Einführung

Tileman van der Horst: Theatrum Machinarum Universale; Of Nieuwe Algemeene Bouwkunde
Nikola Roßbach

1. Titel
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Theatrum Machinarum Universale; Of Nieuwe Algemeene Bouwkunde; Waar in, Op een naauwkeurige, klaare en wiskunstige wyze, wordt voorgestelt en geleert, het maaken van veelerley soorten van Trappen, met derselver Gronden en Opstallen, mitsgaders het uytslaan der selve; als meede het maaken van allerhande rechte en kromme ofte wel gewrongene Quartier-boomen, Slaapers, Leuningen, Cieraaden en Lofwerken; en ook het maaken van vierkante, agtkante, ronde en ovale Lantaarens, en wat ’er meer tot dit soort van Bouw-kunde behoort: Geopent en geteekent, Door den Beroemden Kenner der Bouwkunde Tieleman Van Der Horst; In ’t Koper gebragt Door Jan Schenk. T’ Amsterdam, By Petrus Schenk; Konst- en Kaarte-verkooper, voor aan in den Waarmoesstraat, by den Vygendam, in N. Visschers Atlas. 1739. Met Privilegie van de Ed. Mog. Heeren Staaten van Hollandt en West-Vrieslandt. Amsterdam: Pieter Schenk, 1739. - Titelseite (Kupfertafel), 72 pag. S., 30 Ill., 2°.

2. Verfasser und Verleger
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Zeichner und Texter des Bandes ist Ti(e)leman van der Horst, Kupferstecher ist Jan Schenk (1698?-1752). Beide waren auch an den anderen, bereits erschienenen Theatrum Universale Machinarum-Bänden des Verlags von Pieter (Peter, Petrus) Schenk dem Jüngeren (1698-1775), einem Kupferstecher und Kartographen, beteiligt. Darüber hinaus ist von Tileman van der Horst ein anonym erschienener Essai sur la fortification (La Haye 1755) bibliographisch nachgewiesen. Im Titel wird er als ‚Beroemder Kenner der Bouwkunde‘ bezeichnet, ein später übernommenes Attribut (Kramm, Bd. 1, S. 752). Weitere Informationen zu Leben und Werk des Verfassers sind nicht bekannt.

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Erschienen 1739 in Amsterdam bei Pieter Schenk in zwei separaten Bänden gleichen Titels (Bild- und Textband).


Standorte des Erstdrucks

3.2. Weitere Ausgaben
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Das Exemplar der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Sign. D/78, weist die offenbar von Bibliotheksseite vorgenommene handschriftliche Datumsergänzung „[1739]“ auf dem Titelblatt auf; es handelt sich jedoch um einen späteren Neudruck mit modernisierter Schreibung, veranstaltet durch den um 1800 tätigen Amsterdamer Drucker und Buchhändler J.S. van Esveldt-Holtrop:

Theatrum Machinarum Universale, Of Nieuwe Algemeene Bouwkunde, waarin op eene naauwkeurige, klaare en wiskundige wijze wordt voorgesteld en geleerd het Maaken van veelerleije soorten van Trappen, met derzelver Gronden en Opstallen, mitsgaders het uitslaan derzelven, als mede het Maaken van allerhande rechte en kromme of wel gewrongen Quartierboomen, Slaapers, Leuningen, Cieraaden en Lofwerken, en ook het Maaken van vierkante, agtkante, ronde en ovale Lantaarens, en wat meer tot dit soort van Bouwkunde behoort: geöpend en getekend door den beroemden Kenner der Bouwkunde Tieleman Van Der Horst, en in XXX. plaaten in ’t koper gebragt door Jan Schenk. Amsterdam bij J.S. Van Esveldt-Holtrop, in den Kalverstraat, No. 36. uitgeever van I. Van Zyl, Groot Molenboek, 2 deelen met 64 plaaten. II. Van Der Horst En Poleij, Groot Sluizenboek, 2 deelen, met 55 plaaten. III. Poleij, Groot Kappenboek, met 20 plaaten. IV. De La Fosse, Bouw- en Beeldhouwkundige Modellen, of Handboek voor Kunstoefenaars, 2 deelen, met 105 plaaten, door De Wit.

