchern und vielen unnützen
Reguln, so diese Lehre immer mehr verdunckeln, hüten, und mit wenigen und
deutlichen vergnügt seyn, davon in dem andern Theil meiner Logic gehandelt wird.
§. VIII. Ferner da die Erfindung der Wahrheit einen mit lasterhafften(5) ingleichen die echte Sitten-Lehre.) Affecten
nicht behaffteten Menschen leichte, oder doch nicht schwer ist, und die
Vorurtheile des Verstandes aus denen Vorurtheilen des Willens entspringen, so
muß ein Artz der kranckenden Justitz nothwendig eine lebendige Erkäntniß des
Guten haben, sich selbst kennen, und die Lehre, wie die Bewegung der
lasterhafften Affecten wohl zu verbessern, verstehen, welche in der echten
Sitten-Lehre, nicht aber in der gemeinen Aristotelisch-Cartesianischen zu suchen
/ als in welcher zwar viel von denen Tugenden und ihrer Anzahl (doch auch
öffters ohne Vernunfft) geschwatzet,(r) partim in
phil. morali partim in libr. 1. de fund. Jur. N. & G.) der
nöthigsten Sachen aber nicht mit einen Worte gedacht wird, nemlich wie die
Tugenden zu erlangen, wie die vornehmsten Arten derer Lasterhafften zu erkennen,
und wie endlich die unruhigen Bewegungen solcher Affecten zu dämpfen und in
Ordnung zu bringen. Weil ich aber r)
|| [172]
hiervon insgesamt anderswo mit mehrern gehandelt habe, so halte ich vor
unnöthig, mich dabey vorjetzo länger aufzuhalten.
(6) Ferner / die gemeinesten Grnndlehren der Klugheit sich
und andern wohl zu rathen.)
§. IX. Doch alles dieses ist nicht genug zur Klugheit zu rathen, ob man es gleich
als nöthige Dinge zum Grunde setzet. Sondern es ist vonnöthen, die Lehre der
Klugheit selbst wohl zu begreiffen. Denn wie kan ein Unverständiger Consilia
geben? Wie wird er zur Klugheit kommen ohne klare und deutliche Lehren? Wie wird
er die Jurisprudenz, als einen absonderlichen Theil der Klugheit, fassen, wenn
ihm die gemeinen und absonderlichen Grundsätze der Klugheit unbekannt bleiben?
wenn er nicht eigentlich weiß, wie die Richterliche Klugheit von der Klugheit
eines Rathgebers, und wie die politische oder die Klugheit, Gesetze zu geben,
von denen vorigen beyden unterschieden sey. Dieses alles solte die Politic
lehren, auch eben diese disciplin solte auf Universitäten die öberste und
vornehmste seyn. Denn was hilfft es dem Fürsten und der Republique, daß auf
allen Universitäten so viel Lehrer mit nicht geringen Kosten gehalten werden,
wenn sie zwar der Jugend andere Künste und Wissenschafften beybringen, die
Klugheit aber vergessen. Da zumahl die Narrheit dem gemeinen Wesen desto
unerträglicher und schädlicher ist, wenn sie mit einer solchen Gelehrsamkeit
nach der gemeinen Manier verknüpfft worden. Allein das sind Dinge, die geschehen
solten. Nun hat man aber auf Academien schon von vielen Jahren her gelehret, man
könne von der Klugheit und absonderlich von der Klugheit zu rathen, als welche
mit zukünfftigen Dingen zu thun habe, keine gewissen Grundsätze geben, die
Klugheit der Läyen sey sehr verdorben, sie müsse ihre Reguln aus der heiligen
Schrifft, und zwar nach der alleinigen Erklährung der Papistischen oder
Papenzenden Clerisey, hernehmen, die Studiosi aber müsten zu Erfindung
dergleichen principiorum vornehmlich zwey Tugenden besitzen, nemlich die
Leichtgläubigkeit und einen blinden Gehorsam u. s. w. Und wiewohl man auf denen
Academien derer protestirenden Fürsten dergleichen dumme Lehren nicht mehr
vorbringet, so ist doch biß anhero der Mangel der wahren Lehre von der Klugheit
nicht ersetzet worden, biß letzlich der berühmte (s)
Tractatu de civili prudentia.) Medicus zu Helmstädt Hermannus
Conringius dem die Klugheit und Jurisprudenz viel zu dancken, anfienge, die
Philosophe̅ von ihrem Schlafzu ermuntern und selbst ein wenig
durchzubrechen, s) nachhero aber, und (t) vide prud.
Consult. & in spec. Jurispt. Judic. c. 3. med. 4.) da die
Philosophen noch immer stille schwiegen und ein so nützlich und nöthig Werck
vollends zu stande zu bringen vieler Ursachen wegen verweileten, einige Juristen
t) nicht unbillig die ersten Grundsätze der Klugheit überhaupt und denn der zum
Rathgeben u. Richten gehörigen Klugheit inson
|| [173]
derheit zu entwerffen angefangen. Da nun nach der Zeit viele u.
mancherley Schrifften verschiedener Auctoru̅ diese Materie
entweder zu verbessern oder gantz auszuführen getrachtet, u. auch noch viele mit
Edirung dergleichen Abhandelungen fortfahren, so wird ein zukünftiger Artzt oder
Medicus der Justiz vielfältige Gelegenheit haben, die gesunden Lehren von denen
mangelhaften, die gescheiden von denen ungereimten, die bescheidenen von denen
aufgeblasenen und hochtrabenden, und mit einem Worte die wahren von denen
falschen zu entscheiden; jedoch aber an dene̅ Verfertigern solcher
Schrifften zum wenigsten das gute Vorhaben und den Willen, die Mängel einer so
nöthigen Lehre durch ihren Fleiß zu ersetzen, zum besten deuten.
§. X. Weil aber die Klugheit, das gemeine Wesen zu regieren,(Wie auch die Klugheit / das gemeine Wesen zu
regieren.) (man mag nun dieselbe die bürgerliche, oder Klugheit Gesetze zu
geben, oder die Politic nennen) eine Art der Klugheit, sich und andern wohl zu
rathen, ist, und also, gleichwie alle übrige von dieser Klugheit herstammende
Arten / über die gemeinen noch ihre besondern Lehren haben muß, so ist zwar die
Politic auf denen Universitäten bisher gelehret / alleine von denen
papistische̅ Lehrern von Anfang bis zu Ende mit Geheimnissen
der Pfäffischen Politic angefüllet worden, deren vornehmster Lehr-Satz dahin
gehet, daß dem Pabst und denen Pfaffen wohl sey, und sich die Läyen nach dieser
Vorschrifft eintzig und alleine die Begriffe eines guten und schlimmen Regiments
machen mögen. Die Lehrer auf denen protestantischen Universitäten haben entweder
diese pias fraudes, als welche man allezeit mit der Ehre GOttes bemäntelt, nicht
verstanden, und also unvorsichtiger Weise behalten; oder, wenn sie ja an einige
Verbesserung gedacht, sich mit Beschreibung und Eintheilung Politischer Wörter,
als der Republique, Majestät, vielerley Arten der Republique, und derer
Gerechtsamen der Majestät aufgehalten, eine an sich selbst deutliche Sache
verdunckelt, und sich wegen unnützer Fragen, welche gar keinen oder sehr
schlechten Nutzen haben, als z. E. von der besten Regiments-Form, von der
vermischten Republique, von der Zertheilung der Gerechtsamen der Majestät, von
der unmittelbahren Ursache der Majestät, gezancket und die wiedriggesinnten als
Ketzer und des Lasters der beleidigten Majestät schuldige ausgescholten, oder
haben frey bekennet, sie wüsten keine Mittel, eine Republique glücklich zu
machen, an die Hand zu geben, weil man die Bücher des Aristotelis von Gesetzen
und Rathschlägen nicht mehr hätte, oder haben sich von der vollkommenen
Republique die lächerlichsten und mehr als Platonische idéen formiret, und
solche bald in dem Stande der Unschuld, bald bey den Griechen in der
fabelhafften Cyropaedia des Xenophontis,
|| [174]
oder bey dem Lycurgo in Sparta, oder in der Solonischen Republique
zu Athen, bald aber bey denen Römern gesuchet, (wie die Papisten ihre (u) Petrus Magnus de consilio p. m. 652.
seq.) Kirchen-Regiments-Form vor allen übrigen recommendiren) u) die
Mosaische Republique aber fast mit allgemeinem Beyfall übergangen, obgleich GOtt
selbst der Urheber davon gewesen, und sie, was die Policey anbetrifft, mit denen
klügsten Gesetzen und Gebräuchen versehen. Hiebey ist zu gedencken, daß Joh.
Fried. Horn, welcher die gemeine Lehre zu verbessern angefangen / sich nur um
den architectonischen Theil der Politic das ist, um die Einrichtung einer
gesunden Policey bekümmert, die Lehre aber von Verbesserung derselben, als von
dem vornehmsten Theile der Politischen Artzney-Kunst gar nicht berühret, und daß
der sonst berühmte Juriste, welcher zu unsern Zeiten diesen Mangel auch ersetzen
wollen, zwar viele gute Sachen colligiret, unpartheyischen Leuten aber keine
Gnüge gethan / als welche lieber klare Beweiß-Gründe als Aristotelische
Macht-Sprüche verlangen, und gewiß davor halten, daß das Politische
Hülffs-Mittel des Aristotelis, so heut zu Tage fast überall gültig seyn will:
Man müsse die Kranckheiten durch Gebothe, welche das Wiederspiel mit Bedrohung
der Straffe anbefehlen, heilen; der Wahrheit (w) vid.
Hertius Elem. Prud. Civ. Part. 2. in proleg. ex V. Polit. 8.) am
allermeisten zuwieder sey. w) Alleine wenn nun das Gemüthe eines Menschen solche
nüchterne und unzulängliche Lehren eingesogen hat, der einem Fürsten wegen
Verbesserung derer verdrießlichen Processe rathen soll, wie will es da möglich
seyn, daß wenn er auch alle seine Kunst und Kräffte zusammen nähm, ein
ersprießlicher und nützlicher Rathschlag von ihm solte können gegeben werden.
Dahero wenn ein geschickter Verbesserer der Justiz, von dem jetzo die Rede ist,
alle diese Fehler nicht selbst ausbessert, so weiß ich nicht, wen man ihm
hierinne zu lesen vorschlagen solte, sondern man muß vielmehr die wahre Politic
unter diejenige Dinge rechnen, welche man auf Academien noch wünschet, die aber
bisher noch nicht zu Stande gebracht worden.
(7) Nicht weniger die Politische und Kirchen-Historie.)
§. XI. Weil aber die Historie nicht allein das eine Auge der Weisheit ist,
sondern auch den Ursprung derer Irrthümer anzeiget, und zugleich zu Verbesserung
der falschen Lehren anführet, so ist kein Zweiffel, daß die Erlernung derselben
unserm Artzte vortreflich werde zustatten kommen, wenn er obberührten Mangel der
Politic ersetzen will. Hiezu hat er nicht sowohl die Historie der Philosophie,
sondern vornehmlich die Politische vonnöthen. Unter der Politischen Historie
verstehe ich auch die Kirchen-Historie, welche bisanhero aus einem Papistischen
Staats-Streich der Politischen entgegen gesetzet, oder zum wenigsten davon ab
|| [175]
gesondert worden, da doch die Kirche
mit zu dem gemeinen Wesen gehöret, und also das Kirchen Regiment mit dem
Politischen in vielen Stücken verknüpffet ist. Weil sich aber entweder
geistliche Personen in weltliche Händel mengen, oder die Streitigkeiten der
Clerisey auch Uneinigkeit unter ihnen selbst machet, und aus dieser wieder
Zwiespalt unter denen Läyen bey Hoffe, das ist, unter denen Staats- und
Kriegs-Bedienten des Fürsten, ja in der Stadt und auf dem Lande, zwischen denen
Unterthanen und allerwegen unter dem weiblichen Geschlecht, entstehet, und noch
mehrern Zanck hervor bringet, so kommt mehr ein Mischmasch, oder zum wenigsten
eine Unwissenheit, als eine deutliche Erkäntniß aller zur Politischen Historie
gehörigen Umstände heraus, wenn die Politische Historie die Religions-Umstände
und die Kirchen-Historie das mit derselben verknüpfte interesse derer Hoff
Leute, Weibs-Personen und des gemeinen Volcks anzumercken allzusehr unterläßt.
Da aber nach des Vorburgs seinem Wercke papistischer Seite, das historische
Studium von denen Protestantischen Lehrern bißher zu grossem Verdruß der
Pedanterey-Liebhaber mit Ruhm getrieben worden, und auch auf unserer Academie in
gutem Flor ist, (denn von andern kan ich so genau nicht sagen) so ist zu hoffen,
es werden die Hoff-Leute die Fortsetzung der Historie, um des Augenscheinlichen
Nutzens willen, den die gantze Republique davon hat, befördern und ferner
recommendiren. Und sodann werden wir auch Autores genug finden, die von der
Politischen und Kirchen-Historie mit Nutzen zu lesen seyn werden. Wiewohl nun
aber sowohl die Politische als Kirchen-Historie unserem Verbesserer der Justiz
wenig Mittel an die Hand geben wird, die krancke Republique zu heilen, so kan
sie ihm doch die Haupt- und neben Ursachen der Kranckheiten sowohl von Seiten
der Clerisey, als derer Layen sattsam zeigen / nehmlich die Einführung der
falschen und abergläubischen GOttesfurcht, daß man unzehlichen, würcklichen
Verbrechen nachgesehen und Straffen darauf gesetzet, so die Verbrecher mehr
angereitzet als abgeschrecket, ja daß die Regenten und Lehrenden durch ihr eigen
Beyspiel solche Laster in Schwang gebracht, daß man Verbrechen erdichtet in
Sachen so wenig zu bedeuten haben, oder in denen doch zum wenigsten keine
bürgerliche Straffen statt finden: sie kan ihm zeigen, daß sich die Layen
einbilden, sie müsten den Gebrauch der gesunden Vernunfft unter dem Schein, als
bestehe der wahre Glaube in einer blinden Leichtgläubigkeit, wegwerffen, und
also die handgreiflichsten Betrügereyen nicht wahrnehmen, sondern Ochsen und
Eseln gleich werden
|| [176]
und es mit mehr
als Esels-Gedult verschlucken, wenn sie von der Clerisey öffentlich davor
ausgegeben werden. u. s. w.
(Vornehmlich die Historie der Schulen und Academien.)
§. XII. Gleichwie aber Schulen und Universitäten das vornehmste Mittel gewesen,
dergleichen Unheil in Christliche Republiquen einzuführen und zubestätigen, also
ist sehr zu bedauren, daß man sich bißher um die Schul- und Academische Historie
nicht nach Würden bekümmert. Denn obgleich in Joh. Heinr. Alstedii Thesauro
Chronologico, in denen Tractaten von Academien, die Jac. Middendorpius, Thomas
Lansius, Joh. Limnaeus, Christoph Besoldus und Hermann Conringius verfertiget,
ingleichen in Joh. Christian Itters seinem Buche von Academischen Ehren-Tituln
und Stellen, in des gedachten Limnaei Notitia Regni Franciae, in Stephani
Paschasii Investigationibus Francicis, in Joh. Launoji Wercke de varia fortuna
Aristotelis in Academia Parisiensi, beym Adamo Tribechovio in seinem Tractat de
Doctoribus scholasticis, in Caesaris Egassii Bulaei Historia universitatis
Parisiensis, in des Abts Fleury discours de selectu studiorum und vielen andern
mehr, vieles enthalten, so zu unsern Vorhaben dienet, so ists doch allerwegen
zerstreuet und unter einander geworffen, absonderlich bey denen, so sich um die
Rechte der Academien bemühet; theils Sachen sind auch nicht zulänglich, oder
ungewiß und allzu general, oder gehen nur ein oder den andern Theil dieser
Historie an. Wiewohl nun zwar zu unsern Zeiten biß anher die Historie von denen
berühmtesten Männern in Engelland, Franckreich, denen Niederlanden und
Teutschland mit grossem Fleiß ist getrieben worden, so weiß ich doch nicht, wie
es gekommen, daß da Conring in seinen Antiquitatibus Academicis schon vor
viertzig Jahren den Weg gebahnet, sich meines Wissens dem ohngeacht noch keiner
gefunden, der die Annales derer Academien zusammen gelesen, oder von ihrem
Endzweck, Ursprung und Fortgang, ingleichen von den Anfang und Fortgang derer
vier Academischen Facultäten überhaupt, und von jedweden Professionen
insonderheit so zu einer jeden gehören, wie auch von denen Streitigkeiten u.
Zänckereyen, so entweder auf Academien entstanden, oder durch dieselben
beygeleget worden, und dergleichen eine vollständige Historie geschrieben hätte.
Eine solche Historie aber würde unserem Verbesserer der Justitz vor allen
grossen Nutzen schaffen; sintemahl kein Zweiffel, daß die Ungewißheit derer
Rechte und die verdrießlichen Processe allerwegen mit denen Universitäten
entstanden, und durch selbige fortgepflantzet und vermehret worden, wovon an
gehörigen Orte ein mehrers zu reden seyn wird.
|| [177]
§. XIII. Weil aber ausser allen Zweiffel ist, daß ein solcher gerichtlicher(Die Historie derer Gerichte / oder des gerichtlichen
Processes.) Proceß, wie wir solchen haben, weder vor Zeiten bey einem
Volcke anzutreffen gewesen, noch heute zu Tage bey andern, und nicht einmahl bey
allen Christlichen und Europäischen Nationen gebräuchlich ist, so wird wohl
schwerlich ein Medicus der Justiz zu besserer Verwaltung derselben einen
ersprießlichen Rath beytragen können, wenn er keine deutliche Historie vom
Ursprung, Fortgang und Veränderung derer bürgerlichen und peinlichen Gerichte
hat. Denn ich sehe nicht, wie ohne dergleichen Historie ein Jurist sich eine
vernünfftige Art zu richten vorstellen, und sich wahre Begriffe von denen
rechten Ursachen des Verderbs machen könne. Allein auch diese Historie gehöret
unter die Dinge, die man bey der Lehre der Klugheit noch wünschet. Wolte sich
jemand über solche Arbeit machen, so müste er erstlich handeln von der
Proceß-Ordnung bey denen Juden, und von der Einfalt und Gerechtigkeit
derjenigen, so GOtt in der Mosaischen Republique angeordnet; ingleichen von
denen Gerichten derer Griechen, Römer und Teutschen, von jeden besonders nach
Veränderung derer Zeiten, und endlich von denen mancherley Gerichten derer
Völcker in Asien, Africa, Europa und America, von deren Gebräuchen wenig
geschrieben worden. Allein auch diese Historie will einen Menschen haben, der
Verstand und Gedult zu schwerer Arbeit hat: Denn er wird in allen Büchern und
Capiteln genug finden, welches Fleiß und grosse Mühe erfordert. Was nun den
Römischen Proceß anlanget, so ist schon von denen Zeiten der freyen Republique
viel nutzbahres aus dem Cicerone und andern Römern zu nehmen; doch finden sich
bey denen Veränderungen, so unter denen Käysern vorgegangen, viele
Schwierigkeiten, ja es ist Tribonianus nebst denen übrigen Räthen des Justiniani
so unachtsam gewesen, daß die LL. und Constitutiones in denen Institutionibus,
Pandectis, Codice und Noellis, so vom gerichtlichen Processe handeln, kaum
den dreyßigsten Theil davon entwerfen, und solche Abhandlung einem Gemählde
gleichet, worauf der Mahler das wahrhafte Ebenbild eines Menschen vorzustellen
versprochen, da doch nichts mehr als die Augenbraunen, ein Stückgen von der
Nase, das Kinn, und einige Stoppel-Haare zu sehen. Es können zwar Francisci
Polleti Historia fori Romani und Georgii Obrechti Exercitium Juris antiqui de
rei vindicatione eines und das andere zu solcher Historie beytragen, doch wird
ein curieuser Erforscher der Antiquität in beyden viele Lücken und vieles zu
verbessern antreffen. Die Teutschen anlangend, so ist die Historie der teutschen
Gerichte noch unbekannter, und über dieses noch in viel
|| [178]
falsche Meynungen verwickelt. Die
Juristen solten sich schämen, daß nach dem Conring schon in der 1647. gehaltenen
dissertation de judiciis reipublicae Germanicae die Bahne gebrochen, sie dennoch
in 70. Jahren den Schlaff noch nicht aus denen Augen gewischet und an statt dem
gemeinen Wesen schädlicher oder wenigstens unnützer Lehren, eine so nützliche
und heilsame Arbeit nicht fortgesetzet, und die Mängel der angeführten
dissertation nicht ersetzet. Denn er beschreibet nur die Rechts-Sachen, (x) wie er selbst bekennet §. 2.) x) die in denen
teutschen Gerichten vorgekommen, auch die Richter selbst; aber von der Art und
Weise, auf welche sie abgehandelt worden, schweigt er gantz stille, nur daß er
mit wenigen gedencket, wie (y) §. 17.) sie eine
sehr kurtze Art zu richten gehabt y). Daß aber die Juristen bisher viel nichtige
und falsche Begriffe von denen teutschen Gerichten, zumahl in älteren Zeiten /
und von der Proceß-Ordnung, als wahre vorgetragen und aufs hefftigste
vertheidiget, solches habe ich in einigen disputationen (als de jurisdictione
& magistratuum differentia secundum mores Germanorum, de origine
processus inquisitorii, de origine processus inquisitorii contra sagas, de
origine natura, progressu & interitu judiciorum Westphalicorum
occultorum, de occasione, conceptione & intentione Constitutionis
Criminalis Carolinae) gewiesen.
(Die Historie der Uneinigkeit zwischen denen Professoribus Juris und Scabinis
in Teutschland / und hauptsächlich in Sachsen.)
§. XIV. Da ferner heute zu Tage unstreitig ist / daß so wohl die Scabini in denen
Schöppen-Stühlen, als auch die Professores in denen Juristen-Facultäten fast
allerwegen die Doctor-Würde beyder Rechten haben, und ohne ihre Schuld in einer
allgemeinen Unwissenheit der alten teutschen Rechte und Processe stecken, so ist
auch gewiß, daß die Schöppen-Stühle und Juristen-Facultäten noch ietzo in vielen
Stücken nicht einig sind; allein solche Uneinigkeit ist gewiß nicht geringer
zwischen Schöppen-Stuhl und Schöppen-Stuhl, ingleichen zwischen Facultäten und
Facultäten. Vor diesem aber war es nicht so; alleine, da die Professores und
Doctores Juris ihre Vaterlands-Rechte als gemeine, einfältige und der Canaille
bekannte Dinge verachteten, und an deren statt die Römische Rechte, sowohl das
Justinianeische als Canonische, einführen wolten, so wiedersetzten sich ihnen
die Schöppen und Rathsherren tapfer, vornemlich in denen Reichs-Städten, ja auch
im Chur-Fürstenthum Sachsen und anderwärts, wo Academien waren. Da war auf
beyden Seiten ein schrecklich Gezäncke, und gebrauchten sich beyde derer
listigsten und gewaltsamsten Rathschläge wieder einander. Indessen, da die
Doctores endlich die Scabinos unterdruckten, und sich selbst in die Schöp
|| [179]
pen-Stühle einschlichen, wendeten
sie allen Fleiß an, und thun solches auch noch, daß die rechten und
wahrhafftigen Umstände dieses Krieges vertuschet worden, und denen wenigsten nur
überhaupt etwas, wiewohl auch solches nur Stück-Werck ist, von dieser
Streitigkeit bekannt ist. Denn die schon vor funfzig Jahren unter dem praesidio
des seel. Jacobi Thomasii 1662. zu Leipzig gehaltene dissertation Friderici
Brummeri von denen Scabinis alter, mittlerer und neuerer Zeiten, welche
nachgehends zu des Ludolphi Hugonis Buche de statu Regionum Germaniae gedrucket
worden, und von dieser gantzen Materie nichts als einige magere Anmerckungen
enthält, kan ein Beweiß seyn, wie unwissend damahls die Gelehrten in ihren
eigenen Vaterlands-Geschichten gewesen. Die Schuld solcher Ungewißheit aber ist
dem Brummero gar nicht beyzumessen, als einem damahls gar fleißigen und
gelehrten Menschen, wie solches seine Schrifften, die der seel. D. Beyer
nachgehends zusammen herausgegeben, zeigen, und welcher in gedachter
dissertation alles, was man nur damahls von denen Scabinis wissen kunte,
vernünfftig zusammen gelesen und in Ordnung gebracht hat; dahingegen nach diesem
die Anno 1669. unter dem praesidio des Herrn Bechmanns gehaltene juristische
Inaugural-Disputation, von denen Schöppen und Schöppen-Stühlen, mit solcher
Einfalt von dem Autore zusammen geschrieben worden, daß sich auch ein von Natur
unverschämter Kerl schämen muß, wenn er sie lieset. Jedoch werden einige
Autores, die nach der Zeit geschrieben, hiervon mit Nutzen zu lesen seyn, welche
in meinen gedachten Disputationen von der Ursache und dem Endzweck der
Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung, ingleichen vom Ursprunge derer Westphälischen
Gerichte angeführet sind. So hab ich auch anderswo z) einige wenige(z) in notis ad Conr. Sinceri dissert. epistol. p. 48
not. 26.) Nachricht von denen Leipzigern Händeln zwischen denen
Doctoribus Juris Civilis und denen alten Scabinis mitgetheilet; woraus dasjenige
erläutert und verbessert werden kan, was Itterus a) angemercket, wie damahls
kein Doctor Juris in denen Reichs-Städten in Rath genommen(a) de Honor. & grad acad. c. 9. §. 22. s. p.
370. seq.) worden, und was die eigentlichen Ursachen solcher
Ausschliessung und derselben neuen Veränderung gewesen. Noch deutlichere
Umstände wird man in meinem Anhange an Melchior von Ossen Rathschlag, den er
ehemahls dem Sächsischen Chur-Fürsten Augusto gegeben, finden, in welchem ich
einen kleinen Anfang zu historischen Annalibus gemacht habe, die vornehmlich auf
die Historie derer verderbten teutschen Rechte gehen. Allein die rechten Mittel
fehlen uns noch, die zum völligen Vortrag einer solchen Historie gehören, weil
die nöthigen Nachrichten von denenjenigen allzu geheim gehalten werden / die
ihren Vortheil zu verlieren
|| [180]
sich
befürchten, wenn die alten teutschen Rechte und die alte gute und geschwinde Art
zu richten wiederum empor kommen solte. Alleine nachdem wir durch andere,
vornehmlich aber des fleißigen Herrn Lünigs rühmliches Exempel, viele bishero
verborgene zur Politischen Historie von Teutschland und von allen teutschen
Ständen insonderheit höchstnöthige Schrifften bekommen haben, die sich vor
zwantzig Jahren niemand würde unterfangen haben, heraus zu geben, wegen des
eitlen Vorwands eiger sehr weniger vornehmer Leute, welche auf allerhand Art die
Leute zu fürchten machten; also versprechen wir uns auch noch etwas gutes und
deutliches von der Historie der Unterdrückung derer teutschen Gewohnheiten, die
allgemeinen Rechte und die Verwaltung der Gerechtigkeit betreffend, sowohl von
eben demselbigen, als auch von andern, die einen freyen Zutritt zu denen
Fürstlichen Archiven und geheimen Urkunden derer hohen Schulen und Städte haben.
Indessen mercke ich hier nur dieses noch an, daß, so lange diese Sachen nicht
bekannt gemachet werden, man keinen gescheiden Rathschlag von Verbesserung der
Justitz erwarten darf, indem ein Rathgeber ohne dieselben sich weder von dem
rechten Ursprung der Kranckheit, noch von derselben vornehmsten Umständen eine
rechte Einbildung machen kan, welches doch, wie wir bald sehen wollen,
allerdings bey dergleichen Rathschlägen erfordert wird.
(8) Die warhafften Grund-Sätze des Natur- u.
Völcker-Rechts.)
§. XV. Weil es aber ein rechtschaffener Jurist seyn muß, der zu Heilung der
krancken Gerechtigkeit soll gebrauchet werden, so ist es auch eine ausgemachte
Sache, daß er auch die Grund-Lehren des Natur- und Völcker-Rechts wohl inne
haben müsse. Man hat zwar bißhero nicht allein hieran gezweifelt, sondern auch
scharf darauf bestanden, das Recht der Natur und die davon aufgesetzten
Schrifften des Grotii, Pufendorffs und anderer schadeten b) einem Studioso Juris
mehr, und könte er sich schon (b) Conf. jam notata in
Disp. de difficult. emend. administr. justit. §. 25.) behelffen, wenn
er sich das Justinianeische Recht, welches aus dem Natur- und Völcker-Rechte
genommen sey, wohl bekannt machte; allein, GOtt sey Danck! die Feinde haben
dieses denen Juristen, Philosophen und Theologen höchstnützliche, ja fast
unentbehrliche Studium bis hieher nicht unterdrücken können, ob sie gleich immer
fortfahren heimlich zu murren und dieser Lehre, wo nicht durch öffentlichen
Wiederspruch, doch heimlicher und heimtückischer Weise Abbruch zu thun. Daß aber
ohne die Wissenschafft des natürlichen Rechts alle Rathschläge von Verbesserung
der Justiz-Verwaltung vergebens sind, solches wird derjenige gar leicht
erkennen, welcher bedencket, daß ein Jurist nicht nur in dene üblichen Gesetzen,
zu derselben Verständniß, das jenige, so aus dem Rechte der Natur genommen,
|| [181]
und dasjenige, was dem natürlichen
Rechte, wegen eines besondern, und sehr offt sich verändernden Nutzens dieses
oder jenes gemeinen Wesens, beygefüget worden, unterscheiden; sondern auch, wenn
es an ein verändern und verbessern derer Gesetze gehet, sich bemühen müsse, daß
zwar das bürgerliche Recht, ob es gleich einen Schein der natürlichen Billigkeit
hat, geändert werden könne; dasjenige aber unangetastet bleibe, so das Natur-
oder Völcker-Recht gebeut oder verbeut; hauptsächlich aber, daß nicht unter dem
Deckel einer eingebildeten Billigkeit oder der Christl. Liebe ein der gantzen
Republique schädliches Recht eingeführet werde. Wo will aber einer die
Hirnbilligkeit von der rechten unterscheiden, wenn er der Sitten-Lehre und des
Natur-Rechts unerfahren ist? Hiezu kömmt, daß unser politischer Artzt genau
wissen muß, was in denen väterlichen Land-Rechten denen Gebräuchen und dem
Proceß nach recht und billig, und was hingegen wieder die gesunde Vernunfft
gewesen; ingleichen, was das Justinianeische Recht, welches nach und nach in das
teutsche eingeschlichen, haben wolle, so doch wegen der besondern Bewandnüß, die
es mit denen Sitten der Römer gehabt, gantz thörlich auf unsere Sitten
appliciret wird; nicht weniger, was in dem Canonischen oder Päbstischen Rechte,
so grösten Theils in Teutschland im Brauch ist, und in dem durch solches
eingeführten Civil- und Criminal-Process, unter dem Schein einer sonderbahren,
in der That aber heuchlerischen Gottseeligkeit und Christlichen Liebe denen
grossen Herren und Staats-Leuten bisanhero angepriesen worden, so doch als eine
dem gemeinen Wesen schädliche und denen Regeln der natürlichen Rechts-Gelahrheit
schnurstracks zuwieder lauffende Sache, amallerersten ausgemertzet werden müsse,
u. s. w.
§. XVI. Daß ein Verbesserer der Justiz das Justinianeische Recht(9) Das Justinianeische und
Päbstische Recht / und daß er wegen dieser beyden Rechte unpartheyisch
sey.) verstehen müsse, giebt ein jeder des wegen zu, weil fast alle
bisherige Rathgeber darinnen was sonderliches gethan gehabt, und ihm sonst die
Liebhaber des Justinianeischen Rechts das gemeine Sprichwort entgegen setzen
würden; daß nemlich die Kunst von niemand als einem Unwissenden gehasset werde.
Und da die gemeine Einbildung von dem grossen Nutzen des Justinianeischen Rechts
in denen teutschen Gerichten augenscheinlich falsch ist, so kan ja diese
Wahrheit keiner zeigen, wenn er nicht das Justinianeische Recht aus dem Grunde
gelernet hat. Die Wissenschafft des Päbstischen Rechts aber kan der, so wegen
Verbesserung der Justiz um Rath gefraget wird, deshalben nicht entbehren, weil
nicht allein die Vermischung des Päbstischen Rechts mit dem Justinianeischen und
denen teutschen Sitten eine Ungewißheit derer Rechte hervorgebracht, sondern
weil auch das Päb
|| [182]
stische Recht,
sowohl was die materialia als formalia des Processes anlangt, sowohl in denen
Landen derer Protestantischen Fürsten, als bey denen Römisch-Catholischen, einen
grössern Nutzen vor Gerichte hat, als das Justinianeische; obgleich auf denen
protestirenden Academien bishero das Gegentheil, wiewohl nicht aus böser
Meynung, der Jugend beygebracht, und dahero auf denen meisten erwehnten
Academien die Lehre des Canonischen Rechts mit Fleiß hind angesetzet worden, u.
auf vielen noch jetzo (c) per ea, quae latius docui
cautel. circa praecogn. Jurispr. Eccles. C. penult. &
ult.) nicht getrieben wird. c) Inzwischen wie ein Weiser sich vor
thörichten und ungerechten Thaten hütet, und dergleichen auch, wenn er eine
obrigkeitliche Person ist, straffet, deswegen aber keinen Menschen hasset oder
anfeindet, auch keine vernünfftige Ursache hat, jemand gehäßig oder gram zu
seyn; also muß sich zwar unser politischer Artzt hüten, daß er nicht nach dem
gemeinen Schlendrian derer Juristen dafür halte, das Justinianeische Recht sey
das klügste und gescheideste, und das Canonische sey noch überdiß das heiligste
und billigste; sich aber auch in acht nehmen, daß er nicht auf den andern Abweg
gerathe, und Justinianum, Tribonianum und deren Helffers-Helffer bey
Verfertigung des Corporis Juris, ingleichen die Kirchen-Väter, Päbste,
Canonisten, sowohl alte als neue, noch auch die heutigen Juristen, so von der
Vortrefligkeit beyder Rechte ein Hauffen Schreyens machen, hasse und mit
spitzigen Spott-Reden sie auch bey andern übel anzuschreiben sich vornehme. Denn
wie Pompejus sehr unverständig gesaget: Wie will ich unter denen Waffen an die
Gesetze (d) Grot. Proleg. ab init. de J. B. &
P.) gedencken d): so würde er hingegen die Wahrheit gesaget haben, wenn
er gesprochen: Wie will ich im Zorn und Grimm an die Verbesserung der
Justiz-Verwaltung dencken? es mögen nun Lactantius (e)
vide praxin Ethic. c. 6. circa fin.) e) und mit ihm alle dem Zorn
ergebene unweise Weisen wiederpelfern wie sie wollen, und GOtt anruffen, daß er
sie doch mit dem Hasse derer Wiedriggesinnten erfüllen wolle. Es sind viel
herrliche Dinge in beyden Rechten, von denen zu wünschen, daß sie bey uns auch
im Gebrauch seyn möchten, es ist aber auch viel gottloses und thörichtes Zeug
mit darunter, zu dessen Absonderung aber von denen erstern ein unpartheyischer
Mann erfordert wird. Tribonianus und seine Anhänger haben geirret, die Väter,
Päbste, Legisten, Canonisten haben geirret, allein irren ist menschlich. Sie
haben zwar viel närrische Dinge vorgenommen; allein die Unsinnigkeit ist auch
eine Art der Kranckheit. Sie haben vermeynet, und halten auch noch dafür, sie
thun GOtt einen Dienst mit solchen unsinnigen Dingen, ja sie stehen allerdings
in der festen Einbildung, es wären solche zu Beförderung der Gerechtigkeit und
deren Verwaltung sehr geschickt. Da
|| [183]
hero sind solche Leute, wie andere Krancken Liebe, und Erbarmungs-würdig; ein
weiser Mann aber darf sich keinesweges über sie erzürnen oder ereyffern.
§. XVII. Weil dem Pabstthum viel daran gelegen war, daß die(10) Das Saats-Recht des Teutschen Reichs.) auf
Academien studirenden keinen rechten und wahren Begriff von dem Zustand und
Beschaffenheit des Teutschen Reichs bekommen möchten, so hat man auf Academien
und bey denen allgemeinen Studiis an keine Professionem juris publici gedacht,
sondern der studirenden Jugend und folglich denen künfftigen Professoribus
Academicis aus dem Päbstischen Rechte gottlose u. die Majestät des Teutschen
Reichs beleidigende Lehren als Glaubens Articul eingeschärffet u. gelehret, wie
solches auf denen Päbstliche̅ Academie̅ noch
heutiges Tages geschicht. Diesen Irrthum haben die Protestantischen Academien
aus überleyer Hochachtung des Canonischen Rechts nebst andern
Pabstthums-Stückgen biß auf die Zeit des Herrn Pufendorffs beybehalten, welcher
unter dem erdichteten Nahmen des Monzambano diese ungereimte Lehren am ersten
untersuchet und zu verbessern angefangen. Weil er aber aus gewissen Ursachen,
die man leicht errathen kan, in dieser Schrifft nicht alle Affecten bey Seite
gesetzet, und, wie es denn gemeiniglich zu geschehen pfleget, daß die ersten
Verbesserer nicht gleich alles sehen, auch andern noch viel zu verbessern übrig
gelassen, so sind nach der Zeit auf einigen Protestantischen Universitäten auch
professiones juris publici angerichtet worden. Auch von diesem Rechte nun muß
unser politischer Artzt eine deutliche Erkäntniß haben. Denn ob er gleich alle
Umstände von dem Grund u. denen Ursachen der Kranckheit, von denen unnützen und
von denen wahrhafftig zuträglichen Hülffs-Mitteln, wie wir solches bald zeigen
werden, wohl bey sich überleget, so werden solche Gedancken doch alle umsonst
seyn, wenn die Teutsche Regiments-Form also beschaffen, daß die
allernützlichsten und andern Republiquen sehr vortheilhafften Mittel, unserm
Reiche nicht im geringesten nützen solten, davon aber wird niemand urtheilen
können, dem der Zusammenhang des Haupts und der Glieder, die Vorzüge der
Käyserlichen Majestät, die Landes-Hoheit der Stände, die Vorzüge derer Chur- und
andern mächtigen Fürsten vor denen übrigen Fürsten, Grafen, Reichsstädten und
freyen Reichs-Ritterschafft, die ungewöhnliche und gantz besondere
Beschaffenheit der Unterthänigkeit und des Gehorsams, den die Reichs-Stände dem
Reiche und dem Käyser zu leisten schuldig sind; die Macht und das Ansehen des
Cammer-Gerichts, und wie die Unter Gerichte sich gegen selbiges verhalten,
|| [184]
die Gewalt u. Gerechtsame derer
Stände, solche Rechte oder Gewohnheiten und Proceß-Ordnungen, die von denen
gemeinen, durch Reichs-Abschiede bekräfftigten, Rechten und von denen Cammer-
und Hof-Gerichts-Ordnungen, wie Himmel und Erde unterschieden sind, in ihren
Landen einzuführen oder zu behalten; die Macht und die Gültigkeit der Landstände
und deren Stimme, so fern sie zu Einführung eines neuen Rechts in denen Landen
derer Reichs-Stände nöthig sind oder nicht, nicht wohl bekannt sind. Daß aber
solches nöthig sey, wird ein jeglicher leicht erkennen, welcher wahrgenommen
oder wahrnehmen wird, daß solches auf denen Catholischen Academien entweder gar
nicht oder doch irrig gelehret wird, auf denen meisten Protestantischen
Universitäten aber die Standes-Personen und adeliche Jugend so wohl, als die
meisten bürgerlichen Studiosi, ob sie gleich mit der Zeit in Städten oder bey
grossen Herren Räthe zu werden gedencken, das Studium des Staats Rechts zur
lincken Hand liegen lassen, und es also kein Wunder sey, daß sie hernach als
Räthe auch solche Rathschläge von der Verbesserung der Justiz geben, die emweder
gar nichts taugen, oder wenn sie auch sonst an sich selbst sehr gut wären, sich
doch gar nicht auf den Zustand des Regiments reimen. Uber dieses muß auch unser
Artzt die Macht seines Principals wohl in Betrachtung ziehen. Denn ob wohl Recht
und Macht sehr unterschieden sind, so ist doch gewiß, daß gleich wie Macht ohne
Recht eine Rauberey, also Recht ohne Macht ein unkräfftiges Recht sey. So
erinnert auch der Apostel, daß nicht alles / was wir Macht zu thun haben, auch
nützlich sey. Wir werden an seinem Orte erweisen, daß der vornehmste Ursprung
der Verzögerung der Justiz das Jus Canonicum sey; das werden aber die
Catholischen Juristen langsam erkennen, dahero auch in Ansehung ihrer vorietzo
keine nachdrückliche Ausmertzung dieses Ubels in denen höchsten Reichs-Gerichten
zu hoffen; vielmehr ist zu befürchten, daß die Anbeter des Canonischen Rechts
alle Mühe anwenden werden, daß wenn die vor denen Ständen, so die vom
Canonischen Recht verursachte Verlängerung verbessern wollen, geführte Acta in
Form einer Appellation an diese höchsten Gerichte kommen, sie die Abschiede
erster Instantz nach dem Canonischen Recht ändern, wenn nicht diese
Reichs-Stände mächtiger sind, oder das Recht haben, daß von ihnen nicht kan
appelliret werden, u. s. w.
(Antwort auf den Einwurf)
§. XVIII. Ich kan aber leicht zuvor sehen, daß diejenigen, welche davor halten,
die Verbesserung und Verkürtzung derer Proceße sey politice und moraliter
unmöglich, gedencken werden, sie bekämen aus dem,
|| [185]
was bißher gemeldet worden, neue
Ursachen, ihre Meynung zu vertheydigen;(von
Unmöglichkeit der Verbesserung wenn so viele und hohe Wissenschafften zu
einem Verbesserer der Justitz erfordert werden.) als ob neml.
gleichfalls moraliter unmöglich sey, daß ein einiger Mensche so viel Lehren und
Wissenschafften besitzen solle, zu deren jeder ein gantzer Mensch erfodert
werde, der doch wohl Zeit Lebens nicht vollkommen darinne würde, nach dem
uhralten Sprichwort, die Kunst ist länger als unser Leben. Hiezu käme, daß ich
nicht wenige Lehren, so zu einem politischen Artzt gehören solten, wo nicht
gantz, doch die meisten und nöthigsten Theile von selbigen unter diejenigen
Dinge, daran es unsern Universitäten mangele gerechnet, als z. E. die
Grund-Sätze der Klugheit, Rathschläge zu geben und zu regieren, die Historie
derer Schulen und Academien, des gerichtlichen Processes und der Uneinigkeit
zwischen denen D D. Juris und Schöppen in Teutschland u. s. w. f) Allein hierauf
will ich keine Antwort schuldig bleiben. Wer mir dergleichen Einwurff machet,
der hat nicht einerley Begriff der Weißheit mit mir. Das Pabstthum und dessen
bey uns noch übrige grobe Brocken suchen die Weißheit darinnen, daß einer viel
und mancherley Dinge wisse, und ein grosser Polyhistor(f) supta §. 9. 10. 11. 12. 13. 14) sey, daß er die Poeten,
Historien-Schreiber, Redner und Philosophen sowohl Griechen als Lateiner
verstehe, die subtilsten Fragen aus der grammatica, dialectic, metaphysic,
mathesi, physic, ethica und politica auf beyderley Recht oder Meynung auflösen,
darüber zancken, oder vor die eine Entscheidung von solchen Fragen als vor eine
ausgemachte Wahrheit mit der grösten Gemüths-Bewegung kämpffe, ja sich darbey
tod schlagen lasse u. s. w. Ich aber halte das vor Weißheit, wenn einer wenige
und nützliche Dinge weiß, und die vielen so wohl ihn selbst, als der gantzen
Republick mehr schädlich als nützlichen Sachen nicht zuwissen verlanget, wenn er
einen schlechten und geraden Weg weiß, der eines jeden von Vorurtheilen
befreyten Menschen Verstand begreiflich sey, das Nützliche von dem Unnützlichen
zu unterscheiden, diese aus dem Kopf zu bringen u. nur das wenigste zu behalten,
wodurch man geschickt wird, mit leichter Mühe neue zur Beförderung des gemeinen
Besten und Vertilgung des Unheils dienliche Wahrheiten zu entdccken. Die Lehren
aber anlangend, so ich oben unter die Mängel der Academien gezehlet, so wird der
gesamte context zeigen, daß auch in solchen mit nechsten eine Verbesserung zu
hoffen, oder auch schon solche Hülffs-Mittel vorhanden, die unserm Artzt gantz
wohl zu statten kommen werden u. s. w. Inzwischen will ich nicht leugnen, daß
dieses vielmehr dasjenige bekräfftige, was ich vorher schon behauptet, daß
nehmlich die Heilung der Justiz nicht so leicht und geschwinde erfolgen dürffte,
sondern einige Zeit erfordert werde, in wel
|| [186]
cher obberührte Mängel ersetzet werden, und daß die Lehrer auf
denen Protestantischen (wolte GOtt auch auf denen Catholischen) Academien, vor
ihren überleyen (welches Wort wohl zu mercken) Fleiß, den sie auf die
Griechischen und Römischen Antiquitäten wenden, vielmehr die verborgenen
altenteutschen Geschichte (aufs wenigste derer letzten fünf hundert Jahre)
besser untersuchten, und an statt gekünstelter und unnützer Fragen in allen
Stücken der Gelehrsamkeit vielmehr deutliche und nützliche Dinge vornähmen und
sich darauf legten.
(11. Weiter muß sich ein Verbesserer der Justitz deutliche
Ideen von einer geschwinden Justitz machen.)
§. XIX. Es ist aber noch nicht genug, daß ein politischer Artzt alle biß hieher
erforderte Eigenschafften hat, denn alles dieses gehöret nur zur Vorbereitung,
sondern wir müssen auch die Art und Weise etwas genauer betrachten, welche er in
Verbesserung der langweilige̅ Rechts-Verwaltung selbst beobachten
muß, und ohne welche das Vornehmen unmöglich einen guten Ausgang haben kan.
Diese methode nun werden wir wohl am besten zeigen können, wenn wir unsern
Verbesserer der Justitz mit einem würcklichen Artzt vergleichen Alle
Disciplinen, die zur thätigen Philosophie gehören, sollen vor allen Dinge̅ lehren, eine deutliche aber keine gar zu subtile oder närrische
Erkäntniß von Erhaltung des vorgesetzten Zwecks vorzutragen. Also muß ein leibl.
Artzt einen Begriff der menschl. Gesundheit habe u. zwar so, wie davon
alltägliche Exempel zu finden; er muß sich aber nicht etwa eine englische
Gesundheit, oder wie die Menschen im Standt der Unschuld würden gehabt haben, im
Gehirne einbilden, noch auch etwa eine solche, in welcher die Menschen vor der
Sündfluth lebten, als von deren Lebens-Art und denen Ursachen ihres langen
Lebens wir nichts zuverläßiges sagen können. Gleichergestalt muß ein
rechtschaffener Politicus einen Begriff einer vollkommenen Republick fassen,
nicht nach dem Platonischen oder Ciceronianischen Schlaraffen-Land, noch nach
den Exempeln anderer Republicken, z. E. der Atheniensischen, Spartanischen,
Römischen, Constantinopolitanischen, Türckischen, noch der alten Teutschen, am
allerwenigsten aber nach der Affterchristlichen, oder deutlicher zu sagen, nach
der Päbstlichen Monarchischen Regiments-Form, sondern allein nach der
Vorstellung der Mosaischen Republick, wie sie nach der Lehre Christi von denen
Ceremonien als dem Schattenwerck derer zukünfftigen Dinge gereiniget (g) repete supra dicta §. 10.) worden g). So muß
auch ein Jurist, der die langwierigen Rechts-Händel beschneiden will, die
irrigen Vorstellungen einer geschwinden Rechts-Verwaltung von denen tauglichen
unterscheiden, daß er nehmlich untersuche, ob diese Geschwindigkeit mit einer
Ungerechtigkeit nicht schon würcklich verknüpfft sey; oder doch dazu in andern
Exempeln werde Anlaß geben,
|| [187]
oder ob
hieraus sonsten ein Schade vor das gemeine Wesen entstehen werde. Ferner
beschauet er anderer Völcker ihre Arten zu richten, so wohl in peinlichen als
bürgerlichen Sachen, und vergleichet solche nicht allein unter einander, sondern
auch mit der Mosaischen Gerechtigkeits-Verwaltung. Woraus leichte zu begreiffen,
was da vor eine Menge Betrachtungen zu finden, die nicht pedantisch und eitel,
sondern den Verstand in politischen Dingen zum Wohlseyn der Republick zu
schärffen sehr beqvem sind. Also werden z. E. das Salomonische Urtheil, der
Ausspruch eines Königes, dessen Nahmen mir entfallen, der durch eine verstellte
Gnade und Vertauschung derer Hüte einen Kerl, so eine ihm aufzuheben gegebene
Sache verlengnen wolte, der Lügen überführte, das Urtheil des Appii Claudii für
die Knechtschafft wieder die Freyheit, das Gerichte des Raths zu Budstädt wieder
einen Todtschläger, welches zur Nachts innerhalb wenig Stunden nach geschehener
Ubelthat angestellt, geendiget und zur execution gebracht worden, h) ja noch
viel andere Dinge mehr, vielerley Betrachtungen(h)
vid. Mulleri Annales des Hauses Sachsen ad ann. 1470. p. 40.) an die
Hand geben, wodurch die Lehre von Verbesserung der Processe um ein merckliches
erläutert wird. Bey der Vergleichung der Processe anderer Völcker unter einander
ist auch derer Römer Art zu processiren unter denen Königen und der Process in
der freyen Republick vor und nach der Erlangung des Gesetzes der zwölff Taffeln,
ingleichen das rechtliche Verfahren unter Justiniano gegen einander zu halten,
dergleichen auch bey dem teutschen Processe die alten Zeiten, da in
zweiffelhaften Sachen der gerichtliche Zweykampf noch üblich war, gegen der
nachfolgendem Art zu processiren muß gehalten werden, da die Geistlichkeit
andere so genannte gemeine, allein sehr betrügliche und abergläubische,
Rechtfertigungen und Purgationes eingeführet, biß endlich die Reinigungs-Eyde,
jedoch anfänglich mit einem Hauffen conjuratoribus Mode worden. u. s. w. Ferner
muß auch wieder Octavium Pisanum, welcher in seinem Lycurgo Italico den
Römischen Inquisitions Process zum Grunde setzet, erwiesen werden, daß dieser
Process die Gerechtigkeit nicht befördere noch beschleunige, sondern gantz und
gar zu Verzögerung der Rechts-Sachen und ficherer Ausübung der grausamsten
Ungerechtigkeit unter dem Schein der billigsten und heiligsten Gerechtigkeit
erfunden sey. Dabey könnte man den Proceß in Dennemarck und Schweden beleuchten,
welcher gegen den heutigen teutschen Proceß zu rechnen dem gemeinen Wunsch aller
Republicken viel näher kömmt, i) wenn nur was hinlängliches davon in denen(i) Conf. supra §. 1. 2. 3.) vorhandenen Büchern
anzutreffen wäre. Jedoch wird man schon andere Mittel finden, von der Dänischen
und Schwedischen Civil- und
|| [188]
Criminal-Process-Ordnung genaue Nachricht einzuziehen. Hieher gehöret (k) Conf. B. Stryk Dissert. de judicio Principis juxta
solam facti veritatem.) auch die Betrachtung der gantz vergebenen
Gedancken dererjenigen / k) welche dem Förmelgen derer Canonisten, sola facti
veritate inspecta eine grosse Krafft so wohl die wahre Beschaffenheit eines
geschn inden Processes zu erkennen, als auch Mittel wieder die langwierigen
Processe an die Hand zu geben, beygeleget haben. Ja die Vergleichung des
heutigen Wechsel-Processes mit denen übrigen, wird einem in Vorstellung einer
kurtzen Rechts-Verwaltung ein grosses Licht geben. Anderer Dinge zu geschweigen.
Denn es will mir nicht gleich alles einfallen, was zu diesem Theile der Klugheit
eines politischen Artztes gehöret. Ich habe nur in angeführten zeigen wollen,
daß ein verständiger, ehrlicher und fleißiger Mensch in dieser Materie genug zu
thun finden könne.
(12. Sich sehr ordentliche Begriffe von Langwierigkeit der
Processe und Verlängerung der Justitz vorstellen.)
§. XX. Wenn der Medicus einen deutlichen Begriff von der Menschen Gesundheit hat,
so muß er sich um die rechte Beschaffenheit und Umstände derer Kranckheiten
bemühen, und zwar nicht nur etwa obenhin, sondern nach allen eigentlichen
Zufällen einer Kranckheit. Gleichergestalt läst es auch ein politischer Artzt
nicht dabey bewenden, daß er überhaupt weiß, daß die Processe, absonderlich die
bürgerlichen, so lange in Teutschland währen, und daß man Exempel hat, daß
summarische Rechts-Händel über hundert Jahr getrieben worden, daß unter huntert
processibus ordinariis kaum zehen ausgeführet, die übrigen aber, ehe das
Endurtheil erfolgt, von denen Klägern aus Verdruß unterlassen, oder, wenn auch
schon das Urtheil gesprochen worden, nicht zur Vollziehung können gebracht
werden, entweder aus Mißbrauch derer Mittel, die die Vollziehung aufschieben
oder wegen anderer Beschwerungen des Beklagten, die der Richter annim̅t, und dergleichen mehr, sondern es wird über dieses noch
erfordert, daß er die besondern Umstände solcher Verzögerung, die Zufälle und
deren Ursachen genauer betrachte. Hier wird nun, wenn wir die so genandten
materialia des Processes ansehen, vors erste vorkommen, daß die ausser
gerichtlichen Händel so sehr verwirrt seyn, und daß die vielen Cautelen und
Förmelgen die alte Einfalt mehr verhuntzen als besser machen, auch denen
Partheyen keine Sicherheit sondern vielmehr denen Zancksüchtigen gute Gele
genheit zu streiten geben. Sodann wird die grosse Ungewißheit des Rechts
vorkommen, daß die Gesetze, durch welche die Streithändel zu entscheiden, fremde
sind, ingleichen deren Unverständlichkeit Menge u. Vielheit, Veränderung /
Dunckelheit, Wiedersprechung, ihre Vermengung mit denen Gewohnheiten, die doch
von jenen gantz unterschieden sind, derer Ausleger wiederwärtige Meynungen, und
andere Dinge mehr, aus welchen allen folget, daß weder Richter noch Advocaten
wis
|| [189]
sen können, wer Recht hat, ob
sie gleich allerseits das Gegentheil behaupten, und also die Partheyen zum
Streiten veranlassen, dennoch aber bey so gestalten Sachen die Justiz nicht
geschwinde genug verwalten können. Betrachtet man die formalia processus, so
werden gleichfalls viele Dinge vorkommen z. E. die Weitläuftigkeit und
Ungeschicklichkeit derer Klagschrifften, worein Sachen gesetzet werden, so zum
Recht dieser Klage gar nicht gehören, oder erst in der Antwort auf die
Gegensätze des Beklagten hätten kommen sollen, oder nicht geschickt schlüssen;
die vielen und unnützen Einwendungen des Beklagten, sowohl deren, die den Proceß
aufschieben, als die denselben gar aufheben; die Nachläßigkeit derer Kläger in
Leistung dessen, was sie vermöge der Proceß-Ordnungen vor der rechtlichen
Einlassung leisten müssen; die Vielheit der interlocute; die Verstattung
offenbahr unnöthiger Fristen; die Verdrüßlichkeit derer Einlassungen auf die
Klage; die mannigfaltige Verzögerung derer Processe durch die Eyde, die doch
ihrer Eigenschafft nach selbigen beschleunigen solten; eine andere
Verdrüßlichkeit bey denen Beweisen sowohl in Ansehung derer Artickul, als deren
Fragen, wie ungereimt es sey, daß nicht die Richter, sondern die Partheyen die
Artickul und Fragen aufsetzen, welches doch wieder den Zweck derer Beweise ist;
die Recognition derer Urkunden, welche doch keiner Recognition bedürffen; daß
die Beklagten vom Gegenbeweiß ausgeschlossen worden, wenn des Klägers Beweiß
einmahl publiciret worden; die weitläufftigen und unnützen Zänckereyen über die
Beweise; die Unwissenheit derer Richter, daß sie die Urtheile nicht selbst
abfassen können oder auch aus Faulheit nicht wollen, sondern auch wieder derer
Partheyen Willen die Acten an die Collegia überschicken; die Uberschickung derer
Acten an die Collegia, deren Assessores bey dem Process nicht zugegen gewesen,
oder an auswärtige Collegia, ja die wohl gar in andern Ländern sind; dieser
Collegiorum ungleiche Meynungen vom Verstand derer Gesetze und Rechte derer
Streit-Sachen; die vielen Verlängerungs-Mittel, die gar zu leichtlich zugelassen
werden, wenn sie auch schon etliche mahl abgewiesen worden; eine neue
Verdrüßlichkeit bey der Execution; die Verursachung eines Concursus Creditorum,
und wie höchstverwirret dieser Process geführet werde; die Sätze derer Advocaten
vom Verstand der Rechte und ihre ungeschickte Anführungen derer Gesetze und Dd;
die Processe in Schrifften; die vielfältigen Aufschiebungen eines jeden
schrifftlichen Satzes, die Vermehrung derer Sporteln vor Richter und Advocaten,
je länger die Rechts-Sache dauret, oder in Ansehung derer Advocaten, je länger
sie die Schrifften machen. Weiter will ich nichts
|| [190]
gedencken: Denn dieses, was ich
hier kürtzlich vorgebracht, wird genug seyn, sich diese Idée überhaupt zu
formiren, daß der gantze Process in Teutschland vom Kopf bis auf die Füsse mit
dem Krebs behafftet sey.
(Dieses muß er auch 13. von der Haupt-Ursache und der
Wurtzel gleichsam dieser Verlängerung thun.)
§. XXI. Wenn die Kranckheit mit ihren Zufällen erkannt worden, so forschet ein
verständiger Medicus nach denen Ursachen der Kranckheit, und zwar nicht sowohl
nach denen nächsten, als welche leicht zu erforschen sind, sondern nach den
ersten, u. die gleichsam die Wurtzel davon sind. Nicht anders wird auch ein
politischer Artzt nicht zufrieden seyn, wenn er darhinter gekommen, daß die
streitigen Partheyen selbst der geschwinden Gerechtigkeits-Verwaltung hinderlich
zu seyn pflegen, u. daß nicht nur die Beklagten, sondern auch mächtige Kläger,
wenn sie zumahl ihre Klage wieder Arme erhoben haben, diese zu plagen, den
Proceß aufhalten, wie solches ja bekannt genug ist. Er wird nicht darbey
beruhen, daß er wahrgenommen, wie viele unter denen Anwaldten und Advocaten
Rabulisten sind, ja daß selbst viele Richter gantz offenbahr und mit Fleiß sich
bemühen, das End-Urtheil aufzuschieben oder zu verhindern, daß es nicht
vollzogen und die Execution nur ausgesetzet werde, und im Gegentheil alles
unterlassen, was zu geschwinder Verwaltung des Rechten etwas beytragen kan. Er
wird sich nichts sonderliches in Heilung der kranckenden Justiz versprechen,
wenn er gleich die Boßheit und Unwissenheit beyder Partheyen gegen einander
hält, und entweder alles auf die Advocaten schiebet, die Richter aber
entschuldiget, oder nur derer Richter Schelmerey und Practiquen durchnimmt,
welche auch alle Advocaten in der gantzen Welt kaum würden hintertreiben können.
Er wird vielmehr die streitenden Partheyen, die Richter und Advocaten als
krancke Glieder des politischen Leibes, oder als Mittel-Ursachen, die aus
anderen Haupt-Ursachen entstehen, ansehen. Dahin wird er auch die Professores
auf den Universitäten rechnen, die mit ihren Lehren die Ungewißheit derer Rechte
vermehren, und die sonderbahre Billigkeit derer eingeführten Proceß-Ordnungen
sehr herausstreichen, zumahl wenn er in Betrachtung ziehen wird, daß die meisten
Professores, Richter und Advocaten, da sie nichts bessers und gescheiters
gelehret worden, meynen, sie thun gantz recht und löblich. Inzwischen da er auch
aus der Politischen Historie ersiehet, daß erst hernach, da die Academien in
Teutschland gestifftet, und die Italiänischen Studia eingeführet worden, oder
doch kurtz zuvor die vielen Processe und die Verzögerung der Gerechtigkeit
entstanden, so wird er genau untersuchen, ob nicht die Haupt-Ursache der
Politischen Kranckheit in solchen Lehren und der Hindansetzung einer gesunden
Morale und deren von Rechtswegen vornehmsten Theils, des Natur- und Völcker-
|| [191]
Rechts, ingleichen der Politic, und
in der allzuabergläubischen u. fast abgöttischer Verehrung des Canonischen
Rechts zu suchen sey, absonderlich da bereits etliche der Protestantischen
Juristen das aus dem Canonischen Rechte entstandene Unheil fast gezwungen zu
bekennen angefangen. Und wenn dieses gründlich und deutlich erwiesen, so wird er
zugleich zeigen, daß die meisten Protestanten, obwohl nicht Theologischer, doch
Politischer Weise noch tief im Pabstthum stecken, und es also einmahl hohe Zeit
sey, daß nach instehenden Jubilaeo wegen der vor 200 Jahren geschehenen
geistlichen Reformation auch eine Reformation des Politisch-Juristischen
Pabststhums anhebe oder mehrern Fortgang habe.
§. XXII. Wenn der Artzt die Ursache der Kranckheit weiß, so muß(14) Von denen Mitteln / wodurch man dieses Ubel nicht
heben kan.) er denn auf geschickte Hülffs-Mittel dencken. Bey diesen
nun wird er desto mehrere Vorsichtigkeit und Sorgfalt anwenden, jemehr er
wahrnehmen wird, daß die bisher angewandten Mittel die Kranckheit mehr
verschlimmert als gehoben. Dieses findet sich absonderlich bey uns; sintemahl
die meisten, so bisanhero Rathschläge zu Verbesserung der Justiz-Verwaltung
gegeben, weil sie theils die dazu nöthigen Wissenschafften und einen rechten
Begriff einer geschwinden und doch billigen Art zu richten nicht gehabt, theils
den Schaden nur so obenhin angesehen, und also auch nach dessen Haupt-Ursache
nicht gefraget, freylich keine tüchtige und zum rechten Zweck dienende Mittel
vorschlagen können. Sie haben zwar alle den Proceß verkürtzen wollen, viele
Juristen haben es mit grosser Mühe durch neue Vorschläge, Ordnungen und
Abschiede dahin zu bringen getrachtet, und dennoch hat man nicht die geringste
Verbesserung gespühret. Gleichwie aber sonst die Erkäntniß der Narrheit der
Weißheit Anfang ist, also führet eine deutliche Erkäntniß ungeschickter
Hülffs-Mittel gleichsam zu Erfindung geschickter an. Allhier muß aber nach
Anleitung der leiblichen Artzney Kunst mit wenigen zum Grunde geleget werden,
welche Artzneyen überhaupt vor nützlich oder vor schädlich gehalten werden. Der
Artzt ist ein Diener der Natur. Die menschliche Natur aber pflegt bißweilen dem
Leibe selbst zu helffen, durch Auswerffung böser Feuchtigkeiten, welches durch
die Kranckheiten selbst geschehen muß, z. E. durch Fieber und dergleichen. Ist
diese Auswerffung allzuhefftig und zu gewaltsam, daß sie den gantzen Leib
verderben oder gar aufreiben könte, so muß ein kluger Artzt solche durch seine
Geschick ligkeit zu mäßigen wissen. Will aber ein anderer Schaden des Leibes
diese von der Natur gesuchte Auswerffung hindern, so sucht sie der Artzt zu
befördern, und das Hinderniß wegzuschaffen. Andere Kranckheiten, die eine
Verderbniß derer
|| [192]
Säffte und
Gliedmassen, oder eine Fäulniß nach sich ziehen, denen die Natur nicht alleine
wiederstehen kan, bemühet er sich gleichfalls zu vertreiben, indem er dem
Schaden wehret und der Natur zu Hülffe kömmt. Also hütet er sich auf beyden
Seiten vor allzustarcken und angreiffenden Artzneyen, die nur denen äusserlichen
Würckungen der Kranckheit zuwieder sind, oder solche in Leib treiben, ohne sich
um die Quelle und Ursache der Kranckheit zu bekümmern; am allermeisten aber
gebrauchet er keine Mittel, die die Kranckheit mehren, daß er nemlich aus
Unwissenheit der wahrhafftigen Ursache der Kranckheit keine andere falsche oder
Neben-Ursachen aus denen äusserlichen und vielen unterschiedenen Kranckheiten
gemeinen Wirckungen zum Grunde setze, und seine Artzeneyen nur zu deren Tilgung
anwende etc. Eben also machts der politische Artzt. Weil er gewiß ist / daß so
viele von grossen Herren und dero Räthen von etliche hundert Jahren her
ernstlich angewandte Hülffs-Mittel die Kranckheit immer schlimmer gemacht,
geschweige daß sie sie hätten heilen sollen, u. also selbige nicht nach denen
Regeln der wahren Klugheit eingerichtet gewesen, so wird er sich sehr bemühen,
solche Ungeschicklichkeit vor allen Dingen recht einzusehen, damit er nicht
sowohl selbst darinnen nicht auch verstosse, sondern daß er auch denen Irrenden
die Ursachen ihres Irrthums glimpflich, doch so zeigen möge, daß sie sie
gleichsam mit Händen greiffen können, ja daß er auch anderer einfältige
Vorschläge, die sie jenem entgegen gesetzet, vorzeige. Und hier findet sich nun
wieder eine neue und vielfältige Gelegenheit, allerhand Anmerckungen zu machen,
und davon zu reden. Ich will aber solches alles, so viel unser Vorhaben zuläßt,
in etliche Haupt-Classen oder Arten bringen. Dannenhero wird er bemercken, daß
einige Mängel derer angewendeten oder vorgeschlagenen Hülffs-Mittel sich sowohl
bey Heilung der verlängerten Justiz, als anderer Kranckheiten der Republic,
finden, z. E. der Wollust und des üppigen Lebens, wieder welche gleichergestalt
so viel Gesetze und Ordnungen sind gegeben worden, als man wegen der
Gerechtigkeit zusammen gebracht. Ich will nichts von denen abergläubischen und
Gottversuchenden Mitteln sagen, dergleichen die öffentlichen solennen Gebethe
und Processionen bey denen Papisten sind, als bey welchen alle politische
Besserung hindangesetzt wird. Denn wer die natürlichen Mittel verachtet, und
übernatürliche Hülffe von GOtt bittet und erwartet, der versuchet GOtt, eben als
wenn ein Bettler nicht arbeitete und beständig zu GOtt ruffete, daß er ihn doch
durch ein Wunderwerck erhalten wolle. Allein dergleichen Mittel gebrauchen wir
Protestanten zum wenigsten bey Verbesserung der Justiz nicht. Es ist vielmehr
dieses
|| [193]
zu dieser Classe zu rechnen,
daß man ungeschickte Leute zu Rathe gezogen, welche die Wurtzel der Kranckheit
nicht verstanden, oder wenigstens recht sehr einfältige Hülffs-Mittel an die
Hand gegeben. Und daß alle und jede, so zu Beförderung einer geschwinden Justitz
oder zu Vertilgung der Wollust bißhero als politische Aertzte gebrauchet werden,
der Haare gewesen, giebt auch die sinnliche Erkäntniß; welches aber weder denen
grossen Herren, die sie zu Rathe gezogen, noch denen Räthen selbst, sondern der
unglücklichen Zeit beyzumessen, da nirgends an die Lehre der Politic oder die
wahre politische Medicin gedacht worden: demnach habe̅ sie die
rechte Ursache derer Kranckheiten, d. i. der Wollust und verlängerten Justitz
nicht wissen u. also kein geschicktes Hülffsmittel anzeigen können. Ja da man
nach allen Regeln der Klugheit solche Mittel weglassen soll, die scharff
angreiffe̅ oder eine allzujählinge Veränderung verursachen,
oder da man vorher siehet, daß sie nichts helffen werden, so ist doch bißher
insgemein so wohl in als ausser dem Pabstthum gelehret worden, als müsten die
von vielen Zeiten her tief eingewurtzelten Fehler derer Republicken durch solche
Gesetze ausgerottet werden, welche die Wollust und Verschwendung verbieten, eine
geschwinde Verwaltung der Gerechtigkeit bey Straffe gebiethen und denen
Processen eine gewisse Zeit von zwey oder drey Jahren setzen. Man findet diese
Anmerckung in sehr vielen Policey- und Proceß-Ordnungen, wieder gemeine und auch
in denen Gemüthern derer Mächtigen tief eingewurtzelte Laster werden dergleichen
Gesetze umsonst und ohne Frucht gegeben, und solten die, so mit den Christen
Nahmen Prahlen und Heydnische Schriften kaum über die Achsel ansehen, aus der
klugen und mit deutlichen Beweißgründen zusammengesetzten Rede des Tiberii
(eines sonst nicht allzutugendhafften Herrns) beym Tacito l) gelernet haben, wie
ungereimt(l) Annal. lib. 3. c. 52. seq.) und
tolle es heraus komme, wenn man den verschwenderischen Auffgang, der in einer
Republick überhand genommen, durch dawieder gerichtete Gesetze dämpffen will,
und was das Ansehen des Fürsten dabey leiden müsse. Das wissen die gemeinen
Leute wohl, wenn sie spottweise sagen, daß dergleichen Policey-Gesetze feste
gehalten würden, aber nur von denen Kirchthüren, an die sie mit Nägeln
angeschlagen werden. Ja es bezeuget die Erfahrung, daß auch die
Reichs-Abschiede, durch welche das Gesundheit trincken verbothen wird, niemahls
beobachtet worden. Zur andern Classe derer ungeschickten Hülffs-Mittel rechne
ich die besondern, welche man bis anhero zu Verbesserung der verlängerten
Gerechtigkeit angewandt. Diese Classe aber kan wieder in zwey unterschiedene
abgetheilet werden. Denn entweder sind diese Mittel zugleich auf die Verbesse
|| [194]
rung der Ungewißheit des Rechts oder
die materialia, und des rechtlichen Verfahrens oder die formalia des Processes
eingerichtet, oder man hat nur dem rechtlichen Proceß insonderheit damit helffen
wollen. Also ist nun, was die erste Classe anlanget, schon über anderthalb
hundert Jahr die Verbesserung der Ungewißheit des Rechts und des verdrüßlichen
Processes durch neue Constitutiones, Abschiede, Proceß-Ordnungen und dergleichen
Dinge vergebens versuchet worden; weil man die ungeschickte Vermischung eines
fremden Rechts, ingleichen und hauptsächlich des Canonischen mit unserem
Land-Recht nicht als die wahre Ursache der allerwegen verlängerten Justitz
betrachtet, sondern solche vielmehr wieder alle gesunde Vernunfft und tägliche
Erfahrung zum Grund und Mittel eines gewissen Rechts und geschwinden Art zu
richten gesetzet, und sich bey dieser albern Meynung hätte todtschlagen lassen,
da doch die Historie nebst der gesunden Vernunfft weiset, daß diese Vermischung
und dieser nach dem Canonischen Recht eingerichtete Proceß, wo nicht die einige,
doch die vornehmste Ursache sey, der wir die Ungewißheit derer Rechte und den
langweitigen Proceß zu dancken haben. Bey der andern Neben-Classe in Ansehung
der Processe insonderheit, kommen Mittel vor, die dem Civil und
Criminal-Processen zugleich, und andere, die einen von beyden alleine angehen.
Zu der ersten Art rechne ich folgende, daß einige aus guter Meynung
unverständiger Weise alle geschriebene Gesetze abzuschaffen und ein Gerichte
nach denen blossen Regeln der Billigkeit aufzurichten gerathen; ingleichen, man
solte die Gelehrten aus denen Gerichten schaffen, weil sie Urheber solcher
Verwirrung wären; die Advocaten wären auch nicht nöthig, gleich als wenn man
keine solchen Leute brauchte, wenn die Gerechtigkeit nach denen Regeln der
Billigkeit verwaltet wird; ja man könte auch die Procuratores entbehren, weil es
ja die Vernunfft gäbe, daß die Rechts-Sachen viel eher könten beygeleget werden,
wenn die Partheyen selbst erscheinen; da doch diese Rathgeber hätten erwegen
sollen, wie aus vielem Ursachen ihre Vorschläge den Stich nicht halten, theils
weil sie sich damit übereilet und sie zu gewaltsam angerichtet, theils weil wir
bißhero eine so grosse und vielfältige Verwirrung gehabt, zu deren Abschaffung
wir die geschriebenen Gesetze nicht entrathen können, oder uns einer falschen
Hirnbilligkeit befürchten müssen, und also auch eine Anzahl gelehrter Richter
und Advocaten so lange noch erfordert wird, biß eine feste Gewißheit derer
Rechte und geschwinder Proceß durch gescheide Gesetze eingesühret und durch
lange Ausübung bestättiget worden. Procuratores aber müssen wir nothwendig
haben, weil die Partheyen vieler triffti
|| [195]
gen Umstände wegen sowohl in Civil-als Criminal-Sachen ohne grossen
Schaden der Republick nicht allezeit gezwungen werden können, sich persönlich
vor Gerichte zu stellen. Aus eben diesem Beweiß erkennet man die Einfalt des
ungeschickten Vorschlags, denen Richtern, Advocaten und Procuratoribus alle
Sporteln abzuschneiden u. s. w. Was aber insonderheit den peinl. Process
anlanget, so habe ich anderswo m) gezeiget, daß der(m)
in unterschiedenen disput ationen de processu inquisit. de origine &
causa Constit. Crim. &c.) Inquisitions-Process, durch welchen
der processus accusatorius stillschweigends, abgeschaffet, oder die Vermengung
beyderley Processe, ein zu Beförderung der geschwinden und billigen
Rechts-Verwaltung gantz ungeschicktes und albernes Mittel sey, u. s. w. Bey dem
Civil-Process ist auch insonderheit gezeiget worden, n) daß die Eintheilung des
Canonischen Rechts in den summarischen und ordinairen Process ein dunckles und
verwirrtes Ding, ja der Ursprung der verlängerten Gerechtigkeit sey,(n) in notis ad Lancellotti L. 3. T. 1. §. 32. not. 110.
seq. p. 1319. seq.) und daß so lange dieselbe, wie bis jetzo noch
gebräulich ist, im Civil-Procefs zum Grunde gesetzt wird, auf keine Verbesserung
dessen zu hoffen sey, und müsse man vor allen Dingen dahin trachten, daß die
gewöhnlichen Umstände des ordinairen Processes gäntzlich weggelassen und alles
nur summarisch gehandelt würde, doch daß man nur die wesentlichen Stücke des
fummarischen Processes beybehielte, welche aber vorher nothwendig in denen
Process-Ordnungen deutlich ernennet und beschrieben werden müsten. Weswegen auch
dererjenigen ihr vorgeschlagenes Mittel(o) vid.
B-Strykii Dissert. de judic. princ. sola verit. facti inspecta.) unter
die unnützen zu zehlen ist, welche o) die Beschaffenheit des summarischen
Processes, da man nemlich nur die Wahrheit einer Sache erforschet, aus dem
Canonischen Recht denen Canonisten und Glossatoribus erläutern wollen, da doch
das Jus Canonicum und die Canonisten an aller Verwirrung Schuld sind.
§. XXIII. Nachdem nun ein politischer Artzt alle bißher versuchte Mittel(Und von denen hiezu dienlichen Mitteln / so wohl zu
einer gäntzlichen Verbesserung.) auf die Probe gestellet, so wird er
nur die vor die geschicktesten halten, welche nicht allzugeschwinde, und gantz
unvermerckt den krancken Leib zum künfftigen nützlichen Gebrauch der Artzney
vorbereiten, die die Wurtzel des Ubels ausreissen soll, als welches sich auch
nur allmählich in Teutschland eingeschlichen und die verdrießlichen Processe
nebst der Ungewißheit derer Rechte nach und nach verursachet hat: Die klügsten
Käyser haben solche Wahlsprüche gehabt, als: Eile mir Weile. Nach und nach.
Allmählich! Nun ist es zwar kein Zweifel, daß, so lange das fremde Recht noch im
Schwange und mit unsern Land-Rechten vermenget ist, alle Bemühung wegen eines
gewissen Rechts und kürtzern Processes vergebens seyn wird. Da aber nun das
fremde Recht mit unsern Vaterlands-Sit
|| [196]
ten so vermischet ist / daß es die wenigsten und zwar mit genauer Noth recht
mercken, ja da die wenigsten derer Vornehmen in der Republick diese Vermischung
vor die Wurtzel alles Ubels halten, sondern ich weiß nicht was vor ein Unglück
vor das gemeine Wesen sich und andern einbilden, wenn das Justinianeische und
Canonische Recht umgeworffen würde, so folget von selbsten, daß die schleunige
Abschaffung des fremden Rechts, und eilige Wiedereinführung des einfältigen und
meistens gewissen Rechts und eines unverworrenen und leichten Processes in
unsere Republicken der gesunden Vernunfft nach eine pur unmögliche Sache sey. So
würde auch ein gewisser, unvermeidlicher Schade vor die Republick daraus
entstehen, weil ja, wenn dergleichen jählinge Veränderung vorgenommen oder mit
Gesetzen eingeschärffet würde / unzehlige Menschen, so bißanhero, da diese
Vermischung des fremden Rechts allerwegen geduldet und gerühmet worden, aus
guter, ja lobwürdiger Meynung dasselbe mit Fleiß erlernet haben, ins tiefste
Elend gerathen und fast Hungers (p) Conf. praef. meam
ad not. ad I. & ff. §. 10.) würden sterben müssen. p) Derowegen
halte ich dieses vor das vornehmste geschickte Mittel zu Beförderung einer
behenden Justiz, auf Academien diese Lehre zu dulden, in welcher deutlich und
mit klahren Beweißthümern gezeiget wird, daß diese Vermischung die Qvelle des
Ubels sey, und worinnen sie eigentlich bestehe. Das Ubel ist durch Academische
Lehren gezeuget, und nach dem in die Gerichts-Stellen und an die Höffe gebracht
worden. So ist es auch billig und vernünfftig, daß die Artzney darwieder auch
auf denen Academien bereitet werde, und darauf in die Gemüther derer
Rechts-Gelehrten und Hoff Bedienten eindringe, und durch diese endlich
gebilliget und ins Werck gerichtet werde. Ich sage mit Fleiß, dulden, nicht,
anbefehlen. Auf gleiche Art ist das Ubel ins gemeine Wesen gebracht worden. Die
Tugend, wie auch alle gute Lehre ist ihr eigener Lohn, dahero sie auch keiner
Belohnungen oder Gesetze bedarff, als nur zur Beschützung wieder ihre Feinde. Es
würden auch die Gesetze diese heilsame Lehre nicht befördern, wenn sie solche
gleich zu treiben befählen. Denn man kan sie nicht so flugs aus dem Ermel
schütteln, sondern muß sie in vieler Zeit und mit grosser Mühe an dem Tag
bringen, und kan also auch selbige durch Gesetze denen Gelehrten nicht in Kopf
gesetzet werden. Denn mein, wie wollen diese etwas lehren, das sie selbst nicht
gelernet haben? Ja es würden sich unter der Larve, als wolte man die Gesetze in
acht nehmen, die Feinde der Wahrheit meisterlich verstecken. Von jenem haben wir
ein Exempel auf einer benachbarten Universität, da vor einigen Jahren eine
Profession des Sächsischen Rechts
|| [197]
gestifftet worden; von diesem aber, daß die Jesuiten hin und wieder über die
Augspurgische Confession pp) in der Absicht lesen, als wenn zu erweisen,(pp) oder wie in der Pfaltz / zu Siegen / u. s. w. über
den Heidelbergischen Catechismum.) daß unter denen Catholicken und
Evangelischen gar kein oder ein sehr schlechter Unterschied sey. Was die Lehre
von der Vermischung selbst anlanget, so wäre zwar zu wünschen, daß die Lehrenden
von dem alten teutschen Rechte und über den Sachsen-Spiegel zu lesen anfiengen,
weil wir von dem alten Rechte zur Zeit kein besseres und kürtzeres Buch haben;
alleine nicht sowohl das Klaffen derer Mißgünstigen, welche den ehrlichen und
hauptklugen Verfasser unverschämter Weise verlästern; als vielmehr die grosse
Schwierigkeit und überall herrschende Unwissenheit der alten teutschen
Redens-Arten läßt uns wenig Hoffnung dazu übrig. Also wirds am besten seyn, bis
diese Unwissenheit aufhöret, daß die Juristen auf Academien in Erklährung aller
und jeder Titel des bürgerlichen und Canonischen Rechts fortfahren, die
ungeschickte Vermengung zeigen, und auf was Art die Ungewißheit des Rechts und
Verzögerung derer Processe daraus entstanden, lebhafftig vorstellen. Weil aber
bey Erlangung einer rechten Gelehrsamkeit viel darauf ankömmt, daß man die
Lehren recht zusammen hänge, so wird sich ein Lehrer bemühen, daß er seine
Sachen so viel möglich, in gewisse Fächer und Classen eintheile. Also haben z.
