Rede über die Julische Bibliothek
Der allmächtige Gott möge es zum Guten wenden, dass es uns allen, Eure
Magnifizienz, Herr Prorektor, ehrwürdige, hochgelehrte und berühmte Herren,
Studenten der vortrefflichsten Künste und auch allen anderen Menschen zum Wohle
gereichen werde, dass ihr die berühmte Julische Bibliothek seht, die ihr wolltet
und nun betrachten könnt, die Bibliothek, die bisher am Hof der Welfen
aufbewahrt, dann aber in den vorangegangenen Monaten auf Befehl unseres
erlauchtesten Fürsten hierher überführt und heute hier an jenem Standort und in
einem eigenen Domizil wohlgeordnet aufgestellt wurde.false5 Wie viel Freude ihr Herren Professoren daraus
jetzt schöpft, als auch künftig schöpfen werdet, kann nur der wissen, der vor
Augen hat, wie sehr es euch nach ihr verlangte. Sie ist nicht nur mit stummen
Wünschen, sondern auch mit deutlichen Worten und zahlreichen Briefen fast schon
gefordert worden, von denen, die, wie wie man meinte, die Wünsche aller, und
zwar die ehrenwertesten, unterstützen können. Denn je länger ihr ihrer
entbehrtet und je häufiger ihr sie zu gebrauchen und nutzen wünschtet, mit desto
größerem Eifer betrachtet ihr sie jetzt, nachdem sie hier angekommen ist und in
die Bücherschränke eingestellt wurde. Ja, noch begieriger werdet ihr sie mustern
und die Werke der Gelehrten und Weisen mit verlangenden Augen, Händen, Herz
und
Verstand in
Besitz nehmen wollen, wenn ich mich nicht täusche. Dies könnt ihr freilich nicht
tun, ohne selbst von echter Freude erfüllt zu werden, und ihr könnt nicht die
Julische Universität und die, die hernach darin leben werden, zu dieser
glanzvollen Zierde, zu diesem ebenso notwendigen wie edlen Werkzeug schweigend
beglückwünschen und werdet schließlich dem Geber eines so bedeutenden
Geschenkes, dem erlauchtesten Fürsten, Friedrich Ulrich, Herzog zu Braunschweig
und Lüneburg, unserem allergnädigsten Herrn, dafür unsterblichen Dank abstatten.
Um auch in dieser Hinsicht nicht geringer als sein Vater und Großvater, diese
überaus weisen und großartigen Heroen, zu erscheinen, wollte er eine
Wohltat auf die Universität
übertragen, die ewig Bestand haben und die für alle Nachwelt Zeugnis ablegen
sollte von seiner Zuneigung zu den Gelehrten und zur Förderung der Wissenschaft.
Er erinnerte sich daran, dass diese Universität von seinem Großvater, dem
göttlichen Julius,
gegründet und mit seinem ehrhabenen und in der ganzen Welt berühmten Namen
versehen ward. Er sah, dass sie von seinem Vater, dem göttlichen Heinrich
Julius, einem in unserem Zeitalter ganz und gar unvergleichlichen
Fürsten, nicht nur erhalten, sondern auch vermehrt und vergrößert wurde, indem
sie vor allem durch einen Tempel der Weiheit geschmückt wurde. Da beschloss er,
es ihnen gleichzutun und in einen höchst ehrenvollen Wettstreit einzutreten.
Nicht nur, weil er sah, dass dies ihm und jenen zum ewigen Ruhme gereichen,
sondern weil
er erkannte,
dass es überreiche Früchte für die Kirche, die Schulen, den Staat und das ganze
Vaterland tragen werde. Er war nämlich wie jene davon überzeugt, dass die
Universität gleichsam ein Garten des gemeinen Nutzens und ein Quell des
öffentlichen Wohls sei. Daher hatte er nicht so sehr seinen eigenen Ruhm als
vielmehr den größtmöglichen Vorteil der seinem Schutz und seiner Obhut
anvertrauten Bürger, Völker und auch der meisten anderen im Blick, als er diese
Universität mit diesem höchst ansehnlichen Geschenk ausstattette, etwas, was
sein Vater, Großvater oder weise und den Ihren liebevoll zugetane Fürsten ebenso
getan hätten. Wie sie den rechten und gedeihlichen Plan fassten, diese Julische
Universität zu gründen, zu hegen, auszustatten und zu erweitern, davon legt die
Sache selbst beredt Zeugnis ab. Denn in dreiundvierzig Jahren
false6 , in denen diese Heimstatt der Musen am Elm blühte, gingen
unzählige Männer, herausragend an Gelehrsamkeit und Tugend, wie aus einem
Trojanischen Pferd hervor, die in Kirchen, Schulen und verschiedenen Bereichen
des öffentlichen Lebens zu Führungspositionen aufstiegen und bis heute
aufsteigen. Darüber dürfte nun genug geredet sein, es kann nämlich für den
Moment nicht eingehender erläutert werden, und ich könnte dies vielleicht nicht
tun, ohne den Verdacht der Prahlerei zu erregen. Es liegt ja auch so auf der
Hand und niemand wird es, selbst wenn er übel will, leugen
false7 ,
dass der Nutzen dieses ehrenvollen
Beschlusses bis heute für unsere Fürsten
deutlich feststeht. Und auch ihr Lobpreis wird niemals
enden können, obwohl sie, wovon man sich leicht überzeugen kann, nicht diesen,
sondern das Gemeinwohl vor Augen hatten. So lebt auch jetzt der Ruhm des
göttlichen Julius fort und wird für ewig fortleben. An seine Verdienste um
Kirche und Staat denkt heute niemand, ohne die von ihm gegründete und nach ihm
benannte Universität mitzudenken, an der er sich, wie wir hörten, zu erfreuen
und auf die er stolz zu sein pflegte. So lebt auch jetzt und wird in Ewigkeit
leben, der Name und der Ruhm Heinrich Julius', des hochherzigen und weisen
Heroen. Und dies haftet nicht nur in unserem Gedächtnis und unseren Gedanken,
sondern liegt auch vor unseren Augen und Sinnen, und wird auch der ganzen
Nachwelt vor Augen und Sinnen liegen, solange dieser Prachtbau, das neue Juleum,
eine Schule der Gelehrsamkeit, der Beredsamkeit, der Tugend, der Klugheit und
aller lobenswerten Künste diese Stadt mit Glanz erfüllt. Mit deren Lob wird die
Erinnerung an Friedrich Ulrich leben und im gleichen Grade zur Unsterblichkeit
voranschreiten. Und keine Zeitdauer wird sie jemals verdunkeln oder über sie die
Nacht des Vergessenes breiten können, solange es Menschen gibt, die sich daran
erinnern und, was dankbaren Menschen eigentümlich ist, diese Wohltat, von der
wir gerade handeln, von Herzen preisen. Indessen kann es an solchen, solange die
Wissenschaften gepflegt werden und die Bibliothek benutzt wird, nicht fehlen. Ja
diese selbst wird, selbst wenn alle verstummen, was
aber meiner Meinung nach
nicht geschehen kann, ja diese Bibliotheca Julia wird, solange sie in diesem
ihrem Heiligtum zu sehen ist, nicht zulassen, dass die Wohltätigkeit unseres
Fürsten unerkannt bleibt. Wie nämlich der Name selbst der Julischen Akademie,
von ihrem Gründer, dem göttlichen Julius, wie der Anblick dieser heiligen Halle
von seinem Vater, dem göttlichen Heinrich Julius, so wird auch die Bibliotheca
Julia, die in diesem Musentempel dem öffentlichen Nutzen geweiht ist, wiewohl
schweigend, allen, die sie mit eigenen Augen betrachtet haben, vom Urheber
dieser Gabe, Friedrich Ulrich, künden. Und sie wird von seiner Freigiebigkeit
für die Wissenschaft, von seinem Wohlwollen für seine Universität und ihre
Angehörigen, von seinem eifrigen Bemühen um den Staat und das Vaterland in aller
Klarheit sprechen. Für euch nämlich, akademische Väter, und durch euch für die
Jugend, die sich um die schönen Künste bemühen, und für viele andere, ja für
unseres ganzes Vaterland sollte sie nach dem Willen unseres besten Fürsten
Früchte tragen. Aus diesem Grund hat er diese Büchermenge, die zuerst sein
Großvater nicht nur aus seinen Ländern zusammengeführt, sondern von überall her,
auch von weit verstreuten Orten zusammengetragen hat, die daraufhin der Vater ob
seines hohen und wahrlich königlichen Sinnes auf wundersame Art und Weise um
kostbarste Bücher und um anderen einer solchen Bibliothek würdigen Schmuck
vermehrt hat, vollständig dieser seiner Universität zu Nutzen und Frommen
übereignet. Bei welcher Gelegenheit, zu welcher Zeit und auf wessen Initiative
es erwirkt, versprochen und endlich auch vollendet
wurde, ist niemandem von
euch, ihr hochberühmten Männer, unbekannt. Denn obwohl unser hochgebildeter
Fürst schon früher immer mit ganzem Herzen dieser seiner Umiversität zugetan war
und dies nicht nur einmal und im Verborgen gezeigt hatte, brachte er es vor fünf
Jahren, wenige Tage nachdem er Anna Sophia, die Tochter des
Brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund, von den besten Wünsche
unsererseits und aller Guten begleitet, geehelicht hatte
false8 , so deutlich zum Ausdruck, dass meines
Erachtens niemand mehr daran zweifeln konnte. Denn um jetzt nichts von anderen,
und zwar keineswegs zweifelhaften Anzeichen seiner Freigiebigkeit uns gegenüber
zu sprechen, was ich gewiss könnte und vielleicht müsste, so kann und darf ich
doch jenes eine nicht stillschweigend übergehen, um dessentwillen ich diese Rede
übernommen und mir zurechtgelegt habe. Da er nämlich zu der Zeit, die ich schon
angedeutet habe, in diese Stadt eingezogen war und zu seinem Mahl, wie es bei
unseren allerbesten und hochgebildeten Fürsten Sitte ist, viele von euch,
akademische Väter, eingeladen hatte, näherte er sich euch mit vollkommener
Leutseligkeit, wie wir wissen. In zahlreichen und mannigfaltigen Gesprächen,
durchaus auch ernsten, die teils der Fürst, teils die Neuvermählte, teils seine