- Deutschsprachige Erstausgabe

Neue Bau-Kunst worinn auf eine accurate, deutliche und gründliche Art gezeiget wird wie man vielerley Arten der Treppen mit ihren Grundrissen und Aufsätzen verfertigen, und dieselbige auslegen solle; deßgleichen wie man allerhand gerade, runde oder geschobene und gewundene Treppen-Zargen, ausgezackte Ruhe-Balken, Geländer, Verziehrungen und Laubwerk oder auch viereckigte, achteckigte, runde und länglicht-runde Laternen oder Kuppeln, und was ferner zu dieser Art der Bau-Kunst gehöret, verfertigen müsse. Aus dem Holländischen übersetzt [...]. Frankfurt; Nürnberg: Christoph Weigel 1763.

Wiederauflage 1790 in Nürnberg bei Weigel und Schneider.

Der Leiter der Arbeitsstelle für Treppenforschung Pappenheim, Altheimersberg, Friedrich Mielke, zieht einen differenzierten drucktechnischen Vergleich von niederländischem und deutschem Erstdruck. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Kupfer von 1763 nicht auf den Originalplatten beruhen, sondern sorgfältige Nachstiche im kleineren Format sind. Mielke weist anhand kleinerer Fehler nach, dass der unbekannte deutsche Stecher kein Treppenbaukenner war (Mielke, [unpag.]).

- Weitere deutschsprachige Ausgabe

Neue Anweisung zur unentbehrlichen Zimmermannskunst zweyte Abtheilung worinnen die verschiedenen Arten von Treppen mit ihren Grundrissen und Aufsätzen auf eine accurate, deutliche und gründliche Art, wie man solche auslegen soll, gezeiget wird: Ingleichen wie man allerhand gerade, runde oder geschobene und gewundene Treppenzargen, ausgezackte Ruhebalken, Geländer, Verzierungen und Laubwerk, wie auch viereckigte, achteckigte, runde und länglichtrunde Laternen und Kuppeln und was ferner zu dieser Bau- und Zeichenkunst gehöret, verfertigen müsse. Denen Zimmerleuten zum Nutzen in dreyßig große Risse gebracht von Tieleman van der Horst, und als eine Fortsetzung der nüzlichen Anweisung zur Zimmermannskunst aus dem Holländischen übersezt und herausgegeben von Johann Jacob Schübler, Mathem Architect. Mit dreyßig ganzen Bogen Kupfertafeln. Nürnberg, in Verlag der Christoph Weigel- und Ad. Christoph Schneiderischen Kunsthandlung, 1782.

Der Band erschien als zweiter Teil der 1749 postum neu aufgelegten Nützlichen Anweisung zur unentbehrlichen Zimmermanns-Kunst (1731/36) von Johann Jacob Schübler (1689-1741/42). Irritierenderweise wird Schübler vierzig Jahre nach seinem Tod als Übersetzer und Herausgeber von Horsts Treppenbauwerk bezeichnet, ohne dass eine frühere Ausgabe dieser Übersetzung bibliographisch ermittelt werden konnte – womöglich greift Verleger Weigel auf ein nachgelassenes Manuskript seines Hausautors zurück? Fragen wirft insbesondere eine auf den 2.2.1782 datierte „Vorrede des Herausgebers“ auf, in der Schübler postum (!) auf seine übrigen Publikationen im gleichen Verlag verweist: „dahin gehöret mein Unterricht von der fünf Säulen Ordnung, wie sie heut zu Tage in der bürgerlichen Baukunst gebraucht wird, auf welche die vollständige Civilbaukunst folget, in welcher viele Arten von Gebäuden nach geometrischen Regeln vorkommen; sodann der erste Theil meiner nüzlichen Anweisung zur Zimmermannskunst.“ (Vorrede, unpag. [S. 3]) Zweifellos handelt es sich hier um die von Weigel edierten Schriften des längst verstorbenen Johann Jacob Schübler: Gründlicher und deutlicher Unterricht Zur Verfertigung der vollständigen Säulen-Ordnung, wie man sie in der heutigen Civil-Bau-Kunst zu gebrauchen pfleget (3 Bde., 1723-28), Gründlicher Unterricht in der vollständigen Civil-Bau-Kunst (1728), Nützliche Anweisung zur untentbehrlichen Zimmermanns-Kunst (1731/36).

3.2.1. Neueditionen der deutschsprachigen Erstausgabe
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Hannover: Schäfer 1985.

Wiederauflage 1997.

3.2.2. Mikroform-Ausgabe der deutschsprachigen Erstausgabe
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Göttingen: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek 1998. Vorlage: Exemplar der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Sign. 2 BIBL UFF 484.

