1) Arlequin Astrologue; in drey Aufzügen von dem Herrn de
Lisle, auf dem italiänischen Theater in Paris den 13 May
1727. zum erstenmale aufgeführt.
1. Aufzug. Harlequin eröfnet die Scene. Er sucht seinen
Herrn den Erast, der ihm seit einigen Tagen aus den Augen gekommen
ist. Er findet ihn endlich als Gärtner verkleidet, in Diensten der
Dorimene, unter dem Namen Lucas. Anfangs erkennt er ihn unter
dieser Verkleidung nicht, welches den Erast hoffen läßt, daß ihn auch
weder Dorimene noch Julia darunter erkennen werde. Mit dieser Vor
sicht hat der Verfasser ohne Zweifel den Einwürfen, die ihm die Kunst
richter etwa darüber machen könnten, im Voraus begegnen wollen.
Wir wollen nicht untersuchen, in wie weit dergleichen Einwürfe ge
gründet seyn möchten; genug daß man über Facta nicht streiten muß;
und das ist eines, daß Erast von seinem eignen Bedienten nicht er
kannt worden. Wo die Erfahrung spricht, giebt uns der Verfasser zu
verstehen, da muß die Vernunft schweigen. Erast entdeckt dem Harle
quin die Ursachen, die ihn bewogen, sich als Gärtner bey der Dorimene
in Dienste zu begeben. Dorimene will die Julia an den Oronte ver
heyrathen, und eben um diese Heyrath zu hintertreiben, hat sich Erast
verkleidet. Er schlägt dem Harlequin vor, sich selbst als einen Stern
seher zu verkleiden, um Dorimenen zu hintergehen, die aus den Wahr
sagern sehr viel macht. Und um den Harlequin desto leichter zu be
wegen, ihm unter dieser Verkleidung zu dienen, faßt er ihn bey seiner
Schwäche. Harlequin liebt die Colombine, welche er in dem Verdachte
hat, daß sie den Trivelin, den Bedienten des Oronte, den Dorimene
ihrer Tochter Julia bestimmet, liebe. Erast führet den Harlequin mit
sich fort, damit er sich niemanden zeigen soll. Sie begeben sich in ein
Weinhaus, um ihre Maaßregeln, wegen der List, die Erast erdacht
hat, mit einander zu nehmen. Dorimene kömmt mit der Julia, eben
da Erast und Harlequin abgehen. Sie macht sich die unverstellte Auf
richtigkeit ihrer Tochter zu Nutze, um zu erfahren, was in ihrem Herzen
vorgeht. Julia gesteht ihr gerade zu, daß sie den Oronte zu ihrem
Manne nicht haben möge, weil sie sich schon einen andern Liebhaber,
der mehr nach ihrem Geschmacke sey, ausgesucht habe. Dorimene,
welche in den Erast eben so verliebt ist, als ihre Tochter, und die ihm
nur deswegen den Zutritt in ihr Haus versagt hat, weil Julia in
seinem Herzen die Oberhand über sie erhalten, verbietet ihr durchaus
an den Erast weiter zu gedenken, und befiehlt ihr, sich fertig zu halten,
die Hand des Oronte anzunehmen, dessen Reichthümer sie glücklich
machen könnten. Oronte kömmt, Dorimente läßt ihre Tochter abtreten,
Julia gehorcht, giebt aber durch ein Beyseite zu verstehen, daß sie
sich an einem Ort verstecken wolle, wo sie die Unterredung ihrer Mutter
und des alten Liebhabers, der ihr Gemahl werden solle, mit anhören
könne. Dorimene sagt dem Oronte, daß sie in dem Herzen der Julia
wegen der ihr vorgeschlagenen Heyrath, sehr viel Widerstand antreffe.
Oronte schmeichelt sich, durch Hülfe seiner Reichthümer alle Hindernisse
aus dem Wege zu räumen. Dorimene verläßt ihn, um wegen ver
schiedener Dinge Anstalt zu machen. Den Augenblick darauf kömmt
Julia; sie sagt dem Oronte, daß sie seine ganze Unterredung, mit
ihrer Mutter, mit angehört habe, und daß sich diese sehr betriege.
Oronte glaubt, daß ihm diese Reden günstig wären, und daß er der
Julia so unangenehm nicht sey, als ihre Mutter es glaube. Doch
Julia läßt ihn nicht länger in seinem Irrthume, und erklärt ihm ohne
die geringste Zweydeutigkeit, daß sie ihn nicht liebe, und auch niemals
lieben werde. Nach diesem aufrichtigen Geständnisse begiebt sie sich
weg; und Oronte geräth darüber ein wenig in Verwirrung, doch ver
lieret er noch nicht alle Hofnung.