E. die Italiänischen Juristen die Teutschen vielmahl durch die Gleichheit derer
Kunst Wörter betrogen, daß sie gemeinet, das Römische Recht wäre schon vor
dessen Einführung in Teutschland üblich gewesen u. s. w. Da doch das teutsche
Recht von dem fremden sehr weit unterschieden war, und noch ist: Ich habe dieses
mit dem Exempel von der väterlichen Gewalt und der Klage ex lege Aquilia in
besondern dissertationen gezeiget. Dahin gehöret auch, daß man die Eintheilung
derer Peculiorum, und die Doctrin von der Vormundschafft auf die väter- und
groß-väterlichen Güter, ingleichen auf die bona adventitia derer Teutschen, wie
auch auf ihre Unmündige appliciret hat, da doch überall ein grosser Unterschied
darzwischen ist, wie gleichfalls von mir in denen Anmerckungen über die
Institut. und Pandect. an gehörigen Orten dargethan worden. So ist auch gewiß,
sowohl was das Römische als Canonische Recht anlanget, daß die meisten Titel,
wiewohl sie in denen Codicibus selbst nicht zusammen gehänget sind, doch so eine
genaue Verwandschafft mit einander haben, daß wenn der Haupt-Titel in
Teutschland nicht gilt, auch zweiffels ohne die andern nicht gebräuchlich sind,
oder nicht füglich haben eingeführet werden können, welche aus jenen als gewisse
Schlüsse hergeleitet worden. Also zweiffelt fast kein Mensch, daß man auf blosse
Zusagen (pacta nuda) in
|| [198]
Teutschland
klagen könne. Viele Practici aber und Verfertiger derer neueren
Rechts-Ordnungen, so im vorigen Seculo in mancherley Ländern unterschiedener
Reichs-Stände gemacht worden, sind recht wunderlich und läppisch wegen vieler
andern Titel im Römischen Recht, welche die Meynung, daß auf blosse Zusagungen
nicht könne Klage erhobenwerden, zum Grunde setzen, einander zuwieder, welches
alles aus Unwissenheit dieses Zusammenhangs herrühret. Also hat die
Unwissenheit, wie die meisten Lehren vom Ehestande im Canonischen Recht mit der
Grund-Regel derer Canonisten, daß der Ehestand ein Sacrament sey,
zusammenhängen, gemacht, daß die meisten Meynungen daraus in denen Gerichten
derer Protestanten beybehalten worden, ob gleich der Hauptsatz, daß die Ehe ein
Sacrament sey, vorlängsten verworffen worden. So ist auch ferner ausgemacht, daß
die dem ersten Ansehen nach sonderbahre, nach genauer Betrachtung aber falsch
befundene und nur erdichtete Hirn-Billigkeit die vornehmste Ursache sey, daß wo
nicht alle, doch die meisten Verordnungen des Justinianischen, u. Canonischen
Rechts von denen Universitäten in die Policey- und Proceß-Ordnung gebracht
worden, woraus freylich ein höchst ungewisses und verworrenes Recht und ein
höchstverdrüßlicher Proceß entstehen müssen. Also lehret ja, daß ich nur ein
einig Exempel gebe, die gesunde Vernunfft, daß wenige, kurtze und deutliche,
auch auf alle Fälle eingerichtete Gesetze seyn müssen, und daß bey denenselben
nur wenige deutliche und handgreifliche Erklährungen, Einschränckungen und
Ausnahmen beygefüget werden, die ein jeder Bürger, er sey wes Standes er wolle,
leicht verstehen kan, und die nicht des Richters Willkühr unterworffen sind. So
waren ehemahl die teutschen Gesetze beschaffen, wie aus dem Sachsen-Spiegel
erhellet: hingegen wird in dem grösten Theil des Justinianischen Rechts und fast
im gantzen Canonischen diese Grund-Lehre der Klugheit Gesetze zu geben sehr
überschritten, sintemahl fast kein Gesetz zu finden, dabey nicht ein Hauffen
dunckele, und auf einer blossen Hirnbilligkeit beruhende Auslegungen und
Einschränckungen angehangen sind, denen man wiederum andere neue
Einschränckungen (sublimitationes) und auch diesen ihre Einschränckungen
angehefftet, die eben so dunckel und ungewiß sind, als die ersten, wie solches
aus Mascardi, Menochii, Farinacii und anderer Rechts-Gelehrten Büchern vor Augen
liegt. Zum Beweiß will ich nur das einzige SCtum Vellejanum anführen, und was
die Ausläger von dessen Erklährung und Einschränckung, ingleichen von denen
Eigenschafften der Entsagung und Begebung desselben insgemein vorbringen, davon
ich in der Dissertation von dem schlechten Nutzen des SCti
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Vellejani in denen teutschen
Gerichten eine Probe gegeben habe. Nimmt nun der politische Artzt diese
Anmerckung nicht in Obacht, so wird er seine Lehre vom Recht und dessen
Verwaltung, wenn auch gleich Zeit wäre, dergleichen vorzunehmen, in keine
gewissen Regeln bringen, noch ein neues Gesetz-Buch oder Proceß-Ordnungen machen
können.
§. XXIV. Endlich, wie ein gescheider Artzt, wenn er zu einem Krancken(Als auch zu einer Vorsicht, daß solches Ubel nicht
weiter um sich fresse.) erfordert wird, bey dem die Kranckheit schon
so tieff eingewurtzelt, daß sie ohne grosse Gefahr desselben nicht so geschwinde
kan vertrieben werden, sich nur bemühet, ihm inzwischen solche Artzneyen zu
verschreiben, welche die Kranckheit nicht weiter um sich fressen lassen: Also
muß auch der politische Artzt dahin sehen, daß indessen alle Mißbräuche, die
nach der gedachten Haupt-Ursache der verlängerten Rechts-Verwaltung als
Neben-Ursachen zu Verschlimmerung der Kranckheit angesehen werden müssen,
beschnitten werden, damit das Ubel nicht grösser werde, biß einmahl die Umstände
zulassen, den bisherigen höchstverdrüßlichen Proceß durch ein neues Gesetzbuch
und Proceß-Ordnung mit Stumpf und Stiel auszurotten. Also ist Sonnenklahr und
schon länger als hundert Jahr von vielen dargethan worden, daß der Rechts-Streit
in Schrifften eine derer vornehmsten Ursachen der verlängerten Justitz sey, und
daß die Schrifften selbst höchst kauderwelsch, weitläufftig und mit vielerley
unnützem Streite angefüllet zu seyn pflegen, ja daß man sich in selbigen wieder
alle politische Regeln, weitläufftig und ohne Noth wegen des Rechts kampelt. Nun
wäre zwar zu wünschen, daß das Ubel durch Abschaffung des schrifftlichen
Processes und durch ein einiges Verboth auf einen Hut, so zu reden, könte
abgeschaffet werden. Weil aber aus vielen bereits oben hin und wieder erwehnten
Umständen zu schliessen, daß dergleichen Vorhaben ihrem Zweck nach zwar sehr
gut, aber nicht so leicht ins Werck zu richten seyn, so muß sich der politische
Artzt nach einem interims-Mittel, so zu reden, bemühen, welches machet, daß das
Ubel fein allmählig abnehme. Unser Vorhaben leidet nicht, von diesem Mittel hier
weitläufftiger zu handeln, indessen finden sich Gerichte in dem benachbarten
Sachsen, welche sich dessen, wie bißhero, noch jetzt mit grossen Nutzen
bedienen. Es wird auch ein vorsichtiger Artzt der kranckenden Justitz bey denen
besondern Theilen des üblichen Processes eines und das andere finden, durch
dessen Abschaffung der Proceß doch einiger massen würde können verkürtzet
werden, weil doch dieselben Stücke sonst keinen Nutzen haben, als daß sie die
geschwinde Rechts-Verwaltung hindern, und nur meistentheils aus der
ungeschickten und falschen Erklährung des Römischen und Canonischen Rechts
entstanden sind,
|| [200]
auch ohne allen
Schaden der Republick können abgeschaffet werden. Damit es auch hier an Exempeln
nicht fehle, so beruffe mich auf meine dissertationen von der stillschweigenden
Wiederruffung der Gerichtlichen Vollmacht, und von Verbesserung einiger
bißherigen Verlängerungen derer Rechts-Händel in der Materie, da eine Parthey
die andere vor Gerichte schwören läst.
(Der Beschluß nebst einigen Erinnerungen.)
§. XXV. Dieses ist nun, was ich von der Vorsichtigkeit und dem Kennzeichen eines
zu Verbesserung derer verdrüßlichen Processe zu gebrauchenden Mannes erinnern
wollen. Es ist nicht alles, sondern nur das vornehmste gesaget worden. Denn die
Regeln der Klugheit haben mir vieles auszulassen gerathe̅, welches
vielleicht die Wiedriggesinnten, denen der Magen mit vielen Vorurtheilen noch
verderbet ist, nicht möchten verdauen können. Solte jemand meynen / ich hätte
eines und das andere nicht gar deutlich und nur obenhin abgehandelt, der
gedencke, daß alles, was ich in jedem §. und absonderlich von neunzehenden an,
wie die Cur selbst anzugreiffen, gesagt, nur kürtzlich und Anzeigungs-weise
Materien zu vielen neuen dissertationen vorstelle, welche die erwehnten Lehren
weitläufftiger und ordentlicher erklähren müssen. Es wird mir aber doch zum
Beschluß noch erlaubt seyn, die Anmerckung eines Ungenannten beym Wehner q)
(q) Observ. p. 403.) mit einer kleinen
Erinnerung zu erklähren, indem er zwar gar recht urtheilet; Man müsse zu
Verbesserung derer Processe diejenige nicht um Rath fragen, welche von deren
Verlängerung Nutzen und Vortheil haben; welches ich aber doch also verstehe, daß
man die Richter und Advocaten nicht gäntzlich von solchen Rathschlägen
ausschliessen müsse. Denn obgleich viele dieser Leute an denen langwierigen
Processen ihren Gefallen haben, so giebts doch auch noch viele unter ihnen,
welche dem Legulejismo und der Zungendrescherey oder Rabulisterey gram seyn und
den Schaden Josephs mit mitleidigen Augen ansehen, die also auch, zumahl wegen
ihrer Erfahrung in Rechts-Händeln, zu Verbesserung der Rechts-Gelahrheit einen
viel geschicktern Rath geben können, als blosse theoretische Juristen. Doch ist
hiebey zu mercken, daß auch die rechtschaffensten Männer die Schwachheit begehen
und, wenn sie Advocaten sind, alle Schuld dieses Ubels auf die Richter schieben,
gleichwie im Gegentheil die Richter auf die Advocaten. Dahero wenn die Richter
zu Verbesserung derer Processe Rathschläge geben, so bemühen sie sich fast
eintzig und alleine, denen Advocaten alle Gelegenheit, die Proceß-Ordnungen zu
mißbrauchen, zu beschneiden, und auf deren Versehen, und Mißbräuche gehörige
Straffen zu setzen, das meiste aber überlassen sie des Richters Gutdüncken zu
entscheiden. Dahingegen
|| [201]
klingen der
Advocaten Ratschläge also, daß sie die Sünden derer Richter zu verhindern
suchen, ihre eigene aber entweder gar nicht oder nur als kleine Splitter
vorstellen. Diese Anmerckung bestätigen so viele, sowohl alte als neuere
Consilia weswegen ich vor gar nützlich und heilsam achte, wenn man von beyderley
Sorten einen frommen und klugen Mann wegen Verbesserung der Justiz zu Rathe
ziehe, und wenn diese über einer neuen Rechts-Ordnung nicht einig werden können,
alsdenn einen Drittmann dazu ziehe, welcher weder Richter noch Advocate sey,
beydes aber vor dem gewesem, oder doch zum wenigsten auf die gerichtlichen Acta
geschickte Urtheil abzufassen gelernet / und also weder auf der Richter noch
aufder Advocaten Seite zu sehr inclinire. So wird es auch sehr nützlich und
angenehm seyn, wenn ich dieses noch gedencke, wie ich mich von Hertzen erfreuet,
da mir bey Verfertigung dieses Werckgens, des Pacis Scalae eines Holländischen
Juristen Tractat de Consilio sapientis in forensibus causis adhibendo, oder: Von
dem nöthigen Rathe eines weisen Mannes in Rechts-Sachen in die Hände gerathen,
indem mir der Titul die Hoffnung machte, daß ich vieles, so zu meinen Zweck
dienen könte, darinnen finden würde, zumahl da ich eine andere dissertation noch
dabey erblickte: de contractuum & ultimarum voluntatum compositione ad
sensum sapientis, oder: Vom Aufsatz derer Contracte und letzten Willen nach der
Meynung eines Weisen. Da ichs aber ein wenig genauer betrachtete, so fand ich,
daß der Autor nie gesonnen gewesen, von dem Rath eines klugen Mannes zu
Verbesserung des Processes, sondern allein von denen Responsis und Urtheilen
derer Juristen in Rechts-Sachen zu handeln, in dem gantzen Wercke aber auch bey
seiner Haupt-Materie nicht die geringste Probe einiger Weißheit oder Verstandes
blicken läst, welches ich aber nicht sowohl der Unwissenheit des Autoris
zuschreiben will, als dem gemeinen und auch bey uns noch herrschenden Irrthum /
daß, wer vor einen Gelehrten will angesehen seyn, das heilige Vorurtheil des
menschlichen Ansehens verehren, und aus hundert und neun und neuntzig Büchern
was herausschmieren, in Ordnung bringen und also ein neues Werck in die gelehrte
Welt schicken müsse. So lange solches noch im Schwange ist, dürffen wir gar
keine recht wahrhafftig kluge Juristen suchen. Ein kluger Mensch trauet zwar
seiner Weißheit nicht alles zu, sondern höret, lieset und urtheilet von andern,
darnach aber setzt er alles menschliche Ansehen bey Seite, und schreibt mit der
Schrifft zu reden, aus dem Schatz seines Hertzens.
|| [202]
VI. Handel. Eines Politici zu Halle ausführliches anno 1614. verfertigtes
Bedencken / warum er sich zur Formula Concordiae nicht verpflichten
könne.
Hochwürdigster / Durchlauchtigster / Hochgebohrner Fürst / E. F. G. seynd
meine unterthänigste / gehorsame und geflissene Dienste stetiges bereit.
Gnädigster Herr.
ZU meiner Wiederkunfft aus der Chur- und Marck-Brandenburg habe ich E. F. G. in dero alten Stand nicht: besondern dessen gäntzlich entlediget funden: Darnebst aber gleichwohl vernom̅en, daß es hiebey nicht blieben, sondern E. F. G. von E. Hoch-Ehrwürdigen Dom Capitel etc in kurtzen de novo postuliret werden, und also zu diesem Ertz Stifft auf billige, auch sowohl E. F. G. reputation anständige und erträgliche, als dem gemeinem Ertzstifftischen Wesen nothwendige Bedingniß und Capitulata hinwieder gelangen würden.
Demnach nun solches vermittelst erfolgter neuer postulation nunmehr seine würckliche Vollziehung erlanget: Als wünsche ich von Grund meines Hertzens, daß so wohl E. F. G. als auch ein Hoch-Ehrwürdiges Dom-Capitel und gantze Landschafft sich hiernechst viel und lauge Zeit darbey gar wohl befinden mögen.
Denn wiewohl vermittelst dieser Alteration ich nunmehro meiner alten Pflicht gar gefreyet, und bey des Allmächtigen Providenz und Direction stehet, ob und wie ich uf E. F. G. bey mir angestellete gnädigste Muthung, mit meiner Person, und dero fernern Obligation weiters halten möchte oder nicht: So ists jedennoch auch ausser meiner anderweit Verwandniß mit meiner einmahl zu E. F. G. gesetzter Affection also gethan, daß in Krafft deroselben mir nichts erfreulichers fallen kan, als daß ich erfahren mag, daß es E. F G. allenthalben glücklich und wohlfährig ergehet: Will es GOtt, daß ich noch, wie vorher, etwas dazu rathen und schaffen helffen kan, so soll es gewißlich meines wenigen Orts an aller meiner Mügligkeit darunter nichts abgehen.
Nachdem es aber anitzo dahin kommen, daß E. F. G. von mir oder andern nicht serviret werden mag, es sey dann Sach, daß man zu der alten anno 30. übergebenen Augspurgischen Confession und zu der Formula Concordiae, laut der Ca
|| [203]
pitulation oder zu dieses Landes
herbrachten Lehr und Bekäntniß (welches Formula Concordiae) Pflicht thue:
So hab ich bald anfangs vieler politischer u. Theologischer Considerationen halber, Nothwendigkeit in etwas darüber anstehen müssen. Hiernechst aber den Dingen, als viel gleichwohl in Eyl zu geschehen müglich gewesen, weiters nachgedacht.
Und will darauf meine Gedancken und beständige Resolution E. F. G. Dero Hoch-Ehrw. Dom Capitel und Landschafft, auch männiglichen, der darunter interessiret seyn will, oder mag / nachfolgender massen kürtzlich eröffnen; unterthänigst bittende, E. F. G. solches, als meine hohe Gewissens-Nothdurfft und nicht als eine singularität oder scrupulosität in Gnaden von mir annehmen wollen.
Acceptire nun anfangs unterthänigst, daß gleichwohl E. F. G. mich vor einen freyen und E. F. G. ferner unverhaffteten Mann gnädigst erkandt, auch anderer gestalt nicht mit mir tractiret haben: Dannenhero ich auch verhoffentlich um so viel destomehr entschuldiget seyn werde, daß E. F. G ich anders, als solchergestalt, nicht begegnet: Und erklähre mich diesemnach kürtzlich, ob ich wohl sonsten E. F. G gehorsamst und getreulich zu dienen, ja auch Leibes und Lebens in ihrem Dienst nicht zu spahren, jederzeit gemeynt gewesen, daß ich doch mein Gewissen, als in welchem ich allein mit GOtt zu thun, von Noth wegen dabey ausziehen müsse; und in Betracht, ob verstandene Condition mich nicht höchlich darin graviren würde, mich zu derselben nimmermehr verstehen, oder darauf einlassen könne:
Meine Bedencken sind eines theils politisch, eines theils theologisch; die politischen beruhen darauf, daß dieses Muthen eine Neuerung, welche mir privatim bedencklich und verkleinerlich, E. F. G. so unnöthig als undienlich, dagegen aber und dem gantzen Statui des Ertzstiffts hochsehädlich, bey dem gemeinen Evangelischen Wesen schimpflich und praejudicirlich, und sie dagegen weder die gesuchte Versicherung oder andern auch den geringsten Vorthel / weder vor sich, Ihr Dom-Capitel, oder Landschafft dadurch nicht erlangen können; und daß ich also, was mir bedencklich und verkleinerlich, E. F. G. und dem Ertz Stifft unnöthig, undienlich, aber schändlich und schimpflich zu thun oder zu leisten billig Bedencken tragen.
Die Theologischen hafften darauf, daß ich wieder GOttes Wort und mein Gewissen mich in etwas zu verteuffen nichts minders, sondern vielmehr, Scheu habe.
Rationes Politicae.
Dann erstlich ist zwar notorium, daß sich E. F. G. Herr Vater Christmilder Angedenckens, Zeit J. F. G. Administration dieses Ertz-Stiffts zu der Formula Concordiae mitgethan, auch nebenst etlichen Chur-Fürsten und Ständen des H. Reichs die praefation, imgleichen die Geistlichen (wiewohl derer etliche nicht ohne
|| [104]
sondere difficultäten) endlich
unterschrieben: Es ist aber danebenst notorium, daß nach laut der praefation,
das gantze Werck keinesweges auf die Politicos, sondern bloß auf die Kirchen und
Schulen und derer Diener angesehen gewesen: darüm man denn auch die Zeit, und
eine gute Weile hernacher allenthalben, da sie aufgenommen, die Politicos mit
den subscriptionibus nicht beladen.
2. Und obwohl an particulär Orten aus sondern grossen Ursachen und Bedencken, welche ich nicht fechte, dißfalls eine Extension gemacht, so ist es doch in diesem löblichen Ertz-Stifft bis auf gegenwärtige Stunde bey der alten observanz gelassen, und dißfalls weder bey mir oder meinen Collegen das geringste gemuthet worden.
3. Denn so viel mich betrifft, als ich vor 8. Jahren von E. Hoch-Ehrwürdigen Dom-Capitel sede vacante bin bestellet worden, ist ein mehrers nicht fürgangen, als daß man mich gefraget; ob ich auch Calvinisch wäre, mit der angehengten Entschuldigung, daß ein jedes Membrum Capituli sich darauf auch erklähren müste: Darauf ich geantwortet; Nein, ich müste aber daneben dieses errinnern, daß mein Gebrauch nicht wäre, mit einem und andern in Religions-Sachen viel disputirens oder discurirens zu treiben; denn ich hielte vielmehr davon, beflisse mich auch, so viel mir GOtt Gnade gebe, selbsten dahin, daß einer sein Christenthum mehr im Hertzen, als im Munde hätte, auch durch einen Christlichen Wandel herfürleuchten, als in Worten und vielem Gewäsch bestehen liesse; Hierauf ist mir geantwortet, man wäre mit der Erklährung wohl zufrieden, denn ich würde für keinen Hof-Prediger bestellet; habe meine schrifftliche Bestallung (in welcher kein Wort davon gemeldet wird) angenommen, und meines Amts bis zu E. F. G. Eintritt gewartet:
4. Auf die Bestallung haben E. F. G. mich weiter an- und in Pflicht genommen, und ist mir weder Dero Zeit oder nachgehends von der Formula das geringste gesaget worden.
Und verhoffe doch, E. F. G. und männiglich werden mir so wenig in meinen Christlichen als politischen Wandel etwas zu verweisen, sondern mich vielmehr zu jederzeit Christlich treu und redlich erfunden haben; darüber ich hiemit allen meinen Neidern und Calumnianten Trotz geboten haben will.
5. Was nun innerhalb 8. Jahren bey mir nicht gemuthet, sondern nunmehr allererst fürkommen soll, haben E. F. G. gnädigst zu ermessen, daß es nicht ein geringes Nachdencken bey mir verursachet, ichs auch nimmermehr anders ermessen können; als ob mir nunmehr ein unziemlicher Verdacht zugewältzet werden wolte: Darob ich diß mein Jurament gleichsam zur purgation erstatten müste, solches thut aber ehrlichen Leuten sehr wehe, und pfleget sich einer, dem sein guter Nahme lieb, damit nicht gern beladen zu lassen.
6. Dieses kan ich also von mir in Wahrheit kürtzlich anziehen; vor und neben mir ha
|| [205]
be ich in Diensten gesehen bey
E. F. G. Herrn Vatern den Cantzlern Meckbachen und seinen Sohn, und dann den
ehrlichen Mann Herr Johann Hünicken, welcher sich zu der Catholischen Religion
öffentlich bekandt, und ist ihrer keinem einiges Jurament auf die Formulam
Concordiae angemuthet worden, wodurch die bißherige observanz um so vielmehr
bestätiget wird:
7) Jetziger Zeit aber andere mutationes und novitates einzuführen, weiß ich warlich nicht, ob ein vernünfftiger und unpassionirter Politicus E. F. G. Dero Dom-Capitel und Landschafft per rationem status hätte rathen können, oder würden: Ich sehe auch nicht, wozu es nöthig wäre
8) Denn, daß E. F. G. R Capituli oder der Landschafft Meynung seyn solte, aus ihren Räthen Theologos zu machen, oder ihrer in Theologicis zu gebrauchen, kan ich nicht glauben; so glaube ich auch nicht, daß E. F. G., wie auch R Capitulum oder die Landschafft praesumiren solten, conscientiis hòminum zu dominiren, sintemahl noch so grosse Monarchen solches mit ihrer grösten Macht nicht erheben können: Weniger glaube ich, daß E. F. G. von einigen Politico ein mehrers als eine äusserliche Conformität des Landüblichen Exercitii in Predigt hören und üblichen Kirchen-Ceremonien erfordern werden.
9) Und wann E. F. G. gleich auch ein mehrers wissen wolten, so würde doch der alte Cassius bald fragen: Cui bono? dabey aber würde sich endlichen gar nichts finden.
10) Denn E. F. G. sind GOtt Lob für ihre Person in Theologicis also geübet, und in ihrer Meynung dermassen muniret, daß sich ein jeder auf ein wiedriges Intent vergebens an sie machen würde:
11) In ipso statu Archi-Episcopatus aber etwas durch Religions-Mittel zu machiniren, ist darum E. F. G. Räthen unmüglich, dieweil ja E. F. G. selbsten in geistlichen Sachen keine Ordinanz oder directorium zustehet, sondern E. Hoch-Ehrw. Dom-Capitel dieselbe für sich ausgezogen, und alles zu versehen haben.
12) Und solte dann je noch einige Nothwendigkeit daran, auch wieder Verdacht oder Zweiffel hafften, so stünde es bey derselben (daß ich von mir sage) meine Confession bey mir zu fordern; und wäre meine Schuldigkeit nach dem Praecepto Petri (1. Petr. 3.) also dann rationem fidei meae, so gut ich könte, derselben nicht zu verhalten, sondern herauszugeben, getrauete mir auch also mit derselben auszukommen, und zu bestehen, daß ein jeder rechtschaffener oder Schrifftverständiger Christ mit mir friedlich seyn müßte. Mich aber in die formulam Concordiae und die darinn enthaltene Streit und dero Ausführung zu intriciren, ist meine Gelegenheit gar nicht. Sintemahl mir die Streit nicht allein guten Theils viel zu hoch, und ich sehe, daß sie gar nicht zur satisfaction auch derjenigen, die sie unterschrieben ja selber gemacht, erörtert, sondern von Autoribus und Approbatoribus so viel
|| [206]
contradictiones und Aussetzungen
fürgangen, daß man bald nicht weiß, zu wem man sich unter ihnen wenden solte;
darum wohl nöthig wäre, daß man nach der Hand auf eine neue Concordiam gedächte.
13) und darum setze ich den Fall, daß auch gleich ich und alle andere E. F. G. Politische Räthe auf die formulam schwüren, was wären entweder wir, oder E. F. G. auch dero Dom-Capitel und Landschafft dessen gebessert.
14) Denn soll ich die Wahrheit sagen, so wird gewiß daran nichts fehlen, daß in dem gantzen Ertz-Stifft (wenn ich gleich gar viel sage) nicht 15. Theologi seyn, so die formulam, und die darinnen enthaltene schwere Apices Theologicos aus dem Grunde verstehen. Dasselbe werden E. F. G. erfahren, wenn dermahleinsten eine visitation gehalten wird.
15) Inter Politicos weiß ich gewißlich (jedoch niemand zu nahe geredt) keinen einigen, der sie verstünde, ja mancher mag nicht viel Blat darinn gelesen / mancher aber sie nie gesehen haben. Es ist auch ein jedweder, dieweil er seines Beruffs oder Profession halber darauf nicht gewidmet, darunter gar wohl entschuldiget; E. F. G. bedencken aber gnädigst, ob sie uns armen Leuten nicht dadurch Ursach zu sündigen geben, indem sie uns auf ein Ding schwören machen, welches wir nicht verstehen, und uns also mit einem fide implicita ecclesiae, (welches ich doch auf der Cantzel an dem Catholischen verdammen höre) behelffen, und darauf fundiren müssen.
16) Was uns solches anderer Oerter bey verständigen Leuten für einen Nahmen möchte machen, haben E. F. G. leichtlich auch zu ermessen.
17) Und wäre dann jemands darinnen gar wohl beschlagen, so wird er gewißlich wohl dabey bleiben, wenn gleich er nimmermehr Pflicht dazu erstattet.
18) Ich sehe auch hierüber und weiter nicht, was E. F. G. ich oder ein ander meines Orts vermittelst der formulae mehr Nutz seyn oder werden könte. Sintemahl sie in Politicis ausser den Schwenckfeldischen und Wiedertäufferischen locis, die doch ein jeder aus dem Wort Gottes ohne das weiß, davon gar wenig Unterricht giebt.
19) Neben den werden E. F. G. oder R Capitulum und die Landschafft E. F. G. Räthe (meines Verhoffens) für redliche Leute halten, oder sie müsten wieder etliche ungleiche suspiciones haben. Bestehets beym ersten, so ist gewißlich dieser obligation ad formulam unnöthig, denn, wer ehrlich ist, wird wohl ehrlich bleiben, wenn er gleich die form nicht gesehen; wäre aber einer anders, so wird er gewißlich nicht fromm werden, wenn er auch alle Tage mit derselben umgienge. Denn wenn GOttes heilige zehen Gebothe nicht fromm und treu machen, so werden gewißlich die schweren Theologischen Quaestiones nichts ausrichten.
20) Ja die Erfahrung giebts, daß offtermahls diejenigen, welche die Religion stets im Munde haben, und einen grossen zelum praetendiren, das wenigste verstehen,
|| [207]
und also der zelus
absque scientia sey, im Leben und Wandel aber nicht das geringste exprimiren,
was zu einer rechten Christlichen Religion gehöret, und von GOtt erfordert wird.
21) Und fällt mir allhier ein, was ein hochverständiger Fürst im Reich hiervon gesaget hat, nehmlich, es kämen ihme gemeiniglich diejenigen unter seinen Politicis, welche sich gar eyfrig in Religions-Sachen stelleten, gar suspect für: Denn, wenn es zum Examine oder Theoria käme, so finde er sie gemeiniglich flach und übel beschlagen, und vernehme also, daß ein blosser zelus absque scientia bey ihnen wäre, käme es aber ad praxin, so finde er nichts weiters bey ihnen, sondern vielmehr, daß Ambitio, Avaritia, Invidia und Calumnia die fürnehmsten Heiligen in ihrem Calender wären:
22) Aus welchem verhoffentlich E. F. G. zu erspühren, daß auch eine gar wenige Nothdurfft oder Nutz darinn stecke / aber den Fall ferner zu setzen, daß man darauf auch gar nicht zu sehen hätte, so muß man gleich wohl billig darauf sehen, von weme der praetension nach dieses Werck ursprünglich herrühre, und dann weiters: ad quem finem es geschehen seyn solle.
23) Nun wird zur Ursach angezogen, des Ausschusses der Landschafft in nehester desselben Congregation an E. Hoch-Ehrw. Dom-Capitel gebrauchtes postulatum, welches ich, unerachtet, was hinc inde davon discuriret wird, dahin stelle. Dafür halte ichs aber je und allewege, es solle daran hafften, daß der Landschafft Meynung gewesen, und noch sey, gleich hindurch zu gehen, und alles, was in der formula verdammet, nicht zu zulassen, und ist gewiß, daß solches auf einer Seiten die Papisten, auf der andern die Calvinisten seyn sollen.
24) Auf der einen Seite ist notorium, daß die Pröbste und Praelaten in Clöstern eines theils mit ihren Conventualen entweder gar, oder doch zum grossen Theil papistisch seyn; können oder wollen nun dieselben als pars der Landschafft andern ehrlichen Leuten das onus auf die formulam zu schwören aufbürden, so lasse man es heissen: Quod quisque juris &c. Und lasse sie eben sowohl darauf schwören, oder, da sie nicht wollen, auch changiren; solches ist den alten dieses Ertz-Stifts gemachten visitation-Ordnungen und reversalen gemäß, über welche E. F. G. halten.
25) Wie sie aber bisanhero E. F. G. Untersagens ungeacht, sich mit Einstellung der Messe nicht allein nicht accommodiret, sondern vielmehr E. F. G. R. Capitulo und der Landschafft zur bravur dieselbe gantz frey und nicht heimlich verübet; also werden sie Zweiffelsohne auch nochmahls thun, und sich die formulam Concordiae nicht irren lassen, und haltens gleichwohl viel vernünfftige Leute dafür, daß ihrer etliche durch vielerhand verdächtige Correspondenz diesem gantzen statui vielmehr schaden können, als jemand unter E. F. G. Räthen.
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26) Solte aber mit demselben um zeitlicher Furcht und respecten willen conniviret, ihr Wesen toleriret, andere ehrliche Leute aber darentgegen mit Neuerung beschweret werden; So bedencken E. F. G. ein Hoch-Ehrw. Dom-Capitel und Landschafft, wie sie es gegen GOtt, der da nicht haben will, daß wir auf beyden Seiten hincken, wie sie es in ihrem Gewissen, und dann bey allen und jeden Evangelischen Chur-Fürsten und Ständen, keinen ausgenommen, verantworten wollen.
27) Dann auch diejenigen, zu denen E. F. G. die meiste Confidenz haben, nicht anders sagen werden, als man solle gerade hindurchgehen, hoc oportebat facere, & alterum non omittere.
28) Oder aber kan man hierunter dieser verschonen, so sehe ich nicht, wie man auch andere Leute nicht verschonen solte.
29) Wende ich mich nun zu den andern, nemlich der Calvinischen Seiten, so seynd mir diese Themata und discurs nicht neu; die Calvinisten sind böse, schädliche, (ja man nennets wohl anders, welches ietzo in der Feder bleibet) Leute, deren man um ihrer gottlosen Religion und schädlichen Consiliorum willen nicht trauen könte; darum man sich in gar bösen Consiliis des termini gebraucht, daß man es Calvinische Consilia nennet, und soll demnach die formula Concordiae die proba seyn, an welcher eydlichen probation man die Leute erkennen, und sich also ihrer versichern könte.
30) Ich für meine Person erkläre mich darauf, so viel die Religion anlanget, nochmahls wie droben, daß ich meine Zeit nicht gern mit Streit-Sachen verzehre, sondern mich in meinem Christenthum um zu einem guten Gewissen und gottseeligen Wandel befleisse: hoffe, dasselbe soll mir nützlicher seyn, als wenn ich mich stündlich in Religions-Streiten occupirte. Interim bekenne ich gerne, daß ich neben der Heil. Schrifft etlicher alten Orthodoxorum patrum monumenta nicht allein Lutheri, und Lutherischer, sondern auch Calvini und Calvinischer Theo-Iogorum scripta lese, und in allen dasjenige probire und improbire, was ich dem Wort GOttes gemäß oder ungemäß finde.
31) In Controversiis, wie sie ietzo getrieben werden, finde ich, daß dieselben fast zum grössern Theil in quaestione: an sit: bestehen. Denn der eine saget, die Calvinisten lehren dieses oder jenes, sie sagen aber Nein, es geschehe ihnen unrecht: Einer allegiret loca aus ihren scriptis, sie sagen aber, sie seyn gar unrecht allegiret; und muß ich gleichwohl bekennen, daß ichs im Nachschlagen öfters also befinde: Einer sagt, man sey in 4. Puncten mit ihnen different, der andere aber saget, man sey in toto fundamento fidei mit ihnen von einander, der eine imputiret ihnen bey ihrer gantzen Religion in toto blasphemias (dabey ich sage: Ich wolte lieber eine bestia seyn, als es in blasphemiis mit jemand halten, er sey
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wer er wolle) Der
ander zeucht ferner ein. Der dritte saget, sie haben in vielen Recht, und
darinne müsse man sie auch Recht lassen. Kömmts zum vierdten auf ihre
Explication, ich halte auch beyderseits unpassionirte scripta gegen einander, so
finde ich, wenn der passus ubiquitatis (wie Lutherus selbsten gewollt)
ausgesetzt würde, daß sie, wo nicht gar, jedoch gantz auf ein genaues zusammen
gekommen. Dieses halte ich Theologice von ihnen, und bekenne darneben, daß ichs
mit der ubiquität nicht halten könne, glaube auch, daß es weder E. F. G. oder
Capitulum und dessen Membra damit nicht halten.
32) Politice achte ich sie für ehrliche und redliche Leute, und halte es mit der observanz, Krafft welcher Chur-Pfaltz über 40 Jahr das directorium in Religions-Rathe auf der Evangelischen Seite geführet, und daß sie also in Religions-Frieden gehören, inmassen dann auch an hohen Catholischen Orten also statuiret wird: Und wäre zu wünschen, daß viel Leute, welche distractiones so sehr urgiren oder foviren, offt für Augen hätten, was D. Saccus in Herrn Levini von der Schulenburg gewesenen Dom-Dechents seeligen Leich-Predigt gedencket, nehmlich, wie man anno 66 auf dem Reichs-Tage gesucht / Pfaltzgraff Friederich Churfürsten aus dem Religions-Frieden zu cassiren, daß der hochlöbliche und mit Wahrheit hochverständige redliche Käyser Maximilian der II. gesagt, Ihr Herren, soll ich euch antworten, nescitis quid petatis, wolt ihr euch selber trennen?
33) Ich bekenne auch weiter ohne einige Scheu, daß ich mit vielen Catholischen und Calvinischen redlichen Leuten correspondire, und einen jeden redlichen Mann lieb und wehrt halte, nicht darum, daß er Lutherisch, Catholisch oder Calvinisch, sondern darum, daß er kein loser Laurer ist.
34) Von dem termino der Calvinischen Consilien halte ich soviel, daß ich der Meynung bin, daß diejenigen, welche ihn so offt gebrauchen, denselben nicht recht verstehen, denn solcher terminus ist an etlichen Catholischen Höffen, aber allein in nachfolgender massen in Ubung; Einmahl, wenn man von den unterschiedenen Bedencken, so von der Evangelischen Seiten aus- und fürkommen, judiciret, so heist man die subtilen Calvinisch, die aber etwas rauch er und unpolirter, Flacianisch. Fürs 2. wenn Catholisch und Evangelische auf die Fxtremisten kommen, so nennt man auf Catholischer Seiten selbige Calvinische, auf der anderen aber Jesuitische.
35) Dieses ist in allen die in Reichs Sachen ein wenig wissen, wohl bekannt: Und glaube ich, wenn man sonsten die Calvinischen Consilia demonstriren solte, man würde nicht wissen, was und wo sie wären. Contrarium aber, und das Lutherische und Calvinische einerley Consilia führen, und mainteniren, giebet der notorische Unions und Correspondenz-Verlauff. Dann, wenn man ansiehet, ob die Calvinischen oder Lutherischen in derselben praeponderiren, so ist gewiß,
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daß der Lutherischen mehr seyn,
wenn auch davon zu reden, ex quo fonte consilia kommen, so wird man vielleicht
auf der Lutherischen Seiten fast die meisten und wichtigsten Autores finden. Und
in Summa der Herrschafften Theologen disceptiren, sie seynd aber in ratione
& consiliis status einig, und wäre also wohl zu fragen, wie denn wohl
die Calvinischen von den Lutherischen Consiliis discrepant wären.
36) Betreffende die proba, nehmlich das Juramentum auf die Formulam Concordiae, weiß zwar auch wohl, wie etliche davon discurriren: Nehmlich, wer nicht mit der Formula halte, der sey Calvinisch, ob ers gleich nicht seyn wolle. Ich halte aber die Probe für gantz ungewiß, und den Discurs pro plane absurdo. Denn es könte ja einer wohl Calvinisch seyn. Es könte auch wohl einer mit der Ubiquität; er könte mit den neuen phrasibus; er könte mit vielen andern nicht einig seyn, davon ich vielleicht in rationibus Theologicis etwas melden werde.
37) Exempel und Anleitung sind diese, der König in Dennemarck, das gantze Hauß Holstein, Pommern und Hessen, die Städte Nürnberg, Straßburg, Wurmbs, Speyer, Magdeburg haben die Formulam nicht annehmen, oder sich dazu bekennen wollen. Es ist aber die Frage; seynd sie darum Calvinisch? da wird männiglich sagen; Nein, denn sie haben ihr Bedencken, sonsten aber solche Confessiones gehabt, damit man friedlich seyn muß.
38) Und daß dieser Schluß recht, dessen beruffe ich mich auf Hutterum in Form. Concord. cap. 35. da er selbst sie also entschuldiget, und eben diesen Schluß mainteniret: Setzet noch dazu, daß einer wohl seine rationes politicas, die ihn von der Subscription abhalten, haben könne.
39) Und was also von gantzen Statibus gesaget wird, dasselbe ist abermahl aus der Observanz billig dahin zu extendiren, wenn auch gleich ein Herr sich zu der Formula bekennete, die Diener aber solches nicht thäten. Dann Churfürst Ludwig Pfaltz-Graff hochlöblichsten Andenckens hat der praefationi Form. unterschrieben, keiner aber unter seiner Churfürstl. Gn. Räthen, ja keiner unter derselben Theologis hat sie unterschrieben, und hat sie doch kein Mensch darum Calvinisch gehalten. Dannenhero E. F. G. zu erspühren, wie es mit dieser proba gethan sey.
40) Ja ob es gleich beym contrario bestünde, so könte man doch denjenigen, welcher diese formulam nicht probirte, darum nicht verdammen, oder als verdammt tractiren; denn laut der praefation, welche Churfürsten und Stände unterschrieben, sind die Condemnationes allein auf die Lehrer und Lästerer gemeinet, und nicht auf die Zuhörer, die das Werck nicht inne haben. Auf die praefation kürtzlich bezogen.
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41) Ja weiter finde ich in den Tisch-Reden Lutheri (in Octav. Tom. II. p. 40. 41.) wie einsmahls Petrus Wellerus aus Preussen kommen, und referiret, wie dessen Orts einer von Adel in Diensten, der ein Sacramentarius wäre, daß Lutherus diese Bedencken gehabt, wenn er sonsten treu und kein scandalum gäbe, solte man ihn leiden, wenn man gleich wüste, daß er die Seinigen daheimb in seiner Religion informirte.
42) Und düncket mich nach meiner Einfalt, wollen E. F. G. eine proba auf ihre Diener haben, weme sie zu trauen oder nicht, so wäre besser, sie nähmen das Exempel für sich, 1. Sam. XII. vers. 2. 3. 4 und vernähmen die Leute, oder die famam & vocem populi, quae est vox Dei, wie ein jeder procediret, von weme man denn sagen wird: Du hast uns keine Gewalt noch Unrecht gethan / und von niemands Hand etwas genommen, denn können E. F. G. auch Capitulum und die Landschafft sicherlich für einen ehrlichen Mann halten, und ihm trauen. Das contrarium stelle ich auch zu E. F. G. Ich meines Theils weiß, daß ich einem jeden ehrlichen Mann sicherlich dieserwegen unter Augen treten könne.
43) Sonsten versichere ich E. F. G. daß diese Neuerung, zumahl bey allererst überstandenen schweren Paroxismo, da es billig heissen solte: Non multa simul. E. F. G. wie auch Dero gantzen Statui nicht fürträglich, sondern vielmehr hochschädlich seyn werde.
44) Dann wollen E. F. G. Reveren dissimum Capitulum und Landschafft zugleich die formulam mainteniren, und doch zugleich wieder dieselbe die Messe, und solches aus zeitlicher Furcht und respecten toleriren. So bedencke sie, wofür man solche contrarietät in- und ausserhalb Landes halten, und solches E. F. G. reputation mehren oder mindern werde. Was die Stadt Magdeburg davon hält, dessen hat sie sich bey nächsten Bergischen Tractaten in einer harten Schrifst gnugsam eröffnet: Vielleicht möchten sich solche opiniones bey vielen Landständen weiters finden.
45) Verlautets dann ausserhalb, daß man hier niemand traue, der es nicht mit der formula halten wolle, so bedencken E. F. G. wofür es bey denen unter E. F. G. Erb-Vereinigten, welche es nicht damit halten, (denen aber E. F. G. mit leiblichen Eyden verbunden) ermessen; Was es bey E. F. G. Brüdern und Vettern, und was bey dem gantzen Evangelischen Wesen für ein Ansehen haben; was man E. F. G. hinwieder trauen, und wo man sich ihrer auf allen Nothfall annehmen werde.
46) E. F. G. bedencken weiter, ob sich das Fürstliche Hauß Anhalt, welches mit der formula nicht stimmet, zu den alten Consoederationibus und der Lehnschafft dergestalt verstehen werde.
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47) Ja E. F. G. und Dero Dom-Capitel haben auch zu bedencken den Nieder-Sächs. Creyß, in welchem dieses Instrumentum nirgends üblich ist / und darinnen E. F. G. gleichwohl das Directorium führen. Denn daß man bishero taliter qualiter mit den Ständen hindurch kommen, dasselbe hat dahero gerühret, dieweil man noch jederzeit bey ihren Räthen so wohl als den Herrschafften ein gutes Vertrauen gehabt, wird aber nun einer und der ander vermercken, worauf mit dieser Neuerung geziehlet wird, so hat man leichtlich zuermessen, was man uns hinführo trauen, wie man uns folgen, wie man mit uns einstimmen, und ob das Werck schwerer oder leichter gemacht, ja ob nicht Sachen, die man sonsten bey dem gemeinen Creiß-Wesen wohl liesse, hiedurch aus demselben gar möchten gezogen werden.
48) Hätten es dann ja E. F. G. Landschafft so hart, wie man saget, urgiret, so bedencken auch diejenigen, so auswärtige Lehen unter Herrschafften, die mit der sormula nicht halten, haben; Ob man es nicht dafür achten werde, daß sie auch denselben ihren Lehn-Herren nicht trauen, und was es bey denselben, wie auch bey ihren Convasallis für ein Ansehen haben werde.
49) Und thäte wenig, ob man E. F. G. hierunter gleich auf anderer Herrschafften Exempla und Verfassungen weisen wolte, denn E. F. G. haben hinwieder zu bedencken, daß es dabey heisse Duo cum faciunt idem, non est idem. Und sagen alle vernünfftige Politici, wenn man auf exempla novitates einführen wolle, soll man fleißig zusehen, ob auch alle und jede, auch die geringsten Circumstantiae von einem zum andern eintreffen. Denn sonsten pflegets selten zu gerathen. Nun ist aber notorium, daß sich alle weit andere wichtigere Ursachen, Umstände und Considerationes finden, insonderheit aber wird niemand sagen, daß man zu dem Exercitio der Messe im geringsten connivire.
50) Dieses, Gnädigster Herr, sind die Inconvenientien, die ich bey dem Werck finde, und darum ich mich dazu gar nicht weiß zu verstehen: Wann ich aber derent wegen den Effect und avantagio, so E. F. G. davon haben, ansehe, so ist es der einige, daß E. F. G. eines eintzeln geringen Dieners, nehmlich meiner darüber quit worden. Dazu doch E. F. G. sonsten mit einen einigen Worte wohl gelangen könten: Denn es gehe mir, wie der allmächtige GOtt will, immassen ich denn auf seine göttliche Providenz alles setze und stelle, so kan und will ich auf die formulam nun und nimmermehr schwören. Einmahl, daß ich dasjenige, so ich aus obigen Ursachen improbire und improbiren muß, zuwieder meinen Concept und bessern Verstehen, zu leisten Bedenckens: Und dann, dieweil ich dawieder auch viel rationes Theologicas habe, welche E. F. G. iedoch nicht alle, sondern etliche nachfolgender massen aufsetzen will.
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Rationes Theologicae.
1) Hierbey muß ich nun anfangs dieses anzeigen, und mich so weit verwahren, daß ich die formulam nicht in totum verwerffe, oder deren Contenta für Unrecht halte, sondern bin vielmehr der Meynung (erklähre mich auch hiermit) daß viel herrlich er guter Ausführungen darinnen, und mir dieselben gar lieb seyn.
2) Weiß ich auch wohl, wie das übrige hin und her wieder explicirt, interpretirt und also mitigiret wird, und daß noch viel Theologi, die sich dazu bekennen, im Verstande nicht einig; da ichs nun darauf stellen, und mir auch eine interpretationem oder Verstand nehmen wolte, so könte vielleicht ich mein juramentum auch auf einen Verstand richten, und mich also des Dicti Gregoriani behelffen. Humanae aures talia verba nostra judicant, ut foris sonant: Judicia vero Dei talia foris audiunt, ut ex intimis proferuntur. Wann aber solches mein Gebrauch nicht, sondern ichs vielmehr mit dem Isidoro in c. quacunque arte c. 22. q. 5. halte. Quacunque arte verborum quisque juret, Dominus tamen, qui conscientiae testis est, ita hoc accipit, sicut ille, cui juratur, intelligit.) So hab ich dessen nicht unbillig Bedenckens.
3) Wenn ich aber ad trutinam formulae kommen soll, so muß ich vor 1) die Personen, welche sie erhoben und dirigiret, und dann 2) den Process, letzlich aber 3) ipsa materialia des Wercks ansehen und betrachten.
4) Die Personen sind auf einer Seiten die Hochlöbl. Chur- und Fürsten, die es anfangs erhoben, auf der andern aber die Herren Theologi, denen es von Ihrer Churfürstlichen und Fürstlichen Gnaden ist anvertrauet worden.
5) Daß die Hochlöbl. Chur- und Fürsten eine recht Christliche Treue und hochrühmliche Intention bey diesem Werck geführet, kan nicht allein niemand verneinen, sondern jederman muß bekennen, daß Ihre Churfürstlichen und Fürstlichen Gnaden in der Gruben hoher Danck, und ewiger Nachruhm dafür gebühre: Auf Ihrer Chur-Fürstlichen und Fürstlichen Gnaden Erklährung in der praefation bezogen.
6) Der Theologen Person betreffend, will ich zwar davon ausser itziger meiner Nothdurfft nicht viel regen, es ist mir auch ausser diesen Paß weder viel oder wenig daran gelegen: Aber gleichwohl mit der protestation sage ich, daß ihrer ein Theil gelehrte und fromme Theologi gewesen, wie mir denn auch etlicher ihre scripta garlieb sind. Dagegen aber ist unleugbar, daß D. Selneccer in seinen scriptis einer grossen inconsideranz und Unbeständigkeit jederzeit beschuldiget worden; Es gebens auch die scripta, man sage gleich, was man wolle, nicht anders: Wie es um D. Jacobum Andreae seinen Wandel und Verhalten geschaffen gewesen, solches wissen noch viel ehrliche Leute, und geben
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Fürstlicher Personen, wie auch
Lutherischer Theologen Schrifften dessen gnugsam Zeugniß, welches ich dahin
stelle. Mit seiner Theologie aber ists in Wahrheit also geschaffen, daß er sich
nebenst Brentio vieler ungeheurer opinionen und Reden beholffen, die gewiß
Eutyches, Nestorius und Schwenckfeld nicht wohl schlimmer hätten ausschütten
können, seine scripta sind da, es ist ihm auch von fürnehmen Lutherischen
Theologen öffentlich fürgerückt, darauf will ich mich bezogen haben: Mit Musculo
ists nicht besser gewesen, denn er das Ubiquitätische Wesen beständig
defendiret, aus der Ascensione eine disparitionem gemacht, ja auch die haeresin,
bona opera esse noxia ad salutem, geführet. Darumb meines Ermessens die
Concordiae formula fast unglücklich gewesen, daß sie in dieser Leute Hände
gerathen.
7) Ich kan hierbey einem jeden seine Gedancken wohl gönnen, für mich aber bleibe ich bey der Regul meines Herrn und Erlösers: Aut facite arborem bonam & fructus bonos, aut arborem malam & fructus malos. Arbor enim mala non potest fructus bonos ferre. Und heissets sonsten: Semel malus semper praesumitur malus. Et eo ipso aliquid bonum vel malum praesumitur, quando a bono vel malo profectum est.
8) Und ob es wohl bey manchen das Ansehen hat, als ob sie doch in Kraft gesamter subscription zu einer Conformität kommen, und D. Jacobus und Musculus von der üblen Ubiquität abgestanden, lauts der praefation überredet, daß dieselbe nicht statuiret würde: So hat doch der Erfolg geben, daß sie nichts minder bey derselben, wie vor also nach geblieben, und also mit den andern darüber niemahls einig worden. Denn in der Apologia formulae cap. 9. wird durch D. Selneckern und Chemnitium dieselbe wohl drey Jahr post publicationem formulae nochmahls verworffen, und die incommoda dicta Lutheri, so drüber eingeführet, durch andere mitigiret und erläutert. Selneccer in seinen recitationibus verwirfft sie gleichfalls, und entschuldiget die formulam davon: D. Jacobus Andreae aber bald in seinen Predigten, so er nach der formul und subscription gethan, und zu Dreßden gedruckt worden, defendiret sie; bringt auch seine alte haeresin de ascensione Christi wieder auf die Bahn: Ja Anno 84. wie er mit den Braunschweigischen Theologis in quaestion kommen, und man ihm die Wiederwärtigkeit der praefation und der formulae aufrückt, schreibt er öffentlich, daß er die Ubiquität zu verwerffen niemahls im Sinn gehabt: Und ob man sie gleich in loco de coena aussetzte, müste man sie doch in loco de persona Christi behalten: Stellets auch neben seinen Collegis dahin, obs andere nicht glauben wolten, daß mans sie glauben lassen solte. Eben solches geschicht in refutatione orthodoxi consensus, welche die Helmstädter niemahls probiren wollen. Ja seine Predigten, die er
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kurtz vor seinem Tode loco testamenti erholet, gehen dahin, auch so weit, daß
kaum zwischen D. Luthern und Schwenckfelden eine Logomachia gewesen seyn solle.
Die Scripta sind alle in offenen Druck, und kan also dieses nicht geleugnet
werden; Musculus ist auf seinen beyden Meynungen bis auf sein Ende verharret.
Daß ich mir nun von solchen Leuten, die solche gewaltige scandala, und der
Kirchen niemahls fatisfaction dafür gemacht, Symbola fidei stellen lassen, und
meine Confession und Seeligkeit darauf setzen, mich auch mit einem Eyde
verbinden solle, dessen habe ich fürwahr groß Bedencken.
9) Den Process belangend, ists gewiß, daß man anfangs bey allen mitvorstehenden Ständen diese Veranlassung gemacht, daß die particular-Censuren desjenigen, so die sechs Theologen abgefaßt, synodaliter revidiret, und mit einhelligem Schluß in ein richtiges Corpus Doctrinae oder Confession gebracht werden solten. Man hat aber hernach der andern unwissend davon abgestanden, und, wie man die subscriptiones erlanget, mit dem Druck viel zu früh fortgefahren. Dieses kan niemand leugnen, und da es geschehe, kan er aus den Tangermündischen und Qvedlinburgischen Actis, wie auch denselben Recess, dem Heßischen Heshusio, Hoffmanni, Pauli ab Eitzen scriptis, wie sie auch in D. Hutteri Concordia Concorde zu finden, ingleichen auch aus der Apologia formulae stattlich überführet werden. Daß aber gleichwohl solches nöthig und billig gewesen / dasselbe ist in ietztermeldter Theologorum scriptis stattlich ausgeführet; anderer, als der Neustädter, Brehmer, Anhaltiner und Jesuiter zu geschweigen.
10) Und dieses haben auch hohe Fürstliche Personen ziemlich empfunden und geandet, als Churfürst Ludwig, Pfaltz-Graff, wie auch Marck-Graff Ernst Friedrich zu Baden bezeuget, welchen als einen redlichen Fürsten ich billig traue, es mögen es andere eludiren, wie sie wollen, ingleichen Hertzog Julius zu Braunschweig, wie J. F. G. Schreiben, so im offenen Druck, bezeugen.
11) Wie es denn mit den subscriptionibus etlicher massen hernacher gangen, ist nicht unbekannt, und sind vielleicht noch Leute an E. F. G. Hoffe, die es zum Theil gesehen haben, und also davon berichten können.
12) Neben dem ist dieses erfolget, daß, da die formula schon unterschrieben, privatim & ad partem insciis reliquis, tam collectoribus, quam subscriptoribus allerhand wichtige mutationes, Correcturen und Aenderungen darinnen fürgangen. Dessen die Braunschweigischen Theologi im Qvedlinburgischen Colloquio die Churfürstlichen öffentlich überführet (Auf die Acten und den Recess §. den andern general-puncten, wie ihn D. Hutter selbst drucken lassen, bezogen): Ja es haben die Helmstädter einen sondern Indicem darüber herausgegeben. Daraus denn erfolget, daß die gedruckten Exemplaria sowohl un
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ter sich, als mit den geschriebenen,
die man ausgeschickt, disceptiren. Immassen von etlichen particulariter
angemercket, worüber man nicht wissen können, welches das rechte oder nicht;
Immassen D. Daniel Hoffmann von sich geschrieben, daß mans den Churfürstlichen
in Colloquio Quedlinburgensi fürgerückt, sie sich zwar auch erbothen, das eine
Dreßdnische Exemplar zu corrigiren, und ihnen zur Nachricht, wie auch noch an
drey Oerter in Verwahrung zu geben. Aber die Braunsch weigischen haben es aus
der Ursache abgeschlagen, daß sichs nicht gebühren wolte, ein ander Exemplar in
der Clausur zu haben, und ein anders in Kirchen und Schulen umgehen zu lassen.
Die Notorietas dieses Dinges ist da, und kan gar nicht geleugnet werden.
13) Die Entschuldigung stelle ich zwar an seinen Ort, und gehet, wann ich nur mit der formula unbeirret bleibe, mich dieses Ding gar nicht an. Da ich aber ietzo von nothwegen darauf Gedancken wenden muß, so werde ich, doch andere Ursachen zu geschweigen, darum hiedurch gar sehr geärgert: Dann formula soll explicatio Augustanae Confessionis und sowohl ein Symbolum derer Kirchen, die sie agnosciren, seyn, als die Augustana Confessio. Nun beschuldigt man den treuen gottseeligen und wohlverdienten Herrn Philippum aufs euserste, ja wie Jacobi Andreae Dreßdnische und Wittenbergische Predigten, ingleichen andere scripta ausweisen, machet man ihn gar zum falsario und Unmann drüber, daß er etwas in der Augspurgischen Confession (wie man saget) für sich ein wenig geändert. Daß Philippus zwar nichts für sich, oder aus eigner Thurst gethan, erscheinet daher, daß solche Confessio auf unterschiedenen Conventen öffentlich fürgeleget und gebrauchet, und sich keines Chur- oder Fürsten Theologus oder Politicus darüber im wenigsten beschwehret, ja daß sie alle Chur- und Fürsten, so daran interessiret, approbiret. Dasselbe bezeuget der Naumburgische Abschied de anno 65. daß sie nicht verfälschet oder verschlimmert, ist daher wahr, daß mans eine Verbesserung und explication jederzeit genennet: Und obwohl die Apologia formulae cap. 9. die Verbesserung nicht einräumen will, so sagt doch Chytraeus, welcher ja einer ex Gollectoribus formulae gewesen, in historia Augustanae Confessionis ausdrücklich, daß sie sey verbessert worden, welches ich also pro defensione Philippi mit anziehen müssen: Aber, wenn obgemeldter Theologen Censur wieder ihn gehen soll, was muß denn vor eine Censur wegen der mutation formulae wieder sie gehen, als die es eben sowohl ohne Geheiß der Obrigkeit für sich gethan haben?
14) Und freylich haben die andern Collectores, so dessen unschuldig, selbst dawieder geeiffert; Wie denn Musculus dahero die formulam jedesmahl einem Bettlers-Mantel verglichen, daran etliche Leute sonderliche Flecken gesetzt hätten.
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15) Wie es Hertzog Iulius zu Braunschweig den Theologis gedeutet, geben die gedruckten scripta, darauf ich mich ziehe; Dieses sind alles Sachen, die wahrlich sehr ärgern, und mir nicht zulassen, daß ich mich zu solchem unordentlichen und verfänglichen Werck thun möge; Und dasselbe geschicht noch vielmehr, wenn ich die formulam in ihren meritis ein wenig ansehe, will demnach E. F. G. von meinen Gedancken nur etwas, und nicht alles, nachfolgender massen andeuten.
16) Und den Anfang von der praefation, wie billig, zu machen, erhole ich kürtzlich meine obige Anzeige, nemlich, daß der Hochlöbl. Chur-Fürsten und Stände hochlöbl. Intent, und die Instruction, die sie den Collectoribus aufgeben, daraus zu ersehen sey. Sonderlich ist zu loben, daß sie in loco de Coena die Ubiquität aussetzen, und nicht pro fundamento haben wollen. Ingleichen, daß sie die generalem ubiquitatem verwerffen, daß sie auch confusionem & aexequationem naturarum abthun, daß sie sich auch erklähren, wie sie wieder die Confession und Apologie in rebus & phralibus nichts würcklich einführen lassen wollen; dieses ist der löblichen Herren löbliche Meynung gewesen, man sehe aber in formula die beyden loca de persona Christi und Coena an, so wird man totum contrarium darinne finden. Denn, daß sie neue phrafes, daran man Zeit der Confession und Apologie wohl nicht gedacht, häufig hereinbringen, giebt die Evidenz, und haben sie es den Anhaltinis, wie auch Hessen und andern gestehen müssen, daß übrige will ich jedes auf seinem Ort auch anführen.
17) Ist wohl gethan, daß man sich zu der Heiligen Schrifft der Prophetischen und Apostolischen Schrifften, den 3 Haupt-Symbolis, dazu doch billig Ephesinum und Calcedonense auch gehören, und der Augspurgischen Confession bekennet, nach dem Nahmen aber so gar scrupulose inculciret, wie man die unveränderte Confession, so anno 30. Carolo V. übergeben, meine, und dieselbe aussetzen lasse. So findet ein jeder, daß wir nunmehr (wie uns die Catholischen Schuld geben) nicht eine, sondern drey, ja wohl viele Augspurgische Confessiones haben; Denn bald ao. 31. ist auf Anordnung Herrn Lutheri eine Confession mit der Apologie gedruckt worden, daran man sich, als des rechen Exemplars, iederzeit gehalten, ao. 40. ist sie verbessert, und wie sie verbessert, in der Saxonica Confessione repetirt: ao. 61. seynd die Stände in Naumburg besammen gewesen, und zugleich das rechte erste Exemplar de novo unterschrieben, und der Käyserlichen Majestät überschickt, zugleich auch das verbesserte de ao. 40. ratificiret. Nun kömmt diese / als die vierdte dazu, welche, wie Marg-Graff Ernst Friedrichs Collatur ausweiset, von der Anno. 61. reassumireten, auch disceptiret. Da doch die Chur- und Fürsten der Zeit in dem Nahmen unterschrieben, daß es doch recht wäre, und sich darauf an die Käyserliche Majestät beruffen.
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18) Und wäre wohl eine Frage, da man ja so genau auf die an. 30 übergebene unveränderte A. C. gedrungen, warum man denn die Apologie mit darzugenom̅en, da doch die Apologie zu der Confession, als eine explication und Appendix gesetzt worden; man halte die Apologie gegen dieser, so wird mans finden, welches traun einem frommen Christen nicht unbillig zum Nachdencken Anlaß giebet.
19) Hernach weiset man mich nebenst den Schmalkaldischen Articulis und den Catechißmis Lutheri auf seine Streit- und Lehr-Schrifften, dabey ich nachfolgende absurda und Wiederwärtigkeiten finde; daß man einmahl bey Lutheri scriptis seinem eigenen Andeuten nach ad normam sacrae scripturae weiset, welches recht ist. Die Cathechismos aber, welche ein pars seiner scriptorum seyn, zugleich canonisiren, daß ich mich bey denselben dieser norma nicht zu gebrauchen: da doch Lutherus in praefatione einem jeden freystellet, dieses oder anders zu gebrauchen. Vors andere stickt auch dieses darinn, daß man mir die normam, wie gehöret, und judicium bey den scriptis Lutheri frey lasset, zugleich aber etliche, und nicht die besten dicta daraus herführet / und mir dero categoricam approbationem & subscriptionem anmuthen will, wodurch mir je, was mit einer Hand gegeben, mit der andern alsofort wiedergenommen wird.
20) Ob ich mich wohl sonften zur Augspurgischen Confession bekenne, so erklähre mich doch rund, daß ich mit dem 10. Articulo, daß nehmlich der Leib und das Blut Christi unter der Gestalt des Brodts und Weins im Abendmahl gegenwärtig sey, nicht einstimme, welches in der Apologia cap. 20. beyderley Gestalt erholet wird. Denn es weiß ein jeder, daß die transsubstantiatio darunter stecke, und die Catholischen dieselbe eben also tauffen: Ich finde zwar, daß die Collectores Concordiae oder unter ihren Nahmen man solches wieder die Landgräfliche Censur entschuldigen wollen, es ist aber nihil solidi darinnen, sondern vielmehr evidentiae rei zuwieder. Denn daß sich die Catholischen so wenig die Zeit, als hernacher der transsubstantiation begeben, kan niemand längnen: Nun aber sagt die Apologie, daß sie denselben Artickul nicht gefochten, wie hätten sie ihn denn nicht fechten wollen, wenn sie ihn nicht also verstanden hätten, und erscheinet solches noch vielmehr daraus, daß in der Griechen Canone stehet, Sacerdos orat, ut mutato pane ipsum Christi corpus fiat, was ist denn nun deutlicher auf die transsubstantiation gezielet? Ich finde zwar abermahl, daß mans wieder die Landgräfliche Censur entschuldigen wollen. Die Worte aber lauten anders und in contrarium, derowegen die Entschuldigung gar zu wenig ist, zu geschweigen, daß der textus Apologiae und nicht diese Glosse approbiren und beschweren heisset. Ich finde sonst, daß Chemnitius in seinem teutschen Bekäntniß, von der wahren Gegenwart des Leibes und Blutes Christi fol. 4. die Augspurgische Confession und den 10den Artickel daraus also aufsetzet: Von dem Abendmahl des HErrn wird also gelehret, daß mit Brodt und
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Wein der Leib und Blut wahrhafftig
denen, die im Abendmahl essen und trincken, dargereicht und gegeben wird. Ist er
nun damit nicht zum Ketzer worden, so achte ich, daß ichs auch nicht seyn werde.
21) Weiß ein jeder, dem die Acta bekannt, daß aus dem 3ten Artickel Augustanae Confessionis der Formulae jederzeit opponiret worden, wie man dero Zeit, laut der Apologia in demselben passu mit den Catholicis einig gewesen, seit dem aber, nachdem man die Ubiquität, und was derselben anhängig, und in der formula ausgeschlossen ist, eingeführet, wäre man gantz mit ihnen von einander, und wäre Catholischen Theils keine mutation ihres einmahligen Schlusses zu erweisen, darum müste folgen, daß man in rebus & phrasibus der formulen theils wieder die praefation, und der Chur- und Fürsten-Stände Erklährung von der Confession und Apologie gehandelt. Dasselbe sehe ich auch wohl in der Apologia formulae, daß mans damit entschuldigen will, samt die Catholischen dero Zeit eine andere Meynung, als ietzo die Jesuiten davon gehabt: Ich ziehe mich aber dargegen auf die Scholasticos und anderer Catholicorum scripta. Da wird sichs gewißlich gantz und gar anders finden. Ich könnte es auch / wo noth, jederzeit wohl demonstriren. Derowegen die Autores nochmals in voriger Beschwerd, Ich und andere aber in grosser Aergerniß stecken blieben.
22) Weiter ist bekandt, und giebts der Augenschein, daß in der Apologia Tit. von dem Sacramenten und ihren rechten Brauch die absolution mit unter die Sacramenta gerechnet wird, dasselbe aber ist unrecht, derowegen bin ich mit der Apologia in dem passu auch nicht einig, und kan mich consequenter daran nicht binden lassen. Die Apologia formulae sagt zwar, wenn man proprie de Sacramentis redet, so seynd ihrer nur zwey, wo hat mir aber GOtt befohlen, improprie zu reden? Oder ist das eine Improprietas, oder nicht vielmehr Contrarietas; da doch contra defensionem Lutheri, da er an vielen Orten saget, ein jedes Sacrament müsse haben ein äusserlich Element, oder Zeichen, GOttes Wort, und dessen Verheissung, zumahl in Confessionibus, die wahrlich keine Improprietates haben sollen, also hinreden. Ich halte es demnach für unrecht, und kan es nicht probiren.
23) Ingleichen kan nicht geleugnet werden, daß in der Apologia tit. de Missa die Worte stehen, orationem pro mortuis non prohibemus; die Apologia formulae sagt abermahl, es sey zu verstehen, daß ich den Todten etwas nachwünsche, wo stehet aber diese Glosse bey den Text, den ich probiren soll, und dann giebt nicht der locus und die rubrica mislae, darunter es stehet, schon den Verstand anders: Sage demnach abermahl, daß ichs für unrecht halte.
24) Von dem loco Apologiae: Sacerdos orat, ut mutatio pane Corpus Christi fiat, bin ich droben gehöret, will dasselbe anhero erinnert haben.
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25) Komme ich an die Cathechismos Lutheri, so finde ich, daß weder der kleine noch der grosse Catechißmus voll; der grosse auch in dem Tübingigeschen Exemplar noch ferner mutiret ist als in andern. Exculationes finde ich in Hutteri Concordia Concorde, aber warlich gar schlecht, und wann ich zusammen nehme, was Chemnitius an die Facultät zu Helmstädt deswegen geschrieben, und dann was zu Quedlinburg im Colloquio fürkommen, was Lüneburg deßwegen abgehen lassen, und zur Antwort bekommen, was dann wieder das Straßfurdische Buch geschrieben, so finde ichs gar wieder einander, immassen ich iederzeit demonstriren kan, daß die Meynung der Herren Chur und Fürsten in der praefation anders gewesen, giebt der Buchstab aus derselben.
26) In den Catechismis desiderire ich weiters, daß man in den 10. Gebothen den locum de imaginibus ausgelassen. Ratio: Dieweil ichs in den textibus biblicis, darauf mich die formula, tanquam certissimam normam weiset, finde, und GOttes Geboth dahin gehet: Ihr solt nichts dazu thun, auch nichts davon nehmen; Controvertire gleichwohl dabey nicht, ob es appendix primi, oder ein sonderlich praeceptum sey: It. Daß es auf den Cultum und adorationem gehe, sondern ich sage, hätte es der allmächtige GOtt nicht dabey haben wollen, hätte er es selbsten wohl heraus lassen können; Es macht mir aber ein grosses dubium, daß es Lutherus und Brentius für ein bloß ceremoniale praeceptum ad Judaeos pertinens halten: (Da doch D. Jacobus Audreas und andere das contrarium statuiren,) mit denen ich nicht einig.
27) Komme ich an den Locum de baptismo, so finde ich weder in der Apologie oder dem grossen Catechismo Lutheri, daß praecise alle und jede Kinder, die getaufft werden, in und durch die Tauffe alsofort den Glauben und die regenerationem empsangen; sondern also saget die Apologia: Daß aber GOtt der HErr Gefallen hat an der Tauffe der jungen Kinder, zeiget er damit an, daß er vielen, so in der Kindheit getaufft seyn, den Heiligen Geist hat gegeben. Gleichermassen saget Lutherus im grossen Catechismo, es erweise sich an vielen, daß sie den Heiligen Geist empfangen. Item, es lieget uns nicht die grosse Macht daran, ob, der da getaufft werde / glaube oder nicht. Item, darum sage ich, hast du nicht geglaubet, so glaube noch, und spricht also, die Tauffe ist wohl recht gewesen; Ich habe sie aber leyder nicht recht empfangen; Item, also thun wir auch mit der Kinder-Tauffe, das Kind tragen wir herzu, der Meynung und Hoffnung, daß es glaube, und bitten, daß ihme GOtt den Glauben gebe. Also sagt er auch in seinen Predigten von der Heiligen Tauffe im 3ten Theil sexto Jenensi fol. 293. fac. 2. Denn hie theilet sichs, und gehet an die Ungleichheit, daß nicht alle dieselbe Krafft und Nutz der Tauffe empfangen: Eiliche mit dem Glauben, etliche ohne Glauben, &. seq. und fol. 292. fac. 2. son
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dern, wo wir sehen, daß nach seinem
Worte und Befehl gehandelt wird, sollen wir bey Leib nicht zweiffeln, daß der,
so getaufft wird, die rechte Tauffe empfangen habe. Darnach aber / wenn du sie
empfangen hast, gehört dir darauf zu sehen, wie du glaubest und der Tauffe recht
brauchest. Das heist denn von unserm Thun geredt. Summa, diese zwey sage ich,
Tauffe und Glaube soll man scheiden, so weit als Himmel und Erden, GOtt und
Mensch von einander geschieden sind. Item tomo 4. Jenens. in den Predigten von
der Wiedertauffe fol. 331. fac. 1. Wann wir seinen Geboten nach jedermann
tauffen, so lassen wir ihn sorgen, wie die Täufflinge glauben. Item fol. 329.
Auf solch Gebot (GOttes) wage ich es, mit der Zeit mag mein Glaube werden, wie
er kan; Im Buch de Servo arbitrio, sagt er, secundum Canonem Charitatis wolle er
halten, daß die Kinder glauben. Brentius in Exegesi in Johannem sagt: Non esse
verisimile omnes infantes in baptismo regenerari. Dieses ist sensus formulae.
Wenn ich aber solches statuire, so höre ich auf den Cantzeln: Quod omnes
& singuli infantes in baptismo regenerentur, & recipiant fidem.
Und wenn ich sage, probabiliter, so muß ich sobald Calvinisch geachtet werden.
28) Wie Lutheri Explicatio im grossen Catechismo: §. Also haben wir nun das gantze Sacrament &c. von etlichen verstanden und urgiret wird, stelle ich dahin; das mich weiter stutzend machet, ist dieses Thema Lutheri im grossen Catechismo und Schmalckaldischen Artickuln, wie auch der formulae, de manducatione indignorum ist dieses. Quod omnes indigni edant & bibant corpus & sanguinem Christi, oder sowohl böse als fromme Christen, wie die Schmalckaldischen Articuli, oder, wie die formula sagt, sowohl Judas, als die andern Aposteln. Die Unwürdigen werden auch in der formula insgemein genannt und beschrieben, alle die keinen Glauben haben, oder die ohne Glauben sind. Und Antithesi 12. wird ausdrücklich verworffen, wenn man einen solchen Unterscheid unter den Unwürdigen machet, daß die Gottlosen, Epicurer und Spötter GOttes Worts (seyn aber nicht darunter, die allein bloß Brodt und Wein im Abendmahl statuiren, so in der äusserlichen Gemeinschafft der Kirchen sind, nicht den Leib und das Blut CHristi zum Gerichte im Brauch des Heiligen Abendmahls, sondern allein bloß Brodt und Wein im Abendmahl statuiren) so in der äusserlichen Gemeinschafft der Kirchen sind, nicht den Leib und das Blut CHristi zum Gerichte im Brauch des heiligen Abendmahls, sondern allein Brodt und Wein empfahen: Sondern auch Paulus 1. Cor. XI. daß man allegiret insgemein de illis, qui Corpus Domini non discernunt. Nun wird aber dem zuwieder in formula fol 342. fac. 2. Dreßdnischer edition zur limitation eingeführet Lutheri dictum aus der grossen Bekändtniß. Es
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wäre dann, daß sie
zuvor GOttes Wort und Ordnung ändern und anders deuten, wie die jetzigen
Sacraments-Feinde thun, welche freylich eitel Wein und Brodt haben. Denn sie
haben auch die Worte und eingesetzte Ordnung GOttes nicht, sondern dieselbe nach
ihrem eigenen Dünckel verkehret und verdrehet. Dergleichen Rede führet Lutherus
tom. 2. mit in seinem Schreiben an die von Franckfurt: Sie sagen mit dem Munde,
es sey CHristi Leib warhafftig gegenwärtig im Sacrament: Wann nun solches der
einfältige Mann höret, so dencket er, sie lehren, gleichwie wir, und gehen
darauf hin zum Sacrament, und empfahen doch eitel Brodt und Wein; denn ihre
Lehrer geben auch nichts mehr: Also schreibet er auch in dem tractatu, daß die
Worte noch feste stehen, daß sie alleine Brodt und Wein im Sacrament, des Leibes
und Blutes aber des HErrn weder geistlich noch mündlich theilhafftig werden; Ich
halte dieses pro contrariis, und kan mich dahero zu der formula nicht wenden.
29) Weiter. Damit ich itzo bey diesem loco bleibe, stehen in der formula fol. 343. fac. 1 Dreßnischer Edition diese Worte: Gleichwie diese Rede: Verbum caro factum est; das Wort ist Fleisch worden, durch gleichstimmende Reden, das Wort wohnet in uns, wiederholet wird und erklähret; Das halte ich für unrecht; Denn es laufft sowohl wieder den Griechischen Text, als Lutheri Version, es wohnet unter uns. Es explicirets auch Lutherus in den Christags-Texten von dem leiblichen Wandel, den der HErr Christus in seinem Fleisch unter den Menschen geführet: Immassen denn auch Hunnius in 1. c. Johannis diese explication hat; Wie kan ich denn nun, was ich für unrecht halte, probiren, und darauf schwehren.
30) Werden mir aus Luthero vier fundamenta praesentiae coenae angezogen, 1) Personalis unio. 2) Dextra Dei. 3) Veritas verborum Christi. 4) Multi modi praesentiae Dei: Ich bleibe allein bey den Worten der Einsetzung, und bey der explication Pauli, und lasse mich um die andern unbekümmert: Denn mein HErr und Erlöser weiset mich auf deren keines, sondern auf seinen getödteten Leib, der für euch gegeben, oder wie Paulus sagt, gebrochen wird. Das ist mein Blut, daß für euch vergossen wird. Paulus 1. ad Cor. XI. sagt auch, so offt ihr von diesem Brodt esset, und von diesem Kelch des HErrn trincket, sollet ihr des HErrn Todt verkündigen. Bey dem einfältigen Wesen bleibe ich, esse, trincke und glaube, und suche ich eine explicatio, so ist mir Paulus genugsam, der sagt, calicem & panem esse communionem corporis & sangninis Christi. Entschlage mich auf einer Seiten aller Capernaitischen Gedancken, auf der andern glaube ich aber, daß ich nicht nuda und vacua signa, auch nicht spiritus & efficaciae Christi allein, sondern seines wahrhafftigen Leibes und Blutes
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zur Speise meiner Seelen
theilhaftig werde, dadurch ich ihme und er mir festiglich, & quidem
reipsa & naturaliter, wie Chrysostomus und Cyrillus reden, und also ich
auch seiner Natur vereinigt werde, er in mir, und ich in ihm lebe und bleibe,
ihme eingepflantzet, und ein beständiges Gliedmaß seines Leibes sey und bleibe.
Ja, daß ich durch solche Communion und Incorporation mit ihme als meinem Haupt,
und durch ihn als meinem Mittler, auch mit dem Vater und Heiligen Geiste zur
beständigen Gemeinschafft komme, das ist mein einfältiger, schlechter, jedoch
beständiger und schrifftmäßiger Glaube, bey dem bleibe ich, lasse andere so
lange zancken und hadern, als sie mögen, hoffe damit für GOtt und Menschen wohl
zu bestehen.