4. Inhalt
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Tileman van der Horsts zweites Theatrum Machinarum Universale ist ebenso wenig ein ‚Universaltheater‘ des Maschinenbaus wie sein erstes. Wie bei den anderen Bänden, die unter diesem Reihentitel im Verlag Pieter Schenk erschienen, handelt es sich um ein Kupferstichwerk mit Kommentarteil, das ein spezielles Gebiet der Baukunst fokussiert: Nach Mühlen- und Wasserbau geht es nun um den Treppenbau, weshalb das Buch „bij alle werklieden onder den naam van Het Trappenboek bekend“ (Kramm, Bd. 1, S. 753) gewesen sei. Horst sieht sich zu Recht als Pionier – es gebe, so erklärt er in einer dreiseitigen „Inleydinge of Voor-Reeden.“, kaum Literatur über jene wichtige Kunst des Treppenmachens, die im Land so viele „Liefhebbers en brave Meesters“ (Vorrede, unpag. [S. 1]) habe. Unmissverständlich definiert er sein Werk als Anleitungsbuch für Handwerker, das „voor Timmerlieden zal dienen“ (unpag., [S. 3]; siehe Schüblers Übersetzung von 1782: „Weil mich nun dünket, daß dieses Werk hauptsächlich den Zimmerleuten zu statten kommen wird, so glaube ich, daß ich auch nicht besser thun kan, als alles nur ganz gemein, nach Art der Zimmerleute, zu benennen.“ [„Vorrede des Herausgebers“, unpag.]) Ohne „konst-worden“, „kort en bondig“ schreibend, will Horst auch von denjenigen verstanden werden, die wenig oder nichts wissen.

Der Kommentarteil ist überschrieben mit „Naaukreurig Ontwerp, Van allerley soorten van Trappen, met haare Gronden en Opstallen, en voorts al het geene en Timmerman tot et maaken of teekenen van deselve nodig heeft.“ (S. 1; siehe Schüblers Übersetzung von 1782: „Volständiger Entwurf allerley Arten Treppen mit ihren Grund- und Aufrissen und ferner allem was ein Zimmermann, selbige zu verfertigen, oder zu zeichnen, nöthig hat.“ [S. 1]) Er erläutert knapp und funktional die folgenden hochwertigen Kupfer, mit denen Jan Schenk „een nieuwe standaard vor ingenieurstekeningen“ (Van de Vijver, S. 62) setzt. Die Stiche zeigen, explizit nach steigendem Schwierigkeitsgrad angeordnet, diverse Treppen und ihre Konstruktionselemente: Freitreppen, Wendeltreppen, Treppen an nicht senkrechten Wänden, mit hohlen und runden Stufen, aufgestellte Treppen, Treppen, die um eine runde Öffnung gehen, deren Stufen auf Klötzen stehen, Treppen mit Untersätzen, ovale Treppen; dazu kommen Informationen zu Geländern und Podesten. Die letzten fünf Kupferstiche illustrieren verschiedenförmige Kuppelgebäude bzw. ‚Lantaren‘. Mielke urteilt, dass es sich abgesehen von der ersten Figur durchweg um „außergewöhnliche Fälle“ handle: „Es mag sein, daß die auf relativ schmalen Grundstücken erbauten niederländischen Häuser nur wenig Platz für eine Treppe ließen und daß die dortigen Treppenbauer zu unorthodoxen Lösungen gezwungen waren.“ (Mielke, [unpag.])

5. Kontext und Klassifizierung
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Mielke sieht die Bedeutung des Theatrum Machinarum Universale; Of Nieuwe Algemeene Bouwkunde in einem weiten historischen Kontext: „Viele der nach dem Dreißigjährigen Krieg entstandenen deutschen Fürstentümer waren zu Entwicklungsländern geworden und damit zu Absatzgebieten für jene Produktivkräfte anderer Länder, die der Krieg verschont hatte. Gebraucht wurden Waren, Arbeitskräfte und vor allem das inzwischen weiterentwickelte Know-how. Tieleman van der Horst und andere haben die Marktbedürfnisse ihrer Zeit erkannt und ihr – meist selbst erworbenes – handwerkliches Können im Druck verbreitet.“ (Mielke, [unpag.])

