3) Les Caprices du Coeur et de L'Esprit, in drey Aufzügen
von dem Hrn. de Lisle; zum erstenmale aufgeführt den 25
Junius 1739.
Personen. Dorimon, der Angelique Vater; Dorante, Lieb
haber der Angelique; Valere, gleichfalls der Angelique Liebhaber;
Angelique, dem Dorante versprochen; Isabelle, Nichte des Dori
mon, dem Valere versprochen; Lisette, Mädchen der Angelique;
Frontin, Bedienter des Dorante. Die Scene ist auf dem Lande
bey dem Dorimon.
Dorimon eröfnet die Scene und fragt Lisetten, was sie von dem
Dorante, den er seiner Tochter bestimme, und von dem Valere, dem
er seine Nichte versprochen, sage? Lisette antwortet: sie wären beyde
liebenswürdig; Valere sey sehr lebhaft, und wisse sich
hervor zu thun; Dorante aber gefalle ihr deswegen un
endlich, weil man einen vernünftigen Mann in ihm be
merke, von der gefälligsten Gemüthsart, obgleich sein
Aeußerliches sehr ernsthaft sey. Dorimon schmeichelt sich, in
der Wahl dieser Ehemänner für seine Tochter und seine Nichte, sehr
glücklich gewesen zu seyn; indem Angelique, welche er dem Dorante
bestimmt, so wie er, philosophisch, und Isabelle, so wie Valere, leb
haft und aufgeräumt sey. Sie kommen beyde dazu, und Dorimon sagt,
daß er mit ihnen von einer ernsthaften Sache reden wolle. Er er
klärt sich, daß es ihre Verheyrathung betreffe; Isabelle findet nicht,
daß dieses eben eine sehr ernsthafte Sache sey, allein Angelique denket
ganz anders. Dorimon gehet ab, um sich zu den zwey Liebhabern
zu begeben, und sie hernach zu seinen Töchtern zu führen. Isabelle
bezeiget ihrer Muhme ihre Freude, daß man sie nun bald verhey
rathen werde; Angelique aber ist ganz traurig, weil, wie sie sagt,
die Heyrath uns mit einem Manne verbindet, dessen
Verstand man oft eben so wenig kennet, als die Ge
müthsart. Hierauf schildert sie die Liebhaber, die ihre Fehler in
liebenswürdige Eigenschaften zu verwandeln wissen, und sich den Augen
ihrer Gebieterinnen ganz anders darstellen, als sie wirklich sind. Isa
belle antwortet, daß das Frauenzimmer den Mannspersonen, wie sie
glaube, in dem Stücke der Verstellung nichts schuldig bleibe. Die
Unterredung wird durch die Ankunft des Dorimon und der zwey
Liebhaber unterbrochen. Bey dieser Zusammenkunft fallen nichts als
Höflichkeiten vor, und Dorimon, unter dem Vorwande, verschiedenes
anzuordnen, läßt sie alle viere beysammen. Bey dieser Gelegenheit nun
verrathen Angelique und Isabelle ihre Neigungen; Angelique findet
den Dorante allzuverdrießlich, und Isabelle siehet in dem Valere nichts
als einen unbesonnenen Flattergeist. Jene schließt aus den satyrischen
Zügen, welche dem Dorante entwischen; und diese aus dem leicht
sinnigen Tone des Valere, der unter andern sagt, daß sich Dorante,
über alles, was ihm zu wieder sey, ärgere, und daß hin
gegen er, über alles, was ihn ärgere, lache. Dorimon
kömmt wieder zu ihnen; Isabelle erhebt gegen ihren Oheim den Ver
stand und Charakter des Dorante, und Angelique lobt ungemein den
Valere, so daß Dorimon sagt: das ist ja recht lustig; jede
rühmt den Liebhaber ihrer Muhme, untersteht sich aber,
aus Schamhaftigkeit, nicht, ihren eignen zu loben. Lisette
meldet, daß man angerichtet habe, und die Gesellschaft begiebt sich
weg. Lisette hält den Dorimon zurück, um ihn zu fragen, ob die
Verliebten an einander Geschmack finden. Dorimon ist voller Freuden
und sagt, daß das Schicksal seine Wahl deutlich zu billigen scheine,
und daß man auf der ganzen Welt keine sympathetischere Gemüther
finden könne; doch empfiehlt er ihr, bey dem Abgehn, nochmals die
Herzen der beyden Frauenzimmer gegen ihre Liebhaber zu erforschen.