31) Setze ichs aber auf die andern fundamenta dextra DEi, Unionis & Communionis oder, wie sie heissen, wie will ich einem antworten, wenn er mir opponiret, CHristus handelt in dem Abendmahl von dem Blut, das er vergossen; Es sey aber das vergossene Blut nicht mit gen Himmel gefahren, oder ad dextram DEi erhöhet, drum könne es auch nicht wesentlich im Abendmahl seyn; Viel eines andern, soweit es moviret wird und moviret werden kan, zu geschweigen: Hieher weiset mich Chemnitius selber, der doch die formulam helffen machen in seinen tractatibus de Coena & duabus naturis in Christo, da er auch contrarias Lutheri sententias anzeucht, will mich dahin bezogen haben. Und weiß zwar wohl, wie dieses Werck von etlichen beglümpffet wird, nemlich wenn man den Articulum schlecht tractiret, so wäre es genung an den verbis institutionis, wenn man aber mit Sacramentirern in Controvers käme, so müste man um der Resistenz willen die Ubiquität mit hernehmen, und solches hat man den Churfürsten und Ständen laut der praefation beredet. Ich könte auch bey etlichen unter den Collectoren, als Chemnitio und Selneccero passiren lassen. Wenn ich aber ansehe Jacobi Andreae scripta, item anderer, die sich zur Formula thun, und darunter auch Hunnii, so kan ichs warlich also nicht finden, sondern vielmehr also: Cum haec Christi praesentia non fiat per quendam de coelo defcensum (qualem Pontificii somniant) necesse esse, ut personaliter seu juxta modum dextra DEi, hic adsit, antequam sacramentaliter in cibum & potum se nobis communicaret. Interim fieri non potest, ut corpus Christi sine locali descensu sit in coena, nisi ante actionem coenae juxta humanitatem personaliter & secundum modum dextrae DEi adsit. Dieses sind verba Hunnii, welche ja auf die ubiquitem gratialem gäntzlich zielen. Ich meines Theils bekenne ingenue, daß ichs damit nicht halte, thue ichs aber, so muß ich mich zum Calvinisten machen lassen, wenn es auch noch so offte in der Formula stünde.
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34) Do mich weiter die Formula auf Lutherum weiset, finde ich, daß er die proposition: Hoc est corpus meum allezeit induciret dergestalt, hic panis est corpus meum, damit bin ich einig. D. Jacob Andreä, Hunnius und andere aber machen zwey propositiones, hic panis & corpus meum, dabey dann die unterschiedene Bedeutungen einfallen. Glaube ich das nicht, so bin ich abermal Calvintsch.
35) Improbire ich die phrasin, die man fol. 350. in Formula ex Luthero anzeicht: GOtt habe mancherley Weisen an einen Orte zu seyn etc. Principale enim attributum DEI est ipsum esse extra Locum & Tempus.
36) Ich halte auch (salva autoritate Lutheri) der Heiligen Schrifft, den Symbolis, Confessioni & Apologiae, den Catechißmis und Schmalkaldischen Artickeln gantz zuwieder, und demnach unrecht seyn, was in loco de coena fol. 350. fac. 2. und fol. 351. fac. 1. von der dreyerley Weise, so CHristi Leib habe, an einem Orte gegenwärtig zu seyn, aus Luthero gesatzt wird, und mag die Worte bey dem andern modo, die man ausgelassen, aus seinen Schriff en odiose nicht anführen. GOtt behüte mich für der opinion gnädiglich. Insonderheit aber setze ich mich wieder dieses, daß im andern und dritten modo stehet, CHristi Leib sey also im Amt bey denen Creaturen, daß sie ihn nicht fühlen, rühren, messen oder begreiffen. Darvon seyn des Herrn Lutheri andere Zeugniß und Erklährung aus dem Tractatu, daß die Worte noch fest stehen in 2. Tom. Witt. fol. 124. fac. 2. CHristi Fleisch, es sey wo es wolle, im geistlichen oder leiblichen Wesen, sichtbarlich oder unsichtbarlich, so ists wahrhafftig natürlich, leiblich Fleisch, das man greiffen, sehen, fühlen und hören kan, von einem Weibe gebohren, am Creutze gestorben. Sondern daher ist es geistlich, daß es vom Geiste kommet, und will und muß geistlicher Weise von uns genossen seyn. Objectum non est semper spirituale, sed usus debet esse spiritualis. Dabey bleib ich: Ists unrecht, mag es Herr Lutherus verantworten. Erbiete mich aber zu jederzeit, aus seinen scriptis derselben Erklährungen zehn oder mehr herzuführen. Und hierum kan ich mich zu der Formula nicht bekennen.
37) In Loco de Persona Christi, weiß ich nicht besser, als mit der Schrifft 1. Tim. 3. v. 16. zu reden. Es sey ein gottseliges Geheimniß, daß GOtt ist offenbahret im Fleisch, gerechtfertiget im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heyden, geglaubet von der Welt, nebst dessen weiterer Erklährung auch Verwerffung allenthalben, aller alter, neuer, Arianischer, Samosatenischer, Photinianischer, Patri-passionischer, Monotheletischer, Ebionitischer, Valentinianischer, Eunomianischer, Nestorianischer, Eutychianischer, Servetischer und Schwenckfeldischer Irrthümer, ziehe ich mich auf die klaren Dicta Scripturae, die Symbola: Apostolicum, Nicaenum, Constantinopolitanum, Ephesinum,
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zusammt desselben
Ausführung und Anathematismis Cyrilli,) auch das Chalcedonense und die Lehre
Damasi, dessen L. 1. C. de summa Trin. & fide Cathol. erwehnet, und in
operibus Hieronymi Tom. 4. zu finden. Und achte, daß dieses Mysterium also zu
handeln, damit weder confusio noch distractio noch auch exequatio naturarum
inferiret werde. Ingleichen, daß man mit der Schrifft bey den concretivis, nicht
abstractivis locutionibus bleibe; und da es zur explication kommen, die Regulas
de communicatione idiomatum recht applicire, wie auch die andern Regulas
erhalte. Proprietates nunquam egrediuntur sua subjecta, & proprietas
unius naturae nunquam fit proprietas alterius naturae. Item, distinguens
proprietates distinguit naturas, confundens confundit naturas. Et creatura
nunquam aequalis Creatori. Und will mich hieher alles Streits halbens kürtzlich
bezogen haben.
38) In der Formula Concordiae stickt die ubiquitas generalis in diesem loco wie im vorigen, welches dann die Dicta Lutheri, (es sey alles voller Christus auch nach der Menschheit. Item, wo du mir GOtt hinsetzest, da must du mir die Menschheit hinsetzen;) mit welchen ich wie oben gehört nicht zustimmen kan, gnugsam darweisen. Und dieweil man bald eine proposition setzet, bald restringiret, und dasselbe wieder restringiret, so muß ich bekennen, daß ichs nicht gnugsam verstehe, und also den mehr erfahrnen billich anweise. Ich finde auch nicht anders, als daß man immer Terminos de omnipotentia non essentialiter, formaliter, aut subjective, sed tamen realiter humanitati communicatos führet, welches wieder die Praefation ausdrücklich laufft. Ich will de confusione naturarum nicht viel sagen; wie man sich aber der Exaequation wieder der Praefation Bewahrung entbrechen wolle, kan ich nicht absehn. Denn hat die Menschheit eben die Allmacht, wie die Gottheit hat, ist sie an allen Orten, da die Gottheit ist, was ist dasselbe anders, als eine Exaequation? Und wird den Dingen mit der Glossa, daß die göttliche Natur ex natura, die menschliche ex gratia oder wie man Lutheri Wort anzeucht; es sey CHristo nach der menschlichen Natur die ewige Gewalt GOttes gegeben, jedoch nur zeitlich, nicht von Ewigkeit, gar nicht geholffen. Denn daß die menschliche Natur, dieweil sie zeitlich, nichts von Ewigkeit her habe, oder haben könne, solches ist am selbst klar, und wer anders sagt, der wird wieder die definitionem unionis fahren, welche darauf beruhet, quod secunda Persona divinitatis in tempore assumserit humanam naturam: daher solches keine distinction machet, sondern so offt eadem potestas, eadem omnipraesentia der menschlichen Natur zugeleget wird, so offte die Exaequatio verhanden, (welche aber in der Praefation ausdrücklich condemnirt ist, denn sonsten realis rommunicatio der verbali op
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ponirt würde, wie formula weiter meldet) lasse ich so weit zu, wenn
es bey der Person bleibet, ita, ut quod unius naturae proprium est, toti
personae realiter competat. Dahin weiset mich Lutherus in seinem grossen
Bekänntnüs von Abendmahl Tom. 2. Witt. fol. 158. fac. 1. wo die Werck zertheilet
oder gesondert werden, da muß auch die Person zertrennet werden, weil alle Werck
und Leiden, nicht den Naturen / sondern der Person zugeeignet werden. Dann die
Person ist, die alles thut und leidet. Eines nach dieser Natur, das ander nach
jener Natur, wie das alles die Gelahrten wohl wissen. Darum halten wir unsern
HErrn Christum also für GOtt und Mensch in einer Person, non confundendo
naturas, nec dividendo personam. Solches alles allegirt formula selbsten.
Zwantzig und mehr dergleichen helle und klare Sprüche bin ich aus Luthero
auszusetzen iederzeit erböthig. Dabey bleib ich und lasse das andere fahren. Wie
die Schrifft aber nicht redet, habe ich zu reden Bedenckens.
39) Und daß ich mich allhie Autoritatem Lutheri nicht bald weisen lasse, kan mir niemand mit Billigkeit übel auslegen; denn dasselbe haben schon einstheils der Collectorum for mulae in der Apologie gethan, sonderlich cap. 9. da sie traun das Werck nicht gut heissen, sondern andere dicta Lutheri ausziehen, und damit mitigiren wollen. Ich beruffe mich weiter auf den Quedlinburgischen Recess, wie ihn D. Hutter in der Formula concordiae drucken lassen. Denn da hat man erkannt, daß incommodae phrases Lutheri in die Formulam gerücket, und daß man dieselben per antecedentia & consequentia, und alia loca illustriora erklähren müsse, welche aber nicht in die Formul kommen, sondern nur die incommoda darinnen blieben. Warum solte ichs dann probiren? warum solte ich nicht lieber nach den illustrioribus forschen, und bey denselben mehr als in der Formula bleiben? ich könte wohl mehr bey diesem loco einführen, wils aber eilens halben bey diesen bewenden lassen.
40) In Loco de Libero arbitrio seynd die Collectores laut des Quedlinburgischen Recesses unrecht befunden und überzeuget, daß sie die erste Formul geändert, und neues herein bracht haben / sich auch den Dingen in der Apologie und sonsten zu helffen erboten. Nun ist nichts minder der Locus uncorrigiret blieben, wer will mich dann heissen, daß ich denselben approbiren solle?
41) In Loco von der Höllen Farth werde ich auf Lutherum in der Torgauischen Predigt de ao. 33. gewiesen; und soll also den Worten des Symboli schlecht glauben. In commentario super Genesin aber, und also lange nach dieser Predigt führt er eine ander Meynung, und sagt, es seyn die Cruciatus animae, die er im Garten hat erlitten, zu verstehen. Soll ich nun formulam und Lutheri erste Meynung probiren; so muß man mir erst sagen, warum die letz
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tere unrecht sey. Oder ich würde
Lutherum zugleich probiren und zugleich im probiren.
42) In Loco de praedestinatione finde ich hiernechst, daß das Thema: Electionem esse primam originem & fundamentum naturae salutis, atque inde oriri omnia media ad salutem necessaria; Ingleichen die Application und Trost, so ein jeder Christ daraus zu machen und zu schöpffen, und also der Locus misericordiae DEi wohl ausgeführet, und bin damit einig. Wie denn auch de partim revelata, partim abscondita voluntate DEi solche asserti on geschicht, wie ich sie in Lutheri scriptis finde. Ingleichen obs wohl im Anfange bey der proposition, DEum nullius mali esse autorem, das Ansehen hat, als ob das malum poenae auch mit herein gezogen (cujus tamen autor DEus merito statuitur, per tradita Chemnitii [& ibi allegatum locum Tertulliani] in Comment. sup. Locos communes Philippi in Loco de causa peccati cap. 2. fol 146. fac 1. & fol. 154. fac. 2. & in Loco de creatione); so wird doch in fine dergleichen etwas eingeführet, daß ihme dadurch zu helffen. Ob nun wohl der Locus de promissione & ordinatione malorum culpae, & quando Sathanam tanquam cane̅rabiosum tractet, & in cordibus impiorum operetur DEus, wie Chemnitius in ietzt allegirtern Oertern thut, darum etwas weiter angeführet werden sollen, damit man nicht per thesin nimis nudam, die Anthithesin zu weit zu setzen; so will ich doch auch dasselbe nicht fechten. Ingleichen ist wohl angezogen, quod cum electione & voluntate divina non concurrant aliae causae in nobis inhaerentes: Quod electorum apud Deum certus sit numerus: Et quod illi finaliter perire non possint. Dieses alles ist Lutheri scriptis gemäß. Wann ich mich aber darüber in Lutheri scriptis, sonderlich in seinem Tractatu de servo arbitrio (welchen er nie retractiret, darum sich auch die formula in Libero arbitrio darauf zeigt) seine Predigten in Exodum, wie sie in Eißlebischen Tomis zu finden, die explicationem des Loci 1. Tim. 2. Deus vult omnes salvos fieri, praefationem epistolae ad Romanos, etliche loca in Commentario latino super Genesin, seine Schrifften wieder die Jüden, Item seine Schrifft an den Herrn Rechenberg und andere ansehe, so sinde ich die formulam in etlichen passibus von ihnen diseerpirend. Denn einmahl wird die praescientia a praedestinatione sapariret, und ihr nicht necessitas, sondern contingentia tribuiret: Da es doch Lutherus beydes conjungiret, und der praescientiae necessitatem imponiret, darum, quia DEUS, ut, qui nihil habet, se prius & nunquam fuit otiosus, nihil videt, quod non ipse ordinavit. Welches man jetzo etlicher Orten, da man doch die formulam maintiniren will, übergehet, und dahero auch contra formulam, & sententias Lutheri, & Brentii praescitam fidem causam electionis machet, welches ich für unrecht halte. Vors an
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dre setzet Lutherus und auch
Brentius den locum de praedestinatione nicht allein auf die misericordiam,
sondern auch auf die justitiam divinam. also, daß der allmächtige GOtt von
Ewigkeit hero beschlossen, sich etlicher aus dem sündigen verdammlichen
Geschlecht zu erbarmen, und sie aus Gnaden seelig zu machen, die andern aber um
ihrer Sünde willen mit ewiger Verdammniß zu straffen, und werden jene electi
dilecti, benedicti, diese aber reprobi, filii irae, maledicti, filii perditionis
in der Schrifft genannt, wie es Lutherus wohl ausgeführet, wie denn auch
Chemnitius saget de praedestinatione impiorum in dem Loco de causa peccati fol.
145. fac. 1. ex Fulgentio: Impios esse praedestinatos, non tamen ad malum, non
peccatum, non ad culpam, sed ad poenam, und wenn man dieses nicht in acht
nimmet, so giebts viel contraria scripturae, wie dann schon der error,
Electionem esse universalem, daher kommen ist; dawieder dann nichts irret, was
etwan formula oder der gemeine discurs dawieder moviret, man möchte also DEum
autorem mali machen, oder die Leute in wiedrige Gedancken führen. Denn wieder
das erste ist schon droben ex mente formulae eingeführet, DEum esse autorem mali
poenae, denn dieweil die reprobatio endlich gehet zur Straffe der Sünden, welche
sich bey dem Menschen findet, so ists schon richtig und klar, daß die Straffe
nicht causa peccati sey. Wieder das andere sagt Lutherus, das es bey denen sich
finde, die der Vernunfft in diesem hohen Artickul folgen wollen, die sich aber
an GOttes Wort halten, und es bey demselben beruhen lassen, mit denen sey es gar
anders, und hiermit stimmet sormula selbst ein in §. Denn weil unser Natur etc.
Dann weil unsere Natur durch die Sünde verderbet, GOttes Zorn und der Verdamniß
würdig und schuldig, so ist uns GOtt weder Wort, Geist und Gnade schuldig. Was
kan man sich dann über Unbilligkeit beklagen, denn es heisset doch: Misereor
cujus misereor, und darum ist zwar recht, daß angezogen wird, es seyen
promissiones, vocatio & invitatio Evangelicae universales, und daß der
heilige Geist und Glaube durch das gehörte Wort gegeben werde. Secundum normam
scripturae ists aber mit der universalität also beschaffen, daß sie alleine
respectu credentium universales seyn. Denn die Schrifft saget: Wer nicht
glaubet, der ist verdammet. Dagegen aber heists: Auf daß alle, die an ihn
glauben, das ewige Leben haben, item: Wer glaubet und getaufftwird, soll seelig
werden, item: Das Evangelium ist eine Krafft, seelig zu machen alle, die daran
glauben. Item Er gab Macht GOttes Kinder zu werden, allen, die an seinen Nahmen
gläubeten. Und also expliciren sich die Dicta scripturae selbsten. Dann da Röm.
XI. stehet: GOtt hat alles unter die Sünde beschlossen, auf daß er sich aller
erbarme: da stehet Gal. III. v. 22. Aber die Schrifft hat alles beschlossen
unter die Sünde, auf daß die Verheissung käme, durch den Glauben an IEsum
CHristum gegeben,
|| [229]
denen, die da
gläuben. Item: Wenn kommt die Verheissung, oder wem ist sie gegeben? respondet
Paulus: Denen die da glauben. Wenn ich aber frage, woher kommt der Glaube? da
sagt die Schrifft abermals: Fides non est omnium, fides est donum DEi; DEus
operatur in nobis velle & perficere. Weme giebet GOtt der Allmächtige
denn den Glauben? da saget formula §. Die ewige Wahl GOttes etc. Die ewige Wahl
GOttes ist aus gnädigem Willen und Wohlgefallen GOttes in CHristo IEsu eine
Ursache, die unsere Seeligkeit, und was zu derselben gehöret, schaffet, wircket,
hilffet und befördert. Was gehöret aber zu unserer Seeligkeit? Sola fides. Giebt
also die election den Glauben allein den Electis. Wie dann auch aus dem Loco
Pauli ad Rom. 8. der in der formula angezogen wird, klärlich erscheinet. Und
darum sagt Lutherus über den Spruch 1. Tim. 2. GOtt will alle Menschen seelig
machen. Und in der Schrifft an den Herrn von Rechenberg: Wenn der Sprüche mehr
wären, so müste man sie doch also verstehen, daß die Wahl GOttes bleibe. Solches
giebet auch die Schrifft, wenn sie sich selbst expliciret; dann da unser HErr
und Erlöser an einem Ort saget: Venite ad me omnes &c. da sagt er am
andern Orte: Nemo potest venire ad me, nisi pater traxerit eum (in charitate
perpetua dilexi te, ideo attraxi te miserans. Jer. 31. v. 3) Item Paulus: Non
est volentis neque currentis, sed solius DEi miserantis. Es ist zwar auch recht,
daß die Formula saget; DEum trahere per verbum. Aber verbum alleine hat keine
Krafft darzu; dann sonsten (saget Lutherus in seiner Epistel an die Schweitzer
de an. 37) würden alle Menschen seelig werden, die das Wort hören, wie auch
Hunnius in seinem Tractatu de praedestinatione, und Chemnitius in Enchiridio
also geschrieben. Dann Paulus ad Corinthios sagt: Evangelium est odor vitae ad
vitam illis, qui salvantur, & odor mortis ad mortem, qui pereunt. Darzu
dann die formula den Locum ex Actis: Es wurden (ex auditoribus verbi) gläubig,
so viel ihrer zum ewigen Leben verordnet worden, recht anziehet. Und ist darum
bey GOtt keine contradictio sondern wir müssen ihm seine heimliche Gerichte
lassen, und darinnen nicht grübeln, wie Paulus sagt Rom. 9. Et homo, tu qui es,
qui ex adverso responsas DEO? Immassen die formula solches ausdrücklich deutet,
denn da heissets: Dominus novit suos. Also handelt Lutherus diesen pass, und
also muß man auch aus der Schrifft von denselben halten. Wann wir ihn aber uns
appliciren, so müssen wir a posteriori, und die Ordnung halten, wie die formula
andeutet / und auch Lutherus über das 26. Cap. Geneseos, welches Formula in Loco
de libero arbitrio anzeucht, ingleichen an vielen andern Orten erinnert. Dieses
ist meine Erklährung bey diesem Loco, daraus man siehet, daß ichs mit Luthero
halte. Wer nicht damit zu frieden ist, der mag sich mit ihme darwieder weiter
hadern.
|| [230]
43) Ich kan mich auch in Formula derer condemnationum nicht theilhaftig machen. Einmahl, dieweil es nicht meines Amts und Beruffs. Vors andre, weil ich auch sehe, daß man Leuten dabey offt Unrecht thut. Ziehe mich dargegen auf den Augenschein. Dann ich weiß, daß es heisset: Non loqueris falsum testimonium contra proximum tuum. Und vors dritte auch darum, dieweil es mit den condemnationibus gar parteyisch zugehet; indem man die Schwenckfelder, Wiedertäuffer, Papisten, Calvinisten und den frommen Herrn Philippum mit Nahmen nennet. Die andern aber, welche doch gar einen grossen Catalogum geben, fein tacite ohne Benennung übergehet. Causa: Dann hätte man dieß thun sollen, so hätte Brentius, Marbachius, Jacobus Andreae, Selnecker und Musculus auch darinnen stehen müssen, oder wäre doch von andern condemnatis ihnen fürgerücket worden, immassen ihnen solches die Braunschweigischn Theologi im Quedlinburgischen Colloquio stattlich fürgeleget und die hypothesin starck urgiret haben.
Dieses seynd, Gnädigster Herr, die Ursachen, so mich von dem neuen Juramento abgehalten. Kürtze der Zeit halber, habe ich deren vor dieses mahl nicht mehr aufsetzen können. Verhoffe Ewre Fürstliche Gnaden / Ein Hoch-Ehrwürdig Dom-Capitul / und die Landschafft werden mich darauf entschuldiget halten. Und wenn es ie nicht anders seyn kan, sondern dabey praecise wenden soll, mich in Gnaden vielmehr dimittiren, und hiernechst an andern Orten, da ich mein Gewissen frey und unbeschwehrt haben kan, meine Gelegenheit suchen lassen. Uf welchen Fall ich gleichwohl bedinge, diese meine rationes Reverendissimo Capitulo, und der Landschaft zu hinterlassen, auch an Orten und Enden, do man mich GOtt Lob zu Ehren kennet, darum zu communiciren, damit meine Mißgünstigen, als ob ich anderer Ursachen halber mutiret, mich hinterrücks nicht calumniren oder einbilden können. Erhole hiermit meinen anfänglichen Wunsch und Erbiethen. Und thue E. F. G. mit Wünschung eines glückseeligen neuen Jahres vieler Wohlfahrt in des Allmächtigen GOttes väterlichen Schutz, derselben aber mich und die Meinigen zu Gnaden empfehlen.
Datum Halla den 20sten Decembr. Anno 1614.
|| [231]
§. I.
ICh habe wieder den bißher gewöhnlichen Gebrauch zu dem vorhergehenden(Haupt-Zweck dieser Anmerckungen.) Bedencken
deßwegen keine Summarien ad marginem drücken lassen, weil sowohl die Politischen
als Theologischen rationes des Autoris in gewisse kurtze numeros gebracht sind,
und aus selbigen schon ohne Verdrießlichkeit des Lesers der Inhalt leichtlich
kan begriffen werden. Jetzo will ich nur noch etwas weniges anmercken, das sonst
zu dessen desto besserer Verständnüß wird dienlich seyn, nemlich von dem
damahligen Zustand der Religion im Ertzbißthum Magdeburg, und was darzu
Gelegenheit gegeben, daß dem Autori des Bedenckens angemuthet worden, daß er
sich auf die Formulam Concordiae verpflichten solle: Ingleichen was von dem
Bedencken zu halten sey. Ich hätte auch wohl gerne etwas gemeldet, wer der Autor
des Bedenckens gewesen, gleichwie die übrigen Anmerckungen genugsam zeigen
werden, wer damahls der Herr Administrator gewesen, an welchen dieses Bedencken
geschrieben worden; Alleine weil ich davon nirgend bißher einige Nachricht
finden können, habe ich lieber davon stille schweigen, als etwas ungewisses
melden wollen. Ich kan mich auch nicht mehr besinnen, woher die Copey, und wenn
ich selbige erhalten; ausser daß mich entsinne, daß ich selbige schon etliche
und zwantzig Jahr in meinen Manuscriptis gehabt. Aber vielleicht findet sich
jemand, der bey Lesung dieses Handels mir auch hiervon einige Nachricht wird
geben können: Und als dann werde ich nicht ermangeln, in der Fortsetzung dieser
Juristischen Händel diese Nachricht auch dem geneigten Leser mitzutheilen. Die
übrigen Umstände habe ich, damit es nicht allemahl absonderlichen allegirens
brauche, aus der continuirten Niederländischen Historie des Meterani, aus
Schadaei Continuation des Sleidani, aus Olearii Halygraphia, aus Hospiniani
Concordia discorde, und aus Hutteri Concordia concorde, ingleichen aus
Layritzens Palmwalde grösten Theils genommen.
§ II. Das damahlige Ertzbißthum Magdeburg hat bey Anfang der(Religions-Zustand in) Reformation biß nach hero
über ein Seculum beständig aus dem Churfl. Hause Brandenburg abstammende
Bischöfe oder Administratores ge
|| [232]
habt. (Magdeburgischen und Brandenburgischen von Anno 1513. bis 1566.) Der nachmahlige Cardinal
und Churfürstzu Mayntz Albertus wurde Anno 1513. Ertzbischoff zu Magdeburg, und
ob er gleich kein Freund des Lutheri, noch der Lutheraner, sondern vielmehr hoc
intutitu eyffrig Catholisch war, so zwang er doch die Evangelischen im
Ertzstifft Magdeburg nicht durch allzuharte Verfolgungen, zu der Catholischen
Religion, sondern er vergönnete seinen Unterthanen, denen Städten und der
Ritterschafft zu Magdeburg und Halberstadt das Exereitium der Evangelischen
Lehre mit dem Bedinge, daß die Stiffte und Clöster in ihrem vorigen Stande
bleiben solten; jedoch weil er ein Herre war, der viel dispensirete, so musten
die Stände und Städte, sonderlich aber die Stadt Halle diese Freyheit mit vielem
Gelde erkauffen. Bey dieses Cardinals Alberti Leben sagte dessen Brudern Sohn
Churfürst Joachim der II. zu Brandenburg Anno 1536. dem Pabstthum ab, und
bekannte sich zur Lutherischen Religion, ließ auch dieselbige in der Chur- und
Marck Brandenburg öffentlich predigen; jedoch blieben die meisten Päbstischen
Ceremonien noch in der Ubung, dergestalt, daß wenn aus andern Lutherischen
Kirchen guthertzige Leute, ja wenn Papisten dahin kamen, und das
Kirchen-Gepränge ansahen, sie nicht anders meyneten, als wenn es da noch
Papistisch wäre: Anno 1544. starb der Cardinal Albertus, und succedirete ihm in
Ertzbißthum Magdeburg sein Vetter aus der Fränckischen Linie Marggraf Johann
Albert, (der auch das Interim Anno 1548. zu Halle eingeführet) unter welchem,
die Stadt Magdeburg, da sie sich diesem ihrem Herrn und dessen Dom-Capitul
wiedersatzte, wie bekannt, in die Acht erklähret, und die execution von dem
Käyser, Churfürst Mauritio aufgetragen wurde. Nach dessen Tode, so 1550.
folgete, wurde des Lutherischen Churfürsten zu Brandenburg Joachim II. anderer
Herr Sohn, Marggraff Friedrich, Ertzbischoff, der aber kurtz darauf Anno 1551.
wieder verstarb, und succedirte ihm sein jüngerer Bruder Marggraf Sigismundus
als postulirter Administrator, der sich auch hernach selbst solenniter und
öffentlich zur Lutherischen Religion bekannte, und sind ihm sodann noch viele
andere von seinen Unterthanen, die noch bishero Catholisch blieben waren,
nachgefolget, wie dann auch das Dom-Capitel zu Magdeburg Anno 1561. die
Evangelische Religion angenommen.
(Item an beyden Orten unter dem Herrn Ad-)
§. III. Nachdem anno 1566. der Herr Administrator Sigismundus verstorben, hat das
Dom-Capitul Chur-Fürst Johann Georgens zu Brandenburg, (welcher zwar erst anno
1569. seinem Herrn Vater Chur-Fürst Joachim den Andern in der Chur succedirt)
ältesten Herrn Sohn Marggraf Joachim Friedrichen, der damahls noch ein Herr von
|| [233]
18. Jahren war, postulirt, der
auch in Januario 1567. nebst seinen Herr(ministrator Joachim Friedrichen / von Anno 1566. biß Anno 1598.
Sonderlich was die Formulam Concordiae
betrifft.) Vater zu Halle seinen Einzug gehalten, und des folgenden Tags
seines Vettern und Antecessoris Sigismundi Leich-Begängniß beygewohnt. Anno
1670. hat der Herr Administrator zu Cüstrin mit seines Vetters Marggraff
Johansen Tochter Beylager gehalten, welches den Pabst Pium V. (daß nehmlich so
eine hohe und vornehme geistl. Person vel quasi sich wieder die Päbstlichen
Rechte unterstanden zu heyrathen) dergestalt verdrossen, daß er dem Kayser
Maxmiliano II. sehr angelegen, ihn von dem Ertzbißthum oder dessen
Administration wegzujagen, welches sich aber nach dene̅ zu Ende
des vorigen paragraphi angeführten Umständen nicht schicken noch thun lassen
wolte. Indessen gienge unter denen Lutherischen selbst das Gezäncke und die
Ketzermacherey auch an, oder es ware vielmehr zu Lutheri Zeiten schon
angegangen, und nahm zu dieser Zeit nur mehr und mehr überhand, und bemühete man
sich zwar, dieses Uneinigkeits-Feuer durch Aufsetzung einer neuen
Glaubens-Formul auszulöschen, aber man hatte es versehen, und die Verfertiger
dieser so genannten Formulae Concordiae hatten an statt des Wassers bona fide
Oehl zu der Formul genommen, daß solchergestalt die Uneinigkeit durch selbige,
mit grossen Vergnügen der Jesuiten und andrer Feinde der Evangelischen unter
denen Catholischen, immer grösser und grösser wurde. Zu dieser Formula
Concordiae gabe unter andren auch dieses Anlaß. Anno 1571. gaben die
Wittenbergischen Theologi einen Catechismum aus, dem die Theologi zu Jena, sammt
den Predigern zu Braunschweig, Lüneburg, Halle und Manßfeld in öffentlichen
Schrifften, unter den Vorgeben, daß die Wittenberger Calvinisch wären,
wiedersprochen, und der publicirten wiederholten Confession der Sächsischen
Kirchen zu Wolffenbüttel gedruckt, unterschrieben. Anno 1573. haben die Pastores
der 3. Pfarrkirchen in Halle im Augusto in der Sacristey der Kirchen zur Lieben
Frauen einer Formulae Confessionis zu den Schrifften der Propheten und Aposteln,
den 3. Haupt-Symbolis, der Augspurgischen Confession 1530. der Apologie,
Articulis Smalcaldicis, dem grossen und kleinen Catechismo Lutheri, der
Confession der Sächsischen Kirchen von der Person Christi und heiligen
Abendmahl, samt den 6. Predigten D. Jacobi Andreä, mit Versprechung der
Beständigkeit bey solcher Lehre, mit eigenhändiger Unterzeichnung ihrer Nahmen
unterschrieben. Anno 1576. ist abermahls ein Theologischer Convent von 9. biß
18. December auf des Bischoffs Hoffe (etliche setzen zu Magdeburg im Kloster zur
Lieben Frauen) der Formulae Concordiae wegen gehalten. Darauf ein anderer Con
|| [234]
ventus gen Wolmerstädt erfolget, da
die subscription der Formulae den 30. Januarii 1577. von den Theologen, Kirchen
und Schuldienern des Ertz-Stiffts Magdeburg und also auch der Stadt Halle
ergangen ist. Anno 1579. an 4. Julii nachdem zwischen den verordneten des
Ministerii zu Halle beydes in doctrinalibus & personalibus allerhand
Irrungen vorgefallen, hat der Rath zu Halle auf gemeinen Schluß D. Martinum
Chemnitium von Braunschweig nach Halle gebeten, welcher etliche
pacification-Articul aufgesetzt, die von allen im Ministerio hernach approbiret
worden, darauf den 26. Octobr. der Administrator erst, (wegen allerhand
bißherigen Hindernüssen) die Huldigung zu Magdeburg auf dem Marckte empfangen.
Anno 1580. ist die Formula Concordiae und hernach deren Apologie publiciret
worden, wobey Hutterus berichtet, wie deroselben der Herr Administrator samt den
gantzen Ministerio des Ertzstiffts Magdeburg ohne allen Verzug unterschrieben;
welcher auch des Hospiniani Vorgeben nicht einräumen will, sondern darüber nach
seiner Gnwohnheit hefftig schilt und schmähet, wenn dieser vorgegeben, daß die
Magdeb. Theologi die Formulam gezwungen unterschrieben hätten, und das der
Administrator, nachdem ihm erst selbst eine Furcht wäre eingejaget worden, auch
sie darzu gezwungen habe: da doch nach der allgemeinen menschlichen Natur es
nicht anders seyn können, als nach welcher alle vernünfftige Leute einen Abscheu
haben, dasjenige blindlings zu glauben, was andere Menschen, die doch kein
besser Gehirne haben, als sie selbst, in Sachen, die den Verstand angehen ihnen
zu glauben vorgeschrieben; ob man gleich das dem Huttero gerne zugiebt, daß
nicht wenig vornehme Prediger und Theologi, in Halle und Magdeburg ihr Hertze an
die Formulam Concordiae als an GOttes Wort gehengt / und gemeynet, sie thäten
GOtt einen Dienst daran, wenn sie die andern und in mehrer Zahl sich
befindlichen Prediger und Theologos entweder forcirten, die Formulam Concordiae
zu unterschreiben, oder als Ketzer und Calvinisten fortjagten. Zugeschweigen,
daß auch dieses unstreitig ist, daß Chur-Sachsen, Chur-Brandenburg und der
Hertzog zu Braunschweig damahls die vornehmsten und grösten Beförderer der
Formulae Concordiae gewesen, auch dannenhero nicht unwahrscheinlich ist, was
Hospinianus ferner meldet, daß auch die Theologi in der Marck damahs forciret
worden, dieselbe zu unterschreiben. Dannenhero ist ferner zu vermutheu, daß der
damahlige Administrator Joachim Friedrich zu Magdeburg aus respect und Ehrfurcht
gegen seinen Herrn Vater Churfürst Johann Geor
|| [235]
gen zu Brandenburg die Formulam Concordiae selbst unterschrieben
und seine Theologos dazu genöthiget. Jedoch ist hierbey nicht zu vergessen, daß
gleichwohl der Continuator Meterani meldet, es habe doch Churfürst Johann Georg,
so Lutherisch als er sonst war, anbefohlen, die reliquias der Päbstischen
Ceremonien bey dem Lutherischen Gottesdienst abzuschaffen: So ist auch nicht zu
zweiffeln, daß nach dieser Zeit im Ertzbißthum Magdeburg die Formula Concordiae
nicht immer mehr und mehr solle dominirt haben, indem Hutterus die Formuln
abdrucken lassen, nach welchen Anno 1593. der Herr Administrator zu Magdeburg
seine zwey ältesten Printzen Johannem Sigismundum, und Johannem Georgium sich zu
der Formula Concordiae zu bekennen, angehalten. Endlich so geben auch folgende
Umstände Gelegenheit, zu vielen guten und nützlichen Gedancken, den alten Haß
der Päbstischen Clerisey und der Jesuiten gegen alle Evangelische mit dem
heutigen Zustand im Reich zu conferiren und gegen einander zu halten. Die
geistlichen Fürsten wolten den Administrator als einem Evangelischen und
verheyratheten Bischoff die Session und Stimme auf dem Reichs-Tag nicht
einräumen, massen denn auch der Käyser dieser Ursach wegen ihm die Belehnung
versagte. Dem unerachtet hat er auf Lebenslang das Ertzstifft gar ruhig
behauptet. Hieher gehöret, daß Anno 1594. auf dem grossen Ausschuß-Tag im
Closter Berge der Herr Administrator Joachim Friedrich in der proposition
gedacht hat, daß er auf dem letzten Reichs-Tag zu Regensburg die Session wieder
des Ertzbischoffs zu Saltzburg Einwenden würcklich angetreten und eingenommen,
unerachtet sich dieser verlauten lassen, daß Seine Catholische Religion nicht
leiden könte, daß jemand von der Lutherischen Religion auf der geistlichen Banck
bey ihm sässe. Item: daß der Papisten Meynung dahin gerichtet, dieses Ertz- und
dergleichen Stiffter wieder unter ihre abgöttische, mißbräuchliche Religion und
Gewalt zu bringen, und ihre Practicken grösser, listiger und gefährlicher wären,
als davon ingemein möchte gedacht werden, weil sie an allen Orten seminaria der
Jesuiter-Schulen anrichteten, deßhalben man sich wohl fürzusehen. Summe: Es
wären schon Leute, die aufs Ertz-Stifft ein Auge hätten, dasselbige auch bey dem
Pabst allbereit ausgebeten hätten, und man solte sich nur umsehen, was die
Päbstl. Practicken vor Unglück angerichtet, dessen Zeugen Spanien, Franckreich
und die Niederlande seyn könten. Die Papisten practicirten dahin, daß das
Päbstliche Joch möchte wieder erbauet werden; zu dem Ende auch vier Päbstliche
Nuntii auf dem Reichs-Tage gewesen wären. So solte man auch nur das Buch
Avtonomia lesen, wie
|| [236]
die Papisten
den Religions-Frieden hielten, indem sie unsere Religion aufs allerhöchste
verlästerten und verschmäheten, und darinnen anzeigten, daß selbige nur ein
Schanddeckel, und daß man ihres Theils den Religions-Frieden zu halten nicht
schuldig sey, sintemahl derselbe Rebellischer Weise wäre erzwungen worden, und
hätte ein fürnehmer Geistlicher zum Käyser gesagt: daß sein Herr Vater
Ferdinandus noch ietzo im Fegfeuer brennete, darum daß er den Religions-Frieden
bewilliget, darauf der Käyser geantwortet: Moderatè, moderatè. Und setzet
OIearius, da er diesen Discurs des Herrn Administratoris erzehlet, hinzu, daß
die Jesuiten dergleichen auch von Käyser Carl dem Fünfften, daß er deßhalb im
Fegfeuer noch büssen müsse, in Schrifften vorgegeben.
(Ferner im Brandenburgischen unter gedachtem Joachim
Friedrichen / nachdem er Churfürst worden von 1598 bis 1608. Wahrscheinliche
Umstände, daß der Churfürst eben kein eyfriger Formularist oder
Gewissens-Zwinger gewesen.)
§. IV. Anno 1598. den 8. Januarii starb Churfürst Johann Georg zu Brandenburg und
wurde den 8. Februarii begraben, dem dessen Sohn der Administrator Marggraff
Joachim Friedrich succediret, nachdem er das Ertzstifft, so er dreyßig Jahr
regiert, resignirt, und dessen Sohn Marggraff Christian Wilhelm den 26. Aprilis
zum Administratore des Ertzbißthums postuliret, auch nach geschehener
resignation der gewesene Cantzler D. Wilhelm Rudolff Meckbach (vermuthlich weil
er eben kein Liebhaber der Formulae Concordiae gewesen,) dimittirer worden. Wie denn auch in eben selbigen Jahre im Monat
December M. Jacobus Eisenberg, gewesener Hoff-Prediger gestorben, dessen Leiche,
weil er, wie Olearius schreibet, ein öffentlicher Calvinist worden, die
Stadt-Theologen und Prediger, da sie gleich beleutet, und auf den Gottes-Acker
begraben würde, (welches sie erst nicht zugeben wollen) ungeachtet das
Dom-Capitul der Begräbniß halber schriebe, nicht begleiten wollen; dahero seine
Söhne die Leiche heimlich weggeführet und anderswo begraben lassen. Woraus man
abermahls vermuthlich abnehmen kan, daß der Churfürst Joachim Friedrich, auch da
er noch Administrator gewesen, nicht eben so gar orthodox als ihn Hutterus u.
andere machen wollen, seyn können, indem man bey dessen Regierung weder den
Cantzler Meckenbach, noch den Hoff-Prediger Eisenbergen abdancken dörffen,
sondern diese beyde bey ihm in Gnaden gestanden, und von ihm wieder ihre
Verfolger und Patronos Formulae Concordiae vermuthlich beschützet worden; massen
dann auch der Continuator Meterani von ihm meldet, daß er, da er die Chur-Würde
angenommen, seines Herrn Vaters Edict, von Abschaffung der Päbstischen
Ceremonien aus dem Gottesdienst renoviret. Daß auch nach dessen resignation der
Administration nicht wenig Leute in Halle sich befunden, die eben keine Anbeter
der Formulae
|| [237]
Concordiae gewesen
seyn müssen, ist unter andern auch daraus abzunehmen, daß Olearius angemerckt,
wie Anno 1599. das Ansingen der Calvinisten durch die Hallknechte sey verboten
worden. Nun läßet sich zwar Hutterus sehr angelegen seyn, zu behaupten, daß
Churfürst Joachim Friedrich Lutherisch gewesen, weil
Anno 1600. im September eine Visitations-Ordnung unter seinem Nahmen publiciret
worden, darinnen unter andern diese Worte enthalten: So erachten Ihre
Churfürstl. Gnaden als ein Gottesfürchtiger frommer Regent / das wahre Wort
GOttes für den höchsten Schatz etc. und ist Ihr. Churfl. Gnaden ernste und
endliche Meynung, daß alle Kirchen- und Schul-Diener nicht alleine auf die reine
unverfälschte Lehre, wie dieselbe in etc. dem Christlichen Concordien-Buch Anno
80. publicirt, begriffen, ordinirt, besondern auch derselbigen ohne einigen
Papistischen und Antinomischen, sonderlich aber ohne den einschleichenden
schädlichen Calvinischen Irrthum, mit Hertz und Mund verwand und zugethan seyn
sollen, daß auch ein jeder, weil S. Churfürstl. Gnaden nach dem Exempel derer in
GOtt ruhenden Großherrn Vatern, und Vatern, Churfürsten Joachimi Secundi u.
Johannis Georgii &c. nicht bedacht seyn / ohnnöthige Gezäncke zu
verstatten, und zu deren Abschneidung, die von Chur- und Fürsten, Graffen und
Ständen nothwendige, fleißige, Christliche Censur, Berathschlagung und Erwegung
vieler vornehmen Theologorum verfaßte FORMULAM CONCORDIAE beliebet und
angenommen) durch Unterschreibung sich derselben heilsamen Lehre gleichförmig
mache etc. Es führet auch ferner Hutterus einen von Churfürst Joachim
Friedrichen Anno 1602. mense Martio in puncto religionis von sich gestellten
Revers an, des Inhalts: Anfänglich wollen wir es der Religion und Christlichen
Ceremonien halber bey dem verbleiben lassen, was unser etc. Herr Vater Anno 72.
deßwegen versprochen und zugesagt, in der erkannten und bekannten ungeänderten
Confession &c. verharren, kein Gezänck wieder berührte Confession,
wieder das Christliche Concordien-Buch etc. in Kirchen und Schulen gestatten.
Endlich berufft er sich auf die damahlige aus dem Ober-Consistorio zu Cölln an
der Spree ertheilten confirmationes der Prediger; als in welchen unter andern
ausdrücklich gedacht wird, daß der confirmirte Prediger sonderlich den
schändlichen Irrthum des
|| [238]
Calvini
meiden solle. Wenn man aber dieses alles genauer ansiehet, so beweiset es (wie
zum wenigsten neun u. zwantzig dreißig Theile von dem gantzen Gewäsche des
Hutteri, unerachtet der neuen praefation des D. Val. Alberti auf dergleichen Art
beschaffen) dasjenige was es beweisen soll, im geringsten nicht, sondern nur,
daß die Lutherani zu besagten Zeiten unter der
Regierung des Churfurst Joachim Friedrichs den Dominat in gantzen
Churfürstenthum dergestalt gehabt, daß sie auch dem Churfürsten selbst nach
Gefallen fürgeschrieben, was er unterschreiben sollen, und (wenn er sich nicht
einer Revolte befürchten wollen) müssen. Ingleichen, daß hierbey eben diese
dominirende Herren den̅och dem Churfürsten nicht viel
ketzermacherisch orthodoxes zugetraut, und sich gar sehr für dem nach ihrer
expression einschleichenden Calvinischen Irrthum gefürchtet, und dannenhero bald
in denen in seinem Nahmen aufgesetzten Schrifften ihn zur Unzeit, und mit
grosser impertinenz gelobt, bald durch die ungeschickten parentheses sein
Bekänntniß zur Augspurgischen Confession mit eingeflickt, wie aus dem ersten
loco der aus dem visitations decret 1600. excerpiret worden, mit mehrern zu
sehen ist; als welchen wohl kein politicus, sondern ein recht Jesuitischer Fuchsschwäntzer, aber dabey ein more pariter
Jesuitico Ertzketzermacher aufgesetzt. Und was wäre es denn nöthig gewesen, daß
diese Herren Dominantes nebst denen Land-Ständen, als ihrem perpetuo brachio
feculari (per tradita in Consiliis Wittebergensibus & Dedekenni, si non
fere per totum, saltem passim & saepius) von Churfürst Joachim Friedrich
erst anno 1602. und also im vierdten Jahr seiner Regierung einen Revers der
Religion halber begehret und wahrscheinlich extorquiret, wenn nicht ihre Herren
Confratres aus Magdeburg und Halle den Churfürsten bey ihnen verdächtig gemacht,
und hernach die daselbst verfolgte Reformirte in der Marck / nebst andern
Gelehrten ihres gleichen Gnade und Schutz gefunden hätten. Churfürst Joachim
Friedrich hat regieret biß Anno 1608. da er im Monat Julio an einem Schlagfluß
in seiner Kutsche verstorben, und im October begraben worden. Ihm hat in
Churfürstenthum succedirt sein primogenitus Marggraff Johann Sigismund.
(Was indessen in Magdeburgischen und Halle merckwür-)
§. V. Ehe ich aber fortfahre, die Religions-mutation, die unter denen
Chur-Fürsten in der Marck fürgegangen / zu erzehlen, muß ich nicht zurücke
lassen, was seit der Zeit, da Joachim Friedrich Churfürst worden, nemlich von
1598. bis 1608, da er gestorben, indessen mit seinem dritten Sohn, dem
neuerwehlten Administrator in Halle, Christian Wilhelmen passiret. Dieser war
den 18den Augusti 1587. zu Wolmer
|| [239]
städt gebohren, und also den 26sten Aprilis 1598. da er von dem
Dom-Capitul(diges possiret. Der Teuffel schläfft 5 mahl bey einer Hexe und zwar auf der
Spitze des rothen Thurms.) zu Magdeburg postuliret worden, noch nicht
völlig eilff Jahr alt, weßhalben nicht zu verwundern, wenn man lieset, daß zwar
den 13 und 14den Januarii von dem Rath zu Halle und Magdeburg, nach resignation
Churfürst Johann Friedrichs dem Dom-Capitul die begehrte Hand-Gelöbniß
geschehen, aber von der Antretung des Regiments des neu-postulirten
Administratoris Christian Wilhelms nichts in selbigem und folgenden Jahren zu
lesen ist / weil nehmlich das Dom-Capitul eine absonderliche Capitulation mit
Ihrem neu-postulirten Administrator, oder vielmehr hauptsächlich mit dessen
Herrn Vater gemacht, und sich darinnen die völlige Administration des
Ertz-Bißthums nicht anders, als wenn eine völlige sedisvacanz wäre, auf 10
gantzer Jahr vorbehalten, auch durch ihre abgeordnete zu Prage deßhalb
Confirmationem Caesaream erhalten hatte. Indessen hatte doch das Dom-Capitul
Anno 1599. den 1ten Martii diesen neuen postulirten Ertz-Bischoff Marggraff
Christian Wilhelm durch den Vice-Cantzeler D. Chilian Stissern proclamiren
lassen. Es wurden auch in diesem 1599sten Jahr unterschiedene streitige Sachen
zwischen dem Dom-Capitul und der Stadt Halle vorgenommen, und gütlich verglichen
darinnen die Religion Augspurgischer confession frey gelassen, und Schutz dabey
versprochen worden, item, daß in der Dom-Kirchen keine Sacramenta (diese 10 Jahr
über, wie ich verstehe) administriret, sondern alleine die Bet-Stunden und
Wochen-Predigten darinnen gehalten werden solten. Was im übrigen zu solcher Zeit
diese orthodoxia formularia für eine sonderliche prudentiam politicam in
Hexen-Sachen operiret, kan man aus folgendem Exempel abnehmen. Olearius hat als
was sehr notables angemercket, daß Donnerstags nach Pauli Bekehrung, oder nach
anderer ihrer Rechnung den 23sten Februarii 1604 die sogenannte dicke Christine
und die Thor-Ursel wegen Zauberey für den Stein-Thore verbrannt worden: die
dritte aber, die Bockin genannt, welche nach erlittener Tortur gestorben, auf
den Schindanger begraben worden. Ferner sey den 6ten May zu Lauchstädt eine
Zauberin, die Haferkastin genannt, verbrannt worden, welche ausgesagt, daß der
böse Feind sie auf des rothen Thurmes zu Halle Spitze geführet, und sie, wo sie
nicht halten wolte / was sie ihm zugesagt, herab zustürtzen gedrauer, hernach
fünffmahl auf der Spitzen mit ihr Unzucht getrieben. Es wird zwar, als zu dessen
Bekräfftigung, dabey Carpzovius in pract. crimin. quaest. 50. n. 18 fol. 337.
citiret. Alleine ich finde daselbst, und zwar fol. mihi 335.
|| [240]
seq. nur folgendes: Hat die
Haferkastin in Güte bekannt, daß sie die in Halle gerechtfertigte Thor-Ursel
nicht alleine gelehret und unterrichtet, wie sie denen Leuten die böse Elben
zubringen, und ihnen dieselben wieder benehmen solte / sondern solches auch an
etlichen zu verrichten ihr befohlen, immassen von ihr geschehen: Deßgleichen,
daß sie gedachter Thor-Ursel auch den bösen Feind zum Buhlen zugewiesen, mit
welchem sie / die Thor-Ursel, auch Gemeinschafft gehabt, und Teuflische
unmenschliche Unzucht begangen, und daß auch sie, die gefangene Haferkastin
selber mit dem Teuffel umgangen, und dergleichen Gemeinschafft gehabt, und
Unzuchrgetrieben, nach mehrern Inhalt der Inquisitions-Acten etc. Ich habe diese Anmerckung deßwegen hauptsächlich
beygefüget, denen defensoribus der Hexen-Processe damit nach Vermögen zu dienen,
wenn etwa jemand unter ihnen so gut seyn, und die an besagtem Ort des Carpzovii
beygedruckte 36 sententias Scabinorum Lipsiensium in Hexen-Sachen cum notis
ediren wolte, damit sie die in hac sententia ausgelassene merckwürdigsten
Umstände, was der Teuffel auf des rothen Thurms Spitze für Händel fürgenommen,
(die sonsten etwa denen, die nicht die Ehre gehabt, die formulam Concordiae zu
unterschreiben, unglaublich vorkommen möchten) zu suppliren, Anlaß haben
möchte̅, u. zweifle ich nicht, sie werden meiner im besten
dabey gedencken. Wiederum auf den Herrn Ertz-Bischoff Christian Wilhelmen zu
kommen, ist derselbe Anno 1608 (nachdem nehmlich das von dem Dom-Capitul
vorbehaltene decennium sich geendiget) etliche Wochen nach seines Herrn Vaters
Churfürst Joachims Friederichs Tode im September, nachdem er vorher seine
Capitulation von 64 Artickeln zu halten einem leiblichen Eyd geschworen, und zu
Wolmerstädt unterschrieben und besiegelt, solenniter zu Halle gehuldiget worden,
und hat man bey dieser solennität auch dessen mit anwesenden ältesten Herrn
Bruder, Marggraff Johann Sigismunden, der dem Herrn Vater in der Chur
succediret, mit einem abgerichteten grauen Pferde beschencket, wie Olearius
berichtet, wiewohl vielleicht ein Irrthum darinnen vorgegangen, und an statt des
andern oder mittlern Bruders Marggraff Johann Georgs aus Irrthum der älteste
Johann Sigmund benennet worden; wenn es wahr ist, was Layritz berichtet, daß
Marggraff Johann Sigmund anno 1608 von seinem Herrn Vater noch bey seinen
Leb-Zeiten nach Preußen verschickt worden, auch daselbst biß 1609 verblieben,
und indessen die Chur in der Marck-Brandenburg durch einen von seinen
vertrautesten Ministern verwalten lassen.
|| [241]
§. VI. Churfürst Johann Sigmunds Regierung daurete eben nicht(Summarischer Inhalt von Churfürst Johann Sigismunds
Regierung.) garlange. Nachdem er mit Pfaltz Neuburg wegen der
Jülichischen succession in schwehren Krieg verfiel, dessen völlige Endigung erst
unter seinem Sohn anno 1629 erfolgte. Anno 1611 erhielt er das Hertzogthum
Preussen, jedoch mit ziemlichen harten Bedingungen, sonderlich, daß er jährlich
30000 fl. als einen Erb-Zinß solte entrichten. 1612. wohnete er dem Käyserlichen
Wahl-Tag Matthiae bey, im folgenden Jahr besuchte er durch Gesandte den
Reichs-Tag zu Augspurg. Anno 1614. erklährete er sich zu der Reformirten
Religion, und ließ hiezu zu Cölln den Anfang im Dom machen, auch deßwegen
öffentlich eine Schrifft und Glaubens-Bekänntniß ausgehen, darauf begab er sich
gen Naumburg, woselbst er der Zusammenkunft der Erb-vereinigten Häuser, Sachsen,
Brandenburg und Hessen beywohnete. Anno 1617 zog er abermahl in Preussen, nach
der Rückkehr aber, weil er immer mit Gicht-Beschwehrungen beladen, und vom
Schlag öffters befallen ward, übergab er seinem Chur-Printzen, Marggraff George
Wilhelmen die Chur, und starb bald darauf 1619. den 13ten December. Zu meinem
Zweck gehöret fürnemlich(Er bekennet sich Anno 1614. zur Reformirten Religion.) die Anno
1614 geschehene Bekänntniß der Reformirten Religion: zu derselben ist er nach
denen bisher erzehlten Umständen sehr wahrscheinlich schon in Magdeburg und
Halle, und hernach in der Marck noch bey seines Herrn Vaters Lebzeiten
disponiret worden; nur hat er nicht ehe damit auszubrechen sich getrauet, weil
er befürchtet, daß die noch starck dominirende formularische Parthey Tumult und
Aufstand erwecken würde; wiewohl doch auch dergleichen Aufstand nicht gäntzlich
nachgeblieben, alsbald (§. VIII.) soll gemeldet werden. Hutterus nach seiner Art
beschreibet(Hutteri
Urtheil davon.) die Sache also: Der gute Churfürst hat als ein Herr
von gutem treuhertzigen Gemüthe, der niemand nichts böses zugetrauet, und noch
keine arglistige Betriegereyen erfahren, auch vielleicht ein Absehen auf das
allgemeine Beste gehabt, sich schändlich betriegen und dahin antreiben lassen,
daß er die heiligen Fußstapffen seiner Vorfahren und Herrn Vaters verlassen,
auch sein ehemahliges zu Halle gethanes Versprechen und Ohligations-Formul (Anno 1593. vide supra §. 3. post. med. bey Seite
gesetzet, und vor weniger Zeit sich öffentlich erkläret, daß er dem Calvinismo günstiger sey. Jedoch ist die vornehmste
Schuld nicht Seiner Churfürstl. Durch lauchtigkeit zuzumessen, als welche nach
ihrer sonderbahren ehrlichen Aufrichtigkeit auch vermeinet, man werde wiederum
mit ihr so aufrichtig um
|| [242]
gehen / und
noch zur Zeit nicht mercket, daß man sie schändlich betrieget. Es möchten aber
die Betrüger und Verräther (Sinones illi. Siehe die Lexica voce Sinon) die an
diesem Betrug Ursache sind, sie seyn nun, wer sie wollen, nur zusehen, wie sie
dem allgewaltigen GOtt dermahleins schwehre Rechenschafft werden geben müssen,
daß sie den allerbesten, und der sehr reinen Lutherischen Bekänntniß recht
gottesfürchtig zugethanen Herrn auf die Abwege der Sacramentirischen Ketzerey zu
verleiten, und bey der gefährlichsten Zeit Oehl ins Feuer zu giessen / das ist,
die Kirchen des berühmten Brandenburgischen Chur-Fürstenthums in ihrer Ruhe zu
stören sich unterfangen. Zum wenigsten wird GOtt, ob er schon ietzo mit
verschlossenen Augen dieses zuzugeben, und der Sacramentirischen Freyheit ihren
Willen zu lassen scheinet, seine Kirche gewiß nicht verlassen, sondern vielmehr
einmahl zu seiner Zeit, und ehe man es sich versieher, sich seiner eigenen Sache
kräfftig annehmen, dero Feinde, und wenn sie noch tausendmahl listiger als der
Trojanische Sinon wären, stürtzen und zu schanden machen
/ und seinem Volck und seiner ( Lutherischen und auf die
formulam Concordiae geschwornen) Kirche die allererwünschsie Erlösung
wiederfahren lassen. Eine jede fromme Seele sage hierzu: Amen, (Urtheil von Huttero und seiner
bemmelichen Einfalt.) das ist, es werde wahr. Ich habe mit Fleiß diesen
Ort umbständlich anführen wollen, daß ein jeder unpartheyischer des ehrlichen
Manns Genie als in einem Spiegel darinnen ersehen möge, und daß er zwar ein
ernsthaffter Eyfferer über seine Religion, und ein Ertz-Feind der Reformirten
gewesen, aber dabey nicht ein Krümgen eines vernünfftigen Urtheils besessen.
Hätte man wohl was absurders erdencken können, als daß er dem Chur-Fürsten
zugleich einen Fuchß-Schwantz streichen, und doch zugleich bey seines gleichen
Ketzermachern Danck verdienen will? Könte die Fuchs-Schwäntzerey wohl
einfältiger seyn, als wenn er den Churfürsten als einen sehr einfältigen und
beynahe tummen Herrn beschreibet, der auch bey seinem Abtritt zur Reformirten
Religion nicht gewust, was er thäte, und gemeinet hätte, er wäre nach wie vor
Lutherisch; Kunte er nicht leichte begreiffen, daß die Reformirten Theologi eben
das darauf antworten würden, was die Lutheraner würden geantwortet haben, wenn
jemand von den Reformirten einen Lutherischen, aber die Reformirten drückenden
Fürsten, z. E. Chur-Fürst Augustum zu Sachsen auf solche Weise gelobet hätte?
Begriffe er denn nicht, daß das
|| [243]
Schänden und Schmähen der Reformirten Parthey ihn und seines gleichen
Injurianten bey allen unpartheyischen, auch bey den Catholischen würde verhaßt
machen; und niemand als denen allgemeinen Feinden aller Evangelischen im
Pabstthum, nehmlich den Jesuiten und ihres gleichen, eine Freude erwecken? Wie
würde es ihm gefallen haben, wenn die Reformirten die Autores Formulae
Concordiae Sinones und Verräther gescholten hätten? Aber die damahligen Zeiten
trugen keine andere Leuthe, denn die reliquien der Päbstischen Disputir-und
Zanck-Kunst dominirte noch allzusehr auf den Universitäten, und zwar für andern
in den Theologischen Facultäten. Und wenn sie nun auf einen Menschen fiele, der
ohne dem kein natürlich judicium hatte, und nach seinem temperament zum Bemmeln
und Keiffen geneigt war, konten seine Schrifften mit keinen andern Blumen
angefüllet werden, als mit solchen unvernünftigen und altvettelischen
Bemmeleyen. Gewiß, so offt ich in Hutters Concordia Concorde lese, und über
seine raisonnements kom̅e, in welchen er wieder die Reformirten
fechten will, so fällt mir ein / was mir, als ich noch ein Knabe war, von ihm
durch einen meiner Praeceptorum erzehlel wurde. Der ehrliche Hutter war von der
Natur, so wenig mit einen Barte, als einem judicio versehen, wie seine Bildniß
sattsam zeigen. Nun war es aber damahls gebräuchlich, daß grosse Bärte für einen
sonderlichen Zierrath der Manns-Personen geachtet wurden. Einesmahls hatten
seine Leute Holtz gekaufft, und liessen soches für seiner Thüre auf der Gassen
durch einen Holtzhacker klein machen, der den Hochwürdigen Herrn D. Hutter zwar
par renommee, aber nicht von Person kannte. Als nun D. Hutter oben aus seiner
Stuben zum Fenster hinaus sahe und gewahr wurde, daß der Holtzhacker das Holtz
nicht nach seinen Sinne klein genug machte, fieng er nach seiner Gewohnheit an
zu schelten und den Holtzhacker auszurichten. Der Holtzhacker, der den D. Hutter
nicht kannte, und weil er etwa eine Schlaffmütze auf hatte, meinete, es wäre die
Person, die ihn so ankieffe, eine Kindermuhme oder Ausgeberin des Doctors, wurde
auch ungedultig, antwortende: Was hastu denn vor ein Gebemmele du alte Hexe? Ist
doch das Holtz nicht deine, sondern den Herrn Doctor, wenn ich es nur diesen
recht mache, was gehet es dich? (Worauf D. Hutter aus Furcht, daß die Nachbarn
hören möchten, daß man ihn vor ein alt Weib ansehe, das Fenster alsobald
zumachte, und still schwiege.
§. VII. Wie aber und auf was Weise eigentlich die publication(Genauere Umstände von des) dieser
Religions-Aenderung zugegangen, kan ich eben aus Mangel genungsamer information
so genau nicht sagen. Dieses ist gewiß, daß Anno
|| [244]
(Churfürsten neuen Glaubens-Bekäntnüß /) 1614. der
Churfürst eine Confession, auch in Monat Februario ein E dict publiciren lassen,
darinnen denen Lehrern und Predigern untersaget wird, daß sie (die Lutheraner
und Reformirte) nicht auf einander schänden und schmähen solten. Wenn aber und
unter welchem dato die Glaubens-Bekänntniß publiciret worden, ob es vor oder
nach erwehnten Edict geschehen, weiß ich nicht. So finden sich auch zweyerley
Glaubens-Bekäntnüsse, die im besagten Jahr im Nahmen des Churfürsten publiciret
seyn sollen, die zwar beyde für ausführliche Bekäntnüsse zu der Reformirten
Religion passiren können, aber doch nach gantz unterschiedenen methoden (deren eines nach allen Glaubens-Artickeln kurtz
eingerichtet ist.) eingerichtet sind. Die eine, die bey dem
Continuatore des Meterani zu finden ist, bestehet in 55. Glaubens-Artickeln,
unter deren jeden eine kurtze Bekäntnüß des Churfürsten in prima persona (wir)
gesetzt ist, die alsobald aus etlichen beygedruckten Sprüchen der Heiligen
Schrifft bewiesen werden. In der Vorrede wird gedacht, daß der Churfürst die
noch übliche Päbstische Ceremonien und sonderlich die Hostien bey dem Abendmahl
abgeschafft und an deren statt das Brodbrechen eingeführet, welches Christl.
Vorhaben von unterschiedl. unbesonnenen Leuten vor Calvinisch ausgegeben u.
gelästert worden; andere aber hätten sich befürchtet, es möchte vielleicht der
Churfürst die schreckliche Lehren, die man den so genan̅ten
Calvinisten zumäße, (v. g. daß GOtt nicht allmächtig und eine Ursache der Sünden
sey, etc.) in ihrer Lande Kirchen einführen lassen. Damit nun solchen Gedancken
bey Zeiten vorgebauet würde, sey vor rathsam angesehen worden, daß man die
Glaubens-Bekäntnüsse derjenigen, derer Lehre unter dem verhaßten Nahmen der
Calvinisten dem gemeine̅ Volck verdächtig gemacht werde, allhie
aufs neue liesse auflegen, zu welcher sich Ihre Churfürstliche Gnaden, wie auch
deroselben ältester Sohn Herr George Wilhelm, und ältester Bruder, Herr Johann
George, Stadthalter öffentlich bekenneten, damit also allen Lästerern und
Verläumbdern desto eher (Das andre aber nur die
Streit-Puncte mit den Reformirten angehet.) das Maul gestopfft würde.
Die andre Confession, die etliche mahl in 4to gedruckt, und noch zuletzt anno
1695. zu Cölln an der Spree nebst andern nachherigen Churfürstlichen
Brandenburgischen Edictis wieder aufgelegt worden, ist nicht in prima persona
(wir glauben,) sondern in tertia, (fürs erste bekennen sich seine Churfürstliche
Gnaden etc.) concipirt; sie begreifft auch nicht alle Artickel des Christl.
Glaubens in sich, nebst deren Beweiß aus den Sprüchen der heiligen Schrifft;
sondern es wird zum General-Grunde der Bekäntniß gesetzt, das Wort GOttes, die
drey allgemeinen Haupt-Symbola, die Augspurgische Confession, wie sie hernach in
etlichen Puncten übersehen und verbessert worden.
|| [245]
Zu den andern Schrifften, (unter
welchen Worten unstreitig die Formula Concordiae zuförderst gemeinet ist,) wolle
der Churfürst weder sich selbst, noch seine Unterthanen mit Bedrängniß der
Gewissen verbinden lassen. Die Special-Bekänntniß betrifft nur vier Artickel,
die damahls zwischen den Lutheranern u. Reformirten am meisten im Streit waren.
1. Von der Person des HErrn CHristi, dessen beyden Naturen, deren persönlichen
Vereinigung, und communicatione idiomatum: 2. Von der Tauffe und dem Exorcismo:
3. Von dem H. Abendmahl u. vom Verstand der Worte der Einsetzung, auch von denen
dabey üblichen Ceremonien, sonderlich des Brodtbrechens, und daß die Oblaten nur
Scheinbrodt wären: 4. Von der ewigen Gnaden-Wahl. Kurtz zu sagen, die erste
Bekänntniß in continuatione Meterani gehet mehr auf thesin ohne die antithesin
zu berühren: Diese letzte aber hat mehr und fast alleine mit der Antithesi zu
thun. Ausser diesen beyden Consessionen hat der Churfürst ein(Edict wegen Abschaffung der
Ceremonien.) Edict publiciret wegen Aenderung der Ceremonien (die der
Continuatur Sleidani Schadaeus mit denen Confessionen / oder wie er schreibet,
mit denen Artickeln der neuen Religion, zu vermischen scheinet). 1. Solten alle
Bilder aus der Kirchen gethan u. abgeschaffet werden: 2. Ingleichen die
steinerne Altäre, und an statt derselben ein höltzerner Tisch gesetzt werden; 3.
Alle Taffeln, Crucifix und Gemählde abgeschafft, und an statt der Hostien,
Brodt, Semmeln und breite Kuchen gebacken werden: etc. 4. An statt der Kelche
soll man einen Becher zum Abendmahl brauchen: 5. Die Worte vom Abendmahl solten
nicht mehr gesungen, sondern gelesen werden. 6. Das Gebet vor der Collecten
auszulassen: 7. Die Meßgewandt oder andern Ornat nicht mehr zu gebrauchen: 8.
Auf den Altar keine Lichter zu setzen, noch zu brennen: 9. Dem Communicanten
kein Tuch mehr fürhalten: 10. Man solle sich auch nicht neigen, als wenn
Christus fürhanden wäre. Noch 11. die Communicanten knien: Man solle 12. die
Creutzmachung nach der benediction unterlassen; ingleichen 13. die Priester
nicht mehr denen Leuten den Rücken zukehren; 14. die Collecte und Episteln nicht
mehr singen, sondern lesen: 15. Man solle nicht mehr beichten: 16. Sich nicht
neigen, noch den Hut abziehen, wenn man den Nahmen JEsu nennet: 17. Auf der
Cantzel nicht heimlich, sondern öffentlich beten: 18. Die Krancken mit der
Communion nicht besuchen: 19. Die Tauff-Steine solle man ausbrechen und ein
Becken brauchen: 20. Die Epitaphia und Crucifixe in der Kirchen nicht dulden:
21. Die zehen Gebote und den Catechismum ändern: 22. Die Heilige Dreyfaltigkeit
nicht schnitzen oder abmahlen: 23. Die Worte vom heiligen Sacra
|| [246]
ment sollen recht verstanden und
ausgeleget werden: 24. An statt der Epistel und Evangelien solle man ein Stück
aus der Bibel lesen und zum Text nehmen.
(Was dieses Edict für einen Effect
gehabt, und was deswegen Anno 1615. für ein Tumult in
Berlin entstande̅.)
§. IIX. Wenn ich bedencke, wie die Lutherani nebst dem
gemeinen Volck noch heut zu Tage an den Ceremonien kleben, und wie der gute
Churfürst zu Sachsen Christianus I. dreyzehen Jahr vorher sein Leben lassen
müssen, daß er sich unterfangen, in Sachsen nur den Exorcismum abzuschaffen, so
muß ich mich verwundern, daß man es damahls in der Marck so weit gewagt, uud auf
einmahl so viel reliquien des Pabstthums abzuschaffen sich unterstanden: Wiewohl
es doch auch ohne alles Wiedersprechen und Tumult nicht so gar leer ausgangen.
Schadaeus setzt nach Erzehlung der nur ermeldten 24. Stücken der geänderten
Ceremonien alsobald hinzu: daß gleichwohl die Land-Stände und sonderlich
Preussen in diese Veränderung gar nicht willigen wollen, sondern Ihrer
Churfürstlichen Gnade Ihre Gelübde, die sie gethan, das Land bey der
Augspurgischen Confession zu erhalten, zum fleißigsten erinnert. Ja in folgendem
1615. Jahre brach die Sache zu Berlin in einen gefährlichen Tumult aus, den
Schadaeus und Meteranus continuatus gantz gleichförmig folgender gestalt
beschrieben: Demnach zu Berlin in der Kirche zur H. Dreyfaltigkeit, so vor
diesen der Thum gewesen, durch die Reformirende alle Altäre, sehr schön und
köstlich, wie auch die Crucifix, Bilder, Epitaphia und Tauffstein
herausgeschafft, und NB. von der Churfürstin, welche noch der Augspurgischen
Confession zugethan, in ein wohlverwahrtes Gemach verwahret worden, ist darüber
von den Lutherischen und reformirten Theologen ein neuer und grosser Zanck auf
der Cantzel entstanden, und sind sie sonderlich Sonntags Misericordias hefftig
an einander gewesen, also, daß die Bürgerschafft und der gemeine Pöbel schwürig
worden, und des Nachts um neun Uhr sich zusammen rottirt, herumgeschweifft, und
zu unterschiedenen mahlen die Fenster in der Reformirten Prediger Häuser
eingeworffen und ein erschrecklich Geschrey gemacht. Als nun Marggraf Hanß Georg
als Stadhalter Ihrer Churfürstlichen Gnaden solches vernom̅en, hat
er sich mit etlichen zu Roß in die Stadt, die Tumultuirende abzutreiben,
begeben, welche sich auf Sanct Peters Kirchhoff salvirt, und Sturm geschlagen,
darauf denn alsbald ein gantzer Aufflauf entstanden. Ob nun wohl der Marggraff
den Pöbel mit guten Worten abgemahnet, hat es doch wenig geholffen, sondern
ihrer etliche Ihre Gnaden mit schmählichen Worten zugeruffen, biß es endlich so
weit komme̅, daß sie mit Musqueten und Pistolen an einander
gesetzt, dadurch auf des Fürsten Seiten ze
|| [247]
hen, und auf der Bürgerschafft Seiten drey erschossen, etliche
verwundet, und Ihre Fürstliche Gnaden mit einem Stein an rechten Schenckel
beschädigt worden. Als nun Ihre Fürstliche Gnaden mit den Ihrigen nothhalben
weichen müssen, ist das Hauß, darinnen die reformirte Prediger gewohnet, vom
gemeinen Pöbel gestürmet, die Fenster eingeworffen, die Bücher, und was sie
gefunden, genommen worden. Die Prediger, samt ihren Weib und Kindern haben sich
in ein ander Losament salvirt, wären sonst vielleicht übel tractirt, oder gar in
Lebens-Gefahr bracht worden. Ich habe dieses alles deßwegen so ausführlich hier
erzehlet, nicht daß ich über diesen Tumult und dessen Moralität weitläufftig
raisonniren wolte, als welch es ich einem jeden unpartheyischen Leser nach
seinem Belieben selbst zu thun überlasse, sondern damit man dasjenige, was noch
übrig ist, von dem Leben des Magdeburgischen Ertzbischoffs Christian Wilhelms,
als welcher des Churfürsten Johann Sigismunds anderer Bruder war, zu melden
desto besser verstehe.
§. IX. Was unter seiner Regierung von Anno 1608. bis Anno(Unterschiedene fatale Umstände
die dem Magdeburgischen Administratori Christian
Wilhelmen von 1608. biß an sein Lebens-Ende 1665 begegnet.) 1614.
vorgegangen, davon finde ich eben nicht viel merckwürdiges auffgezeichnet, denn
daß er Anno 1610 in Pfingsten dem Vogelschiessen mit Pirsch-Büchsen beygewohnet
und mit geschossen, geht unsern Haupt-Zweckwenig oder nichts an. Jedoch kan man
den Zustand der damahligen Orthodoxie in etwas erkennen, wenn gemeldet wird, daß
in eben selben Jahr d. 2. Septembr. Sonntags unter der Predigt zu St. Ulrich
eine Kertze auf dem Altar ausgelöscht, und darauf den 25. Octobr. der Pfarr
daselbst M. Heinricus Tectander verschieden. Was meine special-Gedancken hiebey
etwa seyn möchten, überlasse ich dem Leser zu errathen. A. 1613. besuchte der
Churfürst von Brandenburg, Johann Sigismund, nebst seinem Bruder Marggraff Hanß
Georgen und dem Landgraffen zu Hessen, auch dem Marggraffen zu Anspach, den
Ertzbischoff zu Halle. Als nun bald darauf der Churfürst und sein Herr Bruder
sich öffentlich zur reformirten Religion bekennt, kan diese Visite wohl freylich
bey denen Anhängern der Formulae Concordiae im Ertzbißthum keine grosse Liebe
und Vertrauen zu dem Ertzbischoff beybehalten haben, sondern hat vermuthlich ein
nicht geringes Mißtrauen gege̅ ihm erwecket; wiewol es nicht so
bald oder doch nicht unter diesem praetext so deutl. ausgebrochen. Schadaeus
meldet gegen dem Ende dieses 1614. Jahrs, daß als der Ertzbischof oder
Administrator zu Magdeburg sich mit einem Fräulein von Braunschweig vermählet,
deßwegen eine differenz zwischen den Ertzbißthum und Ihre Gnaden sich erhaben,
sey aber folgends eine Vergleichung erfolget, wie
|| [248]
starck nemlich die Hoffhaltung
solche gehalten, und darzu ein deputat ernennet werden, damit das Capitul nicht
in weitere Beschwehrung kommen möchte, und sey hiermit von demselben in die
Heyrath consentiret worden. Welches ich per in fra §. seq. dicenda für
merckwürdiger halte, als was von andern angemerckt worden, daß der Administrator
in folgenden 1615. Jahre den 21. Januarii mit dieser seiner neuen Gemahlin
Heimführung gehalten, auch mit derselben den 29. December auf dem Schlitten
gefahren und auf der Wage abgetreten. Anno 1617. ist allhier das Evangelische
Lutherische Jubel-Jahr solenniter gehalten worden, und finde ich hierbey zwar
annotirt, daß dieserwegen viel wiederwärtige Schrifften zwischen den
Catholischen und Lutherischen gewechselt worden, aber daß dergleichen zwischen
den Reformirten und Lutherischen solte fürgegangen seyn, habe ich nicht
gefunden: zu geschweigen, daß der Herr Administrator sich recht orthodox zu
diesem Jubilaeo praepariret, indem er vorher an dem Sonntage Trinitatis und
folgende Tage mit nach dem Vogel geschossen. Noch merckwürdiger ist es, daß Anno
1621. den 17. Sept. der Administrator auf der Moritzburg eine Theologische
Disputation de scriptura sacra sub praesidio des Hoff-Predigers gehalten; wenn
nur der context nicht wiese, daß allhier ein Druckfehler mit untergelauffen
wäre, und es etwa heissen solle, daß der Herr Administrator dieser disputation
nur beygewohnet, wie von ihm dergleichen zu Ende des 1623. Jahres gemeldet wird.
Jedoch ist in denen zu Ende der Halygraphie angemerckten Druckfehlern dieser
nicht mit notiret worden. Ich will dannenhero die übrigen Umstände von dem Leben
dieses Administratoris nach Anleitung dessen, was Layritz kürtzlich davon
gemeldet, erzehlen. Anno 1618. gienge, wie bekannt, der dreyßigjährige Krieg in
Teutschland an; in welchem der Administrator, weil er es in dem
Nieder-Sächsisch. Krieg anno 1625. mit Dennomarck gehalten, anno 1628. vom
Käyser in die Acht erklähret wurde, zumahl, da dieser gerne das Ertzstifft
Magdeburg auf seinen Sohn hätte verweltzt gesehen; darauf die Dom-Herren von
Magdeburg von ihm abgesetzt, und ihn, ob hätte er wieder die Verträge gehandelt,
beschuldiget. Demnach verfügte er sich zum König Gustav Adolff in Schweden, und
suchte bey ihm um Volck und Geld-Hülffe an. Inzwischen übergaben die Dom-Herren
zu Magdeburg die Administration selben Ertzstiffts A. 1628 an statt des
entsatzten Christian Wilhelms, dem Hertzog Augusto zu Sachsen, den sie zuvorher
zu Ende des 1625. allbereit zum Coadjutor gewehlet hatten, ob sich gleich der
Käyser für seinen Printzen möglichst bewarb. Er Marggraff Christian Wilhelm, als
er hiervon
|| [249]
Nachricht bekam, hielt
beym König desto inständiger an, welcher ihn der Hülffe versicherte, und, wo er
konte, Geld aufzunehmen verstattete, zugleich aber ermahnete, er solte sich ja
nicht übereilen, sondern in der Sache behutsam gehen. Und weil Teutschland
darauf in volle Krieges-Flammen gerieth, suchte zwar Marggraff Christian Wilhelm
sich zu Magdeburg, (dahin er sich mitten durch die Feinde unerkannt 1630. zu
Ende des Julii begeben hatte; und mit Freuden empfangen, auch mit Schweden vom
Volck ein Bündnüß öffentlich geschlossen wurde,) best möglich zu vertheydigen.
