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Anna Witik im Kloster Lüne an ihren Bruder, Kanoniker Bertold Witik
1530
Bitte um Versöhnung — Letter of apologyKloster Lüne, Hs. 15, Lage 34, fol. 2r
Lateinisch und Niederdeutsch
Anna Witik schreibt ihrem Bruder Bertold, dass sie mit verwundetem Herzen seinem Schreiben entnommen hat, wie gekränkt er ist, weil er in ihrem Brief seine Liebe nicht erwidert gesehen hat. Sie beruhigt ihn, dass dies nicht in böser Absicht geschehen ist; sie hat beim Schreiben gewusst, dass er nicht anwesend ist und hat in der Eile vergessen, ihn grüßen zu lassen. Sie wollte ihn auch nicht damit belasten, wie schlecht es jetzt um die Priester bestellt ist, die der Messe entbunden sind und darum keine Pfründeneinnahmen haben. Er ist ihr stets der Liebste und es schmerzt sie, dass die Priester so missachtet werden und weder die Lebendigen noch die Toten Trost bekommen. Doch sie will mit ihm auf Gott vertrauen. Da er geschrieben hat, sie besuchen zu wollen, hofft sie, dass der Essig, der ihrer beiden Herzen verletzt hat, wieder zu süßem Honig wird. Nichts ist so schlimm, dass es nicht auch nützlich ist. Er soll zu ihrem gemeinsamen Bruder gehen, an den ihr Brief des Anstoßes gerichtet war, und sich mit ihm wieder vertragen. Grüße an ihre Geschwister, auch vom ganzen Konvent.
Anna Witik of Lüne writes to her brother Bertold that she has read with a wounded heart in his letter that he is angry because she did not reciprocate his love in her letters. There was no bad intention behind that since she simply did not know that he was at home and forgot it in her haste. She also did not want to burden him with how badly things are going with the priests. They have been removed from Mass duties and therefore not received any earnings from their benefices. It pains her that the priests are being treated so badly and that neither the living nor the dead are receiving comfort. She would never forget him however as a brother and she hopes that he will no longer be sad. She asks for regards to be passed on to her other brothers and her sister.
2 In Christo Jesu caritatem firmam ac perpetuam
3 Honorabilis domine ymmo frater care et karissime sau=
4 ciato corde perlegi scripta vestra
wor vth
5 ik mercke animosum vestrum animum
den gy
6 h. ghe namen de hoc quod nullam mentionem
7 de caritate vestra fecerim in scriptis meis
8 O karissime frater
des iß nicht in malo schen,
9 sunder alze ik wuste, dat gy nich to huß
10 weren, ward dat myd derb haste vor ghet
11 ten. Ok alze it itzundes bitterken steyt
12 cum sacerdotibus
dat se missis priuert synt
13 vnde des haluen nicht vppboret de bene=
14 ficiis
mochte ik juw nicht graueren
15 vestra fraternalis caritas kumpt my nummer
16 mer vth mynem herten, gy synt my de
17 leueste pre cunctis dar inne quod gradu
Hir my care et karissime
24 frater
bydde ik in visceribus innate caritatis
25 wolde gy my hanc offensam remit
26 teren propter Deum et etiam quicquid mali suspi
27 caveritis erga sororem vestram
vnde latet
28 anders in juwe herte nicht stighen nisi
29 quod fortis est ut mors dilectio2 vnde in der
30 leue wille wy vns adiuvante Deo
31 froliken to hope seͤn, alze gy scriuet
32 in littera
dat gy in dem willen syn, dat gy
33 willen to my komen adiuvet ipse
34 caritas Christus Jesus
dat id draden mote
60 Scriptum anno Domini etc XXXo4
61 Dede nicht wil to dorppe, de lope
62 to holte.5
a als Überschrift
b supra lin.
c j korrigiert aus o
d hier gestrichen dilecti
e korrigiert aus horen gudes, Änderung der Reihenfolge angezeigt durch supra lin. a und b
f supra lin.
1 Bertold Witik aus Lüneburg, 1529 als Kanoniker in Bardowick belegt. Vgl. Witzendorff, Stammtafeln (1952), S.147, dort allerdings kein Beleg seiner Schwester Anna.
3 Priorin Mechtild Wilde.
4 1530.
5 Nicht identifiziertes Sprichwort, „Wer nicht in Dorf will, der laufe in den Wald“; Bedeutung hier unklar.