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Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: Einleitung zum Jahrgang 1627


Zitierlink: http://diglib.hab.de/edoc/ed000228/id/edoc_ed000228_fg_introduction_1627_sm/start.htm

I. Im Jahr 1627 setzten die kaiserlich-ligistischen Heere ihren erfolgreichen Feldzug gegen den niedersächsischen Kreisobristen König Christian IV. von Dänemark fort. Nachdem er dessen Bundesgenossen Graf Peter Ernst II. von Mansfeld in Ungarn geschlagen hatte, marschierte Albrecht von Wallenstein bis zum Sommer nicht nur in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, sondern auch in das gesamte dänische Festland ein. Das Fürstentum Anhalt diente ihm dabei weiterhin als ein sehr wichtiges Durchzugsgebiet für den Nachschub an Truppen, Nahrung und Material aus den habsburgischen Erblanden.

II. Die erste Jahreshälfte verbrachte Christian II. mit seiner Gemahlin Eleonora Sophia und dem Sohn Berengar größtenteils im gelderländischen Harderwijk, wo er viel las, gelegentlich Lehrveranstaltungen am örtlichen Gymnasium Illustre besuchte und bei einem zum Calvinismus konvertierten Sepharden spanischen Sprachunterricht nahm. In dieser Stadt an der damaligen Zuidersee erreichte ihn auch am 21. Januar die Todesnachricht von seiner Großmutter Gräfin Magdalena von Bentheim, Steinfurt und Tecklenburg. Nur noch einmal begab sich der Fürst von hier aus zwei Tage lang nach Amsterdam (12.13. 4.). Für den 13. Mai bis 15. November sind erneut keine autographen Tagebucheinträge überliefert.1 In diesen Zeitraum fällt die Anfang August beendete Rückreise der fürstlichen Familie über Hamburg, Ahrensbök, Güstrow, Wittstock und Berlin nach Bernburg, das kurze Leben der Tochter Sophia (15. 8.–11. 9.), der frühe Tod von Berengar (17. 10.) und die Übersiedlung auf Schloss Ballenstedt (5. 11.), wo das Paar fortan residierte.

III. Vom November 1627 bis zu seinem Regierungsantritt im Bernburger Landesteil am 18. April 1630 fungierte Christian II. im Ballenstedter Amtsbezirk als eine Art Statthalter seines Vaters. Da Christian I. die landesherrliche Hoheit weiterhin allein ausübte2, waren die Herrschaftsbefugnisse des jungen Fürsten um seinen neuen Wohnsitz auf die eines größeren Grundherrn beschränkt. Dass sich dieser von Anbeginn mit den ihm übertragenen Aufgaben unterfordert und seine Fähigkeiten vergeudet fühlte, zeigt sein späterer Tagebucheintrag vom 7. Februar 1630: Er habe „numehr lang genueg alhier zu Ballenstedt an diesem elenden verdorbenen ortt stille geseßen“, sei noch in seinen „besten Jahren“ und wollte dort „nicht gerne, gantz verschimmeln“.3 Einstweilen blieb ihm so keine andere Wahl, als das Weltgeschehen vom ruhigen Nordrand des Harzes aus zu beobachten und zu kommentieren. Als besonders bemerkenswert erscheint in diesem Kontext eine geradezu prophetische Notiz des Dezembers 1627, laut der Christian II. seine „reformirte Religion“ damals nicht nur in Frankreich (wegen der belagerten Hugenottenfestung La Rochelle), sondern auch im Reich von der Ausrottung bedroht sah, aber trotzdem seit einiger Zeit glaubte, dass sich im Jahr 1630 alles ändern und sein Bekenntnis bis dahin mit „grande fortune“ fortbestehen werde.4 Er sollte damit Recht behalten.


Anmerkungen
1 Vgl. die auszugsweise Abschrift der Tagebucheinträge vom 12. April bis 5. November 1627 durch den fürstlichen Sekretär Sigismund Ladisla in LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9b Nr. 14 Bd. XXIV, fol. 234r-248v.
2 Vgl. Tagebucheintrag vom 26. November.
3 Tagebucheintrag vom 7. Februar 1630.
4 Vgl. Tagebucheintrag vom 13. Dezember: „Es scheinett daß die Reformirte Religion solle auß dem Reich vertilgett werden, vndt daß Gott selbsten vnß hart seye. J'ay l'opinion dès quelques anneès, que tout [...] se changera, l'an 1630 et que iusques là, leur grande fortune doibt continuer excessivement. Gott verleyhe den wahren Christen, gedullt, vndt beständigkeitt. Amen.“
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