Einführung

Paul Jacob Marperger: Nutz- und Lehr-reicher historischer Schau-Platz (Christian Matthiae: Theatrvm Historicvm Theoretico-Practicvm)
Julia Heiderich
Studentisches Projekt unter Betreuung von Nikola Roßbach

1. Titel1
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Christiani Matthiae, Königl: Dennem: Academie zu Sohra in Seeland/ weyland Professoris Primarii, Nutz- und Lehr-reicher historischer Schau-Platz/ Auff welchen Der vier grossen Monarchien der Welt/ fürnehmste Geschichte/so sich von Nimrod an biß auff diese unsere Zeiten zugetragen/ vorgestellet werden. Aus dem Lateinischen in unsere Deutsche Sprache übersetzet/ Auch mit einer Continuation biß 1701. und vollständigen Register vermehret Von Paul Jacob Marperger. Franckfurth und Leipzig/ Verlegts Johann Jost Erythropel. 1701. Frankfurt und Leipzig: Johann Jost Erythropel, 1701. - Titelseite (Kupfertafel), erster Teil: 136 pag. S., zweiter Teil: 2 unpag. S., 76 pag. S., 4°. [opac ↗584113560]

2. ↗Verfasser und Übersetzer
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Christian Matthiae hieß eigentlich Carsten Thiessen und wurde 1584 in Eppenvöhrden in Süder-Dithmarschen geboren. Ab 1607 studierte er Theologie in Wittenberg und Gießen. 1614 wurde er Direktor des Gymnasiums in Durlach und 1617 promovierte er in Gießen in Theologie. 1618 wurde er zum Professor der Theologie an der Universität Altdorf ernannt. Er gab seine akademische Karriere 1622 auf, um als Hauptpastor und Superintendent in Meldorf zu arbeiten. Als jedoch nach der Eroberung Dithmarschens im 30-jährigen Krieg die königliche Regierung damit begann, Pfarrstellen zu besetzen, sah Matthiae darin eine Verletzung der kirchlichen Souveränität und schrieb eine Kritik an den König. Daraufhin wurde er 1629 inhaftiert und ungefähr ein Jahr in der Stadt Crempe gefangen gehalten. Ende 1629 wurde er wieder frei gelassen und zum Professor an der königlichen Ritter-Akademie in Soroe auf Seeland ernannt. Neun Jahre später legte er sein Amt freiwillig nieder und zog nach Holland. 1641 wurde er Pastor der lutherischen Gemeinde in Den Haag. Das Amt legte er 1645 nieder und verbrachte seine letzten Lebensjahre in Utrecht, wo er am 22. Januar 1655 verstarb.

Paul Jacob Marperger wurde am 27.06.1656 in Nürnberg geboren. Er studierte wahrscheinlich schon früh Theologie und Jurisprudenz an der Universität Altdorf. Zu dieser Zeit beschäftigte er sich intensiv mit Fragen des Handels- und Gewerbelebens und reiste zu vielen Metropolen Europas, um sein Wissen zu erweitern. 1698 wurde er zum kaiserlichen Dichter gekrönt. Paul Jacob Marperger starb am 27.10.1730 in Dresden.

Paul Jacob Marperger übersetzte das von Christian Matthiae verfasste Werk Theatrvm Historicvm Theoretico-Practicvm ins Deutsche und verfasste einer Weiterführung der geschichtlichen Ereignisse. Der hier vorliegende zweite Band der deutschsprachigen Ausgabe von 1701 enthält hauptsächlich geschichtliche Ereignisse, die sich nach dem Tod Matthiaes 1655 zugetragen haben. Die vorausgegangenen lateinische Ausgaben von 1668 und 1684 beinhalten bereits einen entsprechende Anschluss an die Zeitgeschichte. Marperger schreibt hier weiter fort, um den Aktualitätsstatus zu bewahren. Teilweise werden auch Auflistungen, die Matthiae begonnen hat, von ihm fortgeführt.

3. Publikation
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3.1. Erstdruck
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Der lateinische Erstdruck, das Theatrvm Historicvm Theoretico-Practicvm, erschienen 1648 in Franckfurt im Verlag Erythropel.


