I. Bis zum Ende des Jahres 1631 änderten sich die militärischen Kräfteverhältnisse in Deutschland ganz fundamental: Während der nicht zuletzt durch französische Subsidien finanziell gestärkte König Gustav II. Adolf von Schweden große Teile des Reiches unter seine Kontrolle brachte, schieden Kurbayern und die faktisch aufgelöste Katholische Liga als relevante Kriegsakteure aus. Aber auch die von Kursachsen initiierte reichsständisch-protestantische Mittelpartei entfaltete keine längerfristige Wirkung. Vor allem wegen der kompromisslosen Vollstreckung des Restitutionsedikts hatten sich vom Februar bis April zwar die meisten evangelischen Fürsten und Reichsstädte in Leipzig versammelt und dort eine Position der bewaffneten Neutralität zwischen dem Kaiser und den Schweden bezogen. Doch die enorme mediale Signalwirkung der Zerstörung Magdeburgs vom 10./20. Mai sowie die spätere Strafaktion der kaiserlichen Armee gegen Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen trieben diesen in die Arme des Schwedenkönigs, der Anfang September ein kursächsisch-schwedisches Bündnis erzwang, das bereits wenige Tage darauf mit der Schlacht bei Breitenfeld (7./17. 9.) seinen ersten Sieg feierte. Die Fürsten von Anhalt traten zunächst dem Leipziger Bund und danach auch der Allianz mit dem König von Schweden bei, wovon weiter unten noch etwas näher die Rede sein wird.
II. Die Tagebucheinträge Christians II. dominieren in diesem Zeitraum die administrativen, ökonomischen und politischen Tätigkeiten eines mindermächtigen Regenten, zu denen ebenso zwei detailliert beschriebene Belehnungszeremonien gehörten.1 Im familiären Bereich beschäftigte ihn besonders die instabile Gesundheit seines gleichnamigen Sohnes, der lediglich vom 2. Januar bis zum 20. Juni lebte. Im Sommer begab sich der Fürst mit seiner Schwester Anna Sophia zu einer mehrwöchigen Trinkkur nach Eger (4.–31. 7.), wo er Prinz Władysław von Polen und dessen Reisehofmeister Achaz von Creytzen kennenlernte.2 Nach dem Abschluss des anhaltisch-schwedischen Bündnisvertrages riet der Bernburger Regierungspräsident Heinrich von Börstel seinem Herrn, den die Schweden „vor gut Kayserisch, vndt Catohlisch“ hielten, das Land einstweilen zu verlassen.3 Mitte Oktober plante Christian II., wegen der wachsenden Unsicherheit und Verdächtigungen am Kaiserhof mit seiner Familie nach Holstein oder Lübeck zu fliehen4, musste dieses Vorhaben allerdings aus Geldmangel sowie aufgrund unterwegs drohender Überfälle und der Schwangerschaft seiner Gemahlin Elenora Sophia recht bald wieder verwerfen.5 Schließlich entschied er sich für die kostengünstigere Option und verlegte seine Residenz am 9. Dezember für die kommenden drei Jahre hauptsächlich nach Harzgerode.