durchlauchtigste Mutter geführt haben, - diese waren nämlich damals hierher
gekommen, um, wie ich glaube, bei dieser Gelegenheit
die durch ihre Universität berühmte
Stadt zu sehen - wurde hier von dir, Cornelius Martinus, verehrungswürdiger Kollege und
Freund, wie ich tags
darauf von anderen, wenig später aber von dir selbst hörte, gelegenerweise die
Rede auf die Bibliothek gebracht. Als nämlich das von den fürstlichen Personen
begonnene Gespräch eine willkommende Gelegenheit bot, sagtest Du, dass die
Julische Universität bislang eines ausgesprochen notwendigen Werkzeuges
entbehre, nämlich einer Bibliothek, mit der sie der allerbeste Fürst jedoch
mühelos beglücken könne, wo er doch eine solche verschlossen und so gut wie zu
niemandes Nutzen an seinem Hof habe. Da du dies mit gewichtigen, aus der Sache
selbst und aus dem gegenwärtigen Geschäft abgeleiteten Gründen darlegtest,
bewegtest Du leicht mit der dir eigenen Redegabe den Sinne des gnädigen und
dieser seiner Universität zugeneigten Fürsten dazu, dass er ihr dies
bereitwilligst zugestehe, von dem er einsah, dass sie es nicht ohne großen
Nachteil und Schaden für viele entbehren könne und dürfe. Das war für dich im
Ganzen leichter zu erreichen, als für irgend jemanden unseres Standes, weil du
dem der Bildung zugetanen Fürsten nicht weniger lieb bist wegen deiner Bildung,
deiner Lauterkeit und deiner Verdienste um diese unsere Julia, als du es dem
großen Heroen warst, dem genauesten und gerechtesten Kenner menschlicher
Begabungen, Heinrich Julius, dem du, wie wir wissen, immer besonders teuer
warst. Er hat nicht gelitten, dass seine Großzügigkeit, die er keinem, bisweilen
nicht einmal den Unwürdigen verweigert hatte,
und die ihm, wie er
leicht erkannte, durch die Stimme der Universität entlockt wurde, umsonst
angerufen oder zu lange ersehnt werde. Sogleich nämlich hat er wider Erwarten,
wie ich für meinen Teil glaube, gesagt, dass er seine Bibliothek dieser
Julischen Universität, die ebenfalls die seine ist, überlasse, damit ihr nichts
an ihrer Ausstattung fehle. Und dies hat er am Folgetag, als er schon von hier
aufbrach, eben dir, dem er es tags zuvor versprochen hatte, von sich aus
nochmals vor zahlreichen Zuhörern bestätigt. Wenn ich hier sage, dass durch
dieses hochherzige Versprechen sowohl du, der du dies erwirktest, als auch wir
alle, die wir, wie es billig ist, diese Universität so gut wie möglich
ausgestattet wissen wollen, ja sicher wollen müssen, in Kenntnis dieser Sache
von Freude durchströmt sind, dann ist das sicher nichts Falsches; aber
damit würde ich gewiss viel weniger
sagen, als ich sollte. Denn was wir alle schon zuvor sehnlichst gewünscht
hatten, was, wie manche mutmaßten, dass eines Tages geschehen könne und werde,
an dessen Verwirklichung aber einige verzweifelten und das auch vor sich
hertrugen und öffentlich verkündeten, was aber nur wenige von uns hofften, dies
sahen wir alle an jenem Tage erreicht. Wir freuten uns daher über alle Maßen,
besonders beglückwünschten wir unsere Universität, jeder nach seinem Sinn und
Vermögen. Auch der Großzügigkeit des Fürsten galt der stille Dank in unserem
Herzen. Und nicht nur wir, sondern auch die meisten unserer Studenten freuten
sich über das erhabene Geschenk, denn schnell hatte sich die freudige,
allen so hochwillkommene
Kunde über die lobenswerte Gabe des Fürsten verbreitet. Und als selbst da einige
kleinmütige Menschen, um nicht zu sagen solche, die von unserem Fürsten
unangemessen dachten, noch zu zweifeln, zu zaudern, zu zögern, und ich weiss
nicht was zu argwöhnen schienen hinsichtlich der Gesinnung einiger Leute uns
gegenüber, da zerstreute der Fürst gleichsam auf göttliche Eingebung alle
Zweifel und brachte alle kritischen Stimmen zum Schweigen. Durch einen Brief an
den Senat der Universität
false9 versprach er der
ganzen Universität öffentlich, zu was er sich privat einzig dem Cornelius
gegenüber verpflchtet hatte. Und er bezeichnete, wie es ihm richtig dünkte, die
Personen, durch die sie übergeben werden sollte und die sie einer Prüfung
unterziehen sollten
false10 . Später
kamen einige Zeitumstände und Geschäfte dazwischen, die die Übergabe länger, als
es uns lieb sein konnte, verzögerten. In der Zwischenzeit zweifelten wir nicht
am gegebenen Versprechen, ebenso hielt auch der Fürst selbst an seinem
Versprechen fest. Er wiederholte in der Folge sein Versprechen mehrfach und
bekräftigte, dass die Bibliothek überführt werde, sobald es geschehen könne und
angesichts anderer gewichtiger Geschäfte möglich sei. Dass es so kam, wisst ihr
alle. Denn im Oktober des vergangenen Jahres wurden wir brieflich durch die Räte
zu einem festgelegten Termin an den Hof gerufen,
und wir wurden von der
Universität geschickt,
um die
Bibliothek von denen in Empfang zu nehmen, denen es der Fürst aufgetragen hatte.
Dabei glauben wir so sorgfältig vorgegangen zu sein, dass es die Universität
nicht gereuen muss. Die Übergabe begann am 20. Oktober
false11 und nahm beinahe
die folgenden 10 Tage in Anspruch. Begleitet wurde sie durch die berühmten und
erfahrenen Männer, Joannes
Peparinus, Doktor beider Rechte und langjähriger welfischer Hofrat, und
Theodor
Bloccius, Kammersekretär des Fürsten. Von ihnen ist jener nicht so sehr
durch den Titel des Rechtsgelehrten und seine Hofratswürde, als vielmehr durch
seinen Eifer für die freie und schöne Kunst und seine Ergebenheit für unseren
Fürsten bekannt. Er hat ihn nämlich als jungen Mann in früheren Jahren auf
Geheiß des heroischen Heinrich Julius, dem er sich und seine Beflissenheit
nachdrücklich empfohlen hatte, mit Eifer zur Tugend und zu jeder Art der
Pflichterfüllung eines guten Fürsten erzogen, was man nicht verschweigen darf
und nicht den geringsten Teil seines Ruhmes ausmacht, zumal er dieses Amt nicht
zu Hause versah, sondern ihm durch Deutschland, Frankreich, England und die
Niederlande gefolgt ist und nicht nur die Anstrengungen mit Gleichmut ertrug,
sondern bisweilen sich auch nicht scheute, Mißfallen auf sich zu ziehen, wenn er
denn damit den Fürsten für das Vaterland so formte, wie es ihn brauchte und
wünschte. Diesem Mann also und dem Theodor Bloccius hatte unser Fürst den
Auftrag erteilt,
die
Übergabe seiner Bibliothek an die Julische Akademie zu regeln. Ihr uns entgegen
gebrachtes Wohlwollen und ihren außerordentlichen Eifer - auch wenn er vorher
keineswegs im Dunkeln lag - haben wir damals und bei dieser Aufgabe so deutlich
wahrgenommen, dass wir bei anderen den Anschein der Unbilligkeit und
Undankbarkeit erwecken könnten, wenn wir es nicht bei dieser gebotenen
Gelegenheit bekunden wollten. Ich jedenfalls freue mich über die sich hier
bietende Gelegenheit, ihnen wenigstens irgendwie Dank abstatten zu können, und
zwar von dieser Stelle aus. Es scheint nun aber das Nächstliegende, dass ich
euch, geneigte Zuhörer, die Bibliothek mit dieser Rede gleichsam eröffne, denn
das erwarten zweifellos die meisten von euch, die ihr als Heranwachsende die
besten Künste mit Eifer studiert. So nämlich könnt auch ihr selbst erfahren und
beurteilen, welch bedeutendes,
welch erhabenes, welch wahrhaft königliches Geschenk die Julische Akademie von
ihrem durchlauchtigsten Fürsten und Ernährer heute empfangen hat. Dies ein wenig
sorgfältiger und genauer darzulegen würde mir nicht beschwerlich fallen, wenn
nicht die Zeit dafür zu knapp und alles für diesen Zweck sorgfältiger zu
entfalten wäre. Dies jedoch kann ich wahrlich sagen und darüber wird meines
Erachtens niemand im Zweifel sein, dass das, was andere Bibliotheken schmückt
und empfiehlt, auch dieser unserer entweder größtenteils zu Verfügung steht oder
sicherlich nicht viel
zu
wünschen übrig lässt. Manches ist ihr sogar zu eigen, was man vielleicht bei den
meisten, zumindest aber bei manch anderen vergeblich sucht. Es gibt nämlich,
verehrte Zuhörer, in der Tat in dieser Bbliotheca Julia, die ihr vor Augen habt,
nicht nur bekannte Bücher aller Disziplinen, über die, wie ich denke, ich jetzt
nichts sagen muss, weil es bereits so viele Lobreden über sie von hochgelehrten
Männern gibt, sondern auch sehr viele seltene Bücher, die nicht jedem, der in
der Wissenschaft nur halbwegs bewandert ist, bekannt oder zu Gesicht gekommen
sind. Diese sind teils jünger oder neu, teils auch derart, dass ihr Alter sie
empfiehlt: die meisten sind, wie zu erwarten, gedruckt, einige jedoch auch
handgeschrieben. Und sie sind, wie wir hoffen (denn es war bislang nicht
möglich, sie hinreichend zu erforschen), nicht von schlechtester Qualität. Unter
diesen Handschriften bilden nach meiner Einschätzung drei Rollen eine Familie,
die das göttliche Gesetz enthalten und in hebräischer Schrift auf Pergament
geschrieben sind. Ein kleiner Zettel, der einer von ihnen beigefügt ist,
bezeugt, dass vor einigen Jahren einige Juden bereit gewesen wären, sie für viel
Geld zurück zu kaufen, wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten.