Standorte des Ausgabe von 1701

3.2. Weitere Ausgaben
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3.2.1. Deutsche Übersetzung
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Übersetzt und erweitert von Jakob Paul Marperger, erschienen 1699 im Verlag von Johann Jost Erythropel, laut Impressum „in Franckfurth und Leipzig“. Die Fortsetzung, die Grundlage dieses Repertoriumstextes ist, erschien 1701 ebenfalls in Franckfurt und Leipzig im Verlag Erythropel. Dieser zweite Band enthält eine Fortsetzung der geschichtlichen Ereignisse bis ins Jahr 1701.

3.2.2. Digitale Ausgabe der deutschsprachigen Ausgabe von 1699/1701
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4. Inhalt
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Das Titelblatt des vorliegenden Bandes aus dem Jahr 1701 gibt Auskunft darüber, dass die Geschichte der vier großen Monarchien der Welt dargestellt werden soll, nicht jedoch, um welche vier Monarchien es sich dabei handelt. Im ersten Band von 1699 werden die Monarchien dagegen auf dem Titelblatt genannt: „Das ist: Nutz- und Lehr-reicher historischer Schau-Platz/ Auff welchem Die vier grossen Monarchien der Welt/ Als nemlich Die Chaldäisch-Assyrische oder Babylonische/ die Medo-Persische/ die Griechische und die Römische/ Samt allen Grossen Monarchen/ Käysern und Königen/ Welche in denselben von Nimrod an/ biß auff diese unsere Zeiten/ die höchste Gewalt getragen.“ Wie dieses Titelblatt bereits vermuten lässt, werden in dieser umfangreichen Ausgabe die vier großen Monarchien samt ihrer Könige und Kaiser behandelt. Auch alle deutschen Kaiser vom I. bis zum L. werden kurz vorgestellt. Der zweite Band von 1701 setzt die Kenntnis des vorangeganenen voraus, da die vier Monarchien nicht noch einmal erläutert oder verhandelt werden, sondern direkt mit den Lebensdaten des LI. Kaisers Leopold Ignatius Joseph Balthasar Felician eingesetzt wird. Die geschichtlichen Ereignisse werden bis ins Jahr 1701 fortgeführt.

Der vorliegende Band des Nutz- und Lehr-reicher historischer Schauplatz umfasst zwei Teile. Der erste, 136 S. lange Teil ist mit der Überschrift „Der LI. Teutsche Kayser LEOPOLDUS I.“ versehen. Dieser Teil beschäftigt sich mit politischen Ereignissen in einer Vielzahl von Ländern, erwähnt jedoch auch immer wichtige Ereignisse im Leben des Kaiser Leopold Ignatius Joseph Balthasar Felician (1640–1705).

Der zweite Teil wird als „kurzer historischer Anhang/ Der merckwürdigsten Weltbegebenheiten des 1699. Und 1700. Jahres/ Wie auch kurzgefassete Chronologische Erzehlung und Wiederholung Der vornehmsten denckwürdigsten Geschichte/Die sich in dem 17den Seculo biß auffs Jahr Christi 1701. zugetragen.“ bezeichnet. Der „kurze historische Anhang“ umfasst dabei elf Seiten, die „kurzgefassete Chronologische Erzehlung und Wiederholung Der vornehmsten denckwürdigsten Geschichte/Die sich in dem 17den Seculo biß auffs Jahr Christi 1701. zugetragen.“ 27 Seiten. Daran schließt ein Anhang an, der sich „Vollständiges Verzeichniß Oder Register Der vornehmsten Nahmen/Wörter und Sachen/die in diesem historischen Schau-Platz zu finden“ nennt und 40 S. enthält.