III. Obwohl Kaiser Ferdinand II. den protestantischen Kurfürsten in Regensburg fest zugesagt hatte, die Wiederherstellung des nach dem Passauer Vertrag (1552) säkularisierten Kirchenbesitzes bis zu dem bevorstehenden Frankfurter Kompositionstag zu suspendieren6, erfuhr der Anhaltiner noch im Januar, „das wieder alle recht vndt billigkeitt, ein anschlag auf mein bestes ampt Ballenstedt […] vor seye“, ein früheres „klostergut“, welches bereits nach dem Bauernkrieg (1525) den Fürsten von Anhalt durch die Benediktiner übereignet worden war. Er befahl deshalb dem Amtmann, das fürstliche Schloss und Vorwerk gut zu verschließen und niemandem den Zutritt zu gestatten. Wenn dort „aber iemandes sich anmelden, vndt wieder verhoffen, etwas prætendiren“ würde, solle man ihn „an mich verweysen“.7 In Nienburg (Saale) war es dagegen für derartige Vorsichtsmaßnahmen längst zu spät. Nach dem endgültigen Konfiskationsbescheid vom 9. November 1630 bemächtigten sich am Abend des 3. Februar der Werdener Abt Hugo Preutaeus und der Obrist Johann David Pecker als kaiserliche Unterkommissare mit Waffengewalt des vormaligen Benediktinerstifts.8 In den darauffolgenden Tagen vereidigte Preutaeus alle Untertanen ohne deren Widerstand auf ihre neue Obrigkeit, was die anhaltischen Fürsten sehr beunruhigte, weil sie befürchteten, dass die katholischen Geistlichen nach solchen positiven Erfahrungen „muhtiger werden, vndt weitter greiffen“ dürften.9 Als ihre schriftliche Beschwerde an den obersächsischen Restitutionskommissar Johann Reinhard von Metternich in der Nienburger Sache erneut erfolglos blieb10, erwogen einige Anhaltiner – zum Unbehagen Christians II. – sogar, „avec furie“ gegen den Abt einzuschreiten11, favorisierten am Ende aber doch eine „Gütliche handlung wegen der geistl[ichen] gühter“.12
IV. In der Tat hatte deren heftig kritisierte Rückgabepraxis selbst bei bislang kaisertreuen evangelischen Reichsfürsten für erhebliche Irritationen und eine politische Neuorientierung gesorgt. Auf den am 16./26. Februar begonnenen Leipziger Konvent wurde Fürst August „als der ältiste vnsers hauses“ entsandt13, welcher in der Rückschau zufrieden konstatierte, es sei dort „kein eintziger mißverstandt, oder zweyspalt bey keinem vorgegangen, sondern allenthalben, der geist der einigkeitt, zu verspühren gewesen“.14 In ihrer Köthener Beratung vom 6. April über das in Leipzig verabschiedete Manifest15, das die Rücknahme des kaiserlichen Edikts von 1629 forderte und die Gründung eines protestantischen Defensivbündnisses verkündete, begrüßten die vier regierenden Fürsten von Anhalt primär, 1. dass es „vnsere gravamina vor gesampte Evangelische“ akzeptiere, 2. dass sie nun „von [den] lutrischen selber, seindt vor mittglieder des Religionfriedens, gehalten worden“, 3. dass man im Fall einer militärischen „execution […] bey vns den anfang der erlösung machen wollte“ und 4. dass der „Abschiedt seye also beschaffen, daß man nichts præjudicirliches könne beym Kayser vnß destwegen vorwerfen“.16 Eine Woche später konferierte Christian II. mit seinen Onkeln August und Ludwig wieder über die „Leipziger actis“. Dabei warnte Präsident Börstel vor den zu erwartenden „extremiteten […], vndt einem bluhtigen kriege“. Nach seiner Meinung durfte zu diesem Zeitpunkt kein Reichsfürst „mehr neutral sein“. Stattdessen hätten alle Anhaltiner die Pflicht, „Pro defensione status & conscientiæ die arma zu arripiren“, denn die Kaiserlichen „bringen vns vmb libertet[,] lande vndt leütte“, da das Restitutionsedikt bei jedem betroffenen Reichsstand ohne die geringste „erleichterung“ vollstreckt werde.17 Am 16. April entwarf Börstel im Auftrag der beiden ältesten Fürsten ein Antwortschreiben an den Kurfürsten von Sachsen, in dem Christian II. „aber noch dubia“ fand. Tatsächlich scheint das Dokument beim nächsten Treffen der „Gesamtung“ etwas modifiziert worden zu sein, „nach dem ich (protestando et contradjcendo) den friedliebenden, vor Gott vndt der Kayßerlichen Mayestät verantwortlichen consiliis