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Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Fürst Ludwig
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Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg an Fürst Ludwig


Pz. Christian (FG 51) beantwortet F. Ludwigs Schreiben vom 4. 10. 1623 und bedankt sich für die Übersendung der deutschen Übersetzungen von zwei französischen Werken (Pierre Du Moulin d. Ä.: Héraclite, de la vanité et misère de la vie humaine; Marie Le Gendre Dame de Rivery: Cabinet des saines affections). Seine Meinung über den ihm von Johann Löw geschickten kaiserlichen Geleitsbrief für F. Christian I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) und besonders über seine geplante Reise an den Kaiserhof habe er Heinrich v. Börstel (FG 78) geschrieben, der sie Ludwig mitteilen werde. — Christians Erkrankung hat sich, wie von Ludwig vorausgesagt, als langwierig herausgestellt. Die Krankheit habe sich nämlich zum Quartanfieber entwickelt, das nach dem Urteil der Ärzte nicht vor dem Frühjahr vergehen werde. — Zufällig traf Christian auf einer Reise Adolph v. Börstel nicht erst, wie geplant, in Mailand , sondern schon bei Verona . Börstel habe nichts für ihn erreicht. — Christian bedauert sehr den Tod seines lobwürdigen Onkels Gf. Adolph v. Bentheim-Tecklenburg und bittet Ludwig , der verwitweten Gfn. Margaretha sein Beileid auszusprechen. — Christian tritt nun seine verschobene Reise nach || [221] Rom an. Auf dem Wege will er Giovanmaria Bissini treffen und mitnehmen, auch ihm einen gewissen Brief geben.

Beschreibung der Quelle

QLHA Sachsen-Anhalt/ Oranienbaum: Abt. Köthen A 9a Nr. 30, Bl. 66r-67v,
[A: 67v]; Bl. 67 durch Klebestreifen befestigt; eigenh., mit Eingangsvermerken F. Ludwigs und eines Unbekannten; Sig.

Anschrift

AA Monseigneur, & treshonorè Oncle, Monseigneur Le prince Louys d'Anhalt , a Cöten:
Eingangsvermerk von unbekannter Hand [67r]: praes. Cothoniæ. ☾: 17. Novembris Anno 1623.
Eingangsvermerk Ludwigs [67v]: Pres. 5. Decemb. 1623

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Monseigneur & treshonorè Oncle. Je viens de recevoir celle de V. A. du 4/14 Octobre,1 la remerciant de l'envoy du Heraclite,2 & du cabinet des saines affections.3 Löben4 m'a mandè la copie du saufconduict pour Monseigneur, dont i'en ay escrit mes opinions a Henry Börstel ,5 lequel les communiquera a V. A. particulierement pource quj concerne mon voyage a la court Jmperiale. V. A. me dit bien dernierement que i'aurois affaire longtemps avec ma fievre,6 car elle s'est tournee en quartane, & ne me doit abandonner suivant le dire des Medecins7 avant le printemps. Je ne m'en apperceus bonnement qu'a Verone , pensant aller a Milan rencontrer Adolf Börstel 8 & par curiositè mais il me fit rebrousser me prevenant a Verone . Jl n'a eu nulle expedition. [66v] Je regrette infiniment la mort de feu Monsr. le Conte Adolfe 9 mon Oncle, que i'honorois & estimois grandement pour sa prudence & gentillesse qui reluisoyent en luy, outre toute sorte de belles, & bonnes qualitèz, requises, en un tel cavallier. C'est le chemin par lequel il faut que nous passions, & bienheureux celuy qui le passe avec une conscience pure & gaye. V A. ne manquera de consoler en ce triste accident Madame sa compagne ma Tente,10 toutesfois je la supplie treshumblement de luy plaindre le dueil en mon nom, & me recommender avec la permission de V. A. en ses bonnes graces, la remerciant treshumlement de la bonne souvenance qu'elle a de moy. Et je suis,

Monseigneur, de V. A. le treshumble & tresaffectionnè nepheu,
Ch. Prince D'Anhalt.

de Padoue ce 1/11 de Nov. 1623.

[67v] P. S.
Monseigneur, je m'en vay a Rome11 & en chemin prendray Bissing12 avec moy, alors je luy livreray ma lettre si Dieu ne defend mon voyage comme il a fait iusques icy.

