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200826
Friedrich von Schilling an Ludwig Lucius
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200826

Friedrich von Schilling an Ludwig Lucius


Lucius ' Brief aus Basel vom 24. 6. 1620 hat Schilling (FG 21) am 15. 7. 1620 empfangen. Da inzwischen in Köthen schon ein neuer Schriftgießer angestellt wurde, benötigt man Othmar Bergk nicht mehr für diese Aufgabe. — Nach der Ausweisung Ratkes , der nach seiner Unterschrift unter einen scharfen Revers freigelassen worden ist, setze man in Köthen seine Lehrart fort. Sollten die Akten des gegen Ratke in Basel angestrengten Prozesses, wie von F. Ludwig begehrt, abgeschrieben sein, möge Lucius die Kopie auf der Frankfurter Herbstmesse überschicken und ggf. auch ein weiteres Stück seiner Verdeutschung des aristotelischen Organon beilegen. — Sonst gebe es wenig zu berichten: Gabriel Bethlen soll bald zum ungarischen König gekrönt werden. Spinola steht nicht weit von Frankfurt a. M. und will angeblich nach Böhmen ziehen. Das Heer Kf. Johann Georgs I. v. Sachsen liegt in der Nähe der böhmischen Grenze.

Beschreibung der Quelle

QStB Schaffhausen: Msc. Scaph 5: Ludwig Lucius Briefwechsel. Vol. I., Fasc. 1/19: 1 Bl. und ein Umschlagsbl. mit A, ungez.; eigenh., 2 Sig.

Anschrift

ADem Ehrnuesten Hochgelarthen h. Ludovico Lucio , Professorn bey der Universitet Basel
etc meinem insonders geehrten Freundt etc. Basell. — Postalische Vermerke: 45 II - Franco biß #f Strasburg

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Meine freindtwilliege dienst vnndt gruß, sambt kegen wünschung von Gott dem Allmechtigen, aller glücksehligen vnndt ersprüßlichen wohlfardt, iederzeit beuorn. Ehrenuester, Hochgelerther insonders geehrter Freundt, deßelben sub dato Basell 24 Junij ahn mich gethanes schreiben,1 ist mir diß orts den 15 Julij, wohl eingehendieget worden, darauß deßelben gutten Zuestantt mitt frewden verstanden, vnndt sein demütigen gruß vndt bereidt vntherthänige dienste, bey JJ. FF. GG.2 beyderseits, gebührender maßen, angemeldet: Belangendt nun Othmar Bergk 3 , so ist man dieses orts mitt einem schrifftgießer albereidt vorsehen, vndt wirdt alhier nach der Lehrartt R.a in docendo stets fort gefahren, welcher auf ein starcken von sich außgestalten revers, nunmehr dimittiret vndt || [143] weg geschafft worden;4 die acten so sich zue Basell mitt ihm verlauffen, vnndt von meinem gnedigen Fürsten vndt herrn, vor diesem begehret worden,5 wolle der herr, dafern die abschrifft derer verfertieget, vnbeschwert auf itzo Franckfurter herbstmeß, wie auch gleicher gestalt da ettwas in VerTeutschung des Organi Aristot. elaboriret,6 zuevberschicken, vnuergeßen sein. Newes dieser orthen wenig, dan das Bethlehem Gabor nunmehr baldt zum Vngrischen König wirdt gekrönedt werden.7 Spinola ist mitt seinem grosen exercitu nicht weidt von Franckfurdt am Meyn , vndt wie vorgeben wirdt, begehrt er nach Böhmen seinen weg zunehmen.8 Des Churfürsten zue Sachsen geworbenesb liegt ahn itzo zwischen Dreßden vndt Birn 9 nicht weidt von der Böhmischen grentze, deren beyder lager verholen hordtc 10 man gar in kurtzen zu vernehmen; Gott der Allmechtige stehe seinem kleinen Christenheufflein bey, in deßelben allergnedigste obacht thue ich den herrn hirmit treulich empfelen, vndt vorbleib deßelben allezeit,

dienstwilliger gutter Freundt
Friedrich von Schillingk mpp

GebenCöthen in eill den 26 Augustij 1620.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
b Erg.: Exercitus bzw. Heer
c Aus einem unlesbaren Wort.