false12 Es gibt auch Bücher in
anderen Sprachen, besonders den orientalischen. Es gibt auch in alten und
fremdartigen Schriften verfertigte Tafeln, die denen, die sich dafür
interessieren, wie ich denke, Vergnügen bereiten werden. Besonders sehenswert
scheinen mir jene beiden prächtigen und schön anzuschauenden Globen,
wetteifernd mit diesem
Universum. Auf einem von diesen sind der Himmel selbst, die Lage der Sterne und
die verschiedenen Sternbilder, auf dem anderen die Länder, Meere, Flüsse,
Inseln, Berge,
und dieserlei
dargestellt, und man kann verschiedene andere oftmals zu bestaunende Teile der
Natur gleichsam aus der Nähe betrachten. Diese beiden Globen scheinen mir nicht
nur aufgrund ihrer Größe und Schönheit, hinsichtlich derer sie anderen
vielleicht noch existierenden von dieser Art nicht nachstehen, sondern deswegen
bewundernswert, weil sie nicht wie die meisten mit Kupferplatten auf Papier
gedruckt, sondern mit unglaublicher Mühe, wie jeder leicht sehen kann, in
Handarbeit gezeichnet wurden. Daher nimmt es nicht wunder, dass sie für viel
Geld von unserem Heroen, dem prächtigen Herzog Heinrich Julius, vor einigen
Jahren in Prag zur ewigen Zierde seiner herrlichen Bibliothek gekauft und an den
Hof geschickt wurden. Durch dieserart Schmuck oder Ausstattung überragt unsere
Bibliothek die meisten anderen oder steht ihnen gewiss nicht nach. Auch weiß
ich, dass dies sicher von mir gesagt werden kann, dass in dieser Bibliothek die
Liebhaber aller Literatur, aller Künste und Wissenschaften dasjenige finden
werden, was einem jeden in seinem Vorhaben nicht wenig nützt. Hier haben die
Vertreter der Philosphie und alle ihre Fachrichtungen und Untergliederungen
Gelegenheit zu lernen und Fortschritte zu machen. Das haben auch die Vertreter
der Medizin und der Rechtswissenschaft, und letztere haben bei weitem
die größte Fülle an den
besten Büchern ihres Fachs. Die Theologen schließlich haben überaus herrliche
und glanzvolle Denkmäler ihrer erhabenen und göttlichen Wissenschaft. Jeder
schließlich, der sich darum bemüht, sein Herz mit wissenschaftlicher Bildung zu
füllen oder seinen Geist durch Streben nach Tugend für ein ehrenhaftes Leben zu
rüsten oder sich Wissen aus der Kenntnis der politischen Verhältnisse
anzueignen, der sich durch Wissenschaft und die Herrin aller Dinge, die
Weisheit, auszeichnen oder seinen Ausdruck durch erlesene Rede verfeinern will,
wird im diesem, euch vor Augen stehenden Heiligtum der Musen, der Bildung und
Wissenschaft reichlich Hilfe finden. Denn die Bibliothek ist gut ausgestattet,
wie jeder von uns weiß, ein universelles Werkzeug für alle Gelehrten. Daher kann
die Akademie ihrer nicht ohne großen Schaden entbehren, wie ein Haushalt des
Geschirrs, wie ein Schiff der Ausrüstung,
wie ein Heer der Waffen, wie endlich
jeder Künstler, der ein bedeutendes Werk schaffen will, geeigneter Werkzeuge
nicht entbehren kann. Weil unser hochgelehrter Fürst das klar erkannte, stattete
er uns bereitwillig aus mit dieser Bücherfülle, von der ich sprach. Wer auch
immer sich dieses glänzenden Hilfsmittels jetzt oder künftig bedienen wird, um
sich jene göttlichen Güter des Geistes zu verschaffen, wird nicht umhin können,
den Sinn unserer Fürsten
im Stillen zu bewundern, von denen ein so umfängliches, mannigfaltiges, edles
Werkzeug von Büchern aller Art gesammelt und mit großem Aufwand an einem Ort
zusammengeführt worden ist. Und ihnen, deren Größzügigkeit sie ihre Bildung
verdanken, werden sie bei sich und bei anderen übergroßen und unsterblichen Dank
abstatten. Wenn sich hier jemand wundert, was die Ursache dafür war, dass unsere
Fürsten, die doch durch andere Sorgen und schwerwiegende Geschäfte, wie wohl
jeder leicht einsieht, in Anspruch genommen sind, den Vorsatz fassten, eine so
bedeutende Fülle der besten Bücher zu sammeln, dann gibt er eben dadurch zu
erkennen, dass er noch nicht hinlänglich über ihre Geisteshaltung im Bilde ist.
Denn sie hielten nicht, wie einst Kaiser Licinius
false13 , die Literatur für ein Gift und eine
öffentliche Seuche. Und sie ähnelten nicht Caracalla,
false14 der keinen
guten Gedanken fasste, denn das hatte er nicht gelernt, wie er nach Cassius Dio
selbst bekannte.
false15 Denn von diesen unterschieden sich
unsere Heroen ganz und gar in Gesinnung, Sprache, Sitte und Grundsätzen. Sie
stimmen überein mit dem Urteil eines bedeutend besseren und klügeren Königs, der
sagte, dass die Stimme eines Ochsen und nicht eines Menschen spreche, wenn
manche die Wissenschaft verachteten und nicht eines Fürsten für würdig hielten.
Weil sie davon überzeugt waren, was bei Vegetius geschrieben ist, einem
seinerzeit nicht unverständigen Autor:
dass es niemanden gebe, dem es besser anstehe, entweder besser oder mehr zu
wissen, als den Fürsten, dessen Gelehrsamkeit allen Untergebenen nützen
kann false16 (man darf zurecht hinzufügen "muss"), deshalb eigneten sie sich die
schöne Literatur und heilsame Lehre nicht oberflächlich an. Außerdem wussten sie
sehr wohl, dass, wenn schon einst die großen und herausragenden Könige selbst
auf die Pflege der Wissenschaften
viel Zeit und Mühen verwandten, auch die Heerführer und bedeutenen
Feldherren sich meist durch das Lob der Bildung oder selbst durch Bildung
auszeichneten oder Männer von höherer Bildung und Wissenschaft nicht nur zu
Hause, sondern auch auf Kriegszügen in der Ferne um sich hatten und so vertraut
mit ihnen waren, dass sie einige von ihnen beinahe in ihre Hausgemeinschaft
aufnahmen. Denn sie konnten nicht verkennen, dass diejenigen Bücher nötig haben,
die sich an diesen Studien erfreuen, was sogar das ungebildete Volk genau weiß.
Hinzu kommt, dass sie die treuesten und freimütigsten Ratgeber sind und nicht um
einer Gunst willen etwas verschweigen oder verhehlen oder vortäuschen, weder dem
Hass, noch der Liebe, noch der Missgunst, noch der Furcht oder irgendeinem
anderen Affekt unterworfen sind, eine Lehre, die man auch aus den Mahnungen des
Demetrius Phalereus, eines
höchst klugen Mannes, der einst die Geschicke Athens lenkte, ziehen kann: Dieser
nämlich
pflegte den König Ptolemäus
von Ägypten, zu dem er geflohen war, vertrieben von der
undankbaren Vaterstadt,
zu ermahnen, die Schriften kluger Autoren über die
Ausübung der Herrschaft gründlich zu lesen. Denn in ihnen werde er finden, was zu tun nötig sei,
um seine erhabene Aufgabe in jeder Hinsicht vollkommener zu erfüllen. Denn
dies würden die Ratgeber aus Furcht oft nicht frei auszusprechen
wagen. Dies hatten unsere Fürsten in ihrer Jugend von denen, die sie
mit Eifer erzogen, oft (wer würde es bezweifeln?) gehört. Und auch dies, dass
sie stumme oder tote Lehrer seien, wie bekanntermaßen Bücher nach der Stimme des
Orakels genannt werden, und dass sie die besten und treuesten Führer und
Ratgeber für ein pflichtgemäßes Leben sind. Und man kann nicht verkennen, dass
die Werkzeuge des Friedens einem guten und wohltätigen Fürsten nicht weniger,
sondern manchmal vielleicht sogar mehr zur Zierde gereichen, als die des
Krieges, da der Krieg um des Friedens willen begonnen und geführt wird und
gewiss begonnen und geführt werden muss. Wenn also ein Zeughaus mit allen Arten
von Geschossen und Kriegsgerät gefüllt und mit unterschiedlichen Waffen
ausgestattet, nicht weniger auf einen vorausschauenden wie tapferen Fürsten
schließen lässt - und ihn ebenso furchteinflößend wie
verehrenswürdig macht, weil es
verdeutlicht, dass er im Frieden über die Möglichkeit des Krieges nachdenkt
false17 und die dafür notwendige Ausstattung
beschafft, dann besteht kein Zweifel, dass auch ein hervorragender Schatz an
Büchern, wie er in diesem Saal zu sehen ist, ihn zu einem bewundernswerten
Fürsten macht.
Ein Hinweis dafür ist nämlich sein Wissen, dass Waffen klug und gerecht
eingesetzt werden müssen; damit dies aber geschehen kann, ist nötig, dass man
niemals die Werke der Weisen
aus den Hände legt. Denn folglich ist so ein Schatz an Büchern wie
an Waffen eine Zierde für Könige und Herrscher, da es ihnen gut ansteht nicht
nur Diener des Mars, sondern auch Verehrer der Musen zu sein. Und dieser Hof ist
glänzend und lobenswert, an dem Pallas in Waffen wohnt. Denn es steht
hinlänglich fest, dass dies eine feste Überzeugung nicht weniger Herrscher und
sogar der besten Feldherren war. Mit derselben Hand also, mit der sie den Speer
schwangen und das Schwert kreisen ließen, griffen sie, sooft es die Mühen und
Sorgen des Krieges erlaubten, zu den Büchern, ihrerseits Werkzeuge der Minerva.
Ja sogar reiche Könige und wohlhabende Städte, wohl wissend, dass nicht nur
Bildung, sondern auch die Kenntnis der Klugheit, Gerechtigkeit und jedweder
Tugend von jenen stummen Lehrern in rechter Weise erlangt wird, richteten höchst
ansehnliche Bibliotheken ein, zumal die Fürsten erkannten, dass sie den
Reichtum, den sie durch göttliche Gabe im Übermaß erlangt haben, nicht leichthin
für eine andere Sache ehrenvoller verwenden könnten als auf diese königlichen
Gegenstände und Schätze des Königreichs. Denn in der Tat sind ja ihre Schätze
gerade die besten und nützlichsten Bücher. Aus diesen können alle Lebensregeln
schöpfen, woraus die Bürger den Gehorsam gegen die die Gesetze und die Fürsten
das Regieren erlernen können. Niemand möge sich also wundern, dass die Könige
Ägyptens und Asiens einst eine so große Anzahl erlesenster Bücher mit großem
Eifer und gewaltigem Aufwand
gesammelt haben. In Alexandria soll die des Philadelphus
false18 nämlich
700.000 Bände umfasst haben. Und nicht zu Unrecht scheint Livius diese
ein herausragendes Werk königlicher Bildung und Fürsorge
genannt zu haben, der, wie mich dünkt, von Seneca zu Unrecht dafür kritisiert
wurde
false19 , was ich gesagt haben möchte, ohne
diesem überaus weisen Mann zu nahe treten zu wollen, der mir
und allen Verständigen nicht nur
teuer, sondern sogar verehrungswürdig ist. Nicht nämlich zur Zurschaustellung,
wie jener sagt, will sie angesehen werden, sondern zum Nutzen der wissbegierigen
Menschen und zu vieler Vorteil hatten sie dieses Hilfsmittel der besten Bücher
geschaffen. Unter ihnen nehmen die Bände des göttlichen Gesetzes ohne weiteres
die erste Stelle ein, die nach dem frommen Geheiß des Königs in die griechische
Sprache übersetzt wurden
false20 . Aber sie wurde gänzlich, sicher aber zum Großteil, ein
Raub der Flammen, als Julius Caesar gegen den letzten König von Ägypten kämpfte.