Textapparat und Kommentar

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Kommentar
1 Den Inhalt dieses verschollenen Briefs gibt Christian: Tageb. III (30. 10./9. 11. 1623) an: „Schreiben von F. Ludwigen , daß herzog Augustj von Lünenburg , vndt meiner base freulein Dorothea hochzeit zu Zerbst auf den 27. Oct. st. v. fortgehen werde. Jtem daß mein vetter Graff Adolff von Bentheimb todes verfahren. Er ist ein tapferer verständiger herr gewesen, vndt ist wol zu beklagen, dann wenig Graffen im Reich, ihme || [222] gleich gewesen. Jtem das Mansfeldt auß Ostfrieslandt, gewichen, vndt solches den Staden, eingereumbt. Tilly liege in der Grafschafft Bentheimb Steinfurt vndt Lippe vndt da herumb. Man vermeinet er werde sich Marpurgs impadroniren vor L. Ludwigen . Jch habe F. Ludwigen wieder geschrieben.” Vgl. KT XI2. Christians (FG 51) vorliegende Antwort auf Ludwigs Schreiben ist also vordatiert. Zur Vermählung Hz. Augusts d. J. v. Braunschweig (FG 227) mit Pzn. Dorothea v. Anhalt-Zerbst (Tochter F. Rudolphs , FG 12) vgl. 230819. Gf. Adolph v. Bentheim , s. unten. L. Ludwig ist Lgf. Ludwig V. v. Hessen-Darmstadt (1577-1626).
2 Pierre Du Moulin d. Ä: Héraclite, de la vanité et misère de la vie humaine, dt. Vgl. Kat. Dessau BB 3335: Heraclite ou de la vanité de la vie humaine. MDCIX. 12° (Verlust). F. Ludwig scheint Pz. Christian die in Köthen gedruckte Übersetzung Pzn. Eleonora Marias v. Anhalt-Bernburg (AL 1617, TG 17) geschickt zu haben: „Heraclitus Oder Betrachtung der Eitelkeit und Elend des Menschlichen Lebens. Aus dem Frantzösischen/ in unsere Teutsche Sprach versetzet. Gedruckt im Jahr 1623." Folgt im Druck mit dem zitierten Zwischentitel und fortlaufender Bogenzählung ([M]r-[Qx]v) hinter Hans Ernsts v. Börstel (FG 41) Übersetzung Schatzkämmerlein Heilsamer Zuneigungen, s. 230809. Vgl. Christian: Tageb. III; 2./12. 11. 1623 (vgl. KT 174): „Abrahamj Sculteti Predigt gelesen. Jtem in einem buch so meine Schwester frewlein Eleonora verdeutschet, Meditation de vanité de la vie humaine, welches neulich zu Cöthen gedruckt worden.” Vgl. auch Kat. Dessau BB 3336: „(Eleonore Marie , Prinzessin von Anhalt, Uebersetzerin), Heraclitus oder Eitelkeit u. Elendt dess menschlichen Lebens etc. 4 Abschnitte. Aus dem Franz. (Geschrieben.) Anno MVCVVIII denn I Januarij. 1 Bd. 4°. Prgtbd.” Verlust. Eine andere gemeinsame Auflage der Übersetzungen Börstels und der Prinzessin erschien in Köthen 1641. Vgl. StB Dessau BB 25361 E.
3 [Marie Le Gendre Dame de Rivery]: Le Cabinet des saines affections; vgl. 230809, 230913 u. 231008. F. Ludwig dürfte, wie angekündigt (s. 230809), Pz. Christian II. Hans Ernsts v. Börstel deutsche Übersetzung mit der angehängten Du Moulin-Übersetzung (s. Anm. 2) gesandt haben, nicht notwendig auch den Köthener Neudruck der französ. Fassung (s. 230809).
4 Dr. Johann Löw fungierte als Agent am Reichshofrat. Vgl. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs. Hg. v. L. Bittner. Inventare Österreich, staatl. Archive V. 4-8. Wien 1936-1940, hier I, 47 u. 298; III, 174 u. 233.Löw informierte Christian II. während des Italienaufenthalts offenbar laufend über den angestrebten Pardon für F. Christian I. v. Anhalt-Bernburg (FG 26) und über andere politische Angelegenheiten. Vgl. 230809 u. 230913. Am 27. 10./6. 11. 1623 notierte Christian II. in seinem Tagebuch (Bd. 3), daß nach Löws Bericht der Kaiser für Christians Vater einen Geleitsbrief ausgestellt habe und für seine Lösung aus der Acht das Erscheinen Christians I. in Wien fordere. Christian II. hielt sich noch immer für eine diplomatische Mission am Kaiserhof verfügbar.
