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Fürstin Amoena Amalia von Anhalt-Köthen an Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar
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Fürstin Amoena Amalia von Anhalt-Köthen an Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar


Fn. Amoena Amalia (AL 1618, PA, TG 2), ,die alte Wölfin' (Meerwölfin), die sich nach Anleitung der L'Astrée des Honoré d'Urfé bzw. der Académie des Parfaits Amants auch Méthine nennt, hat durch Herrn v. Rotenhan am vorhergehenden Abend einen schon vor einiger Zeit geschriebenen Brief Hz. Wilhelms (FG 5, PA) empfangen. Wilhelm möge der Verleumdung keinen Glauben schenken, daß sie und die Hofmeisterin gelegentlich betrunken spazierenreiten und dabei die in Köthen weilende Prinzessin (Eleonora Dorothea v. Anhalt-Dessau [PA, TG 4]?) gefährden würden. Er könne sich bei einem Besuch von der Wahrheit überzeugen. Das heiße natürlich nicht, daß nach einem festlichen Umtrunk mit dem sog. Ölberger sie nicht auch einmal etwas berauscht ins Bett kämen. — Amoena Amalia und F. Ludwig (,Der alte Wolf'; PA) freuen sich auf den Besuch Hz. Wilhelms und Hz. Friedrichs II. v. Sachsen-Altenburg (FG 103). Friedrich soll bei dieser Gelegenheit in die FG aufgenommen werden. — Wilhelms gerade in Köthen weilender Bruder Bernhard (FG 30, PA „Aristander"), der Amoena Amalia Grüße aufträgt, hält mit seiner Ungeduld die Fürstin von der Abfassung eines ausführlicheren Schreibens ab.

Beschreibung der Quelle

QThüring. HSTA Weimar: Fürstl. Haus A 205, 2 Bll., Bl. 156r-157v [A: 157v], 157r vacat; eigenh., A v. Schreiberh; Sig. — Erwähnt in Conermann II, 41.

Anschrift

Q[Handschrift: [157v]]A Monseigneur Monseigneur le Duc Guillaume de Saxe , Julliers Cleue et Berg &c

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[Handschrift: [156r]]Hochgeborner Fürst, Freundtlicher vielgeliebter Herr vetter, vnd hochwerdester Sohn, gleich als wir nächten1 abendt, in einer kleinen lustigen vnd gutten geselschafft, beyeinander waren, gab es das glück, das Monsieur Rotenhan2 , herkam vnd brachte mir ein liebes schreiben3 von EL, vnd ob es woll zimlich alt schon war, so war es mir nichts desto weiniger hoch annehmlich, weill es von so einem vornehmen lieben ort geschickt wart, ich achte mich gewislich woll vor glücksählig, das EL so fleißig, an ihrer armen geringen M.4 gedencken, ich zweiffele nit vnser herr Gott, werde EL so viell Ehr vnd wolthat dafür geben, mehr als sie nit gedencken, meines theils seint EL hoffe ich genugsamb versichert, das Sie iederzeit eine trewe freundin an mir haben, Das aber EL wegen des lieben Töchterleins5 so Sorgfeltig geweßen, vnd vermeinen als wän || [242] die hoffmeisterin vnd ich, nit beßer acht auff vnser Freulein geben, das wir vor vnser lust Spatzieren rietten, vnd ließen das Freulein schadena nehmen, welches vieleicht daher vervhrsacht würde, das wir bißweilen ein räuschlein trüncken, sölches hat die fraw Wölffin6 , wie auch die hoffmeisterin7 , mit hoch betrübten gemühte erfahren, halten aber dafor es seye etwa dieße vnzeitige post, von etzlichen gutten leuten, die so mißgönstig sein, vnd sie vermeinen bey dem liebsten Söhnlein zu vervnglimpffen, vorbracht worden, wir leben aber der tröstlichen hoffnung, wan EL wils Gott zu vns kommen, werden Sie es woll beßer finden, Sunsten ist es wöll die warheit, das es so genaw nit abgehet, wan der öhlberger8 vmbgehet, das wir nit mit trincken, vnd zu zeitten ein räuschlein mit zu bette nehmen, Der alte Wolff9 und die fraw Wölffin, frewen Sich so hoch, wan der her vetter hertzog [[Handschrift: [156r]]] Fritz10 mit EL herkompt, das SL die Fruchtbringende geselschafft die ehr erzeigen, vnd einen Mittgesellschaffter geben werden, Die hoffmeisterin und die alte Wölffin, thun sich EL beiderseitz dienstFreundtlichen recommandieren, ich wolt EL gern mehr schreiben, so sitzt der vorwitzige Aristander, hie bey vns, vnd will vns nit die zeit laßen, das wir EL recht schreiben können, Gott behüte EL vor allem leidt vnd seidtfein woll Content, es wirdt balt gutt werden, ích verbl[eibe]b

EL trewe Dienstwillige dienerin vnd M.4

Die alte Wölffin, Methi[ne]b11

Den 12. Jan. 1624.
Aristander, Vetter Bernhart ,12 befielt mir EL seinet wegen FreundtBrüderlich zugrüßen.