Über diese Katastrophe für die Wissenschaft schreibt Seneca:
40.000 Bücher
(400.000, wie manche Gelehrte meinen) verbrannten in Alexandriafalse21 . Und dies war damals die Alexandrinische Bibliothek.
Ihre Konkurrentin, die Pergamenische oder Attalische befand sich in Asien, älter
als beide aber waren die der Athener und zweifelsohne der anderen Städte
Griechenlands und selbst der Könige von Persien. Wer wüsste denn nicht aus der
heiligen Schrift, dass auch sie Bücherliebhaber waren? Wir sehen, dass sie diese
in schwierigen Geschäften zu konsultieren, Vergangenes zu vergegenwärtigen und
die Geschicke des Reiches
und die Taten der Könige in Erinnerung zu rufen pflegten. Und obwohl er Athen
eroberte und niederbrannte, bewahrte Xerxes
die Bibliotheken und führte sie mit sich in sein Reich fort. Das hätte er
jedenfalls nicht getan, wenn er gemeint hätte, dass Bücher mit ihm, mit dem
Erhalt oder der Würde des Königreiches und dem Vorteil seiner Völker nichts oder
wenig zu tun hätten. Wir wissen, dass Alexander, der Bezwinger Persiens und des
Orients, die Werke herausragender Geister so hoch schätzte, dass er für den
durch Edelsteine und Gold kostbaren Schrein, den er unter den Schätzen des
besiegten Darius gefunden hatte, als
jeder eine andere Verwendung dafür vorschlug, bestimmte, dass er für die
Aufbewahrung der göttlichen Gesänge Homers vorzusehen sei. Von dieser Ansicht
wichen in der Folge auch die meisten Könige und Fürsten der Griechen nicht ab,
so dass es auf der Hand liegt, woher den besagten Königen Asiens und Ägyptens
eine so große Bücherliebe erwuchs. Denn sie waren Nachfolger Alexanders und
einige trachteten ihn zu übertreffen. Daher schickte der König von Syrien, Seleucus Nicanor, die von Xerxes
entführte Bibliothek nach Athen zurück. Und nachdem die Römer feinere
Bildung erlangt hatten, verschmähten
auch sie Bibliotheken nicht. Ja, sie verschafften sie sich sogar mit größerem
Aufwand als die übrigen Völker. L. Cornelius
Sulla und später Lucullus haben
im Mithridatischen Krieg eine außerordentlich große Menge von Büchern aus
Griechenland nach Rom gebracht. Vor diesen hat jedoch schon Aemilius Paulus, nachdem er den letzten König
Makedoniens, Perseus,
besiegt hatte, seinen Söhnen gestattet dessen Bücher nach Rom zu schaffen.
Später aber haben die Kaiser dies nicht nur mit Eifer, sondern, fast möchte ich
sagen, aus dem Verlangen zu glänzen, getan, um entweder den Liebhabern der
Künste möglichst reiche Bibliotheken zu bieten, sie den Bürgern in der Stadt zur
Schau zu stellen oder ihr Bedürfnis nach Luxus zu befriedigen. Die meisten
jedoch hatten meines Erachtens jenes erste und ehrenvollste Ziel vor Augen. Denn
auch C. Julius Caesar hatte nach dem
Zeugnis des Sueton möglichst umfangreiche griechische und lateinische
Biliotheken für die Öffentlichkeit bestimmt und Octavius Augustus hat entweder eigene Bibliotheken oder
die von anderen der Bürgerschaft gestiftet. Zumindest verdankt sich die
Palatinische, die nicht nur von einem allein und nicht in den Schriften weniger
gefeiert wird, einzig ihm. Und keinem anderen als eben diesem ist die zu
verdanken, die Asinus Pollio als erste
öffentliche Bibliothek in Rom im Atrium der Libertas aufstellte; wie auch jene,
die nach der Schwester des Augustus Octavia genannt wurde; in ihrer Säulenhalle
wurde die Bibliothek eingeweiht, die eher den Kaiser als jene Frau zum
wirklichen Urheber hatte, wie Dio berichtet, von dem Plutarch in dieser Sache
abweicht.
false22 Und bis zu dieser Zeit gab es diese
Bibliotheken in Rom. Von ihnen waren die früheren im Besitz von Privatleuten wie
Aemilius Paulus, Sulla und Lucullus, jedoch so, dass deren Nutzung auch anderen Gelehrten
zugestanden wurde; die späteren waren öffentlich und standen allen offen, die
des Asinius, der Octavia und die Palatinsche. Es sei mir mit eurer Erlaubnis
gestattet, verehrte Zuhörer,
nicht nur die zu übergehen, die bekanntlich von Tiberius, Vespasian, Trajan, Tacitus und den übrigen
römischen Kaisern gesammelt wurden, sondern auch die, die sich im Besitz von
anderen Städten in unterschiedlichen Teilen der Welt befanden. Denn die
Schriftsteller erwähnen solche in Jerusalem,
Caesarea, Como, Tivoli und in Rom
selbst auf dem Kapitol und viele andere in der Stadt und außerhalb ihrer, so
dass P. Victor seinerzeit allein in
Rom 29 öffentliche Bibliotheken zählte
false23 . Nach der Einnahme Karthagos
sind, wie Plinus berichtet, afrikanischen Königen Bibliotheken geschenkt worden.
Einem indessen, dem Mago, wurde vom römischen
Senat die Ehre zuteil, dass er dessen 28 Bücher über den Ackerbau einer
Übersetzung ins Lateinische für würdig befand. Und nicht nur den Gemeinwesen
oder Königen lag es am Herzen, sondern auch zahlreichen Privatleuten. Denn auch
in Griechenland und Italien gab es viele Sammler von bedeutenden Bibliotheken.
Unter denen aber ragten Folgende heraus: die des Appellikon aus Teos, in der sich die Bücher des
Aristoteles und Theophrast befanden, die, wie man sagt, Sulla von Athen nach Rom
verbrachte; die des Lucullus, die er allen Gelehrten und besonders den Griechen
zur Verfügung stellte, nachdem er sie unter hohen Kosten erworben hatte; die des
Epaphroditus von
Chäronea und Sammonicus
Serenus, in denen sich nach Aussage von Suidas und Capitolinus in jener
ungefähr 30.000, in dieser 62.000 Bücher befanden.
false24 Von jener des Lucullus, die nach seinem Tode an seinem Sohn
überging und sich auf seinem Gut in Tusculum befand, machten nicht nur viele Griechen, sondern auch unser
Cicero und Cato, sein Altersgenosse, Gebrauch - jener gestrenge und unbeugsame
Tugendwächter, vor dem Rom, nicht ohne zu erröten, Fehltritte begehen konnte.
Cicero pflegte dorthin zu kommen und die Bücher, die ihm von Nutzen waren,
auszuleihen. Auch Cato pflegte dort zu sitzen und mit den Augen, dem Geist und
dem Herzen begierig seine Stoiker zu verschlingen und die Erkenntnisse, Urteile
und Vorschriften jener göttlichen Denker zu bewundern, von deren Büchern er
allseits umgeben war. Hiervon legt Cicero umfänglich Zeugnis ab, der auch selbst
von unglaublicher Liebe zu den Büchern entbrannt war. Daher lesen wir noch heute
in einem seiner Briefe an Atticus:
Bewahre deine Bücher, und fürchte
nicht, dass ich sie nicht erwerben kann; denn wenn ich dies erreiche, dann
übertreffe ich Crassus an Reichtum und schätze die Gehöfte und Wiesen aller
anderen gering .
false25 An einer anderen
Stelle:
Denk bitte an das, was Du mir versprochen hast, wie du mir eine
Bibliothek zusammenstellen kannst.
false26 Und an einer weiteren Stelle:
Achte darauf, wem du deine Bibliothek versprichst, selbst wenn du
einen glühenden Verehrer gefunden hast, denn ich halte alle meine kleinen
Einkünfte zusammen, um mir mit ihr eine Stütze für das Alter zu
erwerben.
false27 Und derselbe
weidete sich an der Bibliothek von Sullas Sohn Faustus, entweder auf seinem Gut in Pompei oder
in Pozzuoli, wie er Atticus in einem
anderen Brief berichtet
false28 . Obwohl er
gewiss viele besaß, konnten ihm seine eigenen Bücher nicht genügen und
seinen Wissensdurst
stillen. Von Lucullus also, wie ich ich sagte, oder Sulla, verschaffte er sich,
was er benötigte. Als daher Cato ihn antraf, wie er in einer Bibliothek saß und
die Lehren der Weisen begierig aufsog, sprach er ihn wie folgt an:
Was
suchst du denn hier für Bücher, der du selbst so viele besitzt? Ich kam her,
um einige Aristoteleskommentare mitzunehmen, die meines Wissens hier
vorhanden sind, erwiderte Cicero.
Ich möchte sie in einer
müßigen Stunde lesen, die mir, wie du weißt , nicht sehr oft zuteil
wird.false29 Soweit er über sich. Doch bei ihm ist es
wohl weniger verwunderlich, da er ja in seinem Leben jede Wissenschaft, die zur
menschlichen Bildung gehört, mit allem Eifer verfolgte, jedenfalls soweit es
seine gewichtigen politischen Pflichten erlaubten. Wie aber steht es mit seinen
Zeitgenossen und den ihm unmittelbar Nachfolgenden? Teils ist es sehr
wahrscheinlich, teils steht es zweifelsfrei fest, dass sie mit dem gleichen
Verlangen nach Büchern strebten. Denn wer wüsste nicht, dass diejenigen, die die
Bildung, die Tugend, die Klugheit, die Weisheit selbst und die Beredsamkeit,
deren Studium gerade die Edelsten hochhielten, besonders wertschätzten und die
sie sich anzueignen trachteten, die Instrumente dazu nicht verschmähten, nämlich
die Bücher. Oder wer würde nicht das Votum des Horaz für alle Gelehrten gültig
erachten, das jener auf sich selbst bezogen vorbringt:
So oft Digentia, der kühle Fluss, mich erfrischt, den Mandela trinkt,
ein Dorf runzelig vor Kälte, was meinst du, dass mir in den Sinn kommt? Was
glaubst du, Freund, worum ich bitte? Es sei mir, was ich habe, und wäre
es auch weniger, und dass, was an Lebenszeit übrig ist, ich für mich
selber lebe. Dass ich eine gute Menge Bücher und Vorrat habe, was für
ein Jahr nötig ist: damit die ungewisse Zukunft im Genuss des
Gegenwärt'gen mich nicht stören müsse! false30 Er zeigt, wie ich
meine, ganz deutlich, wofür er eine Bibliothek benötigt, nämlich für die Dinge,
durch die das Leben lebenswert wird. Und an erster Stelle wünscht er sich Bücher
und an nächster und zweiter Stelle Nahrung. Denn das bedeutet es meiner Meinung
nach, dass für einen einsichtigen Menschen die Sorge um den Geist wichtiger ist
als um den Körper. Ich jedenfalls bin überzeugt, dass viele derselben Ansicht
waren, die, wie ich meine, nicht nur die Süße der Wissenschaft gekostet, sondern
auch deren großen Nutzen und außerordentliche Bedeutung erkannt hatten. Denn sie
schätzen diese Bücher wert und zögerten nicht, wenige auch mit großen Kosten zu
erwerben, und dies nicht nur aus Ehrgeiz oder gemeiner Anbiederung, durch die
einst mancher angestachelt wurde, die irdene Leuchte des Epiktet für dreitausend
Drachmen zu kaufen, wie Lucian schreibt
false31 , sondern
mit einer Gesinnung, die weisen Männern würdig ist, nämlich voller Wissensdrang.