stricte inhærirt, vndt sonsten nichts habe vndterschreiben wollen, […] wiewol man mich darumb, hat sawer angesehen“. Zur Begründung verwies er auf die abschreckenden „Exempla“ der Protestantischen Union und Böhmischen Konföderation, die nach ihrer verheerenden Niederlage am Weißen Berg vom November 1620 „wie waßer zergangen“ seien. Außerdem lasse sich ein Krieg leicht entfesseln, doch nicht genauso einfach wieder beenden. Darum lehnte der jüngste regierende Anhaltiner jede „thätlichkeitt“ ab, die aus seiner Sicht die Reichs- bzw. Kreisverfassung missachte. Alle durch die Grundgesetze des Reiches hinreichend gedeckten Beschlüsse sowie „waß Gott zu ehren“ und „seiner kirchen zum besten“ diene, mochte er hingegen gern mittragen.18 Eine darüber hinaus gehende „Conjunctio“ mit den Schweden kam indes weder für Christian II. noch für seinen engsten Ratgeber Börstel infrage, weil dadurch „die pflicht, vndt Freyheitt der Reichsfürsten“ verletzt, der Kaiser „zum höchsten offendirt“ und der Leipziger Bund unterminiert würde. Und nicht zuletzt misstrauten beide Gustav II. Adolf, der „sich anfänglich mitt guten wortten“ einschmeichle und dann „die länder ärger als die Kayserischen“ mit Kontributionen belaste.19
V. Doch schon Ende August gab es unter den Anhaltinern „rudes debats“ über den Tagesordnungspunkt, ob und wie man den Schwedenkönig „beschicken“ sollte.20 Als dieser fünf Tage nach seinem Sieg bei Breitenfeld ein neutrales Fürstentum Anhalt nicht mehr zu tolerieren gedachte und dessen vier Regenten persönlich nach Halle (Saale) zitiert hatte, um mit ihnen nur noch die Bedingungen für ein Bündnis auszuhandeln, notierte Christian II. nach einer Krisensitzung der Fürsten mit ihren Räten in Köthen zutiefst besorgt in sein Diarium: „Mir ist angst darbey. Jch wollte gern recht thun. Majora prædominiren in consilio, ich bin der Jüngste, vndt alles bestehet in der gesambtung. […] Jch erinnere was ich kan, vndt wollte gern behutsam gehen“.21 Der „Senior“ August äußerte wohl ähnliche Bedenken, wurde aber auf einer Hallenser Beratung durch die Fürsten Ludwig und Johann Kasimir umgestimmt und der Bernburger Regent dadurch mit seiner dezidiert kaisertreuen Haltung völlig isoliert. So blieb Christian II. schließlich gar keine andere Wahl, als den anhaltisch-schwedischen Bündnisvertrag „avec une main tremblante“ zu unterzeichnen.22 In seinem Tagebuch beklagte er sich, man habe ihm keine „zeitt gelaßen, die proposition (davon wir doch kein wortt zuvor gewust), zu erwegen, vndt kaum recht zu vberlesen. Wie sehr ich auch zum dritten mahl, darvor gebehten, […] muste ich endtlich vnangesehen meiner protestationen, vndt daß ich den herrenvettern vndt den rähten, die verantwortung auf den halß geschoben, gleichsam genöhtiget, gezwungen, v[nd] wieder meinen willen, mitt vndterschreiben.“23 Christian II. hatte zuvor energisch auf dem Grundsatz „Evangelium non tollit politias“ beharrt und eindringlich vor dem Begehen eines Majestätsverbrechens gegenüber dem Reichsoberhaupt als Lehens- und Schutzherr gewarnt. Zwar übte er ebenfalls vorsichtige Kritik an dem „modus executionis“ des Restitutionsedikts, erblickte darin allerdings keine Rechtfertigung, „daß man drumb den K[aiser] mitt dem schwert verfolgen sollte“. Zudem erschien ihm die weitere Entwicklung als zu unberechenbar, da man Ferdinand II. schon einmal „in die fenster zu Wien geschoßen“ und letztlich keines seiner politischen Ziele erreicht habe. In erster Linie fühlte sich Christian II. jedoch an seinen dem Kaiser geleisteten Treueeid von 1622 gebunden und drängte die „herrenvettern“ deswegen zur Zurückhaltung. Wohl besonders Fürst Ludwig entgegnete ihm darauf, dass der König von Schweden keine Neutralität dulde und Anhalt nach dem Rückzug der Truppen des Generals Graf Johann T’Serclaes von Tilly ohne jeden militärischen Schutz dastehe. Den Eid habe sein Neffe dem Kaiser und dem Reich geschworen, dessen „Princes libres“ allerdings keine Sklaven seien und deshalb kaiserliche Übertretungen der Reichsverfassung