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
a Eingefügt.
b Rest des Wortes durch Falz verdeckt.

Kommentar
1 Erstarrter Dativ Plural, vergangene Nacht; durch das folgende Wort auf den vergangenen Abend begrenzt. DW VII, 173f.
2 Unbekannter Angehöriger des fränkischen Reichsrittergeschlechts v. Rotenhan. Köbler, 456. Mat. Altdorf I, 62 unter 24. 10. 1597 "Johan Sebastianus" und „Adamus Hermannus á Rottenhan in Rentsweinsdorff vnd Eyringshoffen". Adam Hermann v. Rotenhan (1585-1637) zu Rotenhan hielt sich 1601 in Bourges auf; er wurde schwedischer u. weimarischer Geheimrat (II, 472). Vgl. Johann Gottfried Biedermann: Geschlechtsregister Der Reichsfrey unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken Löblichen Orts Baunach. (Bayreuth 1747, Nachdr. Neustadt/ Aisch 1988), Tab. CXL. Er wird wohl hier eher in Frage kommen als sein Bruder Hans Sebastian v. Rotenhan (1583-1631) zu Rentweinsdorf, der nicht in weimarischen Diensten stand. (Biedermann, Tab. CXXXIX). Möglicherweise ist jedoch Hans Georg v. Rotenhan zu Ebelsbach gemeint: „Königlich Schwedisch- wie auch Hochfürstlich Sachsen Weimarischer Obrister starb 1638. an einer bey Breysach empfangenen Wunde” (Biedermann, Tab. CXLII). Zedler Bd. 32, 1106 nennt ihn Georg Wilhelm v. Rotenhan. Desgleichen ist an Hans Wilhelm v. Rotenhan zu Ebelsbach zu denken: „Königlich Schwedisch- wie auch Hochfürstlich Sachsen Weymarischer Obrister [...] er ward in der Belagerung vor Wolffenbüttel tödlich bleßiret, und starb anno 1638. zu Braunschweig” (ebd.). Auszuschließen ist wohl der Sohn Hans Sebastians , Ernst Friedrich || [243] (1610-1632), der „Königlich Schwedisch wie auch Hochfürstlich Sachsen Weymarischer Cornet” war (Biedermann, Tab. CXXXIX). Vgl. auch Dorothea v. Wallwitz , geb. v. Rotenhan: 240718 K I 5.
3 Hz. Wilhelm (FG 5) lebte damals in kaiserlicher Gefangenschaft in der Wiener Neustadt. Vgl. 230913 u. Klopp: Dreißigjähr. Krieg II, 354.
4 Muhme oder Mutter. Fn. Amoena Amalia , die Tante Wilhelms , gebraucht auch die Anrede „Sohn" und nennt den jungen Fürsten unten „Söhnlein". Hz. Wilhelms leibliche Mutter, F. Ludwigs Schwester Hzn. Dorothea Maria , geb. Fn. v. Anhalt, war bereits 1617 verstorben.
5 Pzn. Loysa Amoena (TG 6), Tochter Fn. Amoena Amalias und F. Ludwigs , oder eine der wohl damals am Köthener Hof lebenden Prinzessinnen: Eleonora Dorothea (PA, TG 4) oder Kunigunde Juliana (PA, TG 26) v. Anhalt-Dessau. Vgl. 240718. Da Hz. Wilhelm 1625 Pzn. Eleonora Dorothea heiratete, mag seine Sorge diesem „Freulein" gegolten haben.
6 Fn. Amoena Amalia . Vgl. die Unterschrift, dazu Anm. 9 u. 11.
7 Unbekannt.
8 Trinkgefäß. S. 171224, 171225, 190220 K, 250305 u. 510000A
9 Ludwig . Vgl. Anm. 6. Der Beiname dürfte sich von einer Stelle in L'Astrée herleiten, an der d'Urfé die Bedeutung des Namens Mérovée (den F. Ludwig in der PA trug, s. 240301. 240718) erörtert: „Le roy Merovée, qui par la grandeur de ses faicts s'est acquis ce nom parmy les Francs, parce qu'en leur langage Merveich signifie, prince excellent, et non pas comme quelques-uns ont osé dire, pour monstre marin, qui attaqua Ingrande sa mere, femme de Bellinus duc de Thuringe et fille de Pharamond, lors qu'elle se vouloit baigner dans la mer, que les Francs aussi nomment Merveich, et duquel ils ont voulu faire croire qu'il avoit esté engendré.” Honoré d'Urfé: L'Astrée. Nouvelle édition publiée par Hugues Vaganay. 