2. Aufzug. Harlequin, ob es ihm gleich Erast ausdrücklich
verbothen, sich vor seiner Verkleidung in den Sternfahrer, jemanden
zu zeigen, kann dennoch seiner Begierde mit Colombinen zu reden nicht
wiederstehen, um von ihr zu erfahren, ob sie ihm wirklich den Tri
velin vorziehe. Colombine kömmt, und ist eben nicht sehr erfreut, ihn
zu sehen, weil sie seinen Nebenbuhler liebt. Allein sie verstellt ihr
Mißvergnügen; sie fragt ihn nach dem Erast und sagt, daß er seiner
Abwesenheit ungeachtet, der Julia in ihren Gedanken beständig gegen
wärtig sey, und auf das zärtlichste von ihr geliebt werde. Harlequin
antwortet ihr, daß er bey dem Erast nicht mehr diene, und einen un
endlich bessern Herren gefunden habe. Er sey nehmlich vor itzt bey
dem großen Sternfahrer Beniscraque, der eine unumschränkte Gewalt
besitze, in Diensten. Er giebt ihr zugleich zu verstehen, daß er den
Trivelin, wenn er sich unterstehen sollte, ihm ihr Herz streitig zu
machen, durch Hülfe gewisser Geister, die ihm sein Herr leihen werde,
ein wenig in der Luft wolle herum tanzen lassen. Colombine die hier
über sehr erschrickt, verstellt sich noch weiter, und schwört ihm, daß sie den
Trivelin durchaus nicht leiden könne, sondern ihren Harlequin einzig und
allein liebe. Hier kömmt nun Erast dazu, der noch immer als Gärtner
verkleidet ist; er geräth wider den Harlequin in Zorn, und droht ihm
leise, ihn wegen seines Ungehorsams zu strafen. Harlequin thut, als
ob er ihn nicht kenne, und nimmt einen Ton gegen ihn an, der sich
für den Diener des großen Beniscraque, wenn er mit einem schlechten
Gärtner spricht, schicket. Harlequin geht ab, um sich zu verkleiden;
und der verstellte Gärtner erfährt von der Colombine, daß Julia die
Hand des Oronte ausgeschlagen, weil sie ihr Hertz bereits an einen
andern jungen Liebhaber, Namens Erast, verschenkt habe. Der ver
meinte Gärtner sagt ihr, daß er der Julia in dieser Liebe, so weit
es in seinem Vermögen stehe, dienen wolle. Julia kömmt, und be
zeigt eine große Begierde, sich mit dem Sternfahrer eher, als ihre
Mutter, zu unterhalten. Sie bittet zugleich den Lucas, bey ihr zu
bleiben, weil sie sich vor dergleichen Leute, die mit Geistern Umgang
haben, fürchte. Erast bringt sie mit einer guten Art auf das Kapitel
von ihrer geheimen Liebe, und hat das Vergnügen zu hören, daß er
heftiger, als er immer hoffen dürffen, von ihr geliebt werde. Er giebt
ihr die Hand, sie zu dem Beniscraque zu führen, auf dessen Ankunft
Dorimene mit Ungeduld wartet.
3. Aufzug. Der erste Auftritt dieses letzten Aufzuges ist zwischen
Trivelin und dem in den Sternfahrer verkleideten Harlequin. Har
lequin macht dem Trivelin so viel Angst, daß er ihm das Versprechen
abzwingt, der Colombine zu entsagen. Der Vorwand, unter welchem
der verstellte Beniscraque dem Trivelin diese Entsagung abnöthiget,
ist dieser, weil er den Harlequin, der bey ihm in Diensten stehe, unter
seinen Schutz genommen habe. Trivelin macht sich zitternd davon,
und schwört, sich niemals einer solchen Gefahr wieder auszusetzen.
Dorimene und Oronte kommen, den Sternfahrer um Rath zu fragen;
Oronte aber ist bey weiten nicht so leichtgläubig, als Dorimene.
Beniscraque läßt sie beyde abtreten, und will mit der Colombine den
Anfang machen, die ihn gleichfalls zu Rathe zu ziehen verlangt. Sie
giebt ihm zu erkennen, daß sie zwey Liebhaber habe, aber nur einen
davon liebe; sie setzt hinzu, daß sie gezwungen sey, das Geheimniß
ihres Herzens zu verbergen, weil der Herr desjenigen, den sie nicht
liebe, in diesem Hause gegenwärtig sey. Sie versteht unter diesem
Herrn den Beniscraque, weil ihr Harlequin in dem ersten Aufzuge
gesagt hat, daß er bey diesem berühmten Manne in Dienste getreten
sey. Harlequin aber betriegt sich, und glaubt, daß sie den Trivelin,
der bey dem Oronte in Diensten stehe, meine. Diese Zweydeutigkeit
verursacht dem Harlequin eine große Freude; er kömmt aber gar
bald aus seinem Irrthume. Colombine sagt ihm, daß es Trivelin sey,
den sie liebe. Hierbey nun kan sich Harlequin nicht halten, er wirft
seinen Rock und seinen Bart auf die Erde, und läßt der Colombine
den Liebhaber in ihm erkennen, dem sie den Trivelin vorzuziehen, die
Ungerechtigkeit habe. Auf das Geschrey und die Scheltworte, die er
der Colombine sagt, kommen sowohl Dorimene und Oronte, als auch
der vermeinte Lucas herzu; und jene erstaunen nicht wenig, anstatt
des Beniscraque den Harlequin zu finden. Anfangs scheinet dieser
unbesonnene Streich die ganze List des Erast zu vernichten; doch es
wird gar bald alles beygelegt. Da Oronte höret, daß Julia den Erast
liebet, und diesen Liebhaber bey seiner künftigen Gattin verkleidet an
trift, so entsagt er einer für ihn so gefährlichen Heyrath; und Dori
mene faßt, nach einem so öffentlichen Ausbruche, den weisen Ent
schluß, in die Verbindung ihrer Tochter mit dem Erast zu willigen,
dem sie noch dazu ihre Freundschaft verspricht. Der einzige Harlequin
sieht sich unglücklich; er kann aber niemand andern, als sich selbst
die Schuld geben.