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190424
Balthasar Walther an Wolfgang Ratke (Archilupus)
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190424

Balthasar Walther an Wolfgang Ratke (Archilupus)


Walther erkundigt sich nach dem Befinden Wolfgang Ratkes (Archilupus) und seiner ,Wölflinge', der Professoren Zacharias Brendel d. Ä. , Jacob Martini und Michael Wolf . Unter dem Schutz F. Ludwigs verteidige er Ratkes Lehrwerk gegen warnende Besserwisser. Die Mitarbeiter der Köthener pädagogischen Reform sollen nicht zögern wie der Cunctator. — Da Ratke nach Magdeburg strebt, wie Walther erfahren hat, warnt er ihn davor, sich mit den dortigen Kaufleuten auf ein so schwieriges Unternehmen einzulassen. Er malt diese Vorstellung im Bilde einer gefahrvollen Schiffahrt mit Heilpflanzen und Gewürzen aus. — F. Ludwig , der Fruchtbringer, habe für den Unterricht der sachsen-weimarischen Prinzen (Albrecht FG 17, Ernst FG 19) die vierte Deklination der französischen Köthener Grammatik seines Studiums gewürdigt. — Ein Notar nimmt Walthers Zeit in Anspruch und macht Fahrten notwendig. Walther übermittelt die Grüße des Jenaer Professors Peter Dietrich und schickt Ratke den von Dietrich bearbeiteten Text der Institutiones Kaiser Justinians .

Beschreibung der Quelle

Q LHA Sachsen-Anhalt/ Oranienbaum: Abt. Köthen C 18 Nr. 31, Bl. 19r–20v [A: 20v], 20r vacat; eigenh.; Sig.

Anschrift

ADem Hochgebomen Füersten, Herren Johann Ernsten , dem iüngern, Herzogen zuh. Wolfgango Ratichio Didactico in Cöthen , zuzustellen. Cöthena No. 12.

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Quid agitis ô mei? Brendeli , Martini , Wolfi 1 salvete! Et tu quoque Archilupe. Ego quid agam vix scio. Aiilocutii2 Musas nostras didacticas interturbant. Molior patrocinium; ut emoljar, faxit unicus Ӕquitatis arbiter! Quid sedetis Wolfii , dicamne prioristice; an posterioristice? Fors Romanus ille vobis in aurem: Fabii 3 etiam sedendô vicerunt. Vix adducor ut credam. Currite! non; dicetis. Curru aio, non pedibus. Sed quorsum? Retulit mihi non ita pridem nescio quis, Archilupum tendere in Virginiam.4 Periculosa navigatio! Quô comite? arduum moliuntur opus mercatores isti, quibus proba merx asportanda est. Tu posterioristi[19v]ce sis nauclerus; tu verò posterioristiceb navi te crede: Egob spirantibus Elysiis portum ex operto tumc auguror. Non tantum Rebarbarâ 5 navim onerabitis, verum etiam aliis aromatibus procul dubio fragrantioribus. Sed quôrsum abripior? Singulari animj gestientiâ percepib Jll.um Fructiferum6 unà cum aliis nostris Dominis carissim isb7 quartam declinationum studiob suô dignari. Nunquam ullumb

Expectata seges vanis eludetb aristis. 8

Jam non plura: plura vellemb si prop e inopinata poßem, Virb enim curru descendens, tabellionemb9 heri advenientem invenio, curruibme ac tutum commissurus.

Valete ỏμoθυματòν!

Jene 24 Apr. 1619. T. B G10

A D. D. Theodorico11 salutere & vero unâ cum gratiis & Jnstit. emaculatis.12

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a || [125] Folgt postalischer Vermerk No. 12.
a Bindung verdeckt Buchstaben
b Die durch die Bindung verdeckten Buchstaben erlauben auch die Konjektur exquisitum.

