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240116
Fürst Christian I. von Anhalt-Bernburg an Herzog August d. J. von Braunschweig und Lüneburg
[Inhaltsverzeichnis]
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240116

Fürst Christian I. von Anhalt-Bernburg an Herzog August d. J. von Braunschweig und Lüneburg


Antwort auf 240106, erwidert in 240125.
F. Christian I. (FG 26) dankt Hz. August d. J. (FG 227) dafür, daß er ihm in seine ,Einsiedelei' zwei Bücher gesandt hat: Das Schach- oder König- SpielAugusts und die schon gedruckten Abschnitte eines kryptographischen Werks des Herzogs. In der Schachlehre gibt sich Christian geschlagen, jedoch will er Augusts Opus steganographicum fleißig studieren, um bei einem möglichen Zusammentreffen die Prüfung durch den Herzog bestehen zu können. Christian bewundert die Wissenschaft des Herzogs, bezweifelt aber die Möglichkeit, auf natürlichem Wege Nachrichten über große Entfernungen zu übermitteln. Allein unter der kaum faßbaren Bedingung, daß die obere, geistige Welt mit der unteren, sinnlichen im Einklang stünde, sei diese ideale Vorstellung realisierbar. Angesichts der Distanz und der vielfältigen störenden Einflüsse weist Christian auch die Behauptung eines ihm bekannten Mannes zurück, der kraft des Magnetismus auf mehr als vierzig verschiedene Arten Gedanken eines Entfernten sinnlich erfahrbar machen will. Doch sei, wie Christian einschränkt, diese Wissenschaft für ihn zu hoch. Er wolle nur andeuten, daß ihm solche Einfälle Vergnügen bereitet hätten.

Beschreibung der Quelle

QHAB: BA II, 2 Briefe: Herzog August Nr. 138-141, Nr. 139, 1 Bl., 1rv; eigenh.

Anschrift

AFehlt.

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[Handschrift: [1 Bl., 1r]]Hochgeborner fürst, freundtlicher geliebter Herr Oheimb vnd Schwager, Es haben EL. mich hochlichen Obligiret das dieselben mich Jhres Schachbuchs1 vnd Operis Stegenographjci2 [!] so viel desselben vorfertigt gewesen willfheriglich3 gewurdigt, Sage darfür EL. sehr freundtlichen und dienstlichen Danck, vnd do ich Jn dieser meyner Eremiterey4 Jchtbas5 hette so El. angenehm seyn konte hetten E. l. Nuhr zu befhelen, Jn dem Schachspiel gebe ich nuhmer vorlohrn, Jn den Stenographicjs [!] aber will ich vleysig sejn wan Jch der mal eyns zu E.L. keme damit ich aufsagen konte, Es haben E. L. eynen sehr schonen methodum vnd wenden Jhr talentum nicht vbell an, Alleyn zweyffell ich sehr Ob die repraesentatjo Sympathica6 Jn re & natura zu finden muglich Es wehre dan per vnicam || [245] harmonjam superiorjs & Inferioris, So doch fast mehr [Handschrift: [1v]]ob suj Entis Exigujtatem pro conceptu idealj quam Realj gehalten werden mochte, Mihr ist eyner7 bekandt so vber die 40 vntterschiedliche modos virtutis magneticæ in diuersis et distinctis subjectis ad sensum repraesentiren will, Aber was hilfft solches zu eyner so fürtreffliche Distanz vnd vielfeltiger mutatjon vnd affectjon dadurch die jntentjones Anjmj vorstanden werden solten, Jch bekenne aber gar gerne das diese materia für mich zu hoch, Habe allejn solches andeuten wollen damit E. l. zu sehen ich zu dergleychen Jngenjosis grose lust getragen, befhele E.l. darmit dem lieben Gott vnd verbleyb

EL. gantz dienstwilliger treuer Oheim vnd Schwager

Christian fzAnhalt

den16 Januarij 1624.

240116I

Herzog August d. J. von Braunschweig und Lüneburg über repræsentatio sympathica seu magica

Beschreibung der Quelle

Q[Kupfertitel:] GUSTAVI SELENI | CRYPTOME- |
NYTICES ET CRY- | PTOGRAPHIӔ | Libri IX. | In quibus & planißima | STEGANOGRAPHIӔ | à | JOHANNE TRITHEMIO, | Abbate Spanheymensi & Herbipolensi, | admirandi ingenij Viro, magicé & | ænigmaticé olîm con- | scriptæ, | ENODATIO | traditur. Inspersis ubiquè Authoris ac | Aliorum, non contemnendis | inventis. | [Linie] | M D cxxiiii. HAB: Fb 4° 78. Zitat aus Liber Octavus, Caput X. „De Repræsentatione Sympathicâ seù Magicâ.” S. 425.

