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180508
Gräfin Anna Sophia von Schwarzburg-Rudolstadt an Wolfgang Ratke
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180508

Gräfin Anna Sophia von Schwarzburg-Rudolstadt an Wolfgang Ratke


Gfn. Anna Sophia (TG 1), von F. Ludwig über Ratkes Aufenthalt in Köthen informiert, bittet den Pädagogen um Auskunft über sein jetziges Vorhaben. Sie hat lange nichts von Ratke gehört und befürchtet, er werde sich mit seinem Werk wegen einiger undankbarer und unverständiger Leute von den Deutschen abkehren und das Land verlassen. Als Beispiel für das vorhandene Interesse an seiner Arbeit weist Anna Sophia auf eine Stiftung ihrer verstorbenen Schwester Hzn. Dorothea Maria v. Sachsen-Weimar hin. Deren ältester Sohn Hz. Johann Ernst d. J. (FG 3) habe in Fortführung der Bestrebungen Dorothea Marias die ganze Schule zu Weimar reformiert und einen Drucker angestellt. Vor allem sei schon eine deutsche Grammatik erschienen, deren Vorrede Ratke rühmend erwähne. Der Pädagoge möge Johann Ernst schriftlich oder in eigener Person beraten und auf Fehler in der Grammatik und der Lehrweise aufmerksam machen. Anna Sophia versichert Ratke des Danks Johann Ernsts und warnt ihn vor unsicheren und zeitraubenden Lehrversuchen an anderen Orten. F. Ludwig werde ihn über die in Weimar gemachten Fortschritte unterrichten und ihm erklären können, daß mit der Reform || [98] keine Kränkung seiner Person oder Verfälschung seines Werks beabsichtigt gewesen sei. Anna Sophia beabsichtigt, Ratkes Lehrweise auch in die Schulen der Gft. Schwarzburg einzuführen, jedoch bedürfe es dazu noch der Erlaubnis.

Beschreibung der Quelle

QThür. HSTA Weimar: Fürstl. Haus A 285, Bl. 21r-22v, 22v vacat; eigenh. Konzept.