Denn er both alle Einwohner auf, trieb den Feind von Calbe und Wolmerstädt ab,
eroberte Bernburg; aber vor Halle muste er unverrichter Dinge wieder abziehen
und die Stücke und alles im Stiche lassen, weil der Tilli im Anzug war. Endlich,
da er vielmahls, wiewohl vergebens, war ermahnet worden / sich zu ergeben, muste
er erfahren, daß mit Belagerung und Eroberung dieser Stadt Magdeburg durch die
Käyserlichen der Anfang zum folgenden Verderben gemacht worden. Bey solcher
Blutstürtzenden Einnehmung der Stadt ward er auch Anno 1631. selbst sehr
verwundet, und vom Graffen von Pappenheim gefänglich in Oesterreich, anfangs gen
Wien, hernach nach Neustadt geführet, auch ihm so lange zugesetzt biß er im
folgenden Jahr zur Päbstlichen Religion verleitet worden, welche seine Abtretung
er mit einem besondern Buch, der Warheits-Spiegel genannt, 1634. vertheydigen,
und nachmahls wieder D. Brochmand behaupten wollen. Es haben aber dieses
Spiegels Mackeln und Flecken jetztgedachter D. Brochmand, und D. Nicolai
klärlich ans Licht gestellt. Denn D. Brochmand setzte dem Päbstlichen
Warheits-Spiegel noch 1634. den so genannten Leuchter entgegen, wieder welchen
in Marggraff Christian Wilhelms Nahmen 1638. eine Schutz-Schrifft zu Cölln
heraus kommen, so jedoch 1652. D. Brochmand gleichfalls wiederleget. D. Melchior
Nicolai wiederlegte den Warheits-Spiegel 1643. und da der Jesuit Kedd 1653. sich
ihm wiedersetzte, gab jener 1673. eine Vertheidigungs-Schrift heraus, unter dem
Titul: Nihil non ad rem. Wieder auf Marggraff Christian Wilhelmen zu kommen,
sind anno 1635. als zwischen dem Käyser und Chur-Sachsen zu Prage Friede
geschlossen wurde, für ihm aus dem Ertzstifft Magdeburg jährlich 12000. Thlr.
ausgezogen worden, die ihm Hertzog Augustus zu Sachsen als postulirter
Administrator zahlen solte; aber hernach ward ihm in den Münsterischen
Friedens-Schluß Act. 14. das Kloster und Amt Zinna und Loburg zu seiner
Verpflegung auf Lebenslang eingeräumet. Endlich starb er 1665. den 1. Januarii
zu Zinna im 78. Jahr seines Alters.
|| [250]
(Ein neuer Umstand, daß Christian Wilhelm 1614. resigniret, und von neuen postuliret worden.)
§. X. Die bißher erzehlte historische Umstände von dem Zustand der Religion im
Magdeburgischen, von der reformation an biß nach dem Anfang des siebenzehenden
Seculi, und sonderlich was in specie die formulam Concordiae betrifft, geben
eines Theils einige Nachricht, zu desto besserer Verständnüß etlicher zu dem in
vorigen Handel eingeführten Bedencken gehörigen Umständen, theils aber werden
selbige hinwiederum durch das vorhergehende Bedencken, wo nicht erläutert, doch
zum wenigsten dadurch Anlaß gegeben, um supplirung derselben besorgt zu seyn.
Das Bedencken ist datirt den 20sten December 1614. Und also ist unstreitig, daß
es um die Zeit geschrieben worden, da Marggraff Christian Wilhelm Administrator
war, und zwar nach Anleitung, der oben §. IX. bemerckten Umstände, zu der Zeit
in specie, da er sich das erste mahl verheyrathet hatte, noch ehe er seine
neuvertraute Gemahlin heimgeführet. Ob nun wohl auch dabey gemeldet worden, daß
das Dom-Capitul wegen dieser Heyrath mit dem Herrn Administratore in differenz
gerathen, und nicht eher in die Heyrath consentiret habe, als biß wegen der
Hoffhaltung eine Vergleichung erfolget; so ist doch dieser Umstand nicht
sufficient, daß man vermittelst derselbigen verstehen könne, was der Autor des
Bedenckens damit haben wolle, wenn er bald Anfangs desselben (oben p. 202)
erwehnet, er habe nach seiner Zurückkunfft aus der Chur-Brandenburg den Administrator nicht mehr in dero alten Standt, sondern
desselbigen gäntzlich entlediget gefunden, und wäre er kurtz hernach wieder von
neuen postulirer worden. Denn von diesem Umstand ist
nicht das bitterste bey denen Autoribus, der ich mich in excerpirung obiger
historischen Umständen bedienet, zu finden. So weiset auch das gantze Bedencken,
daß um eben dieselbige Zeit, vermuthlich bey der neuen postulation und der dabey
aufgerichteten capitulation bedungen worden, daß nicht alleine, wie bißhero
geschehen war, die Kirchen- und Schul-Bediente der Formulae Concordiae
unterschreiben mußten, sondern daß auch künfftig von allen Politischen Bedienten
eine eydliche Verpflichtung auf besagte Formulam Concordiae gefordert werden
solte; von welchem gleichfalls nichts in Erzehlung obiger Umstände gedacht
worden. Und also möchten vielleicht einige auf die Gedancken gerathen, daß das
vorhergehende Bedencken ein scriptum suppositirium sey, welches von einem Feinde
der Formulae (Thörichte Unterdrückung
vie-) Concordiae aufgesetzet, oder wohl gar von mir erdichtet worden.
Alleine das ist eben zu bedauren, daß bey Schreibung der Chronicken und
Lebens-Beschreibungen (sonderlich in verwichenen Seculo) man sich mit
|| [251]
nichtswürdigen Dingen (als z. E.
daß ein Fürst auf den Schlitten gefahren,(ler
nützlicher historischer Nachrichten / noch in vorigen Seculo gebräuchlich.) den Pfingst-Vogel mit abschiessen
helffen, u. s. w.) oder mit denen albersten lottisen, ne quid gravius dicam,
aufgehalten, (z. E. daß der Teuffel mit einer Hexe auf der Spitze des rothen
Thurms Unzucht getrieben; daß ein Licht unter der Predigt ausgelöscht sey, und
daß es den Tod eines in 4 oder 6 Wochen hernach gestorbenen Predigers in
selbiger Kirche bedeutet habe, u. s. w.) hingegen für unzuläßlich und fast für
eine Todt-Sünde gehalten, wenn man merckwürdige Dinge, die ad statum publicum
gehören, melden sollen, ne scilicet arcana domus divulgentur. Ich habe zwar
schon hiervon etwas in der Historie der Weißheit und Thorheit tom. 2. p. 156.
seq. junct. p. 143. seq. ingleichen in der Vorrede zu denen des Melchiors von
Osse Testament angefügten Annalibus gemeldet; Aber es kan dieses noch mehr
dadurch erleutert werden, wenn ich mich entsinne, daß noch zu Ende des vorigen
Seculi, als Herr D. Beyer eine neue edition von Volckmanns Notariat Kunst ediret
und in derselben Churfürst Johannis Georgii I. Testament hatte beydrucken
lassen, der damahlige Herr Censor zu Leipzig, Herr D. I. B. solches durchaus
nicht zugeben wolte, und muste dasselbige par force wieder herausgenommen, und
also das exemplar verstimmelt werden, unerachtet diese arcana domus damahls
schon von andern waren publique gemacht worden. Ja ich bin gewiß versichert,
wenn derselbe noch ietzo hätte leben sollen, er würde alle die grossen volumina,
die der fleißige und mühsame Herr Lünig viele Jahre her cum applausu publiciren
lassen, alle confisciret haben. Aber GOtt Lob / nun sind wir ein wenig klüger
worden. Alles hat seine Zeit. Durch diese Jesuitische cautelen ist das studium
historicum sehr gehindert worden: und weisen es alle Geschäfte der Menschen, daß
zwar secundum regulas prudentiae nicht alle negotia, sive privatos sive statum
publicum concernentia zu gewissen Zeiten publiciret werden können; aber sie
bleiben nicht in perpetuum arcana. Als ich für vielen Jahren die Bibliotheck zu
Wolffenbüttel besuchte, fande ich darinnen beynahe etliche hundert Französische
Memoires d’ Etat, die der bekannte Wicquefort schon vor langer Zeit mühsam
abschreiben lassen / und für viel tausend Thaler dem Hochseel. Hertzog Augusto
verkaufft hatte, unerachtet sie ihm wohl nicht den vierdten Theil so hoch
mochten gekostet haben. Ich befand aber schon damahls, daß nach dieser Handlung
die Franzosen gar viele von diesen Memoires selbst hatten drucken lassen,
dergestalt, daß z. E. dasjenige, was der Hertzog Augustus dem Wicquefort für
100. Thaler und drüber im Msc. bezah
|| [252]
let hatte, man nunmehro etwa vor 5 oder 6 Thaler gedruckt haben konte. Wenn
wir gleich die arcana domus von denen Französischen Königen im vorigen Seculo
wissen, so hat sich doch Franckreich deßwegen von niemand zu befahren, daß ihm
daraus einiger Schaden zuwachsen könne. (Beweiß dieses
Umstandes.) Aber wieder auf den Herrn Administrator Christian Wilhelmen
zu kommen, so zweifle ich zwar nicht, daß der obgemeldte defect vielleicht auch
aus andern Autoribus möchte können suppliret werden; Aber nachdem ich ietzo
nicht Zeit habe, aus andern Bibliothecken dißfalls mühsame Nachsuchung zu thun,
so wird es genug seyn, wenn ich melde, daß ich obiter in meiner wenigen
Bibliotheck (Repos. III. V. 1. 34) eine anno 1630. gedruckte sogenannte Apologie
und Verantwortung deren auf Käyserlicher Majestät befehlig von dem Rath der
Stadt Halle anno 1630. geleisteten Huldigung gefunden, darinnen bald Anfangs
folgende Worte zu lesen: Als J. F Gnaden (Christian Wilhelm) Anno 1614. das Ertz-Stifft resigniret, worauf
eine kurtze sedisvacanz abgeordnet / und anderweits Ihre
Fürstliche Gnaden zum Administratore postuliret worden.
Und wiederum auf dem dritten Blat num. 6. Wie J. F. Gnaden selber in Anno 1614. des Dom-Capituls potestatem & judicium agnosciret, demselben eine andere Wahl
eingeräumet, und (Und was vermuthlich dazu Gelegenheit
gegeben.) sich aufs neue zum Administrator
postuliren lassen etc. Was aber die Haupt-Ursache gewesen, warum der Herr
Administrator resigniret und sich wieder postuliren lassen, will ich nun sehen,
ob man nicht aus denen obigen excerptis einige wahrscheinliche Vermuthungen
vorbringen könne. Die Haupt-Ursache mag wohl auf seiner Seiten gewesen seyn, die
Liebe zu seiner neuen Gemahlin, und daß das Dom-Capitul ihm viel difficultät
wegen künfftig erforderten mehrern Unkosten zu Führung des Staats gemacht: Aber
daß dieses auch die Haupt-Ursache auf Seiten des Capituls gewesen, kan ich mir
nicht einbilden. Denn es war ja Herr Christian Wilhelm nicht der erste
Lutherische Administrator des Ertzstiffts Magdeburg, der nach der Wahl oder
postulation geheyrathet hatte, sondern es hatte schon vorhero sein Herr Vater
Chur-Fürst Joachim Friedrich (wie oben §. 3. gemeldet worden) als er noch
Administrator gewesen, dergleichen gethan, und dennoch habe ich nirgends
gefunden, daß er vorher hätte resigniren und sich von neuen postuliren lassen
müssen. Also ware wohl die wahre Ursache bey dem Dom-Capitul, daß sie diese
resignation, jedoch mit Versprechung einer neuen postulation, von ihm
begehreten, die Furcht wegen der Religion und wegen der lieben Formulae
Concordiae. Sein ältester Herr Bruder Chur-Fürst
|| [253]
Johann Sigismund und der andre
Marggraff Johann Georg hatten, da ihr Herr Vater Churfürst Joachim Friedrich
noch Administrator gewesen, (per dicta §. 3) sich nebst gedachten ihrem Herrn
Vater zur Formula Concordiae bekennet, und nichts destoweniger ware nicht allein
der Herr Vater (per deducta §. 4) eben kein eyffriger Formularist gewesen,
sondern es hatten auch in eben selbigem Jahr die beyden Herren Brüder die
Reformirte Religion, (per §. 6. 7. 8) zweiffelsohne mit grossem Leidwesen der
Magdeburgischen Geistlichkeit, im Brandenburgischen eingeführet. Sie hatten
beyde Anno 1613. (per §. 9) den Herrn Administrator Christian Wilhelmen besucht:
Es waren hier und dar noch unter denen Politicis viele denen Formularisten
unleidliche Bediente, die gleichfalls der Reformirten Religion im Hertzen nicht
feind waren, bisher immer in ihren officiis geblieben. Von dem Cantzler Meckbach
in specie ist oben bey dem Anfang des §. 4. gedacht worden: und der Autor des
vorhergehenden Bedenckens erwehnet seiner (in ratione 6. Politica p. 205)
nahmentlich, und für andern, als eines Mannes, der vermuthlich nebst seinem Sohn
für nicht Lutherisch gehalten worden; ja er gedencket
dabey eines Bedienten, Johann Hünigkens, den er zwar einen ehrlichen Mann
nennet, aber dabey meldet, daß er gar Catholisch gewesen. Gleichwie nun
hiernächst der Ausgang gezeiget, da der Administrator Christian Wilhelm endlich
selbst auch Catholisch worden, und wieder die Evangelische Religion geschrieben,
daß er nicht so gar stahl-eisen-fest in der Lutherischen Religion gewesen, zu
geschweigen, daß er sich über der Formula Concordiae solte haben todt schlagen
lassen; Also waren auch vermuthlich viele von seinen Räthen und Bedienten, die
man pro Crypto-Calvinianis hielte; und dieses war also wohl die Haupt-Ursache,
warum das Dom-Capitul darauf gedrungen, daß wenn der Administrator heyrathen,
und doch Administrator bleiben wolte, daß er vorher erst resigniren müste, und
ob sie ihn schon versprochen, wieder zu postuliren, so hatte doch diese
resignation und neue postulation diesen effect, daß weil ohnedem gebräuchlich
ist, daß bey neuen Wahlen oder postulationibus die Capitul denen Electis aut
Postulatis capitulationes vorschreiben können; sie in die neue Capitulation
viele neue puncta setzen, und dieselbe, so scharff sie wolten, verclausuliren
könnten, ohne deren Unterschrifft die neue postulation keinen effect hätte.
Dabey ist aber nun ferner gar kein Zweiffel, daß wie der Autor des Bedenckens
deutlich anzeucht, in diese neue capitulation mit gesetzt worden, daß alle
Bedienten des neu-postulirten Administratoris künfftig sowohl als
|| [254]
die Kirchen- und Schul-Bediente
sich zu der Formula Concordiae eydlich bekennen solten. Und ob ich wohl noch die
Stunde nicht weiß, wie der Autor des Bedenckens geheissen, oder wer er gewesen;
so ist doch wohl kein Zweiffel, daß er bey dem Administratore vorher viel
gegolten habe, und man vielleicht hauptsächlich auf ihn bey Einrückung dieser
Clausul reflectiret habe, weil er entweder die hier in seinem Bedencken
angeführte rationes, potissimum Theologicas, dann und wann in discursen mag
erwehnet und sich dadurch bey denen Eyfferern sehr verhaßt gemacht haben; oder
doch zum wenigsten, weil er, wie er selbst bald bey Anfang seines Bedenckens
meldet, da diese resignation vorgegangen, zu Berlin gewesen, und wahrscheinlich
daselbst zur introducirung der reformirten Religion consilia gegeben. Mich
wundert nur, wie es gekommen, daß das Dom-Capitul nicht schon anno 1608. da der
Administrator Christian Wilhelm die Administration angetreten, diese Clausul vom
Eyd aller Politicorum ad Formulam Concordiae mit eingerückt, zumahl da
dasjenige, was ich allbereit in denen des von Osse Testament beygedruckten
Annalibus p. 244. seq. von D. Jacob Schultes angemerckt, sattsam zeiget, daß in
dem benachbarten Sachsen anno 1607. allbereit die Religions-Eyde eingeführet
gewesen.
(Urtheil von dem Bedencken selbst.)
§. XI. Das Bedencken selbst betreffend, ist solches von des D. Schultes daselbst
excerpirten Bedencken darinnen gäntzlich unterschieden, daß D. Schultes nach dem
damahligen Gebrauch alle seine rationes mit vielen allegatis legum &
doctorum bekräfftiget, der Hällische Autor aber / vielleicht weil er mehr ein
vernünfftiger Politicus als grosser Legiste gewesen, sine allegatione legum
& Dd. aus handgreiflichen rationibus Politicis sich geweigert, den
Religions-Eyd abzulegen, auch dabey vielfältige rationes Theologicas angeführet,
aus welchen man sehen kan, daß er die Formulam Concordiae und andere damahls
übliche Streit-Schrifften fleißig gelesen; auch als ein ehrlicher Mann cordate
herausgegangen, und sein Glaubens-Bekänntniß aufrichtig gethan, und damit im
geringsten nicht hinter dem Berge gehalten. Nur wolte ich wünschen, daß er die
Gabe der Deutlichkeit gehabt und einer annehmlichen Schreib-Art sich bedienet
hätte. Denn sein stilus ist sehr verwirret und verdrießlich. In Mangelung eines
bessern aber wird der Leser vergnügt seyn, daß ich das Bedencken drucken lassen,
so wie es der Autor aufgesetzt. Es mag auch wohl seyn, daß in meiner Copie nicht
alles so accurat mag seyn abgeschrieben worden, wie es der Autor concipiret, und
kan ich nicht leugnen, daß ich zuweilen den sensum mit Beyfügung eines und
andern Worts
|| [255]
suppliret. Aber es ist
sehr selten geschehen, und wo nicht der übrige context solches nothwendig
erfordert. Das übrige habe ich gelassen, wie ich es in meinem Exemplar gefunden.
§. XII. Ehe ich schliesse, muß ich noch erinnern, daß ich von denen oben(Ein ehrlicher Lutheraner ist ankeine Patres Ecclesiae gebunden, sondern kan ihre Irrthümer ungescheuet
anmercken.) (§. 9.) citirten Streitschrifften, darzu Marggraff
Christian Wilhelm, da er Catholisch worden, Anlaß gegeben, des Brochmandi erste
Schrifft, die er Anno 1634. wieder des Marggraffen publicirtes speculum
veritatis zu Coppenhagen drücken lassen, in meiner Bibliothec gefunden, und
daraus wargenommen, daß da der Herr Marggraff sich unter andern auch dieses
argument gebraucht, daß die Cathol. Religion mit denen patribus der ersten 6.
Seculorum übereinstimme, Brochmandus Parte l. c. 1. in etlichen compress
gedruckten Bogen weitläufftig gewiesen, daß die Patres Ecclesiae der ersten 6.
Seculorum, (auch den heiligen Hieronymum, Au gustinum und dergleichen nicht
ausgenommen) in vielen Glaubens-Artickuln vielfältig geirret. Und ist mir
solches um deßwegen recht lieb gewesen, weil in meinen Cautelis circa
praecognita Jurisprudentiae Ecclesiasticae cap. 10. usque ad cap. 14.
dergleichen auch vielfältig angemerckt, aber zu dessen Behauptung fast lauter
reformirte scriptores, als Rivetum, Dallaeum, Scultetum, Clericum, Barbeyracium
&c. excerpiret, und mich darauff bezogen: weßhalben ich wohl gemerckt;
daß viele von denen heutig so genannten orthodoxis nicht zu frieden gewesen, und
mir für übel halten wollen / daß ich nach ihrer gemeinen Redens-Art des Vaters
Noä Scham so ungescheuet aufgedeckt. Diese werden mir dannenhero nicht für übel
halten, wenn ich ihnen, als die in praejudiciis autoritatis humanae biß über die
Ohren stecken, die Autorität des Brochmandi werde vorhalten, als den sie doch
zweiffels ohne vor einen recht Lutherischen Theologum werden passiren laßen.
|| [256]
IIX. Handel. Ob ein Geistlicher mit gutem Gewissen seiner verstorbenen
Ehefrauen Schwester heyrathen und der Landes-Herr dergleichen Heyrath zulassen
könne.
§. I.
(Grosse Verwirrung in Ehesachen auch bey den Evangelischen)
ES ist wohl keine doctrin im gantzen jure so schwer und verwirrt, als die Lehre,
was in Ehesachen recht sey. Und ob wir Evangelische gleich für wenigen Jahren
zum andernmahl das Jubilaeum wegen der reformation und eingeführten heilsamen
und gesunden Lehren an statt der Papistischen Irrthümer mit Trompeten und
Paucken celebriret haben; so will ich zwar unter diejenigen nicht gerechnet
seyn, der das Jubilaeum selbst oder die dabey gebrauchte Ceremonien improbiren
wolte; aber doch scheue ich mich nicht zu sagen, daß wir in der Lehre von
Ehesachen wohl noch zur Zeit nicht grosse Ursach haben über die Lehre das
Päbstischen Rechts zu jubiliren, sondern uns vielmehr schämen solten, deß
berühmte Theologi und Juristen biß zu unsern Zeiten nicht allein die
abgeschmacktesten Lehren der Canonisten auf das äusserste vertheydiget, und die,
so solche nicht anbeten wollen, für gefährliche Lehrer oder wohl gar für
Atheisten ausgeschrie̅, sondern auch wohl noch viel ärgere und
unvernünftigere, ja recht (Z. e. daß ein Castrate
heyrathen könne.) tumme Lehren erfunden, und mühsam vertheydiget, derer
sich auch die Hottentotten, geschweige denn alle vernünfftige Papisten und
Catholischen schämen würden. z E. daß ein Verschnittener und Castrate, der
ohnmüglich Kinder zeugen kan, dennoch heyrathen, und getrauet, auch bey der
Trauung mit dem gewöhnlichen Seegen: Seyd fruchtbar und mehret euch, angeredet
werden könne, und dennoch ist Anno 1667. seq. eine dergleichen Heyrath von
Theologis weitläufftig defendiret, auch nachhero von etlichen sonst gescheiden
und in die arcana reliquiarum papalium ziemlich einsehenden Juristen approbiret
worden. Wiewohl bey allen defensoribus nicht einerley Ursachen mögen gewesen
seyn. Die bey dem facto (Entdeckung vieler
gehei-) selbst vorkommende Umstände, und wie listig die Verordnung, daß das
edle Paar getrauet werden solte, dem theuren Churfürsten sey abpracticiret
worden, ist summatim bey dem Hieronymo Delphino p. 45. seq. erst
|| [257]
zu lesen und zum Grunde zu setzen.
Nach diesem waren noch andere Umstände(men Ursachen
dieser hundtägigen Lehre.) und die daher genommene rationes
decidendi occultae etwa folgende. Der Herr Bräutigam Bartholomaei war zwar
Catholisch, denen die orthodoxi Lutherani sonst nicht gerne, zumahl in absurden
gottlosen Dingen Dienste thun; aber er war dabey Chur-Fürstlicher Mignon und
kunte seinen guten Freunden wieder nachdrückliche Dienste thun. Zudem hatte
seine in das Consistorium zu L. eingeschickte species facti etliche bezaubernde
Qualitäten an sich. D. Geyer zu Dreßden hatte schon zu verstehen geben, daß er
diesem Werck nicht favorisirte, hingegen der Superintendens D. Bulaeus hatte zu
verstehen gegeben, daß er es, so viel an ihm, secundiren wolte, wenn man nur von
einem Chur-Sächsischen Collegio ein responsum pro matrimonio würde erhalten
können. Hier stacke man nun zwischen Thür und Angel. Die Leipzigische und
Wittenbergische Theologische Facultäten waren wegen vieler Ursachen verdächtig;
die Consistoria in Sachsen hatten sich billich für dem Herrn D. Geyern als einem
ehrlichen und rechtschaffenen Theologo, auch Ober-Hof-Prediger und Kirchen-Rath
zu scheuen und zu fürchten: aber es fügte sich eben, daß zur selbigen Zeit ein
aus dem Brandenburgischen wegen seines unzeitigen Eyffers wieder die Reformirten
dimittirter Prediger in Leipzig sein Glück gefunden hatte, und Pastor auch
Assessor im Consistorio worden war. Dieser hatte, wie noch vielen bekannt, nicht
allein einen Superintendenten (zu welchem Glück er auch bald gelangte) sondern
auch einen Ober-Hoff-Prediger, ja gar einen Lutherischen Pabst im Leibe, und
weil ihm der Herr Bartholomäi grosse Dienste leisten konte, die Juristen aber,
die im Consistorio mit sassen, entweder öffters wegen anderer Aemter abwesend
waren, oder doch sonsten nach damahligen Gebrauch auf Universitäten vom Jure
Ecclesiastico gar nichts gehöret hatten und also gemeiniglich der Theologischen
Assessorum ihre Jaherren waren; als versprach er denen bey dieser
Capaunen-Heyrath interessirten, ein responsum aus dem Consistorio zu L. und
dieses ist also die Haupt-Ursache, warumb das erste responsum in dieser Sache
nicht von einer Theol. oder Jurist. Facultät, sondern gantz ungewöhnlich von
einem Consistorio & quidem inferiore eingehohlet worde̅.
Es wurde auch diese Cautel dabey gebraucht, daß ein gantz andrer casus mit
eingemischte̅ vielen Umständen fingiret und eingeschickt
wurde, durch welche die, denen das arcanum nicht bewust war, desto ehe verleitet
werden kunten, das durch dieses responsum erfolgte nothwendige scandalum nicht
so einzusehen; zumahlen, da bereits in der Urtheils-Frage zugleich viel rationes
|| [258]
und allegata für den Quaerenten
mit eingeruckt waren. Zu geschweigen daß diejenigen, so bey dieser affaire die
correspondenz trieben, Leute von grossen Gaben waren, und auch diejenigen, die
die Fragen und species facti aufsetzten, das essentielleste Stück von einer
kräfftigen Supplic, (nemlich ein angenehmes und manierliches datum) nie
vergassen. Da aber nun diese unvergleichliche Heyrath einmahl auf
Churfürstlichen Befehl durch priesterliche Trauung vollzogen war, und das
Ober-Consistorium hernach die Nichtigkeit dieses Vornehmens und dadurch
gegebenen Aergerniß augenscheinlich demonstrirte, auch unterschiedene
Theologische Facultäten mit dieser Meynung einstimmeten; war es dem unerachtet
nunmehr so schwer nicht, etliche, wiewohl doch wenige responsa anderer
Theologischen Facultäten zu erhalten, denen die guten Gaben der Quaerenten noch
kräfftiger in die Augen schienen, weil noch andre plausible Neben-Ursachen
denenselben zustatten kamen, 1. daß sie nicht die ersten waren, die solch
hundstägiges Zeug defendirten, sondern daß sie die berühmten und vortreflichen,
auch zum Theil wegen des Eyffers wieder die Reformirte für halbe Märtyrer zu
haltende Männer dißfalls zu Vorgängern hätten; 2. die autoritas principis und
die durch andre versprochene Erhaltung dessen Gnade, da sich der Hr.Eunuchus
beflisse, Seiner Churfürstlichen Durchlauchtigkeit beyzubringen, es wäre Seiner
Churfürstlichen Durchlauchtigkeit schimpflich, wenn das auf ihren (quamvis
dolosissime & maxime subreptitie herausgebrachten) Befehl getraute Paar
um des eigensinnigen Trotzkopffs des Doctor Geyers willen wiederum solte
geschieden, oder ihre Ehe vel quasi getrennet werden. 3. Hierzu kamen noch die
vielfältigen Recommendations-Schreiben derer bey dem ersten
Consistorial-Reseript interessirten Personen, die sich aber doch hoc non
obstante nach denen bekannten regulis Jesuiticis hierbey mere passive
aufführten. 4. So ware auch darinnen ein grosser Vortheil vor die responsa von
dieser letzten Classe, weil sie nicht rathen dorfften, daß dieser concubitus
erst solte zugelassen werden, sondern da er schon zugelassen war, daß er nicht
solte wieder annulliret oder zertrennet werden. Denn hierzu gabe ihnen nicht
geringen praetext, daß auf unsern Academien bißher eine ja so grobe Brocke des
Unverstands ware defendirt worden, daß nemlich die von GOtt denen Israeliten
verbotene Ehen durchaus von der weltlichen Obrigkeit nicht könten zugelassen
werden, wenn aber die praetendirte Blutschänder sich auch ohne und wieder der
Obrigkeit Willen hätten (auch wohl von einem Catholischen oder auch, propter
characterem indelebilem, von einem abgesetzten Priester) trauen lassen, daß
alsdenn die
|| [259]
weltl. Obrigkeit nicht
allein die blutschänderische Ehe zulassen könte, sondern auch solches zu thun
schuldig wäre. Warum? darum, damit der heili-Ehestand u. die Priester-Trauung
nicht verunehret und vernichtet würden. Denn aus dieser saubern, aber gleichwohl
von vielen eyfrig-Lutherischen Theologis vertheydigten hypothesi bekamen die
neuen Herren Respondentes ein vortrefliches argument, welches die Gelehrte̅ a minori ad majus betitteln. Gehet dieses in der Blutschande u.
wieder der Obrigkeit Willen geschehenen Trauung an, vielmehr wird es bey einem
Capaunen angehen, der keine Blutschande begangen, u. sich auf Befehl der hohen
Landes-Obrigkeit hatte trauen lassen. Dieses waren wohl die vornehmsten
Ursachen, warum damahls diese Capaunen-Ehe war vertheydiget und beybehalten
worden. Es hat zwar auch nachhero der berühmte JCtus Hr. Hoff-Rath Brückner in
seinen Decisionibus matrimonialibus selbige vertheydiget, aber es mochte wohl
denselben keine von diesen ietztgemeldeten Ursachen darzu bewogen haben, sondern
vielmehr, daß er in diesem seinen gantzen Buche kein deutlich Fundament gesetzt,
noch wegen der allgemeinen Verwirrung setzen können, woraus die Ehesachen zu
decidiren wären, ob er schon, so viel diesen Punct betrifft, seine rationes
decidendi mehrentheils dem bey dem Hieronymo Delphino befindlichen Bedencken,
das die Theologische Facultät zu Königsberg gegeben hatte, abgeborget.
§. II. Ob nun wohl anietzo ihrer viel erkennen, daß alle Verwirrungen(Wahre Ursachen der noch taurenden Verwirrungen in Ehe.
Sachen. Lutherus will das Jus Canonicum abgeschafft
wissen / dem aber die Juriste̅ beständig
wiedersprechen.) in Ehe Sachen hauptsächlich dem Päpstischen Recht
zuzuschreiben seyn, so ist doch noch wenigen umständlich bekannt, was denn die
wahre Ursache sey, daß die Juristen so viel Jahre nach der Reformation entweder
dieses nicht begreiffen können, oder wenn sie es auch begriffen, warum diesem
Ubel nicht mögen abgeholffen werden. Meine Gedancken hiervon sind kürtzlich
diese: Es ist aus der Kirchen-Historie bekannt, daß schon D. Luther anno 1518.
und im folgenden Jahre angefangen zu erkennen, daß das Jus Canonicum im Grunde
nichts tauge, und dannenhero gerathen, daß solches abgeschafft, oder doch nur in
subsidium beybehalten, hingegen aber die alten teutschen Rechte wieder
eingeführet werden möchten. Und als diese Ermahnung nicht Gehör finden wolte,
unterfieng er sich, nach seiner etwas hitzigen Art selbst das Jus Canonicum Anno
1520. publice & solenniter zu verbrennen. Alleine es wiedersetzten sich
diesem seinen Vorhaben zwey damahls sehr berühmte Wittenbergische JCti,
Henningus a Goeden und Hieronymus Schurffius, ob sie wohl sonst, sonderlich aber
der letzte, Lutheri gute Freunde waren, welches denn den guten Lutherum nicht
wenig schmertzte; auch so gar verdrießlich machte,
|| [260]
daß er endlich kurtz vor seinem
Tode gar von Wittenberg weggienge, und kaum durch des Churfürsten bewegliches
Schreiben bewogen werden kunte, wieder dahin sich zu begeben. Die Umstände
dieses Verdrusses bestehen darinnen. Anno 1544. ließ der Churfürst ein rescript
an D. Pomeranum, Pontanum und Melanchthonem ergehen, dessen Inhalt war, daß die
Juristen sich über Lutherum beschwehret hätten, wie er ihnen gedrohet, daß er
ein eigen Buch wieder sie schreiben und sie refutiren wolte, weßhalb der
Churfürst jenen befahl, daß sie denen Juristen sagen solten, daß, wenn sie was
wieder GOttes Wort und die Augspurgische Confession gelehret hätten / sie davon
abstehen solten, wegen der streitigen und zweiffelhafften Fälle aber, sonderlich
in Ehe-Sachen, solten die Juristen und Theologi freundlich mit einander
conferiren, und ohne Nachtheil der Christlichen durch Lutherum vorgetragenen
Lehre sich mit einander, mit Beyseitsetzung der Päpstischen Rechte vergleichen:
daferne sie aber sich nicht vergleichen könten, solte man in diesen streitigen
Händeln nach der Theologorum u. der Juristen, die es mit ihnen hielten, Meynung
sprechen: Andern Theils solten sie auch Luthero andeuten, daß er von seinem
Vorhaben abstünde, wieder die Juristen zu schreiben. Kurtz nach diesem Befehl
schriebe Lutherus weitläufftig an den Churfürsten, und beklagte sich, daß die
heimlichen Verlöbnüsse einrissen, und daß, wenn darauf solte gesprochen werden,
dadurch ein grosser Schade entstehen dürffe, indem viel junge Leute zu
Wittenberg wären, und daß die Mägdgen so unverschämt würden, und sich zu ihnen
von freyen Stücken auf ihre Stuben begäben, und ihnen ihre Liebe anböthen.
Weßhalb die Rede gienge, daß viele Eltern willens wären, ihre Söhne von der
Universität abzufordern, aus Furcht, daß man sie nicht zu denen Heyrathen
zwänge. Er hätte zwar gemeinet, daß durch ein Churfürstlich rescript wäre
verbothen worden, solche Verlöbnüsse zu approbiren, aber es wäre vor weniger
Zeit im Consistorio auf ein solch heimlich Verlöbnüß eines jungen Studiosi
gesprochen, und dieser zu dessen Vollziehung angehalten worden: worüber er sehr
erschrocken und bewogen worden, am nächsten Sonntage in der Predigt ernstliche
Erinnerung zu thun, daß man auf der Heerstrasse bleiben, und denen Eltern ihr
Recht ihre Kinder zu verloben, nicht nehmen, sondern dergleichen heimliche
Verlöbnüsse verwerffen solte, als welche nichts, als gottlose Wercke des
Papstthums, die von dem Teuffel herrühreten, wären. Es würde auch die
Vertheydigung dergleichen Verlöbnüsse traurige Suiten nach sich ziehen, indem
ohnlängst es nicht viel gefehlet hätte, daß nicht auch Melanchthonis sein Sohn
mit grossem Verdruß und Be
|| [261]
trübnüß
seiner Eltern auf eine solche Art wäre gefangen worden, dergleichen Exempel
führete er noch mehr an, und berichtete, mit was fur Worten er in der Predigt
wieder solche heimliche Verlöbnüsse geeyffert, und selbige gleichsam in die
unterste Hölle relegiret hätte. Er bate dannenhero den Churfürsten um GOttes und
der Seelen Seeligkeit willen, er möchte doch noch vor seiner Abreise auf den
Reichs-Tag das Urtheil des Consistorii, von welchem nach Hoffe wäre appelliret
worden, wieder umstossen, und durch ein Rescript, diese gottlose Antichristische
Erfindung aus denen Kirchen seiner Lande ausjagen. Er verwarff auch die von
denen Juristen approbirte exception oder limitation, daß die Verlöbnüsse als
denn bündig wären, wenn sie mit dem Beding, so die Eltern darein consentiren
würden, geschähen; denn es blieben doch auch in diesem Fall heimliche
Verlöbnüsse, und würden hernach die Eltern durch allerhand Beredungen bedränget
und überredet, wie dann der junge Studiosus, so appelliret, sich beklaget hätte,
daß man seine Worte verdrehet, und ein Versprechen daraus machen wollen. Da nun
dieses bey Lutheri Leben so zugegangen, kan man sich leicht einbilden, daß es
nach seinem Todte nicht besser worden; wie denn der Herr Geh. Rath Böhmer in
seinem Jure Ecclesiastico Protestantium über den andern Titul des ersten Buchs
§. 58. biß 69. pag. 121. biß 135. weilläufftiger ausgeführet, und deutlich
gewiesen, daß nicht alleine die übrigen und folgenden Juristen zu Wittenberg
Melchior Klinge, Johannes Schneidewein, Matthaeus Wesenbecius, Joachimus von
Beust, Eberhardusa Weyhe, Johannes Zanger, sondern auch die Juristen auf andern
Universitäten, als zu Jena, Rostock, Leipzig, Giessen, Marburg, Tübingen,
Grypswalde und Altdorff in dem 16den Seculo das Jus Canonicum vertheydiget, und
sonderlich in Ehesachen als eine Richtschnur beybehalten hätten.
§. III. Man muß aber dem unerachtet nicht flugs zu plumpen,(Gegründete Entschuldigungen der Juristen) und die
Juristen, so solches gethan und Luthero sich wiedersetzt, stracks als gottlose
Leute verdammen, sondern bemühet seyn, nachzudencken, was sie für Ursachen etwa
für sich anführen können. Dieses war nun wohl die fürnehmste drunter; Sie waren
nach ihren Universitäts-Ordnungen auf das Jus Civile & Canonicum
gewiesen; und zwar war die öberste profession in der Juristen Facultät, wie noch
heut zu Tage, professio decretalium. In Ehe. Sachen hatte man bißhero allezeit
das Jus Canonicum dem Juri Civili vorgezogen; kein einiger Churfürst hatte nach
der Reformation das gantze Seculum durch das Jus Canonicum abgeschafft und ihnen
in Ehe-Sachen eine andere norm vorgeschrieben:
|| [262]
Das Recht der natürlichen gesunden
Vernunfft stacke zu selbigen Zeiten unter der Banck, und die Canonisten wusten
ihre Tendeleyen in Ehesachen aus der Heiligen Schrifft, und zwar nach der
Auslegung der ersten so genannten Kirch-Väter zu bemänteln. Ja, was das
vornehmste war, die ihnen wiedersprechende und es mit Luthero haltende Theologi
klebten an den heiligen Vätern, und sonderlich an dem Augustino, noch wie eine
Klette am Kleide; und obschon zum öfftern auch die Theologi oder gantze
Theologische Facultäten in Ehe-Sachen zu rathe gezogen wurden, so mangelte es
doch auch diesen, als denen das Recht der Natur und eine ächte Morale damahls
eben so unbekannt, als denen Juristen war, an einem gewissen und deutlichem
Grunde, nach welchen sie sich in decidirung der Ehe-Sachen gerichtet hätten. Die
meisten, so das Päpstliche Recht verwurffen, bezogen sich auf die heilige
Schrifft, auf die Israelitischen Gesetze in Ehe-Sachen, auf des HErrn CHristi
Lehren, sonderlich, da er die ihn in der Lehre von der Ehe-Scheidung fangen
wollenden Pharisaeer ablauffen liesse: Aber sie wusten nicht gründlich zu
unterscheiden, was in dem Israelitischen Gesetze aus dem natürlichen Recht
wiederholet worden, und was als absonderlich auf den Nutzen der Jüdischen
Republique sehend, die Israeliten allein angienge; sie verstunden auch die
Jüdischen Antiquitäten wenig oder gar nicht. Ja wie das Päpstische Recht seinen
Sauerteig mit den dictis der Kirch-Väter bemäntelte, so sahen auch die
Evangelischen Theologi in Ehe-Sachen mehr auf die autorität derselben, als auf
vernünfftige und gegründete rationes; Sie schwatzten zwar auch viel von dem
natürlichen Recht, aber worinnen dieses natürliche Recht bestünde, war niemand
da, der solches lehrete; ja die / so am meisten davon schwatzten, hatten das
Recht der Natur selbst nicht gelernet, vielweniger aus ihrem eigenen ingenio es
in gewisse Lehr-Sätze gebracht, sondern ein jeder urtheilte hiervon nach seinem
Gutdüncken, und verfielen gar öffters in grosse Vorurtheile, sowohl menschlicher
autorität, wenn sie sich nehmlich hinter die dicta Augustini, Hieronymi u s. w.
(die auch, wie bekannt, entweder einander gar offt wiedersprachen, oder auch
öffters ihre eigene Meynungen änderten, u. also gar leicht sowohl von denen
Canonisten, als denen ihnen wiedersprechenden Theologis konten allegiret werden)
versteckten, als in das Vorurtheil der Ubereilung, wenn sie sich ihre affecten
der Liebe, Hasses, Rechthaberey, u. s. w. allzusehr einnehmen liessen / wie dann
der gute Lutherus als ein Mensch davon nicht befreyet war, sondern bey allen dem
Streit mit den Juristen über das Jus Canonicum, sonderlich bey Verbrennung
desselben, viel
|| [263]
menschliche
Schwachheiten mit unterlieffen; obschon seine intention wegen intentirder
Abschaffung desselben höchst-rühmlich und löblich war. Nun waren auch die
Juristen nicht zu verdencken, wenn sie die Abschaffung deßwegen hinderten, weil
die Theologi, als selbst unter sich nicht einig, an statt des Päpstischen Rechts
kein anders und richtigers Recht ihnen anzugeben wußten; ja vermuthlich auch
deßwegen, weil die Juristen als erfahrne kluge Leute leicht begriffen, daß wenn
denen Theologis singulis, oder auch wohl denen Theologischen Facultäten, einmahl
eingeräumet würde, die Juristischen Facultäten in einen punct zu meistern, sie
hernach gantz natürlich & bona fide, (auch unter der persuasion, daß sie
sich dabey mere passive verhielten, und wahrhafftig intendirten, was gutes zu
stifften) dahin verfallen würden, wieder das Verboth CHristi über alle
Facultäten zu herrschen, und solchergestalt nicht allein die Juristen, sondern
auch die Fürsten selbst viel schlimmer, als im Papstthum, daran seyn würden.
§. IV. Dieweil aber doch bey solchen Umständen es nothwendig(Sarcerii u. Klingii schon anno 1553 publicirte
Schrifften von Ehe-Sachen. Jalousie dieser beyden Autorum gegen einander / und Urtheil von beyden.) geschehen
mußte, daß jede von beyden Partheyen ihre Anhänger hatten; als geschahe es auch
hier, das nehmlich die Theologi gar öffters in Ehe-Sachen consuliret wurden, und
responsa gaben, dergleichen responsa nicht lange nach Lutheri Todte ein
beruhmter Lutherischer Theologus und damahliger Pastor zu Leipzig Erasmus
Sarcerius Anno 1553. in folio unter dem Titul eines Berichts vom heiligen
Ehestande ediret, da er denn in der Vorrede etlichemahl gestehet, daß in
Ehe-Sachen täglich viel dunckele und verwirrete Händel vorgiengen, und daß man
in Ehe-Sachen nicht wieder das natürliche noch göttliche Recht sprechen solle.
Er bekennet auch, daß die Ehe-Sachen billig für die weltliche Obrigkeit und
Juristen gehörten; alleine daß man doch auch die Theologos darzuziehen könne um
der Gewissen willen. Dieses Ehe-Buch bestehet in 4 Theilen. In den ersten hat
er, seinem eigenen Bericht nach, viel schöner und doch kurtzer Schrifften
zusammen gelesen, und zum Theil auch selbst gemacht, vom Lob, Ehre und Preiß des
Ehestandes. Item, von wem, wo, wenn und wie der Ehestand eingesetzet, und was er
sey. In dem andern, wie es eine Gelegenheit habe mit der Blutfreundschafft und
Schwägerschafft, oder mit den Graden, damit man Bericht haben möge von denen
Personen die einander mit Recht ehelichen oder nicht ehelichen können. In dem
dritten, von allen Dingen und Umständen, so da gehören zu Anfahung und zu
Vollziehung des Ehestandes, item wie man im Ehestande sich halten solle und
darinnen ein eheliches und Christliches
|| [264]
Leben führen. In dem vierdten, von der Ehescheidung, aus nöthigen,
wichtigen und redlichen Ursachen. Item von allen Umständen und Ursachen der
Ehescheidung, aus natürlichen, Göttlichen, Käyserlichen und Päpstischen Rechten.
Uber das hat er auch zu diesem Theil etliche Fälle in Ehe-Sachen hinzugethan,
samt etlicher Gelehrten Rathschläge drüber. Er gestehet ferner, daß die
Schrifften und Rathschläge in diesem Ehebuche nicht einerley Gattung wären,
indem auch zwischen denen Theologis, so selbige geschrieben, ein grosser
Unterschied wäre / darum hätte es einer etwa recht getroffen, der andere nicht:
Man müsse auch unterschiedlich reden von den Ehen, eher sie vollzogen würden,
und wann sie bereits vollzogen wären, (siehe allerdings, was allbereit oben p.
258. von dieser albernen distinction erwehnet worden, §. 1. prope finem) damit
dene̅ armen Gewissen möge geholffen werden, die etwa aus
Unverstand, oder durch Nachlassung oder dispensation des Papsts wieder das Recht
ihre Ehen angefangen hätten. Denn wenn ein Ding geschehen wäre, müste man das
beste darzu reden Derowegen müste man die Consilia, die nach vollzogener Ehe den
armen Gewissen zu helffen, gesprochen wären, bey Leibe nicht mißbrauchen zu
Vertheydigung dergleichen Ehen wenn sie noch nicht geschlossen wären. In eben
diesem 1553. Jahre ließ gleichfalls D. Melchior Klinge einen Tractatum
Methodicum causarum matrimonialium zu Franckfurt drücken, in welchen er sich
hauptsächlich bemühete die Ehefälle nach den Canonischen Rechten zu decidiren,
auch in der Vorrede sich bemühte, diese hypothesin contra dissentientes und die
sich immer auf das Mosaische Gesetz bezogen (iedoch bescheiden) zu verantworten.
Er führet auch vielfältig den dissensum Theologorum in dieser Schrifft an und
decidiret in dergleichen Fällen entweder gar nicht oder doch sehr selten,
sondern entschuldiget sich gemeiniglich, daß ihm nicht zustehe, die Sache zu
decidiren. Ob nun diese beyde Schrifften, die zu gleicher Zeit heraus kommen,
aus aemulation entweder beyder Partheyen, oder doch beyder Autorum gedruckt
worden, und wer hierzu den Anfang gemacht, kan ich eben nicht sagen. Jedoch
scheinets, daß weil Klinge im Latein, Sarcerius aber Teutsch geschrieben hatte,
und über dieses Klingens Buch kaum 14. oder 16. Bogen austrug, da hingegen
Sarcerii seines in etlichen Alphabeten bestunde, daß Sarcerii Werck (zumahl da
er viel freyer, jedoch auch gar bescheiden, sich aufführete, wenn er von denen
Juristen dissentirte) bey vielen, die nicht Juristen waren, noch studiret
hatten, und also auch bey vielen an den Höffen, grössern applausum funde, als
Klingens sein Werckgen. Zum wenigsten ist nunmehr dieses bekannt / daß zwischen
diesen bey
|| [265]
den Autoribus eine
ziemliche Jalousie entstanden, und Klinge von Sarcerii Buch verächtlich geredet,
auch ihm hernach schrifftlich unterschiedene objectiones sonderlich wieder den
Punct von der Ehescheidung gemacht, wie solches aus Klingii Epistel ad Sarcerium
de anno 1554. zu sehen, die der Herr Hoffrath Brückner in seinen decisionibus
matrimonialibus parte II. p. 17. seq. hat beydrucken lassen. Anno 1556. hat
Sarcerius sein Ehebuch wieder von neuen ediret, unterschiedene additiones darzu
gemacht, auch Klingii Meynung aus dessen gedruckten Buche beydrucken lassen, und
hier und da, jedoch ohne Benennung einiger Actorum, auch ohne deutlich
beygefügte Anzeigung seines Vorhabens seine vorige Meynung vertheidiget,
erklähret, geändert etc. und zu Ende derselben eine kurtze Schutz-Rede mit
beygefüget, die zwar auch niemand benennet, aber nach Erzehlung ietzterwehnter
Umstände wahrscheinlich auf D. Klingen zielet. Von D. Klingens causis
matrimonialibus habe ich nicht viel Auflagen gesehen. Aber des Sarcerii sein
Buch ist nach seinen Tode Anno 1569. zum drittenmahl unter dem Titul: Corpus
Juris matrimonialis auffgeleget, und von neuen augirt worden. Ja Herr Hoffrath
Brückner, der kurtze Noten über Klingens Brieff hinzugesetzt, sagt p. 20. lit.
y. daß nach seinen Urtheil Sarcerius als ein Theologus nach seiner Art, in der
Lehre von Ehe-Sachen sich besser aufgeführt, als der Juriste Klinge nach
Juristischer Art. Nach meiner Meynung sind beyde Bücher nicht besser zu
brauchen, als daß man aus beyden den schon damahligen verwirrten Zustand der
Ehe-Sachen, so wohl auf Seiten der Theologen, als Juristen, daraus erkenne: Noch
mehr aber aus Klingio, als welcher deutlich heraussaget, worinnen damahls die
Theologi von den Juristen oder Jure Canonico abgegangen; welches Sarcerius nicht
meldet, auch mehrentheils, sonderlich in der ersten edition nur der Theologorum
unterschiedene Meynungen berühret. Ja ie neuer des Sarcerii editiones sind, ie
confuser machen sie auch den Leser, und kan man sie also nicht weiter brauchen,
als vor locos communes von denen damahligen Meynungen in Ehesachen.
(Daß die Ehe kein Sacrament sey, haben die Lutheraner erst
nach und nach erkannt.)
§. V. Ferner wird noch eine tieffere Einsicht in die Ursachen dieser so lange
daurenden Verwirrung geben, wenn ich hier anführe, was ich in not. ad Lancel. p.
780. seq. gemeldet. Es ist bekan̅t, daß nach der Canoniste̅ Meynung die Ehe ein Sacrament seyn soll. Was die Evangelischen
Theologos betrifft, ist wohl kein Zweiffel, daß selbige nach und nach diesen
Irrthum erkannt, und dennoch noch ietzo nicht völlig abgelegt. Denn in der
Augspurgischen Confession im 13. Artic stehet gar nichts von der Frage: Wie viel
Sacramenta wären. Nachdem aber die Catholische Parthey
|| [266]
erinnert, es möchten die
Augspurgischen Confessions-Verwandten sich doch auch deutlich erklähren, wie
viel sie glaubeten, Sacramenta zu seyn, u. welche sie davor hielten oder nicht,
hat zwar die Apologie der Augspurgischen Confession bey Abhandlung dieser Frage
sich vieler Worte bedienet, aber dadurch ihre eigentliche Meynung mehr
verdunckelt als deutlich gemacht, (vermuthlich deßwegen, weil in der heiligen
Schrifft das Wort Sacrament gar nicht zu finden, das Wort Geheimnüß, (oder
mysterium) aber nicht nach dem damahligen Verstand ein Zeichen einer heiligen
Sache, sondern vielmehr eine heilige, geheime und verborgene Sache selbst
bedeutet, wie Lutherus selbst gestanden.) So viel ist gewiß, daß die Apologie
drey eigentlich so genannten Sacramenta bejahet; die Tauffe, das Abendmahl, und
die Absolution oder Beichte: die Firmung und letzte Oehlung hält sie nicht für
wahre Sacramente, sondern werwirfft sie. Das Sacrament des geistlichen Ordens
und der Ehe vermeinet sie zwar Sacramente zu seyn, aber in einer andern
Bedeutung; iedoch wäre so dann die Ehe nicht nur für ein Sacrament des Neuen
Testaments zu halten, sondern wäre schon im Alten Testament ein Sacrament in
diesen weitläufftigen Verstande gewesen. Lutherus selbst (Euther hat sie vor kein Sacrament gehalten.) hat in
beyden von ihm heraus gegeben Catechismis nur zwey Sacramenta erkennet, die
Tauffe und das Nachtmahl, ob er schon in den kleinen Catechismo einen kleinen
Unterricht von der Beichte und Absolution beygefüget. So viel aber die Ehe
betrifft, hat er in dem kleinen Catechismo dieselbe mit deutlichen Worten ein
weltlich Geschäffte genennet, jedoch auch zugleich bald darauf gemeldet, daß der
Ehestand ein göttliches Werck und Geboth sey. Ja es ist noch zu meiner Zeit ein
sehr berühmter Juriste (S. S.) gewesen, der behaupten wollen, Lutherus hätte
noch zu Ende des Traubüchleins die Ehe ein Sacrament genennet, und gemeynet, daß
sich unsere Geistlichen wiedersprächen, wenn sie in Schrifften und auf denen
Cantzeln lehreten, daß nur zwey Sacramente wären und doch bey denen Trauungen
die Ehe ein Sacrament nenneten Ader darauf ist leicht zu antworten, denn
Lutherus sagt nicht mehr, als daß GOtt in dem Ehestand das Sacrament (Geheimnüß)
Christi und der Kirche seiner Braut abgebilder, nnd also ist es offenbahr, daß
Lutherus nicht den Ehestand selbst als das Zeichen dieses Geheimnüsses, sondern
vielmehr die bezeichnete (Philippus
Melanchthon redet zweiffelhafftig.) Sache ein Sacrament
genennet. Philippus Melanchthon hat gelehret, daß wenn überhaupt ein jedwedes
Werck, das GOtt geboten und eine Verheissung bey gefüget hätte, ein Sacrament
solte genennet werden, alsdann auch das Gebet, die Gedult in Creutz und
Trübsahlen, das All
|| [267]
mosen, die
Vergebung der Beschimpffungen, und gleichfalls auch der Ehestand Sacramenta
wären, zumahl da der Ehestand noch über dieses die Liebe Christi gegen seine
Braut die Kirche abbildete. Wenn man aber durch die Sacramenta diejenigen
Ceremonien verstünde, die mit dem Predigten Christi wären eingesetzt worden, so
wären alsdenn die Tauffe, das Abendmahl und die Absolution Sacramente, ja auch
die Ordinirung zum Kirchen-Dienste; aber keinesweges die Firmung und letzte
Oehlung.(Chemnitius sagt
frey heraus, daß die Ehe kein Sacrament sey.) Hingegen hat Martinus
Chemnitius in seinen locis Theologicis, in welchen er sich vorgenommen, die
locos communes Philippi zu erklähren, gesetzt, es sey offenbahr, daß nur zwey
eigentlich so genannte Sacramenta wären, die Tauffe und das Abendmahl; er hat
aber dabey die Autores der Apologie entschuldiget, daß sie auch die Absolution
dazu gerechnet. In Examine des Tridentinischen Concilii vertheydiget er diese
seine Meynung noch weitläufftiger, und weiset zugleich, daß die Ehe kein
Sacrament sey, und von der Zeit an ist so wohl von den Reformirten als
Lutherischen Theologis diese Lehre beständig fortgesetzet worden. Denn obwohl
die Apologie der Augspurgischen Confession lehret, daß sie der Ehe die Benennung
des Sacraments nicht benehmen wolle, weil doch selbige eine heilige, von GOtt
eingesetzte Lebens-Art wäre, so hat sich dennoch Chemnitius nicht gescheuet
anzumercke̅, daß auf solche Weise mehr als sieben Sacramenta
seyn würden. Denn es hätten auch die übrigen frommen Lebens-Arten den Befehl und
die Verheissung GOttes für sich. Wer wolte aber, fähret er fort, deßwegen
behaupten, daß auch der Ackerbau und Viehzucht Sacramenta wären, zugeschweigen
daß auch die Ehe nicht erst im Neuen Tastament eingesetzt worden; auch Christus
selbst sich in seiner Lehre von der Ehe ausdrücklich auf die erste Einsetzung
des Ehestandes beziehet. Wenn aber die Ehe deßwegen, weil sie ein Geheimnüß ist,
unter die Sacramenta der Kirchen gezehlet werden müsten, so müste auch alles
dasjenige unter die Zahl der Sacramente gerechnet werden, worunter der Heilige
Geist ein Gleichnüß und Bild Christi und seiner Kirche vorstellet. Wie offte
kömmt doch in der Schrifft das Bild eines Hirten und der Schaffe für, und wie
angenehm ist doch dessen application auf Christum und die Kirche. Soll man aber
deßhalbe̅ die Viehzucht, die zwar eine heilige und unschuldige
Lebens-Art ist, für ein Sacrament des neuen Testaments ausgeben, wie die Tauffe
und das Abendmahl? Es giebt Chemnitius auch noch ein ander Exempel von dem Reich
Davids, daß es ein Vorbild des Geistlichen Reichs Christi gewesen, und doch von
niemand unter die Sacramenta wäre gezehlet worden. Ja er mercket auch
|| [268]
an, daß allbereit unter denen
Scholasticis Durandusgeläugnet hätte, daß die Ehe ein eigentlich so genanntes
Sacrament wäre.
(Jedoch sind noch viel Lehren bey uns im Schwange / die aus
dem Sacrament der Ehe herfiiessen.)
§. VI. Alleine es ist nicht genug, daß die unsrigen läugnen, daß die Ehe ein
Sacrament sey, sondern es ist auch von nöthen, daß die Lehren, welche die
Catholischen aus dem Grundsatze, daß die Ehe ein Sacrament wäre, herleiten,
gleichfalls verworffen würden, wenn anders die Lehre der unsrigen wohl zusammen
hengen soll. Daß aber dieses bishero noch nicht geschehen, ist aus der täglichen
Erfahrung offenbahr, indem gar sehr viel Exempel derer in denen Consistoriis der
Protestirenden gesprochenen Urtheil dergleichen conclusiones vielmehr
bekräfftigen. Es hat der seelige Herr Johann Samuel Strycke eine disputation von
denen Reliquien des Sacraments in Ehe-Sachen gehalten, in welcher er durch gar
viele Exempel beweiset, daß wir noch heute viel solche Reliquien behalten haben,
iedoch hat er nicht alle Reliquien berühret, deßwegen ich mir vorgenommen, in
denen notis ad Lancelottum bey Gelegenheit hin und wiede̅r noch
andere dergleichen conclusiones anzumercken, die aus der (Die man zwar verwerffen aber deßhalben nicht sofort die
Gebräuche abschaffen muß.) Lehre, daß die Ehe ein Sacrament sey,
herfliessen. Indem ich aber erinnert, daß man dergleichen Lehren verwerffen
müsse, gehet mein Zweck gantz nicht dahin, daß man auch alle aus solchen Lehren
eingeführte Gebräuche abschaffen solle. Man kan ja viel Dinge behalten, ja man
ist auch schuldig solches zu thun, wenn es der Nutzen des gemeinen Wesens
erfordert, wenn es solche Dinge sind, die an sich weder böse noch gut sind, ob
man schon eine geraume Zeit dafür gehalten, als wenn sie durch ein allgemeines
Göttliches Gesetz wären gebothen worden. Also ist die Bischöffliche Gewalt zwar
nicht von GOtt schlechterdings in allen bürgerlichen Gesellschafften, auch nicht
in allen Christlichen Republicken eingeführet worden, und nichts destoweniger
ist es nicht nöthig, daß man die Bischöffe abschaffen müsse. Eben dieses ist
auch von der Priester-Trauung bey denen Ehen zu melden.
(Handgreifliche Grund-Wahrheiten von der Ehe.)
§. VII. Damit ich aber auch einen kleinen Vorschmack gebe, wie man ohne
sonderbahre Mühe sich aus denen bißherigen Verwirrungen in Ehesachen auswickeln
könne, will ich zuförderst etliche handgreifliche Warheiten von der Ehe zum
voraus setzen. Die Ehe ist unstreitig ein allgemeines menschliches Geschäffte,
welches so wohl bey Heyden als Christen anzutreffen, und ist dannenhero so wohl
nach denen politischen als Moral-Regeln der gesunden Vernunfft einzurichten.
(Die Canonisten gestehen Ja selbst, daß zwischen denen Ungläubigen eine wahre
und rechtmäßige Ehe sey, alleine sie wäre nur kein Sacrament,) daraus folget
nun, daß die wesentliche
|| [269]
Stücke des
Ehestandes gar füglich aus der gesunden Vernunfft und aus der Lehre des Rechts
der Natur erkennet werden mögen. Hiernächst gehöret zu dem Amt der weltlichen
Obrigkeit, daß sie zu dem Nutzen des gemeinen Wesens die Kennzeichen und
requisita rechtmäßiger Ehen, und die Verhinderungen derselbigen durch ihre
Gesetze bestimme und determinire. Ob nun wohl die Gebräuche der Völcker in
Ehesachen sehr unterschieden und zuweilen einander zuwieder sind, so ist doch
die gesunde Vernunfft schon zureichend zu urtheilen, welche von diesen
Gebräuchen löblicher oder unvollkommener sind, oder aus Furcht eines grössern
Ubels können entschuldiget werden. Denn, obschon die Jüdische Republick, als von
GOtt eingerichtet, die allervollkommenste ist, so zeigen doch die bißherige
Gründe, daß GOtt bey den Jüden in Ehesachen etliche Dinge ein grösseres Ubel
dadurch zu vermeiden, zugelassen habe. Und da hernach die Pharisäer(Verderbnüs derselben durch die Pharisäer) das
Göttliche Gesetz durch viel falsche Auslegungen verfälschet hatten, und unter
diesen Verfälschungen auch etliche waren, die die Ehesachen angiengen, hat der
liebe Heyland dieselben nach denen vernünfftigen Reguln einer rechtmäßigen
Auslegung entdecket, und sich dabey nicht als einen Gesetzgeber, sondern als
einen Lehrer und geschickten Ausleger des Mosaischen Gesetzes aufgeführet,
geschweige denn, daß man ihn deßhalben für einen neuen Gesetzgeber ansehen
solte. Allein die sogenannten Kirchväter, die nach dem(Durch die lieben Kirchväter.) Zustand der damahligen Zeiten weder
eine rechte Lehre von der Auslgung gelernet hatten, noch mit der Wissenschafft
der Römischen und Jüdischen Antiqvitäten versehen waren, am allerwenigsten aber
wusten, worinnen die Grund-Lehren einer vernünfftigen Morale und Politic
bestünden, haben die Ehefragen gröstentheils dergestalt beantwortet, daß ihre
Auslegungen der H. Schrifft, der gesunden Vernunfft und denen Regeln einer guten
Auslegung offenbahr zuwieder seyn. Dieweil sie aber Leute von grosser Autorität
waren, und eine gute intention hatten, als haben ihre Irrthümer bey vielen
Völckern Gehör gefunden und sind auf die Nachkommen fortgepflantzet worden. Eben
diese Kirchväter haben das der heiligen(Die auch
Gelegenheit gegeben / daß die Ehe zum Sacrament gemacht worden.)
Schrifft unbekannte Wort Sacrament zum allerersten auch von dem Ehestand
gebraucht, ob schon in einer gantz andern Bedeutung, als wenn sie von der Tauffe
und dem Abendmahl reden. Da wir aber anjetzo die subsidia, daran es denen
Kirchvätern mangelte, in Uberfluß haben, so dürffen wir uns nicht mehr wundern,
wie es komme, daß auch die hertzhafftesten unter denen Catholischen so wol als
Protestirenden (wiewohl auf beyden Theilen noch derer wenig sind) die bisher
vorgetragenen Warheiten gleichsam mit Händen greiffen, und andere ein gleiches
zu thun, antreiben.
|| [270]
(Zusammenhang der Päpstischen irrigen Lehren von der Ehe.)
§. VIII. Nun will ich mich befleißigen, ob ich auch die falschen Lehren des
Papstthums in einer deutlichen connexion kürtzlich vorstellen könne. Mich
dünckt, es werde ihr Zusammenhang nicht unfüglich auf folgende Art können
angedeutet werden, 1. Die Ehe ist ein Sacrament. 2. Derowegen ist es eine
geistliche Sache. 3. Deßwegen gehören die Lehren der Geistlichen und die
traditiones der Kirchen (oder die Lehren der Alt-Väter) zu denen
Glaubens-Artickeln. Daraus folget 4. daß derjenige, der solchen Lehren
wiederspricht, oder daran zweiffelt, ein Atheiste oder Ketzer sey, den man mit
der Todes-Straffe belegen müsse. Ingleichen folget 5. daraus, daß die Ehe-Sachen
zu entscheiden nicht für die weltliche Obrigkeit, sondern für die Kirche, und
derselben ihr geistliches Haupt gehöre. Item 6. daß Christliche Regenten keine
Gesetze geben können, die der Lehre der Clerisey zuwieder wären, eben so wenig
als sie in denen nach dieser Leute Lehre verbotenen Dingen solten difpensiren
können, sondern es sind vielmehr Christliche Regenten 7. in ihren Gewissen
verbunden, durch weltliche Gesetze die Lehre der Geistlichkeit, als derselben
ihr weltlicher Arm zu bekräfftigen, und diejenigen, so dawieder sündigen,
scharff zu bestraffen. Daraus folget 8. daß auch Christliche Regenten schuldig
sind, diejenigen, die die Lehren der Clerisey oder der Canonisten von der Ehe in
Zweiffel ziehen / und nach denen Regeln gesunder Vernunfft examiniren wollen,
als die ärgsten Ketzer und gottlose Leute lebendig verbrennen zu lassen, oder
doch zum wenigsten zu Schelmen zu machen, und aus dem Lande zu jagen. Endlich 9.
folget hieraus allenthalben nothwendig, das Christliche Regenten auch ihre
eigene Ehen nach denen Kirchen-traditionibus einrichten, und wenn dabey ein
Zweiffel vorfallen solte, sich dem Urtheil der Kirche unterwerffen müssen, oder
wenn solche Ehen denen Kirchen-Gesetzen unstreitig zuwieder wären, alsdenn von
der Kirche und ihren Haupt (oder bey uns Protestirenden, bey ihren Häuptern in
plurali) Erlaubnüß und dispensation in tieffer Unterthänigkeit bitten, mit
vielem Gelde dieselbe erkauffen, den Verzug der Erlaubniß und die langweilige
Aufschiebung derselben, durch gemachte falsche Hofnung, in Christlicher Gedult,
Demuth und Sanfftmuth ertragen, und wenn sie auch betrogen und ihnen endlich die
Erlaubnüß und dispensation abgeschlagen worden, auch die dabey vorgewendete
praerexte nicht einen Schuß Pulver werth wären, dennoch sie dafür mit der
tieffsten submission demüthigen und gehorsamsten Danck abstatten solten und
müsten, und zwar dieses alles von Rechtswegen. Solten aber 10. die weltl.
Regenten, Könige und Fürsten sich etwan gar den Hencker reiten lassen, ih
|| [271]
ren tollen Kopf aufzusetzen, die
Lehren der Geistligkeit in Ehe-Sachen nicht zu attendiren, oder wieder die
Kirchen-Verbote selbst zu heyrathen, so folget aus denen bißherigen Lehren von
selbst, daß solche Könige und Fürsten als Ketzer und gottlose Menschen in
Kirchen-Bann gethan, ihre Ehen vor null und nichtig erklähret, und die daraus
erzeugete Kinder für Banckerte und Huren-Kinder, die unmöglich im Königreich
oder Fürstenthum succediren könten, erklähret werden müsten.
§. IX. Alle jetzo erzehlte Lehren, gleichwie selbige samt und(Wird durch das Exempel der Ehescheidung Henrici IIX. zu Engeland erläutert.) sonders
annoch im Pabstthum herrschen, also können sie samt und sonders gar füglich aus
dem Satze, daß die Ehe ein Sacrament sey, als nothwendige Folgerungen
hergeleitet werden, u. müssen auch, wenn man läugnet, daß die Ehe ein Sacrament
sey, (wenn nur diese Meynung ernstlich und vernünfftig ist) zugleich mit über
den Hauffen fallen. Man kan hierbey Burnets Historie der Reformation in
Engelland aufschlagen, und wie er im andern Buch des ersten Theils erzehlet, daß
König Heinrich der IIX. nachdem er die Ehescheidung von seiner Gemahlin vom
Papst gebeten hatte, von diesem aber mit einer langen Nase etliche Jahr war
herumgeführet worden, sich endlich durch seine eigene Räthe habe scheiden
lassen, so wird man daselbst, wo nicht alle aus der hypothesi, daß die Ehe ein
Sacrament sey, fliessende bißher angemerckte conclusiones, doch die allermeisten
davon angebracht und weiter ausgeführet finden. Ich will nur etwas weniges und
das vornehmste daraus erzehlen. Als ein gewisser Staats Minister dem König
riethe, er solte seine eigene Affairen dem Urtheil eines elenden, und zwar
sowohl der Geburth als Tugend nach nichtswürdigen, und noch darzu fremden und
ausländischen Pfaffen ja nicht unterwerffen, antwortete der König, daß er
solches deßwegen thäte, weil er gläubete, daß die Geistlichen über geistliche
oder Kirchen-Sachen richten müßten. Die Catholischen Theologi, die des Königs
Parthey hielten, führeten unter andern an: das wäre kein Catholischer Christ,
der sich unterstünde, zu läugnen, daß man in zweiffelhafften Ehe-Fragen sich
nach dem alten Herkommen der Kirchen richten müsse Und wenn dannenhero gleich
die Frage von der Ehe mit des Brudern Witbe zweiffelhafft wäre, so sey es doch
schon genung, daß der Papst, die Coneilia und die alten
Kirch-Väter dergleichen Ehen für unzuläßlich gehalten hätten. Daferne aber ihrer
etliche wenige dieser Meynung zuwieder wären, unter dem Vorwand, daß sie die
Schrift besser verstünden, als die jetzt gemeldete Kirche, so führten dieselben
eine Ketzetey ein. Wiederum andre, die die Ehe-Scheidung mißbilligten,
|| [272]
wendeten vor, daß die Gegen-Parthey
zwar von denen Kirchen. tradttionibus viel Geschrey
machten, aber in der That dieselbe verachteten, und sich nur darauf berieffen,
wenn selbige ihrer Parthey favorisirte, im Gegentheil selbige verwürffen, wenn
sie nach ihrer Lehre nicht übereinstimmeten. Indessen sey es doch wahr, daß wenn
man der gemeinen Meynung der Väter und Kirchen-Lehrer wiederspräche, und die
neuern und sonderlichen Auslegungen der Schrifft vertheydigen wolte, daß dadurch
allen Neuerungen und Ketzereyen Thür und Thor würden aufgethan werden. Als auch
endlich der König des Papsts Kirchen-Gerichte beyseit setzte, und durch seine
eigene Räthe und Bischöffe seine Ehe für null und nichtig erklähren liesse, so
nahm der Papst diesen Eingriff in sein geistliches Amt höchst übel auf, und
erklährete sich ohne Scheu, daß zwar der König den Kirchen-Bann verdienet hätte,
aber daß er ihm doch aus Barmhertzigkeit hierzu etliche Monat Aufschub geben
wolte, wenn er aber diese Zeit vorbeystreichen liesse, und nicht alles wieder in
vorigen Stand setzen würde, daß alsdann der Kirchen-Bann unfehlbar erfolgen
solte.
(Politische Geheimnüsse / die unter der Lehre vom Sacrament
des Ehestandes verborgen liegen.)
§. X. Es ist auch nicht zu vergessen, daß unter der Lehre von dem Sacrament der
Ehe / und denen daraus fliessenden übrigen Sätzen, allerhand Politische
Geheimnüsse verdeckt liegen, daran dem gemeinen Wesen viel gelegen, daß selbige
entdeckt werden. Die ehelichen Gesellschafften sind die Haupt-Stützen des
gemeinen Wesens. Die Macht, selbige nach Gefallen anzuordnen, indem dergleichen
Gesetze und Ordnungen, wo nicht alle, doch fast alle, angehen, ist eines von
denen allervornehmsten Kennzeichen der höchsten Gewalt und Majestät, das
nimmermehr einem oder mehrern andern, die der Majestät nicht theilhafftig sind,
sie mögen nun in eben derselben bürgerlichen Gesellschafft seyn oder nicht,
überlassen, oder nur mit selbigen getheilet werden kan, wenn anders Einigkeit,
ingleichen Fried und Ruhe in der Republicke beybehalten werden soll. Daraus
folget nothwendig, daß derjenige, er sey nun von den Unterthanen, oder
ausserhalb ein Fremder, der die Macht bekommen, nach seinem Gutachten die Ehen
anzuordnen, und dieselben zuzulassen oder zu verbieten, das vornehmste
Kennzeichen der Majestät besitze, und in Ansehen desselben auch die Könige und
Fürsten selbst in seiner Gewalt habe, und entweder nach Gefallen ihren Willen zu
beugen und zu brechen, oder doch unter Hoffnung, die Ehen begehrter massen
zuzulassen, oder zu scheiden, greuliche Summen Geldes von ihnen zu erpressen,
vielfältige Gelegenheit überkomme; zumahlen da gemeiniglich die Menschen, sie
mögen nun tugendhafft
|| [273]
oder von
Ehrgeitz, Geldgeitz und Wollust beherrschet seyn, auch so zu reden in den
sauersten Apffel zu beissen, und die verdrießlichsten Dinge zu leiden pflegen,
wenn sie nur entweder die von ihnen verlangte Ehen vollziehen dörffen, oder
wegen entstandener und festgewurtzelter Feindschafft und Eckel oder Abscheu
die beschwerlichen Ehen loß und davon erlöset werden können. Dannenhero kömmt es
mir nicht anders vor, als daß, nach dem Kirchen-Bann / die Kirchen Gewalt in Ehe
Sache das allervornehmste Mittel gewesen sey, dessen sich die Päpstische
Clerisey Anfangs bedienet, sich vorerst der weltlichen Obrigkeit und deren
Bothmäßigkeit zu entziehen; hernach aber den Läyen insgemein ihre Hälse mit
unerträglichen Jochen zu beschwehren, und sonderlich über Könige und Fürsten
die gröste Tyranney auszuüben; und zwar dieses alles unter dem Pharisäischen
Schein sonderbahrer Frömmigkeit, Gottseeligkeit und Beförderung der Ehre GOttes.
Absonderlich aber hat dieses Geheimnüß der weltlichen Obrigkeit nebst allen
Layen desto mehr Sclaverey und Unterdrückung zu wege gebracht, weil der Papst
der Clerisey alles Heyrathen verbothen und hingegen alle Geilheit verstattet,
oder doch zum wenigsten ihr deßhalb durch die Finger gesehen. Denn wenn solches
nicht geschehen wäre, so würden die von denen Obern in Ehe-Sachen gedruckte
Geistliche sich mit denen unter eben diesem Joch seuffzenden Layen vereinigt,
und also mit gesamter Hand sich dessen entlediget haben; da aber der gesamten
Clerisey der Ehestand verbothen war, schmachteten also die Layen alleine unter
diesem Joch, und wurden durch die gesamte Clerisey in der Klemme gehalten.
§. XI. Die Kurtz vorher angeführte Ehescheidung König Heinrichs(Die abermahls durch voriges Exempel ererläutert
werden.) des IIX. von Engeland kan auch dieses erläutern, wie verwirrt die
Lehre von Kirchen-Sachen auch unter den Canonisten selbst sey, dergestalt daß
die Päpste allezeit nach ihrem guten Belieben in zweiffelhafften Fällen eine
Mennung, welche sie wollen, wehlen, und doch hernach die Läyen, daß solche recht
sey, bereden können; ingleichen, wie gar viel dem Papst daran gelegen seyn
müsse, daß er von seiner praetendirten Gewalt in Ehe-Sachen nicht das
allergeringste nachgebe, wenn auch diese Hartnäckigkeit mit augenscheinlicher
Gefahr eines grossen zu befürchtenden Schadens vergesellschafftet wäre. Was
das erste betrifft, weiset Burnet am besagten Orte, was für argumenta von beyden
Theilen aus dem Päpstischen Rechte und der Scho astischen Theologie vorgebracht
worden, dergestalt, daß es dem Papst ein leichtes gewesen, wenn sonst andere
geheime Politische rationes ihn nicht abgehalten hätten, sich zu
determiniren
|| [274]
und eine Meynung, die
ihm nur beliebet hätte, entweder für oder wieder den König zu wehlen. Das andere
belangend, hat eben derselbe durch das gantze andre Buch ausführlich gewiesen,
aus was für Ursachen der Papst für rathsamer / und für das interesse des gantzen
Päpstlichen geistlichen Staats für nicht so schädlich gehalten, wenn er eher
erwartete, daß das gantze Englische Königreich sich seiner geistlichen Gewalt
entzöge, und von ihm abfiele, als, daß er die durch die vom König bestelleten
Richter ausgesprochene Ehe-Scheidung hätte gut heissen oder dieselbige
bekräfftigen sollen.
(Urtheil von des berühmten Launojiraren Buch von der Königlichen-Gewalt in Ehe-Sachen.)
§. XII. Es hatte zwar Johannes Launoius, ein berühmter und gelehrter Catholischer
Scribent, einen ziemlich-weitläufftigen und raren Tractat von der Königlichen
Gewalt in Ehe-Sachen anno 1674. geschrieben, in welchem er nach denen
Grundsätzen der Catholischen Religion zu erweisen sich bemühet, daß, obschon die
Ehe ein Sacrament und geistlich Geschäffte sey, dennoch den Königen oder der
weltlichen Obrigkeit das Recht zukomme, Gesetze von Hindernüssen des Ehestandes
zu geben, und über dieselbe zu urtheilen, und hat sich darbey sehr angelegen
seyn lassen, diesen seinen Lehr-punct im ersten Theile mit vielen Zeugnüssen der
Kirch-Väter zu beweisen, im andern und dritten Theil aber mit vielen schönen
Exempeln zu erläutern; wannenhero viele von denen Unsrigen gewünschet, daß doch
dieses sehr rare Buch wieder bey uns aufgeleget werden möchte, weil man sich
dessen in den streitigen Ehe-Fragen wieder die Catholischen gar sehr würde
bedienen können. Ich halte aber gäntzlich dafür, man werde im besagten Buch des
Launoji gar wenige tüchtige argumenta antreffen, die Königliche Gewalt in
Ehe-Sachen mit Nachdruck zu vertheydigen, noch vielweniger zu befestigen,
sonderlich aber und hauptsächlich wegen dieser raison, weil Launojus die
Grundlehre vom Sacrament der Ehe und von einer geistlichen (der weltlichen
entgegen gesetzten) Gewalt in Ehe-Sachen zugelassen, und selbige als unstreitig
angenommen. Denn da er dieses einmahl zugelassen, hat sich die königliche
Gewalt, die er vertheydigen wollen, gar sehr müssen einschräncken lassen, und
nicht weiter ausbreiten dörffen, als so ferne sie mit den Kirchen-Satzungen
übereinkommt, das ist, so ferne sie derselben beystehet, und ihre Verordnungen
als ein weltlicher Arm vollstrecket, nicht aber, daß ein König als ein
warhafftiges Haupt vermittelst seiner Majestätischen Gewalt die garöffters
irrigen Kirchen-Satzungen ändern und verbessern könne. Und da er es sich sonst
hat recht sauer werden lassen, aus allen Christlichen Königreichen mit grosser
Mühe viele Exempel auszusu
|| [275]
chen,
durch welche er sein thema beweisen wollen, auch selbst aus dem Königreich
Engeland, ist doch billich sehr zu verwundern, warum er des Exempels von der
Ehescheidung des Henrici IIX. nicht mit einer eintzigen Sylbe gedacht.