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Hujus generis, tres quoquè Modos, recensere possumus. Primus sit ille, ut quis scribere poßit in Angliâ, quod alius statìm Constantinopoli , beneficio cujusdam Speculi, magicâ seù occultâ ratione, ad hoc præparati, ad lumen Lunæ noctu legere valeat. Quam Artem Fridericus Risnerus in Opticis jactat, sed sinè demonstratione Modi seu Arteficij. Undè & nos eum missum faciamus, ut si in effectum dari nequeat, potiùs apud Authorem suum, inglorius evilescat.1 Secundum Modum exhibet nobis Schvventer. lib. 3. p. 97. quod fiat duarum nauticarum pyxidum,2 artificiosâ confectione, ac mutuâ sympathiâ. Quod artificium, in primâ editione, hermeticâ nebulâ obscuratum, in auctâ demùm Steganologiâ ipse aliquo modo detexit.3 Qui volet ipsum adeat, atquè articificium ulteriùs perscrutetur. Tertius Modus fit, partis alicujus, duorum corporum, mutuâ vulneratione & instillatione aliquot guttarum sanguinis: Quô certæ tantùm res, inter absentes notificari possunt. De eo etiàm agit Schvventerus, p. 111. ubi tradit & ostendit non leve incommodum simùl incurrere, qui hoc institutum amplectentur. Fieri enim, ubi conscius moriatur & putrescat, ut & eam Sympathiæ destinatam partem corporis, vivente altero, putredo invadat. Undè viventi ne- || [246] cesse est contingere, quod cuidam cum naso adscititio acciderat.4 Lepida est historia, quam ille d.a loco fusiùs recenset. Sed nos jàm properamus, ad ipsius Tractationis metam &b finem; Indicato tantùm eo, superesse hujus generis adhùc alium Modum, traditum à d. Schvvent. in Steganol. denuò auctiùs editâ; quem tùm distillato sanguine duorum Correspondentium, ad extrahendum oleum; tùm ferro quo venæ secantur, procedere & perfici, ibi loci latiùs disserit, p. 147. 148.c 5

Textapparat und Kommentar


Textapparat
T
T I
a Vgl. Hz. Augusts Manuskripte des Werks in HAB: Cod. Guelf. 63 Extrav., 314 bzw. 63.1 Extrav., 372 dicto
b In Cod. Guelf. 63.1 Extrav., 372 ist der folgende, aus Cod. Guelf. 63 Extrav., 314 abgeschriebene Text gestrichen und durch die mit dem Druck im Wortlaut übereinstimmende Passage ersetzt finem. paucis tamen, quartum adhuc Modum, ex auctâ steganologiâ istius Schwenteri , quæ interim nobis occurrit, addimus: qui peragitur distillatis sanguinibus duorum correspondentium, è quibus oleum extrahitur, et ferro venæ secantur: quis volet ibi investiget: 147. 148.
c Folgt eigenh. Zusatz Hz. Augusts in seinem Handexemplar (HAB: Fb 4° 81) vid. Roberti d. Fluctibus Anatomiam p. 234. et seqq.

Kommentar
2 Bereits gedruckte Bögen des in Beilage I zitierten Kompendiums der Kryptographie. S. 231210. Vgl. 240106, 240125, 240319 u. 240907.
3 Zu ,ferig', d. i. fertig, bereitwillig. Götze, 78.
4 Unter dem Schutz des dänischen Königs lebte der vom Kaiser geächtete F. Christian in Flensburg . S. 230809, 231101 u. 231210.
5 Vgl. Stieler, 2507: „Etwas/ & Jchtwas/ aliqvid, nonnihil, qvippiam.”
6 S. Beilage I.
7 Unbekannt.

