Text

Ein kurzer Bericht vom Interim (1548)
bearbeitet von Hans-Otto Schneider
[Inhaltsverzeichnis]

|| [91]

Einleitung

1. Historische Einleitung

Der Text gibt sich zu erkennen als Erzeugnis einer raschen Reaktion auf den
Erlass des Interims im Juni 1548. Noch war die Umsetzung nirgends erfolgt,
(5)noch waren keine Gewaltmaßnahmen ergriffen worden, um die Durchset-
zung zu erzwingen.1 Noch war es möglich, trotz des im Interimstext enthal-
tenen Verbots,2 öffentlich dagegen anzugehen, und so nutzte der sich hinter
dem Pseudonym Theodorus Henetus verbergende Autor Matthias Flacius
Illyricus
die Gelegenheit, um seinen Lesern wenigstens die wichtigsten Hin-
(10)weise und Verhaltensmaßregeln in die Hände zu geben für den Fall, dass
ihnen in nächster Zukunft der unmittelbare Zugang zu evangelischem Got-
tesdienst, evangelischer Lehre und evangelischer Seelsorge genommen wer-
den sollte. Noch war nicht absehbar, inwieweit die jeweiligen Obrigkeiten
sich dem Druck des Kaisers würden entziehen können oder wollen, gemäß
(15)den Bestimmungen des Interims die Errungenschaften der Reformation in
großen Teilen wieder fallenzulassen und abzuschaffen. In dieser Lage be-
mühte sich der Verfasser, einen Gegendruck von Seiten glaubensgewisser
und bekenntnisfreudiger Untertanen aufzubauen; wenn aber alles Sträuben
nichts helfen sollte, so wären – entsprechend dem allgemeinen Priestertum
(20)aller Getauften – notfalls die Haushaltsvorstände gefordert, dafür zu sorgen,
dass in ihren Familien die rechte Lehre im Schwange bleibe, wozu die
deutsche Bibel und Luthers Schriften, nicht zuletzt wohl die Katechismen,
vorzüglich zu gebrauchen seien. Der „kurze Bericht“ ist konzipiert als
Alarmruf und Vermächtnis zugleich, indem er den überlebensnotwendigen
(25)Grundbestand evangelischer Lehre für drohende Bedrückungszeiten teils
selbst darbietet, teils benennt und darauf verweist.
Dem Verfasser waren die drei für den Interimsentwurf Verantwortlichen of-
fenbar bekannt,3 er verzichtete aber bewusst darauf, ihnen ausführlich cha-

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-
rakterliche und moralische Mängel zu attestieren, weil eine solche argumen-
tatio ad personas allzu sehr hätte ablenken können vom Kern der Sache, der
von Kaiser und Papst beabsichtigten Unterdrückung und Ausrottung des
evangelischen Bekenntnisses. Sich dazu herzugeben, war in den Augen des
(5)Verfassers gewiss verwerflich, aber eine argumentative Fokussierung auf die
Persönlichkeiten der Handlanger und Helfershelfer hätte diese letztlich in
ihrer Bedeutung überschätzt. Eine gewisse Entsprechung findet dieser Sach-
verhalt in der Verfremdung des Verfassernamens: Mit dem Namen Flacius
war zur Zeit der Veröffentlichung keine besondere Autorität verbunden, die
(10)Argumente mussten ohne Beglaubigung durch einen bekannten und ge-
achteten Namen allein durch ihr sachliches Gewicht wirken. Zugleich bot die
Pseudonymität aber auch einen gewissen Schutz für den Verfasser, und
wechselnde Pseudonyme vermehrten virtuell die Zahl der Stimmen gegen
das Interim.4