Anschrift

AFehlt

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[Handschrift: [21r]]
Copia am 8. Maij an h W R1
h u h W2 inSonderß lieber h W R. Dieweill ich vnlangsten, auß; Ditull meineß hl.3 brudern fludtwig 4 schreiben vernommen, daß der h bey Jl zu Cötten ist, alß habe ich nicht vnder lassen wollen dieseß brieflein an den h. zuschreiben, mitt bitt Er wolle mich doch berichten, wo Sein intention itzundt hingerichtet, vnd wo mitler zeitt, Sein Christlich furhaben vnd gutheß werck geruhet, vnd waß für guthliebente hertzen, Er zu Solchem angetroffen habe, Jch bin recht sehre Sorgfeltig5 für den h. gewesen, weill ich so lange nichtz von Jhme gehörett, wie ich auch am nehern meim bruder fürst ludwig geschrieben, daß mir gar vngleicher bericht einkomen ist, vnd gantz gerne verstanden habe, daß der h. noch in Deutschlant ist, vnd zu meinem bruder ankommen, will nicht hoffen, daß der h vmb etlicher vndanckbaren leithe (die eß mehr auß vnuerstant verwerffen) willen, Drumb gantza Sich von vnß teitschen wenden werde, vnd nicht die Jenigen auch ein wenig drunder betrachten, die sich vmb daß werck angenommen haben, vnd noch gerne, nach aller miglichkeitt, in Jhrem lande befördert wüesten, eß hatt sich Ja mein liebe Selige Schwester6 die hertzogin zu Weimar (wie dem h zum theill selbsten bewust) solcheß sehr hoch angelegen sein lassen, wie hl Selige, auch noch auf dem thott bette verortnung gethan haben, vnd ein Sonderlich legatum,7 den Jenigen verortnet, so sich zu vnderweisung der Jugent, auf Solche artt bequemen, würden; So hatt fernerß JLdn Elste Sohn hertzogJohann Ernst forth gefahren, die ortnung in die gantze Schull zu weimar eingeführett.8 Ein eignen trücker9 zur handt bekommen, vnd So viel man nützlicheß [Handschrift: [21v]] herbey bringen, alß Sonderlich eine Teitsche gramaticam10 drucken lassen, darinnen deß h person woll, in der vorreden gedacht würdt, vndt man nur winschte, die volkommenheit zu haben, weill man an dem wenigen so furhanden ist, so viell nützlicheß befinden thut, alß sehe ich meineß theilß sehr gernen, wolltte auch dem h. auß wolmeinung, vnd Sonderbarer affection, die ich zu dem Cunstlichen werck thrage, drumb gebetten haben, ob Er sich so viell (dem werck zum besten) vberwinden könte, vnd entweder durch schreiben, oder in der person mein vetter h Johann Ernst zu Weimar Anleitung thun, wie hl ferner in dem werck könten forth kommen, vnd wie Sie etwan in den modo docendo, auch in der teitschen Gramatica verstossen hetten, folgentz zu recht weisen,11 der h. soll nicht zweifeln, daß solcheß zu gar grossem danck würde angenommen werden, vnd waß man dem h nur selbesten, vnd dem furnemen werck zum besten nach migligkeit würde erweisen können, gar guthwillig geleistet werden, den So gleich der h wieder an frembde örtter verrücken würde, da man noch gar nichtz darfon weiß, waß eß fruchten kan, vnd Erst wiederum die Proba anstellen, so vergehett die guthe zeitt, der h. kömt nimer || [99] zurruck vnd daß werck möchte mer gehindertt alß gefördertt werden, der h rede mit meinn bruder fürst ludtwig auch darfon, Sl wiessen wie weitt eß zu Weimarb gebracht worden ist, vnnd daß [22r] man eß gar nicht dem h zum schimpf, oder verkleinerung deß werkeß gemeint habe, soll aber dem h. furneme vnd besser gelegenheit an die handt stossen, woltte ich Jhn durch dieseß auch nicht gerne hinderlich sein, Sondern habe eß nur für mich auß guthem wolmeim erinern wollen, den ich durch daß mittell verhoffett wir woltten eß mit der zeit durch Götliche verleihung, auch noch der lieben Jugent zu guth in vnsre grafschaft Schwartzburg bekomen, aber eß müsste erst an höhen örtten12 confirmiret werden, wiell den h lenger, nicht aufhaltten Er wirdt eß zum besten vermerken
A S gzu Sh.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Folgt ⟨Teutschlandt⟩
b Folgt ⟨kommen⟩