Keiner von euch, verehrte Zuhörer, wüsste das nicht, wie ich meine. Denn es
handelt sich nicht um irgendwelche obskuren Leute, sondern um hochmögende und ob
ihrer Weisheit berühmte Männer. Denn wessen
Name ist unter den
Philosophen berühmter als der von Plato und Aristoteles? Doch bei denen, von
denen ich spreche, gebührt jenen der erste Rang. Denn Aulus Gellius schreibt:
Berichten zufolge soll der Philosoph Plato von Haus aus zwar nicht
sehr reich gewesen sein und doch drei Bücher des Pythagoräers Philolaus für
10.000 Denare käuflich an sich gebracht haben. Diese erhielt er nach Angabe
einiger von seinem Freunde Dio, dem Herrscher von Syrakus, geschenkt. Und: Nach der Überlieferung soll auch
Aristoteles einige wenige Bücher des Philosophen Speusippus nach dessen Tode
für drei attische Talente käuflich an sich gebracht haben. Dieser Kaufpreis
beträgt, Gellius zufolge, im
Ganzen genommen nach unserer Berechnung 72.000 Sesterzen.
false32 Aber das ist, denke ich, bei gelehrten und
wissbegierigen Menschen nicht weiter verwunderlich. Nicht nämlich hielten sie es
für wert, sich Sklaven, Edelsteine, kostbare Kleidung, Hunde, Pferde, Kleinodien
oder Dinge, die niedrigen Trieben oder Prahlsucht dienen, zu erwerben, sondern
sie hielten es für richtig, sich mit diesem Geld Instruktoren und Lehrer der
Weisheit, Tugend und Allgemeinbildung zu verschaffen.
Haben sie für diese etwa irgendeinen
Aufwand rasch, um nicht zu sagen begierig, getrieben, da sie sahen, dass sehr
viele nicht nur für die Dinge, von denen ich sprach, sondern auch für
Schmeichler, Köche, Narren oder Huren einen Haufen Geld oder sogar ihr ganzes
Erbe verschleuderten? Es verwundert, dass
sogar ungelehrte und unerfahrene Menschen sich um den
Aufbau von Bibliotheken bemühten. Aber diese stellten auf diese Weise ihren
Reichtum zur Schau oder jagten dem Anschein von Gelehrsamkeit nach, die deswegen
Seneca, der strenge Sittenwächter, nicht zu unrecht tadelt
bei sehr
vielen Menschen, unkundig sogar der Elementarbildung33 , dienen Bücher nicht als Rüstzeug
wissenschaftlicher Arbeit, sondern als der Esszimmer Ausstattung..
Und um einem stillschweigenden Vorwurf zu begegnen, führt er ein Argument an,
das diesen Ehrgeiz wie folgt verteidigt:
Anständiger könnte sich hierin
Aufwand als für korinthisches Silbergeschirr und für Gemälde
verströmen. Was aber erwidert er?
Fehlerhaft ist überall, was
zuviel ist. Welchen Grund hast du, nachzusehen einem Menschen, wenn er nach
Bücherschränken aus Zitrusholz und Elfenbein giert, die gesammelten Werke
zusammensucht von unbekannten oder zweitrangigen Schriftstellern und unter
soviel Tausenden von Büchern gähnt, er, dem von seinen Bücherrollen der
Schnitt am meisten gefallen und die Titel? Bei den trägsten Menschen also
wirst du sehen, was immer an Reden und Geschichtswerken es gibt, bis ans
Dach aufgerichtet Regale: jetzt nämlich, neben Baderäumen und Thermen,
richtet man auch eine gepflegte Bibliothek als unentbehrliches Schmuckstück
des Hauses ein. Verständnis hätte ich durchaus, wenn man aus übergroßer
Leidenschaft zu wissenschaftlicher Arbeit in die Irre ginge; so aber schafft
man diese erlesenen, mit ihren Porträts ausgestatteten Werke der
ehrwürdigsten Autoren zum Schmuck und zur Ausstattung der Wände
an.false34 Ihr Studenten
erkennt schon aus dieser einen Stelle (denn euch Dozenten ist dies alles schon
längst bekannt), dass einst auch Ungelehrte und
von der Wissenschaft
Unbeleckte sich reiche Bibliotheken verschafft haben und beträchtliche Mengen
von Büchern ohne Sinn und Verstand aufgehäuft haben, bloß als Schmuck und zur
Schaustellung oder zur Zierde der Wände. Dorthin gehörten auch prahlerische
Kataloge und Autorenbilder ,
die eitle Menschen ihren Büchersammlungen beigaben, um deren Glanz zu vermehren
und die Augen der Betrachter zu fesseln. Gleichwohl ist es nicht glaublich, dass
gelehrte und ehrenwerte Menschen Bildnisse guter Autoren gänzlich mißachteten.
Ja, es kann als sicher gelten, dass sie sie vor allem in jenen Musentempeln
besaßen, und dass sie in ihnen die herausragende Tugend derer vereehrten, die
nicht mehr unter den Menschen weilten. Sie hatten gemalte, gemeißelte, geformte,
gegossene oder anderweitig hergestellte Bildnisse jedoch nicht nur in
Bibliotheken, sondern auch in Gymnasien, in Atrien oder in Tempeln, - und nicht
nur um sich am stillen Anblick und der Erinnerung an bedeutende Männer zu
weiden, sondern um die deutlich erkannte Tugend zu verehren und damit ihnen und
ihren Verdiensten um die Menschheit jedwede Art von Ehre zu erweisen.
Schließlich auch, damit ein jeder nach seinem Vermögen an seiner Stelle diesen
nacheifere. Über die nicht gemeine Lust, die aus deren Anblick und Andenken im
Herzen eines nicht gänzlich barbarischen Menschen entsteht, schreibt Justus Lipsius, einer der
herausragensten Männer unserer Zeit und wie nur wenige zu bewundern, in seiner
gelehrten Abhandlung Über die Bibliotheken,
deren ich mich bei
Abfassung dieser Rede vielfach bedient zu haben freimütig gestehe. In seinen
Worten:
War dies nicht den Augen und dem Gedanken wohlgefällig und
angenehm? Von Natur aus werden wir zu den Darstellungen und Abbildungen
großer Männer hingezogen und zu jenen Körpern oder Herbergen, in die sich
der himmliche Geist einschloss: Siehe, hier war er! Man könnte die Schriften
des Homer, Hippokrates, Aristoteles, Pindar, Vergil, Cicero lesen oder mit
den Augen genießen, und dies zusammen mit dem Portrait des
Autors.false35 Für die Verehrung der Tugend und der Verdienste ist Seneca der
umfassendste Zeuge. Denn über sich selbst sagt er:
Ich verehre die
Erfindungen der Weisheit und die Erfinder. Und wenig später heißt es
über dieselben:
achten muss man sie und wie Götter verehren(vor diesem Richter). Warum sollte
ich nicht großer Männer Bilder besitzen als Ansporn für meinen Geist und
ihre Geburtstage feiern? Warum sollte ich sie nicht, sie zu ehren, nennen?
Wie ich Verehrung meinen Lehrern schulde, ebenso jenen Lehrern des
Menschengeschlechtes, von denen so vieles Guten Ursprünge ausgegangen sind.
Wenn ich einen Konsul sehe oder Prätor, so werde ich alles, womit man
ihrer Stellung Ehre zu erweisen pflegt, tun: vom Pferde werde ich springen ,
das Haupt werde ich entblößen, vom Wege werde ich treten. Was also? Den
Marcus Cato, Vater und Sohn, den weisen Laelius und Sokrates mit Platon,
Zenon und Kleanthes werde ich in meine Seele ohne Achtung aufnehmen? Nein,
ich verehre sie und richte mich an so großen Namen stets auf.false36 Wer wäre wohl hinsichtlich des Wettstreites
im Zweifel? Denn sie sahen die vor sich gleich wie Anwesende, die sie
bewunderten
und denen
sie ähnlich zu sein wünschten. E ist jedem wohlbekannt, wie sehr dies die Herzen
zu bedeutenden Taten anzustacheln pflegt. Und man kann davon ausgehen, dass dies
nicht weniger für die Wissenschaft, als für die Kriegskunst oder irgendeine
andere Fähigkeit gilt. Ich jedenfalls glaube, dass Thukydides durch den Ruhm
Herodots für die Geschichtsschreibung und aus dieser zu gewinnenden Anerkennung
nicht weniger entflammt wurde als Themistokles durch die Siegeszeichen des
Miltiades oder als Caesar, der zu den größten Taten angestachelt wurde, als er
das Bildnis Alexanders des Großen im Herkulestempel zu Gades betrachtete. Das,
was Sallust über das Entflammen der Tugenden in einem großen Herzen schreibt,
bezieht sich in Gänze sowohl auf unseren Studien der friedlicheren, als auch
kriegerischen Künste:
Denn oft habe ich gehört, Q. Maximus, Publius Scipio, außerdem sonst
berühmte Männer unseres Staates pflegten so zu sprechen: wenn sie auf
die Bilder der Vorfahren schauten, werde ihnen aufs heftigste der Mut
zum Streben nach Vollkommenheit entzündet. Natürlich hat nicht jenes
Wachs noch das Bild so große Kraft in sich, sondern durch das Gedächtnis
an die Taten wächst diese Flamme hervorragenden Männern im Herzen und
erlischt nicht eher, ehe nicht ihre Leistung dem Ruf und Ruhm jener
gleichgekommen ist.(
Sall. Jug.
4,5-6. Übersetzung nach Büchner
[
Nachweis im GBV]
.) Ihr seht die überreiche Frucht der Bildnisse, und niemand zweifelt daran,
so meine ich, dass sie den Bibliotheken, ja auch anderen Orten hinzugefügt
wurden, um Körper und Geist zu ertüchtigen.
Diese Einrichtung erfuhr
auch die Billigung und das Lob der Verständigen, wie in dem bereits zitierten
Buch von Lipsius und bei Plinius, dem scharfsinnigen Naturforscher. Warum sollte
ich seine Worte nicht wiedergeben?