Frontin kömmt und wird von der Schönheit der Lisette ungemein ge
rührt. Er hält sie anfangs für eine von den Gebieterinnen des Hauses,
nachdem ihn aber Lisette aus dem Irrthume gezogen, wird er freyer
und sagt: Du wirst nichts dabey verlieren, daß Frontin
seine Ehrfurcht gegen dich zu verlieren anfängt. Lisette
fragt ihn, was er suche? Frontin antwortet: ich suchte einen Herrn,
und finde eine Gebieterin. Sie unterhalten sich hierauf von
ihrer Herrschaft, und jeder mahlet die seinige mit sehr komischen Zügen
vollkommen nach dem Leben.
Angelique und Lisette fangen den zweyten Aufzug an. Dieses
vernünftige und einsichtsvolle Frauenzimmer sagt, je mehr sie den
Dorante untersuche, desto weniger könne sie Geschmack an ihm finden,
und sie möge ihn durchaus nicht haben; er scheine ihr zu viel Ver
stand zu besitzen, und sie fürchte, daß sie eben die Fehler habe, welche
sie Doranten vorwirft. Und eben diese Uebereinstimmung in
unserer Art zu denken, sagt sie, würde unserm Umgange
nothwendig sehr gefährlich seyn. Dorante, setzt sie hinzu,
muß eine gelehrige Frau, so wie ich einen Mann haben,
der mehr Biegsamkeit des Geistes besitzet. Sie trägt Li
setten auf, zum Dorimon zu gehn, und ihm die Neigungen ihres
Herzens zu entdecken. Valere kommt dazu, weil er aber in tiefem
Nachdenken ist, wird er Angeliquen nicht gewahr, ob sie gleich eben
die Person ist, von der seine ganze Seele eingenommen. Sie zeiget
sich ihm, welches ihn anfangs ein wenig verwirrt macht; doch faßt er
sich bald wieder, und gesteht ihr, daß seine Gedanken eben mit ihr
beschäftiget gewesen. Angelique wird durch dieses Geständniß sehr be
troffen, und giebt ihm zu bedenken, daß er ihrer Muhme bestimmt
sey; doch Valere fährt fort, sie zu versichern, daß er zwar Isabellens
Verdienste wohl einsehe, daß aber Angelique über sein Herz triumphirt
habe. Endlich bekennt ihm Angelique, daß sie eben so ausschweifend
sey als er, und nicht die geringste Neigung gegen Doranten habe.
Valere wird darüber entzückt, fällt ihr zu Füssen, und bittet sie um
Erlaubniß, hoffen zu dürfen, weil er sie nunmehr lieben könne, ohne
die Freundschaft, die er für Doranten habe, zu verrathen. Angelique
hebt ihn auf, und sagt: Geben Sie mir die Hand; ich will
Sie von Ihrem Irrthume zurückbringen, und meiner
Muhme wieder schenken. Dorante kömmt dazu, und weil er
Angeliquen fliehen sieht, so zweifelt er an ihrer Gleichgültigkeit gegen
ihn nicht länger, und ist sehr wohl damit zufrieden. Er fügt hinzu:
ein Frauenzimmer ist von Natur gebieterisch; alsdenn
aber hat ihr Stolz keine Grenzen, wenn sie grössere Ta
lente zu besitzen glaubt, als ihrem Geschlechte sonst zu
kommen. Er ruft den Frontin, und befiehlt ihm, die Pferde zu
satteln, damit er sogleich abreisen könne. Dem Frontin ist dieses ganz
und gar nicht gelegen, und er thut alles was er kann, seinen Herrn
zu bereden, daß er sich nicht entbrechen könne, Angeliquen zu heyrathen,
weil bereits alle Anstalten dazu vorgekehret werden; er setzt hinzu,
daß noch über dieses er sich selbst in Lisetten verliebt habe. Frontin
geht endlich in größtem Verdrusse ab. Dorante bleibt einen Augen
blick allein; Isabelle kömmt in Gedanken vertieft dazu, und Dorante
sieht sich verbunden, sie nach der Ursache ihrer Traurigkeit zu fragen.