§. XIII. Und was brauchen wir es, daß wir uns umb argumenta(Starcke reliquien Päpstischer
Lehren von Ehesachen bey den Unsrigen.) wieder die Catholischen
Scribenten in Ehe-Sachen so sehre bekümmern, da doch unter uns selbst noch grobe
Brocken von diesen Irrthümern herrschen, und man der weltlichen Obrigkeit hier
und dar ihr Recht in Ehe-Sachen in Zweiffel ziehet, und ihr solches zu nehmen
oder zu verringern bemühet ist. Denn obschon Chemnitius zu seiner Zeit nicht
alleine wie oben gedacht, deutlich gezeiget, daß die Ehe kein Sacrament sey,
auch weitläufftig gewiesen, daß die Lehre der Catholischen von denen sieben
Sacramenten erst von denen Scholasticis auf das Tapet gebracht, und mit vielen
thörichten Ursachen vertheydiget worden sey; ja ob er schon sehr ingeniös,
dabeneben aber denen Catholischen etwas empfindlich anführet, daß nach ihren
Grund-Sätzen auch die Babylonische Hure und das siebenköpfigte Thier, darauf sie
reitet, ein Sacrament seyn müste; (Siehe dessen ausführlichen locum in notis ad
Lancelottum p. 607. seq.) Ja obgleich der berühmte und wohlbekannte Autor, der
sich Jesuwald Pickhart genennet, in seinem Anno 1586. publicirten Bienen-Korb
des heil. Römischen Reichs Imen-Schwarms in dem andern Capitel des dritten
Stücks p. 163. sq. noch viel empfindlicher und ingeniöser die Lehre des
Papstthums von sieben Sacramenten und insonderheit vom Sacrament der Ehe
fürgestellet; so finden sich doch noch heute unter uns so wohl Theologi als
Juristen, die die aus solchen Haupt-Irrthum allein herfliessende conclusiones zu
vertheydigen sich höchlich angelegen seyn lassen. Ich habe deßwegen meine obige
Anmerckungen zu erläutern mich für andern des Exempels von der Ehescheidung des
Königs in Engeland Henrici IIX. bedienet. Denn da war die Frage von der Heyrath
mit des Brudern Wittibe. Dieser Controvers kömmt diejenige sehr nahe, wenn
gefraget wird: Ob ein weltlicher Regent seiner Gemahlin Schwester heyrathen,
oder seinen Unterthanen dergleichen Ehen zulassen, oder darinnen dispensiren
könne? Wegen dieser Frage aber haben die Unsrigen sich nun fast in die
siebentzig Jahr herum gebissen, und sind darinnen noch nicht einig. Ja man muß
sich von Hertzen betrüben, wenn man die deswegen edirte Zanck-Schrifften
durchsiehet, davon ich die Historie, so kurtz als es möglich ist, ietzo
vorstellen will.
|| [276]
(Von der Ehe mit des Weibes Schwester. Streit-Schrifften
zwischen Buchholtzen und Havemannen.)
§. XIV. Es hat die Juristische Facultät zu Rinteln einem Evangelischen Fürsten
ein weitläufftig und ausführlich responsum ertheilet, daß es ihm wohl
zugelassen, auch dem Wort GOttes nicht zuwieder sey, seiner verstorbenen
Gemahlin Schwester zu heyrathen, und daß wenn auch von andern dergleichen
geschehen, der Landes-Herr befugt sey, diese Ehe nicht zu trennen, sondern
darinnen zu dispensiren. Dieweil sich aber bald etliche Schreyer funden, die
diese That dergestalt blamirten, als wenn die Facultät eine Sünde wieder den
heiligen Geist begangen hätte, zumahlen daß sie sich unterstanden, denen
Theologis einzugreiffen; als gab der Autor dieses responsi Christoph Joachimus
Buchholtz dasselbe Anno 1652. in öffentlichen Druck, und bestehet selbiges aus
etliche und zwantzig Bogen, meritiret auch wohl, daß es gelesen werde. Nach
dieser publication hatte der berühmte JCtus Tabor (von dessen Zustand ich etwas
in Historia Juris naturalis p. 199. seq. gedacht habe) in seinem Armamentario,
und Anno 1655. ein Theologus, D. Michael Hauemann, der hernach
General-Superintendent in Bremen und Verden worden, in seiner Gamologia
Synoptica sich vorgenommen, dieses responsum Rintelense zu wiederlegen, denen
beyden aber Buchholtz in einer Anno 1559. publicirten Assertione responsi Juris
antwortete. Von Tabor finde ich nicht, daß er dawieder etwas weiter repliciret
hätte, aber D. Haveman säumte nicht, sondern setzte alsbald Anno 1660. dieser
Schrifft des Buchholtzens eine andere entgegen, unter dem Titul: Assertio
responsi Mosis. Jedoch bliebe ihm D. Buchholtz nichts schuldig, sondern
verantwortete sich Anno 1662. in einer sehr weitläufftigen Schrifft, die er
Examen Assertionis Responsi non Mosis sed Havemanni nennete. Havemann gab darauf
Anno 1664. Discussionem responsi Mosis heraus, wieder welche Buchholtz Anno
1669. Vindicias secundum dispensationem matrimonii publicirte; wiewohl ich diese
beyde letzte Schrifften nicht gesehen, sondern von ihnen nur aus Strauchs und
Buchholtzens Streit Schrifften Nachricht erhalten. Man kan auch dieser letzten
Schrifften desto eher entbehren, weil schon in denen vorhergehenden beyde Theile
alles, was pro und contra angeführet werden konte, vorgebracht hatten,
dergestalt, daß dieselben Wechsel-Schrifften insgesammt schon über 100. ziemlich
compress gedruckte Bogen austrugen. Nichts destoweniger gieng der Lerm noch in
eben diesem 69. Jahr, und zwar auf eine ärgerliche Weise mit einem frischen
Adversario wieder von neuen an, durch folgende Gelegenheit.
|| [277]
§. XV. Es ist bekannt, daß sich der ehrliche D. Georgius Calixtus(Wie sich D. Strauch zu diesem
Gezäncke eingedränget.) zu Helmstädt sehr bemühete, die drey im
Römischen Reich geduldete, sonderlich aber die beyden Evangelischen Religionen
zu vereinigen. Ob nun wohl der gute Mann nicht begriffe, daß die Sache wegen
vieler Ursachen mit denen Catholischen nicht practicable wäre, und dannenhero
glimpfliche Erinnerungen wohl meritirte, so verfielen doch seine Wiedersacher,
sonderlich D. Calov und dessen Anhang nach dem damahligen ungehobelten Zustand
vieler Theologorum, mit ihm in ein recht ärgerliches Gezäncke, worzu auch der
greuliche Haß, den die Calovianer wieder die Reformirten hatten, nicht wenig
contribuirte, und währete dieses Gezäncke viele Jahre, dergestalt / daß man bey
nahe ein gantzes repositorium mit diesen ärgerlichen Streit-Schrifften vom
Syncretismo anfüllen könte. Und da Calixtus und seine Parthey, die sehr grob von
ihrem Gegentheil angegriffen war, auch irritirt wurde, und so glimpflich als sie
sonst zu schreiben gewohnt ware, nicht mehr schriebe, machten es die Calovianer
immer gröber, und führete sich nach Calixti Tode unter ihnen der gleichfalls
bekannte D. AEgydius Strauch am allerungezogensten auf; ja da Calixti Sohn D.
Friederich Ulrich Calixtus als ein junger hitziger Mann seines Vaters
Wiederfachern auch nichts schuldig bliebe, wurden die Schrifften auf beyden
Theilen immer scandalöser. Unter andern hatte F. U. Calixtus in einer erwehnet,
daß er in Rom keinen Lutheraner angetroffen. Dem D. Strauch zur Antwort gab:
Mirum non est, quod in Gallorum & Italorum Tabernis Vinariis, vel fornicibus etiam invenire eos (Lutheranos) non
potuerit dissentiens (Calixtus.). Dieses nahm Calixtus für eine Injurie auf, als
wenn er ihn beschuldiget hätte, daß er die Hur-Häuser (fornices) besucht hätte,
und ließ Anno 668. eine so genannte abgenöthigte Retorsion Schrifft wieder D.
Strauchen publiciren, dem D. Strauch eine Gegen-Retorsion entgegen setzte, indem
er vorgab, er hätte per fornices kein Huren-Hauß, sondern Gewölbe, Cabarette,
oder öffentliche Wirthshäuser verstanden, auch seine Gegen-Retorsion durch drey
beygelegte Responsa von denen Juristen-Facultäten zu Leipzig, Wittenberg und
Jena justificiren wolte. Calixtus justificirte seine Retorsion wieder in einem
scripto, und bezoge sich auf ein von der Juristen-Facultät zu Rinteln erhaltenes
Responsum. Hierwieder schrieb D. Strauch eine neue anzügliche Schrifft, der er
den Titulgab: Der justificirte Calixtus. In dieser hatte er unter andern wegen
des Rintelischen Responsi sich dieser Worte bedienet. Es haben auf der
Universität Rinteln die Leute nicht
|| [278]
nur eine bundschäckigte Religion, (weil die Calovianer die Rinteler für
Syncretisten ausschryen) sondern auch ein wunderbahres Recht, nach welchem
zugelassen wird, daß ein Ehemann seines Weibes-Schwester heyrathen möge, und mag
also in Rinteln das Gesetz GOttes durch Mosen gegeben, nicht mehr gelten: Du
solt deines Weibes Schwester nicht nehmen etc. Levit. XIIX, 18. (welches
Göttliche Verbot einer ihres Mittels, Herr Christoff Joachim Bucholtz
umzustoffen sich gelüsten lassen) Calixtus edirte hierauf noch in eben selbigen
1668. Jahre im Nahmen seines Sohns Georgii Christ. Calixti eine weitläufftige
Gegenschrifft därinnen er Strauchen ebenmäßig nicht ein Krümgen Ehre überließ,
wie man aus dem blossen Titul leicht abnehmen kan. D. AEgidii Strauchs Läster-
und Lügen-Kunst, aus dessen ehrvergessenen verleumbderischen Schrifften
ausgezogen und vorgestellet.
(Neue Streit-Schriften zwischen Strauchen und Bucholtzen
nebst deren Beschaffenheit.)
§. XVI. Solchergestalt bekam nun auch Bucholtz einen neuen Adversarium an D.
Strauchen, und zwar ehe er noch seine letzten vindicias wieder Havemannen
publiciret hatte. Nun war zwar bißher die Controvers von der Heyrath mit des
Weibs Schwester noch so ziemlich bescheiden und in der Lateinischen Sprache
getrieben worden. Da aber Strauch nach den damahligen ungemeinen und
sonderlichen regulis decori orthodoxiae Lutheranae
Bucholtzen und die gesamten Rinteler etwas derb und zwar in teutscher Sprache
angriffe, wurde Bucholtz auch hitzig, setzte indessen den Havemann beyseit, und
schriebe auch eine etwas harte und spitzige Schrifft von 4. Bogen wieder
Strauchen, welche bald Anfangs des 1669. Jahrs das Tages-Licht erblickte: Der
Titul war: Kehrab der kurtzen Erinnerung und Berichts Herrn D. AEgidii Strauchs
zu Wittenberg, so weit er die löbliche Juristen Facultät zu Rinteln und mich C.
J. Bucholtzen darinn gantz unschuldig beschuldiget und verleumbdet. Strauch
nicht faul, edirte noch in selbem Jahr ein Tractätgen von 13. Bogen, und zwar
mit consens der Theologischen Facultät zu Wittenberg, wie ausdrücklich auf dem
Titul erwehnet wurde, vermuthlich die Leute u. sonderlich die Rintelischen
Juristen desto mehr zu fürchten zu machen. Der Titul des Tractätgens ware, daß
GOttes Gesetz, du solt deines Weibes Schwester nicht nehmen, noch feste stehe.
Hier wärmete nun Strauch nicht allein die alten Saalbadereyen, die mehrentheils
Tabor und Havemann schon vorgebracht hatten, wieder auf; sondern er warff auch
Bucholtzen pag. 20. vor, daß er auf Havemanns defensionem responsi Mosis,
|| [279]
die anno 1664. ediret war, nunmehro
fünff gantzer Jahr hätte verstummen müssen. Bucholtz wolte seine Hurtigkeit
nicht weniger sehen lassen, ließ noch in 69. Jahr einen gründlichen Beweiß, daß
der Kehrab Strauchischer Erinnerung und Berichts noch feste stehe / und D. C. J.
Bucholtz von D. AE. Strauchen zur Ungebühr und Unschuldig verläumder worden,
drucken. In dieser Schrifft allegiret Bucholtz p. 55. seine, (wie er schreibet)
itzo herauskommende Vindicias secundum dispensationem matrimonii cum defunctae
uxoris sorore wieder Havemannen. Strauch war abermahls wie ein Blitz hinter
drein und publicirte eine Endliche Entdeckung der erbärmlichen Verstockung
Bucholtzens und seines Anhangs, (weil er nehmlich den Speichel der Witteb. Fac.
nicht für Aquavit, oder ihre Scholastische Lehren nicht für GOttes Wort halten
wolte.) Bucholtz ging auch nicht müßig, sonden, ehe man es sich versahe,
erschiene noch in eben dem 69. Jahre unter seinem Namen eine so genannte
abgenöthigte Remonstration der elenden ignorantz u.
groben Schmähsucht D. AE. Strauchs samt gründlicher Ablehnung dero mir von ihm
verleumbderisch beygemessenen Verstockung. Mehr ist mir von dem Streit dieser
beyden nicht für Augen kommen. Nun kam zwar in diesen Schrifften nichts neues
vor, das nicht vorher schon wäre anbracht worde̅; ja die teutschen
Streitschrifften waren viel kurtzer gefaßt, indem Bucholtz mehrentheils das, was
er im Lateinischen weiter ausgeführet hatte, kurtz zusammem zoge; aber es war
doch gut, daß die jenigen die kein Latein verstunden, aber doch sonst gescheide
Leute waren, das elende Wesen vieler gemeinen Theologischen Lehren nach ihren
beywohnenden Judicio begreiffen / auch zugleich erkennen lerneten, wie ungezogen
sich die Zäncker und Ketzermacher aufzuführen pflegen, wenn sie auf ihrem Miste
seyn, und wie sehr sie sich eben damit prostituiren, wenn andre, die sich für
ihnen zu fürchten keine Ursache haben, ihnen wiederum ein voll gedruckt,
gerüttelt und überflüßig Maaß von bittern Warheiten oder Wahrscheinligkeiten
wieder in ihren Schoß messen.
§: XVII. Nach dieser Zeit hat so viel ich mich entsinne, dieser Streit(Neue Untersuchung dieser Frage a. 1681. zu Oettingen u.
was hierbey anzumercken.) geruhet, ob wohl freylich ein jeder von
beyde̅ Partheyen bey seiner Meynung blieb, biß Anno 1681. ein
Colloquium auf der Fürstlichen Refidentz zu Oettingen über dieser Frage gehalten
wurde, weil der Fürst selbst gesonnen war, seiner gewesenen Gemahlin Schwester
zu heyrathen. Und hier gieng es zum wenigsten ein bißgen erbahrer zu, als bey
dem Schulfüchsischen Gezäncke, dessen bißher gedacht worden (wenn gleich die
approbationes gantzer Theologischen Facultäten auf dem Titel stunden;) denn an
|| [280]
Höfen leidet man dergleichen
Rekeleyen nicht. Die responsa pro licentia dergleichen Ehen sind kurtz, und
geben jedwedem, der nur seine sünff Sinnen hat, sattsam zu verstehen, daß die
Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester mit deutlichen Worten im Gesetz Mosis
nicht verboten, und daß vielmehr der Spruch Mosis, damit die Ketzermacher die
dissentirende erschrecken wollen, von der Polygamie handele. So sind auch die
responsa, die pro matrimonio sprechen, in viel grösserer Anzahl, als diejenige,
so dubia dawieder gemacht, und sind doch alle von Theologis, auch wohl von
gantzen Theologischen Facultäten gesprochen worden, ob schon ihre Nahmen nicht
genennet worden, davon die Ursache in der Vorrede angezeiget wird. Es hat auch
der Fürst sehr klüglich gehandelt, daß er durch 12. seiner eigenen Bedienten,
halb geistliche und halb weltliche ein Colloquium über diese Sache anstellen und
darüber votiren lassen. Es ist merckwürdig, daß unterschiedene unter denen
votantibus gestanden, daß sie vorher der negativae wegen der Autorität ihrer
Praeceptorum angehangen, oder wohl gar se bige auf Universitäten disputando
vertheydiget hätten, aber nunmehr deutlich erkenneten, daß sie keinen Grund
hätte. Wie es mir dann auch selbst so gegangen, daß ich in Institutionibus juris
divini die gleichfalls in meiner Jugend ex orthodoxia autoritativa eingesogene
Meynung, daß diese Ehe unzuläßlich sey, (wiewohl ex quaesitis sirmioribus
principiis, und seposito textu, der des Weibes Schwester ausdrücklich erwehnet,)
mich bemühet zu mainteniren; hernach abergesehen, daß auch diese principia
keinen recht tüchtigen Grund in Ansehen der Christen hätten, und dannenhero
dieselbe in Fundamentis Juris Naturae wieder verlassen. Es ist die Cautel auch
wohl zu mercken, die am Oettingtschen Hoffe bey diesem Colloquio gebraucht
worden, daß man denen Colloquenten voraus sagte, daß sie sich nicht einbilden
solten, daß der Fürst bey ihnen etwa einen Urtheils-Spruch oder Dispensa
ionsuchen wolte, denn solche könnten sie als inferiores ihrem Herren und
Superiori nicht ertheilen, sondern sie solten ihre willkührliche Meynung sagen,
ob solche Heyrathen zuläßig wären oder nicht: Item daß sie nicht etwa auf
dissuasiones hujus matrimonii tanquam insolitifallen solten, denn der Fürst
hätte sich schon so fest verbunden, daß daran nicht zu dencken wäre; und hiermit
wurde zugleich den Achselträgern, die es mit keiner Par hey verderben wollen,
die Glegenheit abgeschnitten, in ihrem voto auf diese Ausflucht zufallen; etc.
Wiewohl man doch bey Lesung der votorum gewahr wird, das hier und dar artes
aulicae mit untergelauffen, indem die beyden ersten votanten sowohl unter denen
Politicis, als
|| [281]
Theologis sich
kranck gemacht / auch ihre vota sehr kaltsinnig und zweydeutig sind. Jedoch hat
es der Theologus bald noch manierlicher gemacht als der Politicus, indem er
persönlich erschienen, und sein votum mündlich gegeben, hernach aber sub
praetextu seiner Schwachheit weggegangen, ehe die vota ferner erwogen und ein
conclusum gemacht worden. So hat er auch darinnen der Klugheit des ungerechten
Haushalters sich bedienet, indem er sein votum also eingerichtet, daß er diese
Ehe nicht rathen noch für selbige votiren könte; weil aber die quaestio nicht
mehr de matrimonio contrahendo, sondern de jam contracto sey; als wolle er dazu
Glück und Seegen wünschen: Denn ob schon etliche mahl angemerckt worden, daß
diese distinction absurd sey, so ist doch auch zugleich gemeldet worden, daß sie
schon lange Zeit apud orthodoxos Mode gewesen (vide §. 1. circa finem &
§. 4. in medio). Ich bin endlich versichert, daß der Abdruck dieses colloquii
und der bey diesem negotio eingeholten Bedencken dem communi dominatui der
bißher behaupteten Gegenmeynung vielmehr Schaden gethan, als wenn noch so viel
mit Zanck und personalibus angefüllte Schrifften ferner darwieder wären
geschrieben worden. Wiewohl nicht die Meynung ist, daß die dissentientes dadurch
eben wären bekehret worden, und ihre Meynung geändert hätten, sondern ich ziele
nur darauf, daß um und nach derselbigen Zeit unterschiedene Fürsten angefangen,
auch bey privatis in dergleichen Ehen zu dispensiren, und sowohl Collegia
Theologica als Juridica gefunden, die ihre facta approbiret; auch nachhero eine
zeitlang keine fernere Zanckschrifften wegen dieser Ehe-Sache ediret worden.
§. XIIX. Alleine etlichen und zwantzig Jahr nachhero trug sich(Neuer Streit Anno 1706. der zu
gegenwärtigem Responso Gelegenheit gegeben.)
ein besonderer casus zu, der bishero noch nicht vorkommen. Nehmlich es hatte der
Herr D. Götze, Superintendens zu Halberstadt nach seiner Eheliebsten Tode eine
eheliche affection auf dero Schwester geworffen, und deßhalb bey Seiner
Königlichen Majestät in Preussen umb dispensation gebührende Ansuchung gethan,
auch selbige Anno 1706. erhalten und darauf solche Ehe vollzogen. Hierüber
entstund nun (secundum definitionem scandali accepti in Compendio Hutteri) ein
grausames Aergerniß bey denen sogenannten Zeloten, die sich selbst den Titul
Lutheranorum zu geben pflegen, und zwar nicht ohne
Ursache. Denn man kan sich leicht einbilden, was dieses der bisherigen
Haberechterey für einen mercklichen Schaden zufügen müsse, wennein Lutherischer
Theologus, ja gar ein Superintendens, denen Evangelischen Königen und Fürsten
ein solches Recht einzuräumen, und dabey
|| [282]
sich nicht etwan mere pasive aufzuführen, sondern maxima &
notoria activitate solches zu bestätigen sich untersänget, das doch bißhero und
öffters cum successu von vielen Theologis und Predigern eyffrig war bestritten
worden. Und in diesem Ansehen darff man sich eben so sehre nicht verwundern,
warum ein anderer Lutherischer Prediger in der Nähe zu Quedlinburg für
unverantwortlich hielte, wann er hierbey stille schwiege. Weshalben er auch
nicht ermangelte, die alte beynahe gantz abgenutzte Controvers wieder
vorzunehmen, die Ehe mit des Weibes-Schwester in einer öffentlichen Schrifft
anzufechten. Ob hierbey etwa particular affecten wieder Herr Doctor Götzen mit
untergelauffen, kan ich eben weder bejahen noch verneinen; jedoch vermuthe ich
wohl, daß er hierzu durch unterschiedene Hand Brieffe dererjenigen, derer
bißherige Autorität bey dieser Affaire mercklich interessiret war, sey
encouragiret und angetrieben worden; Denn diese Vermuthung wird durch die seit
der Reformation beständig continuirte und noch hier und dar daurende Gewohnheit,
sattsam bestärcket.
(Das Responsum selbst mit
absonderlichen Summarien.)
§. XIX. Herr D. Götze / als den die Sache hauptsächlich mit angieng, kunte zu
dieser Schrifft nicht stille schweigen, er bedurffte auch eben keines grossen
Kopffbrechens, sondern er beantwortete in einer andern Schrifft die wieder seine
Ehe gemachte dubia, jedoch mit vernünfftiger ex cerpirung der oben gedachten
Buchholtzischen Schrifften und der Oettingischen Acten, kurtz und gut. Jedoch
vermeynte er auch, nicht übel gethan zu seyn, wenn er über dieses ein Responsum
Juridicum von neuem einholte, und weil er gemercket, daß nebst andern Autoribus
sein Herr Gegner auch mich fur sich allegiret, dabey aber vernommen daß ich
meine vorige Meynung geändert hätte; Als begehret er Anno 1707. ein Responsum
von mir, welches auch, wie ich es damahlen entworffen und ihm zugeschickt,
hiermit beydrucken lasse; jedoch mit dieser kurtzen Beyerinnerung, daß nicht
allein dieses mein Responsum aus demjenigen, was ich bißher weitläufftiger
angeführet, viel Erläuterung erlange̅ wird, sondern auch, daß die
bisherigen Anmerckungen dann und wann durch das Responsum dürfften deutlicher
gemacht werden.
(Vortrag der 4. Fragen.)
Als mir Endes unterschriebenen einige zwischen, salv. Tit. Herrn D. Johann
Melchior Götzen zu Halberstadt, und Herrn Licentiat Friedrich Ernst Kettnern zu
Quedlinburg wegen der Ehe mit des Weibes Schwester gewechselte Streit-Schrifften
und folgende vier Fragen:
|| [283]
1. Ob solche Ehen mit der verstorbenen Frauen Schwester dem natürlichen und Göttlichen Rechte, praeprimis dem 18. versicul des 18. Capitels Levitici entgegen sey?
2. Ob ein Princeps nicht Macht habe, in solchem casu zu dispensiren?
3. Ob dergleichen casus nicht ja so wohl geist- als weltlichen, facta dispensatione, anzutreten erlaubt?
4. Ob man eines Principis in solchem casu geschehene dispensation impune schimpflich anstechen dürffe, und wie derjenige, der es thue / rechtlich zu bestraffen sey? zugesendet, und meine rechtliche Meynung darüber begehret worden; demnach erachte ich nach fleißiger Durchlesung und Erwegung dererselben vor Recht. Was anfänglich die erste Frage betrifft, so dependiret von derselben(Sonderlicher Zweck dieses Responsi.) Erörterung auch das meiste von der Beantwortung derer drey folgenden Fragen, und ist weltkündig, wie über die erste Frage Anno 1652. seq. in der Lutherischen Kirche zwischen D. Christoph Joachim Bucholtzen an einem, und D. Johann Otto Taborn, auch D. Michael Havemannen am andern Theil zu streiten angesangen, und biß Anno 1662. darinnen continuiret, hernach auch Anno 1669. von D. AEgidio Strauchen diese Controvers von neuem rege gemacht, und zwischen ihm und D. Buchholtzen durch unterschiedene Wechsel-Schrifften fortgesetzet worden; auch wie hernach Anno 1682. da sich der casus in dem Hochfürstl. Oettingischen Hause in terminis zugetragen, vielfältige hierüber von Theologis & JCtis eingeholte Schrifften zusammen gedruckt worden; daß also (andere Autores zu geschweigen) von dieser quaestion nicht wohl etwas neues geschrieben werden mag, sondern ex utraque parte gemeiniglich dasjenige, was allbereit von andern vorgetragen, und ab altera parte beantwortet worden, repetiret wird. Wie nun diese Schrifften für jedermanns Augen liegen, und pro quaestione affirmativa allbereit in des Herrn Licentiat Kettners Schrifft mit grosser Weitläufftigkeit alles, was zur Sache dienet ex aliis autoribus vorgestellet worden, im Gegentheil Herr D. Götze in seiner Schrifft das jenige / was ad defensionem negativae gehöret, in einer beliebigen Kürtze vorgetragen; Also wird es von mir nicht erfordert werden, mich weitläufftig in diesen disputat einzulassen, als worzu ich weder Willen noch Musse habe; sondern es wird verhoffentlich pro intentione Domini Quaerentis genug seyn, wenn ich kürtzlich zeige, was insgemein ab altera, quandoque etiam ab utraque parte in dieser Con
|| [284]
trovers pfleget mit
einander vermischet zu werden, damit ein jeder Unp artheyischer desto besser von
der Sache urtheilen, und zugleich auch die Ursachen begreiffen könne, warum ich
anitzo von der Meynung sententiae affirmativae, die ich lange Zeit defendiret
(u. weßhalben auch dieselbe von Herr Lic. Kettnern in seiner gründlichen
Untersuchung p. 114. mit allegiret worden) wieder abgegangen, welches eben der
Unterscheidung derer öffters vermischten Fragen zuzuschreiben ist.
(Resolvirung der ersten Haupt-Frage in vier andere dazu
gehörige.)
Es stecken eigentlich in der ersten Haupt-Frage vier unterschiedene Neben-Fragen:
1) Ob die Ehe mit des verstorbenen Weibes-Schwester dem allgemeinen Recht der Natur zuwieder sey?
2) Ob diese Ehe, wenn sie schon vom Recht der Natur zugelassen wäre, nicht zum wenigsten einem von GOtt geoffenbahrten allgemeinen Gesetz, das alle Menschen verbinde, zuwieder sey?
3) Ob diese Ehe in dem Mosaischen Gesetze verboten worden?
4) Ob sie in specie mit dem dicto Levit. 18. vers. 18. streite? (Allerhand Anmerckungen bey diesen Neben-Fragen. Bey der ersten und andern Frage.) Dieser vier Fragen ihr Unterscheid kömmet hauptsächlich darauff an. Wenn es bewiesen werden kan, daß nach der ersten Frage eine dergleichen Ehe dem natürlichen Recht, das allen Heyden in das Hertze geschrieben, zuwieder sey: so braucht es der Untersuchung der übrigen drey Fragen nicht weiter, als nur ratione illustrationis. Hingegentheil wenn aus dem natürlichen Recht diese Ehe nicht angefochten werden kan; ist zuförderst in der Beantwortung der andern Frage nöthig, zu untersuchen und zu erweisen, daß ausser dem göttlichen allgemeinen natürlichen Rechte, auch ein allgemeines geoffenbartes Gesetze sey, welches zwar aus der sich selbst gelassenen Vernunfft nicht könne erwiesen und behauptet werden, aber doch von GOtt bey Anfang des menschlichen Geschlechts dem Adam und allen seinen Nachkommen, und nach der Sündfluth dem Noah und seinen Kindern sey publiciret worden; man muß hiernächst gewisse Zeichen haben, wodurch man erweisen könne, daß die in der Schrifft enthaltene Gesetze, die zum Recht der Natur nicht können gebracht werden, zu diesem geoffenbahrten allgemeinen Rechte gehören, und nicht nur etwan absonderlich die Jüden angehen. Und nach diesen Kennzeichen muß man auch untersuchen, ob ein dergleichen Gesetz in der Schrifft vorhanden, so die Ehe mit des Weibes Schwester verbiethe und zu diesem allgemeinen Gesetze gehöre, es möge nun solches in Mose, oder andern Büchern der Heiligen
|| [285]
Schrifft enthalten seyn.
Solte aber in tiefferen Nachdencken diese hypothesis, daß ausser dem allgemeinen
natürlichen Rechte, auch ein allgemeines von dem natürlichen Rechte
unterschiedenes geoffenbahrtes Gesetze vorhanden sey, für falsch und irrig
befunden werden; so begreiffet man leichtlich, daß alsdann die Erörterung der 3.
und 4. Frage keinen grossen(Bey der dritten u.
vierdten.) Nutzen habe. Denn wenn es schon noch so gewiß wäre, daß des
Weibes Schwester in dem Mosaischen Gesetz zu heyrathen verboten sey, es möge ge
nun solches in Levit. 18. vers 18. oder an einem andern Ort enthalten seyn; so
würde doch dieses die Christen so wenig als andere Mosaische Gesetze angehen,
die dem Jüdischen Volcke alleine gegeben sind. Die dritte Frage hat zweyerley
Verstand in sich, einmahl, ob des verstorbenen Weibes Schwester mit
ausdrücklichen Worten in dem Mosaischen Gesetz verboten sey; zum andern, ob,
wenn es schon nicht mit ausdrücklichen Worten geschehen, dennoch dieses Verbot
per regulas bonae interpretationis extensivae ex identitate rationis, oder ex
aliis regulis aus andern Orten des Mosaischen Gesetzes als verboten könne
bewiesen werden? Und wenn demnach bey dieser dritten Frage das Verbot / es sey
nun auf was für Weise es wolle, ist erwiesen worden, wird die Verneinung der
vierdten und letzten Frage der Beantwortung der dritten wenig praejudiciren;
denn wenn gleich diese Ehe nicht Levit. 18. vers 18. verboten wäre, ist doch
schon genung, wenn das Verbot aus andern Oertern des Mosaischen Gesetzes
erwiesen werden könte: Hingegen wenn bey der vierdten Frage das Verbot dieser
Ehe auch aus diesem allegirten Orte dargethan wird, so ist es desto besser und
für die Beantwortung der dritten Frage desto dienlicher.
So viel nun meine bisherige Meynung belanget, nach allen diesen(Meine erste Meynung von diesen vier
Neben-Fragen.) vier unterschiedenen und distincten Fragen, so habe ich in
Institutionibus Jurisprudentiae divinae
lib. 3 cap. 2. n. 220. seq. inprimis autem n. 247. meine Ursachen deutlich gesetzt, warum ich quoad (1) dafür halte, daß diese Ehe dem göttlichen allgemeinen natürlichen Recht nicht zuwieder sey: im folgenden Capitel aber
d. l. 3. c. 3. n. 198. seq. habe ich den Inhalt dieses gantzen Streits aufs kürtzeste begriffen, und nachdem ich vorher
lib. 1. c. 4. n. 79. die criteria cognoscendae legis positivae universalis zum Grunde geleget hatte, ist
in d. c. 3. n. 99. seq.
|| [286]
weitläufftig gezeiget worden, warum ich damahls behauptet, daß quoad (2)
& (3) die Ehe mit deß verstorbenen Weibes Schwester dem durch Mosen
geoffenbahrten allgemeinen Gesetze zuwieder sey, jedoch ist aus
n. 200. seq. d. cap. 3. zugleich zu sehen, daß ich schon damahls quoad (4) der Meynung gewesen, daß der locus Levit. 18. v. 18. wenig oder nichts zu Behauptung des Verbots dieser Ehe beytrage, sondern nur die gantze Sache aufhalte und verwirre. (Warum ich hernach von derselben wieder abgangen.) Ob ich nun wohl damahlen
in nota lit. c. ad dict. c. 3. §. 110. mich vernehmen lassen, daß ich denen daselbst gesetzten rationibus dergleichen Krafft zugetrauet, daß ich, da ich nicht eines bessern durch gründliche refutationes berichtet würde, bereit wäre, diese Meynung allezeit zu defendiren, auch nachhero niemand gewesen, der mich eines andern berichtet hätte; und man sich demnach vielleicht desto mehr verwundern dürffte, warum ich von dieser Meynung abgegangen, so ist doch ex observationibus selectis Hallensibus
Tom. VI. obs. 27. §. 43. seq. zu sehen, daß, da ich den wahren Grund des geoffenbahrten allgemeinen, aber von dem Recht der Natur unterschiedenen Gesetzes etwas gründlicher untersucht, ich mich genöthiget befunden, selbige Meynung aus denen daselbst gesetzten Ursachen wieder zu verlassen.
Conf. Caput prooem. ad fundam. juris Nat. & Gent. §. 13. seq. Und obwohl wieder diese meine neue Meynung eine disputation zu Giessen gehalten worden; habe ich doch in derselben nichts gefunden, das mich hätte bewegen können, diese neue Lehre wieder zu verlassen, sondern ich habe vielmehr
in dictis Funda mentis I. N. & G. gewiesen; wie man durch die daselbst deutlich vorgestellte distinction inter praecepta justi, honesti & decori theils alle Verbothe, die wahrhafftig ad jus naturae gehöreten, erklären, theils auch die übrigen Lehren, die etwann ex reliquiis arcanorum Politicae Papisticae bißhero für allgemeine Gebote des natürlichen Rechts ausgegeben worden, in der That aber dahin nicht gehören, prüfen solte, und habe dannenhero aus denen daselbst gelegten sundamentis
in lib 3. c. 3. §. 33. & 34. gezeiget, wie zwar in der Frage von der Blutschande die Blutschande in aufsteigender Linie zwischen Eltern und Kindern denen regulis honesti & decori naturalis zuwieder sey, ferner die Blutschande zwischen Brüder
|| [287]
und Schwestern von denen meisten
Völckern für verboten geachtet worden, die übrigen Arten der Blutschande aber,
wohin auch des verstorbenen Weibes Schwester gehöret, nur durch das Mosaische
Gesetz, so allein die Israeliten angehet, oder doch nur durch andere
bürgerliche̅ Gesetze verboten worden, und es also nicht nöthig
sey, ferner bekümmert zu seyn, wie die unter den unserigen Theologis und ICtis
bisher entstandene Streit-Fragen. de sensu legis Mosaicae, worunter diejenige
von des vorstorbenen Weibes Schwester eine von denen vornehmsten mit ist,
entschieden werden solten.
Hieraus erhellet nun verhoffentlich zur Gnüge, daß ich in der Frage(Kurtze Beantwortung der vier Neben-Fragen.) von
des verstorbenen Weibes Schwester anjetzo in comparaison mit der vorhergehenden
Meynung dafür halte, daß quoad 1. quaestionem specialem diese Ehe weder contra
regulas honesti & decori naturalis, noch contra regulas justi sey, quoad
quaest. 2. dieselbe auch nicht contra legem aliquam positivam universalem
streite; und ob ich wohl nochmahlen quoad 3. der Meynung bin, daß diese Ehe ex
regulis bonae interpretationis & ob identitatem rationis Lege Mosaica
verboten,
per rationes d. cap. 3. Instit. jurispt. div. n. 99. seq. so halte ich doch auch nochmahlen quoad 4. dafür, daß der locus Levitici 18. vers 18. de polygamia, nicht aber de incestu rede. Und habe also nur quoad quaest. 2. meine vorige Meynung geändert, durch diese Aenderung aber ist diese conclusion erwachsen, daß wenn schon die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester von GOtt in der Jüdischen Republick per modum legis forensis verboten worden, dieses Vorbot doch so wenig als andere leges sorenses die Christen binde. Nachdem ich auch des Herrn Lic. Kettners weitläufftige Schrifft(Kurtze Vorstellung, was auf Herrn Lic. Kettners rationes dissentiendi zu antworten.) mit guten Bedacht gelesen, habe ich nichts gefunden, daß mich bewegen könte, diese meine neuere Meynung, die ich ohne dem nicht aus Muthwillen oder Liebe zur Neuerung, sondern mit gutem Bedacht und Gründen angenommen, wieder zu verlassen. Denn es bemühet sich zwar derselbe, theils zu beweisen, daß diese Ehe contra verba expressa Levit 18. v. 18. streite, theils aber auch rationi legis Mosaicae zuwieder sey. Alleine gleichwie ich, so viel den letzten Punct betrifft, annoch mit ihm einig bin, so viel aber den ersten anlangt, ich der gegentheiligen Meynung ex dictis rationibus zugethan verbleibe, (zumahlen Herr Lic. Kettner selbst ausführlich dargethan, daß dieser Spruch schwer zu verstehen sey, daß viele vornehme Theologi, auch der unsrigen, ihn de polygamia verstanden, und wie auf die Einwürffe zu antworten sey, gewiesen, theils daß aus dem
|| [288]
selben Text und
aus denen Worten desselben bey ihrem Leben nicht schlechterdings erwiesen werden
könne, daß diese Ehe zugelassen sey: theils daß dieses dictum auch von des
verstorbenen Weibes Schwester verstanden werden könne: und also mit einem Worte,
die Auslegung dieses Spruchs noch hin und wieder vielen vernünfftigen Zweiffeln
unterworffen sey); Also thut dieses alles wenig zur Sache, wenn dasjenige
hinwegfället, daß alle Verbote, so Levit c. 18. enthalten sind, ad legem moralem
seu universalem & naturalem gehören. Ich befinde zwar, daß der Herrr
Autor in besagter Schrifft hin und wieder, absonderlich aber thesi 25. auch die
moralitatem dicti capitis zu behaupten gedencket; aber ich befinde, daß die
daselbst gegebene rationes dergestalt nicht beschaffen, daß sie alle Levit. c.
18. befindliche Verbote, am wenigsten aber die incestus reliquos praeter
incestum parentum & liberorum, item fratrum & sororum, zu
moralibus machen solten, sondern daß ex meis novioribus doctrinis supra
allegatis ohne Mühe auf die daselbst angeführten rationes geantwortet werden
könne
(Beantwortung der ersten Haupt-Frage. Ingleichen der
andern. Rationes decidendi. Prima. Secunda.)
Derowegen ist ad quaestionem primam generalem meine unvorgreifliche Meynung, daß
ich nunmehr gewiß dafür halte, es sey die Ehe mit des verstorbenen Weibes
Schwester zwar wieder das Mosaische Gesetze, aber nicht contra Levit. c. 18.
vers. 18. noch weniger aber wieder das göttliche natürliche und alle Menschen
verbindliche Gesetze.
Die andere Haupt-Frage: Ob ein Princeps nicht Macht habe in solchem casu zu
dispensiren? beantwortete ich mit ja, und zwar aus folgenden kurtzen Ursachen
und Lehr-Sätzen:
1. Ein Regente kan in allen legibus positivis dispensiren; was aber den
göttlichen allgemeinen natürlichen Rechten zuwieder ist, dahin erstreckt sich
das regale dispensandi nicht.
2. Nun ist aber in der Beantwortung der ersten Frage gezeiget worden, aus was
Ursachen ich dafür halte, daß die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester dem
natürlichen allgemeinen Gesetze nicht zuwieder sey.
(
Tertia.
)
3. Nachdem also Herr D. Götze in seiner so genannten Ehre der Ehe mit der
verstorbenen Frauen Schwester dargethan, daß Seine Königliche Majestät in
Preussen, Unser Allergnädigster König und Herr, Mense Majo 1706 in dieser seiner
Ehe dispensiret habe; so folget von selbst hieraus, daß diese dispensatio denen
principiis jurisprudentiae universalis gemäß, und wieder dieselbe nichts zu
sprechen sey
|| [289]
Ich befinde zwar, daß wieder diese Beantwortung ausser dem was(
Rationes dubitandi
) ad quaestionem primam gehörig, hauptsächlich zweyerley angeführet werden
könne.
1) Daß Seine Königliche Majestät in Preussen gleichwohl in einem(
Prima.
) Allergnädigstden Befehl an das Consistorium zu Halle rescribiret / daß
keinem einigen Menschen Hoffnung in diesem casu zur dispensation zu machen sey,
ja daß, wenn gleich in dergleichen Fällen eine dispensatio produciret werde,
dieselbe dennoch pro sub & obreptitie impetrata zu halten wäre, wie auch
dieses der Herr Lic Kettner.
in seinck gründlichen Untersuchung p. 114. und in denen Teylagen p. 17. sehr urigiret. 2) Daß ich selbsten auch nach meiner neuern Meynung ( Secunda. )
in Fundam nt Jur. Nat. & Gent. ad lib. 3. c, 3, n. 44. ausdrücklich von mir geschrieben: Quamvis dixerimus, reliquas incestus species nullo jure naturae notari, postulat tamen ratio prudentiae, ut Princeps iis, qui & has religione vetari credunt, nec eas permittat, nec in iis dispenset. Nam & superstitiosorum habenda est ratio. Alleine hierauf ist nicht unschwer zu antworten: (Antwort auf die erste Rationem dubitandi.) Denn so viel das 1) dubium betrifft, so haben dergleichen Befehle supposito ex dictis ad quaestionem primam, quod conjugium cum defunctae uxoris sorore non repugnet legi divinae universali, nur vim & obligationem legum positivarum, welche zwar die Unterobrigkeiten und Unterthanen verbinden, nicht aber dem Principi selbst, qui supra omnes leges positivas est, etiam a se latas, die Macht benehmen, solche selbsten wieder zu ändern. Zu geschweigen, daß auch der allegirte allergnädigste Befehl nur ad Consistorium Ducatus Magdeburgici soll ergangen seyn, und also das Fürstenthum Halberstadt, worinnen diese letzte Dispensation geschehen, nichts angehet. Was II) meine eigene Worte betrifft, weiset die elaboration besagter(Auf die andere.) fundamentorum, daß ich mich bemühet, alles in kurtze positiones zu fassen, und also nicht alle Worte genau überlegen, noch bey dieser Kürtze alles so deutlich schreiben können, als ich es in Sinne gehabt. Ich entsinne mich aber nunmehro gantz wohl, daß ich in diesen Worten hauptsächlich auf das allergnädigste an das Magdeburgische Consistorium geschickte rescript reflectiret, und die darinnen gebrauchte prudenz ex suo fundamento deduciren, nicht aber gegentheilige Dispensationes
|| [290]
als denen Regeln der Klugheit
zuwieder verwerffen wollen, indem dieses auch der Haupteintention meiner
daselbst befindlichen Lehre zuwieder wäre.
Wolte man nun gleich aus besagtem Orte die Worte
Postulat ratio prudentiae ut Princeps &c. urgiren, und daraus schliessen, daß daraus nothwendig a contrario sensu zu inferiren sey, dispensationem in ejusmodi casibus repugnare rationi prudentiae, so ist doch 1. zu wissen und bekannt, daß die argumenta a contrario sensu ohnedem von nicht allzugrosser Wichtigkeit seyn, sonderlich 2. in quaestionibus circa actiones jure universali indifferentes, als welche nach dem Unterscheid der Umstände auf beyderley Weise, sive fiant sive omittantur secundum regulas prudentiae eingerichtet seyn können, ich kan auch 3. allenfalls leiden, daß besagte Worte ex ratione subjuncta dergestalt eingerichtet werden, ut loco verborum
Postutat ratio prudentiae, ut &c. sequentia ponantur
prudenter facit Princeps, si &c. wiewohl es 4) diese Aenderuug eben nicht bedarff, wenn man die folgende Worte, iis, qui & has religione vetari credunt, ansiehet; als welche gar füglich von diesem casu verstanden werden können, wenn der eine künfftige Ehegatte sich etwan einen scrupel in conscientia machte, und doch gleichwohl die Ehe gerne vollzöge, daß in dergleichen Fällen ein Princeps nicht leichte auf des einen ansuchenden Parthey Gewissen alleine sehen, und die dispensation verhängen solle; dergleichen casus aber in gegenwärtigem Fall nicht vorhanden gewesen, da weder Herr D. Götze, noch seine Ehe-Liebste sich über ihrer Ehe einen scrupul im Gewissen gemacht haben. (Beantwortung der dritten Haupt-Frage. Ratio decidendi prima.) Auf die dritte Haupt-Frage: Ob dergleichen casus nicht ja so wohl Geist-als Weltlichen, facta dispensatione, anzutreten erlaubt? antworte ich gleichfalls mit ja. Denn 1. ist abstrahendo a lege positiva dasjenige, was allen Menschen erlaubt ist, auch denen Geistlichen zugelassen / wenn nicht etwann eine special-Ursache vorgebracht werden könte, daß der geistliche Stand ratione eines besondern decori von dergleichen actionibus abstiniren müsse, dergleichen Ursache aber in gegenwärtigen casu nicht fürhanden. ( Secunda. ) 2. Leges positivae obligiren alle Unterthanen, und also auch die Herren Geistlichen zwar in conscientia, alleine da es nur leges mere
|| [291]
positivae sind, dergleichen ich per
dicta ad quaestionem primam die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester halte,
ist einem Prediger so wenig als andern verboten, aus vernünfftigen Ursachen wie
in andern legibus positivis also auch hier eine dispensation zu suchen. Ja es
ist
3) in gegenwärtigem casu die gesuchte dispensation nicht alleine(
Tertie.
) für erlaubt, sondern auch auf gewisse Masse für wohlgethan zu achten,
weil aus der Kirchen-Historie nicht unschwer dargethan werden kan, daß die
hypothesis, quod personae vel gradus Levit. 18. prohibiti ad legem moralem
& universalem pertineant, ante reformationem a Clero Pontificio deßhalb
in Schulen angeführet worden, daß die weltliche Obrigkeit desto füglicher von
dem Pabst unter dem Joche gehalten werden könte, wenn man ihnen glauben machte,
daß sie ohne des Papstes dispensation, (als welcher in dergleichen, sonderlich
aber in gegenwärtigem Fall von des verstorbenen Weibes Schwester gar vielfältig
dispensiret hat) dergleichen Heyrathen nicht vollziehen dürfften, sondern, daß
der Papst befugt sey, diejenigen Fürsten, die es für sich thäten, mit dem
Kirchen-Bann zu belegen. Daß aber dergleichen reliquiae Politicae Clericalis in
Papatu auch auf protestirenden Universitäten nachhero dociret worden, ist nicht
so wohl denen Herren Theologis als vitio seculi & neglectui doctrinae
moralis & Juris naturae zuzuschreiben, und ist dannenhero nicht
undienlich, daß einmahl auch ein Lutherischer Prediger ipso suo facto weiset,
daß dergleichen bißhero übliche doctrinen bey immer mehr und mehr zunehmenden
Licht der Wahrheit, nunmehro zu verdunckeln anfangen, wie etwan das Exempel
Lutheri und anderer Theologorum bey Anfang der reformation da sie auch wohl
gewesene Nonnen zu Weibern nahmen, viel gefruchtet, daß die irrigen doctrinen
von verbotener Priester- und Nonnen Ehe bald verschwunden; obgleich aus der
Historie der Reformation bekannt ist, daß bey Anfang dergleichen Exempel sich
ihrer viel drüber sehr geärgert und gefürchtet haben, was für böse consequentien
daraus entstehen würden.
Auf die vierdte und letzte Frage ist dieses meine Meynung, daß(Behutsame Beantwortung der vierdten Haupt-Frage.)
zwar einem jeden Unterthanen, absonderlich aber einem Lehrer unbenommen sey,
über diese Fragen von der Ehe mit des Weibes Schwester, ob dieselbe zuläßlich,
und ein Fürst dieselbe zuzulassen befugt sey oder nicht? seine Meynung bey
hierzu sich ereignender und nicht affectirter Gelegenheit so wohl münd- als
schrifftlich mit Bescheidenheit vorzutragen; jedoch geziemet sichs mit nichten,
da a Principe allbereit dergleichen dispensatio(1) Wie
weit einem Prediger) geschehen, unter dem Schein und praetext eines
Eyffers für GOttes Eh
|| [292]
re, (vergönnet sey, diese Ehefrage öffentl. zu tractiren. Und
daß sich solches nicht gezieme, wenn der Fürst in dieser Ehe dispensiret. Rationes quinque
priores.) diese Frage auf die Kantzel zu bringen, oder durch
öffentlich gedruckte Schrifften dieselbe mit Hefftigkeit zu tractiren. Denn
dadurch wird 1) der denen Obern schuldige allerunterthänigste respect und
Gehorsam verletzt; 2) nichts als öffentliche Unruhe und Spaltungen oder doch
Erbitterungen der Gemüther angerichtet, und doch 3) die Sache so wenig an Seiten
Principis dispensantis, als auch auf Seiten dessen, der da dispensiren lassen,
gehindert. Man kan auch 4) mit Grund der Warheit keinen Eyffer für GOttes Ehre
vorschützen, da ein jedweder bey Tractirung dieser Frage gestehen muß, daß die
textus legis Mosaicae allerdings difficil zu interpretiren, auch die applicatio
principiorum juris naturalis auf die quaestiones matrimoniales so leichte als
auf andre Sachen nicht, sondern vielen dubiis unterworffen sey. In dergleichen
Fällen aber geziemet sichs 5) daß zwar ein jeder, sonderlich ein Lehrer, seiner
Meynung gewiß sey, i. e. bona fide & cum judicio dieselbe aufrichtig
vortrage, aber es geziemet sich nicht, gereichet auch nicht zu GOttes Ehren,
wenn man denen dissentirenden dergleichen Freyheit nicht auch gönnen will, so
ndern in dieselben, oder wohl gar in Principem dispensantem & Ministros
ejus invehiret, sie Todt-Sünden beschuldiget, und für (
Sexta.
) dem Volcke prostituiret, zumal da 6) die Frage nicht den Glaubensgrund
angehet, inmassen beyderley Meynungen weder der Augsp. Confession, noch denen
andern so genandten libris Symbolicis zuwieder, und unter denen Lutheranern
selbst so wohl berühmte Theologi als JCti beyderley Meynungen zugethan sind, man
auch selbsten nicht in Abrede seyn kan, daß sich die quaestio pro &
contra disputiren lasse, und also undienlich ist, das gemeine Volck mit solchen
Fragen, die zur Seeligkeit eben deshalben nicht gehören, weil sie den
Glaubens-Grund nicht touchiren, irre (
Septima.
) zu machen und zu verwirren. So weisen es auch 7) die Regeln gesunder
Vernunfft, daß, wenn auch gleich ein Prediger ex conscientia erronea vermeynte,
daß ihm sein Amt nicht zuliesse, in dergleichen Fällen zu schweigen, er doch
ratione graduum admonitionis, und da die Sache post dispensationem factam,
Principem dispensantem selbst betrifft, verbunden sey, erstlich den principem
oder dessen Ministros privatim zu erinnern, und seine Gewissens-Scrupel ihnen
vorzutragen. Wenn diese privat admonition unterlassen, und die Sache so fort auf
der Kantzel und in öffentlichen Schrifften getrieben und von dem Recht der einem
Fürsten zustehenden dispensation disputiret wird, so ist dieses um so (
Octava.
) viel mehr unzuläßlich, weil 8) auch in dem Fall, da dieser gradus
adhibiret worden wäre, und a principe & ejus ministris nicht hätte
wollen at
|| [293]
tendiret werden, sich
hernach nicht einmahl geziemet hätte, das Jus Principis öffentlich zu
examiniren, und daß die geschehene dispensatio unrecht sey, zu behaupten, weil
die prostitutio Principis coram populo unvermeydlich damit verknüpfft ist, zu
welcher treue Evangelische Lehrer keinen Beruff haben, obwohl 9) das Papstthum
ex arcano politico dominandi(
Nona.
) principibus das Gegentheil behauptet, und in dieser Frage das
ausserordentliche Prophetische Amt und den Zustand der Jüdischen Republick mit
dem ordentlichen Amt der Lehrer und Kirchen-Diener, und mit dem Zustand anderer
Republicken zu vermischen pfleget, und solte 10)(
Decima.
) einem Evangelischen Prediger, wenn er gleich in andern den
Glaubens-Grund angehenden Stücken anderer Meynung wäre, von dergleichen
expositione principis ad contemtum populi, in gegenwärtigem casu nochmahls diese
Betrachtung abhalten, daß die Sache eine Streit-Frage beträffe, die von denen
Unsrigen pro & contra pfleget disputiret zu werden.
Wann aber hierwieder von einem Evangelischen Lehrer pecciret(Wenn es aber geschehen. Daß er erst mit seiner defension zu hören. Rationes pro
poena mitig anda. Prima. Secunda.) worden, ist wohl kein
Zweiffel, es habe derselbige etwas straffbares begangen. Jedoch kan die
determination der Straffe nicht wohl ante formatum processum gemacht werden, und
da man sonsten ordentlich niemand, den man nicht vorher gehöret hat, zu
condemniren befugt ist, so erfordert solches vielmehr die dem Predigt-Amt
gebührende Ehre, daß man zuförderst Prediger in dergleichen Fällen mit ihrer
defension höre. In gegenwärtigem Fall würde auch bey Abfassung einer definitivae
quoad mitigationem zu consideriren seyn, 1) daß bißher in dieser Streit-Frage
von vielen unserer Theologen und JCtorum mit einem dergleichen Eyffer verfahren
worden, und also diese pluralitas exemplorum auch andere irritiren können, 2)
daß bißhero conniventibus Principibus Evangelicis & eorum Ministris
Politicis auf denen Universitäten dociret und quotidie practiciret worden, daß
ein Prediger schuldig sey, auch des Regenten Fehler öffentlich für dem Volck zu
bestraffen; welche Connivenz abermahl in consideration zu ziehen ist, wenn durch
selbige hernach jemand verleitet wird, dergleichen zu thun. So erfordert auch 3)
die ietzt gedachte dem Predigt-Amt gebührende Ehre, daß(
Tertia.
) man das Versehen der Prediger mit gelinderer Straffe beleget, als
anderer Personen. Und pflegen Christliche Regenten (zweiffelsohne aus
Betrachtung(Bißherige ver nünfftige Praxis die Be-) der angeführten Ursachen) in
dergleichen Fällen dem sich vorhergehenden Theil eine zwar ernstliche, doch
glimpfliche Weisung geben und künfftig silentium imponiren zu lassen. Da aber
auch dieses nicht
|| [294]
(straffung betreffend.) fruchten will, ist ein
Evangelischer Fürst nicht zu verdencken / wenn er nach Befinden den unzeitigen
und ungeziemenden Eyfferer mit einer nachdrücklicheren Straffe beleget. Alles V.
R. W.
Uhrkundlich habe ich dieses responsum eigenhändig unterschrieben und besiegelt.
Halle, den 7. Novcmbris 1707.
IX. Handel. Von dem Longobardischen und von dem Teutschen Lehn-Recht / und auf
welches für dem andern zu sehen sey?
§. I.
(Etliche zu gegenwärtigem Responso
gehörige sonderliche Anmerckungen.)
DIe von denen Collegiis Juridicis begehrten Responsa gehen gemeiniglich nur auf
quaestiones juris, und zwar nicht so wohl auf quaestiones, die de
interpretatione legum handeln, als die de usu & praxi legum oder
vielmehr de applicatione legum ad facta singularia bekümmert sind. Was die facta
selbst und deren Wahrheit betrifft, pflegt man keine responsa, sondern nur
attestata zu fordern. Gleichwie aber sonst keine Regul in jure ist, die nicht
ihre vielfältige limitationes habe; also ist es auch mit jetztgedachter
Anmerckung beschaffen; massen das beykommende responsum weisen wird, daß die
drey ersten Fragen hauptsächlich nichts anders von unserer Facultät als
attestata über drey circumstantias facti begehret, die letzte aber von der
Auslegung der Reichs Gesetze handele, und was für ein Recht zu verstehen sey,
wenn in selbigen des Lehn-Rechts gedacht wird. Alle vier Fragen handeln von dem
Gebrauch der Lehen-Rechte, sowohl auff den Universitäten im dociren, als in
praxi oder in den Gerichten mit Urtheil sprechen. Es ist kein Wunder, daß so
viel teutsche Juristen noch an dem Longobardischen Recht hangen, und von denen
Teutschen Lehns-Gewohnheiten wenig oder nichts wissen, oder dieselbe verachten.
Denn sie haben von ihren Vorfahren dasselbe mit dem Justinianeischen Recht in
einem Bande bekommen, auf Universitäten er
|| [295]
klähren gehört und hernach bey denen Doctoribus viel commentarios
über dasselbige gelesen, auch von denen Practicis in causis Feudalibus alleine
allegiret gefunden. Alleine eben deßhalben, weil es mit dem jure Justinianeo in
einem Bande ist, und die historia juris weiset, daß es mit dem jure Justinianeo
zugleich aus Italien auf die Teutschen Universitäten kommen, als damahls das
Teusche Land- und Lehn-Recht darinen allein florirte und in gerichtlichem
Gebrauch war; so kan man sich auch leichtlich einbilden, daß wie das
Justinianeische Recht das Teutsche Land-Recht unter die Banck gesteckt, also
auch das Longabardische Recht dergleichen Ungerechtigkeit mit dem Teutschen
Lehn-Recht vorgenommen, und dieses Vorhaben auch beyden frembden Rechten
glücklich gelungen. Ich rede aber allein von der unter die Banck Steckung, nicht
aber von einer Landes-Räumung. Denn die Universitäts-Juristen jagten zwar die
Leute, denen die Teutschen Rechte bekannt waren, aus denen Gerichten, und sie,
die von nichts als dem Justinianeischen und Longabardischen Recht wusten, oder
wissen wolten, satzten sich an ihrer Stelle; Aber weil dieses nach und nach
geschahe, und eine gute Zeit die Liebhaber der Teutschen Rechte die Ober-Hand
noch in denen Gerichten hatten, so bleiben die Teutschen Gewohnheiten doch in
denen Teutschen Gerichten, und die Feinde derselben waren damahls vergnügt, wenn
sie nur ihre frembden leges oder capitula dabey allegiren, und also aus den
Italiänischen und Teutschen Rechten einen Mischmasch machen konten. Ob ich nun
wohl in meinen Juristischen Schrifften von der Sottise, daß man sich bißher
eingebildet, was für einen allgemeinen Nutzen das Justinianeische Recht in Praxi
habe, mehr als vielen lieb gewesen, geschrieben; so habe ich doch von dem
Lehn-Rechte, und welches von beyden in Teutschland in Praxi gelte, wenig oder
nichts gedacht. Nichts destoweniger wird, wo nicht alles, doch das allermeiste,
was ich in der disputation de rite formando statu controversiae in quaestione:
An legum Juris Justinianei sit frequens, an exiguus Usus practicus in foris
Germaniae, vom Justinianeischen Recht gemeldet, und die Thorheit der gemeinen
contrairen Meynung gewiesen, auch auf das Lehn-Recht appliciret werden können,
daß nehmlich das Longobardische Recht für denen Teutschen Lehen-Rechten und
Gewohnheiten in Teutschland keinen Vorzug habe, und weder wegen derer Stücken,
in welchen es mit denen Teutschen Lehns-Rechten übereinkömmt, gelernet werden
müsse, noch in denen, in welchen es von denenselben discrepant ist, eben weil
alsdann in zweif
|| [296]
felhafften Fällen
die praesumtion für die Teutschen Gewohonheiten seyn muß. Denn ob ich gleich von
denen Lehn-Rechten daselbst nichts gedacht, so schickt sich doch das
allermeiste, was ich daselbst weitlaufftig behauptet und gelehrt, eben deßhalben
auch auf das Lehn-Recht, weil wie gedacht, das Longobardische Recht zugleich und
so zu sagen in einem Bande mit dem Justinianeischen Recht sich in Teutschland
eingeschlichen, auch auf gleiche Weise die Teutschen Lehn-Rechte zu verdringen
gesucht. Weßwegen ich für diejenigen, denen etwan das folgende responsum
wunderlich vorkommen solte, weil Ihre lieben Herren Praeceptores sie ein anders
gelehret, besagte disputation an statt eines weitläufftigen Commentarii darüber
recommendire. Wiewohl vielleicht die Zeit bald kommen dürffte, daß die Liebe zu
denen alten Teutschen Land- und Lehn-Rechten auch sich nunmehro nach und nach
auf denen Universitäten einfinden dürffte. Von den Ursachen, die mich bewegen,
solches zu glauben, wird vielleicht bey anderer Gelegenheit umbständlicher
können geredet werden. Jetzo will ich nur diesen Umbstand melden, daß als Anno
1717. im Februario die nachkommende vier Fragen an unsere Facultät geschickt
wurden, und ich vor der relation einen praeliminar Aufsatz von dem responso
concipirt hatte, ich nicht vermuthete, daß ich in relatione bey der dritten und
vierten Frage unanimia vota in unserm collegio erlangen würde, und hatte
dannenhero den Eingang des responsi also entworffen: Als haben wir etc. uns
folgender Antwort auf die erste und andere Frage einmüthig / auf die dritte und
vierdte aber nach denen Statutis per pluralitatem votorum verglichen; Nichts
desto weniger bekame ich hernach in relatione auch bey der dritten und vierdten
Frage einmüthige resolution, und muste dannenhero das vorige concept ändern. Im
übrigen weil keine allegata legum & Doctorum von uns begehret worden,
habe ich auch keine beygefüget. Ich finde aber ietzo, daß ich bey der dritten
Frage, da von dem Ursprung des Juris Longobardici in Teutschland gehandelt wird,
ad marginem folgende Autores notiret? Rhetium ad Jus Feudale ab initio:
Schilteri jus Feudale Alemannicum in Indice, voce Longobardicum & in
praefatione introductionis ad jus Feudale, Strykii compend. jur. feud. c. 1. qu.
18.
(Das Responsum selbst)
§. II. Bey dem Responso selbst wird sonst nichts weiter zu erinnern seyn, als daß
auch dieses was sonderliches, daß weil wir nicht deapplicatione juris ad factum
gefragt worden, auch keine ächte species
|| [297]
facti hat praemittiret werden können, (obschon im Anfang des
responsi es in weitläufftigen Verstand so genennet worden). Was aber die
Gelegenheit zu demselben und denen vier an uns gethanen Fragen gegeben, ist an
statt jener kurtz in responso selbst zu lesen.
Als derselbe uns eine speciem facti nebst 4. Fragen zugeschickt, und darüber
unser gewissenhafftes votum in forma attestati begehret, demnach haben wir die
uns zugeschickte Fragen im versammleten Collegio reiflich erwogen, und uns
folgender Antwort darauf einmüthig verglichen.
Haben zwey Illustre Familien vor den höchsten Reichs Gerichten(Gelegenheit zu diesem responso.) viele Jahre in puncto succesionis Feudalis gestritten,
davon der eine sich auf die Consvetudines Feudales Longobardicas gründet, und
daß auch die Investiturae Feudales & Pacta familiae in dubio aus dem
Jure Longobardico interpretirt werden sollen, behauptet, der andere aber das Jus
Longobardicum als Exoticum & Barbarum verwirfft, und die Controvers aus
dem Speculo Suevico seu Jure Feudali Alemannico decidirt, und die Investituras
& Pacta Familiae daraus interpretiret wissen wollen, zumahlen da die
Güter quaestionis in Vicariatu Palatino & districtu Juris Suevici
gelegen, und sind uns deßhalben vier Fragen vorgeleget worden.
So viel nun die erste Frage betrifft: Ob das Jus Feudale publice(Beantwortung der ersten Frage.) bey unserer
Juristen-Facultät dociret werde? bezeugen wir, daß nicht alleine in denen
Statutis unserer Facultät dem Professori Institutionum auferleget ist, ein Jahr
um das andere das Jus Feudale publice zu dociren, sondern das auch selbiges, die
lectiones privatas zu geschweigen, publice fast alle Jahr entweder von einem
Professore ordinario oder extraordinario erklähret wird.
Bey der andern Frage: Ob das zu docirende Jus Feudale das(Der andern Frage.) Jus Longobardicum Corpori
Juris insertum, oder das obige Jus Alemannicum & Speculum Suevicum sey?
bezeugen wir, daß in unsern stätutis dißfalls nichts exprimiret worden, wir auch
nicht gewohnet sind, über den Text selbst zu lesen, sondern ein compendium z. E.
Strykii, Cocceji u. s. w. erklähren, uns aber nicht verboten zu seyn erachten,
wenn wir über den Text lesen wolten, nach Belieben entweder das Jus Feudale
Longobardicum, oder das Jus Alemannicum vel Saxonicum zu wehlen.
III. Wird gefraget: Ob unsere Facultät in causis Feudalibus tam(Der dritten Frage.) consulendo quam judicando in
defectu consuetudinum particularium nach dem Longobardischen Recht, oder nach
dem Schwäbischen zu
|| [298]
pronunciren
pflegen. Hierauf bezeugen wir, daß uns nirgends verboten, das Jus Alemannicum zu
allegiren und nach selbigem zu sprechen, auch uns nirgends geboten, nach dem
Jure Longobardico alleine zu sprechen; wir auch dannenhero in denen Fällen, da
kein Unterscheid zwischen dem Jure Alemannico & Longobardico ist, in
responsis vel rationibus decidendi nicht alleine das Jus Longobardicum, sondern
auch das Jus Feudale Saxonicum & Alemannicum, (jedoch einer mehr als der
andere, nachdem einer von denen Collegen und Concipienten mehr oder weniger
Liebe zu den Longobardischen oder Teutschen Lehns-Gewohnheiten hat) zu allegiren
pflegen. Daferne aber zwischen denen Longobardischen und Teutschen
Lehens-Gewohnheiten eine discrepanz ist, pflegen wir auch in defectu
consuetudinum particularium in dubio nach dem Jure Saxonico vel Suevico zu
sprechen, und zwar aus folgenden, unsers Erachtens handgreiflichen Ursachen;
weil so wohl das Jus Feudale Longobardicum als das Jus Saxonicum &
Suevicum beyde von Privat-Leuten ohne öffentlichen Geheiß zusammen getragen
worden; das Longobardische Recht von denen Lehens-Gewohnheiten in Italien, der
Sachsen- und Schwaben-Spiegel aber von denen Lehens-Gewohnheiten in Teutschland
zeugen, auch unstreitig ist, daß man in Teutschland von dem Jure Longobardico
vor dem 15. Seculo gar nichts gewust, sondern bloß nach denen Teutschen
Gewohnheiten gesprochen, biß mit denen Universitäten auch das Jus Longobardicum
aus Italien in Teutschland kommen, und die Professores desselben Gelegenheit
gesucht / die alte Teutschen Gewohnheiten zu verdrengen, auch etliche regierende
Herren bewogen, die Longobardischen Gewohnheiten in gewissen Fällen zu
approbiren, und also kein Zweiffel ist, daß so ferne das Longobardische Recht
deutlich recipiret worden, auch darauf zu sprechen sey, indessen Verbleibung
aber die in dem Sachsen- und Schwaben Spiegel aufgezeichnete Lehen-Gewohnheiten,
(zumahlen da dieselbigen in gar sehr wenig Stücken von einander discrepiren) so
lange für allgemeine Teutsche, oder doch zum allerwenigsten in denen zu dem
Pfältzischen oder Sächsischen Vicariat gehörigen Landen für allgemeine
Gewohnheiten gehalten werden müssen, biß die reception des Longobardischen
Rechts erwiesen worden. Jedoch gleichwie wir dem Sachsen- oder Schwaben Spiegel
keine autoritatem Juris scripti einräumen, sondern nur für ein privat Zeugnüß
von der damahlig üblichen Gewohnheit ansehen, und im übrigen gar wohl erkennen,
daß in beyden Spiegeln in allerhand historischen, politischen und andern Puncten
gar viele grobe Schnitzer, (wie dergleichen auch in
|| [299]
dem Longobardischen, oder wohl gar
in denen geschriebenen Rechten selbst hin und wieder gezeiget werden können)
anzutreffen; Also pflegen wir auch hauptsächlich dahin zu sehen, ob in re
controversa das Jus Alemannicum mit der Historie derselben Zeiten übereinkomme
oder nicht, und in casu discrepantiae die Sache weiter zu untersuchen, in
Mangelung der discrepanz aber dem Autori des Juris Alemannici ratione facti zu
trauen, und folglich diese bezeugte Teutsche Gewohnheit der Longobardischen,
wenn jene nicht von dieser in specie und ausdrücklich vertrieben worden,
fürzuziehen.
Endlich bey der IV. Frage,
(Beantwortung der vierten Frage.)
Auf was vor ein Jus commune Feudale, an Longobardi cum Corpori Juris insertum? an vero Alemannicum vel Suevicum a Schiltero & aliis privatis editum, die höchste Reichs-Gerichte per Constitutiones Imperii in Controversiis Feudalibus ex Vicariatu Palatino eo delatis in defectu Consuetudinum Particularium gewiesen seyn? kömmt es nicht auf unser Zeugnüß, sondern auf unser Responsum cum rationibus an Ob nun wohl gar viele Doctores dem Juri Longobardico bißhero den Vorzug gegeben, und dieselbe ohnstreitig die dissentientes an der Anzahl überwiegen; D. a. d. dießfalls nicht auf das praejudicium autoritatis, sondern auf das Gewichte der rationum zu sehen, und aber offenbahr, daß in denen Reichs Constitutionibus diese Frage mit deutlichen Worten nicht decidiret ist, auch an wenig Orten in denen Reichs-Constitutionibus des Lehn-Rechts nahmentlich gedacht wird, oder wenn es ja geschiehet
als z. E. Käyserl Landfriede 1648. tit. von Poen der Friedbrecher / verbis: was das Lehn Recht vermag. Cap. Leopold. §. 4. verbis: denen Reichs-Constitutionen oder Lehn-Rechten gemäß / & §. 39. verb. denen Lehn-Rechten gemäß sich dazu qualificiret. entweder eine in denen Longobardischen Lehn-Rechten mit eingerückte constitutio Imperatoria verstanden wird, oder es solche Sachen betrifft, darinnen die Teutschen und Longobardischen Gewohnheiten nicht discrepant, oder aber von einem Italiänischen Fürsten die Rede ist; und wenn gleich hernacher das Longobardische Recht unter denen in Reichs Abschieden zu mehrmahlen vorkommenden Worten: allgemeiner Räyserlicher Rechte, verstanden werden solte, weil es dem Juri Justinianeo einverleibet worden, dennoch auch die Käyserlichen Rechte in Teutschland nur als ein Jus subsidiarium recipiret sind, und
|| [300]
nach denen deutlichen Worten der Reichsh. R. Ordn. tit. 1. erst in Mangel guter Ordnung und Gewohnheiten auf die Käyserlichen Rechte gesprochen werden soll, durch die Gewohnheiten aber nicht alleine particular Gewohnheiten, sondern auch allgemeine Teutsche oder in einem Vicariat recipirte Gewohnheiten zu verstehen sind; Als halten wir dafür / daß die höchsten Reichs-Gerichte per Constitutiones Imperii in Controversiis Feudalibus ex Vicariatu Palatino eo delatis in defectu Consuetudinum particularium, auf die consuetudines communes, davon das Jus Alemannicum (jedoch unter der bey voriger dritten Frage geschehenen restriction) zeuget, und erst hoc deficiente auf das Jus Longobardicum tanquam subsidiarium gewiesen seyn. V. R. W.
§. I.
(Eigentliche und vornehmste Urfache dieser Alberkeit.)
ANno 1711. wurden uns aus einem Catholischen Orte zweyeyerley Hexen-Acta wieder
zwey Weibes-Personen zugeschickt, daß wir darinnen in beyden sprechen solten.
Diese waren nun recht tumm und albern geführet worden, daß ein vernünfftiger
Mensch nicht meynen solte, möglich zu seyn, daß gelehrte und kluge Beamte
dergleichen Dinge vorzunehmen capable wären. Aber wenn du dich selbsten und die
Welt wohl kennest, wirst du dich nicht verwundern, sondern unterschiedene
Ursachen von dergleichen Tummheit allegiren, auch diejenige, die sich auf
gegenwärtigen Fall hauptsächlich schickt, von denen andern wohl unterscheiden
können. Ubereile dich dannenhero nicht etwan, und schreibe die Ursache ja nicht
der Catholischen Religion zu: Denn ob ich gleich in etlichen Schrifften deutlich
gewiesen, daß das Laster der Hexerey aus dem Pabstthum herkomme, und daß der
Teuffel, der die Hexen auf den Blockers-Berg führet, bey ihnen schläfft,
Bündnüsse mit ihnen macht, noch ein sehr junger Teuffel, und noch nicht einmahl
fünff hundert Jahr alt sey; so haben wir Lutheraner uns doch nicht eben breit zu
machen Ursach, indem zwar dieser junge Teuffel anfängt bey uns hier und dar
nicht mehr so sehr
|| [301]
veneriret zu
werden, als etwa noch vor 30. Jahren geschehen; aber nichts destoweniger sich
noch eine grosse Menge von gelehrten Leuten unter uns befindet, die gar gerne
entweder ein paar Leichen-Predigten umsonst halten, oder über die Institutiones
gratis lesen, oder etliche Pfund Pillen verschencken solten, wenn sie es dahin
bringen könten; daß die Evangelischen Landes-Herren ihnen vergönneten, wegen
dieses zu Beybehaltung ihrer Infallibilität so nöthigen Glaubens-Artickels vom
Hexen-Teuffel eine Zusammenkunfft (es möchte nun wieder in dem Closter zu Berge,
oder sonst wo seyn) zu halten, und eine neue formulam concordiae zu schmieden,
und diejenige, so dieselbe nicht unterschreiben wolten, aus dem Lande zu jagen.
Zudem so ist der gegenwärtige Handel also beschaffen, daß auch nach der gemeinen
Lehre der Catholischen in demselben kein tüchtig indicium von der Hexerey
anzutreffen, und also bey dieser tummen Conduite des Amtmanns hauptsächlich gar
nicht darauf zu sehen war, daß die Sache einen Hexen-Handel betraff, sondern er
vermuthlich auch in andern Fällen genug Proben von seiner Alberkeit werde
gegeben haben: Aber auch hieran ware die Catholische Religion nicht schuld; denn
wir finden auch unter denen Evangelischen Gerichts-Beamten noch täglich
dergleichen Exempel; massen nicht leichte ein Monath vorbeygehet, da nicht ein
dergleichen Exempel solte in denen Collegiis Juridicis vorkommen. Die
hauptsächliche Ursache dieser Alberkeit kan ich auch nicht wohl des Mannes
Unfleisse auf Universitäten oder sonst seinen bösen Begierden oder lasterhafften
inclinationen zuschreiben: denn allem Anschen nach mag er wohl auf den
Universitäten seinen cursum Juris, wie er auf Universitäten damahl getrieben
wurde, wohl inne gehabt haben; ja ich finde in den gesamten Acten mehr indicia
eines Fleisses und einer Ehrlichkeit, als Faulheit und lasterhafftiger Affecten.
Und ich glaube, der Leser wird mit mir dißfalls einig seyn, wenn er den allhier
exhibirten Extract der Acten wird gelesen haben. Also bleibet nun wohl nichts
übrig, als ein natürlicher defectus judicii, den er doch auch mit vielen von der
Evangelischen Religion abermahls gemein hat.
§. II. Ob nun wohl bey dieser Beschaffenheit der Nutzen dieses(Anmuthigkeit dieses Handels. Relation der ersten) Handels fürnehmlich nicht dahin zielet,
die absurdität der Lehre vom Hexen-Teuffel daraus zu erläutern, so wird doch der
Umbstand, daß sich der gute Mann eingebildet, die ihm verdächtigen Leute wären
wahrhafftig Hexen, dem Leser diesen Handel nicht verdrießlich machen, sondern um
desto angenehmer seyn, wenn er siehet, was abergläubische Lehren bey Leu
|| [302]
ten, (Comödie 1695. Erster Actus: von der Gelegenheit zu
derselben.) die keinen natürlichen Verstand haben, und etwa in der
Jugend mit der Furcht für dem Knecht Ruprecht auferzogen worden, für noch
ridicülere Würckungen zuwege zu bringen pflegen, als wenn sie ein gutes
natürliches judicium mit auf die Welt gebracht, oder sich beyzeiten solches zu
erlangen bemühet hätten: Ich werde aber meinem Gebrauch nach weder den Ort, noch
den Nahmen des Amtmanns nennen, jedoch bey den Nahmen der Inquisitinnen und der
Zeugen aus vielen Ursachen hier diese Behutsamkeit nicht brauchen, zumahlen da
es insgesamt gemeine und sehr wenigen bekannte Leute sind. Die erste Person
heisset Catharina Schlieperin, und war bereits Anno 1695. wieder dieselbe die
Inquisition ergangen, aber wegen der Alberkeit bald liegen blieben.
Actum den 19. Aprilis 1695.
Kam diesen Abend Balthasar Warnecke zwischen 7. und 8. Uhren zu dem Amt und
begehrte, daß man Obrigkeits wegen Weyland Chrlstian Schliepers Behausung möchte
besichtigen lassen, zumahlen es darinn alleweil mit einem Licht hausen thäte,
als wenn es alles in Brand stecken wolte.
Hierauf habe ich der zeitliche Amts-Vogt, nebest dem Chur-Fürstl. Förster Julio
Hartmann, dann Ihrer Gnaden des Herrn N. Jäger, Hans Jacob Müller und gedachten
Balthasar Warnecken, wie auch meinen beyden Knechten zu der Schlieperin Hauß
mich begeben, und gesehen, daß die Fenster bald hell, bald verdunckelt worden.
Erwehnte Weyd-Leute aber, und mein des Amt-Vogts klein-Knecht Hanß, haben sich
näher zu dem Haußgewagt, und zurück kommend referiret, wie daß sie gesehen, daß
etwas in Gestalt eines Mannes von unnatürlicher Grösse in der Schlieperin Stube
den Arm beweget, und das Licht wie ein Blitz darinn herum gefahren, letzlichen
aber es geschienen, als wenn ihrer zwey um den Tisch herum tantzen thäten.
(Alberne Aussage sechs furchtsamer Hasen.)
§. III. Das war nun der erste actus dieser Comoedies und ist aus demselben wohl
zu mercken, daß ihrer sechs Personen hier benennet werden, die sich feste
beredet, der Teuffel wäre bey der Schlieperin in der Stube, und also gleichsam
das Corpus delicti ausmachen wollen, 1. der Amts-Vogt, und 2. 3. seine beyden
Knechte, 4. ein Förster, 5. ein Jäger, 6. der Denunciant Warnecke, und hatte
doch keiner das Hertze, daß er recht nahe an daß Fenster gegangen wäre und
hinein gesehen hätte, geschweige denn, daß sie in die Stube zur Schlieperin
gegangen wären, und gesehen hätten, was doch die eigentiiche Ursache ihrer
Furcht gewesen. In der registratur wird zwar gemeldet, daß der Förster, der
Jäger und der kleine Knecht etwas näher hinzugegangen wä
|| [303]
ren, aber die Registraturen von 27.
May werden unten zeigen, daß diese drey als die Hertzhafftesten vier Schritte
vor dem Fenster stehen blieben, und sich nicht näher hinzugetrauet, und daß also
vermuthlich der Herr Amts-Vogt, und sein groß-Knecht, nebst dem denuncianten,
etliche vier oder noch wohl mehr Schritte zurücke blieben, damit sie sich desto
eher retiriren könten, wenn etwa der Hexen-Teuffel aus dem Fenster herausfahren
solte. Ja es ist noch notabler, daß er nur registriret, was die erstgemeldeten
dreye gesehen; von sich aber und den andern dreyen registriret er nichts, daß
sie was gesehen: Ob sie nun so gestanden, daß sie nichts sehen können, oder ob
sie aus Furcht gar die Augen zugehalten, daß sie nichts sehen können, stehet
dahin.
§. IV. Dem allen unerachtet hielte doch der Herr Amts-Vogt(Der andre Actus.) das
registrirte indicium für sufficient, eine recht mühsame inquisition anzustellen,
in welcher er es sich auch rechtschaffen angelegen seyn liesse, hinter dieses
crimen Magiae zu kommen, und zwar secundum regulas artis,
Actum den 20. April. 1695.