Generell gehörte der Treppenbau zum Fach jedes Zivilbaumeisters und fehlt daher nicht in zivilarchitektonischen Abhandlungen, wie sie im 17. und 18. Jahrhundert zahlreich erschienen. Einige von ihnen referieren bereits im Titel auf den Treppenbau. Johann Wilhelms Architectura Civilis (1649) handelt unter anderem von Schnecken oder Windelstiegen, Dieussarts Theatrum Architecturae Civilis (1679) beschreibt Treppen unter dem Aspekt der Proportion, Daniel Hartmann behandelt in seiner Burgerlichen Wohnungs Baw Kunst (1688) alle Bauelemente eines Wohnhauses, darunter Stiegen, Schnecken, deren krummen und breiten Tritten. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts beruft sich Johann Vogel in der Vorrede zu seiner Modernen Bau-Kunst (1708) auf Johann Wilhelms ältere Architectura Civilis, die von Zimmer-Werck zwar gründliche Kenntnis gebe, nun aber von ihm verbessert werde; dazu informiert er umfassend über den Bau von Dächern, Brücken, Schleusen, Dämmen, Mühlen, Pressen und Windel-Stiegen. Adrianus Erzey publiziert 1777 eine Architectura of bouw-konst, die Johannes van Straaten 1829 unter vermehrtem Titel – voorstellende onderscheidene soorten van trappen – erneut herausgibt.

1722 erscheint in Paris anonym eine Méthode générale pour tracer des courbes rampantes de bois propres à la construction des escaliers, tels qu’ils sont présentement à la mode, & tels qu’on les a fait dans les derniers & nouveaux bâtimens à Paris. Sieht man von diesem Fachbuch ab, das lediglich einen speziellen Aspekt des Treppenbaus behandelt, ist Tileman van der Horsts Theatrum Machinarum Universale; Of Nieuwe Algemeene Bouwkunde das erste ausschließlich der Treppenbaukunst gewidmete Architekturlehrbuch – und bleibt im 18. Jahrhundert das einzige. Im deutschsprachigen Raum kommen erst nach Schüblers van der Horst-Übersetzung (1782) im 19. Jahrhundert etliche praktisch-funktionale, ästhetisch meist anspruchslosere Kompendien zur Treppenbaukunst auf den Markt. Sie signalisieren ihren Anwendungsbezug häufig bereits im Titel: Christian Friedrich Peschel: Neues Treppenbuch oder Anweisung zum Treppenbau (1806); Carl Friedrich Lüders: Praktischer Unterricht zum Treppenbau (1811); Marius Wölfer: Die Treppen-Baukunst in ihrem ganzen Umfange [...] zum Selbst-Unterricht für Maurer und Steinhauer, Tischler und Zimmerleute (1831); Friedrich Heinrich Mylius: Praktischer Unterricht im Treppenbau [...] für Bautischler, Zimmerleute und Maurer (1833); Hermann Hederich: Treppenbau [...] zum praktischen Gebrauche für Zimmerleute (1841) etc.

6. Rezeption
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Tileman van der Horsts Treppenbuch war zu seiner Zeit ohne Konkurrenz. Es wurde im 18. Jahrhundert zweimal ins Deutsche übersetzt, eine Rezeption durch die deutschsprachige Treppenbauliteratur des 19. Jahrhunderts wäre im Einzelnen zu prüfen.

Van der Horst befasst sich nicht mit Grundkenntnissen des Treppenbauhandwerks, sondern will „die kniffligen Details behandeln“; er wendet sich „an Kollegen seines Faches, bei denen er solide Grundkenntnisse voraussetzen konnte. Deshalb befasste er sich gleich auf der ersten Tafel mit relativ schwierigen Konstruktionen“ (Mielke, [unpag.]). Es ist fraglich, ob das kostspielige, unhandlich großformatige Werk, dessen Kupferstiche in andere Publikationen übernommen und „als nieuw, opgedischt“ (Kramm, Bd. 1, S. 752) wurden, tatsächlich in der Treppenbaupraxis als Lehrbuch eingesetzt wurde. Seinen Platz in technisch orientierten niederländischen Bibliotheken hatte es unbestritten: „De prachtig geillustreerde technische publicaties van Ti(e)leman Van der Horst waren musts in de meer technisch geörienteerde bibliotheken van Pulinx jr., Van Speybrouck, Van Reijsschoot, Pisson, Dutry en D’Huyvetter, die bijna zonder uitzondering vaak dan ook zowel het trappen- als het sluizenboek bezaten.“ (Van de Vijver, S. 62) Dass Tileman van der Horst nicht nur einem Fachpublikum bekannt war und ist, erklärt Mielke mit den meisterhaften Geländerzeichnungen.

7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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