Stellungnahme zu
210401. Vgl.
200125. Die lobende Erwähnung des Gesellschaftsnamens
und Mottos
Aus dem Winckels (Der Grüne, FG 35) in einem Schreiben
Jost
Andreas' v. Randow (Der Leimende, FG 22) an eine Gruppe von Mitgliedern der FG
veranlaßt den Grünen, nach zweijährigem Zögern
Randow seinen Dank nicht privat
abzustatten, sondern die Ehrung in einem Brief an die Gesellschaft zu erwidern. Das
(mehrdeutige) Wort Leim, das auch im Motto
Aus dem Winckels (s. Anh. I u. II)
vorkommt, soll die Menschen zur Selbsterkenntnis und Klugheit führen. Der Gesellschaftsname
des Grünen gibt Anlaß zu allegorisierenden Reflexionen über seine Impresenpflanze
(Stechpalme), die von deren Bezeichnung, von botanischen und medizinischen
Eigenschaften und von der Verwendung im Haushalt und beim Falkenfang ihren
Ausgang nehmen.
Text
Sendt-brieff deß Grünen
An Die Fruchtbringende gesellschafft.
Vber sein genommenes Gemählde und Wort.
1
HOchgeehrte gute Freunde Vertrawte Liebe gesellen: Es
hat der Leimende in seinem Leim bericht/ gegeben am ersten Aprill deß 1621.
Jahrs/ meines Namenß und worts mit sonderlichen Lob und ruhm gedacht/
2
dannenhero ich verursachet worden/ den sachen in meinem wenigen Verstande
nach zu sinnen/ auch in etwaß angestanden gegen wehme ich mich danckbar
hierunder bezeigen solte/ entweder gegen jhne/ den Leimenden besonders/
nach dem solch mein Lob-gedechtniß durch ihn ans tageliecht kommen/ oder
aber gegen die gantze Hochlöbliche Fruchtbringende gesellschafft/ deren es
zugeschrieben worden/ ist also dannenhero von mir wie wol ein zweyjähriger
verzug meines stilschweige
ns/ doch entliche
n auch dieser schluß erfolget/ ich
würde besser thun/ wan
n [(Avij)r] ich das gemeine dem sonderbahren vorzöge/
und gegenwertiges danckschreiben an hoch und vorgedachte gantze Gesellschafft
abgehen liesse/ do dann nicht köndte unterlassen werden/ zugleich
seines Lobwürdigen geselligen Edlen gemüths/ welches dann allezeit einem
anderem zu seinem preiß und Ehren behülfflich ist/ zugedencken/ und jhme
lieber insgemein vor menniglich/ als in seiner gegenwart alleine/ sein gebührendes
lob hinwieder zugeben/ ja man hette mich vielleicht für gar zu Grün
achten und schetzen mögen/ wann ich lenger meine gebühr hindangesetzet
oder gar stillgeschwiegen hette.
Wolle demnach so wol die gantze Löbliche Gesellschafft/ als insonderheit
der Leimende negst behöriger dancksagung/ vor die mir wiederfahrne Ehr und
ruhms/ jhnen nicht zu wieder sein lassen/ das ich auß solcher anleitung etwas
vom Leim insgemein/ doch kürtzlich/ und dann von meiner genommenen
Frucht und Leim insonderheit/ die notturfft andeute.
