Text

190220
Fürst Ludwig an Herzog Johann Ernst d. J. von Sachsen-Weimar
[Inhaltsverzeichnis]
|| [112]

190220

Fürst Ludwig an Herzog Johann Ernst d. J. von Sachsen-Weimar


Ludwig bestätigt den Empfang von 92 Groschen aus der neuen sachsen-weimarischen Kippermünze, die er zur Bezahlung der Kosten des ratichianischen Projekts im Monat Februar einbehält. Der Fürst schlägt vor, das Gewicht der Münzen noch zu vermindern. Im Hzt. Braunschweig-Wolfenbüttel präge man jetzt 200 Groschen aus einer Kölnischen Mark Silber. Sollte zur Verbesserung der Münzproduktion nicht bald ein nürnbergisches Instrument eintreffen, müsse Johann Ernst ein sog. Pumpwerk bestellen, das der Jude David Israel in Goslar beschaffen wolle. — Ludwig sendet seinem Neffen ein Schreiben F. Christians I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26), worin dieser seine für den 3./4. 3. 1619 geplante Ankunft in Weimar mitteile. — Nach dem Eintreffen der Brüder Johann Ernsts in Köthen soll der Französischunterricht fortgesetzt werden. Die Grammatica universalis (Wolfgang Ratkes ) sei nun ins Französische übersetzt, müsse aber noch durchgesehen werden. Ratke erwarte Balthasar Walther zusammen mit den sachsen-weimarischen Prinzen. — Ludwig Lucius werde von der Frankfurter Messe aus nach Köthen reisen und seiner Mitteilung zufolge noch vor Ostern in Anhalt eintreffen. || [113]

Beschreibung der Quelle

QThüring. HSTA Weimar: Fürstl. Haus A 285, Bl. 61rv u. 64rv [A: 64v], 61v u. 64r vacant; eigenh.; Eingangsvermerk von unbek. Schreiberh.; Sig.

Anschrift

A[Handschrift: [64v]]
Dem Hochgebornen fürsten, Herren Johann Ernsten, den jüngern, Herzogen zu Sachßen, Gülich, Cleve vnd Berg, Landtgraffen in Thüringen, Marggraffen zu Meißen, Graffen zu der Marck vnd Rauensperg, Herrn zu Rauenstein etc. Vnßerm freundtlichen vilgeliebten Vettern etc.
Zu S. Lbn Händen
Eingangsvermerk: ps. 22 Februarij 1619

Text


[Handschrift: [61r]]Hochgeborner fürst, freundtlicher viellgeliebter herr Vetter, E. L. freundtlicher begrüssung bedancke ich mich für micha vnd die meinigen zum freundtlichsten, zugleich vns dero gesunden zustandts von hertzen erfreuende. Die vberschickten groschen1 habe ich entpfangen, haltte dafur diese können zwart dem ietzigen lauff nach woll bestehen, doch wan ettwa eine form auff etwas geringer an stucken gemachtt wurde,2 köntte man nichtsb destominder auch dieser zur genüge gebrauchen, dieses bin ich aber nunmehr berichtett, das man im landt zu Braunschwig c zwo hundertt groschen auff die Marck Cölnisch 3 müntzen soll. Jemandts zu El. deswegen zuschicken, haltte ich nichtt für nöttig, zweiffele doch nichtt El. den sachen woll ihr rechtt werden thuen lassen, wie dan zuhoffen wan das Nürnbergische Jnstrumentt4 ankommen, es auch besser von statten gehen werde, soltte es aber sich lenger vorziehen, woltte vonnötten sein, das Pompwerck oder die Pompe,5 wie es genennett wirdt, zu bestellen, darzu sich der Jude David Jsraell 6 für diesem, dieselbe zu Gosslar zuwege zubringen, anerbotten. Von bruder Christians7 Ldn. werden El . beygefugtt beantwortett, do ferne nichts weitters eiliges einfellett, vormeinen sie gegen den dritten oder viertten Martij bey dero zu sein; Wan El . geliebte gebrudere8 ankommen, soll jn der frantzösischen sprach mitt fleis fortgefharen werden, vnter dessen ist die general Grammatica auch in Frantzösisch vbergesetzt worden,9 vnd beruhett auff vbersehung. Magister Gualters 10 erwartett Ratichius 11 mit El. gebrudern, vnd Lucius 12 wirdt nun, als ehr noch einsten zugeschrieben, von der franckfurter Mess noch für Ostern, geliebts Gott, hier sein; Gott helffe ferner, in dessen schutz ich El. hiermitt treulich befhelen thue, vnd wollen nechst stettigen eingedencken an deroselben, dero gesundtheitt nichtt vorgessen. Geben zu Cöthen den 20. Febr. 1619.