K I
1 Vgl. [Daniel Schwenter:] Steganologia & Steganographia aucta, Geheime/ Magische/ Natürliche Red vnnd Schreibkunst; Auff vielfältigs begeren guter Freunde/ Auffs neue revidirt ... Durch Janum Herculem de Sunde, sonst Resene Gibronte Runeclusam Hunidem [Pseud.] (Nürnberg: Simon Halbmayer [1622]), 136f.: „FRidericus Risnerus in seiner Optic gedencket eines Spiegels/ mit dem man zu nacht zu Constantinopel lesen können bey dem Monschein/ was zu Lunden in Engeland geschrieben/ jedoch so setzet er nicht die beschreibung eines solchen Spiegels/ meldet nur solche Künste dürfen beweisens/ welchs ich dann in seinem werth vnd vnwerth verbleiben lasse/ wiewol ich auch sehr zweiffel/ ob es könne müglich sein.” Wie der Vergleich des Wortlauts des deutschen und lateinischen Texts zeigt, entnahm Hz. August seine Ausführungen Schwenters Darstellung. Wie Schwenter fügte er bezeichnenderweise dem Hinweis auf Risners Werk keine Stellenangabe hinzu. Vgl. Opticae libri quatuor ex voto Petri Rami novissimo, per Fridericum Risnerum ejusdem in Mathematicis adjutorem olim conscripti, Nunc demum [...] Dn. Mauritii HassiË Landgravii, &c. è situ & tenebris in usum & lucem publicam producti (Cassellis 1606), 212 über eine kunstreiche, aber nicht detailliert beschriebene Spiegelkombination: „Denique certo artificio depictas imagines aut scriptas literas nocte serena pleno lunæ sic opponi posse, ut radiis lunam irradiantibus, ideoque reflexis videas & legas, quæ Constantinopoli Lutetiam tibi nuncientur. Sed ad tantorum miraculorum fidem demonstratione & experientia fuerit opus.” Herausgeber dieser Arbeit war Lgf. Moritz v. Hessen-Kassel (FG 80). Zu Friedrich Risner († 1590), einem Schüler und Mitarbeiter des Pierre de La Ramée, vgl. Dict. of Scient. Biogr. XI, 468.
2 Schwenter, a. a. O., 127-136. Auf diese Methode, die kompaßähnliche Instrumente verwendet, geht Hz. August in 240125 ein.
3 Steganologia & Stegano- || [247] graphia Nova. Geheime Magische/ Natuerliche Red vnd Schreibkunst... Durch Resene Gibronte Runeclus Hanedi [Pseud.] (Nuernberg: Simon Halbmayer o. J.), 97-106.Schwenter hält in der ersten Auflage seines Werks dieses Verfahren geheim, damit „es nicht ein jeder Bauer versteht” . Deshalb gebraucht er Termini, „welche nur gelehrte Chymici, Physici vnd Medici verstehen” (S. 97): Chadid/ Eisen, Almagritos/ Magnet, Almas largont/ Diamant usw. In der revidierten Fassung des Buchs verdeutschte er diese Ausdrücke „dem Kunstliebenden zu guten” (S. 127).
4 Vgl. Schwenter [1. Ausg.], 111-116, [1622], 141-146. Nach Schwenters Methode können sich zwei Freunde, die einige Tropfen ihres Bluts in die Wunde des anderen rinnen lassen, aus großer Entfernung Botschaften senden. Drückt oder ritzt einer an der Narbe ein- oder mehrmals, wird der andere den Schmerz fühlen und die Anzahl der Stiche einer bestimmten verabredeten Bedeutung zuordnen. „Wie wunderbar vnd seltzam aber diese Kunst ist/ so gefehrlich ist sie auch/ dann wann Mars [Name eines der Freunde; K. C.] an dem ort deß Arms welchs er verwundet/ etwan schaden lidte/ vnd verletzt würde/ müste solchs Mercurius [der andere Freund; K. C] auch entgelten/ vnnd mit Marte schaden vnd schmertzen leiden. Stürbe dann Mars, so were zubesorgen/ das auch dem Mercurio sein Arm möchte anfahen zu faulen [...].” ([1622], 145). Vgl. Strasser, 91f.Schwenter erzählt die Geschichte eines reichen Italieners, der sich nach dem Verlust seiner Nase ein Stück Fleisch eines Armen in sein Gesicht transplantieren ließ. „Nach dem aber der arme von einer zufälligen kranckheit lang dar nach starb/ vnnd im Grab anfieng zu faulen/ fienge dem Reichen/ auch seine Nasen/ durch die Sympathiam vnd das natürliche mitleiden/ zugleich mit anzufaulen/ daß er jhms muste/ so weit als ers entlehnet hette/ wider abschneiden lassen.” (S. 146). Zur folgenden Kritik des Herzogs vgl. seine Zusätze in der Steganographia nova Gf. Friedrichs v. Oettingen-Wallerstein , 240319 T I.
5 Hz. August umreißt hier grob ein Verfahren, das Schwenter a. a. O. detaillierter, jedoch nur chiffriert beschreibt.
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