Einführung

Anonym: Theatrum Malorum Mulierum
Nikola Roßbach

1. Titel
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Theatrum Malorum Mulierum, Oder Schau-Platz Der Bosheiten aller böser und Regier-süchtigen Weiber über ihre Männer / Von Eva an biß Socrates Entsprossener Xantippe/ und ihre bösen Nachfolgerin. Treufleißig colleg. und beschrieben/ Im Jahr / da die Männer gut/ und die Weiber waren böse. Nebst etl. wenigen Recepten/ böse Weiber gut zu machen. Von dem/ der die Warheit Fein Rein Schreibet. Hunßfeld/ Verlegts Carl Kalte-Schahl. Hunßfeld: Carl Kalte-Schahl, um 1700. - Titelseite (Kupfertafel), 142 pag. S., 12°. [vd17 ↗23:249962S] [vd17 ↗1:668867L] [opac ↗535374844]

2. Verfasser
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Nicht ermittelt. Die typographische Absetzung im Titel deutet auf die Initialen F. R. S. hin. Möglich, aber ungesichert ist die Autorschaft des Juristen und satirischen Schriftstellers Friedrich Julius Rottmann, Hasso-Schaumburg, geb. 1686. Für ihn sprechen starke thematische, zuweilen wörtliche Analogien zwischen dem Theatrum Malorum Mulierum und seinen Werken (Form der Reisebeschreibung, Dialog, Thema Frauenherrschaft, Stereotypie der bösen Frau, tiermetaphorischer Weiberspiegel). Gegen ihn spricht die Ungenauigkeit der Initialen. Aus biologischen Gründen ist er in keinem Fall Verfasser der Vorlage Die Böse Frau (1683), die er nur redigiert und erweitert haben kann (Roßbach 2009, Kap. 3.5.1).

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Erschienen vor 1710 (Gravur „1709“ auf dem ledernen Einband des Sammelbands, in dem das Münchner Exemplar mit drei weiteren Texten zusammengebunden ist). Datierung der besitzenden Bibliotheken: um 1700; Datierung des Gesamtverzeichnisses des deutschsprachigen Schrifttums und von Hayn/Gotendorf: ca. 1700; Wellers Datierung: 1708.


Standorte des Erstdrucks

3.2. Vorlage
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- Redigierte, veränderte und erweiterte Fassung von: Die Böse Frau/ Das ist: Artige Beschreibung Der heut zu Tage in der Welt lebenden Bösen Weiber/ Wie nehmlich dieselben auff so unterschiedene Art und Weise / nicht so wohl gegen ihre Männer/ als auch unter sich selbst/ und gegen männiglich/ ihre Boßheit außzuüben wissen/ In allerhand lustigen Begebenheiten lebendig vorgestellet von Pheroponandro. Anno 1683.

Wiederauflage 1685.

- Übernahme zahlreicher Textelemente und Motive, unter anderem die Formel ‚malus mulier‘, aus: [Johann Sommer:] Ethographiæ Mvndi Pars Posterior, Malus Mulier. Das ist. Gründtliche Beschreibung. I. Von der Regimentssucht der bösen Weiber. II. Von den vrsachen des Häußlichen Weiberkriegs. III. Von der Tractation der Weiber/ Geheimen Amuletis Præseruatifen, vnd Artzneyen/ wieder die Gifftige Regierseuch der Weiber. IIII. Vnd schließlichen/ von den vberaus vortrefflichen Nutzbarkeiten der bösen Weiber. Allen vnd jeden Männern vnd Weibern zu nothwendigen vnterricht/ sehr lustig vnd kurtzweilig beschrieben/ vnd mit mancherley Fratzen vnd Schwatzen/ vnd Lächerlichen Historien gespickt/ vnd gantz New zugericht. Durch Iohannem Olorinum Variscum. Magdeburgk/ gedruckt durch Andreas Betzel/ In verlegung Leuin Braunß/ Buchführers. Anno M. DC. VIII. Zahlreiche Wiederauflagen sowie Neuausgaben unter anderen Titeln bis 1752 (Köstlicher vnd hoch nohtwendiger Weiber Meßkrahm, Böse-Weiber Apotekken, Eine für die Bösen Weiber nützliche Und vorähtige Apothecke, Schau-Platz Der Bösen Weiber. Oder eine für die bösen Weiber nützliche Apothecke). Zum Teil übernehmen diese Neuausgaben ihrerseits Elemente aus dem Theatrum Malorum Mulierum.

