Text

L'Italien marié à Paris [Auszug]

L'Italien marié à Paris, in fünf Aufzügen, von dem ältern Riccoboni zum erstenmale aufgeführt den 29 November 1729.

Es ist dieses das erste Stück, welches der ältere Riccoboni in
|| [312]
Paris verfertigte. Anfangs wurde es nur in drey Aufzügen und in italiänischer Sprache gespielet, und zwar bereits im Jahr 1716. Weil es aber vielen Beyfall fand, so brachte es der Verfasser selbst ins Französische, und erweiterte es zu fünf Aufzügen. De la Grange hat es hernach wieder in drey Aufzüge gebracht, und in freye Verse übersetzt, nach welcher Uebersetzung es auch den 15 Junius 1737. abermals gespielt, und in eben demselben Jahre gedrukt worden. Weil aber diese letztere Uebersetzung von dem Originale, welches nie ganz bekannt geworden, in vielen Stücken abgeht, so verdient folgender Auszug aus diesem allhier eine Stelle. Lelio öfnet die Scene mit Colombinen, dem Mädchen der Clarice. Diese letztere ist eine Tochter des Pantalons, und Lelio hat sie zu Paris geheyrathet, wo sie von ihrer zartesten Kindheit an erzogen worden. Lelio, der zwar das Land, aber nicht seine Sitten verändert hat, verlangt, daß seine neue Gattin in Frankreich eben so leben solle, als ob sie in Italien wäre. Claricen will diese Art von Sklaverey, der sie nicht gewohnt ist, gar wenig gefallen, und Lelio verlangt durch aus, daß sie der süssen Freyheit, in deren Besitz das schöne Geschlecht bey uns ist, entsagen soll. Er macht eine sehr satyrische Abschilderung gegen die Colombine davon, und giebt ihr zum Schlusse eine Liste von allen denjenigen Personen, die er, nach seiner neuen Einrichtung, aus seinem Hause verbannet wissen will. Singemeister, Tanzmeister, Claviermeister, und besonders Putzmacherinnen und Modenhändlerinnen, alle diese sollen nun und nimmermehr zu Claricen gelassen werden. Vergebens bittet ihn Colombine um Gnade, vergebens macht sie ihm wegen dieses und jenen Artickels Schwierigkeiten; dem Eifersüchtigen scheinet alles verdächtig, der damit noch nicht einmal zufrieden ist, daß er seiner Gattin diese kleinen Ergetzlichkeiten entziehet, sondern ihr gar ihr Zimmer zu einem undurchdringlichen Gefängnisse, und sich selbst zu dem unerbittlichen Kerkermeister desselben machen will. Indeß, daß er noch mit diesen gefährlichen Anschlägen beschäftiget ist, kömmt ein Bedienter und sagt, daß der Graf, sein Herr, in Gesellschaft eines Barons und Ritters, ihn schicke, um sich zu erkundigen, ob er (Lelio) zu Hause sey? Lelio, der ihm schon, noch ehe er in den Saal ge treten, entgegen geruffen, daß er nicht zu Hause sey, nennt ihn einen
|| [313]
Unverschämten, daß er ihm nicht auf sein Wort habe glauben wollen; doch findet er noch für gut, ihm ein Trinkgeld zu geben, damit er denen, die ihn geschickt, sagen solle, daß er ihn nicht zu Hause getroffen. Der Bediente nimt das Geld, geht ab, und wird von dem Lelio bis auf die Gasse begleitet. Während der Zeit hat Harlequin, der Be diente der Gräfin, Mittel gefunden, sich bey dem Lelio, mit einem Briefe von seiner Gebieterin, den er der Clarice in ihre eigene Hände geben soll, einzuschleichen. Lelio, der den Augenblick dazu kömmt, reißt dem Harlequin diesen Brief aus den Händen, und eröfnet ihn ohne Umstände. Alle die gewöhnlichen Ausdrücke der Freundschaft, deren sich ein Frauenzimmer gegen das andere bedient, scheinen ihm die zärt lichsten Erklärungen eines Liebhabers an seine Geliebte zu seyn; und damit sein Verdruß vollkommen werde, so meldet man ihm noch, daß die Frau Gräfin, der Graf, der Baron und der Ritter an seiner Thüre hielten. Er will sagen lassen, daß niemand zu Hause sey; zum Unglücke aber hat sich Clarice schon von dieser ungestümen Gesellschaft am Fenster sehen lassen; er bindet ihr also nur ein, den Besuch ab zukürzen. Doch er hätte es nicht nöthig gehabt, Claricen diese Sorge aufzutragen; seine Eifersucht richtet es weit besser aus. Jeder Kuß, den man seiner Frau giebt, durchsticht ihm das Herz; er begeht tausend Ausschweifungen, und nachdem er der ganzen Gesellschaft, sie mag wollen oder nicht, ihren Abschied gegeben, bringt er Claricen wieder in ihr Zimmer, und betheuret hoch, daß sie nie mehr heraus kommen solle. Dieses, was bisher angeführt worden, ist ungefehr der Inhalt des ersten