E. L. dienstwilliger treuer Vetter
Ludwig fzuAnhalt.

Died zwovndneuntzig stuck groschen sollen hier behalten, vnd bey dieser Monats Rechnung13 Ratichij ins künftige darauff gezehlett werden.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a m aus <die>
b nichtsdestominder für <doch>
c Folgt <dem>
d Bis werden. ohne Einschaltzeichen am Rande nachgetragen.

Kommentar
1 Vgl. Bornemann (s. 181207 K 4), 12, Nr. 4 u. 5.
2 Vorschlag, in der gerade eingerichteten sachsen-weimarischen Kippermünze das Gewicht der Geldstücke zu ver- || [114] mindern. Z. B. ergab sich ein Stückelungsplus dadurch, daß aus dem Zain eine größere Anzahl von Münzen herausgeschnitten wurde, als es der Münzfuß erlaubte. Der Rezeß des obersächsischen allgemeinen Kreis- und Münzprobationskonvents zu Frankfurt a. d. Oder , den weder die Fürsten von Anhalt noch die Herzöge von Sachsen-Weimar beschickten, wiederholte am 4. 5. 1619 die Aufforderung an diese und andere Landesherren, das inflatorische Münzen einzustellen. Johann Christoph Hirsch: Des Teutschen Reichs Münz-Archiv. 9 Tle. Nürnberg 1756–1768, IV, 111–115, hier 113; vgl. Bornemann, 4. Vgl. 181207, 181222 u. 181225.
3 Kippermünzen im Herzogtum Friedrich Ulrichs v. Braunschweig-Wolfenbütel (FG 38). Vgl. Max v. Bahrfeldt: Niedersächsisches Münzarchiv. Verhandlungen auf den Kreis- und Münzprobationstagen des Niedersächsischen Kreises, 1551–1625. Halle 1930. Dem Rezeß zufolge (Hirsch, a. a. O.) prägte Johann Ernst 180 Groschen aus einer Kölnischen Mark Silber.
4 Nicht näher bestimmte Geräte aus Nürnberg , vgl. 181207 u. 181225. Vgl. Anm. 5 .
5 Lt. Rezeß v. 4. 5. 1619 (Hirsch, a. a. O.) wurde im sachsen-weimarischen Münzbetrieb ein „Ziehe- oder DruckWerk” benutzt, d. i. ein Walzprägewerk (Druckwerk), in dem die Münzplatten zwischen zwei Walzen (mit Stempeln für den Avers bzw. Revers der Münzen) hindurchgezogen wurden. War der Frankfurter Konvent aber über den Stand der Weimarer Technik informiert? Vgl. Bornemann, 4: „War es vielleicht eine Spindelpresse mit Differenzialgewinde?” Der künftige weimarische Münzmeister Cyriacus v. Lehr hatte ein neuartiges Instrument „mit Schrauben und Pompen” : versprochen, dessen Schrauben nur in zwei deutschen Städten hergestellt werden konnten.
6 Unbekannt. F. Ludwig fügte seinem Brief an Hz. Johann Ernst d. J. (FG 3) vom 19. 6. 1619, (Thür. HSTA Weimar: Fürstl. Haus A 285, Bl. 103) abschriftlich eine (im Bestand fehlende) Mitteilung David Israels in der Münzangelegenheit bei. Da das Geld am 28. Juni zu Naumburg sein müsse, könne er (seinen Kanzler) Johannes Stalmann (FG 214), der dort zu tun habe, damit beauftragen. Am 16. 7. 1619 informierte der Fürst den Weimarer Neffen über eine nicht näher bekannte Schwierigkeit. Stalmann hatte Israel befohlen, nach Weimar zu ziehen und sich wegen des Silberkaufs zu rechtfertigen. Man müsse zu Erfurt bei den Pantzen, zu Ilmenau oder andernorts Bruchsilber aufzutreiben suchen. A. a. O., Bl. 107.
7 F. Christian I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) konnte den angekündigten Besuch bei seinem Neffen Johann Ernst nicht abstatten. Am 26. 2. 1619 teilte Ludwig Hz. Johann Ernst das Bedauern seines Bruders mit. (Das ehedem beigefügte Schreiben Christians fehlt im Bestand.) Ludwig sei vor wenigen Tagen mit seinen Brüdern Christian und Rudolph (FG 12) aus Dessau zurückgekehrt und hoffe, daß Christian „in Ratichij lehrart alles guttes befördern hellfen” (Thür. HSTA Weimar: Fl. Haus A 285, Bl. 69r) werde.