3.3. Weitere Ausgaben
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2. Auflage, stark erweitert. Erschienen vor 1715. Datierung der besitzenden Bibliotheken auf das 18. Jahrhundert (Halle), um 1700 (Berlin) und 1708 (Göttingen; unter falscher Berufung auf Weller, der den Erstdruck meint). Exemplare in der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Halle, Staatsbibliothek zu Berlin, Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Zu Anfang werden, da „der Herr Verleger sich mit dem Schauplatz böser Weiber nicht länger auffhalten“ (unpag.) wolle, die Geschichten von bösen Frauen aus der Erstauflage paraphrasiert – und ironisch verkehrt: Die ‚bösen‘ Männer seien eigentlich die Urheber der ehelichen Konflikte gewesen, da sie sich nicht dem weiblichen Willen gebeugt hätten. Inkonsequenterweise folgt dann doch der Wiederabdruck von Haupttext, Gedichten, Weiber-Spiegel und Prügelrezepten der Erstauflage.

Die Exemplare Berlin und Halle enthalten den Beiband: Die (von den Weibern so genannte) Bösen Männer/ Wollte aufrichtig entwerffen der die Wahrheit Fein Rein Schreibet. Hunßfeld/ Bey Carl Kalte-Schahl. – Nebentitel: Gespräch von Bösen Männern/ Gehalten von vier bösen Weibern/ die wegen des lügenhafften Nachredens auff ihre Männer sehr berühmt waren. Aus dem Holländischen ins Hochteutsche übersetzt von dem der die Wahrheit Fein Rein Schreibet. Hunßfeld/ Verlegt bey Carl Kalte-Schahl.

3. Auflage, nicht nachgewiesen.

4., ausdrücklich als solche bezeichnete Auflage, stark erweitert. Jahresangabe 1715. Exemplar in der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt Halle. Zum Inhalt siehe 2. Auflage.

3.3.1. Digitale Ausgabe
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4. Inhalt
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Das Werk ist unterteilt in Vorrede, Haupttext mit 28 Fortsetzungen, sechs Gedichte, den Text „Böser Weiber-Spiegel“ und eine Sammlung von Prügelrezepten.

Die mit „Geneigter Leser!“ überschriebene Vorrede reißt das zentrale Thema Frauenherrschaft an und signalisiert durch Warn- und Abschreckungsstrategien die moraldidaktische Ausrichtung. Der Haupttext hat die Form einer Reisebeschreibung, die einen möglichen Dispositionstyp frühneuzeitlicher Enzyklopädik darstellt. Das narrative Konstrukt der Reise mit Erzähler, Figuren, Handlung, Dialog bildet eine lose Klammer für die mit einem enzyklopädischen Anspruch begründete Demonstration sämtlicher weiblicher Bosheiten auf einem „Schau-Platz“. Als die Reisenden eine „rare Kunst-Kammer“ (S. 21) besuchen, treffen sie auf die geldgierige Frau des Kammermeisters. Der ironische Ratschlag, er „solte sein Weib/ als den Ausbund und Schaum aller bösen Weiber/ mitten in die Kunst-Kammer stellen“ (S. 22f.), lässt sich poetologisch lesen: Wie in einer Raritätenkammer stellt das Theatrum Malorum Mulierum böse Frauen aus (Roßbach 2009, S. 140).

