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Brief 406

Anna Witik im Kloster Lüne an ihren Bruder, Kanoniker Bertold Witik

1530

Bitte um Versöhnung — Letter of apology

Kloster Lüne, Hs. 15, Lage 34, fol. 2r

Lateinisch und Niederdeutsch

Anna Witik schreibt ihrem Bruder Bertold, dass sie mit verwundetem Herzen seinem Schreiben entnommen hat, wie gekränkt er ist, weil er in ihrem Brief seine Liebe nicht erwidert gesehen hat. Sie beruhigt ihn, dass dies nicht in böser Absicht geschehen ist; sie hat beim Schreiben gewusst, dass er nicht anwesend ist und hat in der Eile vergessen, ihn grüßen zu lassen. Sie wollte ihn auch nicht damit belasten, wie schlecht es jetzt um die Priester bestellt ist, die der Messe entbunden sind und darum keine Pfründeneinnahmen haben. Er ist ihr stets der Liebste und es schmerzt sie, dass die Priester so missachtet werden und weder die Lebendigen noch die Toten Trost bekommen. Doch sie will mit ihm auf Gott vertrauen. Da er geschrieben hat, sie besuchen zu wollen, hofft sie, dass der Essig, der ihrer beiden Herzen verletzt hat, wieder zu süßem Honig wird. Nichts ist so schlimm, dass es nicht auch nützlich ist. Er soll zu ihrem gemeinsamen Bruder gehen, an den ihr Brief des Anstoßes gerichtet war, und sich mit ihm wieder vertragen. Grüße an ihre Geschwister, auch vom ganzen Konvent.

Anna Witik of Lüne writes to her brother Bertold that she has read with a wounded heart in his letter that he is angry because she did not reciprocate his love in her letters. There was no bad intention behind that since she simply did not know that he was at home and forgot it in her haste. She also did not want to burden him with how badly things are going with the priests. They have been removed from Mass duties and therefore not received any earnings from their benefices. It pains her that the priests are being treated so badly and that neither the living nor the dead are receiving comfort. She would never forget him however as a brother and she hopes that he will no longer be sad. She asks for regards to be passed on to her other brothers and her sister.

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[Lage 34, fol. 2r]


1 A V fratri Bertoldoa 1


2 In Christo Jesu caritatem firmam ac perpetuam


3 Honorabilis domine ymmo frater care et karissime sau=
4 ciato corde perlegi scripta vestra wor vth
5 ik mercke animosum vestrum animum den gy
6 h. ghe namen de hoc quod nullam mentionem
7 de caritate vestra fecerim in scriptis meis
8 O karissime frater des iß nicht in malo schen,
9 sunder alze ik wuste, dat gy nich to huß
10 weren, ward dat myd derb haste vor ghet
11 ten. Ok alze it itzundes bitterken steyt
12 cum sacerdotibus dat se missis priuert synt
13 vnde des haluen nicht vppboret de bene=
14 ficiis mochte ik juw nicht graueren
15 vestra fraternalis caritas kumpt my nummer
16 mer vth mynem herten, gy synt my de
17 leueste pre cunctis dar inne quod gradu

[Lage 34, fol. 2v]
18 excellentiori precellitis alios vnde deyt
19 my vaken we in mynem herten quod sacerdotes
20 iam adnichilantur et quod sunt missis privati dat
21 noch beyde leuendighen edder doden konnen
22 de sacrificio trost h Consolator meren
23 tium betere dat!

Hir my care et karissime
24 frater bydde ik in visceribus innate caritatis
25 wolde gy my hanc offensam remit
26 teren propter Deum et etiam quicquid mali suspi
27 caveritis erga sororem vestram vnde latet
28 anders in juwe herte nicht stighen nisi
29 quod fortis est ut mors dilectio2 vnde in der
30 leue wille wy vns adiuvante Deo
31 froliken to hope seͤn, alze gy scriuet
32 in littera dat gy in dem willen syn, dat gy
33 willen to my komen adiuvet ipse
34 caritas Christus Jesus dat id draden mote

[Lage 34, fol. 3r]
35 schen, so hope ik, de sure etick, de
36 auer juwe herte lopen iß vnde ok myn
37 herte vorsopet h., mote wedder wan=
38 delt werden in mellis dulcedinem wan ik
39 nu synde werde quod diu affectavi
40 videlicet vestram fraternalem presentiam so
41 iß jo neyn dingh so arch, it iß joc
42 war gud to; ik h. jo nu ens ghe
43 kreghen scripta de manu fratris mei
44 dilectid cari dar vmme gheuet juw
45 to frede vnde ghad ad domum cari
46 fratris nostri dar gy den suren etick h.
47 ghe druncken et nunc bibite dulce vinum
48 in iocunditate vnde maket juw to samde
49 frolick vnde guden haghen, vnde ift
50 gy wes gudes horene quod nobis spiri
[Lage 34, fol. 3v]
51 tualibus illucessisset gaudium et conso
52 latio citius intimamini Nil plus pro
53 presenti sed peto salutari karissimos fratres
54 nostros et sororem nostram karissimam multum
55 caritative et benigne Salutat
56 etiam vestram honorabilitatem venerada domina
57 nostra3 ac nostraf tota congregatio valde favo
58 rose Cum hiis valeat honorabilitas
59 vestra feliciter et longeve Amen


60 Scriptum anno Domini etc XXXo4


61 Dede nicht wil to dorppe, de lope
62 to holte.5


Kritischer Apparat

a als Überschrift

b supra lin.

c j korrigiert aus o

d hier gestrichen dilecti

e korrigiert aus horen gudes, Änderung der Reihenfolge angezeigt durch supra lin. a und b

f supra lin.


Sachapparat

1 Bertold Witik aus Lüneburg, 1529 als Kanoniker in Bardowick belegt. Vgl. Witzendorff, Stammtafeln (1952), S.147, dort allerdings kein Beleg seiner Schwester Anna.

2 Ct 8,6.

3 Priorin Mechtild Wilde.

4 1530.

5 Nicht identifiziertes Sprichwort, „Wer nicht in Dorf will, der laufe in den Wald“; Bedeutung hier unklar.

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