Zu Beginn des ersten Teils stellt der Autor zunächst kurz die Biografie von Kaiser Leopold I., Leopoldus genannt, dar. Er nennt seine Eltern, seine drei Ehefrauen und zählt seine Kinder auf. Dann folgt eine kurze Übersicht darüber, dass Kaiser Leopoldus 1655 die Ungarische, 1656 die Böhmische und 1658 die Kaiserliche Krone empfangen habe. Danach beginnt eine chronologische Beschreibung der politischen Schachzüge und Kriege diverser Länder vom Jahr 1658 an. Es werden Ereignisse aus allen Ländern erwähnt, die den vier großen Monarchien angehören. Die Beschreibung der politischen Ereignisse wird immer wieder unterbrochen, um, ebenfalls in chronologischer Reihenfolge, auf Veränderungen im Leben Leopoldus’ aufmerksam zu machen, wenn er sich beispielsweise neu vermählt hat oder er und seine Gattin ein Kind bekommen haben. Die Beschreibung der politischen Ereignisse erfolgt nüchtern und scheint sich um Objektivität zu bemühen. Da Paul Jacob Marperger ab 1698 als kaiserlicher Dichter tätig war, ist allerdings nicht von einer objektiven Darstellung der Handlungen von Kaiser Leopoldus auszugehen. Die Beschreibungen seines Lebenslaufes zeugen immer von höchster Wertschätzung. Die Erläuterung von der Hochzeit Leopoldus’ mit seiner dritten Ehefrau Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg ergänzt Paul Jacob Marperger z.B. durch ein Epigramm, das von einem nicht genannten Poeten auf Latein verfasst und von Marperger ins Deutsche übersetzt wurde. In diesem Epigramm wünscht der Poet den Ehegatten viel Glück und vor allem Thronfolger (S. 12). Auch politische Ereignisse werden immer wieder untermalt durch lyrische Werke ungenannter Poeten (S. 34).

Die Auflistung der politischen Ereignisse wird auch unterbrochen durch Nachrichten von Naturereignissen z.B. gesichteten Kometen und wo diese am Himmel gesehen wurden (S. 18 „Den 16. Nov. sahe man einen neuen Cometen“), Naturkatastrophen (S. 20 „Im May Monat/ ließ sich ein Erdbeben durch Teutschland und Franckreich spüren.“) und Nachrichten von Unheilen, die die Bevölkerung stark beeinflusst haben (S. 20 „Hierauff folgte im Sommer/eine weit und breit grassirende Vieh-Kranckheit“). Die Themenwechsel erfolgen immer abrupt und ohne Überleitung. Es scheint das Hauptanliegen des Autors zu sein, alle Ereignisse der Geschichte, die er für bedeutsam hält, aufzuzählen. Damit bemüht er sich dem damaligen Anspruch gerecht zu werden, möglichst viel Wissen in einem Werk zu bündeln. Bestimmte Informationen werden nur zusammengefasst dargestellt, andere, die vermutlich vom Autor als besonders bedeutsam befunden werden, werden im Originaltext wiedergegeben. Beispielsweise werden auf S. 21 vier Lehrsätze dargestellt, die sich mit den Befugnissen des Papstes beschäftigen.

An passenden Stellen des Textes werden auch allgemeine Informationen zum Leben und guten Benehmen am Hof vermittelt. Auf den S. 76 bis 77 wird beispielsweise erklärt, wo Kaiser, König und Kurfürsten bei einer Zusammenkunft Platz zu nehmen haben. Die schriftliche Erläuterung wird ergänzt durch ein Bild, das die Tischordnung darstellt.

Am Ende des ersten Teils stehen drei Übersichten wichtiger Daten des 17. Jahrhunderts bis zum Jahr 1698 chronologisch und mit Jahreszahlen versehen. Die erste Übersicht beinhaltet wichtige allgemeine Ereignisse des 17. Jahrhunderts (S. 135 bis S. 136), die zweite Übersicht kirchliche Ereignisse (S. 136 bis S. 137) und die dritte Übersicht die Sterbensjahre berühmter Männer (S. 137 bis S. 138). Da die Auflistung immer mit dem Jahr 1698 endet, könnte das ebenfalls ein Indiz dafür sein, dass dieser Teil des Nutz- und Lehr-reichen historischen Schauplatzes schon bei Drucklegung des ersten Bandes 1699 vorlag.