Kommentar
1 Die Jenaer Professoren Balthasar Walther (Gualtherus; s. 181023), Zacharias Brendel d. Ä. (s. 181023), Michael Wolf (s. 181023) und der Wittenberger Professor Jacob Martini gehörten zu den Mitarbeitern der 1618 von F. Ludwig und seinem Neffen, Hz. Johann Ernst d. J. v. Sachsen-Weimar (FG 3), in Köthen 1618 in Angriff genommenen ratichianischen Bildungsreform. Auf deren Programm standen auch ein Schulversuch und die Abfassung von Lehrbüchern durch eine große Anzahl von Gelehrten. Vgl. KR u. Dünnhaupt: Druckerei. Martini (1570–1649) war damals Professor der Logik und Metaphysik zu Wittenberg . DBA 808, 377–390. Mit Walther geriet Ratke bald in einen heftigen Streit, der zu seiner Verhaftung im Oktober 1619 beitrug. Vgl. LHA Sa.-Anh./ OB: Kö. C 18 Nr. 52.
2 Zu Aius Locutius, Ansager, Warner (der Römer vor dem Angriff der Gallier); hier etwa: Besserwisser.
3 Q. Fabius Maximus Verrucosus , der berühmte Cunctator, vermied im Kampf gegen Hannibal die Entscheidung durch eine Schlacht, band so die Macht des Puniers und trug wesentlich zur Bewahrung der römischen Republik bei. Vgl. Enn. ann. (O. Skutsch) 12, 363: „Vnus homo nobis cunctando restituit rem.”
4 Magdeburg . Sonst gelegentlich Virginum civitas genannt. Vgl. Johann Georg Theodor Graesse: Orbis latinus, 2. Aufl. bearb. v. F. Benedict. Berlin 1909, 237. Nach seiner Freilassung aus der Haft im anhaltischen Warmsdorf wandte sich Ratke im Juli 1620 nach Magdeburg und unternahm dort einen neuen Versuch, seine ,Lehrart' einzuführen. Gideon Vogt: Wolfgang Ratichius, der Vorgänger des Amos Comenius. Langensalza 1894, 109ff.
5 Wohl Rhabarberwurzel. Geheimnisse und Heilkräfte der Pflanzen. 2. verb. Aufl. Zürich usw. 1980, 327. Zur ungewöhnlichen Lautform aus dem Apothekerlatein vgl. Laurentius Diefenbach: Glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis. Francofurti ad Moenum 1857, 486 ("Rebarbarum"), auch Jacobus Theodorus Tabernaemontanus: Neu Vollkommen Kräuterbuch. Basel 1731, 1308 (deutsch "Rhebarbara"). Eigentlich Rheubarbarum, Rhabarbarum, Rhaponticum. Hier wohl auch ein Wortspiel mit re barbara.
6 F. Ludwig .
7 Die domini carissimi sind die zum Studium des Französischen am 23. 2. 1619 in Köthen eingetroffenen Brüder Hz. Johann Ernsts d. J. v. Sachsen-Weimar , Albrecht (FG 17) und Ernst (FG 19). S. 190220 K 8. Da F. Ludwig selbst die Elementargrammatik des Französischen nicht mehr zu erlernen hatte, wird er damals die „Quatriesme Declinaison” der „DECLINAISONS DES SUBSTANTIFS” für La grammaire universelle Pour la didactiqve de Ratichius (Cöten 1619), Bl. [B4]r erarbeitet und mit den Prinzen durchgenommen haben. Vgl. 190324 K 4. Die französische Version der Universalgrammatik Ratkes erschien erst im Juli 1619. S. 180102, 181225, 190308 u. 190318.
8 Verg. georg. 1, 226: „expectata seges vanis elusit avenis” , vgl.: „Neu seges eludat messem fallacibus herbis” (Tib. 2, 1, 19). Nach Louis Quicherat: Thesaurus poeticus linguae latinae. Paris 1922 (Ndr. Hildesheim 1967), 1015.
9 Notar.
11 A Domino Doctore Theodorico. Peter Dietrich (Theodoricus), 1580– nach 1637 (1640?), I. U. D., Jenaer Professor der Rechtswissenschaft. Vgl. Mat. Jena XLV, 330 u. ö.DBA 1265, 132f. (Todesjahr 1604 falsch).
12 Offenbar der Text für die Ausgabe: Imp. Cæs. Justiniani institutionum libri IV. Pro didactica (Cothenis Anhaltinorum 1622). Am 4. 4. 1619 hatte Walther Ratke „Jnstitutionum textum emaculatum” (LHA Sa.-Anh./ OB.: a. a. O., Bl. 21r) angekündigt. Auch eine deutsche Übersetzung wurde für die Köthener Reform gedruckt: Der Rechten Desz Keysers Justiniani vier Anweisungs-Bücher. Zur Lehrart (Cöthen 1622). Vgl. 210421.
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