8 Pz. Albrecht (FG 17) und Pz. Ernst (FG 19) trafen zur Teilnahme am Französischunterricht (vgl. 181222, 181225) am 23. 2. 1619 in Begleitung des weimarischen Kammerrats Friedrich v. Kospoth (FG 55) in Köthen ein. Thür. HSTA Weimar, a. a. O. Vgl. 180102, 181023 K 7, 181207 u. 190424. Drei Briefe Ernsts an seinen Bruder Johann Ernst d. J. (Thür. HSTA Weimar: Fl. Haus A 194 , Bl. 299r–303v; 25. 2. 1619, o. D. bzw. 8. 3. 1619) geben Auskunft über die Lebensumstände der Prinzen in Köthen , u. a. über den Gebrauch des Ölbergers (s. 171224. 171225. 240112. 250305) beim Gastmahl (Bl. 299r). Die Prinzen können nicht lange in Köthen studiert haben. Der Brief 190424 berichtet noch von ihrer Anwesenheit am Hofe F. Ludwigs . Dort müssen sie in die FG aufgenommen worden sein. (Der Aufenthalt ihres Bruders Johann Friedrich , FG 18, kurz zuvor in Köthen dürfte auch zu seiner Aufnahme Anlaß geboten haben. S. 181225.) Im Mai 1619 brachen sie von Weimar aus zu einer zweijährigen Studienreise in die Schweiz und nach Frankreich auf. Bernhard Röse: Johann Friedrich der Sechste, Herzog zu Sachsen, Ernestinischer Linie. Neustadt a. d. Orla 1827, 21 f.
9 || [115] Die französische Version (s. 180102 K 3) der Grammatica universalis: Pro didactica Ratichii (Cothenis Anhaltinorum 1619) erarbeiteten Jean Le Clerq und F. Ludwig . Die französische Grammatik lag erst im Juli 1619 im Druck vor. Vgl. KR 63, 181225 K 7, 190318 K 7, 190324 u. 190424.
12 Vgl. 190308, 190324 u. ö. Ludwig Lucius (1577–1642), reformierter Theologe, Bibelübersetzer und Professor der aristotelischen Logik an der Universität Basel. DBA 785, 50–56; ADB Bd. 19, 354f.; Athenae Rauricae. Sive catalogus professorum Academiae Basiliensis (Basileae 1778), 392–397; Rudolf Thommen: Geschichte der Universität Basel 1532–1632. Basel 1889, 363. Mat. Basel II, 383. III, 268f. Ludwig Lucius ' vierbändige Briefsammlung in der StB Schaffhausen (Msc. Scaph 5–8 = Vol. I–IV) bewahrt F. Ludwigs Schreiben (Msc. Scaph. 5 [Vol. 1], Fasc. 1/1) und die des Köthener Hofmeisters Friedrich v. Schilling (FG 21), a. a. O. Fasc. 1/19. Daraus wurden im vorliegenden Band die Briefe 191231, 200826, 210421, 211006 und 240418 ediert. Am 6. 10. 1618 hatte der Fürst Lucius zur Mitarbeit an Wolfgang Ratkes Lehrwerk auf einen Monat oder sechs Wochen nach Köthen gefordert und zugleich Bürgermeister und Rat der Stadt Basel um die Freistellung des Professors „auf ein Par Monat” gebeten. Am 20. 11. wiederholte Ludwig seine Aufforderung an Lucius und schickte Kopien seiner vorhergehenden Schreiben. Da Lucius einem Gerüchte zufolge einer Synode (Dordrecht) beizuwohnen habe, möge er seine Rückreise über Köthen lenken. Die Briefe der Stadt Basel (4. 11.) und des Professors (5. 11.), die Ludwig laut seiner Antwort v. 25. 12. am 7. 12. empfangen hatte, teilten dem Fürsten mit, daß Lucius ' Aufenthalt wegen dringender Universitätsgeschäfte (Lucius ' Dekanat) verschoben werden müsse. Lucius werde „gegen nechstkünfftiger Franckfurter Mitfastenmeß” nach Köthen kommen. Am 25. 12. 1618 erkundigte sich Schilling in F. Ludwigs Auftrag bei Lucius , was dieser für seine Reise nach Köthen (gegen „Franckfurter mittfasten Marck” 1619) an Geld oder anderen Mitteln begehre. Am 20. 2. 1619 bestätigte Schilling den Empfang eines Schreibens des Professors vom 19. 1. am 11. 2. 1619 und teilte Lucius mit, F. Ludwigs Rat Heinrich v. dem Werder (FG 86) komme in der Schlußwoche der Fastenmesse nach Frankfurt/ M. , werde dem Professor 50 Reichstaler überreichen und ihn mit nach Köthen nehmen. — Diese Idee fand auch bei Lucius Zustimmung. Er hatte bereits 1617 zusammen mit Johannes Buxtorf in Basel an einem Lehrversuch Ratkes mitgewirkt (KR 43). Nach einer Darstellung (LHA Sa.