Wenigstens meiner Ansicht nach gibt es keinen größeren Beweis von
Glückseligkeit, als
wenn alle stets zu erfahren trachten, wie jemand ausgesehen hat. Und er verschweigt den Erfinder nicht:
Diese Neuerung schuf in Rom Asinius Pollio, der als erster durch
Stiftung einer Bibliothek die Schöpfung des menschlichen Geistes zum
Gemeinbesitz machte. Ob die Könige von Alexandria und Pergamon, die mit
großem Wetteifer Bibliotheken einrichteten, früher anfingen, dies zu
tun, kann ich nicht leicht sagen.false37 Und es ist unerheblich, dass, wie man sagt, sie nicht wirklichkeitsgetreu
von den Künstlern wiedergegeben wurden, denn er meint, dass diese lobenswerte
Sitte selbst dann, wenn die Abbildungen nicht wahrheitsgetreu sein sollten,
dennoch nicht zu verachten sei:
Es war aber auch eine Art Liebe zu den
Heldentaten, sich die Bilder berühmter Männer fälschlich anzueignen, und
weit ehrenvoller als zu verdienen, dass niemand die eigenen Porträts
begehrte.
false38 Man
stellte aber nicht nur besagte gemalte, sondern auch Bildnisse und Statuen aus
anderem kostbarerem Material auf, wie Plinius bezeugt:
Es darf auch eine
neue Erfindung nicht übergangen werden, nach der in den Bibliotheken die
Bildnisse derjenigen, deren unsterblicher Geist an diesen Orten spricht,
wenn nicht in Gold oder Silber, so doch gewiss in Bronze gestiftet werden;
sind keine Bildnisse vorhanden, so werden solche sogar erdacht und erwecken
das Verlangen nach nicht überlieferten Gesichtszügen, wie es bei Homer der
Fall ist.false39 Wenn
dies aber von manchen verachtet oder gering geschätzt wird, so ist nicht das
verwunderlich. Im Bewusstsein ihrer Nichtsnutzigkeit und Tatenlosigkeit
bemerken sie, dass es
keinen Grund gibt, warum sich die Nachwelt darum kümmern sollte, wie ihr
Antlitz, ihr Blick, ihr Körper beschaffen war. Denn nach dem Urteil des Plinius
ist es in der Tat so: die Gleichgültigkeit hat die Künste verdorben,
und weil es an Bildern des Geistes fehlt, vernachlässigt man auch die
des Körpers false40 . Anders urteilten die Römer, jene scharfsinnigen Liebhaber der
Wissenschaften und Künste: Sie brachten ihre eigenen Bildnisse und die anderer
an anderen geeigneten, insbesondere ehrenvollen Orten, aber auch in Büchern an,
wodurch sie auch das Antlitz von Lebenden und Verstorbenen bekannt machten und
wirklichkeitsgetreu der Nachwelt überlieferten. Um nicht von demselben Autor
abzuweichen, der besonders zuverlässig und reich ist, sei es erlaubt euch
geneigten Zuhörern eine Stelle von ihm vorzutragen, die wert ist, zur Kenntnis
genommen, ja sogar nachgeahmt zu werden:
Dass die Vorliebe für Porträts einst sehr stark war, bezeugen
Atticus, jener Freund Ciceros, durch ein darüber verfasstes Buch, und M.
Varro durch den recht ansprechenden Einfall, dass er der reichen Fülle
seiner Bücher auch die Bilder von siebenhundert irgendwie berühmten
Männern beigab; er wollte nicht, dass ihre Gestalten verloren gingen und
die Vergänglichkeit der Zeit etwas gegen Menschen vermöge, und so wurde
er der Erfinder auch einer für Götter beneidenswerten Gabe, indem er den
Menschen nicht nur Unsterblichkeit schenkte, sondern sie auch in alle
Länder sandte, damit sie, wie die Götter, überall gegenwärtig sein
könnten.false41 Niemand möge sich ich
wundern, dass unser Cicero beschloss, die Akademie, die er auf seinem Gut in
Tusculum errichtet hatte, nicht nur mit sonstigem
Zierat - der seiner und
des Ortes, für den er beschafft worden war, sicher würdig war - , sondern auch
mit Statuen und Bildnissen der Minerva, Merkurs und ähnlichem auszuschmücken.
Darauf bezieht sich die Stelle in den Briefen an Atticus:
Deine Hermathena macht mir viel Freude, steht außerdem so hübsch,
dass das ganze Gymnasium gleichsam der Sonne geweiht zu sein scheint;
ich bin Dir sehr dankbar. 42 . Und in einem anderen Brief schreibt er:
Was Du mir von der Hermathena schreibst, ist mir sehr lieb; sie wäre
gerade das rechte Schmuckstück für meine Akademie : Hermes gilt ja
allgemein als das Symbol jenes Gymnasiums; Minerva wäre dann das
charakteristische für das meinige. So statte mir denn, wie du es
vorschlägst, diesen Platz auch mit möglichst vielen anderen Gegenständen
aus!43 Von dieser Art war ihm vieles zur Hand. Aber warum sollte ich euch das
vielleicht zum Verdruss aufzählen? Ich mäßige mich und schone euch. Es erhellt
aber, dass gelehrte Männer Standbilder, Statuen und Bildnisse der
Weisheitspriester an verschiedenen Orten aufstellten, besonders aber in
Bibliotheken, dem Sitz und der ureigensten Heimstatt der Bildung und so sogar in
den heiligen Hallen der Minerva. Es ist nicht dunkel, was Cicero mit diesen
Worten an Atticus sagen wollte:
Ich weide mich hier an Faustus' Bücherschätzen Und darauf:Ich halte mich an die
Wissenschaften und erhole mich bei ihnen; säße viel lieber im Lehnstuhl,
der bei Dir unter dem Aristotelesbilde steht, als auf ihrem
Amtssessel.44 In der Bibliothek hatte Atticus, wie es scheint, ein Abbild des großen
Philosophen, aber auch von anderen (denn wer zweifelte daran?). Denn sie hielten
so große Stücke auf sie, dass sie nicht nur ihre Schriften, d.h. die Abbilder
ihres Geistes,
sondern
auch die Umrisse ihres Körpers möglichst oft vor Augen und Geist führen wollten;
besonders diejenigen, die durch den Lauf der Natur zuvor den Augen entrissen
wurden, schienen für die dankbare Nachwelt durch Kunst und Fleiß dem gänzlichen
Untergang entwunden werden zu müssen. Denn den Lebenden, die es noch mit eigenen
Augen sehen,
wird diese Ehre
um ihrer Bildung willen recht selten zuteil, eine Ehre, die dem M. Varro sicher
widerfuhr:
Nur in dessen Bibliothek, die als erste in Rom von Asinius
Pollio öffentlich zugänglich gemacht wurde, findet sich ein Bildnis eines
noch Lebenden, nämlich des Marcus Varro, aufgestelltfalse45 , wie Plinus bezeugt. Dasselbe widerfuhr einige Zeit später auch
dem Dichter Martial durch Stertinius, den jener Avitus nennt, außerdem wüßte ich
aber nicht, ob noch jemandem. Mehr werde ich nicht über Bildnisse, den
herausragenden Schmuck der Bibliotheken, in Erinnerung rufen. Doch es gab noch
weiteres, was ich im Bemühen um Kürze jetzt beiseite lasse. Ich meine Pulte,
Regale, Schränke, Repositorien, Wände auch, die von Glas und Elfenbein funkeln;
vergoldete Kassettendecken, Fußböden vor allem aus karystischem Marmor. Von
denen das eine wegen der frischen grünen Farbe zur Erholung der Augen, das
übrige zur Mehrung von Schmuck und Glanz, höchst kostbaren Dingen, nämlich den
Büchern hinzugefügt wurde, wie jeder leicht erkennt. So hoch schätzten also jene
Alten als Menschen von höchster Bildung und Kunstverstand ihre Bibliotheken.
Sogar diejenigen, die nicht wussten, wie man sie richtig nutzt. Was? Hat sich
etwa in den folgenden Jahrhunderten, da die Gelehrsamkeit allmählich nachließ
und da die Musen unter dem Eindruck der hereinbrechenden Barbarei, die bereits
alles fest in ihren Griff nahm, aus Italien vertrieben worden und
geflohen waren, keiner
mehr um diese gekümmert? Im Gegenteil, nie sind sie von denen, die die Macht
übernahmen und nicht gänzlich den Musen und Grazien unhold waren, abgetan
worden. Daher sind die Bibliotheken, obwohl die Herrschaft Italiens bereits
nicht nur schwach und obenhin erschüttert und ins Wanken gebracht wurde, sondern
von Grund auf zerrüttet und dem Untergang geweiht war, dennoch nicht verachtet
worden, vielleicht auch andernorts, mit Sicherheit aber in Byzanz, das damals
schon seit einiger Zeit Konstantinopel hieß. Denn in der Zeit des Basiliscus oder Zeno Isauricus, der in dieser Zeit
die Macht errang, brach in jener kaiserlichen Stadt ein Brand aus und verzehrte
ihren größten Teil und die Bibliothek, in der nach schriftlichen Zeugnissen
120.000 Bücher aufbewahrt gewesen sein sollen. Darunter war der 120 Fuß lange
Drachendarm, auf den mit goldenen Lettern die Ilias und die Odyssee des Homer
geschrieben waren. O unsterblicher Gott, welche große Menge bester Bücher
verschlang damals jenes Feuer! Das war eine geradezu kannensische oder noch
schlimmere
Niederlage für die
gelehrte Welt. Denn weder konnte dieser Verlust ausgeglichen oder eine so große
Unbill ungeschehen gemacht werden, weil in Italien und in den übrigen westlichen
Provinzen damals die Bildung ausgelöscht und durch die Einfälle zahlreicher
barbarischer Stämme gleichsam in einer Flut untergegangen und zerstreut worden
war. Daher konnte diese, was einst der Bibliothek von Alexandria in
einem ähnlichen Fall
zuerst zum Trost und kurz darauf zum Heil gereichte, nicht erhoffen, dass sie
von anderswoher wieder aufgebaut würde. Denn was auch immer es in Italien,
Frankreich, Spanien, England und vielleicht auch in unserem Deuschland an
Büchern gab, das konnte gleichsam wie Planken erscheinen aus einer reichen und
wohlausgestatteten Flotte alter Bibliotheken, die es hier- und dothin
verschlagen und in irgendwelche entlegenen Ecken getrieben hat. Und dennoch
verachtete eine dankbare Nachwelt diese Überreste der Bibliotheken und alten
Gemäuer des ehrwürdigen Bauwerks und die Ruinen der königlichen Burg nicht
gänzlich. Wer nämlich glaubte, dass die von Karl dem Großen in
der Folgezeit in Italien und Frankreich gegründeten Akademien, Schulen
gleicherweise wie Domherrenkollegien, aus durchaus weisem und lobenswertem
Entschluss gegründet, gänzlich des Hilfsmittels der Bibliothek entraten und sich
nicht für sich und den eigenen Gebrauch des höchst bedeutenden Erbes ihrer
Vorfahren versichert hätten, obwohl es bereits verschüttet und dem Vergessen
anheimgefallen war? Ich bin fest überzeugt, dass dieses nicht hätte geschehen
können, obwohl ich nicht bestreiten kann, dass es nur Geringes war, was auf sie
gekommen ist und nur ein geringer Fetzen eines prächtigen Gewandes, was jedoch
auch von den Menschen jenes Zeitalters und noch mehr der folgenden Generationen
so gering geachtet oder von Unkundigen so schlecht beurteilt und behandelt
wurde, dass es jegliche Würde einbüßte und unter fremdem Schmutz gänzlich an
Ansehen verlor. Indes,
Konstantinopel sammelte nach jenem traurigen Verlust neue Bücherschätze, so dass
es seinen besagten Untergang auf eine gewisse Weise wett und ungeschehen machte.