Kommentar
2 Wohl für: hochgelahrter und hoch Würdiger. Anna Sophia (TG 1), geb. Fn. v. Anhalt, am 13. 6. 1613 vermählt mit Gf. Carl Günther v. Schwarzburg-Rudolstadt (FG 23), hatte Ratke wohl schon im September 1612 in Weimar kennengelernt und bis zum Mai 1613 seinen Unterricht im Lateinischen und Hebräischen erfahren. Sie blieb auch nach Ratke s Scheitern in Köthen seine unbeirrbare Förderin. Vgl. KR 21, 25, 64-66, 139f. und Conermann TG.
3 Diese Abkürzung meint stets eine fürstliche Person, während „h” (herr) sich hier meistens auf Ratke bezieht.
5 Besorgt. Goetze, 203.
6 Hzn. Dorothea Maria v. Sachsen-Weimar (1574–1617), geb. Fürstin v. Anhalt. Gottfried Theodor Stichling: Die Mutter der Ernestiner (Weimar 1860). Ratke lebte von September 1612 bis Mai 1613 an ihrem Hof und erteilte ihr, ihrer Schwester Anna Sophia und anderen seinen Rat und Unterricht (Lateinisch, Hebräisch). Zu Ratkes Schülern gehörte auch Friedrich v. Kospoth (FG 55). Ein weiterer Aufenthalt Ratkes in Weimar (August – Oktober 1615) — nach einem Besuch bei Gfn. Anna Sophia in Rudolstadt — führte allerdings auch nicht zur Einrichtung eines größeren Lehrversuchs. Ludwig Weniger: Ratichius, Kromayer und der Neue Methodus an der Schule zu Weimar. In: Zeitschr. des Vereins f. thüring. Geschichte u. Altertumskunde, N. F. 10 (1896/97), 245–283, 369–461, hier S. 376. 378. 385.
7 Hz. Johann Ernst d. J. wies am 10. 1. 1618 seinen Rentmeister J. Evander an, den Jahreszins von 240 fl. aus dem Legat seiner Mutter (2000 fl.) und aus Mitteln der Rentkammer (3000 fl.) an die sechs Lehrer vierteljährlich auszuzahlen. Weniger, a. a. O., 253f.
8 Nach den Vorstellungen Ratkes , jedoch in manchem modifiziert und ohne die Beteiligung und Aufsicht des Didacticus, führte Hz. Johann Ernst d. J. die Schulreform mit Hilfe seines Hofpredigers Johannes Kromayer (1576–1642), der die neue Lehrart in einer Hausschule schon 1614 in Angriff genommen hatte, vom Dezember 1617 an in der Weimarer Stadtschule ein. Franz Josef Hilfenhaus: Die pädagogischen Bestrebungen Johannes Kromayers. Phil. Diss. Leipzig 1889; Weniger. Die noch im Jahre 1618 in Köthen begonnene Reform wurde im Auftrag, unter Aufsicht und mit den finanziellen Mitteln Hz. Johann Ernsts und F. Ludwigs unternommen. Vgl. KR 49–52 (Rezeß der beiden Fürsten v. 6. 11. 1618).
9 Johann Weidner verlegte einen Teil seiner Druckerei von Jena nach Weimar und stellte hier von 1618–1620 u. a. die für die Schulreform benötigten Lehrbücher her. Wolfgang Adolf Schrön: Kurtzer Entwurff der Historie von der Hoch-Fürstl. Sachsen-Weimarischen Hof-Buchdruckerey. In: Weimarischer Beytrag || [100] zu feyerlicher Begehung des dritten hundertjährigen Jubel-Festes einer wohllöblichen Buchdrucker-Kunst. Weimar 1740, 53–111; Konrad Marwinski: Von der Hofbuchdruckerei zum Verlag Böhlau. Geschichte der Hofbuchdruckerei in Weimar von den Anfängen bis 1853. Weimar 1974.
10 [Johannes Kromayer:] Deutsche Grammatica/ Zum newen Methodo/ der Jugend zum besten/ zugerichtet. Für die Weymarische Schuel/ Auff sonderbaren Fürstl. Hn. Befehl. (Weimar: Johann Weidner 1618). [AAB Weimar: 0,5:393b]. Bl. [)( ij]r: „Vorrede. Es ist fast Weltkündig/ welcher masen vor 5. Jahren/ vom Herrn Wolfgang Ratichio eine sonderliche newe Lehrart der lieben Jugend im öffentlichen Druck verheissen worden. Ob nun wol solches Fürhaben noch zur Zeit nicht vollkömlich zu Werck gerichtet/ weil es an hülffe gemangelt/ solch gut Intent auch von den meisten nur verachtet vnd gescholten/ vnd auff