Der Schlieperin ihre Nachbarn und zwar in specie Johannes Haue und Adam Engelhard
referiren, daß sie und zwar der letztere zum öfftern gesehen, daß es in relictae
Christian Schliepers ihrer Stuben so helle gewesen, auch die Funcken herum
geflogen, als wenn es das Haus anstecken wolte.
Catharina Schlieperin giebt hierauf die Antwort, daß sie davon keine
Wissenschafft hätte, es müsse denn daher rühren, weil sie alle Abend ihre Katze
auf den Boden zu bringen, das Licht aber auf den Hauß-Aehren zu hängen pflegte,
so sie gestern Abends auch gethan hätte; bald hierauf recolligirte sie sich, und
sagte nein, sie hätte kein Licht gehabt, auf ferners Befragen, ob sie nicht ein
Licht gehabt und wohin sie solches gestellet, sagte sie, daß sie es über den
Tisch gehäncket, vielleicht auch wohl an die Blasen; vielleicht wäre sie wohl
des Nachts mit dem Licht in den Stall gegangen, und hätte gemolcken.
Interrogata: Ob sie mit dem Licht die Katze hinaus gebracht resp. Nein, denn sie
hätte bey Tage die Katze aus der Stuben gebracht.
Regina Schlieperin filia Catharinae interrogata, ob gestern ein fremder Mann in
ihrem Haus gewesen? Resp. Nein. Ob gestern Abend ihre Mutter das Licht vor die
Stuben-Thür gehangen und bey dem Lichte gemolcken?. it. Ob ihre Mutter die Katze
des Abends auf den Boden zu bringen pflege? Resp. Nein.
Actum eod.
Andreas Sieborgers, welcher eben kranck gelegen, Eheweib referiret, was gestalt
ihr Mann sie gefragt ohngefehr vor 4. Wochen, ob der alte
|| [304]
Helmhold (der Schlieperin Vater)
todt wäre: und als sie repliciret, warum er diß frage, habe er gesagt, daß er
früh zwischen 3 und 4. Uhr vor Christian Schliepers Fenster kommen und gesehen,
daß einige Weibes-Menscher mit Trauer-Mützen in der Stuben gestanden, er an das
Fenster geklopfft und vor seinen Vater Toback abholen wollen, worauffdie Weiber
sobald wegge / offen wären.
Catharina Schlieperin resp. Daß sie einmahl 2. Bergknappen, it. einen, ferner 2.
Weiber beherbergt, könte sich aber nicht erinnern, ob damahls, als Andres
Sieborger den Toback abgeholt, 2. Weibes-Personen bey ihr geherberget.
(Dritter Actus.)
§. V. Andreas Sieborger, dessen im vorigen paragrapho gedacht worden, hatte eben
so viel Courage als der Herr Amts-Vogt mit seinen fünff Cameraden, wie die
folgende registratur ausweiset.
Actum den 23. April. 1695.
Auf Catharina Schlieperin Ersuchen wird Andres Sieborger praevio juramento über
das, was er gesehen, abgehöret und deponiret, daß er zwey Weiber mit
Trauer-Mützen in der Schlieperin Stube gesehen, deren die gröste einen
Butter-Töppen unter dem lincken Arm gehabt und mit den Finger darinnen herum
gewischet, Deponent habe hierauf das Fenster aufmachen und den Toback heraus
langen wollen, so er aber nicht eröffnen können, es wäre ihm sobald ein Grauen
ankommen, indem die 2. Weiber unter einem seinen Augenmaß nach in der Stube
gehangenen Rückgarn hindurch gekrochen, und sich sobald verlohren; die
Schlieperin habe ihm darauf den Toback zum Fenster heraus gegeben, das Licht
habe in der Schlieperin Stube gehangen, u. wäre er von dem damalgen Schrecken 3.
biß 4. Tage unpäßlich gewesen.
Catharina Schlieperin erklähret sich hierauf, daß sie die hohe Obrigkeit und ihre
Befreundten darüber zu Rathe nehmen wolle.
Actum eod. Nachmittag
Jost Schlüter hinterbringet dem Amts-Voigt nomine Catharina Schlieperin, daß ihre
Freunde davor hielten, weil Sieborger sie nicht gescholten, so hätte sie nicht
nöthig, die Sache weiter zu suchen, oder bey der hohen Obrigkeit zu klagen.
(Der vierte Actus.)
§. VI. Ob nun wohl die Schlieperin in ihrer Antwort raison hatte, und wenn gleich
die zwey Weiber durch das Garn gekrochen wären und sich verborgen hätten, so
wäre doch dieses ja so wenig ein indicium gewesen, daß die Schlieperin eine Hexe
seyn müste, als die Folge in dem bekannten dicterio richtig ist: Baculus stat in
angulo, ergo cras pluet: Nichts destoweniger hielte der Herr Amtsvoigt es seinen
Pflichten gemäß, daß er die bisherigen registraturen seinen Obern und
Vorgesetzten den 13den May berichtete. Ich habe zwar vergessen zu excerpiren,
was er darauf für Antwort erhalten. Vermuthlich aber wenn ich die übrigen
excerpta und was daraus ferner soll vorgestellet wer
|| [305]
den, betrachte, so mag ihn wohl
befohlen seyn, ferner zu inquiriren, welches aber der gute Mann nach seiner
Einsalt auch de inquisitione speciali & responsione ad articulos
verstanden. Und also liesse er es sich nun recht angelegen seyn, die
eingebildete Hexerey ans Tages-Licht zu bringen.
Actum den 7sten May. 1695.
Hans Bode Gerichts Schöpffe deponirt bey seiner Pflicht, es hätten Catharina
Schlieperin, dero Mutter und Großmutter den Nahmen, daß sie Hexen wären, gehabt,
woher diß Gerüchte entstanden, wisse er nicht, ausser daß einmahl in der
Schlieperin Hause ein Feuer gewesen, welches verdächtig vorkommen wäre.
Idem deponirt Andreas Hund Gerichts-Schöpffe 70. Jahr alt, doch habe er von
Catharina Schlieperin nichts specielles gehört, dieses Jahr wäre das Gespräch
wegen des in der Schlieperin Hauße gesehenen unnatürlichen Lichts öffentlich
gegangen, daß dieselbe eine Hexe wäre. Er habe gehört, daß die Glocke, als der
Schlieperin Kind vor 5. Jahren begraben worden, zersprungen, woraus die Leute
gemuthmasset, daß Inquisita eine Hexe wäre.
Dietrich Schmiedt Gerichtsschöpffe 60. Jahr alt deponirt, das die Schlieperin und
ihre drey Geschwister, so lang er sie gekennet, die Nachrede gehabt, daß sie
Hexen wären, woher solche entstanden, wisse er nicht, doch hätte er gehört, daß
der Drache in der Schleperin Hauß gefahren, item daß die Glocke, als ihr Kind
begraben worden, zersprungen, item daß man vor ohngefehr 11. Jahren in der
Schlieperin Hauß ein helles Feuer gesehen, und vemeinet es brenne darinnen, auch
gestürmet, aber gleichwohl kein Brand darinn gewesen sey.
Heinrich Breckefeld 40. Jahr alt, und Einwohner deponirt an Eydes statt, er habe
vor ohngefehr 11. Jahren von seinem Giebel, welcher an des Schliepers Haus
angebauet, gesehen, daß mitten in des Schliepers Haus ein grosser Glantz, wie
ein Feuer gewesen, welcher nach sein, des Zeugen, Gipffel geschienen, und
vermeinet, es brenne, habe es auch seiner Frau, und daß sie das ihrige salviren
solle, gesagt, und sey zu Christian Schliepern ins Brauhauß gelauffen, und habe
ihm angezeigt, daß Feuer in seinem Hauß wäre, darauf er ihn zu stürmen geheissen
/ welches deponent auch gethan, und nach dem Glockenschlag gleich nach
Schliepers Hauß gelauffen, aber weiter nichts gesehen oder gehöret hätte, dahero
zu Christian Schliepern gesagt, das ist der Teuffel im Hauß, worauf ihn Zeugen
Christian Schlieper verklagt, und begehret, er solle beweisen, daß seine Frau
eine Hexe wäre; Weil er aber sich verantwortet, daß er nicht gesagt, daß die
Schleperin eine Hexe wäre, sondern daß er Feuer in des Schliepers Hauß gesehen,
wäre es dabey verblieben.
|| [306]
Johannes Hahn, der Schlieperin recht gegen über wohnender Nachbar, ward mit dem
Zeugen-Eyd würcklich belegt und deponirt, daß Catharina Schlieperin und ihre 3.
Schwestern für Hexen-Volck gehalten würden, warum / wisse er nicht. Ubrigens
habe er ohngefehr um die letzte Fastnachtszeit des Nachts um 10. Uhr ein Licht
in der Schlieperin Stube gesehen, welches ungewöhnlicher Massen offt und
geschwind darin etwa eine Viertel Stunde lang herumgewemlet, er habe es für ein
Gespenste gehalten, weil nicht gewöhnlich, daß man mit einem Licht so geschwind
herumfahre.
Balthasar Warnecken, 30. Jahr alt, deponiret an Eydes statt, er habe kürtzlich
vor der letzten Fast-Nacht in der Schlieperin Stube einsmahlen des Nachts um 8.
Uhr gesehen ein grosses Licht, so hin und wieder bald in diesen bald in jenen
Winckel, bald auf die Balcken, bald auf die Erde geflogen, bald aus, bald wieder
angangen; und sey dieses nach der Hand fast alle Abend ieweilen bald, ieweilen
spät in der Nacht vorgangen, jeweilen habe es lang, jeweilen kurtz gewähret. Die
Frau, welche das an der Schlieperin Hauß gleich stehende Hauß von der
Schlieperin zur Miethe besitzet, habe auf sein Befragen gesagt, daß niemand
ihres Wissens damahlen bey der Schlieperin gewesen, und pflege dieselbe das
Licht an die Brade-Kacheln zu hängen, welches gantz dunckel brenne.
Catharina Fischerin der Schlieperin Inquilina deponirt, die Schlieperin habe,
wann sie bey deroselben gewesen, ihr Licht an der Bradtpfannen hangen gehabt,
und brenne solches dunckel. Sie habe anderthalb Jahr in der Schlieperin Hauß,
worin die Badstuben ist, gewohnt, und hätte die Schlieperin in dieser Zeit ihr
Slaff-Bette continuirlich in der Stube gehabt, auch darinn geschlaffen.
Julius Hartmann Förster deponirt an Eydes statt, er sey mit dem Jäger Hanß Jacob
Müller, und des Amts-Voigts Klein-Knecht Hansen Wolff vor ohngefehr 5. Wochen
des Abends vor der Schlieperin Hauß, und etwa 4. Schritt vor dero Stuben-Fenster
gangen, und habe gesehen, daß mitten in der Stuben seines Bedünckes auf der
Erden ein dunckel Licht gestanden, welches aber auf einmahl an einen andern Ort
an die Seiten und zwar wiederum dem Ansehen nach auf die Erde kommen seye;
wiewohlen nun daselbst das End und die Ecksäule der Stuben, auch an derselben
das eine Fenster sey, so habe es doch geschienen, als wenn noch ein Fach
zwischen der Ecksäulen und dem Fenster sey, und habe sich ein Schatten, in
Gestalt eines grossen Mannes zwischen der Ecksäule und dem anscheinenden Fach,
(welches jedoch würcklich hieselbst sich nicht befindet) herfürgethan, sich
gleichsam zu jemand geneiget, und den Arm dahinwerts gebogen, bald darauf sey es
aufgestanden, und so groß gewesen, daß das eine an der Ecksäulen stehende
Fenster gantz beschattet worden, jedoch daß man noch dadurch eine Helligkeit in
der Stuben sehen können, hierauf habe es geschienen, als ob zwey einander bey
den Armen gefasset,
|| [307]
und mit
einander herum tantzeten, wodurch die Fenster bald etwas verdunckelt bald wieder
hell worden, die also tantzende wären etliche mahl gantz geschwind herum
gewischet, endlich sey das Licht gar aus gangen, und nichts mehr zu sehen
gewesen / er Deponent aber vor Schrecken zurück gangen.
Hanß Wolff 24. Jahr alt deponirt an Eydes statt, er sey von ohngefehr 5. Wochen
mit dem Förster und Jäger des Abends um 8. Uhr vor der Schlieperin Hauß gangen,
und habe gleich an diesem Hauß stehend gesehen, daß in der Stuben anfänglich ein
Licht zur rechten Seiten gewesen, solches aber hernach zu der lincken Seiten
geschwind kommen, und hierauf an der Ecksäule, als wann noch ein Fach vor der
Ecksäule, welches doch nicht ist, sich befinde, geschienen; aus diesem
anscheinenden Fach sey ein Schatten herführ kommen, welcher als wie ein Arm
eines Kerls nach der andern Seittn zu sich etliche mahl gebogen nnd gesencket,
wodurch der Schlieperin beyde Fenster verdunckelt, bald aber wiederum hell
worden, und das Licht, wie auch der Schatten in der Stuben etliche mahl
geschwind herum gelauffen sey, worauf ihm eine Angst ankommen, und nachdem er zu
dem Förster gesagt, das ist der Teuffel, vor Schrecken davon gelauffen.
Vergangnen Samstag den 21. sten hujus habe deponent wieder ein helles Licht in
der Schlieperin Stube gesehen, und solches seinem Herrn dem Amtsvoigt angezeigt.
Herr Amtsvoigt referirt, daß er auf seines Knechts Anzeige nach der Schlieperin
Stube gegangen, und hierauf gesehen habe, daß ein sehr helles Licht inwen dig
vor der Schlieperin Stuben-Fenster gestanden, und bald aus, bald wieder angangen
sey, solches Spiel habe fast eine Viertel Stunde gewähret.
Christophel Hoppenhausen ohngefehr 28. Jahr alt, deponirt von denen Mist-Fuhren,
die er der Schlieperin gethan, von Bezahlung des Fuhr-Lohns, von einer andern
Holtz-Fuhr und ihrer Zahlung, wie er den Abend darauf 10. Beulen an den Kopff
bekommen als Hüner-Eyer, und was er des andern Tags, da er die Mast-Schweine aus
dem Walde abholen wollen, in den Schultern und Armen vor Schmertzen bekommen,
etc. (Die übrigen Umstände siehe in artic. inquis. n. 79. seq.) habe in diesen
Schmertzen 3. Wochen zubracht, biß er zweymahl Maykraut, und einmahl einen
Maywurm eingenommen, worauf 15 paar böse Dinger so als Schnecken und Froschleich
ausgesehen, von ihm gangen per fistulam genitalem, solches habe 3. Tage und
Nacht gewähret, er auch dabey so grosse Schmertzen gelitten, als wenn man ihm
das männliche Glied abschneiden wolte; darauf habe er Linderung empfunden, die
Schulter-Blätter aber wären rückwerts ausgetretten, wie Deponent würcklich
gezeiget, könne nun weiter keine schwehre Arbeit thun.
Herr Amtsvoigt referirt, das Hoppenhausen vor diesem casu ein Baumstarcker Mensch
gewesen.
|| [308]
Jost Schlüter deponirt, als Inquisita zu ihm ins Haus kommen, und begehret, daß
er dem Amtsvoigt sagen möchte, er wolle nicht übel nehmen, daß sie gesagt, sie
wolle die Sache wegen Sieborgers bey der hohen Obrigkeit suchen, wäre die Milch
von seiner Kuh etliche Tage hernach gantz unbrauchbar worden, wann sie Tag und
Nacht gestanden, voller Blasen worden, daß man nichts davon weder zu Käß noch
Butter brauchen können. Das Kalb, welches schon ab gesetzt gewesen, wäre
erkrancket, daß es gar nicht fressen wollen, als aber seine Frau unter das
Futter Weyh-Wasser gethan, sey die Milch, welche man darauf gemolcken, wiederum
gut gewesen, und habe auch das Kalb wiederum gefressen und zugenommen, seiner
Frau aber, welche in Kind-Bette gelegen, sey die Milch hierauf vergangen und
habe fast 8. Tage keine Milch gehabt, als sie aber zur Kirchen gangen, und die
Brüste mit Weyh-Wasser benetzt, sey ihr die Milch gleich wiederkommen. Er
deponent wisse nicht, daß die Schlieperin jemahlen sonst in seinem Hause
gewesen; wisse auch keine Ursache, warum Inquisita ihm obiges zugemuthet, als
vielleicht diese, weil er bey dem Amts Schreiber gebraucht würde.
Johaan Hahn deponirt von seiner nebst Hoppenhausen der Schlieperin gethanen Fuhre
Holtz.
Adam Engelhart deponirt, daß weil er der Schlieperin Hause gegen über wohne, habe
er seit der letzten̅ Fastnacht mehrmahlen ein ungewöhnlich Licht
in ihrer Stube gesehen, so bald da bald dort gewesen, sey zuweilen bald,
zuweilen spät des Abends gesehen wvrden, habe jeweilen lang, jeweilen kurtz
gewähret.
(Kurtze Vorstellung der Alberkeit der gesamten indiciorum.)
§. VII. Aus diesen registraturen siehest du nun, daß alle indicia wieder die
Schlieperin in folgenden Umständen bestanden. Der vornehmste war das
ungewöhnliche, oder wie es genennet wird, unnatürliche Licht, wofür sich sowohl
der Förster, als des Amts-Vogts Knecht so sehr gefürchtet, daß der Knecht, der
es für den Teuffel gehalten, gar davon gelauffen etc. (von welchen auch schon
stracks anfangs oben §. 2. und 3. gedacht worden). Es wird aber die Antwort der
inquisitae ad articulos bald zeugen, daß es mit diesem Licht gantz natürlich
zugegangen, daß man aber die Schlieperin, ihre Mutter und Groß-Mutter für Hexen
gehalten, jedoch ohne Beysetzung der geringsten tüchtigen Ursach, ist wohl kein
indicium sufficiens. Noch vielweniger aber die Muthmassung, daß die Schlieperin
deswegen eine Hexe sey, weil die Glocke gesprungen, da ihr Kind begraben worden;
was die Urfache ferner sey, daß man gemeynet, es brenne in der Schlieperin
Hause, wird auch seine Erläuterung in der Antwort ad articulos bekommen, und
hätte diese Erläuterung sowohl wegen dieses eingebildeten Feuers, als von dem
sogenannten unnatürlichem Licht, auch geschehen können,
|| [309]
wenn der Amts-Vogt vorher die
Schlieperin summarisch, jedoch glimpflich darüber vernommen hätte. Was
Hoppenhausen von seiner Kranckheit gesagt, das kan auch wohl, wenn es anders
alles wahr ist, aus unzeitiger Furcht und Einbildung geschehen seyn, indem man
viel Exempel hat, daß dergleichen furchtsame Einbildung noch wunderlichere
Würckungen vorgebracht. Jedoch wäre dabey auch zu untersuchen, ob nicht der
Hoppenhausen eine Venerische Kranckheit gehabt hätte, davon er seine Schande zu
bedecken, die wahren Umstände nicht melden, und lieber die wahre Ursachen mit
einer vorgegebenen Hexerey bemänteln wollen. Und diese schreckhaffte oder
furchtsame Einbildung, ingleichen fallacia non causae ut causae wird noch mehr
durch das Exempel, das Jost Schlüter angeführet, bescheiniget, worzu noch eine
andre abergläubische Einbildung gekommen, nemlich vom Weyh-Wasser und worzu
selbiges gut sey.
§. IIX. Ob nun wohl der Amts-Voigt dieses hätte bedencken,(Der fünfte actus: Abhörung über
Artickel u. Confrontation.) und ehe er mit der
Abhörung ad articulos fortgefahren, zu vorhero seinen Obern diese neuen
registraturen zuschicken sollen, so hat ihn doch die tieffe Einbildung von dem
unnatürlichen Licht, und muthmaßlich auch das, was vom Weyh-Wasser gemeldet
worden, angetrieben, daß er alsbald des andern Tages drauff die Schlieperin auf
Artickel vernommen, und mit den Zeugen confrontirt.
Actum den 28. May 1695.
Wurde Inquisita zu dem Amt durch den Gerichts-Diener gefodert, und über
vorhergende articulos inquisitionales gütlichen vernommen, worauf dieselbe
deponirte, wie folget; Art. 1. Wie Inquisita hiesse? Resp. Catharina
Schlieperin. 2. Wie alt sie sey? 38. Jahr. 3. Wer ihre Eltern und Groß-Eltern
gewesen? Ihr Vater lebe noch und heisse Andreas Helmolt, wer ihre Mutter
gewesen, wisse sie nicht, habe gehöret, daß dieselbe Orthia geheissen und 9.
Jahr zu Einbeck gedienet habe, dero Zunahmen wisse sie nicht, habe auch nicht
gefragt, wie dero Zunahmen sey; ihre Mutter sey gestorben, als sie deponentin 8
Jahr alt gewesen. 4. Was dieselbe vor ein Gerücht von sich gehabt? Sie hätten
einen guten Nahmen gehabt / und würde ihren Eltern und Groß-Eltern niemand etwas
Böses nachsagen können. 5. Wie lange Inquisita verheyrathet gewesen und mit wem?
19. Jahr mit Christian Schlieper, welcher im Octobri vorigen Jahrs gestorben
sey. 6. Ob und wie viel Kinder sie erzielet? Affirmat, und zwar 3. Söhne und 2.
Töchter. 7. Ob denn einige, wann, und an was vor Kranckheit dieselbe gestorben?
Affirmat, und wären 2. Söhne an den Blattern gestorben, der 3te Sohn vom Pferd
gefallen und habe von diesem Fall
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Fall Jahr und Tag gesiechet, sey auch endlich davon gestorben und 6tehalb Jahr
alt gewesen. 8. Ob ihr nicht ein Sohn gestorben und gesagt worden, derselbe sey
behext gewesen und davon gestorben? Affirmat prius, posterius non audivit. 9. Ob
nicht bey dessen Begräbniß die kleine Stimm Glocken, als man angefangen dieselbe
zu läuten, zersprungen? Die Glocke sey bey dem Begräbniß gedachten ihres Sohnes
zersprungen, welcher den Sambstag vor Ostern damahln wäre begraben worden. 10.
Ob nicht die Leute daraus judiciret, daß dieses Kind sey todt gehext worden?
Nescit. 11. Ob nicht insgemein sey geredt worden, sie Inquisita habe ihr Kind
tod gehext? Nescit, und habe es von niemanden gehöret. 12. Ob nicht Inquisita
von mehr als einem Jahr her ihr Schlaff-Bett beständig unten in ihrer Stuben
gehabt, und daselbst geschlaffen habe? Affirmat. 13. Wer daselbst bey ihr
geschlaffen habe? Ihre 2. Töchter, deren die älteste 12, die jüngste 3. Jahr alt
sey. 14. Ob nicht Andreas Sieborger etliche Wochen vor Ostern lauffenden Jahrs
des Abends Toback bey ihr bestellet? Affirmat. 15. Ob nicht Inquisita zu diesem
Sieborger gesagt, er solte morgen früh den Toback, so sie vor ihr Fenster legen
wolte, abholen? Affirmat. 16. Ob nicht Andreas Sieborger auch des andern Tags
früh morgens vor ihrem Fenster sich eingefunden habe? Resp. Sie wisse es nicht.
Interrogata, ob nicht Andreas Sieborger den vor Ostern des Abends bey ihr
bestellten Toback den andern Morgen vor Tag selbst abgeholet habe? Resp. Sie
wisse nicht, ob Andres Sieborger, oder dessen Eheweib den Toback abgelanget
habe, denn es habe bey ihr jeweilen Sieborger, jeweilen dessen Frau Toback
gelanget, gestunde aber endlich, daß Sieborgers Frau niemahlen so früh Toback
bey ihr gehohlet habe, sie wisse auch nicht, ob dieser Toback vor Tag, oder als
es schon Tag gewesen, abgeholet worden. 17. Ob sie nicht damahlen schon ein
Licht in der Stuben gehabt? Negat. 18. Wer sich damahlen in ihrer Stube bey ihr
befunden habe? Wisse nirgends von, wisse auch nicht, daß sie jemand in ihrem
Hause damahls gehabt habe, wenn sie je Leute gehabt, wären es keine Leute
gewesen, deren sie hehl hätte (i. e. deren sie Scheu trage) wüste aber nicht,
daß sie damahlen Leute bey sich gehabt habe. 19. Ob nicht damahlen zwey
Weibs-Personen bey ihr in der Stuben gewesen? Negat. 20. Wer dieselbe gewesen?
Cadit. 21. Ob nicht die eine von diesen Weibern ein Butter-Töpffen unterm Arm
gehabt? Cadit. 22. Was dieselbe damit gemacht habe? Cadit. 23. Ob nicht diese
Frau inwendig in den Topff mit dem Finger herum gewischt? Cadit. 24. Ob nicht
Andres Sieborger damahlen ihre Stuben-Fenster eröffnen wollen? Nescit. 25. Ob
nicht obgedachte 2. Weibs-Persohnen sich damahlen hinter etwas, so in der Stuben
gehangen / verkrochen? Sie wisse von keinen Weibern, welche damahlen bey ihr
gewe
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sen. 26. Ob nicht Inquisita
damahlen in dieser Stuben gewesen, das Fenster ein wenig eröffnet, und dem
Andres Sieborgen den bestellten Toback heraus gegeben habe? Sie wisse nicht, daß
Sieborger damahlen des Morgens vor dem Fenster gewesen, sie habe den Toback
heraus gegeben, ob aber derjenige Mensch, dem sie den Toback gegeben, der
Sieborger oder dessen Frau gewesen, wisse sie nicht. 27. Ob sie zu dem Sieborger
damahlen etwas gesagt habe, und was? Nescit, ob sie bey Reichung des Tobacks
etwas geredt habe. 28. Ob sie nicht bey dem Amt allhier, nachdem der Amts-Vogt
sie über obiges vernommen, etliche Tage hernach begehret, daß Sieborger wegen
des, so er in ihrem Hauß gesehen haben soll, eydlichen vernommen werden möchte?
Affirmat. 29. Ob nicht Andres Sieborger auch in ihrer Gegenwart einen Eid
gethan? Affirm. 30. Ob nicht der Amts-Vogt allhier sie nach abgehörten Andres
Sieborger gefragt, ob sie weiter etwas suchen, oder mit dem, was vorgegangen,
sich vergnügen lassen wolte? Affirm. 31. Ob sie nicht geantwortet, sie könte
hieran noch kein Genügen haben, sondern wolte die hohe Obrigkeit und ihre
Freunde hierüber zu Rath nehmen? Affirmat. 32. Ob sie solches würcklich gethan?
Bey der hohen Obrigkeit habe sie sich dieserwegen nicht angemeldet, aber ihre
Schwester Anna Wahligs habe sie um Rath gefragt, welche gesagt, wenn sie ein gut
Gewissen hätte, so solte sie es GOtt anheim stellen, denn Sieborger sie nicht
gescholten hätte. 33. Bey weme? Ist gehört, und habe sonst niemand um Rath
gefragt. 34. Ob nicht eodem des Nachmittags sie zu Jost Schlüter in sein Hauß
kommen, und von demselben begehret, er möchte Herrn Amts-Vogt sagen, daß sie
ihre Freunde wegen dessen, so Sieborger von ihr gesagt, befragt, dieselbe aber
dafür gehalten hätten, weilen Sieborger sie nicht gescholten, so hätte sie nicht
nöthig, die Sache weiter zu suchen? Affirmat. 35. Item der Herr Amts-Vogt möchte
nicht übel nehmen, daß sie gesagt, sie wolle die Sache bey der hohen Obrigkeit
suchen? Affirmat. 36. Wer die Freunde gewesen, welche ihr obiges gerathen? Ihre
obgedachte Schwester. 37. Ob nicht etliche Tage hernach, als sie dieses zu Jost
Schlüter gesagt, daß die von dessen Kuhe gemolckene Milch, wann solche 1. Tag
und Nacht gestanden, gantz voller Blasen und unbrauchbar worden? Nescit. 38. Ob
nicht auch des Jost Schlüters Kalb darauf kranck worden, und nicht fressen
wollen? Nescit. 39. Ob nicht kurtz darauf des Jost Schlüters Eheweibe auch die
Milch vergangen? Nescit. 40. Ob nicht Inquisita dieses alles verursachet? Negat.
41. Ob nicht die Kuhe wieder gute Milch gegeben, das Kalb wieder genesen, des
Schlüters Ehe-Weib wiederumb Milch in ihre Brüste bekommen, als ihnen
Weyh-Wasser gebraucht worden? Nescit. 42. Ob nicht den 19. April jüngsthin
Interrogata des Abends und selbige Nacht sich in ihrer Stuben befunden?
Affirmat. Interrogata: Ob sie allezeit damahlen des Abends in ihrer Stube
gewesen? Resp. Sie habe des
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Tags in
der Zacharischen Hauß die Wachte gehalten, seye Abends nach Hause gegangen, und
habe, nachdem sie das Licht angezündet, solches auch in dem Hauß-Aehren brennend
hangen lassen, sich wieder in der Zacharischen Hauß, umb ihre beyde Kinder,
welche darinnen gewesen, abzuhohlen, begeben, und sich eine gute halbe Stunde
darinn aufgehalten, hierauff sey sie mit ihren Kindern nach Hauß gangen. 43. Wer
denselbigen Abend und dieselbige Nacht bey ihr in ihrer Stube gewesen? Sie wisse
von nichts, es wäre niemand bey ihr gewesen, als der liebe GOtt und alle seine
Heiligen, darauff verlasse sie sich, hoffe, dieselbe sollen bey ihr seyn, sie
habe ein gut Gewissen, und hoffe die himmlische Crone durch ihre Unschuld zu
bekommen. 44. Ob nicht damahlen des Abends, als es schon duncke! gewesen, ein
ungewöhnliches Licht sich in ihrer Stuben sehen lassen? Nescit. Sie habe nichts
gesehen, und wann sie solches gesehen, wolte sie es selbst gesagt haben, das
Miracul müste daher entstanden seyn, weilen sie pflege in ihrer Stuben mit dem
Stahl Feuer in den Zunder zu schlagen, hernach den angezündeten Zunder in
Schäbenwerck zu legen, darmit herumb zu weiffen, und wenn solches Flammen fängt,
dabey Strohe, und mit diesem brennenden Strohe das Licht anzuzünden, welches sie
auch selbigen Abend gethan habe. Sie habe nichts gesehen, und weilen es andere
Leut gesehen, sie aber nicht, so müsse es ein sonderbahr Verhängniß seyn, es
wäre ein Greuel, wie sie es von andern fremden Leuten gehöret. Interrogata was
dieses vor fremde Leute wären? Resp. Sie wisse dieselbe so gleich nicht zu
nennen. Endlichen nennete sie Johann Hahn und Adam Engelhardt. Als sie nun
erinnert wurde, daß dieses keine fremde Leute wären. Resp. Sie wisse sonst keine
kremde Leute. 45. Ob nicht damahlen in ihrer Stuben bey der Eck-Säulen sich
etwas herfür gethan, welches sehr groß gewesen? Nescit. 46. Was dieses gewesen?
Nescit. 47. Ob nicht dieses grosse Ding gleichsam den Arm jemanden zugereichet
und in ihrer Stuben mit jemand herum gewischet, als ob es mit jemand tantzete?
Nescit. 48. Ob nicht Inquisita mit diesem grossen Ding in ihrer Stuben getantzet
habe? Negat. 49. Ob nicht Inquisita des andern Tags von dem Amts Vogt allhier
wegen dieses den Abend vorher und sonst in ihrer Stuben gesehenen Dings und
hellen Lichts befraget worden? Affirmat. 50. Was sie darauf geantwortet habe?
Sie habe geantwortet, sie wisse es nicht, es müste daher rühren, weilen sie
pflege ihre Katze des Abends auf den Boden zu bringen, und das Licht in den Hauß
Aehren zu hangen, sie hätte sich aber hierinnen verschwätzet, und habe selbigen
Abend nicht bey Licht, sondern des Abends noch bey Tag die Katze auf den Boden
gebracht, denn sie habe von Andreas Sieborgers Eheweib den andern Oster-Tag eine
Katze bekommen, selbige zwar gleich in der Stuben und im Hauß herum lauffen
lassen, 5. Abend aber nach einander auf die Cammer oben auf den Boden
eingesperret, um daselbst des Nachts
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zu mausen. 51. Ob sie nicht gesagt, sie habe keine Wissenschafft davon, es
müsse daher rühren, weilen sie alle Abend ihre Katze auf den Boden zu bringen,
und das Licht in den Hauß-Aehren zu hengen pflege, welches sie den damahligen
Abend vorher auch gethan habe? Affirmat 52. Ob sie nicht gleich darauff, nachdem
sie sich ein wenig besonnen, gesagt, Nein, sie habe kein Licht selbigen Abend
gehabt? Negat 53. Ob sie nicht auf Befragen endlichen gestanden, daß sie zwar
ein Licht gehabt, solches aber über den Tisch gehencket habe? Sie habe gesagt,
sie pflege das Licht wohl über den Tisch auch an die Blasen zu hengen, auch wohl
mit dem Licht in den Stall zu gehen und zu melcken. 54. Ob sie nicht auch ferner
gesagt, sie hätte das Licht vielleicht auch wohl an die Blasen gehangen,
vielleicht wäre sie wohl des Nachts mit dem Licht in den Stall gegangen und
hätte gemolcken? Affirmat. Intetrogata, Warum sie, vielleicht, geantwortet, da
sie doch des Tags gleich darnach gefraget worden, und wohl wissen können, was
sie des Abends mit dem Licht gethan? Es hat aber Inquisita nichts positive
hierauff antworten wollen. 55. Ob sie nicht hernach gestanden, daß sie den Abend
vorher die Katze mit dem Licht nicht aus der Stuben gebracht, sondern solches
bey Tag gethan habe? Affirmat. 56. Ob nicht falsch sey, daß sie des Abends ihre
Katze auf den Boden zu bringen pflege? Repetit praedeposita ad art. 50. 57 Ob
nicht falsch sey, daß sie damahlen des Abends bey Licht gemolcken? Negat. Als
ihr nun ihrer Tochter den 19den April gethane Aussage vorgehalten wurde, sagte
Interrogata, ihre Tochter habe aus Furcht, daß sie die Mutter, weilen sie bey
Licht gemolcken, möchte gestrafft werden, gesagt, sie hätte noch bey Tage
gemolcken. Sie Deponentin habe selbigen Abend, als sie ihre Kinder aus der
Zacharischen Hauß geholet, gemolcken, und habe alle Abend bey Licht gemolcken,
und solches müsse ihr Inquilinus attestiren. 58. Warum sie bey damahliger Verhör
so offt und vielmahl in ihren Reden variiret, und wie sie mit dem Licht des
Abends vorher sich verhalten habe, sich nicht erinnern wollen? Weilen ihr ein
und das andere nicht gleich eingefallen. 59. Ob nicht solches wegen ihres
hierbey habenden bösen Gewissens geschehen? Negat. 60. Ob nicht etwa 3. Tag
hernach, als der Amtsvoigt allhier sie Inquisitam wegen des in ihrer Stuben
gesehenen ungewöhnlichen Lichtes zur Rede gesetzt, dessen Rindvieh bey ihrem
Hauß vorbeygangen? Sie habe dieses nicht beobachtet; gestund aber, daß des
Amtsvogts sein Rindviehe, wenn es über die Ruhm zur Weyde gienge, vor ihrem Hauß
vorbeygehen müßte, und um selbige Zeit das Vieh über die Ruhm zur Weyde gangen
sey, 61. Ob nicht den Abend darauf des Amtsvoigts melckende Kühe, deren 14.
angefangen in dem Stall zu toben und zu wüten, in die Krippe gesprungen und
niemand zu sich lassen wollen? Wisse es nicht, und habe nichts davon gehöret.
62. Item, alle diese Kühe, wann man dieselbe melcken wollen, den Urin 1. v. von
sich
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gelassen? Similiter. 63. Ob
nicht diesen Kühen die Milch gantz vergangen, und von 14. Kühen kaum ein halber
Eymer Milch auf einmahl hat können gemolcken werden? Similiter 64. Ob nicht
diese gemolckene Milch gantz zehe und voller Blasen worden? Similiter. 65. Ob
nicht Inquisita diese Kühe also behexet? Negat. 66. Ob nicht vor einigen Jahren
in ihrem Hauß ein helles Feuer / ob brenne es darinn, gesehen, und deswegen mit
der Glocken gestürmet worden? Sie habe nicht gehöret, daß auch vor etlichen
Jahren ein Feuer sich in ihrem Hauß habe sehen lassen; kurtz darauf sagte
Inquisita, sie erinnere sich daß Christian Dietrich vor etlichen Jahren Lermen
gemacht, ob brenne es in ihrem Hause, es sey aber die Helligkeit des unter dem
Kessel in dem gemeinen Brauhauß damahls brennenden Feuers gewesen, welches, wann
die Thür des Brauhauses aufgemacht würde, vor ihren Hauß-Giebel schlage und hell
mache. Gedachter Dietrich wäre damahlen truncken gewesen, und als derselbe
solche Helligkeit des Feuers an ihrem Hauß gesehen, vermeynend es brenne, wie
sie dann auch selbst wegen des gemachten Lermen nicht anderster vermeynet, als
es brenne, ihre Sachen zu salviren angefangen, ihre Kinder aus dem Hauß
gebracht, und nach dem Stall gelauffen, und das Vieh loß gemacht hab. 67. Ob
nicht damahlen ihr Mann Christian Schlieper im Brauhaus, sie aber zu Hauß
gewesen? Affirmat. 68. Ob nicht nach beschehenem Stürmen und Zulauffen in ihrem
Hauß weiter nichs gesehen worden, sondern daß gesehene Feuer verschwunden
gewesen? Es habe sich befunden, daß kein Feuer in ihrem Hause gewesen. 69. Was
sie Inquisita auf beschehenes Stürmen und Zulauffen der Leute gethan habe?
Repetit priora ad art. 66. 70. Ob man nicht sie gantz stille angetroffen habe?
Negat. 71. Ob nicht jederman dafür gehalten, daß dieses in ihrem Hause gesehene
Feuer der Teuffel, und derselbe bey ihr gewesen; Nescit, und habe nichts davon
gehöret, es hätte ihr solches niemand unter die Augen gesagt. 72. Ob nicht kurtz
vor letzterer Fastnacht einsmahlen des Abends ein ungewöhnliches helles Licht in
ihrer Stube sich sehen lassen: Nescit, mit dem Anhang: vor dem casu worüber der
Herr Amtsvoigt sie vernommen, scil. 20 April. habe sie nichts von deßgleichen
gehöret, es habe ihr auch vorher niemand etwasdavon gesagt. 73. Ob nicht dieses
Licht damahlen in ihrer Stuben ungewöhnlicher Massen offt und geschwind herum
gewemlet? Nescit. 74. Ob nicht dieses Licht damahlen in ihrer Stuben hin und
wieder, bald in diesem bald in jenem Winckel, bald auf den Balcken, bald auf die
Erde geflogen, bald aus bald wiederum angangen? Similiter. 75. Ob nicht dieses
ungewöhnliche Licht seither Fastnacht fast alle Abend und auch oft in der späten
Nacht sich sehen lassen, und obgedachter Massen handthieret? Nescit, sie habe
nichts gesehen noch gehöret. 76. Wie lang dieses Licht, wann es sich sehen
lassen, in ihrer Stuben geblieben? Cadit. 77. Was dieses vor ein Licht ge
|| [315]
wesen? Similiter. 78. Ob es nicht
der Teuffel gewesen, und derselbe sie besuchet habe? Sie wisse nichts davon, es
möge der Teuffel oder seine Mutter gewesen seyn. 79. Ob nicht Christoph
Hoppenhausen ihr der Inquisitin und ihrem Mann vorm Jahr um diese Zeit 3. Fuder
Mistgefahren? Ehe man diesen Artickel der Inquisitae vorgehalten, wurde sie
befragt, wer ihr und ihrem Manne seither einem Jahr s. v. Mist und andere Sachen
gefahren habe, worauf sie, daß Clauß Niestatt, Lucas Zimmermann dieses Jahr,
vorm Jahr aber Dietrich Schmidt, Adam Braumeister und Andreas Monicke ihr s. v.
Mist gefahren hätte, antwortete, und auf mehrmahliges Befragen, ob niemand mehr
ihr gefahren, beständig sagte / daß sonst niemand ihr gefahren habe; als sie
aber ad hunc articulum vernommen wurde, sagte sie, daß sie sich erinnere, daß
auch Christoph Hoppenhausen ihr 3. Fuder Mist vorm Jahre gefahren habe. 80. Ob
nicht dieser Hoppenhausen sich geweigert, mehr Mist zu fahren, weilen sie zuviel
aufladen thäten? Affirmat, und weilen es damahl starck geregnet, der Mist aber
auf einen Berg hätte müssen gefahren werden. 81. Ob nicht Hoppenhausen sie
etliche mahl um das Fuhrlohn dieser 3. Fuder Mist gemahnet? Affirmat. 82. Ob
nicht dennoch keine Zahlung erfolget und warum? Affirmat, weilen sie das Geld
nicht gehabt hätte. 83 Ob nicht Inquisita nach der Hand dieses Fuhrlohn des
Hoppenhausen seinem Vater zugestellet, und von demselben begehret, daß sein Sohn
ihr wiederum s. v. Mist fahren mögte? Wisse nicht, ob sie oder ihr Mann das Geld
des Hoppenhausen seinem Vater zugestellet habe, im übrigen habe sie von des
Christoph Hoppenhausen seinem Vater begehret, daß sein Sohn ferner ihnen s. v.
Mist fahren mögte. 84. Ob nicht Christoph Hoppenhausen sich dessen geweigert?
Des Christoph Hoppenhausen Vater habe auf ferner begehrte Mist Fuhr geantwortet,
er könne nicht fahren lassen, weilen er ein Pferd verhandelt, und nur zwey
Pferde noch hätte. 85. Ob sie nicht nach der Hand gute Worte geben, daß er ihr
ein Fuder Holtz vor Weyhnachten vorigen Jahres gefahren? Affirmat. 86. Ob nicht
Johann Hahn mit dem Christoph Hoppenhausen das Fuder Holtz vor ihrem Hauß
abgeladen, dieser fortgefahren, Hahn aber in ihren Haus geblieben sey? Affirmat.
87. Ob nicht Inquisita begehret, daß Hoppenhausen auch in ihr Hauß kommen solte?
Affirmat. 88. Warum sie solches begehret? Um demselben das Fuhrlohn zu geben,
zumahlen Hoppenhausen 3, Johann Hahn aber nur 1. Pferd bey dieser Fuhre gehabt
habe. 89. Ob nicht Inquisita den Hoppenhausen, als derselbe in ihr Hauß damahlen
zurück kommen, das Fuhrlohn gegeben? Affirmat. 90. Ob nicht Hoppenhausen gleich
denselbigen Abend viele Beulen wie Hüner-Eyer groß auf sein Haupt bekommen? Sie
wisse es nicht. 91. Ob nicht Hoppenhausen des andern Tags im Wald, allwo die
Mast-Schweine gangen, gewesen, und die Inquisitin, auch andere Leute mehr,
welche ihre Mast-Schwei
|| [316]
ne abhohlen
wollen, angetroffen habe? Sie wäre zwar mit andern Leuten auch im Wald gewesen,
und habe die Mast-Schweine helffen suchen, sie wisse aber nicht, ob sie den
Christoph Hoppenhausen damahlen gesehen, oder auch mit demselben geredet habe.
92. Ob nicht Hoppenhausen, Inquisita und die andere fast 3. Stunden die Mast
Schweine gesuchet, und Inquisita bald vorn, bald neben, bald hinter ihnen
hergegangen? Sie wäre mit andern Leuten im Wald herum gangen, habe aber nicht
observiret, ob sie vor, neben oder hinter Hoppenhausen hergegangen sey. 93. Ob
nicht Hoppenhausen nach diesem Suchen, als er nach Hauß gehen wollen, in die
Schultern und beyde Arme solche Schmertzen bekommen, daß er weder liegen, sitzen
noch stehen, und küm̅erlich wiederum nach Hauß kommen können?
Nescit, als daß die Leute gesagt, daß Christoph Hoppenhausen, als derselbe aus
dem Wald kommen, kranck und gantz lahm worden. Interrogata, wer solches gesagt?
Resp. Johann Hahn und dessen Eheweib hätten solches vor sie gesagt. 94. Ob nicht
Hoppenhausen in diesen Schmertzen fast 3. Wochen zugebracht habe? Nescit. 95. Ob
nicht 15. paar böse Dinger von ihm abgegangen? Nescit. 96. Ob nicht Inquisita
dem Hoppenhausen diese Schmertzen und böse Dinger angehexet habe? Nescit.
Actum eodem.
Wurde Inquisita wegen des, so sie hin und wieder geleugnet, theils nicht wissen
wolte, mit einem und andern confrontiret und zwar ad art. 16. mit Andres
Sieborgern. Inquisita gestehet endlich, daß der Sieborger vor Tag vor ihr
Fenster kommen, und den bestellten Toback abgehohlet.
ad art. 17. Inquisita, sie könne nicht sagen, daß sie damahlen vor Tag ein Licht gehabt habe, könne auch nicht sagen, daß sie es nicht gehabt habe.
ad art. 18. 19. 21. 22. 23. Andres Sieborger wiederhohlet seine Aussage, und wurde Inquisitae die deposition ihrer Tochter Reginä wegen des Rück-Garns und anderer Sachen, so in der Stube gehangen, vorgehalten. Inquisita bleibt bey ihrer Aussage mit dem Anhang, sie wisse nicht, ob sie damahlen Garn in ihrer Stube hengen gehabt, sagte aber, sie habe vor Ostern 2. Rücke Garn in der Stube hengen gehabt, und damahlen hätte sie und ihre Schwester Orthia, zu Gilshausen wohnend, des Nachts ihres Vaters End gewartet, und sey diese ihre Schwester mit ihr des Nachts Glock 1. Uhr nach Hause gangen, habe bey ihr geschlaffen, doch hätte damahlen Sieborger den Toback nicht gehohlet.
ad art. 24. Sieborger repetirt seine Aussag mit dem Anhang, daß er das Fenster nicht eröffnen können, weil es neu und ungangbar gewesen. Inquisita blieb dabey, sie wisse es nicht.
ad art. 25. Sieborger und Inquisita bleiben bey ihrer deposition.
ad art. 26. 27. Sieborger setzt hinzu, daß ihm vorkommen, als ob Inquisita, als
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er das Fenster auffmachen
wollen, hierauff hinter ihrem Bett, welches damahlen in der Stuben gestanden,
herfür kommen, und hätte Inqui sita das Fenster ein wenig aufgemacht, auch ohne
einig Wort zu reden, den Toback ihm herausgegeben, als er aber fortgangen,
hinter ihm hergeruffen, es wäre anderthalb Pfund Toback. Inquisita. Sie wisse
beydes nicht.
ad art. 42. 43. 44. deponirt Inquisitae Tochter Regina 12. Jahr alt, daß ihre Mutter aus der Zacharischen Hauß 2. mahl nach Hauß gangen, das letzte mahl wäre es dunckel gewesen / Deponentin sey der Mutter mit dem kleinen Kind gefolgt und habe damahlen die Mutter vor dem Ofen das Licht mit der Kohlen angezündet. Margaretha Müllerin, oder die sogenannte Zacharischen deponirt, Inquisita sey das letzte mahl in der Demmerung nach Hauß gangen. Inquisita sagt, als sie das erste mahl von ihrem Hauß wiederum nach der Zacharischen Hauß gangen, wäre es um die Zeit gewesen, daß einige Nachbarn schon Licht gehabt, und vorher habe sie in der Stube mit dem Stahl in dem Zunder Feuer geschlagen, den Zunder in Schebenwerck gelegt, damit herum geweisset, biß es angangen, damit Stroh / und mit dem Stroh das Licht angezündet, solches in den Hauß-Aehren gehangen, und aus der Zacharischen Hauß ihre Kinder gehohlet, da sie nach einer Viertel-Stunde nach Hause gangen, sey es dunckel gewesen. Filia Inquisitae wolte, als die Mutter läugnete, ändern, blieb endlich aber doch dabey, daß die Mutter das letzte mahl das Licht vor den Ofen mit einer Kohle angezündet. Inquisita negirte es und blieb dabey. Filia Inquisitae interrogata, was denselben Abend ihre Mutter zu Hause gethan habe? Resp. Die Mutter habe bey Licht gemolcken, und darnach das Licht in der Stube an das Fenster-Band, nach der Hand an die Brade-Kachel gehangen, das Sey-Tuch bey dem Ofen ausgewaschen, das Licht ausgethan, und sich zu Bett gelegt. Interrogata: Ob sie in ihrer Stube nichts fremdes oder ein ungewöhnlich Licht gesehen habe? Resp. Nein. Ihre Mutter habe gesagt, Adam Engelhardt wäre selbigen Abend vor ihrem Hause vorbey gangen, und hätte des andern Tags gesagt, er hätte auch etwas in ihrer Stube gesehen. Inquisita: Als sie das Sey-Tuch ausgewaschen, wäre sie an ihr Stuben-Fenster gangen, habe hinaus und Adam Engelhart sehen vorbey gehen, sich darauf ausgezogen, das Licht ausgelöscht und zu Bett gangen. Adam Engelhart citatus deponirt; als er das ungewöhnliche Licht in der Schlieperin Stube gesehen und solches dem Herrn Amts-Voigt angezeigt, wä
|| [318]
re es gleich aus, und Deponent
darauf nach seinem Hauß gangen, darauff hätte er sich zu Balthasar Warnecken
begeben, und wäre das Spiel in der Schlieperin Stube wieder angangen.
Herr Amts-Vogt referirt, es wäre Engelhart nicht lang von ihm weggewesen, da habe
man gesagt, das Licht wäre wiederum vorhanden, und habe man eins und das andere
in der Schlieperin Stube gesehen.
ad art. 52. 53. Herr Amts-Vogt bleibt bey dem, was protocollirt. Inquisita negat.
ad art. 57. Filia Inquisitae sagt, daß die Mutter selbigen Abend bey Licht gemolcken, und sie aus Furcht, ihre Mutter möchte bestrafft werden, vormahlen ein anders geredt.
ad art. 72. Wurde Inquisita befragt, wer ihr nach dem casu was gesagt habe? Resp. Andres Hund habe ihr referirt, daß sie wegen des in der Stube gesehenen Lichts wegen Hexerey verdächtig gehalten werde, vorher habe ihr niemand was gesagt, noch sie vor eine Hexe gescholten. Wann man meyne, daß sie eine Hexe wäre, möchte man sie auf ihre Kosten aufs Wasser bringen, und probiren lassen.
ad art. 73. 74. 75. 76. Warnecke addit, es wäre jeweilen, wann sich dieses sehen lassen, ein Getüm̅el in der Inquisitin Hauß gewesen, einsmahls wäre das Feuer in der Demmerung angangen und den gantze̅ Abend gewährt, wäre jeweilen 1 Stunde ausblieben, dann wieder kommen, habe sich jeweilen mit etwas, so er nicht kennen können, auf den Bäncken umgejagt, ein Fenster wäre jeweilen dunckel worden, das andre hell blieben, habe jeweilen geschienen, als wann man Pulver ansteckte und so groß als der Kopf von einem Hecht gewesen; habe nebst Martin Heisen am Charfreytag gesehn, daß diß Feuer hinter der Inquisitin Hauß, als wenn es nach der Ruhm, wo man schöpffet, gehen wollen, gewesen, im Augenblick wäre es wieder in Inquisitae Stube gewesen. Martin Heise deponit, uti prior, addit, es sey wie ein Oel-Licht in die Stube kommen. Inquisita will nichts gesehen noch gehöret haben. Hierauff ist Inquisita in Arrest genommen und befohlen worden, sie zu verwahren, daß sie nicht loß kommen möge. (Allerhand Anmerckungen von der Menge der Inqui-) §. IX. Wer solte meynen, daß es möglich wäre, daß wegen so nichtswürdigen Verdachts der Amts-Vogt eine solche Menge von Artickeln würde gemacht haben, derer die meisten doch wenig oder gar nichts zur Sachethun. Man siehet zwar seinen Fleiß daraus, indem die Umbstände weisen, daß, da er den 27. Mäy vermuthlich den gantzen Tag mit Abhörung der Zeugen und der deßwegen §. 6. excerpirten registratu
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ren zu thun
gehabt, und die darauf alsbald den 28. ejusd. erfolgte Abhörung(sitional-Artickel.) der
inquisitin ad articulos und confrontation mit denen Zeugen auch eines gantzen
Tags-Arbeit erfordert, er wahrscheinlich die Nacht zwischen den 27. und 28. Mäy
auf Verfertigung der 96. Artickel mühsam angewendet. Aber das judicium
desiderire ich nur, nehmlich, daß er alle minutias aus denen vorhergehenden
registraturen in articulos gebracht, da doch über die Helffte derselben der
Sache weder was geben noch nehmen. Jedoch hat der gute Mann noch viel Brüder
auch unter denenen unsrigen, die eben an dieser Kranckheit danieder liegen, und
weilsie gelesen, daß der Richter in inquisition Sachen die articulos
inquisitionales aus denen vorher gefertigten registraturen formiren solle,
vermeynen, sie müssen alle circumstantias in die Artickel bringen, und machen
also propter defectum judicii keinen Unterschied unter denen Umbständen, daraus
ein rechtmäßiges indicium wieder die inquisiten formiret werden möchte, und
unter denen die wenig oder nichts darzu contribuiren. Dieweil ich aber allbereit
oben §. 3. erwehnet, daß das praejudicium eines eingewurtzelten Aberglaubens die
Leute, denen es an gutem judicio mangelt, noch mehr verleite; Als wird
verhoffentlich nicht unangenehm seyn, wenn ich mit wenigen zeigen werde, wie
eben das allgemeine praejudicium vom Hexen-Teuffel, und hernach die übereilte
Beredung des Amts-Vogts, daß das sogenannte unnatürliche Licht nach seines
Knechts Meynung der Teuffel gewesen sey, die vornehmste Ursache an dieser
multiplicirung der Artickel gewesen, und daß, wenn dieses praesuppofitum richtig
gewesen wäre, die Menge der Artickel ohne grosse Schwürigkeit entschuldiget und
gezeiget werden könne, daß sie secundum leges artis formiret worden wären.
§. X. Denn es scheinet, daß der Amts-Vogt die excerpta aus(Methode der Artickel nach
zwölff vermeinten indiciis.) denen
vorhergehenden registraturen in gewisse classes eingetheilet, und daraus
fürnehmlich nach seinem judicio zwölff indicia wieder die Schlieperin formiret.
Das 1) indicium war der böse Ruff der Schlieperin, dahin gehen die ersten vier
Artickel, und ist ex jure bekannt, daß mala fama, sonderlich in Hexen-Sachen zum
wenigsten nicht zu negligiren oder auszulassen sey. Das 2) indicium war nach
seiner Meynung die zerbrochene Glocke, als der inquisitin Kind begraben worden,
von welchem articulus 5. bis 11. handeln; Denn daraus schlosse er nach seinen
Aberglauben, daß diese Zerbrechung deßwegen geschehen sey / weil inquisitin ihr
Kind todt gehexet hätte, per dicta artic. 10. & 11. Das 3) indicium war
artic. 12. & 13. daß die Inquisi
|| [320]
tin das Bette in der Stube gehabt, und mag er wohl vermuthet haben,
dieses mache eine praesumtion, als ob es deßwegen geschehen, weil der Teuffel
bey ihr geschlaffen. Das 4) indicium hat er artic. 14 bis 27. sich aus Sieborgs
Aussage eingebildet, als ob die Weiber, die sich hinter das Garn verkrochen,
Teuffelinnen in sexu foeminino, oder doch zum wenigsten andere Hexen gewesen
wären. Das 5) indicium artic. 28. bis 36. solte darinnen bestehen, daß sie
gleichwohl Sieborgen hätte begehret, eydlich abzuhören, auch Hoffnung gemacht,
daß sie dieses weiter suchen wolte, und doch hernach davon abgestanden, woraus
er judex praesumiret, sie müste sich nicht recht gewust haben. Das 6) indicium
art. 37. biß 41. solte seyn, daß sie vermuthlich (besage artic. 40) Sieborgs
Kuh, Kalb, und Weib behext, zumahl da (art. 41) der Aberglaube von Weyh-Wasser
darzu kam. Das 7) indicium war art 42. biß 48. das offtgedachte übernatürliche
Feuer, und der grosse Schatten. Das 8) indicium art. 49. biß 59. waren der
Inquisitae variationes als sie des Morgends darauf gerichtlich vernommen worden
Das 9) indicium artic. 60. biß 65. ware der Zufall, der etliche Tage darauf des
Amtmanns Kühen wiederfahren; denn daraus schloß er (artic. 65) sie würde ohne
allen Zweiffel die Kühe behext haben; (wiewohl noch dieses hierbey zu erinnern,
daß von diesen indicio in denen vorhergehenden registraturen nichts zu befinden)
Das 10.) indicium artic. 66. biß 71. war das in ihrem Hause gesehene Feuer, das
aber sich bald wieder verlohren, als woraus der Judex (artic. 71.) schlosse, es
müsse der Teuffel die Gestalt dieses Feuers an sich genommen haben. Das 11)
indicium artic. 71. bis 78. war wiederum das zu andern Zeiten bey ihr gesehene
unnatürliche Licht, daraus er abermahls (artic. 78.) schloß, es wäre dieses
Licht auch der Teuffel gewesen, der sie besucht hätte. (Wobey obiter zu mercken,
daß die arme Inquisita, die sich sonst in ihrer gantzen Aussage sehr gedultig
und bescheiden aufgeführet, ungedultig worden, indem sie geantwortet; Sie wisse
nichts darvon, es möge der Teuffel oder seine Mutter gewesen seyn) Das letzte
und 12) indicium artic. 79. bis 96. war Hoppenhausens Kranckheit, als woraus
Judex (art. 96.) wieder inferirte, Inquisitin hätte dem Hoppenhausen, diese
Schmertzen und böse Dinge angehext. Und ist hierbey nur zubetauren, daß
Hoppenhausen nicht so klug als Schlüter (de quo indic. 6.) gewesen, und es mit
dem Weyhwasser probiret; vielleicht hätte es auch bey ihm die Wunder gethan, und
diese Hererey vertrieben. Sonsten zeigen
|| [321]
auch die registraturen bey diesem letzten indicio, daß der
Amtsvogt ein gar modelter Mann gewesen seyn müsse, indem er mehrentheils, wenn
daselbst des Mistes gedacht wird, die Wörter; salva venia, darbey gebraucht.
§. XI, Wann man ferner der Inquisitin Aussage ad articulos(Allerhand Anmerckungen wegen der Inquisitin Aussage.) und bey der confrontation ansiehet, so
wird man befinden, daß sie diese anf eine solche Art gethan, daß sie zum
wenigsten ihre Sachen dadurch nicht schlimmer gemacht, als sie vorher gewesen;
Und also ist wieder was ungewöhnliches, daß der Amtsvogt, da er die Schlieperin
vorher nicht arrestiren lassen, solches erst nach der Antwort ad articulos und
der confrontation gethan. Vielmehr hätte ihre Aussage bey vernünfftigen Richtern
so viel würcken sollen, daß wenn die Inquisitin schon vorher wäre arrestiret
worden, der Richter sich vielmehr bemühet haben solte, auf ihre Wiederloßlassung
bedacht zu seyn. Denn das meiste und stärckeste indicium unter allen diesen 2.
insgesamt nichtswürdigen indiciis bestand wohl in diesen zwey Puncten: Erstlich
in dem von denen vielen Zeugen bejaheten gesehenen ungewöhnlichen Licht; und in
dem eingebildeten Feuer, weßhalben auch mit der Sturm-Glocke geläutet worden.
Denn diese beyden Umstände konten auch bey Leuten, die sonst eben so
abergläubisch nicht seyn, doch einige Gedancken machen. Alleine wenn man hernach
lieset, was die Schlieperin wegen des ungewöhnlichen und von dem Judice für
übernatürlich gehaltenen Lichte ad artic. 44. item in confrontatione ad illum
articulum geantwortet, daß sie den Zunder in das Scheben-Werk geleget, und mit
demselben in die Runde herumb geweiffet biß es zu brennen angefangen etc. so
wird man die wahre Ursache bald befinden, die die ohne dem die Inquisitin für
eine Hexe haltende furchtsamen Hasen, erst in Verwunderung und hernach in
Schrecken gesetzt, und wie dieser Schrecken hernach ihre phanthasie corrumpiret,
daß sie sich, ich weiß nicht was von einem grossen Manne und tantzenden Leuten
in der Stube eingebildet; wenn es anders alles wahr gewesen, was sie ausgesagt;
zumahl da ich in meinem excerptis nicht finde, daß alle eydlich vernommen
worden, und bey summarischen Aussagen sonst diejenigen, so wegen einer Person
gefragt werden, der sie nicht gut sind, sich weniger Gewissen machen, etwas
falsches auszusagen, (zugeschweigen, daß ohne dem ein angezündetes Licht, zumahl
wenn es auf der Erden stehet, von der Person, auf die es scheinet, einen grossen
Schatten an die Wand, fast in Riesen-Gestalt zu werffen pfleget.) Gleicherweise
benimmet die Antwort der Schlieperin ad art. 66 die aus dem 10. vermeinten
|| [322]
indicio wieder sie erweckte
suspicion wegen des eingebildeten Feuers, daß es in ihrem Hause brennete. Und
hätte billich der Amtsvogt bey der drauf folgenden confrontation die zu diesem
indicio gehörige artic. 66, biß 71. nicht so gar beyseite setzen, sondern
Christian Dietrichen, darauf sich Inquisitin bezogen, oder doch Heinrich
Berckefelden, der diesen Umstand wieder sie angegeben (supra §. 6.) mit ihr
wegen ihrer Aussage confrontiren, oder doch zum wenigsten registriren sollen
warum diese confrontation unterlassen worden.
(Ausgang dieser Comoedie.)
§. XII. Und dieses alles scheinen auch die Judices superiores, an die der
Amtsvogt von neuen die gesamten Acta verschickt, erkennet zu haben, ob sie
gleich insgesamt der Catholischen Religion so wohl als der Amtsvogt, beygethan
gewesen; massen denn selbige am 17den Juni dem Amtvogt anbefehlen lassen, daß er
die Schlieperin gegen zuleistende Caution de sistendo toties quoties der
bisherigen Hafft erlassen solle; worauf denn auch der Amtsvogt den 25. ejusd. an
die Regierung wieder berichtet, daß er die Schlieperin gegen auf 200. Thaler
bestellter caution der Hafft wieder entlassen, und endigte sich also solcher
Gestalt die erste Comoedie in eben diesem 1695. Jahr, in welchem sie angefangen
hatte; mit welcher es demnach wohl recht hiesse, was dort der Poet sagt: Maxima
de nihilo nascitur historia.
(Ein neues Possenspiel 1711. und dessen Gelegenheit.)
§. XIII. Diese Verordnung hätte billich dem Amtsvogt ein wenig klüger oder doch
behutsamer machen sollen: Gleichwie es aber sonst ohne dem heist, daß Alter
nicht für Thorheit helffe; ja wie die tägliche Erfahrung es bezeuget, daß die
einmahl befestigen praejudicia hernach im Alter mehr zu als abnehmen; also gieng
es dem guten Mann auch, und fieng er 16. Jahr nachhero ein neues Spiel an, das
man billich in Ansehen des vorigen mit einem Possenspiel vollkommen vergleichen
könte, indem der Grund desselbigen nichts als ein thörichtes Weiber-gesagtes in
sich begriffe. Nehmlich eine Frau die Kohlin hatte die Narbin, derer Mann kranck
gewesen, besucht, und da die Narbin gesagt hat: Sie wären arme Leute und hätten
nichts, hatte die Kohlin gesagt: Was kan man vor bösen Leuten haben, die einem
die Nahrung nehmen? Unter andern hatte sie noch mehr gesagt, daß die Schlieperin
3. Brodt aus frischen Korn gebacken, und ihr der Kohlin, die nebst ihrem Mann
10. arme Kinder gegehabt, ein Brodt davon gegeben, und dabey gesagt hätte: Da
will ich euch ein Brodt geben wenn ihr schon hexen könnet; darauf hätte sie die
Kohlin gesagt: Wer sagt denn das? da hätte die Schlieperin gesagt / das sagt die
Misselsche; da hätte die Kohlin gesagt: Was? sagt das die
|| [323]
Misselsche? Habe ich sie dafür zu
Gevattern gebeten? Ja, ja, ich habe ihr ein schwartz Huhn gegeben, daß sie michs
auch lernen solte, und dancke es ihr mit dem Teuffel, daß sie es mich nicht
recht gelernet. Da nun dieses gesagte im folgenden 1711. Jahr dem Amtsvogt zu
Ohren kommen, und er allen Umständen nach der Kohlin nicht zum Besten geneigt
gewesen, hat er am 19. Februario eine registratur machen lassen, als wenn der
Narbin Tochter denunciiret hätte, was die Kohlin vor einem halben Jahre von dem
ietzogemeldeten mit der Schlieperin gehabten discours erzehlet; u. hat seinem
löblichen Gebrauch nach die Kohlin in continenti über 9. articulos vernommen,
auch gleich mit Zeugen confrontirt, und sie dahin gebracht, daß da sie erst
nicht alle Umstände von dem mit der Schlieperin geführten discours wissen
wollen, weil selbiger NB. für sieben oder acht Jahren vorgegangen, sie endlich
den discours gestanden. Denn 21. Febr. ist registriret worden, daß die Kohlin
nicht erschienen, weil sie zur Ader gelassen, und daß relicta Innemanns, die
auch über der Kohlin discours vernommen werden sollen, zur Antwort gegeben: sie
hätte von dem discours wenig gehöret. Endlich hat der Judex auch den 5. Martii
Catharina Schlieperin (die vor 16. Jahren seyn sollende Hexe) die damahls
Christoph Adams Weib war, mit der Kohlin confrontiret, und unter andern gefragt:
Ob sie nicht NB. ohnlängst der Kohlin ein Brodt gebracht etc. Diese hat aber gar
von nichts wissen wollen, und Beweiß gefordert: Auch hat die Kohlin wieder
vacillirt. Hierauf hat der Amtsvogt diese Sache ein 14. Tagen ruhen lassen.
§. XIV. Den 20. Martii hat er die Inquisition wieder die Kohlin(Eine neue Gelegenheit.) continuirt / und folgende
registratur machen lassen. Weil dem Amt von Relicten Paul Narbs hinterbracht:
daß NB. ohnlängst Johann Andreas Kohl der Kohlin Sohn, kranck gewesen, und sich
Andreas Missels Uxor & Uxor Clauß Nienstädts unterstanden, denselben
superstitionibus zu curiren, und ihm die Armen und Füsse mit Weyden-Past
Creutzweiß gebunden hätten, wie die Kohlin selbst referiret, ist dieser NB. ein
Knabe von 14. Jahren, vernommen worden. Sagt: Es müsse ihm geträumet haben,
wisse nichts davon. Relicta Paul Narbs sagt, die Mutter Elisabeth Kohlin habe
ihr solches NB. vor sieben Jahren erzehlet. Die Kohlin leugnet es, und sagt
dabey, es müsse dem Knaben geträumet haben. Hierbey wird die Kohlin abermahl
über den discours, den sie geführet, als ihr die Schlieperin das Brodt gegeben,
vernommen. Sie gestehet denselben nochmahls, sagt aber dabey, sie hätte die
Worte
|| [324]
wieder die Misselin (daß ihr
dieselbe das Hexen nicht recht gelernet etc.) aus Ungedult geredet, sie hätte
von der Misselin nichts lernen wollen. Sie ist auch ferner wegen ihres Sohnes
Kranckheit mit drey Zeugen confrontiree worden. Und hat sie darauf der Amtsvogt
nebst ihrem Sohne arrestiret, und die Acta an die Regierung geschickt.
(Anderwärtige Untersuchung durcheinen neuen Commissarium.)
§. XV. Diese hat nun zwar auf den dabey eingeschickten Bericht den 24. Martii
erkannt, daß gegen Elisabeth Erich Kohls Eheweib inquiriret werden solte; aber
doch dem Amts-Vogt die direction der inquisition nicht weiter überlassen wollen,
sondern hierzu einen andern Commissarium deputiret. Ob es nun dieser klüger
gemacht, werden folgende registraturen zeigen.
Actum den 13. Aprilis Anno 1711. des Nachmittags.
Nachdem mahl befunden worden, daß das bey dasigen Amt in Inquisitions-Sachen
entgegen und wieder Elisabeth, Ehrig Kohls Eheweib, gehaltene Protocoll, der
Gebühr nach nicht eingerichtet, und der anhero deputirte Herr Commissarius
nöthig erachtete, summariter ein oder andern noch abzuhören; Als wurde Anna
Beata Narbs vorgefordert und erinnert, die Wahrheit auf dasjenige, so sie würde
befragt werden, dergestalt, wie sie auf Erfordern solche ihre Aussage mit einem
Eyd bestärcken könte, zu sagen, inmassen denn dieselbe solchem also getreulich
nachzukommen, anlobete, und demnach auf Befragen deponirte, wie folget. Als ihr
der deponentin Vater Paul Narbs ohngefehr 14. Tag vor Michaelis nechst vorigen
Jahres auf den Tod kranck gelegen, und begehret hätte, einige Nachbarn zu ihm
kommen zu lassen, so wäre auch Ehrig Kohls Eheweib Elisabeth genannt, geholt
worden, da nun ihre der deponentin Mutter geklagt und gesagt hätte, da liegt er
nun (ihren Mann Paul Narbs meynend), wir haben etliche zwantzig Jahr mit
einander gehauset, und hat er saure und schwere Arbeit gethan, jedoch wenn er
jetzo stirbt, so hinterläst er uns nicht eines Brodts werth, habe Elisabeth
Kohlin darauff repliciret, was kan man vor bösen Leuten haben, die einen die
Nahrung alle hinweg nehmen, ferner habe gedachte Kohlin damahlen erzehlet, es
wäre die Schlieperin, modo uxor Christoph Adams, wie sie Kohlin auf ihrer Wiesen
gestanden, kommen, und habe ihr Kohlin ein klein Brodt gegeben, sprechend, da
Kohlin habt ihr auch ein Brodt, wenn schon die Leute sagen, ihr seyd auch eine
Hexe, worauff als sie die Kohlin die Schlieperin gefraget hätte, wer sagt denn
das? Hätte die Schlieperin geantwortet: Das sagt die Misselsche scilicet Andreas
Missels Eheweib, worauff sie die Kohlin repliciret hätte, sagt das die
Misselsche? Habe ich sie dafür zu Gevattern gebeten? Ich habe ihr ein schwartzes
Huhn gegeben, daß sie es mich auch lernen solle, und dancke es ihr mit dem
|| [325]
Teuffel, daß sie es mich nicht
recht gelernet hat. Die deponentin habe daraus bey sich geurtheilet, daß die
Kohlin hierdurch das Hexen lernen verstanden habe; Nebst obigem habe die Kohlin
damahls auch erzehlet, sie habe einsmahln frühe Morgens in ihrer Hauß-Thür
gestanden, und gesehen, daß eine Katze über den Weg gelauffen kommen, eine
Keuthe Flachs im Maul gehabt, und über die Thür gesprungen, worauff als die
deponentin gesagt, o Herr Jesus, wo lieff sie denn hin, Ihr könnet ja aus eurer
Thür vor keine, als der Misselschen Thür sehen, hätte die Kohlin (deponentin
zeigte, wie?) den Kopff geneigt, darbey aber nichts gesagt. Es wären Elisabeth
weiland Martin Innemanns, wie auch ihr der deponentin Bruder Martin Narbs dabey
gewesen wie offt gedachte Kohlin obiges erzehlet hätte, welche auch unfehlbar
alles gehört haben würden.
Desgleichen wurde Martin Narbs vorgefordert, und ’nach beschehener Erinnerung
etc. von demselben auff beschehenen Vortrag deponiret. Es wäre ohngefehr 14.
Tage vor Michaelis voriges Jahr auf Begehren seines damahls kranck darnieder
gelegenen Vaters, Paul Narbs, unter andern Nachbarn auch Elisabeth Ehrig Kohls
Eheweib beruffen worden, auch kommen: Da nun seine deponentis Mutter sehr
betrübt gewesen, und gesagt hätte: Da liegt er nun, (scilicet ihr Mann / sein
deponentis Vater) hat sein lebtag saure Arbeit gethan, und hinterläst uns
dennoch nicht einmahl ein Brodt, hätte obgedachte Elisabeth Kohlin gesagt, da
mögt ihr ja wohl von sagen, wenn man die böse Leute bey sich hat, die einem die
Nahrung nehmen: Mehr gedachte Kohlin hätte anbey ferner erzehlet, wie daß
einsmahlen die Schlieperin, modo Christoph Adams Eheweib kommen, und hätte ihr,
als sie Kohlin auf ihrer Wiesen gestanden, ein Brodt über die Hörden zugereichet
und anbey gesagt, da will ich euch ein Brodt geben, wenn ihr schon hexen könnet;
worauff als sie Kihlin geantwortet: Ey, wer sagt denn das? Hätte die
Schlieperin geantwortet: Die Misselsche; worauff die Kohlin repliciret hätte, ey
so dancke ichs ihr, scilicet der Misselschen mit dem Teuffel, daß sie es mich
nicht auch recht gelernet; Da habe ich ihr ein schwartz Huhn vor gegeben; auf
Befragen deponirte Zeuge ferner, die Kohlin habe auch gesagt vom Gevatter
bitten, er Zeuge aber könne sich nicht recht besinnen, ob die Kohlin gesagt,
dafür habe ich sie zu Gevatter gebeten, oder: Habe ich sie dafür zu Gevatter
gebeten? Obgedachte Kohlin habe ferners erzehlet, sie seye einsmahl vor ihrer
Thür gestanden und habe gesehen, daß eine Katze eine Keuthe Flachs in Maul
habend, kommen und über die Thür gesprungen wäre, deponent aber habe nicht
gehöret, über was für eine Thür die Katze mit der Keuthen Flachs gesprungen
wäre.
Test. Martin Narbs wurde nach obigem befragt, wer mehr dabey gewesen, wie
Elisabeth Kohlin dasjenige, so er deponiret, und von demselben angezeiget, daß
Elisabeth, Martin Innemanns Witwe, und seine Schwester Anna
|| [326]
Beata Narbs es gehöret hätten,
worauff dann Elisabeth Innemannin vorgefordert und erinnert etc. auch demnach
von deroselben auf Befragen deponiret wor den ist, wie solget: Es wäre Paul
Narbs 14. Tage vor Michaelis im vorigen Jahr sehr kranck gewesen, weswegen sie
als eine Nachbarin, nebst Elisabeths Kohlin in dessen Haus beruffen worden, auch
dahin gangen wäre, als sie nun in gedachten Narbs Hause gewesen, habe sie
gehört, daß ermeldete Kohlin erzehlet, es habe die Schlieperin modo uxor
Christoph Adams ihr Kohlin einsmahl ein Brodt gebracht; und anbey zu derselben
gesagt, nehmet ihr hin das Brodt, ihr seyd keine Hexe; Auf abermahliges Befragen
zeigte dieselbe an, es habe die Kohlin gesagt, wie die Schlieperin ihr das Brodt
gebracht, hätte dieselbe zu ihr Kohlin gesagt: Nehmet hin das Brodt, es ist kein
Hexen-Brodt. Auf fernere Erinnerung, daß sie Zeugin sich wohl in acht zu nehmen
hätte, sagte dieselbe, die Kohlin habe erzehlet, daß wie die Schlieperin ihr
Kohlin das Brodt gebracht, dieselbe gesagt hätte, nehmet hin das Brodt, wenn ihr
schon eine Hexe seyd; Nebst diesem habe offt ermeldete Kohlin erzehlet, daß sie
einsmahlen eine Katze gesehen, so eine Keuthen Flachs im Maule gehabt, sie
Zeugin aber habe nicht gehört, daß die Kohlin auch gesagt, wohin diese Katze mit
dem Flachs kommen, weilen sie neben Paul Narbs Bette gesessen, und nicht auf
alles acht gegeben, dahero auch nicht gehört hätte, von einem schwartzen Huhn,
Gevatter bitten, oder wer der Schlieperin gesagt, daß die Kohlin eine Hexe sey.
Wie dann auch Elisabeth, Paul Narbs nachgelassene Witwe, vorgefordert, und
erinnert wurde etc. worauff sie deponirte, daß, als ihr Mann, Paul Narbs 14.
Tage vor Michaelis voriges Jahr zu Mitternacht angefangen sehr kranck zu werden,
sie ihre Nachbarinnen benanntlich Elisabeth Kohlin, und Elisabeth Innemannin
beruffen hätte: Da nun diese beyde Weiber kommen, hätte sie deponentin geklagt,
daß ihr Mann nun da liegen thäte, und hätten sie nichts von seiner gethanen
schweren Arbeit, worauff dann die Kohlin erwehnet, wie kan man was haben vor
bösen Leuten, die einem alles, was man sauer erwirbt, hinweg nehmen; wie nun
hierauff niemand was geantwortet, hätte die Kohlin vom freyen Stück ferner
erwehnet, die Schlieperin modo uxor Christoph Adams, kame auch einsmahln und
reckte mir ein Brodt über die Hörden zu, sprechend, da habt ihr ein Brodt, wann
ihr schon eine Hexe seyd, sie Kohlin habe darauff gesagt: Ey! wer sagt dann das?
Worauff als die Schlieperin gesagt, die Misselsche, hätte die Kohlin erwehnet,
so dancke ich ihr es mit dem Teuffel, daß sie es mir nicht auch gelernet; dafür
habe ich ihr ein schwartzes Huhn gegeben; habe ich sie darum zu Gevatter
gebeten? Ferner habe die Kohlin erzehlet, daß sie einsmahln des Morgens in der
Thür gestanden wäre, und gesehen hätte, daß eine Katze, so eine Keuthe Flachs im
Maul gehabt, auf dem Fuß-Pfad hergekommen, gleich über den Weg
|| [327]
gelauffen und über die Thür
hingesprungen wäre, über wessen Thür aber diese Katze gesprungen, hätte
deponentin, daß es die Kohlin gesagt nicht gehört, wie sie dann auch nicht
gehört hätte, daß jemand darnach gefraget habe. Ubrigens deponirte auch Zeugin,
es habe ihr die Kohlin vor ohngefehr einem Jahre erzehlet, daß als ihr Junge
Johann Andreas des Nachts einsmahln geweinet, sie in die Cammer gangen wäre,
nach dem Jungen gesehen, und demselben, was ihme wäre, gefragt hätte, da denn
dieser geantwortet, daß zwey Frauen da gewesen wären, und hätten ihn mit Bast
binden wollen, als sie Kohlin nun den Jungen gefraget, was es für Frauen
gewesen, hätte dieser gesagt, daß sie ausgesehen hätten, wie die Niestettin und
Misselschen,
Herr Amts-Vogt allhier referirte, daß, weil der Inquisitin Junge noch ein Kind so
zu rechnen wäre, auf Befragen vormahlen angezeiget, daß ihn geträumet hätte, ob
wolten ihn die zwey Weiber mit Bast binden, dessen Mutter gedachte Inquisitin
auch vormahlen deponiret, daß solches ihrem Sohn geträumet hätte. Als habe er
darauff gedachten Jungen des Arrests wieder erlassen.
§. XVI. Dieses war also die erste Scene dieses veränderten(Deren geschwinde Endigung,) Possenspiels, Und
weil ohne dem die Possenspiele nur einen actum zu haben pflegen, also expedirte
der deputirte Commissarius der Zweiffels ohne bald wieder nach Hause verlangte,
diese inquisition so ge schwind als er könnte, und absolvirte sie den Tag darauf
folgender Gestalt.
Actum den 14ten April 1711.