Es ist glaubhaft, dass es aus dem nahegelegenen Griechenland sehr viel an Hilfe
und Unterstützung erhielt, auch wenn es nicht nur einen Einfall von Barbaren
erlitten hat. Es gab dort zahlreiche
hochberühmte Gelehrte und auch ausgezeichnete Bibliotheken, bis zu
der Zeit, da die Stadt in die Gewalt des türkischen Tyrannen Mechmet II. geriet.
So wie Europa ihnen höhere Bildung und schöne Literatur und die übrigen Studien
der Weisheit und Beredsamkeit verdankt, so bedeutete die Einbuße dieses
herausragenden Bücherschatzes einen schweren und niemals wiedergutzumachenden
Verlust an Gelehrsamkeit, den Eneas
Sylvius
false46
schmerzvoll in einigen seiner Briefe beklagt, da er Kirche und Staat in ihrer
Gesamtheit betraf. Und gleichwohl - eine einzigartige Gabe der göttlichen Güte -
konnte nicht einmal auf diese Weise die Gelehrsamkeit durch die türkische
Barbarei unterdrückt oder ausgelöscht werden. Denn als in jener Zeit jene Brut
der Skythen in Thrakien wütete und bald auch den Griechen und Ungarn eher
Grausamkeit und Unmenschlichkeit als eine kriegerische Niederlage brachte, da
rief Gott viele hervor, die teils auf eigene Kosten, teils durch ihre Begabung,
durch Fleiß und Eifer, gerade die besten
lateinischen und griechischen Schriftseller der
schmählichen Finsternis entrissen, vor dem nahen Untergang bewahrten und ans
Licht führten. Nachdem sie sie von Staub, Moder und Schmutz gereinigt hatten,
ließen sie sie in ihrem alten Glanz wiedererstehen, soweit dies in den widrigen
Zeitumständen möglich war. Doch sie wurden auch durch die Sorge der Nachwelt in
ihre Ehre und ihr wahrhaftiges Ansehen wieder eingesetzt; und nicht nur Leben
und Geist, sondern auch Farbe, Schönheit und frühere Würde erlangten sie zurück
durch die Mühe von Gelehrten, obwohl sie all dies durch Unrecht früherer Zeiten
und Menschen verloren hatten und zu ewiger Finsternis verdammt und verurteilt zu
sein schienen. Zu dieser Sache trug nicht wenig die höchst erfinderische Kunst
der Buchdruckerei bei, die als niemals hoch genug zu schätzendes Geschenk der
göttlichen Vorsehung jenen letzten Jahrhunderten gewährt, zuvörderst unserem
Vaterland Deutschland als erstem von allen gezeigt und von ihm in Gebrauch
genommen wurde. Durch die Wohltat dieser Kunst wurden in kurzer Zeit und ohne
großen Aufwand die Denkmäler der alten Autoren, soweit der Fleiß der Gelehrten
sie ermitteln oder ans Licht bringen konnte,
in schönster Typographie auf feinstes
Papier gebracht und bis heute ließen zahlreiche Drucker die Liebhaber der
schönen Künste daran teilhaben. Welche davon die herausragendsten waren und
nicht so sehr ihren Vorteil und Gewinn nach der Art niedriger Menschen
als das öffentliche Wohl
und die Würde gediegenerer Literatur im Blick hatten, ist denen nicht unbekannt,
die sprachliche Schönheit und gediegenere Bücher lieben. So also geschah es aufs
Neue, dass damals, als die Studien der schönen Künste und Wissenschaften wieder
in Gebrauch kamen und in Schulen, Kirchen, vor Gericht, im Rathaus und
schließlich in aller Öffentlichkeit zutage traten, auch die Bibliotheken reich
ausgestattet wurden, - und diese heute nicht nur in den beengten Räumlichkeiten
von Müßiggängern oder in Mönchszellen, wie in einem Kerker oder Zuchthaus,
gefesselt scheinen, sondern in würdigem Gewande in Universitäten, Königspalästen
und sozusagen Rathäusern, gewiss an höchst ehrenwerten Orten erblickt werden.
Denn - was zurecht unserer Zeit zum Ruhme gereicht - es ist kaum eine größere
Stadt, die sich etwas auf Bildung und Schönheit zugute hält und nicht völlig
mittellos ist, und meines Erachtens kaum ein christlicher Fürst oder König zu
finden, der sich nicht eine möglichst prachtvolle und mit guten Büchern
ausgestattete Bibliothek entweder schon beschafft hat oder beschafft. Über
Kanonikerkollegien und Universitäten müssen wir nicht sprechen, da es
offensichtlich ist, dass weder diese noch jene ohne großen Schaden dieses
Zugangs zu Wissenschaft und Weisheit entbehren können, besonders dann, wenn sie
ihrer Aufgabe gerecht werden und ihr Ansehen
und ihre Würde bewahren
müssen. Ja, dieses Engagement und der Aufwand, der dafür getrieben wird, ist so
ehrenvoll, so löblich, so ertragreich, dass nicht wenige der vom Glück
Begünstigten auch als Privatleute nach dem Vorbild jener Alten seit einiger Zeit
überall in Europa Bibliotheken errichteten und bis heute nicht ablassen, es zu
tun. Es ist also klar,
mit
welchem Recht und in welch lobenswerter Absicht unsere schon erwähnten Fürsten
jene Menge an Büchern, die ihr seht, von Anfang an gesammelt haben, da dieses
Interesse und dieser Eifer so königlich sind. Und niemand wird bezweifeln, dass
Friedrich Ulrich, unser allerbester Herrscher und Förderer, dieser seiner
Akadmie und allen, die in ihr das Studium der Literatur und schönen Künste
betreiben, zurecht hat diese und seinen eigenen Ruhm sich angelegen sein lassen,
an dem Tag, an dem wider Erwarten der meisten von uns und mehr als zu hoffen und
ohne dass jemand darüber unwillig war, er seine von Vater und Großvater ererbte
Bibliothek seiner ebenfalls von Vater und Großvater ererbten Akademie zum
Gebrauch überließ und endlich mit allem Mobiliar in diese Stadt übersandte.
Welche bis dahin am Welfenhof verwahrt worden war, ist folglich heute die
Julische und kann in diesem Heiligtum betrachtet werden. Dass
der große Heros Heinrich Julius, der diesen Raum im Ostteil des neuen Juleums
für die Aufnahme seiner Bibliothek bauen ließ,
die nämliche dieser
seiner Akadamie zugedacht hat, darf man glauben. Wir wissen, dass er selbst dazu
wegen Abwesenheit infolge dringender Geschäfte keine Gelegenheit hatte. Das
Schicksal hinderte ihn daran, dass er jenes Heiligtum mit ausreichenden und für
die Akademie notwendigen Büchern ausstattete. Göttliche Fügung hat unserem
Fürsten, Friedrich Ulrich, beiderlei Lob vorbehalten. So seht ihr,
verehrungswürdige akademische Väter, wie mit den Verdiensten der zuvor erwähnten
Heroen folglich auch dieses neue Verdienst unseres allerbesten Fürsten
zusammenhängt. So wie sie werdet ihr mit euren Augen, Sinnen und Verstand dessen
gedenken: nicht nur, sooft ihr diese Bände in Händen halten werdet, die durch
seine Gunst euch zur Lektüre überlassen sind, sondern auch, sooft ihr den Fuß in
diesen erhabenen Tempel der Weisheit und aller lobenswerten Künste setzt, sooft,
sage ich, ihr in diesen Hörsaal eintreten werdet, um zu lehren oder zu
disputieren oder etwas vorzutragen bei öffentlichen Veranstaltungen und an
Festtagen, an denen ihr wie heute auf den Bänken sitzt. Dann werdet ihr nicht
ohne einzigartige Freude im Herzen diesen Ort, am dem sich bekanntlich jene
heilige
Zusammenkunft der
höchsten Geister ereignet, betrachten können, dann werdet ihr für jene
Freigiebigkeit unseres geneigten Fürsten höchst dankbar sein, dann werdet ihr
euch schließlich zu so einem bedeutenden Geschenk an die Akadamie, das aus einem
wahrhaft königlichen und euch geneigten Herzen hervorgegangen ist,
beglückwünschen. Das werdet ihr meiner Meinung nach niemals
mehr tun, als wenn ihr
in jenes Gemach der Musen eindringt und die Werke jener göttlichen Geister aus
der Nähe betrachtet. Es ist überliefert, dass Cineas
false47 , der
als Gesandter des Königs Pyrrhus nach Rom
kam, von der Majestät des Senats bestürtzt, sagte, er habe eine Zusammenkunft
von Königen gesehen. Nicht wird, denke ich, irgendeiner diese stummen Gelehrten,
die Priester der Weistheit und Lehrer von Tugend und Pflicht, die hervorragenden
Ratgeber und auch Richter von Königen gering achten, der sie kennt. Denn auch
damals soll jener blinde Appius(Zu
Appius Claudius Caecus s.