Kommentar
1 Unbekanntes Schreiben des Baseler Professors Lucius . S. 190220.
2 Ihre Fürstlichen Gnaden. Gemeint sind wohl F. Ludwig und Fn. Amoena Amalia v. Anhalt-Köthen (AL 1618, PA, TG 2).
3 Schriftgießer in Basel . S. 191231.
4 Zu Wolfgang Ratkes Arrest und seiner Landesverweisung nach Unterzeichnung eines Reverses s. 191231.
5 S. 191231.
6 Zur Ausgabe und Übersetzung des aristotelischen Organon durch Lucius s. 191231.
7 Gabriel Bethlen, F. v. Siebenbürgen und zeitweiliger Verbündeter der antihabsburgischen protestantischen Partei, wurde zwar am 25. 8. 1620 n. St. auf dem Reichstag von Neusohl zum König v. Ungarn gewählt, ließ sich aber trotz seines Bündnisses mit dem Winterkönig durch Vermeidung einer Krönung eine Hintertür zum Ausgleich mit dem Kaiser offen. Ritter: Deutsche Geschichte, 76. Vgl. 200318 K 6.
8 Marchese Ambrosio Spinola de los Balbazes (1571-1630) hatte Mitte August 1620 an der Spitze eines spanischen Heeres Mainz erreicht. Während er noch vorgab, nach Böhmen ziehen zu wollen, verdichtete sich der Verdacht, daß er die Unterpfalz erobern wollte. Am 26. 8. setzte Spinola bei Mainz über den Rhein und griff am 31. 8. das pfälzische Kreuznach an. Gindely I. 3, 266ff.
9 Pirna . Kf. Johann Georg I. v. Sachsen bereitete damals seinen unmittelbar bevorstehenden Einmarsch in die Oberlausitz vor, um dieses böhmische Lehen wieder der habsburgischen und letztlich seiner eigenen Herrschaft zu unterwerfen. Gindely, a. a. O, 397ff.; Theatrum europaeum I, 368. 373. Ritter: Deutsche Geschichte, 90 berichtet, daß sich Herzog Maximilian I. v. Bayern im Mai 1620 mit dem Kurfürsten über einen gemeinsamen Kriegsplan verständigen wollte. Johann Georg weigerte sich allerdings loszubrechen, bevor Bayern einen kräftigen Stoß gegen Bömen geführt hatte. Vgl. BA I. 1, 421 Anm. 1: Karl Hannibal zu Dohna berichtet Kurköln am 5. 9. aus Dresden , daß das kursächsische Heer am 3. 9. (n. St.) aufgebrochen und „über die elbbrücken nach der Lausitz marschiert” sei — „heut folgen 1000 geworbene pferde, morgen aber der herr churfürst mit der hoffahn [...] hernach des generalleutenants grafen Wolfs von Mansfeld compagnia.”
10 Wortspiel Hort/Horde. || [144] Nach DW IV. 2, 1804f. Horde, md. Form für Hürde; (angeblich) erst im 18. Jahrhundert im Sinne von Horde, Schar belegt. Vgl. Stieler, 868. Bezeichnend für das Schwanken der Bedeutung und Form Stieler, 775, wonach Hort auch — unter dem Einfluß der Bibelübersetzung Luthers (1545: Ps. 62, 3: Gott „ist mein Hort/ meine Hülffe/ mein Schutz” ) — bezeichnen soll „columen, refugium, petram, & summitatem montium, tanquam locum salutis, inde quoque tribuitur Deo & Heroibus liberatoribus.” Gemeint sein dürfte aber ebenfalls das aus tatar. urdu Lager, türk. ordu Heerlager, Heer mittelbar entlehnte deutsche Wort Horde (vgl. Goldene Horde), in dessen Verständnis sich schon im 16. Jahrhundert der Übergang zur Bezeichnung einer kriegerischen Schar andeutet. Kluge/Mitzka, 316. Da Schilling neben dem Polnischen (horda) auch etwas Türkisch verstand, ist im Textzusammenhang kein Zweifel an einer Anspielung auf die ursprünglichere Bedeutung ,Heerlager' erlaubt.
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