wie die eigenmächtige Auslegung des Augsburger Religionsfriedens (1555) keinesfalls widerstandslos hinnehmen dürften. Nur mit schwedischer Hilfe werde man die beschnittene „libertè“, die von den Katholiken konfiszierten Klostergüter und – laut der Hoffnung einiger Räte – möglicherweise sogar die im Jahr 1322 an das Hochstift Halberstadt verlorene Grafschaft Askanien wiedererlangen.24 Gustav II. Adolf, der bei einem gemeinsamen Abendessen seinen anhaltischen Gästen versicherte, nichts anderes „als die ehre Gottes, die erhaltung der Evangel[ischen] religion, die beförderung des friedens im Reich, vndt die erhaltung der deützschen freyhejtt“ im Sinn zu haben, charakterisierte der Diarist trotz aller Distanz als „eine schöne, gerade, heroische person“, als abstinent, „sanftmühtig, leühtsehlig vndt gravitetisch“, ja als einen „spiegel aller Tugendten“.25 Die euphorische Prophezeiung seines jüngeren Bruders Ernst, der als göttliches Werkzeug agierende König werde bis 1636 den Papst aus Rom vertreiben und die Hure Babylon (d. h. das Papsttum bzw. die katholische Kirche als Feinde des Christentums) vernichten, vermochte ihn freilich nicht zu überzeugen.26
VI. Dabei träumte selbst der Bernburger Hofprediger Daniel Sachse, welcher „ins gemein, Trawme vor Thorheitten“ erachtete und die Visionen und Wunder „des nouveaux Prophetes“ verspottete, am Morgen vor der Schlacht bei Breitenfeld, dass die Stimme des Prologs aus einer Komödie den Sieg des Schwedenkönigs über Tilly gemeldet habe und bald darauf das Grab für einen Drachen erschienen sei, „quj avoit jusques icy, persecutè l’Eglise“. Als er dies fast drei Monate später seinem Fürsten erzählte, der sich immer wieder mit der wahren Traumdeutung befasste27, widmete dieser jenem außergewöhnlichen Ereignis gleich zwei Tagebucheinträge. Denn Sachse hatte damals nicht nur das erste Mal beschlossen, einen Traum „nicht zu verachten“, sondern sogar den Bibeltext für seine nächste Predigt nach ihm ausgewählt.28
VII. Selbst zu deuten versuchte Christian II. in seinem Diarium nicht zuletzt die Gründe für das ungefähr 40 km von Bernburg entfernt verübte Massaker der sogenannten ‚Magdeburger Hochzeit‘.29 Dem mehrtägigen Gemetzel und Plündern fielen geschätzte 20.000 Menschen zum Opfer30, wobei Magdeburg durch großflächige Brände, die man als „das große gewaltige feẅer“ auch in Bernburg wahrgenommen hatte, überwiegend zerstört wurde. Bereits am 11. Mai erfuhr der Anhaltiner, dass „also diese gewaltige schöne Stadt, in kurtzer zeitt, zu nichte worden, vndt in die aschen geleget“ sei, „daß sie billich zu bedawren, vndt ihr vndtergang, zu beweinen.“31 Die Schockwellen, welche dieses spektakuläre Ereignis besonders in der protestantischen Welt auslöste, provozierten rasch Berichte über himmlische Botschaften und unheilvolle Zeichen. So seien laut dem fürstlichen Tagebuch acht Tage vor ihrem Ende „3 feẅrige vögel wie tauben, eine halbe stunde vmb die stadt herümb geflogen, vndt [hätten] darnach sich naher Braunschweig gewendet“, was „ohne zweifel eine andeütung, vndt böses omen ihres vndtergangs gewesen“ sei.32 Außerdem fand man in der Bernburger Bergstadt eine Pfütze, die seit der Zerstörung Magdeburgs aus blutigem Wasser bestand.33 Christian II. erklärte schnell die stolzen, sich seit langem dem Kaiser widersetzenden Stadtbewohner zu den wahren Schuldigen. Denn allein ihrem Eigennutz und ihrer mangelnden Unterstützung für die zahlenmäßig weit unterlegenen schwedischen Festungstruppen unter dem tapferen Obristen Dietrich von Falkenberg schob er die Verantwortung für die ihnen zugefügten Kriegsgräuel zu. Schließlich hätte man den Sturm leicht abwehren können, wenn die 10.000 bis 12.000 kampffähigen Bürger nicht, statt ihre Stadt beschützen zu helfen, von den Mauern geflohen wären, um ihre eigenen Häuser zu retten. Darüber hinaus vermutete der Anhaltiner nach dem biblischen Beispiel der sündhaften Städte Tyros, Sidon und Babylon „Andere iniustitzien, heimliche sünden vndt schanden“ als mögliche Hintergründe, „sintemahl der außgang erwiesen, daß so ein plötzlicher geschwinder schrecklicher fall einer so schönen mächtigen stadt, [...] ohne sonderbahre vrsach nicht müße vorgangen sein.“34