Wurde Herr Amts-Vogt allhier befragt, cujus famae inquisita sey, wer dero Eltern,
und wessen Beruff dieselbige gewesen? und von demselben darauff angezeiget, daß
er sein lebtag von Inquisitin nichts gehöret habe, und dieselbe jederzeit vor
eine ehrliche Frau gehalten worden wäre. Dero Eltern habe er Amts-Vogt nicht
gekennet, weilen selbige nicht aus hiesigem Lande, und wäre die Inquisitin NB.
eine Convertitin, weswegen dann ex parte Commissionis
hierauff auch weiter nicht inquiriret worden ist.
Diesem nach wurde inquisita vorgefordert, über die hernach gesetzte Inquisitional
articul vorgenommen, und darauff von derselben deponiret, wie folget;
Art. 1. Wie Inquisita heisset? Resp. Elisabeth Lossin von ihrem Vater, und Kohlin
von ihrem Mann Ehrig Kohl. 2. Wie alt sie sey? Sie sey ohngefehr 50. Jahr alt 3.
Wer ihre Eltern gewesen und wo dieselbigen gewohnet? Ihr Vater habe geheissen
Hans Loßing, und ihre Mutter habe Anna Krauin geheissen vom Vater wegen. 4. Was
dieselbe vor einen Handel und Wandel getrieben? Ihr Vater sey ein Leinweber und
sonst ein ehrlicher Mann gewesen. 5. Ob Inquisita verheyrathet sey? Affirmat. 6.
Wie ihr Mann
|| [328]
heisse? Ihr Mann
heisset Ehrig Kohl. 7. Wie viel Kinder sie mit demselben oder sonst erzogen
habe? Sie habe mit ermeldten diesem ihrem Mann 3. Kinder, so noch alle am Leben;
Vor 27. Jahren ohngefehr aber habe sie im ledigen Stande auch ein Kind mit des
Müllers Sohn auf der Seltzerhelle gehabt. 8. Ob nicht Inquisita im vorgangenen
Jahr als Paul Narbs kranck gewesen, in dessen Hauß beruffen worden? Affirmat. 9.
Ob nicht Inquisita auch dahin kommen? Affirmat. 10. Ob es nicht ohngefehr 14.
Tage vor Michaelis gewesen? Es könte wohl 14. Tage vor Michaelis gewesen seyn,
sie habe es vergessen. 11. Ob nicht Paul Narbs Eheweib damahlen geklagt, sie
wären arme Leute und hätten nichts? Dieses habe sie nicht gehört. 12. Ob nicht
Inquisita darauff gesagt, was kan man vor bösen Leuten haben, die einem die
Nahrung nehmen? Negat. sondern die Narbin habe sie inquisitin beklagt, und
gesagt, daß man vor bösen Leuten nichts haben könne, und sie Inquisitin auch
eine arme Frau sey. 13. Ob nicht inquisita ferner damahlen gesagt: Die
Schlieperin modo Christoph Adams uxor kame auch einsmahlen von ihrer Hörde,
reichte mir ein Brodt und sagte, da will ich euch ein Brodt geben, wenn ihr
schon hexen könnet? Affirmat. 14. In welchen Jahr ihr die Schleperin das Brodt
gereichet habe? Es wären wohl 14. oder 15. Jahr, daß die Schlieperin, so
dazumahlen 3. Brodt gebacken aus frischen Korne. ihr inquisitin, weiln ihr Mann
10. arme Kinder gehabt, gegeben hätte. 15. Ob nicht inquisita ferner erzehlet,
sie habe auf obiges wenn ihr schon hexen könnet gesagt, wer sagt denn das?
Affirmat. 16. Ob nicht inquisita damahlen serner erzehlet, die Schlieperin habe
geantwortet, das sagt die Missetsche? Affirmat. 17. Ob nicht inquisita ferner
damahlen erzehlet, sie habe auf obiges gesagt, sagt das die Misselsche?
Affirmat. 18. Item habe ich sie dafür zu Gevatter gebeten? Affirmat. 19. Item
ich habe ihr ein schwartz Huhn gegeben, daß sie es mich auch lernen solte?
Affirmat. addendo; Sie habe es wiederruffen wollen, und wäre es ein Sprichwort,
du hast mir ein schwartz Huhn gegeben, wenn man einem dergleichen berichtete:
dahero sie inquisitin auch gesagt hätte: ich habe der Schlieperin ein schwartz
Huhn gegeben, daß sie mich das Hexen auch lernen solte. 20 Item, und dancke es
ihr mit dem Teuffel, daß sie es mich nicht recht gelernet hat? Affirmat,
addendo: Sie wäre böß gewesen und geschmähet, daß man sie dergestalt
beschuldigen wolte, da sie doch ein ehrliches Weib wäre. 21. Wenn inquisita der
Misselschen ein schwartz Huhn gegeben habe? Sie habe ihr Lebtage kein schwartz
Huhn gehabt, und der Misselschen keines gegeben. 22. Wie und wann die
Misselschen ihr der inquisitin das Hexen gelehret habe? Die Misselin habe sie
nicht heren gelernet, sondern weilen die Misselin sie inquisitin, wie die
Schlieperin gesagt, das Hexen beschuldigen wollen, so habe sie inquisitin durch
ihre Reden die Be
|| [329]
schuldigung
wiederruffen, und die Misselin für eine Hexe auf solche Weise wieder schelten
wollen, weswegen sie dann der Schlieperin geantwortet, ich dancke es der
Misselin mit dem Teuffel, daß sie es mich nicht recht gelernet, ich habe ihr,
scilicet gedachter Misselin, ein schwartzes Huhn gegeben, daß sie es mich auch
lernen solte. 23. Ob nicht Inquisita damahls ferner erzehlet, sie habe
einsmahlen früh Morgens in ihrer Hauß Thür gestanden, und gesehen, daß eine
Katze über den Weg gelauffen kommen, und eine Keuthe Flachs im Maul gehabt habe?
Affirmat, es wäre aber dieses nicht des Morgens, sondern des Abends, nachdem sie
gemolcken gehabt, geschehen. 24. In welchem Jahre dieses geschehen sey? Es wäre
wohl schon 14. oder 15. Jahre. 25. Ob nicht Inquisita damahlen ferner erzehlet,
sie habe gesehen, daß die Katze über die Thüre gesprungen? Negat, sondern es
wäre die Katze von Innemanns Hause hergekommen, und gegen der Misselin Hause
zwar zugelauffen, ob aber dieselbe über der Misselin Thür gesprungen, habe sie
nicht gesehen, auch nicht sehen können, weiln eine Thür-Pfost da stünde. 26. Ob
nicht Anna Beata Narbs gesagt, o HErr JEsu Christ, wo lieffe sie dann hin?
Negat. 27. Ihr, scilicet Inquisita, könnet ja aus euer Thür vor keine als der
Misselin Thür sehen? Negat. 28. Ob nicht Inquisita hierauf den Kopf geneigt
habe? Negat. Interrogat. Warum sie dasjenige, was sie jetzo ad art 13. biß 20.
incl gestanden, vormahlen im Amte dahier gelaugnet habe? Resp. Sie habe es
vergessen gehabt, weiln es vor vielen Jahren geschehen, und wäre ihr erst nach
dem recht beygefallen.
Hierauf wurden die Zeugen, benanntlichen, Anna Beata, Martin und Elisabeth Narbs
(Elisabeth Innemannin ist wegen ihrer gestern gethanen vielfältigen variationen
nicht wieder citirt worden) vorgefordert, und der Inquisitin vorgestellet, daß
dieselbe ihr Inquisitin ein und anders, so sie geläugnet, in das Gesicht sagen
würden, dahero sie es freywillig gestehen, und es zu keinem Eyd kommen lassen
solte; worauf als Inquisita antwortete, daß sie nicht verlangete, daß Zugen
schwören solten, sondern sie, was ihr noch bewust, ohne dem gestehen wolte, als
wurde dieselbe nochmahlen vernommen, und von ihr deponiret, wie folget:
Ad Art. 11. Inquisita affirmat. Ad 12. Inquisita. Es wäre das Geschwätz zwar also
kommen, sie wüste aber nicht, daß es also geredet worden. Ad 23. Inquisita
bliebe darbey, daß es des Abends geschehen. Testes Elisabeth und Anna Beata
Narbs sagten, inquisita habge gesagt, daß sie in der Demmerung, als sie
gemolcken gehabt, die Katze gesehen, ob inquisita aber den Abend oder Morgen
verstanden / könte sie nicht sagen. Ad 25. Inquisita affirmat. Interrogata,
warum sie es vorher gläugnet. Resp. Sie wäre eine alte Frau, und wäre ihr jetzo
solches erst recht beygefallen. Ad 26. Inquisita bliebe anfänglich negativa,
wiederruffte aber sogleich ihre deposition, und sagte, die Beata habe gesagt, o
HErr JEsus, wo lieff sie denn
|| [330]
hin?
Interrogata: Warum sie denn mit Läugnen alleine sich aufhalten thäte? Inquisita
aber konte darauf nichts antworten. Ad 27. Inquisita affirmat. Interrogata;
Warum sie es zuvor geläugnet? Inquisita wuste darauf nichts zu antworten. Ad 28.
Inquisita sagte anfänglich, sie könte es wohl gethan haben, gleich darauf aber
gestunde sie, daß als Anna Beata Narbs gesagt, ihr könnet ja aus euer Thür vor
keine, als der Misselin Thür sehen, sie Inquisitin darauf mit dem Kopff genicket
habe.
Obigem Vorgangen wurde Lucia Kohlin, der Inquisitin Stieff-Tochter vorgefordert,
& monita de veritate dicenda befragt, und von ihr, wie folget,
deponiret: 1. Ob sie darbey gewesen, als vor einigen Jahren die Schlieperin
ihrer der Zeugin Mutter ein Brodt gegeben? Resp. affirmative. 2. Was die
Schlieperin gesagt hätte? Resp. Es wäre wohl schon 16. Jahre, daß solches
geschehen, doch erinnere sie sich, daß als dazumahlen ihr der Zeugin
Stieff-Mutter auf ihrem Hoff gestanden, die Schlieperin derselben über einen
niedrigen Zaun ein klein Brodt zugereichet, und gesagt habe, ich habe 3. Brodt
von dem Neuen gebacken, und verlobet, solches denen Armen zu geben, da habt ihr
auch eins, wenn die Leute schon sagen, ihr könnet hexen; worauf als ihre
Stieff-Mutter gefragt, wer sagt denn das? hätte die Schlieperin geantwortet, das
sagt die Misselsche, eure nechste Nachbarin, woran sie sich aber ferner nicht
gekehret hätten. 3. Ob ihr der Zeugin Stieff-Mutter auf obiges zu der
Schlieperin nicht auch gesagt: Sagt das die Misselsche? Resp. affirmative.
Interrogata: Warum sie zuvor gesagt, daß sie sich ferner daran nicht gekehret.
Zeugin schweiget auf diese Frage still. 4. Ob ihr der Zeugin Stief-Mutter nicht
auch gesagt: Habe ich sie deßwegen zu Gevatter gebeten? Item, ich habe ihr ein
schwartzes Huhn gegeben, daß sie es mich auch lernen solte? Resp. Sie habe
solches nicht gehört.
Catharina Schlieperin wurde hierauf vorgefordert, und erinnert, auf dasjenige, so
sie würde befragt werden, die Wahrheit zu sagen, inmassen denn solches zu thun
dieselbe auch anlobete, und demnach auf Befragen anzeigete, und zwar sagte sie
1) Sie pflegte allezeit 3. Brodt vom frischen zu backen, in 3. oder 4. Theile zu
theilen, und denen Armen vor der Thür zu geben, negirte aber 2) daß sie
einsmahlen der Kohlin ein Brodt gegeben, addendo, daß des Kohls Leute es auch
nicht brauchten, und als 3) derofelben vorgestellet wurde, daß der Kohl
dazumahlen 10. Kinder gehabt, sagte dieselbe, es könnte wohl seyn, daß der Kohl
10. Kinder gehabt, er habe aber dazumahlen solche nicht alle bey sich gehabt,
auf nochmahliges Fragen beständig darauf bestehend, daß sie der Kohlin kein
Brodt gegeben hätte.
Lucia Kohlin wurde zugegen gefordert, und sagte dieselbe der Schlieperin auf
Befragen in faciem, daß sie Schlieperin ihr der Zeugin Stieff-Mutter vor
ohngefehr 16. Jahren ein Brodt gegeben habe, Schlieperin bliebe in negativa,
ad
|| [331]
dendo, daß Zeugin Lucia Kohlin
ihre Feindin wäre, und sich mit ihrer der Schlieperin Tochter gezancket hätte.
Testis, sie habe gegen die Schlieperin keine Feindschafft, auf Befragen hinzu
setzend, daß sie ihre deposition beschwören könnte. Schlieperin, Sie könnte die
Kohlin zu keinem Eyd lassen, sondern dieselbe solte ihr durch Zeugen darthun,
daß sie ihrer Mutter ein Brodt gegeben hätte, sie Schlieperin könnte darauf
leben und sterben, daß sie nichts darvon wissen thäte. Lucia Kohlin wurde
hierauf der Eyd vorgehalten, und nach beschehener Erinnerung des Mein-Eydes und
dessen schwerer Bestraffung, mit dem würcklichen Zeugen-Eyd beleget, auch
demnach von ihr auf vorgestellte Fragstücke, wie folget, deponiret; und zwar ad
1. Test. affirmat, Ad 2. Testis, die Schlieperin habe gesagt, ich habe drep
Brodt von dem Neuen gebacken, und gelobt, solches denen Armen zu geben, Kohlin
da habt ihr auch eins, wenn schon die Leute sagen, daß ihr hexen könnet, ihr der
Zeugin Mutter habe darauf zu der Schlieperin gesagt, wer sagt denn das? und die
Schlieperin geantwortet, die Misselsche. Testis addebat, es habe die Schlieperin
das Brodt unter der Schürtze tragend gebracht. Ad 3 Testis. affirmat. Ad 4.
Test. sie habe solches nicht gehöret, weilen sie gleich fortgangen wäre.
Catharina Schlieperin, modo Christoph Adams Eheweib, wurde hierauf wieder
zugegen gefordert, und sagte Test. nochmahlen derselbigen in faciem, und zwar 1)
daß die Schlieperin ihr der Zeugin Mutter ein Brodt gegeben habe. Schlieperin
negabat. Testis bliebe in affirmativa. 2) Sagte Testis der Schlieperin
gleichfalls in faciem, daß es wohl 16. Jahr wären, wie einsmahlen ihr der Zeugin
Stin Mutter auf ihrem Hoff gestanden, die Schlieperin ein Brodt unter der
Schürtze gebracht (Zeugin zeigete wie Schlieperin das Brodt getragen,) ihrer
Mutter über einen niedrigen Zaun zugereichet, und gesagt hätte, ich habe 3.
Brodt von dem Neuen gebacken, und gelobet, solche denen Armen zu geben, da habt
ihr auch eins, wenn die Leute schon sagen, daß ihr hexen könnet, und daß, als
ihr Zeugin Mutter gefraget, wer sagt denn das, die Schlieperin geantwortet
hätte, die Misselsche eure nechste Nachbarin. Schlieperin negat omnia
constantissime. Testis bliebe in affirmativa. Ad 3. Testis sagte der Schlieperin
in faciem, daß ihre Mutter darauf sie die Schlieperin gefragt mit diesen
fomalien: Sagdas die Misselsche? Schlieperin wolte davon nichts wissen.
Testis sagte, es wäre doch wahr.
Maria Andreas Missels Eheweib wurde demnach vorgefordert und befragt, was sie von
Elisabeth Erich Kohls Eheweib halte, ob sie jemahls auf dieselbe einen Verdacht
gehabt, und zu Elisabeth Schlieperin, oder sonst jemand gesagt, daß gedachte
Elisabeth Kohlin hexen könne? Worauf dann dieselbige anzeigete, daß sie die
Kohlin jederzeit vor ein ehrliches Weib gehalten, und von derselben weiter
nichts, als alles gutes wissen thäte, sie habe auch auf dieselbe nie einen
Verdacht gehabt,
|| [332]
und weder zu
Elisabeth Schlieperin, noch sonsten zu jemanden gesagt, daß die Kohlin hexen
könne, welches ihr Misselin allenfalls bewiesen werden müsse.
Nach dem allen stellete der Herr Amtsvogt dahier vor, weilen die Inquisitin alt,
und derselben beschwerlich, so lange geschlossen zu sitzen, auch ohne dem in der
Gesinde-Stuben, weilen keine andere Stube vorhanden, sitzen müste, ob selbige,
wo nicht gar aus dem Arrest erlassen, wenigstens dieselbe loßgeschlossen werden
möchte, worauf ex parte commissionis befohlen wurde, die Inquisitin zwar loß zu
schliessen, anbey aber derselben scharff anzubefehlen, daß sie den Arrest nicht
violiren solte.
(Anmerckungen wegen dieses Commissarii.)
§. XVII. Daß der Commissarius in die dimission der Kohlin aus dem Arrest nicht
consentiret, ist ihm nicht zuzuschreiben, oder daraus zu schliessen, daß er die
Kohlin selbst für suspect wegen der Hexerey gehalten, und also das von dem
Amts-Vogt angefangene Possen-Spiel approbiret hätte, sondern er als nudus
Commissarius konte seine Commission nicht überschreiten, welche bloß dahin
gienge, daß er die a Regimine decretirte Inquisition in richtigerer Form
einrichtete / als solches bißher von dem Amts-Vogt geschehen. Ja es scheinet
vielmehr aus dessen Conduite, daß er bey seiner Zurückkunfft durch seine
relation denen Herren Regierungs-Räthen die Sottisen der vorgegebenen indiciorum
dergestalt vorgestellet, daß auch diejenigen, die bey der von dem Amts-Vogt
geschehenen ersten Einschickung der Acten (ohnzweiffel aus dem von Jugend auf
eingesogenem praejudicio vom Hexen-Teuffel) per pluralitatem votorum auf die
inquisition geschlossen hatten, anfiengen, diese Thorheit, wo nicht gäntzlich,
doch in etwas zu erkennen. Und wurde dannenhero den 20. Aprilis resolviret, an
den Amts-Vogt zu rescribiren, er hätte die annoch in custodia sich befindende
Elisabeth Erich Kohls Eheweib / nachdem sie entweder hinlängliche caution de se
sistendo toties, quoties, gestellt, oder, da sie solche aufzubringen nicht
vermöchte, sich, so offt man sie verlangte, zu stellen jurato anloben würde, des
Arrests zu erlassen.
(Und wegen unsers in dieser Sache gesproche nen Urtheils /
nebst dem)
§. XIIX. Jedoch war keine registratur bey denen acten zu finden, ob das rescript
abgegangen, und wie es expediret worden, ja es war zu vermuthen, daß die Herren
Regierungs Räthe in der Haupt-Frage, ob die Kohlin schlechterdings von der
Inquisition zu absolviren, oder was etwa sonst ihrenthalben zuerkennen sey,
nicht einig werden können, und wurde also beschlossen, die acta an eine
auswärtige Facultät zu verschicken und in der Regierung Nahmen ex actis ein
definitiv-Urtheil, jedoch mit beygefügten rationibus decidendi einzuholen.
Deß
|| [333]
wegen wurden uns mense Majo
die bißhero excerpirte zwey volumina(Urtheil
selbst.) Actorum zugesandt, auch alsobald, wie folget, expediret. Wir
sahen wohl, daß nicht allein der Amts Vogt, sondern auch die Regierung selbst
sich sehr vergangen, daß sie auf solch närrisch Zeug zu zweyen mahlen die
inquisition verhänget oder gar anbefohlen; weil es sich aber nicht schickte, daß
wir dieses dem Regimini verwiesen hätten; gleichwohl auch die Nothdurfft es
erforderte, daß wir es nicht gar tacendo approbirten, als nahmen wir daher
Gelegenheit, rationem dubitandi zu formiren, (die wir sonst nicht wusten, wo wir
andere, die nicht ridicul wären, finden solten) und in der Beantwortung in
glimpflichen terminis diesen ihren Unfug ihnen, wiewohl per indirectum
vorzustellen. Daß aber in denen rationibus gar nichts von der Alberkeit der
gemeinen Meynung vom Hexen-Teuffel erwehnet worden, geschahe aus zweyerley
Ursachen. Erstlich, weil die Herren Requirentes Catholisch waren, und wir ihnen
nicht zumuthen durfften, die Thorheit dieses praejudicii so geschwind
zuerkennen, da von denen Evangelischen noch viele Juristen und Politici darinnen
ersoffen sind: Zum andern, brauchte es in gegenwärtigem casu dieses moniti
nicht; indem, wenn gleich sonst alles wahr wäre, was das Papstthum von dem
Hexen-Teuffel die Leute bereden wollen, dennoch die auch nach denen principiis
der Catholischen zur Inquisition in Hexen-Sachen determinirte indicia sich
allhier gar nicht befunden. Und solchergestalt wurde nun das Urtheil also
abgefasset.
P. P. Daß in Ermangelung gnugsamen Verdachts und Anzeige wieder Elisabeth Kohlin
ferner nichts vorzunehmen, sondern sie auch ohne caution und Erstattung einiger
Unkosten der gefänglichen Hafft wieder zu erlassen und von der angestellten
inquisition wieder zu entbinden. Es ist auch wieder Catharinen Schlteperin,
jetzo Christop Adams Eheweib, und Marien, Andreas Missels Eheweib, derer Dinge
wegen, weshalben Elisabeth Kohlin vernommen worden, nichts praejudicirliches zu
verhängen, sondern es werden dieselben insgesamt bey ihrem gutem Leumuth wieder
alle Verläumdungen und unzulängliche suspiciones billig geschützet. V. R. W.
Rationes decidendi.
Obwohl aus denen beyden Fasciculis Actorum zu ersehen, daß vor dem wieder
Catharinen Schlieperin, jetzo wieder Elisabeth Kohlin in puncto magiae
inquiriret worden.
Dieweil aber dennoch wieder beyde das geringste indicium, das nach Anleitung der
Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Käyser Carl des V.
|| [334]
art. 44. & 52. bey der Zauberey von denen Judicibus zu attendiren, nicht vorhanden gewesen; sondern der Amtmann zu N. wieder beyde Personen rechte Lappalien und derer man sich illich für der erbaren Welt zu schämen hat, denunciret, auch obschon von denen Herren Räthen selbst hierauf die Inquisition erkannt worden, dennoch hernach die Unzulänglichkeit derselben ihnen selbst in die Augen gefallen, indem so viel die Schlieperin betrifft, bereits a. 1695. anbefohlen worden, selbige gegen caution de sistendo der Hafft zu erlassen; die Kohlin aber belangend, d. 20. Aprilis dieses Jahrs ein gleiches befohlen worden, auch wenn auf dergleichen unvernünfftige Dinge die Inquisition wieder ehrliche Leute verhenget werden solte, weder der Amtmann zu N. selbst, noch andere vornehmere Personen ihrer Unschuld gesichert seyn dürfften: Und dannenhero dergleichen ohne Ursach in Verdacht gezogene Personen von der Obrigkeit billich in Schutz zu nehmen, auch der Obrigkeit selbsten daran gelegen ist; Als ist obiger massen erkannt worden. (Ein gleichfärmig Exem pel was Aberglauben für thörichte Dinge zuwege bringe.) §. XIX. Gleich da ich diesen Handel schliessen will, erstehe ich aus einer auction des Hamburgischen und Grypswaldischen Doctor Meyers Anno 1696 publicirte Päpstliche Vernunfftlose Schluß Kunst, worinnen ich eine artige Historie angetroffen, aus der eines theils diejenigen unter denen Catholischen, die noch in dem Glauben an den Hexen-Teuffel stecken (wie in dem bißher vorgestellten Handel der Amts-Vogt war), lernen können, zu was vor thörichten Dingen dergleichen falsche abergläubische persuasiones auch sonst vernünfftige Leute bereden können, und werden die Catholische umb deßwegen keinen Eckel über besagte Historie bekommen, weil ein Catholischer Scribent davon Autor ist, nehmlich Johann Adam Weber, Doctor Theologiae, und Käyserlicher Majestät Rath und Canonicus in Tyrol, aus dessen Arte discurrendi de qualibet materia diese Historie genommen ist. Andern Theils haben auch diejenigen von denen Protestirenden, die noch in eben der persuasion vom Hexen-Teuffel stehen, ob sie schon den Amts-Vogt etwa als einen tummen Catholicken auslachen, daß er ohne genugsame indicia die Hexen-inquisition angestellet, eine gute Lehre daraus zu nehmen, daß gleichwie dergleichen Aberglauben der Catholischen Religion nicht alleine zuzuschreiben ist, sondern in allen Religionen noch heut zu Tage solche abergläubige Leute sich finden; und von andern schon angeführet worden, daß bey keinem Hexen-Handel (da der Teuffel soll z. E. bey den Hexen geschlaffen, pacta mit ihnen gemacht, sie auf den Blockers-Berg unser. geführet haben) jemahls genungsame indicia da gewesen; also auch sie sich wohl zu prüffen haben, ob ihre prin
|| [335]
cipia vom Hexen-Wesen nicht
eben so ridicul seyn, als derer Catholischen Und dieses werden sie auch desto
lieber anzunehmen Ursach haben, weil ein Theologus i.
e. Wittebergice Lutheranus, dergleichen D. Meyer biß an sein Ende gewesen, mit
diesem Histörgen denen Catholicken eine Lection geben wollen; die gemeinen in
Hexen-Acten anzutreffende indicia aber gemeiniglich nicht viel besser sind, als
die indicia, daraus so viel animalia rationalia sich feste einbildeten, der Affe
in der Historie wäre ein Gespenst von der verstorbenen Frau, und sie derowegen
wohl thun werden, sich selbst bey der Nase zu zupffen, und wo nicht öffentlich
auszuruffen, doch in der Stille, oder in ihren Kämmerlein allein gantz heimlich
zu sprechen: Turpe est Doctori cum culpa redarguit ipsum. Das Histörgen selbst,
wie es in D. Meyers obgemeldeten Büchelgen p. 110. seqq. zu lesen, lautet also:
Nachdem Ludovicus Sfortias die Länder, so disseits des Schweitzer-Gebürges
gelegen, überkommen, und als ein Hertzog zu Mayland bestättiget wurde, war in
Mayland ein Affe von ungemeiner Grösse, welchen der Hertzog seiner Lust und
Ansehens halber aufs fleißigste zu speisen und pflegen befohlen, wie er ihm denn
auch ein bequemes Bette in seinem Schlosse bereiten liesse. Es kam dieses Thier
sowohl an Gestalt als an Sanfftmuth und Fähigkeit des Verstandes dem Menschen
ziemlich nahe, dannenhero sich viel über dieses Affen Klugheit,
Geschicklichkeit, Verstand und Aufrichtigkeit, wenn er sowohl durchs Castell als
über den Marckt und andere Strassen der Stadt, ja auch in die Häuser der Bürger
frey und ungehindert gienge, und bald die Vorbeygehenden grüste, bald freundlich
schmeichelte, bald auf allerhand Art (absonderlich mit den Kindern) spielte,
nicht genug verwundern kunten. Erfügte niemand einigen Schaden zu, und erzürnte
sich nie, wenn er nicht sehre gereitzet wurde. Alle liebkoseten ihm, theils
weiler von so liebreichem Gemüthe war, theils weil sie wusten, daß ihn der
Hertzog hefftig liebete. Unter andern adelichen Häusern aber, die etwas weit von
dem Castell lagen, war eines, welches er am allermeisten besuchte, in welchen
eine reiche und betagte Wittwe wohnete. Diese alte Frau (die Nonnahieß) hatte
zwey Söhne, davon der älteste Anshelmus die Mutter überaus liebte und ehrte:
dieser, als er sahe, wie die Mutter öffters mit dem Affen spielte, befahl er
allen Haus-Leuten, daß sie das Thier, wenn es ins Hauß käme, wohl solten pflegen
und freundlich mit demselben umgehen, damit die Mutter bey ihren grauen Jahren
dieses Trostes nicht möchte beraubet werden. Deßwegen kam der Affe alle
|| [336]
Tage etliche Stunden zu der Nonna,
und wenn er mit delicaten Speisen gesättiget wurde, gieng er Abends wieder in
das Castell, und legte sich zu Bette. Nach einiger Zeit nahmen der Nonna
Kräfften ab, daß sie von hohem Alter beschweret, weder aus dem Hauß mehr gehen,
noch stehen, noch lange sitzen kunte, sondern stets liegen muste, da sie denn in
dem Bette ihren Rosen Crantz gebetet und andere Gebete zu GOtt vor sich und ihre
Familie abgeschicket. Von denen wohlgerathenen Kindern wurde nichts unterlassen,
so zu Trost und Erqvickung der Mutter dienete. Der Affe fande sich auch öffter,
als er sonst pflegte, ein, und wiche fast nie von dem Schlaff-Gemach und
Angesicht der Frauen; welche ihn dazumahl mit allerhand Schlecker Bißgen,
absonderlich mit Honig und Zucker und andern delicatessen unterhielte. Endlich
aber, als zu der vorigen Schwachheit ein Fieber geschlagen, starb die alte Frau.
Inzwischen als alle Anstalt zu einem prächtigen Leichen-Conduct, ihrem Stande
gemäß, gemachet wurde, wuschen sie zu Hause den Cörper der Verstorbenen,
besprengten ihn mit wohlechenden Sachen, und nach angezogenen neuen Kleidern
legten sie ihn in die Baare, ingleichen wurden die Kopff-Binden und der
Schleyer, wie sie bey Lebzeiten pflegte, zierlich um das Haupt gewunden, daß von
beyden Seiten die längsten Theil über die Ohren herunter hiengen. Es kamen
indessen auch gantze Schaaren von Priester und Mönchen, die in einer langen
Procession die Leiche biß zu seiner Ruhstatt begleiteten. Indem dieses alles
geschahe, und jederman in dem untern Theil des Hauses mit der Leiche
beschäfftiget war, schliche der Affe heimlich in der Frauen Schlaff Kammer, und
fraß alles auf, was von niedlichen und kostbahren Sachen, in denen Lädgen und
Schälgen anzutreffen war, als ob er nach der Frauen Tod der Erbe darzu wäre.
Nachdem nun das liebe Thierchen sich solchergestalt den Bauch ziemlich gefüllet
/ bekam es eine ungewöhnliche Begierde in dem Bette zu liegen, auf welchem die
Nonna nach der Mahlzeit sanfft und wohl zu ruhen pflegte. Als sich der Affe nun
dahin verfügte, sahe er auf dem Haupt-Küssen den Schleyer mit den Binden und
andern Kopf Zierrath liegen, welchen die Mägde der verstorbenen Frauen
abgenommen, daß sie ihr einen weissern und reinern umthäten. Er verweilte nicht,
sondern weil er kurtz zuvor gesehen / wie der Verstorbenen Haupt aufgeputzet
ward, nahm er als ein curieuser Zuscher und listiger Nachahmer den Zierrath, und
putzte damit seinen Kopf aufs beste, er band die Binden um die Stirne, und zog
einen gegitterten Schleyer gantz artig darüber. Also stieg er manier
|| [337]
lich in das Bette, legte den Kopff
auf das Haupt-Küssen, und nachdem er das Ober-Bette hinauf gezogen, und sich biß
an den Hals, wie es seyn soll, zugedecket, ruhte er sanfft und stille. Nach
einer kurtzen Zeit kamen die Mägde in dieses Schlaff-Gemach der Verstorbenen,
solches zu reinigen, als sie aber den Affen so stille liegen sahen, der wohl gar
schlieffe, haben sie nicht anders gedacht, als es wäre diejenige, dessen Bild
und Kleider sie vor Augen sahen, nemlich ihre Frau, so erst vor zwey Tagen
gestorben, erschracken demnach auf das hefftigste, lieffen zurücke, und
stürtzten sich mit einem Weibischen Geheule in das Unterhauß, sagende, sie
hätten mit ihren eigenen Augen die Frau in ihren Kleidern und auf ihre Art auf
dem Bett liegen gesehen, sie hätten das Hertze nicht wieder umzukehren und näher
hinzu zu treten, andere, die behertzter und kühner wären, möchten hingehen, da
würde sichs befinden, daß sie die Wahrheit geredet. Unterdessen kommt der Sohn
Anshelmus von dem Leich-Begängniß und aus der Kirchen nebst seinem Bruder
Asdrubal, wie auch den nächsten Bluts-Freunden und Schwägern wieder heim:
welche, als sie von den Mägden vernehmen, was vor ein Ungeheuer droben im Bette
erschiene, sich nicht unbillig darüber entsatzten, die Stiegen mit einander
hinauf und in gemeldte Kammer giengen. Ob sie nun gleich destoweniger Scheu
trugen, weil ihr viele hinauf stiegen, wurden sie doch bald nach Erblickung des
Abentheurs besturtzt, sahen einander stillschweigends an / wichen mit Furcht und
Zittern zurücke, stiegen geschwinde wieder herab, und schickten eilends nach dem
Seelsorger. Dieser, der für gar gottesfürchtig gehalten ward, nachdem er die
Ursach seiner Beruffung verstanden, wirfft alsobald seinen Stollen, Chorhembd
und andern Ornat geschwind an, und befiehlet zweyen Clericis, daß sie in
gleichem Priesterlichen Schmuck sollen voran gehen: deren einer das güldene
Creutz, der andere den Kessel mit Weihwasser trug: Er selbst aber den Weih-Qvast
in Händen haltend, besprengte alle Leute so ihm begegneten und betete. So bald
dieser fromme Priester den Fuß ins Klaghauß gesetzt, wurden die darinnen
hertzlich froh, liessen die Furcht nunmehro schwinden, in Hoffnung, sie solten
des Geistes bald entlediget werden. Der Geistliche selbst sprach beyden
gottseeligen Gebrüdern einen guten Muth ein, sagte, er wisse, wie devot und
gottesfürchtig ihre fromme Mutter jederzeit gewesen, ihnen werde kein Leid
wiederfahren: Es pflege wol zuweilen der listige Satan durch natürliche Mittel
eine betrügliche Blendung zu machen, es solle diß Gespenst mit Beschwerung und
andern Kirchen Gewehr schon vertrieben werden. Hiemit stiegen die Geistliche die
Treppe hinauf, und verfügten sich in die
|| [338]
Kammer, welche ihnen vorhin schon wohl bekannt war. Doch wagte
sich keiner von denen Clericis zu weit hinein, sondern blieben beyde im Eingang
stehen, und liessen die Thür hinter ihnen weit offen, damit sie, wann die Noth
am Mann gienge, ungehindert Fersen-Geld geben möchten. Der Priester, da er das
Angesicht der vermeynten Nonnae im Bette erblicket, der er gleichwohl selber die
letzte Oelung gereichet, sie auch mit zu Grabe begleitet, und würcklich in das
Grab setzen gesehen hatte, entsetzte sich anfangs ein wenig, bliebe nicht weit
von der Thür stehen, und betete. Bald ermannete er sich, trat vor das Bette, und
stellte sich unverzagt gegen die Bestie, drehete den Weyh Wedel in der Hand
herum, und fieng an aus dem Davidischen Psalm zu intoniren: Asperges me Dornine
&c. Besprenge mich mit Isoppen, daß ich rein werde etc. Der Affe schwieg
auf solche Stimme stille und rührte sich nicht, als er aber sahe, daß der
Pfarrherr den rechten Arm auffhub mit dem Weih-Qvast, fürchtete er sich, in
Meynung, es sey ein Stock, womit der zu ihm tretende Priester einen Streich
versetzen werde, krümmete derohalben das Maul, hebt an mit denen Zähnen zu
klappern und zu knirschen, auf so abscheuliche Art, daß der Pfarrherr gedacht,
es wäre der leibhafftige Teuffel, der weder auff die heilige Zeichen / noch
Ceremonien noch Gebete etwas gebe, lässet also für grossem ängstlichen
Schmertzen den Weihwedel aus der Hand, und das Hertz in die Hosen fallen, und
lief was er kunte, zur Kammer hinaus. Bey solcher schnellen Retirade begegnete
ihm dieses Unglück, daß die beyden Clerici, so über den garstigen Anblick und
das Zähnknirschen der Bestie erschrocken waren, den Vortheil der Flucht
genommen, Kessel, Creutze und Bücher von sich geworffen, und sich die Stiege
hinab gestürtzet hatten, da sie denn beyde auf einander stiessen, und so
ungestüm himinter purtzelten, daß der Kopff unten, die Füsse über sich kamen.
Sie waren aber noch nicht gar hinunter, da der Pfarrherr ihnen nacheilete, und
die Treppen gleichfalls hinabfallend, mit seinem fetten und schweren Leibe gar
oben auf sie zu liegen kam. Das grosse Gepolter der Herabfallenden verursachte
unter denen Söhnen und denen von Furcht schon halb todten Haußgenossen ein
grosses Schrecken, doch als sie die Priester auff der Erden liegen und von Staub
und Blut so übel zugerichtet sahen, richteten sie dieselben auf. Als man aber
fragte, was ihnen wiederfahren, und was die Ursach ihres blassen Angesichtes
wäre, haben weder die Clerici noch der Pfarrherr in langer Zeit ein eintziges
Wort geantwortet. Endlich hebt der gute fromme Pfarrherr, nachdem er sich ein
wenig er
|| [339]
hohlet, und das Band seiner
Zungen loß wurde, indem beyden Brüdern ihre Wunden verbunden worden, mit einen
tieffen Seuffzen zitternd und bebend an zu sagen: Ich habe gesehen (denn mein
Gesicht hat mich nicht betrogen) Ich habe recht eigentlich mit diesen meinen
Augen den leibhafftigen Teuffel in der verstorbenen Frauen Gestalt gesehen. Er
wolte noch mehr reden, aber ein unverhoffter Zufall hieß ihn abbrechen. Der
Affe, welcher sich doppelt ersättiget hatte, theils an den verschlungenen
Süssigkeiten, theils an dem erregten Spiel, dessen er nunmehr einmahl müde war,
stund auf, gieng fein gemählich die Treppen hinunter, und erschien unversehens
mitten zwischen den wehklagenden Pfarrherren und dem Volck, welches ihn mit
einem Schauer zuhörete: Er trug den aufgesetzten Haupt-Schmuck der Verstorbenen
noch aus dem Kopffe, nebst den Haarbinden, welche er eben so förmlich gedrehet
hatte, wie die Alte zu thun pflag; desgleichen auch den daran hafftenden
Schleyer, welcher ihm gantz geschicklich anlag. Hierob entstund anfanges unter
den Anwesenden eine gewaltige Furcht, denn etliche wähneten, es wäre die Nonna
recht wahrhasftig selbst, andere, es wäre der böse Geist, so sich in ihre
Gestalt hätte verwandelt; welche Einbildung bey ihnen desto leichter hafftete,
weil auch das blosse Angesicht des Affens dem alten Mütterlein nicht gar
unähnlich war. Als aber der Affe durch sein gewöhnliches Tantzen, Springen,
Spielen und Liebkosen sich verriethe, wurden sie erstlich gantz entzückt vor
Verwunderung, darnach aber brachen alle sämtlich in ein solches Gelächter
heraus, als ob in dem Hause keine Leiche betrauret, sondern eine Verlöbnüß
gehalten würde, Der Pfarrherr selber, ob er gleich den Fall in seiner Seiten
empfindlich genug fuhlete, und der beyden Läyen-Brüder noch grösserer Schade ihm
sehr mitleydig zu Hertzen gieng, kunnte sich doch des Lachens nicht enthalten.
Der Affe aber wußte nicht allein den Kleider Schmuck, sondern auch die Sitten
und Geberde der begrabenen Mutter so meisterlich nachzubilden, daß man
zweiffelte, ob die Kurtzweil und Lust grösser wäre, die er jetzt anrichtete,
oder die Traurigkeit und Bestürtzung, womit er zuvor das gantze Haus hatte
überschüttet. Endlich gieng er, da sich der Tag geneiget, in selbigen ornat
hinaus auf die Gassen und mitten unter den Hauffen derer, welche solchem
lustigen Spectacul in grosser Menge zulieffen, durchhin, nach sein
Racht-Quartier in das Castell, mit solchem Geberden, als ob er über seine
Verrichtungen triumphirte.
|| [340]
XI. Handel. Des Cantzler Schwartzkopffs zu Braunschweig Bedencken von
Einrichtung des Juris circa sacra.
§. I.
(Das Recht in geistlichen Sachen ist das vornehmste Regal /
woran die gantze Majestät hänget.)
GLeichwie nach dem Zeugnüß aller Politicorum und der Erfahrenheit selbst der
rechte und einige nervus eines jeden Regiments oder Status, wenn man desselben
versichert seyn, und von allerhand gefährlichen Anstössen verwahren will, darin
bestehet, daß der Regent 1) die Ecclesiastica, 2) Civilia, 3) Militaria in
seinen Händen habe, sintemahl in solchen dreyen alle Majestas & Potestas
Imperantium bestehet, und mit einem Wort davon zu reden, das gantze Jus pacis
& belli absolviret wird; Also hat keines unter solchen dreyen eine
grössere Macht, einem Statum zu conserviren, als die Ecclesiastica, Religio,
oder Kirchen-Sachen. Es bezeuget auch die Erfahrung, und ist in dem andern
capite deren sub proelo vorhandener Fürstlichen Kirchen-Ordnung mit wenig
Worten, jedoch aus dem wahren fundamento ausgeführet, was daraus erfolge, wenn
der Regent den Zügel in geistlichen Sachen nicht in seinen Händen hat, sondern
den Geistlichen denselben lässet: Das gantze Römische Reich ist anfangs aus
dieser einigen Ursach um seinen splendorem kommen, und dessen Macht und
Herrlichkeit, dafür sich sonst die gantze Welt gefürchtet, unterbrochen worden,
daß man den Papst und seinen Geistlichen in dem Kirchen-Regiment zu viel Macht
gelassen. Vieler andrer unzehliger Exempel zu geschweigen, ist unleugbahr, daß
unlängst aller Königlicher Status in Engeland durch nichts anders umgestürtzet,
und inaudito plane exemplo der König durch den Hencker hingerichtet worden, alle
dessen hohe Ministri, alle treffliche Häuser, das gantze Parlament, und alles,
was ad priorem Reip. formam gehöret, zu Grunde evertiret, so gar, daß auch
endlich derer vornehmsten Capitum unter den Geistlichen selbst nicht geschohnet
worden, denn nur bloß und allein dadurch, daß bey dero durch Henricum VIII.
angestelleten Reformation der König seine gebührende authorität in dem
Kirchen-
|| [341]
Wesen zwar wohl gefast,
aber dabey von seinen Successoren, insonderheit dem Jacobo, nicht fleißig
continuiret, sondern den Geistlichen der Zügel in etwas zulang gelassen, und
zwar zu Anfang nicht in externo regimine, sondern daß man allerhand irrige
opiniones und in specie den Puritanismum daselbst einreissen lassen, und
gleichwie derselbe unter andern auch fürnehmlich darin bestehet, daß er die
weltliche Obrigkeit von dem Kirchen-Regiment ausschliesset, also ists bey denen
irrigen opinionibus nicht geblieben, sondern anfangs zu öffentlichen Predigten
und defensionibus solcher irrigen Meynung gerathen, diese Prediger haben darin
keinem Verbieten der weltlichen Obrigkeit unter den praetext, daß dieselben mit
dem Kirchen-Wesen nichts zu schaffen, auch ihnen auf der Cantzel nichts zu sagen
hätten, gehorchen wollen, sondern sind fortgefahren, die Obrigkeit hat sich
keines gebührenden Ernsts dawieder gebrauchet, oder die Prediger mit würcklichem
Eyfer darüber angesehen, sondern so lange stille geschwiegen, biß der gemeine
Mann durch die gemeine Predigt eingenommen, und endlich dem gantzen estat den
Garaus gemacht; Die Gemüther der Unterthanen fast durch gantz Teutschland sind
bey diesem teutschen Kriege unter andern bösen opinionen auch in einen Haß und
Wiederwillen gegen ihrer Obrigkeit gerathen, als wenn sie durch deren Ursache
und Versehen in das ausgestandene Unglück kommen, daß sie sich mitten in solchem
Elend nicht durch guten Rath und Vorsorge der Obrigkeit, sondern durch ihre
vires, die Contributiones und dargeschossene Gelder herdurchgerissen, hätten
dannenhero zu ihrer Conservation keiner Obrigkeit nöthig, semetipfos sibi
sufficere, vielweniger, daß sie nach erlangetem Frieden der Obrigkeit noch
contribuiren und sich nach derselben richten solten, und was der bösen gattlosen
opinionen mehr sind, die leyder im vollen Schwange gehen. Solten nur etzliche
wenige Puritanische Prediger, oder was nur im geistlichen Regiment oder
Kirchen-Wesen vel per accidens hierzu Ursache geben kan, dazu kommen, so möchte
es leicht daher gehen, als wenn ein wenig Feuer an eine Menge dürres Holtzes,
Stroh, oder Pulver kömmt, wodurch auch ein allerköstlichstes und stärckestes
Gebäude zusehens aufgehen müste; Es ist nicht ohne, daß mehr mala sind, wodurch
dem Römischen Reiche, und in specie einer jeden Provintz desselben grosses
Unglück über dem Haupt ietzo schwebet, aber dieses obgemeldte ist nicht der
geringsten eines, & habet se instar magni alicujus morbi. Wie den
übrigen Ursachen und Gefahren, und gleichsam den übrigen Kranckheiten zu
begegnen, id est alterius loci & tem
|| [342]
poris, vor dißmahl aber werde, gnädig empfangenen Befehl zufolge,
ich mit wenigen unterthänig meine einfältige Meynung eröfnen, wir solchem morbo
durch genugsame praeservantia vorzukommen, was davon allbereit sich mercken
lassen, und gleichsam heimlich einschleichen wollen, aboliret, und hinführo das
Corpus hujus Reipublicae durch S. F. G. und dessen hochgeehrten Hauses Vigilanz
in gutem Stande erhalten werden möge.
(Worbey hauptsächlich auf Consultationem, Magistratuum constitutionem, und Justitiae administrationem zu sehen.)
§. II. Es sind 3. Stücke, die ein jeder Regent auf das allergenaueste in acht
nehmen muß, in obbemeldten Ecclesiasticis, Civilibus & Militaribus,
quibus bene & praeclare constitutis etiam statum Reipublicae bene
constitutum esse necesse est, & prout unum quodque horum est, sic forma
est Reipublicae, & prout variat mixtura horum capitum, ita &
variat forma reip. Das erste ist in consultatione & legum latione. Das
andere in Bestellung der Aembter seu officiorum publicorum sive magistratuum,
quales nempe esse & quarum rerum autoritatem habere debeant. Das dritte
in Judiciis sive dijudicationibus controversiarum & litium inter cives
reip. exortarum. Je mehr Macht ein Regent in diesen dreyen Puncten oder Stücken
von sich ab, und auf andere transferiret, entweder per concessionem oder
conniventiam, dergestalt, daß sie nicht in seinem des Regenten Nahmen, und
vermittelst seiner authorität, sondern in eines andern Nahmen, und Krafft dessen
selbst eigenen, nicht aber von dem Regenten habenden Gewalt, darinn etwas
verrichten; Jemehr schwächet er seine Gewalt, Macht, und authorität und kan
dadurch die formam reipublicae zusehens verändern, und in solchen Zustand
bringen, daraus er dieselbe hinwieder zu retten, und ihme eine authorität wieder
zu ersetzen, in seinen Mächten hernach nicht bestehet. Ich sage aber
significanter von einer solchen translation, die da machet, daß der, auf welchen
etwas, es so viel oder wenig, von solchen dreyen capitibus transferiret wird,
solches in seinen eigenen, nicht aber des Regenten Nahmen und authorität
verrichtet, sintemahl unleugbahr ist, das kein Regent, er mag so klug, mächtig,
und verständig seyn, wie er wolle, der solche drey Puncten alleine und selbsten
verrichten könne; sondern er hat Hülffe dazu von nöthen, und muß qualificirte
Leute an der Hand haben, durch welche er solches verrichtet, insonderheit aber
bestehet seine Vorsichtigkeit darin, und kan er nicht besser, und sicherer bey
allen solchen Dingen gehen, als daß er einen Senatum von feinen tapfern
verständigen Leuten bestellet, mit welcher Zuthu
|| [343]
ung und Berathschlagung er das
erste, als das vornehmste Caput allezeit verrichtet, und zu den beyden andern
Stücken gehörige Anstalt machet. Solcher Senatus expediret die ihm anbefohlene
Sachen nicht in seinem eignen, sondern in des Regenten Nahmen, und wenn sie
darin etwas für gut befunden, wird solches dem Regenten eröffnet, und hernach in
seinem Nahmen oder zum wenigsten unter seiner authorität expediret. Denn wenn
der Senatus jure proprio & sua, non principis authoritate etwas thut /
so ist nicht mehr die potestas reipublicae bey einem, sondern es gehören
diejenigen, welche also jure & nomine proprio etwas zu sagen, und zu
statuiren haben, eben wohl zu der Majestate Imperii, sie participiren davon, und
wird dadurch die forma reipublicae gantz geändert. Also sind die Electores und
Principes Imperii nicht des Käysers Räthe allein, welche der Käyser nur um Rath
zu fragen hätte, sondern was sie auf Reichs- und andern Conventen sagen und
schliessen, nemlich 1) was vor Gesetze im Reiche zu machen, 2) was für
Officianten im Reich bey justitz- und militarischen Sachen zu bestellen, 3) wie
die Justitz am Käyserlichen Hoffe und Cammer-Gerichte einzurichten und zu
administriren; Solches thun sie jure & authoritate propria und stehet
dem Käyser nicht frey, ob er dasselbe thun oder lassen wolle, sondern wenn ein
einmüthiger Schluß gemachet ist, so muß der Käyser nolens volens denselben
exequiren, wofern er nicht angesehen seyn will, als der den statum &
formam reipublicae zu ändern gedencket.
§. III. Dagegen hat es mit andern Collegiis Consiliaribus Senatorum(Bey der consultation sind 1)
die Käthe blosse Diener des Regenten.) an Chur- und Fürstlichen Höfen
eine weit andere Beschaffenheit, als welche bloß Ministri Principum sind, deren
zwar kein Churnoch Fürst entrathen kan, si salvus esse vult; jedoch thun,
consultiren und schliessen sie bloß im Nahmen ihres Herrn, und wird auch alles
mit derer authorität expediret, welches zuförderst 1) hierbey in fleißige Acht
zu nehmen, damit es nicht das Ansehen gewinne, als wenn ein Collegium der Räthe
einem Regenten an seiner authorität, Macht und Hoheit schädlich wäre, sintemahl
solches vielmehr für dessen authorität und Macht conservation zu Tag und Nacht
vigiliret, und ohne welches kein Potentat dieselbe erhalten kan.
§. IV. Ferner ist 2) hierbey mit sonderbahren Fleiß in acht zu(2) Schreiben selbe den Obrigkeiten) nehmen, daß,
so wenig der Regent selbst als durch sothaues Consilium oder Senatum quatenus
talem & in se consideratum die beyde letzte
|| [344]
(und Richtern leges
für.) Capita selbst verrichten lässet, sintemahl kein Regent, oder dessen
Geheimbder- oder Etat-Rath selbst, die munia magistratuum, als e. g. Sacerdotum
(ipsi enim ceu sacrorum praesides sub nomine magistratuum, quatenus illud in
politicis sumitur, omnino veniunt, idque vel quam maxime, wie der Aristoteles
selbst gestehet, 7. Pol. 8.) entweder in der Kirchen, oder mit den
Visitationibus, oder auch der aedilium, curatorum annonae, sylvarum, &
agrorum praefecturae, executiones sententiarum in judiciis latarum, oder auch
des Inspectoris der Schulen und Institution der Jugend, und was dergleichen mehr
ist, nicht verrichtet, es sey denn Sache, daß der Regent jemand von seinen
Räthen zum Groß-Voigt, Forstmeister, oder einen andern Officianten mache,
welches officium aber er alsdenn nicht in qualitate eines Geheimbden Raths
& quatenus talis, sondern bloß als ein Magistratus, dem solches also
specialiter committiret worden, verrichtet. Ingleichen verrichtet dieser Senatus
quatenus talis keine judicialia, cognosciret oder decidiret die causas &
lites privatorum nicht, es sey denn Sache, daß es von dem Regenten nebenhin
befohlen, sondern es schreibet der Regent durch diesen Senatum nach dessen
Einrathen den andern die leges vor, wie sie sich verhalhalten, und wornach sie
sich richten sollen. Und mit einem Worte davon zu reden, so ist dieses Collegium
proprie der Geheime oder Estats-Ralh, vermittelst welches der Regente zu Tag und
Nachte pro salute reip. wachet, und so wohl den Magistratibus als denen
judicibus, und insgemein allen Unterthanen den Daumen gleichsam aufs Auge hält,
damit sie nicht exorbitiren und weiter gehen als ihr officium sich erstrecket.
(Die 3. sich darnach zu richten schuldig sind, und nicht
nach ihrem Kopffe darinnen etwas ändern können.)
§. V. Zu welchem Ende denn 3) fürs dritte nicht mit wenigen Fleiß zu betrachten,
daß die also genannte Magistratus, welches zu dem andern Haupt-Puncte gehöret,
als auch die Judices causarum sive litium inter cives, welches zur dritten
Classe gehöret, es seyn dieselbe im Consistorio oder in der Rathstube und
Hoff-Gerichte, sich stricte nach denen ihnen von den Regenten vorgeschriebenen
Gesetzen zu richten, daraus nicht zu schreiten, vielweniger zu unterstehen, oder
zu unterfangen, solche Gesetze zu ändern, zu verbessern, zu abrogiren, oder
dawieder zu dispensiren, sondern solches gehöret ad potestatem legislatoriam und
zu dem ersten hier oben gesetzten Puncte, darin sie sich nicht mischen müssen,
sondern so bald sie etwas darinnen ihnen unterfangen, und es wird ihnen darin
vom Regenten nachgesehen, so ist es ein gefährlicher Anfang, ad
|| [345]
mutationem reip. Ob schon dieses so
bald nicht gemercket wird, sondern sich wohl erst über eine geraume Zeit
& per varias consequentias ereignet, als zum Exempel, quod secundum
Caput seu Magistratus attinet, stehet dem gantzen Consistorio, vielweniger einer
Person oder Mitgliede aus demselben nicht zu, daß es in capitibus religionis,
illis nempe, quae absque detrimento salutis se indifferenter quidem habent
& tamen a Majestate in hanc vel illam partem definita aut recepta non
sunt, als zum Exempel in der Frage von der ubiquität, oder auch in denen
ritibus, als zum Exempel in dem exorcismo oder anderen Ceremonien, wie die in
der Kirchen Ordnung gesetzet, Aenderung mache, item einem Curatori annonae
stehet nicht frey, wenn der Regente aus gewissen ihm bekandten Ursachen
befohlen, daß man kein Korn, kein Vieh, aus dem Lande treiben soll, daß er
solches ändere, ob er vielleicht meynet, dadurch den Unterthanen Vortheil zu
schaffen, cum ratio legis fortasse ignota fit. Dem Schul-Inspectori stehet nicht
frey, einen andern methodum informandi aut visitandi anzuordnen; es stehet einem
Pastori, wer er auch sey, nicht zu, daß er ohne Vorwissen des Consistorii
& absque plena ibidem instituta causae cognitione, jemand in der Gemeine
excommunicire und verbanne, sondern er muß darüber allemahl des Consistorii
Verordnung erwarten, und alsdenn seine Gebühr verrichten. In tertio capite
stehet keinem Judici frey, in die vorfallende Parthey oder Streit-Sache anders,
als secundum leges ipsi a Majestate praescriptas zu decidiren, ob ihm zwar diß
Urtheil hart oder ungleich bedüncken möchte; es stehet ihm nicht frey, von denen
legibus zu dispensiren, e. g. in dem Consistorio, in den verbotenen gradibus und
andern, in der Cantzley die Straffe der Ubelthäter lege nempe publica definitas
zu ändern, zu mitigiren, oder zu schärffen, wieder die Hochzeit, Kindtauff oder
Begräbniß-Ordnung zu dispensiren, vielwemger stehet dem gantzen Fürstlichen
Consistorio, weil demselben der Regent vermittelst der Kirchen-Ordnung atque ita
lege publica aus wohlbedachtem Muth specialiter committiret, daß die Prediger
auf dem Lande, qui ut supra notatum, sub nomine Magistratuum veniunt, anders als
die Ordnung vermag, und zwar von einer Person ihres Mittels allein, er sey auch
wer er wolle, geist- oder weltlich elegiret, oder von seinen Qualitäten
aestimiret werden, oder auch einen indignum einem digniori vorziehen solte,
sondern es gebühret dem Consistorio, daß sie denen ihnen vorgeschriebenen
Gesetzen darinnen stricte nach gehen, und weder zur Rechten noch zur Lincken
weichen, es gebühret dem Consistorio auch nicht, die leges Visitationum
Ecclesiasticarum
|| [346]
zu ändern, oder
solches durch eine Person verrichten zu lassen, sondern wenn eins oder mehr von
dem, was angeführet, geschiehet, so wird dem Regenten in seine potestatem
legislatoriam, das ist, in den Aug-Apffel gegriffen, ob er es schon so bald
nicht mercken möchte.
(Viel weniger einer alleine an sich ziehen soll, was der
Regent vielen anvertrauet.)
§. VI. Letzlich ist fürs 4. eben so wohl fleißigst, und zwar aus unnachläßlicher
Sorgfalt zu beobachten, wenn die Majestas etwa in secundo capite nicht einer,
sondern mehren Personen einen Magistratum oder dessen munia aufgetragen, oder in
tertio capite die dijudicationem controversiarum nicht einer Person, sondern
einem gantzen Collegio dieselbe befohlen, auch demselben Collegio eine normam
vorgeschrieben, wie in demselben ordentlich verfahren, wer die direction führen,
welchergestalt votiret, und die cognitiones litium in loco judicii von allen
Anwesenden, keinesweges aber von einem allein, extrajudicialiter (wenn es ihm
nicht aus gewissen Ursachen per specialem commissionem anbefohlen) vorgenommen,
Zeugen verhöret, oder sonst andere Actus, so den gantzen Collegio zuständig,
davon in vorigen Puncte nur Exempelsweise mit wenig Worten etwas angezogen,
fürgenommen, und verrichtet werden sollen, so gebühret sich nicht, daß eine
Person solches zu ändern, und es an sich allein zu ziehen, ihr unternehmen soll,
sondern es ziehet solches grosse Gefahr nach sich, und kan per consequentiam,
Ursach geben, zu einer permutation der gantzen reip. Der Regent hat ohn allen
Zweiffel wichtige Ursachen gehabt, die forma reip. worinn die Essentia omnium
legum Civilium bestehet, will es auch offt nicht anders zulassen, es ist auch
wohl den legibus provincialibus gemäß, welche so leicht nicht zu ändern stehen,
warum solche functiones nicht einer, sondern mehr Personen, auch wohl einem
gantzen Collegio anvertrauet, oder warum in aliqua parte eine Person der andern
bey solcher Verrichtung vorgezogen werden soll, unterstehet sich nur ein einiger
aus dem Mittel dieses zu evertiren, und auf sich allein zu bringen, so ist nicht
allein die ratio legis, quae consistit in utilitate publica istius reip.
violiret, sondern die auctoritas legislatoris ist dahin, was ein solcher Mensch
in einem Capite gethan, das wird und kan er auch in einem mehren ihn
unternehmen, insonderheit wenn er einen Gehülffen hat, u. können ihm solche
seine actiones auch zu andern Dingen behülfflich seyn.
(Welches sonderlich in Bestallung der Prediger)
§. VII. Ex. gr. Wenn eine Kirchen-Ordnung vermag, daß angehende Prediger auf eine
eräugende vacanz von den gantzen Consistorio elegiret, und von deroselben
qualitate judiciret werden soll, so hat solches suam rationem, daß der Regent
nemlich versichert sey, er bekomme keine Prediger ins Land, als die from̅, gelahrt, friedfertig, mit keinen irrigen opinionen
|| [347]
und insonderheit des puritanismi
inficiret, die auch dannenhero nicht aufrührisch(Zu
beobachten.) sind, wenn aber dagegen eine Person, er sey geist- oder
weltlich, Tros Rutulusve fuit, die Bestellung der Prediger an sich ziehen, und
solche allein commendiren, und vorschlagen will, so geschiehet solches offimahl
aus Geitz, damit diejenige, welche zum Predig-Amt wollen, sich mit guten
Geschencken bey ihm anfinden mögen, welches aber nicht stat hat, auch nicht zu
besorgen, wenn es von dem gantzen Collegio dependiret, oder daß solcher einiger
Mensch dieses intendiret, wie alle Prediger im Lande von ihm dependiren, und in
allen, was er zur Stabilirung seines Ansehens oder Vorhabens fürzunehmen
gedencket, ihm behülflich seyn sollen, da ist warlich der Regent, wie
geringfügig nnd nichts würdig, auch dieses Werck in Anfang zu seyn scheinet, in
grosser Gefahr. Denn weil diese einige Persohn, entweder in der Lehre, oder in
Ceremonien etwas ändern, oder geändert haben will, oder er will wohl gar den
puritanismum einführen, und die Obrigkeit vel paulatim vel statim unterdrücken,
so ist ihm nichts leichters, weil er durch obbemeldtes artificium alle Prediger
im Lande auf seiner Parthey, und zu seinen Geboten hat, dieselbe können den
gemeinen Mann, in Städten, Flecken, Dörffern, in einen gantzen Königreiche
Chur-Fürstenthum und Landen mit leichter Mühe aufwiegeln, weil der gemeine Mann
vermeinet, alles was der Prediger sagt, es sey was es wolle, das rede der Heil.
Geist, und kan durch solche Mittel ein gantzes Land zusehens, und ehe man es
gewahr wird, aufgewiegelt werden.
§. IIX. Durch solches einiges artificium hat der Pabst seine(Wird mit Exempeln bewiesen, von Papst und was sich in
Braunschweigischen Landen zugetragen.) Authorität stabiliret, Käyser,
König, Chur und Fürsten unter seinen dominat gebracht, und die Unterthanen,
wieder sie sub specie pietatis & officii pastoralis aufgewiegelt. Was
nach der Reformation in etlichen grossen Städten, die Prediger durch dieses
Mittel vor Elend und Jammer angerichtet, ist am Tage, und kan S. F. G. die Stadt
Braunschweig, durch die in Ao. 1604. entstandener Aufruhr, und dadurch
verursachtes Blutbad ein lebendiges Exempel dißfalls geben, als welches bloß von
den Geistlichen und meistentheils von den damahligen Coadjutore M. Johann
Kauffmann, der die andern meistentheils an sich gezogen, verursachet worden; ich
will für dismahl gantz nicht berühren, was diß einige für einen äuserlichen
effect nach sich ziehen kan, wann der Prediger in öffentlicher Predigt, In dem
MSC. war folgendes dabey notiret. Forte respicitur ad ultimam D. Lürkem.
concionem, que Halae Saxonum A. 1667. sub. tit. Regenten Predigt excusa est. vor
dem gantzen Volck
|| [348]
entweder den
gantzen Stand der Obrigkeit oder den Regenten Hohlhipperisch accepta quavis
occasione entweder wohl gar ohne einige Ursache oder wenn dieselbe schon
verhanden, dennoch hindangesetzet aller graduum admonitionum, öffentlich für der
gantzen Gemeine, wieder Schrifft- und Kirchen-Lehrer hochvernünfftige Erinnerung
und Meynung abmahlet und ausmachet, daß ein jeder solches mit Händen greiffen
kan, und es zu nichts, als Verachtung des Regenten hinaus lauffen muß.
(Autoris Vorhaben summarisch
vorzustellen was etwan in Kirchen Sachen zu emendiren.)
§. IX Dieses, was also nur zwar in generalibus regulis praesuppositis angeführet
worden, ist jedoch also beschaffen, daß darin gleichsam die Seele eines Regenten
seines Etats bestehet, und wo er darin sive volens sive per incuriam aut
ignorantiam saltem nicht allein in Ecclesiasticis, sondern auch in Civilibus
& militaribus irret, so ist es mit seinen statu geschehen, und ist ihm
nicht zu helffen. Bis in hujusmodi peccare non licet, GOttes Allmacht allein
ausgeschlossen; wie aber solches Sr. Fürstl. G. in den weltlichen
Angelegenheiten in Reichs-Krayß- und also den gemeinen, item den eigenen
Land-Sachen zu dessen Aufnahm, Regier- und Erhaltung, wie auch in militaribus,
was zur defension des Landes-Verfassung, und sonst hochvernünfftig zu
appliciren, solches ist dieses Orts anzuführen unnöthig, sondern ich werde nur
dem empfangenen gnädigsten Befehl und meiner obliegenden unterthänigen
Schuldigkeit zu folge mit wenigem gehorsamlich andeuten, was in den
Ecclesiasticis oder Kichen-Sachen bey itziger Vorfallenheit, da S. F. G. nach
Vollendung der Fürstlichen Kirchen-Ordnung, welche von denen credendis faciendis
& ritibus tam sacramentorum quam aliorum sacrorum negotiorum handelt, in
dem andern Theil das Kirchen-Regiment selbst fassen lassen, auch ietzige neu
vorhabende Bestellung thun wollen, vorzunehmen, und worinn man sich vorzusehen
haben möchte, solches aber gäntzlich und ausführlich zu verhandeln, ist so wenig
müglich als nöthig, sondern es gehöret solches zu Abfassung gemeldten andern
Theils der Fürstl. Kirchen-Ordnung, da es, wenn es den Allmächtigen also gefält,
auch mir Zeit dazu gelassen wird, zwar kurtz jedoch gründlich gefasset werden
soll. Vor dißmahl aber will ich nur die summa capita berühren, insonderheit
worinn E. F. G. bey vorwesender Bestellung sich gnädig vorzusehen.
(Zumahl es die Noth erfordert.)
§. X Denn ob zwar nicht ohne, daß durch GOttes sonderliche Gnade und Schickung,
welchen auch billig Danck dafür gebühret, durch das Kirchen-Regiment noch zur
Zeit S. F. G. Estat keine Veränderung zugefüget, so ist dennoch nicht zu
leugnen, daß die fundamenta allbereit dazu geleget gewesen, und es in dem Stande
sich befunden, daß wo
|| [349]
GOtt nicht
sonderlich darein gesehen, es gar leicht zu einem grossen Unheil publice hätte
hinaus schlagen können, was privatim ein oder die ander Gemeine vor Nach theil
dabey gelitten, dürffte die Nachfrage geben, narrent & judicent alii.
§. XI. Ich muß mich gleichwohl hierbey unterthänig verwahren,(Etliche Vorbedinge des Autoris.) daß ich keines weges asseveriren wolle, als wäre die
hierauf für Augen gestandene Gefahr aus einem Vorsatz, mit gutem Verstande,
Wissen und Willen, von einem und andern, welcher in vorigen Zeiten (sintemahl
diese Wercke nicht in den ersten 4. 5. oder 6., sondern viel mehr Jahren sich
angefangen, und allbereit wohl 40. und mehr Jahre die Caementa dazu herfür
gesuchet worden) gelebet und verursachet, und was zur effectuirung gereichet,
ins Werck gerichtet worden, sondern ich will vielmehr dafür halten, daß solches
aus menschlicher Schwachheit, theils aus unzeitigem Eyfer mit seiner opinion
gegen andere durchzudringen (als D. Basilius contra Helmstadienses) theils aus
Unverstande und daß manniger nicht gewust, zu welchem Ende der vorgenommene Weg
hinaus reichen möchte, theils aus Unwissenheit, theils letztlich auch wohl gar
aus Einfalt und ex hypochondriis herrührender Blödigkeit geschehen; Ich will
auch keines Person genennet oder gemeinet haben, sintemahl ich privatim dazu
keine Ursache habe, und wenn dieselbe schon publice und privatim wissend oder
unwissend gegeben wäre, so gebühret dennoch keinem Christen, daß er darin seine
vindict suchen wolte. Mihi non cum hominibus, sed cum eorum erroribus &
quidem talibus res est, qui facillimo negotio totam rempublicam maximo damno
afficere potuissent, und zwar weil Sr. Fürstl. Gnaden durch GOttes gnädige
Schickung mich dazu gesetzet, daß ich bey Pflicht und Eyden von mir sagen soll,
dasjenige, ex quo respublica detrimentum quodammodo capere potest, und zwar
nicht das weltliche Regiment allein, sondern auch das gantze Kirchen-Wesen
selbst, cum ecclesia sit in republica & pars reipublicae nobilior, und
dahero des einen Schade des andern Nachtheil nothwendig nach sich ziehen muß.
§. XII. Damit nun S. F. G. nach obgesetzten regulis sehen(Der Regent muß sich das Regale legum
ferendarum weder in dog) mögen,
worin bißhero verstossen worden, so hat man circa primum & omnium
nobilissimum reipublicae caput, nehmlich die potestatem legum ferendarum
unterstanden, selbige an sich zu ziehen, und so wohl in dogmatibus als
ceremonialibus, auch sonsten andern partibus der Kirchen-Ordnung Aenderung zu
machen. Wie es mit der reinen Lehre dieses Fürstenthums bewand, zeuget das
Corpus doctrinae Julium, die Fürstl.
|| [350]
(matibus noch ceremonialibus von seinen Theologis nicht nehmen lassen.) Kirchen-Ordnung, die Fürstl.
Reversalien, und die Land-Tages Abschiede, in welchen beyden letzten mit
deutlichen Worten enthalten, daß keine Aenderung darin durchaus fürgenommen
werden solte; necessaria consequentia dictiret auch, wenn etwa in einer oder
andern indifferente quaestione oder dubio einige declaratio vonnöthen, daß
solches nicht von einem oder mehren Geistlichen, sondern von dem gnädigsten
Landes-Fürsten, und wen S. F. G. nebst dero Geheimbden Rath etwa mehr nach der
Landes-Verfassung und Herkommen, dazu adhibiren möchte, geschehen müsse, was nun
Sr. F. G. für Theologos dazu adhibiren wollen, solches stehet bloß in S. F. G.
Willen. Es werde dieselbe zwar ihr gnädig erinnern, daß sie zu Theologischen
Sachen auch Theologos zu gebrauchen haben, nach dem Exempel das Constantini M.
auch anderer fürtreflicher Käyser und Potentaten, und ohn derselben Gutachten
und Einrathen nichts in dergleichen Sachen statuiren, es ist aber das quis
& quomodo (salvis legibus provincialibus) in arbitrio legilatoris, und
wenn sich die Geistlichen dazu vor sich selbst & non rogati vel
accersiti eindringen wollen, so greiffen sie in ein frembd Amt, arrogiren ihnen
die weltliche Macht, und wollen mit dem Landes-Fürsten pari jure &
potestate auf einem Stuhl sitzen.
(Zumahln da hier zu das Fürstl. Consistorium gar nicht bestellet ist.)
§. XIII. Nun muß zuförderst allhier praemittiret und nochmals wiederholet werden,
daß das Fürstliche Consistorium nur bloß von dem Legislatore und Landes-Fürsten
zu dem Ende verordnet, 1) daß es obermeldtes caput tertium, die judicialia
nehmlich, oder die streitende Sachen, so dahin ex sua natura gehören, vernehmen,
auch darinnen cognoscire, decidire, die execution aber gleich andern judiciis an
die dazu bey den Gerichten verhandene Personen verweise. 2) Daß es bey dem
andern Haupt-Puncte die geistliche Magistratus. das ist, die Prediger auf dem
Lande, eligire, bestelle, und so wohl in solchen als etlichen andern Fällen bey
visitationibus der Kirchen, Schulen, Aufsicht auf der pauperum bona
Ecclesiastica, dasjenige nomine Sr. F. G. verrichten solle, was Sr. F. G. als
dem Episcopo zu thun oblieget, idque tam quoad legem Jurisdictionis, quam
dioecesanae und so weit sich die termini solcher commission erstrecken. Denn was
ad legem ordinis gehöret, solches hat ex alio capite in der Fürstlichen
Kirchen-Ordnung seine klare Masse; von der potestate legislatoria aber, nehmlich
vermittelst derselben etwas in Kirchen oder geistlichen Sachen (quatenus
& in quantum illae subjacent. Majestati) zu verordnen, davon
participiret das Fürstl. Consistorium per se & quatenus tale vi nempe
primaevae
|| [351]
suae institutionis gantz
nicht, sondern es muß sich solcher Dinge so lange mit Gedult enthalten, biß es
ad Consilium in solchen Sachen vociret wird; der gnädigste Landes-Fürst thut
zwar sehr vernünfftig und wohl, wenn S. F. G. in derogleichen Sachen das gantze
Consilium, keinen davon ausgeschlossen, sondern dasselbe darüber als peritos in
arte vernimmt. Es participiret aber alsdenn das Consistorium von der
legislatoria in solchen Fall nicht jure proprio, auch nicht potestate senatoria
ordinaria, sondern für das mahl ex commissione & vocatione Principis,
welches ein vor allemahl mit sonderbahren Fleiß zu mercken, weil es zu
removirung vieler sonst hiebey vorfallender scrupulorum dienet.
§. XIV. Eo praesupposito & praemisso, so gebühret deme diese(Allerhand Eingriffe des damaligen Superintendentis Gener alissimi in die definitionem controversiarum & mutationem
ceremoniarum.) neheste Jahre her also genannten Generalissimo
Superintendenti (de quo nomine postea plura) gar nicht, daß derselbe auch mit
Zuthun des gantzen Consistorii de definitione controversiarum, mutatione
ceremoniarum, und was dessen mehr, hätte statuiren mögen, es hat sich auch das
Consistorium dessen nicht angemassetsondern es hat gedachter Generalissimus, als
er vermercket, es möchten die andern Consistoria, so wohl geistliche als
weltliche an seine Seite nicht schlagen, novo & inaudito hactenus
exemplo einen Synodum der Geistlichen im gantzen Lande ausschreiben, darin als
ein Episcopus praesidiren, und neue leges & statuta Ecclesiastica machen
wollen, in doctrinalibus & ceremonialibus, wie er solches nicht unklar
gestanden, auch gewiß für sich gegangen wäre, wenn der Todes-Fall solches nicht
verhindert hätte. Ob nun S. F. G. hohe Landes-Fürstliche Macht auf einerley
Masse näher getreten werden können, und was für unermeßliche Weitläufftigkeit
und turbae zwischen S. F. G. und Dero getreuen Landschafft, welche solches pro
violatione der Fürstlichen reversalien und Landtags-Abschied hätte halten, und
solches nimmermehr zugeben wollen, unausbleiblich entstehen müssen, solches
dictiret die Vernunfft; ich will des neuen Disputats, so daraus mit der
Universttät Helmstädt erwachsen, und S. F. G. mit dero gantzen Fürstl. Hause
impliciret hätte, für dißmahl nicht gedencken. Was für gefährliche Neuerungen
und formulae loquendi durch die empfangene Catechißmus Fragen eingeführet, und
die in hiesigen Fürstenthum niemahls angenommene, sondern jederzeit beständig
wiederfochtene ubiquität eingeführet werden wollen, ist unleugbahr; der
Exorcismus, ob er zwar an ihm selbst ein Mittel-Ding, war dennoch wieder die
deutliche Verordnung der Kirchen-Ordnung bey allen Tauffen, so der Ge
|| [352]
neralissimus in der
Heinrichstädtischen Kirchen verrichtet, bloß de facto aus eigener Bewegniß und
angenommener Macht angestellet, so gar auch in Gegenwart S. F. Gnaden Gemahlin,
der gesamten jungen Herrschaft, Fräulein, aller Räthe, Cantzley und Bedienten
bey der Tauffe Sereniss. Hertzogen Rudolph Augusti Fürstl. G. Eltesten Fräuleins
unterlassen, zu S. F. G. hohen Betrübniß und Bestürtzung.
(Fernerer Eingriff desselben 1. in die Bestellung der
Prediger und was daraus für Schaden entstanden.)
§. XV. Circa secundum caput, constitutionem nempe Magistratus sind noch mehr
mutationes vorgangen, deren etliche ich nur kürtzlich berichten will. 1) Aus was
sehr wichtiger Ursache die Bestallung der Kirchendiener dem gantzen Consistorio
nicht aber einer Person, laut der Ordnung fol. 173. 174. 175. anvertrauet
worden, und was aus dessen Unterlaß oder Veränderung für Gefahr, Jammer und
Elend entstehen können, ist oben allbereit angeführet, dem allen zuwieder hat
der Generalissimus von etlichen Jahren her, und zwar zum allerärgsten D.
Basilius die Bestellung der Pfarren an sich allein gezogen, wieder solche klare
Verordnung des gnädigen Landes-Herrn, & contra ipsissimam rationem
legis. Hierauf ist erfolget, daß die jungen, gelahrten, besten Leute von allen
Beförderungen abgewiesen, aus dem Lande gebracht, und das Land fast mit
ignoranten und simplicisten angefüllet worden; hergegen hat allemahl solcher
einiger Mann diejenige befördert, die ihm entweder Geld genug geben, oder denen
er seine Freunde und Verwandten, ja wohl gar feine Mägde und andere (videtur hoc
quoque innuere B. Calixtus Wiederlegung Aa 4. a. cujus legatur quoque programma
contentum Part. 2. Apolog. 9. Buchter. pag. in. 312.) mit welchen er in mehrerer
familiarität und Kundschafft als gut gewesen, gelebet gehabt, gegeben, und ist
also die Bestallung der neuen Pastoren nicht per vocativum, wie billig, sondern
per genitivum & dativum geschehen. Sr. F. G. seynd theils exempla selbst
genug bewust, es ist auch in vorigen Zeiten vor 20. 30. 40. und mehr Jahren sehr
viel, wiewohl vergeblich geklaget worden.
(2) Wegen der Ordnung der Priester wird praesupponiret wann und woher)
§. XVI. Vors andere (wiewohl solches billich praemittiret werden sollen) ist zu
wissen, und mit Fleiß in acht zu nehmen, 2. daß in der Fürstlichen
Kirchen-Ordnung mit sonderbahrem grossen Bedacht, und aus wichtigen Ursachen
verordnet, was für eine Ordnung unter den Pastoren im gantzen Lande wegen der
Aufsicht, und wie einer dem anderen subordiniret seyn solte, zu halten. Ob
solche Ordnung Juris divini positivi authumani, davon ist ein grosser Streit
unter den Kirchen Lehrern vor Alters gewesen, deren Meynung dem Juri Canonico
zwar in
|| [353]
seriret, die heutigen
Papisten aber wollen sich darin nicht ersättigen lassen.(dieselbe entstanden.) Unter den unsrigen, und
insonderheit unter den Reformirten, ist der Streit noch viel grösser, es sind
und werden noch täglich grosse volumina davon geschrieben, deren eine grosse
Menge vorhanden, es ist ein caput Puritanismi mit, und kommen daher die
AEqualisten, id est AEquales in Engelland und die Independenten, da alle
Geistliche gleich, und niemand von dem andern dependiren will. Dieses ist nun
eine Sache, die nicht alleine den Pfaffen-Streit concerniret, sondern es
betrifft dieselbe ipsissima reipublicae fundamenta, wie denn solches eine grosse
Ursache der motuum und alles Unglücks in Engelland gewesen, und noch diese
Stunde, und also von einem Regenten mit sonderbahren Fleiß in acht zu nehmen
ist. Tempore Christi sind alle Prediger oder Apostel gleich gewesen, und hat
keiner einige inspection über die andern gehabt. Zu der Apostel Zeiten hat man
angefangen eine Ordnung unter den Predigern einzuführen, daß die ältesten nicht
allein den vornehmsten Sitz, sondern auch die Inspection in gewissen
districtibus und Ordnungen über die andern gehabt. Wie die Kirche groß geworden,
und die Verfolgungen aufgehöret, hat man nach deren Exempel über die gemeinen
Priester gesetzet Episcopos, deren ein jeder einen gewissen District der
Prediger und Gemeine, dioecesis genannt, unter sich gehabt, über die Episcopos
hat man die Ober-Aufsicht gegeben denen Archiepiscopis oder Metropolitanis,
deren ein jeder gewisse Episcopos unter sich gehabt, und die inspection über sie
geführet, die Ober-Inspection aber über die Archi-Episcopos seu Metropolitanos
ist den Patriarchen befohlen gewesen, deren in der gantzen Christenheit nur 5.
gewesen, 1. der Römische, 2. der Constantinopolitanische, und zwar diese beyde
in Europa. 3. zu Jerusalem. 4. der zu Antiochia, und davon letztlich der 5te zu
Alexandria in AEgypto residiret. Unter diesen fünffen hat keiner über den andern
Inspection oder etwas zu gebieten gehabt, sondern wenn etwas vorgefallen, ist
solches entweder auf denen von den weltlichen Potentaten ausgeschriebenen
Conciliis erörtert, oder sie haben mit einander freundlich correspondiret; wenn
sie zusammen kommen, so ist zwar den Römischen Patriarchen, weil er zu Rom in
der vornehmsten und mächtigsten Stadt der Welt & sede Imperii Romani,
dem sie alle unterthänig waren, gewohnet, der Vorsitz gegönnet; er hat aber
deswegen keinen primatum über die andern gehabt, so gar, daß ihm auch der
Antiochenus und nachgehends der Constantinopolitanus wiedersprochen, worin
dennoch der Romanus obtiniret. So lange es in solchen Terminis blieben, ist es
in der
|| [354]
Christenheit ziemlich
gestanden, und hat die weltliche Obrigkeit ihr Amt circa sacra mit Ruhe
verrichtet, und sich occasione sacrorum keiner Unruhe und Unterdrückung zu
besorgen gehabt, wie aber der Römische Patriarche mit vielen artificiis
durchgedrungen, und ihm mit Gewalt nebst dem Obersitz auch die Inspection und
dominat über die andern angemasset, wozu ihm anfangs etliche Kayser gantz
imprudenter und zu des gantzen Reichs ihres und ihrer Successoren höchsten
Schaden geholffen, da ist das grösseste Elend daraus entstanden.