2. Der Autor

Der Verfasser5 des „kurzen Berichts“ nennt sich „Theodorus Henetus“. Da-
bei handelt es sich nicht eigentlich um ein Pseudonym, sondern lediglich um
eine verfremdende Übersetzung des Namens „Matthias Illyricus“.6 Als Mati-
ja Vlačić, alias Franković, wurde er am 3. März 1520 im venezianischen Al-
(20)bona
7 auf der Halbinsel Istrien an der illyrischen Adriaküste geboren. Der
Vater, Andreas Vlačić, verfügte über einigen Grundbesitz, die Mutter, Jaco-
ba
, entstammte der italienischen Patrizierfamilie der Luciani. Nach Elemen-
tarunterricht durch den früh verstorbenen Vater und nach dem Besuch der
Schule an San Marco in Venedig folgte er dem Rat eines Verwandten, des
(25)Franziskanerprovinzials Baldo Lupetina, der den Ideen der Reformation auf-
geschlossen gegenüberstand, und bezog die Universitäten in Basel,8 Tübin-
-
gen9 und – ab 1541 – Wittenberg. Dank Luthers Seelsorge wurde Flacius
von schweren Anfechtungen befreit, die ihn jahrelang gequält hatten, und die
Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden wurde und
blieb zeitlebens der Zentralartikel seiner Theologie.
(5)1543 überbrachte Flacius einen Brief von Luther an die Protestanten in
Venedig und ein Schreiben des Schmalkaldischen Bundes an den Dogen,
worin die Fürsten sich vergeblich für den von der Inquisition gefangengehal-
tenen Lupetina einsetzten.10
1544 erhielt Flacius eine Professur für Hebräisch an der Universität Witten-
(10)berg, und im Herbst 1545 heiratete er eine Tochter des Dabrunner Pfarrers
Michael Faustus.11 1546 wurde Flacius Magister. Als die Universität Witten-
berg während des Schmalkaldischen Kriegs für einige Monate geschlossen
und in ihrem Fortbestand gefährdet war, fand Flacius Aufnahme in Braun-
schweig
bei Nikolaus Medler12 und lehrte am dortigen Paedagogium. Als er
(15)es nicht vermochte, die Wittenberger Fakultät zu einer gemeinsamen Ab-
wehr des Interims zu bewegen, wandte sich Flacius 1548 als einer der ersten
öffentlich gegen das Interim. Möglicherweise war er durch das Schicksal
seines Verwandten in höherem Grade als seine Kollegen sensibilisiert für die
konkreten Gefahren, die aus dem Interim für Theologen und Gemeinde-
(20)glieder erwachsen konnten. Jedenfalls war er nicht willens, sich dem Interim
widerstandslos zu fügen.
In den Jahren 1549 bis 1557 engagierte sich Flacius intensiv in Magdeburg
und veröffentlichte zahlreiche Schriften in den theologischen Auseinander-
setzungen um die Bewahrung des authentischen Erbes Martin Luthers und
(25)zum Erweis der Katholizität der Reformation. Bis 1561 wirkte Flacius an der
neugegründeten Universität Jena,13 die so zu einem Hort des unverfälschten
Luthertums und Gegenpol zur Universität Wittenberg wurde, bis er und sein
Kollege Wigand14 am 10. Dezember 1561 ihrer Ämter enthoben wurden. In
den Folgejahren lebten Flacius und seine Familie in Regensburg (1562–
(30)1566), Antwerpen (1566–1567), Straßburg (1567–1573) und Frankfurt am
Main
, wo er am 11. März 1575 starb.

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3. Inhalt

Der Verfasser blickt, der gebotenen Kürze wegen, anlässlich der Veröffent-
lichung des Interims zurück auf die vorausgegangenen beiden Jahre und die
Versuche der Gegner, das Evangelium in Deutschland zu unterdrücken. Zu-
(5)nächst habe man unter dem Vorwand einer Strafaktion gegen ungehorsame
Fürsten, die weder die Freiheit des Vaterlandes noch die christliche Religion
in irgendeiner Weise betreffe, die wichtigsten weltlichen Verteidiger des
evangelischen Bekenntnisses ausgeschaltet. Sodann habe man unter dem
Vorwand, Missbräuche und Irrtümer in der Kirche abstellen zu wollen und
(10)den Abwehrkrieg gegen die Ungläubigen zu organisieren, ein allgemeines
Konzil einberufen, tatsächlich dort aber nur Anhänger und Schmeichler des
Papstes zugelassen, die Evangelischen mit Waffengewalt von der Teilnahme
abgehalten und in deren Abwesenheit das Verdammungsurteil über ihre Leh-
re gefällt; dieses Teufelskonzil sei mit Recht gescheitert. Nun unternehme
(15)man mit dem Interim den dritten Versuch zur Unterdrückung des Evangeli-
ums, unter dem Vorwand, die Einheit in Fragen der Religion wiedergewin-
nen zu wollen. Weil die Zeit dränge, beschränkt sich der Verfasser für dies-
mal darauf, einen wichtigen Artikel des Interims genauer zu beleuchten, den
Abschnitt „Von der Messe“. Unter bewusster Missachtung des Sinnzusam-
(20)menhangs im biblischen Text teile das Interim die Einsetzungsworte Jesu ´
auf: „Nehmet und esset“ beziehe sich auf die heilsame Seelennahrung für alle
Gläubigen, „solches tut zu meinem Gedächtnis“ hingegen setze einen
Opferdienst der Apostel ein. Hier liege eine ähnliche Missdeutung vor wie in
bezug auf die Letzte Ölung am Totenbett, die ursprünglich eine Kranken-
(25)salbung gewesen sei. Die Wirkung der Verfälschung des Sinnes der Abend-
mahlsworte ist nach Meinung des Verfassers eine zweifache: Zum einen isst
und trinkt sich selbst zum Gericht, wer unter solch falschen Voraussetzungen
das Abendmahl empfängt, zum andern wird ein neues Opfer aufgerichtet und
das wahre Opfer Christi am Kreuz missachtet. Der Verfasser ermahnt die
(30)Gläubigen, sich nicht von der einmal erkannten Wahrheit des Evangeliums
abwendig machen zu lassen. Die Widersacher scheuten die öffentliche Aus-
einandersetzung um die rechte Lehre. In Regensburg 1541 hätten ihre Ver-
treter zugestanden, dass die reformatorische Botschaft in vielen Punkten
richtig sei, aber sie wollten ihr nicht Raum geben, weil sie unter allen Um-
(35)ständen ihre Macht festzuhalten trachteten. Darum errichteten sie nun das
Interim als einen Abgott, der auf ihr Geheiß anstelle Christi verehrt und
geküsst werden solle. Mehrfach betont der Verfasser, es sei jetzt nicht Zeit
zum Disputieren, sondern zum Bekennen, da den Gegnern nichts an Erkennt-
nis der Wahrheit liege. Er schärft jedem einzelnen in seiner Leserschaft seine
(40)Verantwortung für den Erhalt und die Ausbreitung der evangelischen Lehre
ein; er warnt vor Verleugnung der Wahrheit und Abgötterei; jeder stärke die
ihm anvertrauten Personen im Glauben. Dazu empfiehlt er die Schriften