Als politische Folge dieses Ereignisses resümierte der Fürst eine beträchtliche Stärkung der „Kayserischen“, denn sie „können den gantzen Ober[-] vndt NiederSäxischen Krayß, numehr zu ihrem willen haben, vndt der Religion halben, (wo Gott nicht ins Mittel greift) enderung machen, wie sie selber wollen.“ Dementsprechend sah er darin „eine gewaltige victorie“ für Kaiser Ferdinand II., für dessen Kriegspartei und vor allem für Tilly, dem er gemäß den zeitgenössischen Gepflogenheiten – wenn auch mit einem allgemeinen Friedenswunsch verbunden – zu seinem militärischen Erfolg schriftlich gratulierte.35 In einem gewissen Maß verteidigte Christian II. sogar den kaiserlich-ligistischen Befehlshaber, da das Niederbrennen der Stadt gegen dessen Absichten, d. h. trotz seiner mehrfachen, aber vergeblichen Verschonungsangebote an die Bürger geschehen sei.36 Ebenso verwies er auf das Gewissen und die Reumütigkeit des Generals, der für die Seelen der getöteten Einwohner gebetet und Gott angefleht habe, ihn und seine Armee nicht für die begangenen Exzesse zu strafen.37
VIII. Als „eine vnvorantwortliche That“ verurteilte der Anhaltiner hingegen die wohl als Racheakt für das harte Schicksal der Magdeburger gedachte Selbstjustiz an einem kaiserlichen Leutnant, dessen Familie und mehreren Soldaten. Sie hatte sich um den 10. September nur wenige Kilometer westlich von seiner Hauptresidenz unter der Beteiligung von Bernburger Untertanen zugetragen. Dabei waren die Militärs entgegen einem ihnen zuvor gegebenen Ehrenwort erschlagen sowie die Frau und das zweieinhalbjährige Kind des Offiziers grausam ermordet und in die Wipper geworfen worden. Für Christian II. offenbarte das wundersame Auftauchen und Flussaufwärtstreiben der mit Steinen beschwerten Kindsleiche bis zu seiner toten Mutter das klare Unrecht der Mörder, denn Gott duldete es für ihn es nicht, „das diese vnthat sollte verborgen bleiben“. Auch wenn er den Vorfall als eine Vergeltungshandlung erkannte, da „es die Kayßerlichen zu Magdeburg nicht viel beßer gemacht“ hätten, sei hier „also sünde mitt Sünden gestrafft“ worden und dürften „die Thäter […] darumb nicht endtschuldiget sein.“38
IX. Abschließend gilt es erneut die Vielfalt der wissenschaftlichen Interessensgebiete des Fürsten hervorzuheben. Als ihm am 4. November mitgeteilt wurde, dass ein Bauer bei Baalberge „etzliche alte urnas vndter einem hügel“ entdeckt habe, die mit „asche vndt kolen“, einigen „silbernen vndt küpfernen ringen“ sowie menschlichen Knochen gefüllt gewesen seien, wünschte er mehr darüber zu wissen und schickte zwei Tage danach seinen Pfennig- und Schatzmeister Melchior Loyß dorthin. Dieser berichtete von fünf vollen und zwei leeren, allesamt mit Tonerde versiegelten Töpfen in und auf einem „steinkasten“. Bei dem Fundort handele es sich um den „langen berg“, der einst „von Menschen händen zusammen getragen“ worden und „innwendig hol“ sei. In dem ausgemauerten Hohlraum habe ein „sargk von weiß grawem stein, mitt rohten strejffen“ und den erwähnten sieben Urnen gestanden. Ob darüber hinaus vor seiner Ankunft „etwas von goldt oder silber“ durch die Bauern heimlich weggeschafft worden war, konnte Loyß nicht klären. Wenngleich „in historiis“ nichts darauf hindeute, „das die alten Römer biß in diese Sächsische lande“ vorgedrungen seien, schlussfolgerte Christian II. aus der nach seiner Kenntnis „bey den alten deützschen“ unbekannten Praxis, „die todten zu verbrennen, […] ihre asche in töpfen zu verwahren, vndt also zu vergraben“, dass man an jenem Ort die Familie „eines edlen Römers oder den Römischen sitten zugethanen heydens“ bestattet haben mag.39 Der Lange Berg wurde in den 1850er Jahren leider komplett eingeebnet. Die hierbei nochmals gefundenen Grabbeigaben datierte die archäologische Forschung erst nachträglich auf die späte Bronzezeit.40