Die Rahmenerzählung reduziert sich darauf, dass der junge Triban vor Übernahme der elterlichen Güter gemeinsam mit zwei Beratern, dem Hofmeister Habacht und dem Sekretär Gleichviel, eine Reise unternimmt. Sie ist als Frauenschau intendiert – und wird zur Horrorshow. Vorgeführt wird ein aus der misogynen Literaturtradition bekannter Reigen böser Weiber: Xantippes „unzehlich viel Kind und Kindes-Kinder“ (Vorrede, unpag. [S. 12f.]). Es treten geizige, respekt- und ehrlose, wollüstige, faule, gefräßige, eitle, geschwätzige, heuchlerische und vor allem zank- und herrschsüchtige Frauen ohne Zahl auf. Die auftretenden Männer – ‚Windel-Wascher‘ und ‚Kinder-Wieger‘ – können ihren Frauen nichts entgegensetzen und unterliegen stets im ehelichen Machtkampf. Am Ende hofft der verwirrte Triban darauf, dass das Urteilsvermögen seines Hofmeisters ihm dennoch zu einer frommen Frau verhelfen wird.

Die auf den Haupttext folgenden sechs Gedichte (S. 124ff.) sind sämtlich misogyne Tiraden gegen böse Frauen; sie sind auch in anderen zeitgenössischen Werken abgedruckt (etwa in Friedrich Julius Rottmanns Lustigem Weiber-Procurator, 1714).

Der „Böse Weiber-Spiegel“ (S. 131ff.) beschreibt die neun Tierköpfe einer bösen Frau, auch dies ein gängiges Motiv der misogynen frühneuzeitlichen Literatur (Roßbach 2009, S. 128-132). In der Malus Mulier-Neuausgabe Eine für die Bösen Weiber nützliche Und vorähtige Apothecke (1702) ist ein siebenköpfiges Frauenmonster abgebildet und beschrieben; siehe dazu auch das Motiv der neun Häute der Frau bei Hans Sachs (Die neunerley heud einer bösen frawen sambt ihren neun eygenschaften) und Johann Sommer (Malus Mulier) (Roßbach 2009, S. 112f., 129-131).

Eine weitere Zugabe bilden die aus Sommers Malus Mulier übernommenen Prügelrezepturen (S. 138ff.); Roßbach 2009, S. 67f., 122) – ein satirisches Textgenre der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Eheliteratur.

5. Kontext und Klassifizierung
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Das Theatrum Malorum Mulierum ist eine humoristische, zuweilen derbe Moralsatire, die sich der Form der Reisebeschreibung bedient. Sie steht im Kontext frühneuzeitlicher Ehetexte und weist enge Bezüge zu thematisch verwandter misogyner Literatur auf. Die stereotype Figur der ‚bösen‘, das heißt ordnungsstörenden, normverletzenden Frau tritt als ‚übeles wîb‘ seit dem Mittelalter in der volkssprachlichen Literatur auf und ist bis ins 18. Jahrhundert geläufig. Die narrative Struktur der Reise fungiert als lockerer Rahmen einer enzyklopädischen Wissens-Schau. Damit changiert das Theatrum Malorum Mulierum – entsprechend der in der frühneuzeitlichen Literatur noch nicht vollzogenen Trennung von fictum und factum – zwischen fiktionaler Erzählliteratur und enzyklopädisch-kompilatorischer Wissensliteratur.

6. Rezeption
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Keine Dokumente ermittelt. Die Rezeption der Vorlage Die böse Frau wird fiktionalisiert in der Satire Die gute Frau (1684, (Wiederaufl.: 1685, 1687), einem vermutlich vom gleichen Autor verfassten Gegenstück. Eine Frau empfiehlt der in ihrer Ehe unzufriedenen Schwester Die böse Frau zur Lektüre, die ihr manche Grille vertreiben könne. Darüber empört sich die andere: „Ich habs nie gelesen/ aber so viel ich von andern daraus verstanden/ so soll er die Weiber darinn also abgemahlet haben/ als wann sie der leibhaffte Teuffel selber wären; Gleich/ als wären sie Engel […].“ (Die Gute Frau [1687], Cap. 16 [unpag.], Roßbach 2009, Kap. 3.4.7)

7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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