Sie gesteht ihm, daß sie Valeren nicht liebe, und daß er für sie allzu
jung und allzu zerstreut sey. Dorante nimmt Valerens Parthey und
beweiset Isabellen, daß er alle Verdienste habe, die man nur haben
könne. Doch dieses alles verringert Isabellens Besorgnisse wegen der
Jugend des Valere nicht im geringsten; sie läßt sich vielmehr darüber
aus, daß sie schwer zu überstehen seyn werde. Erzeigen
Sie mir also die Gefälligkeit, fährt sie fort, und bringen
ihm auf eine gute Art bey, daß er nicht mehr an mich
denken solle. Dorante nimmt die Commißion, obgleich ungern,
über sich, und verspricht, ihr Antwort zu bringen. Isabelle geht
ab, nachdem sie sich diesen Stein vom Herzen geschaft. Dorante,
der anfangs allein abzureisen glaubte, freuet sich, daß ihm Valere
werde Gesellschaft leisten müssen. Valere kömmt herbey, ohne den
Dorante zu sehen, und ist wegen der Art sehr verlegen, mit
welcher er ihm das Vorgefallene beybringen will. Wenn er Ange
liquen liebt, sagt er, und erfährt, daß ich sie auch liebe,
so wird er es für einen sehr schlechten Streich halten.
Hier ist er; ich muß das, was mir Angelique an ihn
aufgetragen, ausrichten. Sie bringen also nunmehr einer
dem andern bey, daß sie von den Personen, für welche sie be
stimmt worden, nicht geliebt werden. Als aber Dorante dem Valere
abzureisen vorschlägt, stutzet er nicht wenig, daß ihm dieser ant
wortet: ich kann nicht. Er gestehet ihm endlich, daß er Ange
liquen anbete, daß er von ihr geliebt werde, und daß ihr seine
Philosophie besser gefalle, als Dorantens. Dorante umarmt ihn, und
wünschet ihm Glück. Leben Sie wohl, mein Freund, sagt er;
ich will noch zu Isabellen gehen, ihr von meiner Unter
handlung Bericht abzustatten, und Abschied von ihr zu
nehmen.
Isabelle eröfnet den dritten Aufzug mit einer Monologue, in der
sie die Unruhe ihres Herzens zu erkennen giebt; sie fürchtet ihren
Vater zu kränken, wenn sie die angetragene Heyrath ausschlägt, und
ist zugleich bange, was Dorante werde ausgerichtet haben, den sie eben
wahrnimmt. Er entdeckt ihr, daß es Valeren sehr angenehm sey, daß
sie ihn nicht liebe, daß er hingegen ihre Muhme liebe und von ihr
wieder geliebet werde. Isabelle erstaunet nicht wenig, daß ihre Muhme
ihrem Verstande so zu nahe trete und den Dorante nicht liebe, der
es doch so wohl verdiene; sie scheinet wider das Betragen der Ange
lique ganz aufgebracht zu seyn. Hier fängt sich die Liebe des Do
ranten an zu entdecken. Er kann sich nicht enthalten, ihr ihren Sieg
über sein Herz zu gestehen. Sie empfängt seine Erklärung mit einem
freudigen Erstaunen; glaubt aber noch immer, daß sie Dorante hinter
gehen wolle. Dorante braucht alle Mittel, sie zu überreden und end
lich läßt sie sich überreden. Frontin, der das Ende diese Scene mit
angehöret hat, schließt, daß die Abreise nunmehr verschoben sey, und
er Lisetten wieder sehen könne. Unterdessen fasset er doch den Anschlag,
sich auf Unkosten seines Herrn zu belustigen, und sagt ihm, daß die
Pferde fertig stehen. Dorante antwortet ihm, daß er nicht abreise,
denn er sey verliebt. Frontin kann nicht anders glauben, als daß er
es in Angeliquen sey; und da Dorante abgeht und Frontin den Dori
mon kommen sieht, so macht er sich gefaßt, diesem davon Nachricht zu
geben. Dorimon sagt im Hereintreten: ich fürchte, alle meine
Vorsicht wird vergebens seyn; denn wenn ich mich nicht
sehr irre, so haben die jungen Leute, von welchen ich
mir eine so grosse Uebereinstimmung versprach, wenig
Neigung gegen einander. Frontin sucht ihm diesen Irrthum zu
benehmen, und der erfreute Dorimon giebt ihm für diese gute Nach