aller hand weise nicht wenig gehindert worden/ darüber endlich die Personen/ so zu solcher Arbeit geholffen/ getrennet/ vnd leider etliche/ so es am meisten befördert/ verstorben: So hat man doch hiesiges Theils dasjenige/ welches man von diesem Methodo begriffen/ vnd in eigener Vbung erkündiget/ nicht vergraben/ sondern gerne der zarten Jugend zum besten brauchen vnd anwenden wollen/ nicht zweiflende/ es werden noch etliche Guthertzige/ denen der Schulen wolfart angelegen/ auch hinfüro diesem heilsamen vnd sehr nützlichem werck ferner nachdencken/ vnd an sich/ so viel jedes darbey thun kan/ nichtes erwinden lassen [)( iij v] damit wir nicht dißfals/ wo wir nachlessig/ eine schwere Rechenschafft kegen dem herzunahendem jüngsten Gerichte auff vns laden mögen. Man sihet ohn das/ daß die Schulen bey dem alten Wesen vnd Methodo je fast an allen orten eingehen/ das/ wen wir von Verbesserung nichts wüsten/ man doch darumb bitten/ vnd darnach streben solte: Wie vielmehr wil sichs gebühren/ das mann mit beyden henden zugreiffe/ nach dem vns solche hülffe durch die newe Didacticam nu so lange zeit hero ist angeboten worden: Nu/ zu solchem Werck gehöret auch/ vnter anderen Büchlin/ eine deutsche Grammatica. [...] ist inmittelst/ nach anleitung dessen/ was wir hiervon gehöret vnd gesehen/ vnd durch tägliches nachsin[)( iij r]nen vnd vbung selbst erfinden können/ dieses Büchlin einer deutschen Grammatick/ mit fleiß zusammen bracht vnd auffgesetzet worden/ in sonderlicher Gleichförmigkeit mit der Lateinischen/ Griechischen/ vnd Hebraischen Grammaticken/ welche wir auch vnter henden haben/ vnd sind der gewissen Zuversicht/ das der lieben Jugend hierdurch nach art des newen Methodi/ sehr viel werde gedienet vnd geholffen werden: Jnmassen man an der Lateinischen Grammatica/ so gut man dieselbe bißanhero gehabt/ auß des Herrn Philippi/ Frischlini/ Rennemanni/ vnd anderer fürtreflichen Leute Grammaticken zusammen gebracht/ vnd auff den newen Methodum gerichtet/ nicht ohne grossen Nutz etlicher Knaben/ durch GOttes Segen/ hat erfahren [...]. [iij v] GOTT verleihe/ das sich viel Leute dieser guten Lehrart trewlich annehmen/ vnd dadurch bey Christlichen Jugend grosser Nutz geschaffet werden möge/ Amen. Weymar / im Jahr/ 1618.” Liste der Lehrbücher bei Weniger, 393–396; vgl. Marwinski, 19–21. Vgl. 190814.
11 Ratkes Meinung über Schulversuche, die nicht unter seiner Aufsicht durchgeführt wurden, gibt ein Schreiben F. Ludwigs an seine Brüder vom 20. 4. 1618 wieder. „Hierumb heltt ehr auch alle das jehnige, so an etzlichen ortten von seinen sachen, ohne sein wissen vnd einwilligung alzu früezeittig ausgangen, vnd ans lichtt gebrachtt, für anders nichts als hinderung, vnd das endlich wirdt stecken bleiben müssen. Ob woll ein gutter anfang dar, so wirdt man doch auff solche weise das rechtte ende weder nun noch nimmermehr erreichen.” LHA Sa.-Anh./ OB: Kö. C 18 Nr. 38, Bl. 37r.
12 Anna Sophia wird hier auf die Zustimmung ihres Gatten Carl Günther und seiner Verwandten anspielen, vielleicht aber auch auf die der sächsischen Lehnsherren. Für den Grafen schrieb Anthon Mylius am 22. 5. 1624 ein Gutachten über Ratkes Ideen, das der Einführung seiner || [101] Lehrart in der Schule zu Kranichfeld, Anna Sophias späterem Wittum, den Weg ebnen sollte. Veröffentlicht v. B. Anemüller: Ueber Wolfgang Ratichs Methode. In: Neue Mitteilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer Forschungen 12 (1868), 421–426.
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