Wikipedia) alle anderen nicht zum Geringsten an Tugend und
Klugheit überragt haben. Wenn ihr aber näher zu ihnen hintreten wollt und auf
die Stimme merkt, die die Zeiten euch bis heute von weither schicken, wenn ihr
die Lehre, die sie euch neidlos im Übermaß schenken, schöpft, wenn ihr die
Ratschläge, wodurch jene hervorragen, euch zu eigen macht, wenn ihr die
Gesinnung und den edlen Geist mancher ergründen wollt, dann verspreche ich euch,
verehrte Zuhörer, dass es keinen von euch geben wird, der nicht gelehrter,
klüger, besser, lebenstüchtiger und pflichtbewusster, schließlich weiser aus
jenem Tempel der Bildung und aller Wissenschaft scheiden wird. Wenn ihr das
erkennt und dem besten Fürsten deswegen entweder untereinander oder bei anderen
billigen Dank abstattet, und noch mehr, wenn ihr die von hier erhofften
geistigen Hilfsgüter mit anderen freigiebig teilt, dann erst
werdet ihr ihm den Dank
wissen, den er erwartet. Denn nicht, wie jener Makedone Alexander große Taten vollbrachte und sich auf Leben und Tod vielen
Gefahren aussetzte, um in Athen Lob zu finden, hat sich unser Fürst gnädig oder
eher ganz und gar rühmlich erwiesen, um von mir oder jedem von euch gepriesen zu
werden. Die Güte seiner Natur, die Liebe zu seiner Akademie
und die Sorge um das öffentliche Wohl hat
ihn zu jener königlichen Freigibigkeit angetrieben. Und ich, der ich auf eure
Veranlassung hin, akademische Väter, mit einer wie auch immer gearteten Rede, im
Namen aller, dem allgnädigsten Fürsten Dank für diese große Wohltat sozusagen
nicht abstattete, sondern abstatten musste und wollte, weiß sehr wohl, dass
diese Großtat eines großzügigen Herzens bedeutender ist, als dass ihr dieser
schwache Versuch irgendwie entsprechen könnte. Daher bitte ich ihre Hoheit in
eurer Anwesenheit mit der gehörigen Ehrerbietung, dass ihr mich milde richten
möget, dass ich mit Beflissenheit meine Pflicht in einer hochwichtigen
Angelegenheit und die mir auferlegte Aufgabe hinlänglich erfüllt habe und dass
ihr, akademische Väter, mir nicht meinen Mangel an Fähigkeit zum Vorwurf zu
machen meint oder glaubt, dass es mir mehr an gutem Willen als an Fähigkeit
gebrach. Mir ist bewusst, dass ihr und alle anderen in dieser meiner Rede vieles
vermissen werdet, da sie selbst mir in fast keiner Hinsicht genügte. Und da ich
im übrigen sehr wohl wusste, als ich mich auf euer Geheiß und euren Beschluss
hin an die Erfüllung dieser Aufgabe machte
, dass ich beinahe aller Mittel zu deren Erfüllung
ermangelte
false48 , die von jemanden, der von so bedeutenden Dingen
sprechen soll, zu verlangen sind. Aber da gerade ich für diese Aufgabe geeignet
zu sein schien, musste ich eurem Geheiß willfahren. Und ich war immer der
Überzeugung, dass es mir in einer Angelegenheit dieser Art, die meines Amtes
ist, lieber ist, dass eher das Ergebnis und der Erfolg als als die Beflissenheit
zu gehorchen fehlt. Doch warum entschuldige ich mich so wortreich und bediene
mich nicht in dieser höchst ehrenvollen Angelegenheit eher eurer Hilfe, berühmte
Herren, hochzuverehrende Kollegen und verbinde mich mit euch? Ihr seid mir durch
das gleiche Band verbunden, euch wurde nicht weniger als mir oder irgendwem
diese Wohltat, von der ich spreche, erwiesen und euch wurden diese Teile der
Rede und Niederschrift gleichermaßen übertragen oder zumindest verstattet. Ihr
möget also dasjenige, woran es offensichtlich meiner Rede mangelt, aus der Fülle
eurer Begabung und Bildung ergänzen. Wohlan, erweckt eure mir und den anderen
nicht unbekannte Geisteskraft, jeder erwecke seine Musen
und jeder lasse seine Fähigkeit zu
schreiben hervortreten. Legt schuldiges Zeugnis ab von der einzigartigen Tugend
und Großzügigkeit des besten aller Fürsten, anempfehlt der Nachwelt seinen Namen
und Ruhm und beschenkt ihn, soweit es in eurer Macht liegt, mit Unsterblichkeit,
ja, zeichnet ihn so lebendig wie möglich und entreißt ihn der Nacht des
Vergessens.
Dies
ziemt euren Studien, entspricht eurer Frömmigkeit, eurer Pflicht, eurer
Gesinnung und Tugend; alle Guten werden dies billigen; viele herausragende
Männer bei Hofe und in diesen Landen erwarten und fordern es geradezu; alle
Stände des Vaterlandes werden es anerkennen. Der Fürst selbst, dem es erwiesen
wird, wiewohl er es nicht fordert und meines Erachtens nicht einmal erwartet,
wird es gewiss nicht zurückweisen. Ja, durch dieses euer frommes Amt angespornt,
wird er sogar wollen, dass nicht nur über seine früheren euch erwiesenen
Wohltaten Rechenschaft abgelegt wird, sondern er wird auch nicht ablassen, auf
die Vermehrung, Bereicherung und den weiteren Zuwachs zu dieser jüngsten
Wohlttat, schließlich auf unser aller Vorteil und Unversehrtheit dieser ganzen
Akademie, ihre Aussatttung und auf Dauer zu wahrende Würde bedacht zu sein. Aber
auch von anderen werden, wie ich hoffe, die Bemühungen nicht fehlen, wenn anders
sie einsehen, dass sie sich dankbaren Menschen empfehlen und ihre Dienste und
Wohltaten angemessen erbringen. Diesen also werdet ihr unser Andenken und unsere
Dankbarkeit erklären, von denen ihr wisst, dass sie die Übertragung dieser
Bibliothek zum Wohle der Universität und des öffentlichen Wohls gefördert haben
und ihr werdet nicht zögern diesen das schuldige Lob zu erweisen. Zu diesen
gehört, außer denen, die ich zuvor erwähnt habe, zuvörderst und zweifelsohne der
großzügige und freigiebige Herr Anton
von der Streithorst(Zu Streithorst s.
ADB) , unseres durchlauchten Fürsten Statthalter in der
Verwaltung dieser Lande
und Vorsitzender des Landgerichts. Durch dessen Rat und einflussreiche
Persönlichkeit wurde dieses Geschäft zweifelsfrei befördert. Und wir werden
nicht dulden, dass die der Akademie erwiesene Freigiebigkeit und Einsatz
derjenigen im Dunkeln bleibt, die befanden, dass die Julische Bibliothek durch
ihre Mittel vermehrt und durch bedeutende Schenkungen bereichert werden müsse.
Von diesen gibt es heute
nicht
wenige, worüber wir uns zurecht freuen, und wir sind nicht im Zweifel, dass,
durch deren so lobenswertes Beispiel angeregt, auch viele andere dazukommen
werden. Wiewohl nicht einmal die, bei denen es hinreichend feststeht, von mir
jetzt und hier genannt werden möchten, so wird doch ihr Eifer und hoher Sinn
nicht im Dunkeln bleiben können, solange es diese Bücher geben wird, die auf den
ersten Blick dem Leser anzeigen werden, wem sie die Akademie zu verdanken hat.
Ja, an euch wird es liegen, akademische Väter, oder liegt es vielmehr schon,
dass es in ehrenwerter Weise möglichst vielen bekannt werde, wer der Julischen
Akademie vor allen anderen zugetan ist und sie auch aus eigenen Mitteln zu
unterstützen wünscht. Selbst wenn ich sie alle, wie man sagt, auf leisen Sohlen
false49 übergehe, so vertraue ich darauf, dass ich
es ihrem Willen gemäß tue. Die Wohltat eines einzelnen gegenüber der Akademie
aber ist so groß, dass sie nicht nach den Maßstäben der anderen beurteilt werden
darf, sondern gerade jetzt besonders zu rühmen ist. Denn
wie ihr, verehrte
Zuhörer, wohl wisst, hat Georg
Eberlin
false50 , der
oberste Rechtsgelehrte und seit einigen Jahren Hofrat unserer Fürsten, schon
zuvor von untadeligem Ruf, kurz vor seinem Tod seine gesamte reiche Bibliothek
der Julischen Akademie vermacht. Denn zu einer Zeit, die jede Täuschung
ausschließt, die Liebe, Hass, Feindschaft, Gunst, ja jede Leidenschaft
fernzuhalten und dem Ehrenwerten, Frommen, Rechten und Billigen nachzuordnen
heißt oder vielmehr es erzwingt, hat er durch eine herausragende Tat deutlich
gemacht, dass seine Bücher, die er für viel Geld erworben hatte, nirgendwo
besser aufgehoben seien als vor den Augen, in den Händen und im Schoß der
Akademie und ihrer Angehörigen, zumal er, bis dahin ehelos, keinen Erben
hinterlassen hatte. Für diesen insbesondere lege ich daher auch gerne und
verdientermaßen öffentlich Zeugnis ab für seine kluge Entscheidung und hehren
Willen. Viele unter den vom Glück Begünstigten werden diesem schönen Beispiel,
wie ich hoffe, nacheifern. Und diese hier nun bereitstehende Fülle an Büchern,
die ihr seht, werden sie auch, nach ihren Kräften angereichert und vermehrt,
der Nachwelt übermitteln wollen.
Daher zeigen sie durch die Sache selbst, wie sehr sie diese berühmte Akademie
wertschätzen und wie sehr ihnen die ihre Entwicklung und die der Studien, die in
ihr mit Fleiß und Glück beständig gepflegt werden, am Herzen liegen. Dass dies
auch künftig
und auf
Dauer geschehe, wird nicht nur jeder von uns an seiner Stelle eifrig Sorge
tragen, sondern wir werden den höchsten Gott inständig bitten, dass er unseren
Anstrengungen und ehrenvollen Bemühungen weiterhin gewogen sei. Er bewahre diese
Akademie und ihre Heimstatt, diese Stadt; er bewahre das gesamte Vaterland, und
erweise allen Ständen in ihm Unversehrtheit und Gedeihen, und zuvörderst unserem
Fürsten, dem allerwohltätigsten Schutzherrn unserer Akademie und heute
großmütigsten Rektor zusammen mit dem ganzen Haus der durchlauchtesten
Braunschweiger Herzöge. Er bewahre in diesen elenden und unheilvollen Zeiten die
Kirchen, die Schulen und den gesamten Staat. Er festige Frieden und Eintracht im
Öffentlichen und Privaten, wenn sie wanken, oder er richte sie auf, wenn sie
gefallen sind, er bringe sie zurück, wenn sie geflohen sind. Er halte Krieg,
Zwietracht, Hunger, wütende Krankheit und alles, was es dieserart an schlimmen
Fährnissen gibt, weit von uns und allen Guten fern. Schließlich spende er
Heilsames; Schädliches und Gefährliches verhindere er. Er schütze das Leben,
Vermögen und Ansehen eines jeden von uns und fördere die Wissenschaften zum
Ruhme seines Namens und zum öffentlichen Wohl. Er behüte die Genannten und
außerdem diesen bedeutenden Musentempel, nämlich dieses neue Juleum, dieses
heilige Haus der Weisheit und die Julische Bibliothek in ihm. Solange dies alles
in dieser Stadt und im lieben Vaterland unversehrt erhalten bleibt,
- ich hoffe aber oder
vertraue eher darauf, dass dies für immer sein wird, und dies werden wir von
Gott durch beständige Gebete zweifellos erlangen - wird in diesem Tempel, in
diesen Mauern, auf diesem glanzvolen Lehrstuhl, die Erinnerung an die besten
Fürsten niemals verstummen: Weder an den Gründervater dieser Akademie, den
verewigten Julius noch an den großmütigsten Bewahrer, den verewigten Heinrich
Julius, oder an Friedrich Ulrich, ihren Ernährer und verlässlichsten
Schutzherrn, den Stifter
false51 dieses neuen Geschenkes,
über das ich vortrug.