(Was die weltliche Obrigkeit dadurch für Schaden gelitten
als der Papst die andern Patriarchen ausgebissen.)
§. XVII. Die gantze Christliche Kirche, welche biß anhero in Einigkeit gestanden,
hat sich getrennet, wozu diß die einige Ursach gewesen, sintemahl was der
Römische dem Kayser wegen der Griechen ihres erroris de processione Spiritus S.
item nachgehends wegen des Acacii Episcopi Constantinopolitani und sonsten
vorgewendet, sind nur blosse praetextus und Schein Ursachen solches Schismatis
gewesen, womit der Römische seinen Ehrgeitz behauptet, und rühret dahero das
noch diese Stunde greuliche Schisma, & divisio inter Ecclesiam
occidentalem & orientalem. Im weltlichen Regiment hat unter andern
Ursachen auch dieser Ehrgeitz des Pfaffen, oder Patriarchen zu Rom das gantze
Römische Reich in zwey Theil gerissen, deren eins der Römische, das ander der
Constantinopolitanische Kayser regieret, es ist der Haß der Unterthanen unter
den beyden Kaysern, auch der Kayser selbst so groß gewesen, daß keiner den
andern auch in seinen Nöthen beyspringen wollen, woraus endlich kommen, daß der
Türcke daher occasion zum Kriege gegen den Griechischen Kayser gesuchet. Wie
derselbe von dem Römischen ex toto occidente verlassen, ist endlich dieses
gantze herrliche Kayserthum, und die gantze orientalische Kirche, (welche
dennoch teste P. Bellonio in Menge der Christen, und größten allerheiligsten
Provintzien die Ecclesiam latinam und imperium occidentis weit übertroffen) in
des Türcken Hände gerathen, welcher von dar aus nicht weniger Provintzien von
dem alten occidentalischen Imperio und der Ecclesia latina schon invadirt hat,
und noch täglich sich mehr nähert. Und kan man nicht wissen, was GOtt noch mehr
über die Provintzien der Lateinischen Kirchen verhängen möchte. Dieses überaus
grosse Unglück, welches biß ans Ende der Welt nicht genug mit Thränen zu
beweinen, ist nechst GOttes Verhängniß guten Theils daraus entstanden, daß die
weltlichen Potentaten nicht mit Ernst dahin gesehen, damit die
|| [355]
Patriarchen in ihrer vor alters
gesetzten Ordnung verblieben, ein jeder mit seinem Vorsitz sich genügen lassen,
und nicht weiters einen dominat, inspection und correction über die andern
affectiren müssen, sondern es ist die conniventia, deren sich die weltlichen
Potentaten hierin gebrauchet, ihnen über alle Maße theuer ankommen, und hat sie
um Land und Leute, Leib und Leben, die Christliche Kirche aber hat sie in das
äuserste Elend gebracht.
§. XIIX. Welches ich nur darum erzehle, und fast zu weit extra(Erzehlung / wie es vor dem mit Ordnung der General- und
Superindenten in Braunschweigischen beschaffen gewesen.) orbitas gehe,
damit S. F. G. mit Händen greiffen mögen, daß zwar dieser Pfaffen-praecendenz-
und Ober-Inspection Streit zu anfangs gering scheine, was er aber in recessu mit
sich führe, und wo derselbe hinaus schlagen könne, insonderheit aber daß ich die
fontes zeigen möge, worauf der G. Landes-Fürst und die Abfassere der
Kirchen-Ordnung gar weißlich gesehen, wie sie die Ordnung unter den Predigern
ratione inspectionis gemacht, denn sie haben das Land gleichsam in gewisse
dioeceses, deren jeden sie einen Episcopum (liceat mihi paululum abuti vocabulo,
& parva componere magnis) welchen sie einen Special Superintendenten
genennet, deren sind damahls, wie das Stifft Hildesheim noch bey dem Lande war,
17. gewesen, die Inspection über solche 17. special-Superintendenten hat man
wiederum in 5. Districtus getheilet, und jeden einen General-Superintendenten
vorgesetzet, welcher über seine untergebene Speciales die Inspection haben
solte: über solche 5. General Superintendenten ist kein anderer Oberer, oder
Generalissimus Superintend verordnet gewesen, sondern es haben S. F. G. der
Landes-Fürst magno & prudentissimo Consilio verordnet, daß die
Ober-Inspection bey keinem Geistlichen, sondern vielmehr immediate bey S. F.
Gnaden und an deren statt bey dem gantzen Consistorio seyn solte, laut des
klaren Buchstabens der Ordnung p. 239. 240. 241. Solches Consistorium aber wird
ordentlich mit dem Stadthalter dem Cantzler und dem General-Superintendenten zu
Wolffenbüttel besetzet; solcher Wolffenbüttelsche Superintendent wird auch
dahero in der Kirchen-Ordnung der oberste Superintendent genennet, welcher unter
allen 5. General-Superintendenten nur die praecedentz und Oberstelle hatte, aus
Ursachen, daß die Stadt Wolffenbüttel als sedes principis den andern Städten und
Oertern, da die übrigen General-Superintendenten wohneten, ebener massen, wie
der Römische Patriarcha aus den Ursachen den Vorsitz vor andern Patriarchen
hätte, weil er in primaria urbe imperii & sede Imparatoris wohnete, er
hatte aber vor sich den
|| [356]
andern
nicht zu gebieten, oder zu verbieten, sondern war nur ein membrum Consistorii,
oder Senator istius Collegii. Ob nun zwar neben gesetzter massen das
Consistorium kein eigenes Collegium, sondern ein appendix der Fürstlichen
Rathstube war, so repraesentireten dennoch 3. obgemelte Personen in rebus
quotidianis & non adeo arduis das Consistorium, wenn aber etwas
vorfiele, so wichtig, so wurden aus Fürstl. Cantzeley nach Gutachten des
Stadthalters oder Cantzlers die andern Räthe mit herzu gezogen, jedoch daß auch
nach Gelegenheit mehr Theologen als Senatores adhibiret worden, und ist aus
dieser letzten angeführten Ursache auch der Hoff-Prediger, wenn er qualificiret
war, als ein blosser Assessor oder Consistorial Rath gewesen / keinesweges aber
hat sich derselbe einige Authorität über einigen Superintendenten, er sey
General oder Special anmassen können, ja es ist das gantze Consistorium etliche
viele Jahre zu Helmstädt gehalten worden, wie daselbst auf dem Raths-Keller (wie
das Gebäu genennet wird) noch das Gemach oder locus Conventus, denn auchdie
Schrancken und repositoria, da die Acta gelegen, in Augenschein ausweisen, die
Consistoria oder Zusammenkünfften sind damahls alle 6. Wochen, auch noch wohl
weiter hinaus, gehalten, S. F. G. haben daselbst zum Praeside einen weltlichen
Rath hinüber geschicket, es ist auch jemand von den Professoren der
Juristen-Facult. dazu genom̅en, und hat an statt des
General-Superintendenten zu Wolffenbüttel, demselben der damahlige
General-Superintendens zu Helmstädt, D. Basilius Sattler, als Assessor
beygewohnet, der Hoff-Prediger aber hat damit nichts zu schaffen gehabt, auch
demselben nicht beywohnen können.
(Was D. Basilius Sattler hierwieder
für gefährliche Neuerungen eingeführet.)
§. XIX. Biß D. Basilius von Helmstädt nach Wolffenbüttel zum Hoff-Prediger
beruffen, da er denn verursachet, daß das Fürstliche Consistorium wieder nach
Wolffenbüttel transferiret worden. Und weil er D. Basilius die lange Zeit dem
Consistorio zu Helmstädt beygewohnet, so hat er durch solche occasion den
General Superint. zu Wolffenbüttel, welchem es sonst gebühret, ausgelassen und
sich sub illo prae extu, weil er ein Consistorial-Rath war, demselben inder
praecedenz vorgezogen, dem er sonst in qualitate eines Hoff Predigers weichen
müssen, wie noch diese Stunde zu Zell und an mehren Oertern geschichet.
Gemeldter D. Basilius hat ihm aber die Zeit seines Lebens des Nahmens eines
General-Superintendentis, oder auch für seine Person einer Ober-Inspection und
Ober-Commando über die andern General- oder Superintendenten äusserlich und
ausdrücklich nicht unternommen, nur daß er es tacite angefangen, die Bestellung
der Prediger auch allgemäh
|| [357]
lich an
sich gezogen, und mit der Zeit andere Leute im Consistoro unter zu beissen ihm
unternommen, durch diese occasion und durch solche artificia ist ein Anfang zur
Durchlöcherung der obbemeldten sehr weißlichgesetzten Ordnung gemachet. Es ist
der regierende Landes-Fürst und das gantze Consistorium von der Ober-Inspection
und obersten Superintendentz, wie die klare Worte der Kirchen-Ordnung pag. 240.
lin. 7. lauten, und welche dem gnädigsten Landes-Fürsten und S. F. G. gantzen
Consistorio gebühret, abgedrungen, und hat sich hinwieder D. Basilius an deren
Stelle zu setzen angefangen, welches denn gewiß die rechte wahre fundamenta zu
einem anderweiten Papsthum in diesem Fürstenthnm gewesen, und wäre es endlich
auch zu einem noch weitern Unglück hinaus geschlagen, weil er D. Basilius fast
alle Pfaffen im gantzen Lande durch obberührte artificia auf seiner Seiten
gehabt, und sich fast jedermann am Fürstl. Hofe für ihm scheuen müssen, wenn
sich nicht getreue Patrioten dawieder mit Ernst gesetzet, und das Fürnehmen in
etwas zurück getrieben hätten, wiewohl ich gäntzlich dafür halte, daß D.
Basilius eben so weit nicht hinaus gesehen hat, was er in recessu mit solcher
seiner ambition für böses ausrichten, und wo dieselbe hätte hinaus schlagen
können, S. F. G. Hertzog Heinrich Julius hatten auch diesen Dingen so weit nicht
conniviret, wenn sie nicht so gare sehr in die Händel der Stadt Braunschweig
impliciret, auch mehr als einmahl eine gute Zeit aus dem Lande gewesen.
§. XX. Sonst ist an keinem Evangelischen Chur- und Fürstl.(Dergleichen an andern Evangelischen Höfen nicht
bekannt.) Hofe von solcher Macht, deren sich einige Personen
unternehmen wollen, nie gehöret. Am Chur-Sächsischen Hofe in specie, ob zwar der
Hoff-Prediger in grösseren Ansehen, als ein Geistlicher an einen Hoffe ist, oder
gewesen seyn mag, hat er sich doch eines solchen Vornehmens niemahls mercken
lassen, zu geschweigen sich dessen anmassen dürffen, sondern er muß sich mit
seiner Assessorial oder Consistorial Raths Stelle genügen lassen, und mit dem
zufrieden seyn, was in seinem Beywesen communi consilio in Anwesen des
Cantzelers Friesen, des Consistorial-Praesidentis Metsch, und sein des Ober
Hoff-Predigers, auch unterweiln noch eines geschlossen wird; Am Fürstlichen
Zellischen Hofe hat sich niemand, so gar der fürtrefliche Herr Johann Arend so
wenig des Nahmens Generalissimi, als einer solchen angemaßten Gewalt,
gebrauchet, sondern ist mit dem Titul eines General-Superintendenten zufrieden
gewesen. Er hat im Consistorio nebst seinen Collegen das seine gethan, und sich
keiner mehrern Gewalt angemasset vor denselben.
|| [358]
(Wenn der titulus monstrosus eines
Superintendentis Generalisimi-im Braunschweigischen
mode worden.)
§. XXI. Es ist auch, die Wahrheit zu bekennen, das Wort und der titulus eines
Generalissimi Superintendentis ein wahres monstrum vocabuli, welches in vera sua
significatione kein anders importiret, als einen Geistlichen, der keinen andern
in eodem gradu neben sich leiden kan oder will, sondern ein Director und
Superintend-sive Episcopus supremus omnium reliquorum Episcoporum seyn, welches
entweder eine formalis descriptio des Römischen Papstes ist, oder dennoch aufs
wenigste niemand anders als der Landes-Fürst dadurch verstanden werden kan. Res
ipsa zwar ist durch D. Basilium obgemeldter massen guten Theils eingeführet,
aber des Nahmens hat er, wie auch Dr. Tückermann, sich niemahls gebrauchet,
sondern sind mit dem Titul eines Hoff-Predigers zufrieden gewesen, wie solches
ihre in den Druck heraus gegebene Predigten und Sachen ausweisen, nur daß sich
ultimis temporibus Doct. Tückermann solches Worts oder praedicati in etwas
mercken lassen. Wie aber anno 1636. die neue Calenbergische Regierung zu
Hildesheim und nachgehends zu Hannover angestellet ward, da hat man sich zwar
dieses praedicati angefangen zu gebrauchen, res ipsa aber oder die autorität
selber ist noch guten Theils bey dem Consistorio und also dem Landes-Fürsten
geblieben, biß daß man nun etliche Jahre hero sich deren auch anzumassen
angefangen.
(3) Andere inconvenienzen / die
daraus wegen der Politischen Assessorum Consistorii
entstanden.)
§. XXII. Dieses in dem vorhergehenden Punct ausgeführete Inconveniens hat 3
noch vielmehr andere nach sich gezogen, denn an deßen statt, daß das Fürstliche
Consistorium nur ein pars oder appendix der Fürstl. Rath-Stuben auf obbemeldte
masse sey, und dannenhero ex sola illa ratione in wichtigen Sachen alle Fürstl.
Cantzeley Räthe, zu dem Fürstl. Consistorio gezogen werden sollen, hat man
etliche gewisse Politische Consistorial Räthe, deren etliche offtermahl nicht
eins aus dem Collegio der andern Räthe gewesen, bestellet, die Cantzeley-Räthe
aber sind ausgeschlossen, und also auf diese Masse zu einer abermahligen gantz
gefährlichen Neuerung ein absonderliches neues Collegium aufgerichtet worden,
welches, wo es hinaus lauffen können, kan ein jeder leicht finden. Die
jedesmahlige Cantzler mögen auch ihres Amts und das ihnen vermöge der Ordnung
nächst dem Stadthalter die direction des Consistorii, und also das Präsident-Amt
zuführen, gebühret, nicht allerdings recht wahr genommen haben, die Ursache
lasse ich dahin gestellet seyn. Ich für meine Person habe in Betrachtung dieser
Sache Wichtigkeit mich allemahl nach Vermögen, und wenn ich entweder per
absentiam, oder S. F. G. Estat Sachen mich davon nicht
|| [359]
abgehalten, im Fürstlichen
Consistorio mich eingestellet, und mein Amt daselbst verrichtet, auch so offte
es der Sachen Wichtigkeit erfordert, so viel aus S. F. G. Cantzley-Räthe darzu
nöthig, ja offimahls das gantze Collegium mit dazu gezogen, und also diesen
Mangel ziemlich wieder ersetzet, wiewohl ich darüber nicht nur einmahl so gar
unfreundlich angese hen worden.
§. XXIII. Die direction im Consistorio gebühret 4) allein(4) Ingleichen wegen der direction unter D. Lutkemannen.) einem
Politico, wie solches bey allen Evangelischen Chur und Fürstlichen Consistoriis,
und in specie an dem Churfürstl. Sächsischen Hofe also gehalten wird, es hat
auch solches unterschiedene viel wichtige rationes, das meiste was bey denen
mündlichen Verhörungen und expeditionibus fürläufft, betrifft entweder den
Proceß oder andere politische Umstände, wovon die Geistlichen keine gründliche
Wissenschafft haben, bey denen Papistischen expeditionibus der Bischöflichen
Sachen wird niemand die direction anvertrauet, der nicht in Jure Canonico, und
allen, was zu solcher Wissenschafft gehöret, versatissimus sey. Et si quis rem
altius expendere velit, so war der Praeses oder caput des höchsten geistlichen
Synedrii zu Jerusalem (dessen Institution dennoch am meisten GOtt dem
Allmächtigen selbst ex ejus conservatione zuzueignen) nicht der Hohe-Priester,
sondern ein anderer, welchen der König darzu verordnete, qui dicebatur Nasir.
Nechst solchen Nasir oder Capite Synedrii war noch einer, so etwa nicht
unfüglich des Nasir vicarius genennet werden könte, qui vocabatur Pater
Synedrii; der Hohe-Priester aber war die meiste Zeit, wenn er tüchtig und
qualificirt darzu war, nur ein Senator sive Assessor Synedrii, muste sich auch
nach deren direction richten; unterweilen war gemeldter Hoher-Priester nicht
eins ein Assessor Synedrii oder Senator, sondern muste sich an seinen
Hohenpriesterlichen Amt begnügen lassen, und ist kein Zweiffel, daß aus sehr
wichtigen Ursachen alle die Evangel. in Teutschland sich auch solcher Verordnung
obgemeldter massen gebrauchet Nun habe ich für meine Person mich nicht darüber
zu beschweren, mir ist die direction so wenig von D. Wiedenburg, als D.
Lütkemann seel. niemahls streitig gemachet, ich hätte es auch nicht gelitten,
oder mich ihrer direction unterworffen. So lange D. Tuckermann und D. Wiedenburg
gelebet, hat in absentia Cancellarii der ihm in der Ordnung folgender Politicus
das Wort und die direction geführet / D. Lütkemann hat auch, so lange Herr
Cantzler Möring seel dem Consistorio beygewohnet, in Abwesenheit meiner
demselben in der direction nicht vorgegriffen; so bald aber derselbe todt
gewesen, da massete ihm D. Lütkemann in meiner
|| [360]
absentz die direction an, wolte das
Wort bey den Parthey-Sachen und sonsten führen, war aber solcher Sachen nicht
allein nicht gewachsen, sondern konte auch so wenig der Partheyen Vortrag, als
der Assessorum vota propter vitium auditus nicht einnehmen. Wie confuse und
elend es darüber hergangen, haben sich die andern nicht genugsam beschweren
können.
(5. Wegen Revision der Bescheide.)
§. XXIV. Aus solchem principio ist 5. consequenter gefolget, daß D. Lutkemann die
aufgesetzte Concepta der Bescheide, und andere Consistorial Bescheide, allein
für sich bestellet, corrigiret und unterzeichnet, dazu niemand mehr admittiret,
und also alles nach seinem eigenen Gefallen ausfertigen wollen.
(6. Wegen Unterschreibung der Originalien.)
§. XXV. Imgleichen 6. die Unterschreibung der Originalien, was an Bescheiden,
decretis und sonsten ausgefertiget, hat er allein verrichten wollen, dadurch
endlich alle expeditiones in seine Hände allein gerathen, und er alles in seinen
Gefallen, es mochte auch solches im Consilio also, oder auch wohl gar in
contrarium beschlossen gewesen seyn, einrichten wollen, was darunter für
Gefährlichkeit verborgen liegt, ist am Tage. In der Fürstlichen Cantzeley wird
es nicht gelitten / sondern es werden alle und jede Concepte von allen Räthen
unterschrieben, und werden die originalia nicht von dem Cantzler, sondern
Abwechselungs weise, von einer Woche zur andern, unterschrieben, welches ein
sehr heylsames institutum ist, und zu Verhütung sehr vielen Unterschleiffs,
supposition und andern incommoditäten dienet. Wie S. F. G. voriger Cantzler Bone
anfangs in die hiesige Bedienung trat, wolte er auch die Unterschreibung der
Concepten alleine an sich ziehen; was darunter gesuchet ward, solches gab über
wenige Zeit die Erfahrung, und ward von S. F. Gn. auf unterthänigst beschehene
Erin̅erung ihm in seinem Suchen nicht gewillfahret.
(7. In einseitiger Ausfertigung der Consistorial-Befehle.)
§. XXVI. Aus solchen affectirten Dominat ist 7. auch hergeflossen daß dasjenige,
was im Fürstlichen Consistorio beschlossen, nicht wie der deutliche Buchstabe
der Ordnung fol. 235. vermag, allein im Nahmen des Consistorii, sondern privatim
durch particular Schreiben des Generalissimi ausgeschrieben und zu exequiren
befohlen, magno certe totius reip. incommodo & periculo, ja es ist auf
solche masse viel Dinges befohlen, und im Lande wohl gar effectuiret, davon das
gantze Consistorium nicht das allergeringste gewust.
(8. Erinnerungen Wegen der)
§. XXVII. Insonderheit wollen S. F. G. geruhen, etwas genauer zu erwegen, was es
8. mit den visitationibus im Lande für eine Bewandniß gehabt, was deswegen für
eine feine Ordnung von den Alten ge
|| [361]
macht, und wie dieselben endlich gantz evertiret und das äusserste oben
gekehret(Kirchenvisitationen / wie es mit denenselben vor Alters beschaffen
gewesen.) worden. Ab antiquo & ex instituto etiam primitivae
Ecclesiae & eidem proximae hat es mit den visitationibus die Weise
gehabt, und ist in denen von der gantzen Kirchen angenommenen canonibus also
verfasset, das der Bischof seine Kirche alle Jahr selbst visitiren müssen, er
hat aber zu seinen Gehülffen oder perpetuis vicariis gehabt, seine
unterschiedene Archidiaconos welche ohne des Episcopi Zuthun, und noch zum
Uberfluß eben wohl ein jeder in seinem districtu die Kirchen visitiren müssen,
nach einer gewissen ihm vorgeschriebenen Form, die noch heutiges Tages in den
Canonibus enthalten; solcher Archidiaconorum hat jeglicher Episcopus
unterschiedliche gehabt, und war das gantze Bißthum unter gewisse Archidiaconos
vertheilet, wie solches noch bis gegenwärtige Stunde unter den Papisten als ex
antiquis institutis gantz stricte gehalten wird. Nun hatte zwar der
Metropolitanus oder Archiepiscopus die Ober-Aufsicht auf alle seiner Inspection
übergebene Bischöffe, und deren dioeceses, und wann dieselben etwas übersahen,
so stund ihm die correction zu. Es durffte aber keiner sich der visitation
unterfangen, oder seinen untergebenen Bischoffe darin eingreiffen, sondern es
war ein ander modus in den geistlichen Rechten verordnet, wodurch er die
defectus erfahren könnte, wenn sie etwa heimlich gehalten würden. Insonderheit
war der Metropolitanus gehalten, daß er aufs wenigste alle drey Jahr einen
Synodum anstellen möchte, auf welchen alle seiner Inspection untergebene
Episcopi erschienen, von dem Zustand ihrer Dioeces umständig referiren, und
nebst ihm einen gemeinen Schluß, wie der Sachen aus dem befundenen Mängeln zu
helffen, machen helffen müssen.
§. XXIIX. Solcher hochnützlichen Ordnung ist die Fürstliche(Was hiervon die Braunschweigischen Kirchen Ordnungen
verordnet.) Kirchen-Ordnung gefolget, und hat verordnet, erstlich, daß
alle special Superintend. welche allhie nur die vices der Archidiaconorum haben,
die visitationes jährlich 2. mahl verrichten solten, mit sonderlichem Fleiß,
Kirchen Ordnung p. 206. 207. wie denn solches noch bis gegenwärtige Stunde im
gantzen Lande geschiehet. Was bey solcher visitation in Erfahrung gebracht wird,
das sollen die Speciales mit nothdürfftigen Umständen ein jeder seinem
General-Superintendenten überantworten. Zum andern ist zwar dem
General-Superintend nicht gebothen, daß auch er visitiren solle; welches ich
denn, die Wahrheit zu bekennen, für einen grossen Mangel in der alten
Kirchen-Ordnung halte, gleichwohl aber ists ihm nicht inhibiret Es sind auch die
visitationes allhier in der Wolffenbüttelschen Inspection zeithero Dr. Wieden
|| [362]
burg seel. Beförderung, von dem
General nebst Special allemahl fleissig verrichtet worden. Des General
Superintendenten Amt aber in hoc passu darauf bestanden, daß er nicht allein
einem jeden Special mit Ernst auf die Hände sehe, sondern daß er in geringen
Sachen deren ihm fürgebrachten Mängeln abhelffen, und zu dero Behuf dem Speciali
Instruction ertheilen soll, Kirchen-Ordnung fol. 217. Zum dritten, was aber
schwehre Sachen seyn, darüber gebühret keinem General-Superintendenten das
geringste zu statuiren, und ist der gantzen Kirchen-Ordnung zuwieder, daß sich
dessen ein Ober-Superintendens oder Generalissimus (als von welchen die Kirchen
Ordnung überall nichts weiß) annehmen, oder vor sich noch einmahl visitiren
soll, sondern es ist diese klare und deutliche Ordnung fol. 234 gemachet, daß in
dem Fürstl. Consistorio (welches nemlich allhie im Nahmen des gnädigsten
Landes-Fürsten die obbeschriebene vices des Metropolitani oder Archiepiscopi
vertritt) alle Jahr nach Inhalt derer Canonum der alten gottseeligen Kirchen,
zween Synodi gehalten werden solten. Für solchen Synodis sollen alle 5.
General-Superintendenten nebst ihren Special Superintend. erscheinen, und alda
für dem Consistorio in Gegenwart aller Politischen und geistlichen Räthe,
relation thun von allen Verlauff der visitationen, und der decision abwarten,
welches die Christliche Kirche für länger als 1000. Jahren gebrauchet, und haben
dieselbe sich auch wohl dabey befunden.
(Neuerungen / die hernach v. D.
Basilii Zeiten an in den Kirchenvisitationen entstanden.)
§. XXIX. Diesem entgegen sind die Synodi fast in 30. 40. Jahren nicht gehalten.
Dr. Basilius hat es dazu nicht wollen kommen lassen, weiln ihm sonst sein
dominatus über die Politicos unterbrochen wäre, das Consistorium ist gleichsam
im finstern gangen / und die nothwendige Gebühr nicht angeordnet und verrichtet
worden, Dr. Tückermann und Dr Wiedenburg liessen es auch hingehen, und bey dem
eingeschlichenen Mißbrauch bleiben, der Krieg insonderheit verhinderte es gantz,
und ward durch die unterlassene Synodos viel gutes gehindert, und hingegen viel
böses tolerirt. Denn obwohl vorgesetzter massen die Special Superintendenten
ihre visitationes aus Ursachen, davon hernach nicht unterlassen, so geschahe
dennoch wegen zurückbleibender Synodorum keine relation, und ward also kein
remedium geschlossen. Nach Dr. Lütckemanns seel. Bestallung ist etliche mahl
solcher Synodorum Erinnerung geschehen, weil er aber gantz fremd war, und um des
gantzen Landes Beschaffenheit das geringste nicht wuste, auch keine
insormationes annehmen wolte, so nahm er ihm vor, daß er einmahl die Kir
|| [363]
chen im Lande besehen, und sich
erkundigen wolte, welches ich denn selbst für hochnöthig hielte, und mit rathen
halff. Es ward aber alsobald ein grosser Mißbrauch daraus, und solte die
Besichtigung den Nahmen einer General Visitation haben, wieder die deutliche
disposition der Kirchen-Ordnung, und die alten wohl verfasseten Canones, dadurch
ward den Special-auch General-Superinten den eingegriffen, es geriethe aber in
eine grosse Confusion, und ward noch ärger, als es vor diesem nie gewesen war.
§. XXX. Was durch solche Visitationes (ob sie zwar wohl gut(Und was für vielerley Unfug daraus erwachsen.)
mögen gemernet gewesen seyn, & ut nullus animus malus adfuerit, welches
ich nimmermehr sagen kan, oder will) in den Kirchen dieses Fürsterthums gebauet,
davon will ich andere zeugen lassen. Ich bin gewiß, daß öffters in einem Tage 2.
3. oder 4. Kirchen visitiret, da man doch unterweilen genug zu thun hat, wenn
die Visitation recht und mit Nutz verrichtet werden soll, daß in einer jeglichen
Kirchen gestallten Sachen und Umbständen nach, unterweilen nicht ein halber,
sondern ein gantzer, ja wohl mehr Tage erfordert werden. Hierdurch war aber die
Macht Inspectio und Judicatio, so ex veteri jure Archiepiscoporum den gnädigsten
Landes Fürsten und in S. F. G. Nahmen dem Consistorio und Synodo zustund, gantz
unterbrochen, und auf einen einigen Menschen transferiret, der den Sachen bey
weiten nicht gewachsen war / und war bey solchen Umständen keine Hoffnung zu
einigem Synodo mehr zu machen, sondern dißfalls dieß lex fundamentalis gantz
umgekehret, denen General-Superintendenten ward ihr Amt gantz u. gar durch aus
nieder geleget, die Harmonia und Ordnung, ohne welche kein Regiment bestehen
kan, gantz aufgehoben, und die confusion grösser gemacht, als jemahls gewesen.
Hierauf folget noch ein ander inconveniens. Die alten Canones haben weißlich
gehandelt, daß dem Visitatori, er sey Archidiaconus oder Bischoff, insonderheit
aber diesem letzten für die Visitation nicht das allergeringste werden solte,
sondern er solte es umsonst thun, würde er etwas nehmen, solte er solches in
duplum restituiren, welches hernach auf das triplum extendiret worden:
Visitationis officium exercentes non quaerant quae sua, sed quae Jesu Christi,
praedicationi, cohortationi, correctioni & reformationi vacando ut
fructum referant, qui non perit. Qui autem contravenire tentaverit &
quod accepit reddat, & ecclesiae quam taliter aggravavit, tantundem
impendat. Diß sind die Worte der Alten. Eine gar geringmäßige Mahlzeit wird
ihnen zwar gegönnet, jedoch daß sie einen geringen Comitat, und ein Su
|| [464]
perintendent über eine Person nicht
mit sich bringen solte; ingleichen soll der Amtmann keinen Diener, Voigte,
Knechte, oder Jungen bey sich haben, sie sollen sich mit einem geringen an
nothdürfftigen Essen genügen lassen, und sollen keine Fässer oder Tonnen Bier
aufgeleget werden, sind die Worte der Fürstl. Constitution von 6ten Jun. 1593.
Wie es mit Essen, Trincken und dem Comitat gehalten wird, ist mir unwissend,
weil in langen Jahren wegen unterlassenen und verhinderten Synodo keine rechte
relation geschehen, daß aber den Special Superintend und dem Beamten von jeder
Kirchen ein honorarium an Gelde meines Wissens, bey jeder visitation einem jeden
1 Rthlr. gegeben wird, möchte sich in der Nachfrage finden; solten S. F. G. sich
erkundigen wollen, (welches doch contra mortuos nicht nöthig erachte) was dem
also genannten General-Visitatori gegeben, möchte wohl keine Kirche auf dem
Lande unter einen Ducaten, und in den Städten unter einen Rosenobel nicht
gegeben haben. Intereat igitur, daß alle Tage etliche Kirchen den Nahmen nach
visitiret, re ipsa aber nicht viel ausgerichtet worden. Dieses blosse accidens
hat, wie obgedacht, die visitationes noch erhalten, und die General-Visitation
nebst den ffectirten Ober dominat zuwege gebracht, der rechte Hauptpunct aber
ist gantz dahinten geblieben, mehr inconvenientien, so sich bey diesen andern
Punct ereignet, will ich vor dißmahl nicht gedencken.
(Wie in Gerichts-Sachen in Consistoriis verfahren werden soll.)
§. XXXI. Der dritte Haupt-Punct (vide supr. §. 15.) betrifft des Consistorii
judicialem potestatem nemlich die Verhör und Entscheidung der streitigen
Partheyen oder gerichtlichen Sachen; was nun daran gelegen, daß dieselbe
cognition nicht von einem Menschen allein, sondern von dem gantzen consessu
fürgenommen, als desto besser bedacht, von allem die Umstände vernommen und
examiniret, und endlich ein Schluß communibus votis darüber gemacht werde, hoc
dictitat recta ratio. Daß auch nicht unförmlich mit der cognition, mit
Einnehmung des Beweißthums durch Zeugen oder sonst mit deren Examinirung
verfahren werde, dienet nebst dem, daß / wenn in ulla alia societate in oder
durch Ordnung etwas zuthun, auch in diesem Fall dazu, daß keine nullitäten
committiret werden, für denen man sich im Fürstlichen Consistorio vielmehr als
in andern Gerichten im Lande aus dieser Ursachen zu hüten hat, daß S. F. Gnaden
in Consistorial Sachen, so weit die Materialia derselben betreffen, keinen
Superiorem in der Welt haben, und weder an das Kayserliche Cammer Gerichte, oder
den Reichs-Hoffrath provociret werden kan; wenn aber unförmlich ver
|| [365]
fahren, und eine nullität begangen
wird, so wollen auch die provocationes ex capite nullitatis an dem Kayserlichen
Cammer Gerichte, und dem Reichs-Hoffrath angenommen werden. Wenn nun durch
unförmliches procediren zu dergleichen provocationibus den Partheyen Ursach
gegeben wird, so ists und kan nicht anders seyn, als daß S. F. G. Ihr in diesen
Consistorial-Sachen habende Jura aus Händen gebracht, und S. F. G. darin
vermachten Ordnung der Censur anderer Gerichte, unterworffen werden, welches
warlich der grösten laesionen und degradationen eine ist, welche S. F. G. an
Dero höchsten Unmittelbahrkeiten zugefüget werden kan, dahero auch mit höchsten
Fleiß dahin zu sehen ist, damit in dergleichen Sachen collegialiter mit guten
Bedacht und einmüthigen Zuthun, und zwar gebührlich absque vitio nulsitatis
verfahren werde, keines weges eine Person solches an sich ziehe, welche wohl gar
den Sachen nicht gewachsen, von dem modo procedendi aber, als einer Juristischen
Sache, wohl gar nichts weiß.
§. XXXII. Hiergegen aber ist unläugbahr, daß D. Lütkemann(Was in diesem Punct für Unordnungen durch D. Lürckemannen eingeführet worden.) seel.
nicht allein Winckel- und privat-Consistoria im Hause gehalten, die von denen
Superintendenten particular und einseitige, an ihn gethane Berichte, angenommen,
und himwieder einseitig dem Consistorio unwissend befehliget sondern auch, wenn
er auf die Visitationes gezogen, hat er ihm unternommen, in Ehe und andern
Sachen, die Partheyen für sich selbst, gerade als wenn er an einem Ort, dahin er
gelanget, ein Cathedram episcopalem mit aller Zubehörungen hätte, zu verhören,
Zeugen zu examiniren, und entweder zu entscheiden, oder aber in seiner
Wiederkunfft Relation davon zu thun, und zu begehren, daß man auf sein einseitig
und allein gehaltene cognition ein Urtheil im Confistorio sprechen sollen, dazu
sich aber kein gewissenhaffter und verständiger Assessor verstehen, und auf
eines andern angezogene Wissenschafft, de cujus fide non immerito dubitandum,
atque ita causa ex actis plane non cognita, eine Sentenz fällen kan. Es hat auch
etzliche mahl die Erfahrung gegeben, daß in anderweiter gründlicher Nachfrage
die Sache sich ziemlich variiret, die eingezogene Nachricht mit einander gar
nicht überein stimmet, und insonderheit mit der Zeugen Verhör und anderen
Verfahrungen gantz nulliter procedi er worden.
§. XXXIII. Ob nun sonsten die pomoeria Judicii sich nicht zu weit(Noch andre in das Consistorium
einge-) erstrecket, und nach dem Exempel der Papistischen Geistlichen,
Gerichts Sachen, so dahin nicht, sondern für die Aemter oder andere Gericht
gehören, gleichwohl dahin gezogen, unterweilen auch wohl contra commu
|| [366]
nia (schlichene Mißbräuche / sonderlich wegen der Huren-Brüche.) principia
Juris der reus dem foro des Actoris folgen müssen, (also, wenn etwan ein
Geistlicher oder eine Kirche entweder ratione rei oder contra personam sub alia
Jurisdictione sitam zu klagen gehabt,) wird die Nachfrage geben. Einmahl ist
gewiß, und unläugbahr, ob zwar das Fürstliche Consistorium sich keiner Brüche
oder Bestraffung auf dem Lande quocunque praetextu aut ex quacunque ratione
annehmen könne, daß dennoch derselbe sich unternommen, die Straffe der
Huren-Brüche, wenn Braut und Bräutigam sich zu frühe zusammen thun, im gantzen
Lande einzunehmen. Jure proprio kan solche Straffe dem Consistorio nicht
gebühren, weil sie sonst auch alle andere Huren-Brüche insgemein haben müste.
Die bey den Päbstlichen Zeiten in Gebrauch gewesene Sende-Brüche, womit dieses
Ding etwa coloriret werden möchte, gehören inter abusus clericales und
diejenigen Sachen, worüber sich die weltliche und andere jedesmahl mit beklaget.
Soll es ex speciali concessione des gnädigen Landes Fürsten dem Consistorio oder
jemand anders competiren, so stehet S. F. G. zwar frey, was die von dero Amts-
und Cammer-Intraden (so weil nemlich der etwas frühzeitige concubitus conjugum
für straffbar zu halten) vergeben, und dem Consistorio oder sonst jemand anders
zuwenden wollen, die Gerichte im Lande aber, in Städten und andern Gerichten
werden selbige Straffe dem Consistorio nimmer folgen lassen, sondern solches
vielmehr pro gravamine halten, wodurch ihnen in ihren Gerichten zu nahe getreten
würde, woraus leichtlich allerhand Ungelegenheit zwischen S. F. G. und der
gantzen Landschafft entstehen könte.
(Auf was Weise allen diesen bißherigen Unordnungen
abzuhelfen sey.)
§. XXXIV. Dieses und was sonsten mehr hätte können hinzu gethan werden, ist der
morbus, welcher sich anfänglich paulatim in das corpus hujus reipubl. quoad
ecclesiastica insinuiret, die letzte Jahre aber gar starck um sich zu greiffen
angefangen. Es ist dessen curatio dem Landes-Fürsten, wenn S. F. G. aus
vorangeregten Ursachen die wahre fundamenta solcher Kranckheit bekannt worden,
so gar schwer nicht, sondern beruhet nur darin, daß S. F. G. mit Ernst dazu
thun, die Gewalt des Consistorii mit gewissen legibus abermahls vermittelst der
neuen Kirchen Ordnung circumscribiren, und keinen, er sey auch wer er wolle,
entweder directe in Bestallung oder andern rescriptis, oder auch per indirectum
tacite vel per conniventiam dawieder zu handeln oder ihm etwas anzumassen,
verstatten. Solche circumscriptio oder limitatio gehöret nun zwar zu dem andern
Theile der neuen Kirchen Ordnung, daselbst sie in allen und jeden Puncten auch
wohl abgefasset werden kan. Ich
|| [367]
will dennoch die summa capita vor dißmahl allhier berühren, damit S. F. G. einen
general Vorschmack davon haben, und des fundamenti aus obberührttn Umständen
gewiß seyn mögen.
§. XXXV. Anfänglich und für allen Dingen muß statuiret(1) Daß das Consistorium in Lehr und Ceremonial-Sachen fur sich nichts ändere.)
werden, weil S. F. G. als der Landes-Fürst dem Consistorio keinen Theil an der
potestate legislatoria circa sacra (so weit nehmlich dieselbe der Majestati
politicae obnoxia seyn kan) quavis ratione gestünden; ausserhalb, wenn S. F. G.
das Consistorium zu einer oder andern dahin gehörigen deliberation vociren, oder
begehren würden, daß sich dannenhero das Consistorium und alle demselben
angehörige Glieder, insonderheit aber der Generalissimus Superintendens sich
alles dessen, was darin gehöret, gäntzlich und durchaus enthalten, dahero in
Lehre und Ceremonien sich schlechterdings nach der Fürstlichen Kirchen Ordnung
richten, darüber festiglich halten, keines weges aber das geringste für sich
nicht ändern sollen.
§. XXXVI. Zum andern, daß sich keiner von den Geistlichen(2) Wie es mit den Synodis zu
halten.) im Lande dessen unternehmen, vielweniger sie darüber per
modum Synodi zusammen kommen, sondern wenn jemand unter den Geistlichen etwas
zuerinnern, der oder dieselbe solches an ihre Speciales, die Superintendenten an
ihre General-Superintendenten, und diese es hinwieder an das Fürstliche
Consistorium bringen sollen, damit alda davon deliberiret, auch wohl gestalten
Sachen nach bey dem Synodo und bey dem Fürstl. Consistorio weiter erinnern, und
Meldung geschehe.
§. XXXVII. Zum dritten, so viel die Besetzung des Fürstlichen Consistorii
anlanget, daß es damit bey den klaren Buchstaben der(3) Ingleichen mit Besetzung des Consistorii.)
Fürstlichen Kirchen Ordnung bleiben, und was dagegen fur Aender- und Neuerung,
es sey vor wenig oder vielen Jahren eingerissen, eingeführet, toleriret und
sanciret, solches alles abgeschaffet seyn solte, jedoch mit dieser moderation,
ob wohl der Hoff-Prediger zu Anfang mit dem Consistorio nichts zu schaffen
gehabt, und kein Glied desselben gewesen, sondern nur allein der
General-Superintendent zu Wolffenbüttel, als der oberste und vornehmste
vorangehende, & tantum in ordine nonautem ulla alia ratione primus unter
andern General Superintendenten ordinarius Assessor seu Consiliarius vi
constitutionis gewesen, weil sich dennoch solches im nachfolgenden Zeiten
geändert, und Anfangs auf den General-Superintendenten zu Helmstädt, nachgehends
aber auf den Hoff-Prediger bey der Fürstl. Hoffstatt allhier transferiret, so
liessen es
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auch S. F. G. nunmehro
dabey bewenden, jedoch daß, wie bishero, also auch forthin der General
Superintendent auch allhier ein Consistorial-Rath sey, und stünde zu bedencken,
ob nicht der jetzige Hoff-Capellan mit hin einzunehmen, damit Leute, so im
Predigt-Amt sitzen, das Regimen Ecclesiae an lernen, und also ins künfftige zu
andern officiis und Superintendenturen auf dem Lande gebraucht werden können. Es
wäre zwar nicht undienlich, sondern nützlich, wenn der ungebräuchliche und
ominosus titulus seu praedicatum eines Generalissimi abzuschaffen, weil auch
monentibus omnibus genuinis Politicis das oder ein
geringes Ding eine grosse mutation in republica nach sich ziehet. Es wird aber
vor dißmahl nicht zu practiciren seyn, sondern es stehet zu erwarten, was
dißfalls ins künfftige für occasion sich an die Hand geben möchte. Wegen der
Politischen Assessoren bleibet es bey der Ordnung, daß gleichwie das
Consistorium proprie loquendo und eigentlich kein eigenes und separatum
Collegium, sondern ein Theil und Anhang der Fürstlichen Cantzley oder Rathstuben
ist; denn auf den Fall, wenn Consistorial Sachen tractiret werden sollen, die
Geistlichen Consilarii oder Assessores adjungiret seyn, wie solches den klaren
Buchstaben der Ordnung gemäß, auch noch gegenwärtige Stunde zu Halle, zu Zelle,
und andern Oertern mit grossem Nutzen und guter Versicherung des Fürstl. Status
selbiger Oerter also gehalten wird, auch zu Halberstadt für Secularisirung des
Stiffts also gehalten ward: Also auch dieses ordinarie (weil kein Stadthalter
bestellet) der Cantzler nebst zweyen Räthen dem Consistorio beywohnen; jedoch
gestallten Sachen nach auch die Cantzley-Räthe herzu gezogen werden können.
(4) Wie er das praesidium des Consistorii einzurichten.)
§. XXXIIX. Zum vierdten bleibet die directio und das praesidium im Fürstl.
Consistorio, wie bishero allemahl geschehen, dem Cantzler; wenn aber derselbe
nicht bey der Hand, muß, wie auch vor diesen alle mahl geschehen, die direction
von deme dem Cantzler in der Ordnung oder session folgenden Politico geführet
werden, die vota müssen alda libera seyn, jedoch von einem jeden
bescheidentlich, ohne herbe oder anzügliche refutation eines andern, item ohne
hönische Mienen, Auslachen oder sonst gefuhret werden, und zwar in guter
Ordnung, daß niemand dem andern in sein votum falle; der director macht darauff
das conclusum per majora, oder so die vota noch unklar, dubia oder perplexa,
fraget er bis zur gäntzlichen Richtigkeit um.
(5) Item die Be-)
§. XXXIX. Zum fünfften, der Bestallung der Pfarrherren im gantzen Lande, worüber
Serenissimi F. G. die Jura patronatus haben,
|| [369]
muß sich keiner im Consistorio alleine anmassen, sondern es muß
darin(stallung der Pfarrherren im gantzen
Lande.) verfahren werden / dergestalt, daß eine richtige designation oder
Catalogus (von dessen Verfertigung, und wie zuförderst die qualitäten der
Inscribendorum mit Fleiß erforschet werden solten, der Ordnung selbst gründ- und
ausführlich einverleibet, und insonderheit was Chrisostomus homil. in cap. 1.
actor. sehr nachdencklich saget, inseriret werden solte) derjenigen, welche
gerne befördert seyn wolten, im Fürstlichen Consistoriovorhanden sey, zu welchem
man auf ereignende vacantien einen recurs nehmen und nach qualification der
vacirenden Pfarr ein subjectum heraus nehmen kan, jedoch daß solche electio in
toto consessu & votis omnium auditis geschehe, hierdurch wird aller
Unterschleiff, insonderheit die Simonia und andere Gefährlichkeit, deren theils
oben Meldung geschehen, verhütet, das Land wird mit tüchtigen Leuten besetzet,
man kan aus den Predigern bey den gemeinen Pfarren, wenn tüchtige Leute dazu
genommen sind, hernach Special- und General-Superintendenten machen, und haben
S. F. G. qualificirte Leute selbst im Lande, da sie ietzo auf gemeinen Pfarren,
auch an etlichen Superint. (sed haec ex margine in textum a descriptore perperam
inserta sunt) fast lauter ignoranten haben, denen es zwar an Hochmuth und
Hoffarth nicht, an erudition und andern qualitäten aber allenthalben mangelt
§. XL. Es werden auch S. F. G. in der That befinden, wenn(Nutzen dieser Besserung.) feine ingenia und
gelahrte Leute erst sehen werden, daß man sie den ungelahrten vorziehe und also
einen Selectum halten wird, daß sie sich alsdenn, weil es leyder an wenig Orten
geschiehet, allhie häufig anfinden, und S. F. G. ohne einigen dero Kosten oder
Mühe ein solches Seminarium haben werden, mit welchen sie mit allen
Evangelischen Chur- und Fürsten wohl certiren, auch andere, so Jura patronatus
im Lande und Krafft deroselben eine oder mehr Pfarren zu vergeben haben, dadurch
Anlaß nehmem werden, die zu praesentirende bey S. F. G. und dero Consistorio zu
suchen, wenn auch die praesentationes an das Fürstl. Consistorium von den
patronis geschehen muß, solches nicht einer allein im Hause expediren, sondern
an das Fürstl. Consistorium bringen, damit es allda expediret, und viel
Unterschleiffe verhütet werden. Wie es mit den examinibus zu halten,
insonderheit daß von dem gantzen Synedrio zu judiciren, ob der praesentatus in
dem examine tüchtig befunden oder nicht, ingleichen wie es mit den
Probe-Predigten, auch sonsten zu halten, wenn ein Candidatus Ministerii zu einer
Predigt verstat
|| [370]
tet werden solte,
solches ist auch wohl in der Kirchen-Ordnung zu fassen hochnöthig, wegen vieler
darin eingerissenen Unordnungen.
(6) Die Ordnungen der Prediger und Superintenden.)
§. XLI. Zum sechsten, daß es mit der Ordnung oder subordination der Prediger,
Special- und General-Superintend. im Lande, nach deutlichen Innhalt, der
Kirchen-Ordnung sein Verbleiben haben, keine Aenderung darin vorgenommen, auch
kein Geistlicher ihm über den andern mehr Gewalt, als ihm Krafft solcher Ordnung
gebühret, anmassen; Hingegen aber auch den Respect, welchen ein jeder seinem ihm
Vorgesetzten zu leisten schuldig, nicht entziehen solle.
(7) Die Einsendungen der Berichte.)
§. XLII. Fürs siebende, sollen die gemeine Pastoren ihre Berichte an die Special
Superintend. die Speciales hinwieder an die General. vermöge der Fürstlichen
Kirchen-Ordnung thun, oder aufs wenigste an das Fürstl. Consistorium immediate
senden.
§. XLIII. Insonderheit aber fürs achte die Visitationes auf jeder (8) Unordnungen wegen der visitationen.) Pfarr im Lande jährlich zweymahl, nach den in der
Kirchen Ordnung vorgeschriebenen, und noch etwa verbesserenden Puncten und
Artickeln nicht allein von dem Special-Superint., sondern auch etwa auf eine
Zeit, oder dennoch per modum einer visitation, dadurch der vorige Visitaror
hinwieder gleichsam visitiret wird, von dem General-Superintend. verrichtet
werden, jedoch alles ohne sonderbahre Kosten, und daß ohne Speiß und Tranck
denen Visitatoribus, geist- und weltlich nichts gegeben
werde, (Haec rursus ex margine in textum perperam irrepsere.) Daß der
Generalissimus etwa alle, oder ums ander Jahr auch nach dem Zustande frage, und
ins Land ziehe, ist zwar nicht undienlich, aber einer grossen circumspection
dabey von nöthen, damit es nicht allein keinen Nahmen der Visitation habe /
sondern daß auch Unkosten verhütet, und keine fernere fundamenta zu obberührten
Inconvenientien geleget werden, und kan ich vermöge meiner Pflicht, Eyde und
Gewissens nicht vorbey, E. F. G. noch eines hiebey zu entdecken, denn ob man
wohl von keinen andern visitationibus, als der Spec. Superint. vermöge der
Ordnung biß daher gewust, davon ich hie oben ein mehrers angeführet, daß dennoch
die Landschafft auf Gener. Visitationes und Gener. Consistoria nachgehends
gedrungen, denen sie durch etliche ihres Mittels mit beywohnen wollen, wie davon
in etlichen Landtages Abschieden die dispositiones zu finden seyn. Nun kommen
auf solche Masse die Land-Stände mit in die Communion des Juris Episcopatus
& per Consequens S. F. G. hohen Landes Fürstlichen Gerechtigkeit, als
deren erstes und vornehmstes caput die ecclesiasti
|| [371]
ca seyn, welches Sr. F. G. billich
bedencklich. Soll nun eine andere Visitatio von dem Generalissimo vorgenommen,
und der Nahme einer General Visitation (quamvis admodum absurdum, generale esse
& generaliter fieri, quod quidem ab omnibus ad id per legem publicam
deputatis fieri debebat, & tamen ab uno saltem fit, cui id per legem non
competit) vel per abusum gebrauchet werden, so wolten S. F. G. gewiß dafür
halten, daß die Landschafft nicht still sitzen, sondern ihre Jura urgiren, und
nicht allein auf eine General-Visitation, sondern auch consequenter auf die
General-Consistoria dringen, und dazu die Ihrigen praesentiren werden. Prudenti
pauca sufficiant. Exempla, quae in una particula Majestatis incipiunt, ibi non
desinunt.
§. XLIV. Fürs neundte müssen ohne einige Cessation die jährlichen(9) Und jährlichen Synodorum.) Synodi bey dem Fürstl. Consistorio wieder angeordnet,
und was auf den Visitationibus vorkommen, allda vermöge der Ordnung & ex
principiis supra deductis expediret werden.
§. XLV. Zum zehenden, daß in dem Fürstl. Consistorio kein(10) Verfertigung der Bescheide per
majora.) decretum, Bescheid, oder einige andere Verordnung
von einem allein, sondern im gantzen consessu, omnium voto & suffragis,
si non per unanimia, saltem per majora gemachet, die concepta nicht von einem,
sondern von allen unterschrieben, auch ehe solches nicht geschehen, keines weges
versiegelt und ausgefertiget werden; die Original müssen Wechselungsweise von
Wochen zu Wochen, nach dem Exempel der Cantzley unterschrieben werden; solches
ist in Fürstl. Rathstuben mit sehr grossem Nutzen eingeführet, und bis anhero
continuiret worden, so lange man dabey continuiret, wird es wohl stehen mit
solcher expedition, so bald aber davon abgetreten wird, hat man der grösten
confusionen, Unterschleiffs, Partheylichkeiten, und anders wahr zu nehmen.
§. XLVI. Zum Eilfften, alle und jede Verordnungen an die Geistlichen(11) Ingleichen der Consistorial
Verordnungen an die Geistlichen im gantzen Lande.) in dem gantzen
Lande müssen von niemand anders, als vom Consistorio autoritate S. F. G.
ausgelassen werden, und zwar an die General-Superindent. die es gestalten Sachen
nach hinwieder denen Specialibus, und diese einem jeden gemeinen Prediger in
seinem district anzudeuten haben, denn sonsten gebieret es die grösten
Unordnungen, und kan ausser dem, wenn es anders gehalten / und die Verordnungen
aus dem Consistorio einem gemeinen Pastori oder Speciali immediate zugeschicket
wird, die harmonia & ordo des Kirchen Regiments eben so wenig bestehen,
als wenn in einer Uhr das unterste oder grösseste Rad die Unruhe trei
|| [372]
ben, oder darin Abwechselung
gehalten werden solte, auf welche Masse keine oder wenige Minuten in ihrer
Consistenz bleiben, sondern dissolviret werden müsten, oder als wenn in der
Fürstl. Rathstuben, oder der Fürstl. Rath-Cammer bey den abgelassenen
Anordnungen man den Amtmann oder Gerichts-Herrn vorbey gehen, und einem Amts-
oder Dorff-Voigt immediate anbefehlen wolte. Es verleuret nicht allein dadurch
der Superintend. oder der Amtmann seinen respect, und wird der ander
halsstarrig, achtet auf sein Geboth nicht mehr, sondern es giebet auch
contradictorias expeditiones, woraus nichts anders, als lauter confusionen
entstehen, und es endlich zu einer totalen dissolution hinaus lauffen müsse.
(12) Abschaffung der Winckel Consistoriorum.)
§. XLVII. Zum zwölfften müssen alle Neben- und Winckel-Consistoria gäntzlich und
durchaus abgeschaffet seyn, und wenn einen oder andern aus dem Mittel des
Consistorii etwas zu Ohren kommt, oder ofsenbahret werden möchte, quacunqué
tandem occasione id fieri queat, darin man etwa ex officio zu verfahren,
vielmehr aber wenn sich die Partheyen selbst anmelden, so muß solches ad
ordinarium consilium & ad ordinariam cognitionem gebracht, die
absonderliche inquisitiones, examinationes testium aber, und was dessen mehr
genennet werden mag, gantz abgestellet bleiben.
(13) Höchstnöthige cautel wegen
Fester Haltung der neuen verbeßerten Ordnung.)
§. XLIIX. Schließlich und zum dreyzehenden ist noch ein unterthäniges monitum
übrig, ohne dessen Effectuirung voriges alles nicht subsistiren kan, weil
nehmlich kein Regiment quacunque sui parte bestehen kan, wofern nicht über
einmahl gegebene, gesetzte und gemachte Ordnungen gehalten, oder das geringste,
was dem zuwieder, zu gelassen wird, sondern es weit besser, daß niemahls einiges
Gesetz gegeben, als daß es heute gemacht, morgen aber geändert und violiret
werde, insonderheit wenn es mit solchem Gesetz die Bewandniß hat, daß darauf die
Fundamenta des gantzen Estats, wie es in der höchsten Wahrheit mit dem praesenti
negotio bewandt; und aber bekannt ist, wie es an großer Herren Hösen pfleget
herzugehen, theils daß die Herrenselbst mit der mole negotiorum allemahl
dergestalt obruiret seyn, daß sie stets auf jede particularia nicht achten, auch
deren momenta so eigentlich nicht in acht nehmen, vielweniger dieselbe ad
trutinam graviorum principiorum & fundamentorum zu erwegen, Zeit haben,
theils daß es unterweilen den Ministris, die es billich erinnern solten,
entweder an den fundamenten oder dennoch an der particular information oder auch
an der Zeit mangelt / (weil der negotiorum publicorum, & Status viele
sind, wel
|| [373]
che auch wohl unterweilen
den allerklügsten irre machen, quandoque etiam & bonus dormitat Homerus)
theils, daß es auch an importunen sollicitanten nicht mangelt, welche ihres
privat-Nutzen, Ehrgeitzes und anderer mehren respecten halber mit ihrer
condition nicht friedlich seyn, sondern immer weiter hinaus, und grösser als
ihnen und dem publico dienlich ist, seyn wollen, welche denn auch ihre Favoriten
und Interesse haben, und durch solche oder auch ander artificia etwas
auswircken, welches denen legibus fundamentalibus gantz zuwieder ist. So werden
S. F. G. sehr hochvernünfftig und weißlich thun, wenn sie der neuen
Kirchen-Ordnung eine general clausulam mit sonderbahrem Ernst anhängen ließ, des
deutlichen Innhalts, daß es ein vor allemahl bey der disposition, Worten und
Meynung solches legis publicae sein Verbleiben haben, und demselben von
niemanden zuwieder gehandelt werden solte, mit der Erklährung, ob schon jemand
ein wiedriges seiner Bestallung einrücken lassen, oder sonst einige declaration,
oder wie es Nahmen haben möchte, hierwieder erhalten würde, daß dennoch solches
alles nicht gelten, sondern Krafft solcher Ordnung cassiret und abgethan seyn,
auch die impetranten noch dazu mit ernster Straffe angesehen werden solten,
welches denn auch revera also erfolgen müßte, wenn sich ein contravenient oder
Einschleicher erfinden würde, ut poena statim & in principio ad unum
& paucos, metus autem ad omnes perveniat.
§. XLIX. Dieses sind zwar meine unvorgreifliche / jedoch aus(Beschluß) unterthäniger getreuer Sorgfalt für S.
F. G. und dero lieben Posterität Wohlstand gemeynte Gedancken, welche ich nicht
anders als wohl und gnädig aufzunehmen bitte. GOtt dem Hertzenkündiger ist
bekannt, wie gut und treulich ich es damit gemeynet, mihi neque seritur neque
metitur. Der allmächtige GOtt wolte S. F. G. Hertz und Gemüthe bey dieser
wichtigen Sachen dirigiren und seinen kräfftigen Seegen, ohne welchen alle
menschliche consilia umsonst seyn, dazu sprechen.
|| [ID00382]
I. Handel Unvorgreifliches Bedencken / über den gegenwärtigen Zustand des
Justitien-Wesens / und dessen künfftigen Verbesserung.
DEr elende Zustand des Justitz-Wesens ist fürnehmlich dem Ehr- und Geld-Geitz der
Richter und Advocaten zuzuschreiben §. I. p. 1. General-Innhalt dieses
Bedenckens §. II. p. 3 Acht Speeial Classen derer Gebrechen, und der Mittel
dawieder §. III. p. 3. I. Die unmäßige Erfindung, Vermehrung und Aenderung der
observantien, und der daraus entstehende Schade §. IV. p. 4. Wie diesem Ubel,
als welches Potestati legislatoriae schnurstracks zuwieder, zu steuren sey. §.
V. p. 5. II. Schaden durch die vielfältigen und unnöthigen interlocute, §. VI.
p. 7. Dienliche Mittel dawieder 1) wegen der legitimation, caution, gauranda,
competentiae fori, insinuationis citationum, 2) wegen Tüchtigkeit oder
Untüchtigkeit der Klage, 3) wegen der durch der Advocatorum tergiversatio
entstehenden interlocuten, 4) wegen der übrigen Beyurtheil ante & post
litis contestationem, probationem, executionem. §. VII. p. 9. Herrlicher Nutzen
und Würckungen besagter Mittel, so wohl in Ansehung der Zeit, als der Kosten. §.
IIX. p. 10. III. Grosser Mißbrauch der Appellationen und vielfältige querelen
darüber §. IX. p. 11. Allerhand Mittel wieder diesen Mißbrauch, Verbietung der
Appellationen 1) a sententiis interlocutoriis, 2) in causis non appellabilibus,
3) Benehmung des effectus suspensivi in etlichen Fällen; 4) Determinirung einer
gewissen summae appellabilis. 5) In geringen Sachen Hebung der gravaminum per
rescripta. 6) Deposition einer gewissen summa in casum succumbentiae. 7) Des
appellirenden Theils und dessen Advocaten juramentum malitiae. 8) Straffe der
boßhafftigen Appellanten an Leib, Ehre und Gut. 9) Auch derer, die in ihren
appellationen den Richter erster instantz geschmähet §. X. p. 14. IV. Mißbrauch
und Ungrund des inhibition-Processus in Hoff-Gerichten. §. XI. p. 16. welcher
demnach gäntzlich abzuschaffen. §. XII. p. 17. V. Mißbrauch der unter der Larve
ampliandae jurisdictionis vorgehet, §. XIII. p. 18. Welches als ein
observantzen-Ubel abzuschaffen. §. XIV. p. 19. VI. General-Anmerckungen, wie die
Richter beschaffen seyn sollen §. XV. p. 20. Item von der Advocaten
Nothwendigkeit, und Untreue, auch deren Ursache, Menge böser Advocaten §. XVI.
p. 21. Leichtes remedium dawieder, Erwehlung einer gemäßigten Anzahl geschickter
und gewissenhaffter Advocaten, und deren Verpflichtung. §. XVII. p. 22. Von
Verbesserung der gesammten Verfassung bey Justiz-Collegiis: 1) daß sie insgesamt
täglich sitzen, und nicht erst in Virtel-Jahren u. d. g. zusammen kommen, 2)
|| [ID00383]
daß nicht einerley Personen in erster und
anderer Instantz zugleich sitzen, 3) daß die judicia und Rechts-Collegia nicht
mit so vielen einander anverwandten Personen besetzt blieben, 4) daß keiner, der
in Rechts- und Justitz-Collegiis sitzt, sich des Advocirens gebrauchen dürffe,
5) daß über 4. oder 6. Personen zu einem Collegio oder judicio nicht admittiret
würden. §. XIIX. p. 23. Von Abschaffung der sportuln, und zulänglicher Besoldung
der Richter und Advocaten. §. XIX. p. 26. VII. Das 1. allgemeine remedium
voluntarium die Processe zu kürtzen, Versuchung der Güte §. XX. p. 27. Das andre
Mittel: Willkührlicher Schieds-Richter Erwehlung §. XXI. p. 29. Das 3. Mittel
durch willkührliche Losse. §. XXII. p. 29. Das 4. Mittel: willkührliche
Einschränckung der Processe durch compromissa. §. XXIII. p. 29. Das allgemeine
remedium coactivum die Processe zu kürtzen daß alle causae civiles binnen 3.
Jahren geendiget werden §. XXIV. p. 30. Dieses ist so möglich als leicht, wenn
nur die Richter und Advocaten es nicht hindern §. XXV. p. 31. Und wenn die
vielen Interlocute abgeschafft, auch die sportuln anders eigerichtet werden. §.
XXVI. p. 31. IIX. Vier Mittel, die vier Verderbnüsse der Gerichte zu tilgen. §.
XXVII. p. 31. Nemlich Furcht, Begierde, Haß und Liebe. §. XXIIX. p. 32.
Dreyerley Straffen ex jure civili §. XXIX. p. 32. Mit welchen das Jus Canonicum
übereinstimmet §. XXX. p. 33. Noch ein locus parallelus ex Jure Civili §. XXXI.
p. 34. Das allervornehmste Mittel ist die GOttes-Furch-§. XXXII. p. 34. Beschluß
dieses Bedenckens §. XXXIII. p. 34.
II. Handel. Unterschied zwischen der vipublica oder Strassen-Raub / und sonst
andern liederlichen Händeln auf der Strasse.
NUtzen, wenn man in Jure die praxin und theorie mit einander conjungiren kan.
Gelegenheit zu gegenwärtigem Handel §. I. p. 35. Summarischer Innhalt des
streitigen und zweiffelhafften Handels §. II. p. 36. Deutlichere Erzehlung des
Handels. Denunciation der Schüler. Des einen Denunciaten Christophs Antwort auf
articulos §. III. p. 37. Zeugen-Verhör und erstes Urtheil wieder Christophen §.
IV. p. 39. Entdeckung des andern Consorten Georgens. Defensio pro avertenda für
beyde §. V. p. 41. Gedancken über die Defension. Christophs andere Verhör ad
articulos §. VI. p. 44. Georgens erste Verhör §. VII. p. 45. Christophs dritte
Verhör §. VIII. p. 46. Der beyden Schüler Aussage ad articulos §. IX. p. 47. Was
ferner für anderwärtiger Verschickung der acten fürgegangen, nebst dem andern
Urtheil §. X. p. 49. Christophs und Georgens andere defension §. XI. p. 51. Das
dritte Urtheil wieder die beyden inquisiten §. XII. p. 67. Was nach dem dritten
Urtheil in processu ferner vorgegangen §. XIII. p. 69. Neue defension für
Georgen alleine §. XIV. p. 74. Wie sich der
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neue defensor des Christophs von dem Juramento calumniae befreyet §. XV. p. 79.
Unterschiedene und zum Theil wiedrige Verordnungen der Magdeburgischen
Proceß-Ordnungen vom Juramento calumniae der Advocaten §. XVI. p. 80. Christophs
neue defension §. XVII. p. 81. Allerhand wiedriege Urtheile von derselben §.
XVIII. p. 93. Neues Jenisches Urtheil, das die vorhin erkannte tortur in einen
Reinigungs-Eyd verwandelt §. XIX. p. 94. Des Judicis neue Erfindungen,
Christophen zum jurament nicht zuzulassen §. XX. p. 95. Christophs darüher
geführte Beschwehrung §. XXI. p. 98. Indeß bleibt Judev anfangs bey seinem
Vorsatz §. XXII. p. 100. Aendert sich aber doch. Christophs Reinigungs-Eyd.
Definitiv-Urtheil §. XXIII. p. 102. Einige merckwürdige Umstände, was dem
Defensori aus Christophs defension für Vortheil erwachsen. XXIV. p. 104.
III. Handel. Allerhand Rechtsfragen von ungleicher Heyrath / zwischen
Reichs-Fürsten und Weibspersonen von geringen. Bürgerstand.
DIe proponirten vier Fragen §. I. p. 107. Das beygefügte Fürstliche Schreiben §.
II. p. 109. Das darinnen allegirte Erbieten sub §. III. p. 110. Copey von
Fürstlichen pacto §. IV. p. 112. Gravamina wieder obiges pactum §. V. p. 113.
General Bedencklichkeiten bey diesem Handel §. VI. p. 116. Beantwortung der vier
vorgelegten Fragen, nebst dem Responso selbst. §. VII. p. 116. Beantwortung
einer andern Frage; Ob bey den Teutschen die Mütter ihren Stand auf alle ihre
Kinder fortpflantzen §. VIII. p. 135. (Warnung für dem Vorurtheil der Ubereilung
§. IX. p. 136.) Und noch einer andern Frage: Was davon zu halten sey, wenn Leute
von bürgerlichen Stande Adeliche, und noch höheren Standes Damen mit ihnen sich
zu verheyrathen verleiten? §. X. p. 137.
IV. Handel. Bedencken über einen neuen Versuch / die Langwierigkeit der
Processe zu heben.
EXempel einer neuen Proceß-Ordnung, geschwindes Recht zu ertheilen §. I. p. 138.
Begehrung unsers Bedenckens hierüber §. II. p. 142. Des Autoris vorläufiges
votum darüber §. III. p. 142. Absonderliche vota seiner übrigen Herren Collegen
§. IV. p. 143. Das Responsum selbst nebst dessen summarischen Innhalt in margine
§. V. p. 149. Connexion des folgenden Handels mit dem gegenwärtigen §. VI. p.
160.
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V. Handel. Von denen Kennzeichen und der Behutsamkeit eines politischen Artzts
/ der etwan zur Verkürtzung der langwierigen Processenützlich zu gebrauchen.
DIe Ursachen, warum gegenwärtige Arbeit vergeblich zu seyn scheinet §. I. p. 161.
Die Antwort hierauf §. II. p. 162. Insonderheit von denen Dänen u. Schweden §.
III. p. 164. Das 1. das hierzu erfordert wird, ist ein gutes natürliches
Judicium §. IV. p. 166. 2. Eine fröliche Gemüthsneigung, doch die niemand
schadet §. V. p. 167. 3. Ein reiffes Alter und Erfahrenheit §. VI. p. 168. 4.
Daß man die Lehre, die Wahrheit zu erfinden, und die Schriften wohl auszulegen,
inne habe §. VII. p. 169. Ingleichen 5. die ächte Sitten-Lehre §. VIII. p. 171.
Ferner 6. die gemeinesten Grund-Lehren der Klugheit, sich und anderen wohl zu
rathen §. IX. p. 172. Wie auch die Klugheit, das gemeine Wesen zu regieren: §.
X. p. 173. 7. Nicht weniger die Politische und Kirchen-Historie §. XI. p. 174.
Vornehmlich die Historie der Schulen u. Academien §. XII. p. 174. Die Historie
der Gerichte oder des gerichtl. Processes §. XIII. p. 177. Die Historie der
Uneinigkeit zwischen denen Professoribus Juris, und denen Schöppen in
Teutschland, und hauptsächlich in Sachsen; §. XIV. p. 178. 8. Die wahrhaftigen
Grund Sätze des Natur- und Völcker-Rechts: §. XV. p. 180. 9. Das Justinianeische
und Päpstische Recht, und daß er wegen dieser beyden Rechte unpartheyisch sey §.
XVI. p. 181. 10. Das Staats-Recht des Teutschen Reichs §. XVII. p. 183. Antwort
auf den Einwurff von der Unmöglichkeit der Verbesserung, wenn so viele und hohe
Wissenschafften zu einem Verbesserer der Justitz erfordert werden §. XVIII. p.
184. Weiter muß sich 11. ein Verbesserer der Justitz deutliche Idéen von einer
geschwinden Beobachtung der Justitz machen §. XIX. p. 186. 12. Sich sehr
ordentliche Begriffe von der Langwierigkeit der Processe, und Verlängerung der
Justitz vorstellen §. XX. p. 188. Dieses muß er auch 13. von der Haupt-Ursache,
und der Wurtzel gleichsam dieser Verlängerung thun: §. XXI. p. 190. 14. Von
denen Mitteln, wodurch man dieses Ubel nicht heben kan, §. XXII. p. 191. Und von
denen hierzu dienlichen Mitteln, sowohl zu einer gäntzlichen Verbesserung, §.
XXIII. p. 195. Als auch zu einer Vorsicht, daß solches Ubel nicht weiter um sich
fresse. §. XXIV. p. 199. Der Beschluß nebst einigen Erinnerungen. §. XXV. p.
200.
VI. Handel. Eines Politici zu Halle ausführliches Anno 1614. verfertigtes
Bedencken / warum er sich zur Formula Concordiae nicht verpflichten könne.
EIngang p. 202. Rationes Politicae 50. p. 203. Rationes Theologicae 43. p. 213.
Beschluß p. 230.
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VII. Handel. Anmerckungen zu dem vorhergehenden Bedencken / so zu dessen
Erklärung dienen.
HAupt-Zweck dieser Anmerckungen §. I. p. 231. Religions-Zustand im
Magdeburgischen und Brandenburgischen von Anno 1513. bis 1566. §. II. p. 231.
Item an beyden Orten unter dem Hrn. Administrator Joachim Friedrichen von Anno
1566. biß Anno 1598. Sonderlich was die Formulam Concordiae betrifft §. III. p.
232. Ferner im Brandenburgischen unter gedachten Joachim Friedrichen, nachdem er
Churfürst worden, von Anno 1598. bis 1608. Wahrscheinliche Umstände, daß der
Churfürst wohl kein eyffriger Formularist oder Gewissens Zwinger gewesen §. IV.
p. 236. Was indessen im Magdeburgischen und zu Halle merckwürdiges paßitet. Der
Teuffel schläfft 5 mahl bey einer Hexe, und zwar auf der Spitze des Rothen
Thurms §. V. p. 238. Summarischer Inhalt von Churfürst Johann Sigismunds
Regierung. Er bekennet sich Anno 1614. zur Reformirten Religion Hutteri Urtheil
davon. Urtheil von Huttero und seiner bemmelichen Einfalt §. VI. p. 241.
Genauere Umstände von des Churfürsten neuen Glaubens-Bekänntniß, deren eines
nach allen Glaubens Artickeln kurtz eingerichtet ist, das andere aber nur die
Streit-Puncte mit den Reformirten angehet. Edict wegen Abschaffung der Ceremomen
§. VII. p. 243. Was dieses Edict für einen effect gehabt, und was deßwegen Anno
1615. für ein Tumult in Berlin entstanden §. VIII. p. 246. Unterschiedene fatale
Umstände, die dem Magdeburgischen Administratori Christian Wilhelmen von Anno
1608. biß an sein Lebens-Ende 1665 begegnet. §. IX. p. 247. Ein neuer Umstand,
daß Christian Wilhelm 1614. resigniret und von neuen postuliret worden.
(Thörichte Unterdruckung vieler nützlichen historischen Nachrichten noch im
vorigen Seculo gebräuchlich.) Beweiß dieses Umstandes, und was vermuthlich
Gelegenheit dazu gegeben §. X. p. 250. Urtheil von dem Bedencken selbst §. XI.
p. 254. Ein ehrlicher Lutheraner ist an keine Patres Ecclesiae gebunden, sondern
kan ihre Irrthümer ungescheut aufdecken §. XII. p. 255.
IIX. Handel. Ob ein Geistlicher mit gutem Gewissen seiner verstorbenen
Ehe-Frauen Schwester heyrathen / und der Landes-Herr dergleichen Heyrath
zulassen könne.
GRosse Verwirrung in Ehe-Sachen auch bey den Evangelischen. Zum Exempel, daß ein
Caftrate heyrathen könne. Entdeckung vieler geheimen Uesachen dieser
Hundstägigen Lehre §. I. p. 25. Wahre Ursachen der noch daurenden Verwirrung
in Ehe Sachen. Luther will das Jus Canonicum abgeschafft wissen, dem aber die
Juristen beständig wiedersprechen §. II. p. 259. Gegründete Entschuldigungen der
Juristen §. III. p. 261. Sarcerii und Klingii schon An. 1553 publicirte
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Schrifften von Ehe-Sachen. Jalousie dieser
beyden Autorum gegen einander, und Urtheil von beyden §. IV. p. 263. Daß die Ehe
kein Sacrament sey, haben die Lutheraner erst nach und nach erkannt. Lutherus
hat sie vor kein Sacrament gehalten. Philippus Melanthon redet zweiffelhafftig.
Chemnitius sagt freyer heraus, daß die Ehe kein Sacrament sey §. V. p. 265.
Jedoch find noch viel Lehren bey uns im Schwange, die aus dem Sacrament der Ehe
herfliessen. Die man zwar verwerffen, aber nicht so fort die Gebräuche
abschaffen muß §. VI. p. 268. Handgreifliche Grund-Wahrheiten von der Ehe.
Verderbniß derselben durch die Pharisäer, durch die lieben Kirchväter, die auch
Gelegenheit gegeben, daß die Ehe zum Sacrament gemacht worden §. VII. p. 268.
Zusammenhang der Päpstischen irrigen Lehren von der Ehe §. VIII. p. 270. Wird
durch das Exempel der Ehescheidung Henrici IIX. in Engelland erläutert §. IX. p.
271. Politische Geheimnisse, die unter der Lehre vom Sacrament des Ehestandes
verborgen sind §. X. p. 272. Die abermahls durch voriges Exempel erläutert
werden §. XI. p. 273. Urtheil von des berühmten Launoji raren Buche von der
Königlichen Gewalt in Ehe-Sachen §. XII. p. 274. Starcke reliquien Päpstischer
Lehren von Ehe-Sachen bey denen Unsrigen §. XIII. p. 275. Von der Ehe mit des
Weibes Schwester Streit-Schrifften zwischen Buchholtzen und Havemannen §. XIV.
p. 276. Wie sich D. Strauch zu diesem Gezäncke eingedränget §. XV. p. 277. Neue
Streitschrifften zwischen Strauchen und Buchholtzen / nebst deren Beschaffenheit
§. XVI. p. 278. Neue Untersuchungen dieser Frage Anno 1681. zu Oettingen / und
was hierben zu mercken §. XVII. p. 279. Neuer Streit Anno 1706. der zu
gegenwärtigem Responso Gelegenheit gegeben §. XVIII. p. 281. Das Responsum
selbst mit absonderlichen Summarten §. XIX. p. 282.
IX. Handel. Von dem Longobardischen und teutschen Lehn-Rechte, und auf welches
für dem andern zu sehen.
ETliche zu gegenwärtigem Responso gehörige sonderbahre Anmerckungen §. I. p. 294.
Das Responsum selbst §. II. p. 296.
X. Handel. Exempel recht alberner und tummer Hexen-Processe.
EIaentliche und vornehmste Ursache dieser Alberkeit §. I. p. 300. Anmuthigkeit
dieses Handels. Relation der ersten Comoedie 1695. Erster Actus von der
Gelegenheit zu diesem Handel §. II. p. 301. Alberne Aussage sechs furchtsamer
Hasen §. III. p. 302. Der andre actus §. IV. p. 303. Dritter actus §. V. p. 304.
Der vierte actus §. VI. p. 304. Kurtze Vorstellung der Alberkeit der gesamten
indiciorum §. VII. p. 308. Der fünffte actus. Abhorung über Artickel und
confrontation §. VIII. p. 309. Anmerckungen von der Menge der
Inquisitional-Artickel §. IX. p. 318. Methode der Artickel nach zwölff
vermeinten indiciis §. X. p. 319. Allerhand Anmerckungen wegen der Inquisitin
Aussage §. XI. p. 321. Ausgang dieser Comoedie §. XII. p. 322. Ein nenes
Possenspiel 1711 und dessen Gelegenheit §. XIII. p. 322. Eine neue Gelegenheit
§. XIV. p. 323. Anderweitige Untersuchung durch einen neuen Commissarium §. XV.
p. 34. Deren geschwinde Endigung §. XVI. p. 327. Anmerckungen wegen dieses
Commissorii §. XVII. p. 332. Und wegen unsers in dieser Sache gesprochenen
Urtheils / nebst dem Urrheil selbst §. XVIII. p. 332. Ein gleichförmiges Exempel
/ was Aberglauben für thörichte Dinge zuwege bringe §. XIX. p. 334.
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