Aufzuges. Die übrigen enthalten kürzlich folgendes. Lelio erfährt, daß sein Schwigervater Pantalon mit ehstem ein treffen soll, und besorgt, daß sich Clarice wegen seiner Eifersucht be klagen möge. Er entschließt sich also, ihr mit der Wiedererlangung ihrer Freyheit zu schmeicheln; sie aber macht ihm wegen seiner ausser ordentlichen Härte Vorwürffe, und versichert, daß sie, ihrem Elende ein Ende zu machen, fest entschlossen sey zu sterben. Lelio, der über diesen Entschluß erschrickt, verspricht ihr, sich in Zukunft gütiger gegen sie zu bezeigen, und bittet sie, um ihr Beweise davon zu geben, von ihm alles, was sie nur wünsche, zu verlangen. Clarice läßt sich besänftigen, und schlägt ihm einen Spatziergang in die Thuilleries vor, deßgleichen die Oper und die französische und italiänische Ko
|| [314]
mödie zu besuchen. Alles das scheint dem Lelio allzugefährlich; sie bittet ihn also, sie wenigstens auf einen Ball gehen zu lassen, der noch an eben demselben Tage in einem benachbarten Hause gegeben werde. Weil sie in der Maske da erscheinen muß, und sie es gern sehen würde, wenn er sie selbst maskiert dahin begleitete, so ist er es endlich zu frieden. Der Graf, der Baron und der Ritter finden sich gleichfalls auf diesem Balle ein. Clarice tanzt, und Lelio selbst kann sich nicht zu tanzen weigern. Unter dem Tumulte des Balls wird Clarice weg geführt; ihr eifersüchtiger Ehemann suchet sie vergebens, ruft sie überall, und hält sie auf immer verloren. Endlich bringt man sie ihm wieder; er empfängt sie als ein grober Eifersüchtiger, und schließt sie aufs neue ein, um einem solchen Unglücke nicht ferner ausgesetzt zu seyn. Kurz darauf trift Pantalon ein, und stellt ihm eine vermeintliche Nichte vor. Lelio hat eine Unterredung mit ihr, und findet daß ihre Sitten von den Sitten der französischen Damen so weit entfernt sind, daß er sie vor Vergnügen, sie den italiänischen Sitten so ergeben zu wissen, umarmen will; sie aber beweiset ihm die Strenge ihrer Tugend mit einer Ohrfeige, worüber er vollends für Freuden ganz ausser sich kömmt. Er steht nicht einen Augenblick länger an, ihr die Aussicht über Cla ricen anzuvertrauen, und verspricht dieser letztern eine völlige Freyheit, nur mit dem Beding, daß sie sich nie aus den Augen der tugend haften Nichte entferne. Er befiehlt Claricen, sie zu umarmen, und sie aus Liebe für ihn, zu küssen. Was aber geschieht? Pantalon entdeckt dem Lelio daß diese Nichte nichts anders als ein verkleideter Neffe ist, um vor den Verfolgungen seiner Feinde und der Gerechtigkeit sicher zu seyn; er fügt hinzu, daß er zu dieser Verkleidung gezwungen worden, weil er zu Venedig einen Nebenbuhler bey einer gewissen Dame, die er geliebt, erstochen. Plötzlich verläßt Lelio seinen Schwiegervater, und eilet seine Frau von diesem Cavaliere wieder zu trennen; er jagt den letztern schimpflich aus seinem Hause, und verbietet ihm, den Fuß jemals wieder hinein zu setzten. Unterdessen kann Clarice die Verfol gung ihres Mannes nicht länger ausstehen, und findet Gelegenheit zu entfliehen. Sie begiebt sich mit der Gräfin, ihrer Freundin, nach einem Hause zu Chaillot, welches dieser letztern gehört; und hier ist es, wo sich das Stück schließt. Clarice befindet sich da in guter und lustiger Gesellschaft; man singt, man tanzt; ehe sie sichs aber ver
|| [315]
sehen, wird ihre Lustbarkeit durch die Ankunft des Eifersüchtigen unter brochen, der mit grossem Geschrey seine Frau, als ein Gut, das man ihm geraubet, wieder verlangt. Clarice aber erklärt sich rund und frey, daß sie den Rest ihres Lebens lieber in einem Kloster zubringen, als wieder in ihr Gefängniß zurückkehren wolle. Lelio schwört, daß er ihr alle Freyheit, die sie nur wünschen könne, lassen wolle; sie ist zu verständig, als daß sie dieses Anerbieten mißbrauchen sollte; sie verspricht, nie anders als in seiner Gesellschaft auszugehen, und bey keiner Lustbarkeit ohne ihm sich einzufinden. Die Aussöhnung kömmt also, vermittelst der Gräfin und der übrigen gemeinschaftlichen Freunde zu Stande; und das Stück schließt sich vollends mit Tanzen und Singen.


XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000146/riccoboni_marie_ue.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000146/tei-transcript.xsl