6 Zu Christians Quartanfieber, das mit seinen wechselnden Anfällen wie Malaria verlief, vgl. 230802, zu F. Ludwigs Urteil 230913. An seine Mutter, Fn. Anna (AL 1617, TG 16), hatte Christian noch am 2./12. 10. 1623 geschrieben: „Ç'a estè asseurè nj de la continue, ni de la (tertiane) tierce ni de la fievre quarte. J'espere de me reigler en sorte qu'elle ne reviendra plus, & certes cela me couste assèz. Monsr. mon Oncle le Prince Louys dit, qu'il l'a eu tout de mesmes, & qu'a peine l'on en peut estre quitte, si tost, m'escrivant qu'elle est plus dangereuse en Italie qu'en Allemaigne .” LHA Sa.-Anh./ OB: Bernb. A 9a Nr. 195, Bl. 151r
7 Der Christian während seines Aufenthalts in Padua fortlaufend behandelnde Arzt war Adriaan van den Spieghel . S. 231008.
9 Gf. Adolph von Bentheim-Tecklenburg (geb. 17. 7. 1577), der älteste Bruder von Christians Mutter Anna . Vgl. Anm. 1. Sein Sterbetag wird in der Literatur unterschiedlich und gewiß falsch angegeben, z. B. August || [223] Karl Holsche: Historisch-topographisch-statistische Beschreibung der Grafschaft Tecklenburg. Berlin u. Frankfurt 1788. Ndr. Osnabrück 1975, 75: Graf Adolf „starb am 5ten November 1623 im 47ten Jahr seines Alters.” Falsch auch Europäische Stammtafeln, NF. Hg. v. Detlev Schwennecke, IV. Marburg 1981, Taf. 2: 5. 4. 1623, oder Europäische Stammtafeln, Hg. v. F. Baron Freytag v. Loringhoven, IV. Marburg 1961, Taf. 43: 5. 11. 1628 n. St. Vgl. auch Johann Kaspar Möller: Geschichte der vormaligen Grafschaft Bentheim von den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage. Lingen a. d. Ems 1879, 227: Todesjahr 1625. Hermann Grote: Stammtafeln. Leipzig 1877, 195: 1625. Christian hatte noch vor seinem Italienaufenthalt in Nürnberg am 19. 5. 1623 einen am 18. 5. erhaltenen Brief des Grafen beantwortet (Christian: Tageb. III; 18./28. bzw. 19./29. 5. 1623), welcher Christian eine unbekannte diplomatische Aufgabe gestellt haben dürfte. Am 19. 5. 1623 schrieb Christian an F. Ludwig : „Damit ich den Sachen nicht zu viel oder zu wenig thue, schicke E. G. ich hiemitt ein blancket an die Kayß. May.tt- darauf sie mögen in meinem nahmen in der Graffen von Bentheimb sachen, dero belieben nach schreiben laßen, vndt Johann Löben bericht thun.” LHA Sa.-Anh./ OB: Kö. A 9a Nr. 30, Bl. 47r. Am 5./15. 11. 1623 legte er nach Auskunft seines Tagebuchs (Bd. 3) Trauerkleidung an. Gf. Adolf dürfte im September 1623 a. St. gestorben sein, da Pz. Christian II. in einem Brief vom 3./13. 12. 1623 an seine Mutter Anna deren Mitteilung über den Tod ihres Bruders vom 17. 10. 1623 mit den Worten beantwortete: „Je porte grand regret & deüe compassion avec V. A. de la mort de feu mon Oncle le Conte Adolfe. C'est une grande perte & pr. le public & pour la Contè.” LHA Sa.-Anh./ OB: Bernb. A 9a Nr. 195, Bl. 153v
10 Tante, d. i. Gfn. Margaretha (1589-1660), Tochter Gf. Johann Ludwigs v. Nassau-Wiesbaden .
11 Christian brach wegen des starken Regenwetters erst am 8. 11. 1623 zu dieser Reise auf, begleitet von Hallweil (s. 231008), dem Kammerjunker Hermann Christian (v.) Stammer (FG 137) und dem Kammerdiener und Maler Christoph Rieck(e) . Christian: Tageb. III; 8./18.11.1623. Am 1. 12. 1623 gelangte er nach Rom . S. 231203.
12 Giovanmaria Bissini (s. 230802) schloß sich am 9. 11. 1623 in Venedig Christian an. A. a. O, 9./19. 11. 1623.
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