Der zweite Teil des vorliegenden Bandes hat ein eigenes Deckblatt und eine neue Seitennummerierung. Er behandelt geschichtliche Ereignisse der Jahre 1699 und 1700 intensiver und wiederholt die Geschichte des 17. Jahrhunderts. Der Autor legitimiert sein Werk immer wieder, indem er sich auf Gott beruft, der das 17. Jahrhundert zu einem guten Ende geführt habe (S. 14). Der zweite Teil beginnt mit einem elf Seiten umfassenden Anhang, der sich u.a. intensiv mit einem zwischen römischem und türkischem Kaiser geschlossenen Vertrag beschäftigt. Es folgt die „kurzgefassete Chronologische Erzehlung und Wiederholung Der vornehmsten denckwürdigsten Geschichte/die sich in dem 17den Seculo biß auffs Jahr Christi 1701. zugetragen.“ Hier beschreibt der Autor zunächst, dass zu Beginn des Jahres 1700 der verbesserte „Reichs-Calender“ eingeführt wurde, der die Differenz zwischen dem Julianischen und dem Gregorianischen Kalender endlich aufheben sollte, und äußert gleichzeitig den Wunsch, dass Gott auch die Differenzen zwischen Protestanten und römisch-katholischen Christen zu einem guten Ende führen möge. Weiterhin beschäftigt er sich mit dem in der Wissenschaft diskutierten Problem, ob das Ende des letzten Jahrhunderts oder der Anfang des neuen Jahrhunderts als Jahr 1700 bezeichnet werden sollten, und führt Argumente für beide Theorien aus. Es folgen wichtige, politische Vorkommnisse der Jahre 1699 bis 1701, wie das am 18. August geschlossene Friedensabkommen zwischen den Königshäusern in Dänemark und Hollstein-Bottorf, das in aller Ausführlichkeit dargestellt wird. Nachdem die wichtigsten Eckdaten der Jahre 1699 bis 1701 genannt wurden, folgt eine kurze Zusammenfassung des gesamten 17. Jahrhunderts.

Der Band schließt mit einem Stichwortverzeichnis in alphabetischer Reihenfolge ab, das die Personen, Namen und Wörter auflistet, die im Werk zu finden sind und kurz erläutert, welche Information über die jeweilige Person, das jeweilige Wort oder die jeweilige Sache auf welcher Seite zu finden ist.

5. Kontext und Klassifizierung
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Der Nutz-und Lehr-reiche historische Schau-Platz kann den theatra historica, also den historischen Theatra zugeordnet werden. Neben der Aufgabe den Lesern geschichtliches Wissen zu einer möglichst großen Bandbreite an Themen zu vermitteln, weist der Begriff „Theatrum“ im Titel darauf hin, dass der Autor auch ein didaktisches Interesse verfolgte. Geschichtliche Ereignisse sollten dem Leser, wie bei einem Theaterstück, so vor Augen geführt werden, dass er darin eine Moral erkennen und Schlüsse für sein eigenes weiteres Leben ziehen konnte. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass der Nutz-und Lehr-reiche historische Schau-Platz sich mit einem zu Ende gehenden Jahrhundert befasst, kann man sich gut vorstellen, dass der Autor den Lesern die Ereignisse des Jahrhunderts noch einmal möglichst vollständig vor Augen führen wollte. Damit hatten sie die Möglichkeit darüber nachzudenken, welche Ereignisse und Entscheidungen sich positiv auf den Verlauf des vergangenen Jahrhunderts ausgewirkt haben und welche negativ. Daraus konnten sie dann ableiten, wie sie ihr eigenes Leben in Zukunft am besten gestalten sollten. Da Paul Jacob Marperger als kaiserlicher Dichter arbeitete, hatte das Werk sicher auch die Intention das Wirken und Handeln des Kaisers Leopoldus positiv darzustellen.

6. Rezeption
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Über die Rezeption des Nutz- und Lehr-reichen historischen Schauplatzes ist nicht viel bekannt. Da Paul Jacob Marperger wahrscheinlich an derselben Universität studierte wie Christian Matthiae, ist anzunehmen, dass er in dessen Fußstapfen trat und seine auf Latein verfasste, geschichtliche Abhandlung über die vier großen Monarchien der Welt nicht nur ins Deutsche übersetzte, sondern auch weiterführte. Der Nutz- und Lehr-reiche historische Schauplatzes wurde das erste Mal in deutscher Sprache 1699 in einer nicht allzu großen Auflage gedruckt. Die potentielle Leserschaft waren wahrscheinlich Gelehrte und Adelige, denen das Lebenswerk des herrschenden Kaisers Leopold I. positiv dargestellt werden sollte, um dessen Herrschaft zu legitimieren. Außerdem bestand zum Ende des 17. Jahrhunderts sicher das Bedürfnis, die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren zu lassen.

7. Bibliographische Nachweise und Forschungsliteratur
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1Grundlage der Zitate sowie der formalen und inhaltlichen Beschreibung ist der zweite Band (1701) der von Marperger übersetzten und erweiterten deutschsprachigen Auflage.
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