5 Tle. Reprint Genève 1966, III, 650 (partie 3, livre 12). Vgl. im Deutschen Meerwolf und Wolf als Bezeichnung eines Seeungeheuers oder Fisches: DW VI, 1862 u. XIV.2, 1250.Nicot, 381: „Vne sorte de poisson qui se nomme vn Loup, aucuns l'appellent vn merlu, Lupus.” Mérovée (Meroveus), sagenumwobener Vater Childerichs I. und Großvater Chlodwigs , nach Fauchet Teilnehmer der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (451), † 458. D'Urfés Quelle: Claude Fauchet: Les antiquitez et histoires gavloises et françoises (Genève 1611), 101: „Si est-ce que les Roys de France venus depuis, ont iusques à Pepin esté surnommez Merouingiens comme descedans [!] de son estoc en droite ligne. & tant d'autres Seigneurs qui ont pris plaisir d'autorizer leur bonne fortune par miracles controuuez. Lon a fait ce passe droit à l'antiquité, de luy laisser mesler des choses vrayes auec des fables, affin de rendre les fondateurs des Royaumes, ou Seigneuries plus saincts ou redoutables. C'est pourquoy ie prendrai la hardiesse de coucher ici, ce que i'ay leu de la conception de Nostre Merouée, dans vn auteur plus vieil que le regne de Pepin. Et encores plus hardiment, pource qu'il semble auoir esté suyui par l'Abbé de Vvrspeg. C'est ancien dit, que comme la mere de ce Roy [Clojon ] accompagnée de son mary, se fut despouillée pour se baigner en la mer, il en sortit vne beste en forme de Taureau, qui luy courut sus. Or soit qu'elle conceust de la beste ou de son mari, l'enfant qui en vint fut nommé Merouée, pour la Mer, ou les taches qu'il auoit au visage, ressemblans à celles d'vn veau marin, appellé Merueich, ainsi que d'autre disent. Il le croira qui voudra: mais ie vous aduertis, que plusieurs dames du temps passé ont couuert leurs fautes sous le nom des dieux, ou de monstres espouuantables: [...] Toutesfoix ceux qui ne croient pas ces natiuitez monstrueuses, disent, que la plus part des noms de nos anciens, estoient significatis des vœux des peres, ou naturel des enfans: [...]. Partant, que ce mot Merueich signifie en vieil langage François, Prince excellent [...].” Der Vergleich dieser Quelle, die sich 1650 allerdings nicht in F. Ludwigs Bibliothek fand (IP), mit dem Werk d'Urfés beleuchtet nicht nur die fränkische Tendenz und die gattungsmäßige Stilisierung des französischen Romans, sondern enthüllt auch im Treiben || [244] der PA ein den französischen und deutschen Adel verbindendes germanophiles Moment. Vgl. außerdem das damalige Interesse F. Ludwigs an Aventinus ' etymologischen Versuchen: 230819.
10 Hz. Friedrich II. v. Sachsen-Altenburg (FG 103). Mit Hz. Wilhelm in der Schlacht von Stadtlohn (6. 8. 1623) in kaiserliche Gefangenschaft geraten und am 24. 5. 1624 befreit, kam Friedrich offenbar erst 1625 mit Wilhelm nach Anhalt . Dort wurde er in Dessau in die FG aufgenommen. S. 250305 u. Conermann III, 107. Damals wurde Wilhelm auch mit dem PA-Namen Damon bezeichnet
11 Méthine, Mechine , s. 240301, Königin der Franken und Gattin des Mérovée in L'Astrée; Gesellschaftsname Fn. Amoena Amalias in der PA, vgl. 240301. 240718. Zur PA vgl. außerdem 231206, 240400, 250228, 250305, 250514, 260000, 260000A, 260500, 281000 u. ö.
12 Hz. Bernhard v. Sachsen-Weimar (FG 30, PA). Vgl. 240717 u. 240718.
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