Wie wol nun in vorangezogener schrifft der lustige verstandt deß Leimworts
genugsam auß/ und durch alle Stände fast hindurch geführet worden/
so wil mich doch bedüncken dieses darbey außgelassen sey/ d
aß weil d
er
erste und alle nachfolgende Menschen ihrer jrdischen art nach/ von dem
Leim
3 jhren Anfang Vrsprung und herkommen haben/ ein jedweder sich so
viel destoweniger seiner Leymerey und Leimarten zu vberheben/ sondern im
zurückdencken desto vorsichtiger damit vmbgehen solle/ auff das er nicht
darinnen verjrret/ verwickelt und gantz verklebet bleiben/ und also demselben
zwar kennen/ auch gebrauchen/ aber nicht mißbrauchen möge/ und weil
diese erinnerung von meiner einfalt nicht übel auffgenommen werden kan/
do ich daß andere alles den hochverständigen der Natur und weißheit kündigern
anheim stelle/ so wil ich nun ferner zu dem vor mich gehabten zweck
schreiten. [(Avij)v] || [
185]
Den Namen deß Grünen habe ich mir genommen/ weil die gestalt dieses
gestreuchs der Stechpalme
n oder Waldtdiesteln/ sonste
n an etlichen ortten
Teutschlandes auch Hulst
4
genandt/ im Stengel un
d den blettern/ die auff
dem ra
nde stachlicht/ inwe
ndig aber glat/ ausser den beerlein so es tregt/
welche Lichtroter farbe seind/ gantz und stetig Grün ist/ darnebenß im
wort andeutende/ d
aß wir in hohe
n sachen von wegen deß Jrrdische
n
Leims/ dessen kein Mensch ohne ist/ nur gar zu frisch kalt und Grün
seindt/ und nimmer zur rechten vollkommenen reiffe in diesem jrdische
n
Leben
a gelangen können. Auff die Natur krafft wircku
ng und gebrauch
dieses Baums aber wieder zu kommen/ so sol
b derselbe als die Naturkündiger
5
schreiben/ warmer und feuchter natur sein/ Jm Leibe werden die
bletter sehr wieder das seiten stechen und husten zu pulver zerstossen/
und im trunck eingegeben gebraucht. Also treiben auch die beer dieses
gewechses/ wenn deren zehen oder zwölffe eingenommen/ denen so das
grimmen haben/ den zähen schleim auß dem Leibe. Von aussen ist sein
gebrauch also/ wenn jemandt verrenckte oder verhärte glieder hette/ der
siede diese Wurtzel und bähe den gebrästen damit/ so zerweicht und
zerlöset es die harte beulen am gantzen Leibe. Die bletter sonderlich da
sie jung werden von dem schaffviehe/ ob sie schon stachlicht gar gierig
gessen/ und außgeklaubt/ an den beeren suchen die Vögel jhre Narung.
Wie den insonderheit das anmutige waldt vögelein die Nachtigal/ welche
sonderzweiffel dannenhero/ das auch sie deß nachts alzugleich jhren gesang
mit dichtet/ den namen hat/ zu diesem gestreuch eine grosse beliebung trägt/
und unter seinen schatten jhr verlohrnes gespiel mit hefftigen klagen wieder an
un
d zu sich locket. Man pfleget auch die bletter an die ort
c vmbher zu hencken/
wo Speckseiten oder gesaltzen Fleisch hanget/ dann sie mit jhren stacheln den
Meussen wehren/ das sie nicht darzu kommen mögen.
6 Damit aber [(Aviij)r]
der Leimende hier nebst nicht in den wahn verbleiben möge/ er sey mit seinen
Vogel-Leim alleine der beste/ so verachte ich zwar solchen nicht/ besonders
zu kleinen gevögell/ habe aber dieses dabey meiner noturfft nach vermelden
sollen/ das der Leim so von den abgescheiten rinden dieses Baums auff nach
folgende masse zugerichtet wird/ viel fester/ zäher/ an sich ziehender auch
haltender/ ja edler ist/ sintemal damit die vornembste besten Beißfalcken
d 7
gefangen werden/ und wil ich also dem Leimenden als einem Liebhaber des
Weydewercks zu sonderbahrer gegen-dancksagung
e die bereitung dieses
Falckenleims hiermit gelehret haben/ das er nemblich die abgeschelte rinde mit
den bletteren in die Erde an einen feuchten ort biß an den zwölfften Tag
vergrabe/ und wann solches zusammen verfaulet/ zerstosse/ in reinem Wasser
wasche/ und waß zähe und schleimicht bleibet/ zu solchen Vogel Leim gebrauche.
Es geben auch etliche vor/ wann man in diese stauden/ weil sie noch
jung sein/ weise Rosen peltzet oder propffet/ solche etwas Grünlicht werden
sollen.
8 Auß welchem allen dann nicht allein jedermenniglich zu sehen/ das dieses
von mir genommene Gewächs nicht ohne sonderbahren Nutzen/ fruchten und
bedeutung ist/ sondern auch die gantze Hochlöbliche Gesellschafft mein gutes
|| [
186]
gemühts jhr und jederman williglich zu dienen verhoffentlich zu spüren/ in
dero Genaden und gunst ich mich zum aller fleissigsten mit meinem armen
doch wolgewilten Leim befehle. Geben auß meinen Grünen Waldtstübelein/
den letzten
April. Jm jahr/ 1623.
Ewer
allezeit unterdienstlicher guter Freundt und Gesell/
Der Grüne.