richt eine Belohnung. Lisette kömmt und sagt gleich das Gegentheil
von dem, was Frontin vorgegeben. Angelique, sagt sie, kann
den Dorante nicht ausstehen; er ist ihr zu philosophisch;
Dorante seines Theils ist nichts zärtlicher; und was
Isabellen anbelangt, so findet sie den Valere für sie
allzu jung und allzu lebhaft. Kurz, die Sympathie hat
alles verdorben. Dorimon beruft sich auf den Frontin, daß aller
dings eine wechselweise Liebe unter ihnen zu herrschen anfange; und
Lisette bestehet auf ihrer Rede. Dorimon geht ab, um besser hinter
die Wahrheit zu kommen. Lisette ist auf den Frontin erzürnt, daß
er den Dorimon betrogen; Frontin versichert, daß er nichts als die
lautere Wahrheit gesagt, und daher auch kein Bedenken getragen habe,
Geld dafür zu nehmen, welches ihm seine Aufrichtigkeit gewiß nicht
erlaubt hätte, wenn er seiner Sache nicht ganz gewiß wäre. Ihr es
zu beweisen, macht er eine ausschweifende Erzehlung. Da ich sahe,
sagt er, daß mein Herr, Valere, Angelique, und Isabelle,
und Sie, Jungfer Lisette, der Liebe sich nicht unterwer
fen wollten, so bin ich auf der Post zu ihr gereiset, um
euch alle zu Paaren zu treiben. Ich habe den kleinen
Schalk von einem Liebesgotte mit mir gebracht, und
kaum hat er den Fuß hier auf die Erde gesetzt, so ist es
auch schon richtig; die Verliebten sind in einander wie
vernarrt. Lisette will von diesem allen nichts glauben, und er läßt
sie mit Angeliquen allein, um sich selbst davon zu überzeugen. Lisette
will also Angeliquen überreden, daß sie den Dorante liebe, und Ange
lique versichert sie, daß nichts daran sey, daß er ihr unerträglich falle,
und daß, bey Gelegenheit da sie den Valere ihrer Muhme wieder
zuführen wollen, sie in diesem ein so liebenswürdiges Betragen, so
schöne Gesinnungen entdeckt habe, daß sie sich nicht enthalten können,
ihn selbst zu lieben. Lisette antwortet hierauf, daß sie nunmehr vollends
nicht wisse, woran sie sey. Angelique hat Isabellen rufen lassen, und
sie kömmt; und nun entdecken beyde einander ihre Gesinnungen auf
eine feine Art. Dorimon, der sie behorcht und gehört hat, daß beyde
von sich gestanden, sie liebten, glaubt, daß sie die lieben, die er ihnen
bestimmt hat, und freuet sich ungemein, daß seine Wahl nach ihrem
Geschmacke sey. Lisette sagt bey Seite: die Freude wird nicht
lange dauern. Angelique und Isabelle bringen ihn aus seinem
Irrthume, und bekennen ihm, daß weder Angelique zu dem Dorante,
noch Isabelle zu dem Valere einige Neigung fühle, worüber Dorimon
ganz bestürzt wird. Die Liebhaber kommen dazu, und Dorimon
verlangt, daß sie sich erklären sollen. Dorante gesteht, daß er
Isabellen liebe, und Valere, daß er seine ganze Liebe Angeliquen
gewidmet habe. Da sie Dorimon beyde gleich hoch schätzt, so ist
es ihm gleich viel, welchem von ihnen er seine Tochter oder seine
Nichte giebt. Er verspricht, daß er die Einwilligung ihrer Aeltern
zu diesen Heyrathen auswirken wolle, und erklärt sie für so gut
als geschlossen. Die Verliebten bezeigen darüber ihre Freude, und
Frontin erhält zugleich das Jawort von Lisetten, worauf das Stück
mit einer Lustbarkeit, die Frontin besorgen müssen, beschlossen
wird.*)
(*) Die Fabel dieses Stückes hat mit der Fabel meines Freygeistes
so viel Gleichheit, daß es mir die Leser schwerlich glauben werden, daß ich den
gegenwärtigen Auszug nicht dabey sollte genutzt haben. Ich will mich also ganz
in der Stille verwundern, in der Hofnung, daß sie mir wenigstens, eine fremde
Erfindung auf eine eigene Art genutzt zu haben, zugestehen werden.)