-Anh./OB: Kö. C 18 Nr. 38, Bl. 2r–5v, hier 4) von F. Ludwigs Hand (Köthen , 20. 4. 1618: „Berichtt vnd erzehlung, welcher gestalt Wolfgangus Ratichius bey mir in kundtschaft gerahten, ich ihn gefodertt, ehr sich nach etzlicher zeitt eingestellett, vnd sein fürhabendes wergk bey mir anbrachtt.” Vgl. Reinschrift für Ludwig s Brüder, Bl. 33r–38r u. 38a v) schlug Ratke Lucius dem Fürsten als einen auch F. Christian I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) bekannten Mitarbeiter vor. (Vgl. KR 43. F. Christian I. hatte während seiner Statthalterschaft in der Oberpfalz Lucius als Konrektor des reformierten Amberger Paedagogiums [ca. 1605–1610] schätzen gelernt. Vgl. KR 45.) Lucius habe 1606 in Amberg ein Büchlein Christiana theologia veröffentlicht und sei jetzt Professor Organi Aristotelis zu Basel und im übrigen ein guter Graecus und Hebraicus. Um Lucius herbeizurufen, wandte sich Ludwig dieser Aufzeichnung nach an Christian . Er schlug ihm vor, den Professor vom ganzen Haus Anhalt für schätzungsweise maximal 500 Taler unterhalten zu lassen. Da das ratichianische Projekt jedoch von F. Ludwigs Brüdern nicht mitfinanziert wurde, scheiterte auch dieser Plan, dessen Verwirklichung Lucius auf längere Zeit nach Anhalt gebracht hätte. Dennoch konnte Lucius nach Köthen reisen und sich dort am 30. 4. 1619 offiziell zur Mitarbeit an der ratichianischen Reform verpflichten (KR 52). Lt. eines Schreibens Johann Sturms an seinen Vater Balthasar , den Bürgermeister der Alten || [116] Stadt Köthen , vom 18. 6. 1619 (StB Schaffhausen: Msc. Scaph. 8, Fasc. 3/14) lobte der Bernburger Hauptmann Heinrich v. Börstel (FG 78) Lucius , der ihm von F. Christian I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) und von seinem Bruder, dem hess.-kassel. Geheimen Rat Ernst v. Börstel (FG 61) sehr empfohlen worden sei. Deshalb solle J. Sturm an Lucius schreiben, um ihn nach Bernburg einzuladen. Sturm mangelte es aber an Zeit, so daß er seinen Vater bat, Lucius auf Sonntag, Montag oder Dienstag im Namen Börstels einzuladen. — Ein Notizzettel von der Hand F. Ludwigs bezeugt, daß dieser wohl im Juni 1619 den Aufenthalt des Professors bis ungefähr Mitte August 1619 zu verlängern trachtete: „Wegen M. lucij hierbleibens bis auff Bartholomæj.” (LHA Sa.-Anh./OB: Kö. C 18 Nr. 45, Bl. 10r). Unter dem 29. 6. 1619 sandte F. Ludwig Lucius zurück und dankte der Stadt Basel für die Beurlaubung des Professors. Er wünsche ihn auf künftig zu gebrauchen. StB Schaffhausen, a. a. O. (dort auch ein Dankbrief Ludwigs an die Universität Basel vom selben Tag). Lucius war aber am 27. 6. noch nicht von einer Reise an einen unbekannten Ort nach Köthen zurückgekehrt. Dort erwartete ihn ein „Contrefait" (Kleinod mit Porträt F. Ludwigs ?). Lucius ' Rückreise nach Basel scheint sich verzögert zu haben, denn noch am 16. 7. erwartete F. Ludwig , der damals in der Sommerfrische zu Reinhardsbrunn weilte, den Besuch des Professors bei dessen beiden fürstlichen Gönnern (Thür. HSTA Weimar: Fl. Haus A 285, Bl. 82, 103, 104 u. 107; Briefe F. Ludwigs an Hz. Johann Ernst d. J. v. 12. 5., 19. 6., 27. 6. u. 16. 7. 1619).
13 Monatliche Abrechnung F. Ludwigs über die Kosten des von Anhalt-Köthen und Sachsen-Weimar gemeinsam finanzierten ratichianischen Lehrversuchs. Vgl. 181225.
Seite drucken

XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000213/briefe/190220.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000213/tei-transcript.xsl