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Luthers und anderer treuer Lehrer, vor allem aber die Heilige Schrift selbst.
Der Verfasser bereitet seine Leserschaft auf eine drohende Leidenszeit vor,
tröstet aber auch: Konnte Gott das Konzil scheitern lassen, das mit so gro-
ßem Aufwand vorbereitet worden war, so wird er auch das Interim zunichte
(5)machen können, das von drei Sophisten in einem Winkel erdacht wurde. Der
Verfasser wendet sich im Gebet an Gott um Hilfe gegen die Verfolger. Gott
züchtige auch seine Kinder, aber doch nur für kurze Zeit, sein Zorn aber
werde die Widersacher treffen. Der Verfasser verweist darauf, dass das Licht
des Evangeliums sich immer weiter in Europa ausbreite und selbst unter den
(10)Türken gepredigt werde, während die angeblichen obersten Repräsentanten
der Christenheit es verfolgten, wie könne man da im Mutterland der Refor-
mation die Wahrheit verleugnen? Der Text schließt mit einem Gebetswunsch
um Hilfe gegen die Widersacher des Evangeliums und um baldige Wieder-
kunft Christi. Den Abschluss bildet ein Ausdruck von Martyriumserwartung,
(15)ein Mischzitat aus Sir 35,21 und Gen 4,10.

4. Ausgaben

Nachgewiesen werden können mindestens drei15 verschiedene Ausgaben:
A: Ein kurtzer bericht || vom Jnterim / darauß man leicht || lich kan die leer
(20)vnd Geist desselbigen || Buchs erkennen / Durch Theodorum || Henetum
allen fromen Christen || zu dieser zeit ntzlich vnnd || trstlich. || Esaias
8. || ¶ Beschliset einen Rath vnd werde nichts || draus. || ¶ Beredet euch
vnd es bestehe nicht / denn || hie ist Emanuel wider welchen weder rath
|| noch hlff was gelten mag / wie Sa= || lomon sagt. || 1548
. [11] Bl. 4°
(25)(VD 16: F 1440)
Vorhanden:
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dg 4501 â
Görlitz, Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften bei den Städti-
schen Sammlungen für Geschichte und Kultur: D theol 413
(30)Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 5 an: 8 J
GERM II, 6436
Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: If 3603 (13); If
4390 (11)
Leipzig, Universitätsbibliothek: Kirchg. 1113/8
(35)Lutherstadt Wittenberg, Bibliothek des Lutherhauses: Kn A 299/2105;
SS 3193

|| [96]

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 513 Theol. (7); Alv Ef 103 (6);
G 672.4 Helmst. (2) [benutztes Exemplar]; H 407.4 Helmst. (9); H 92.4
Helmst. (5); S 206.4 Helmst. (10); S 210.4 Helmst. (14); S 320b.4
Helmst. (7); Yv 1595.8 Helmst.
(5)B: Ein kurtzer bericht || vom Jnterim / darauß man leicht || lich kan die leer
vnnd Geist desselbigen || Buchs erkennen / Durcch [!] Theodorum ||
Henetum allen fromen Christen || zu dieser zeit ntzlich vnnd || trstlich.
|| Esaias 8. || ¶ Beschlisset einen Rath vnd werde nichts || draus. || ¶
Beredet euch vnd es bestehe nicht / denn || hie ist Emanuel wider
(10)welchen weder rath || noch hlff was gelten mag / wie Sa= || lomon sagt.
|| 1548
. [11] Bl. 4° (VD 16: F 1438)
Vorhanden:
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dg 4500
Budapest, Országos Széchényi Könyvtár (Nationalbibliothek): Ant. 2379;
(15)Ant. 2538 (3)
Dresden, Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek: Hist.eccl. E 261,2
Halle, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: AB 155 587 (9)
Kiel, Universitätsbibliothek: 1 in: Cb 4366
München, Bayerische Staatsbibliothek: 4 H.ref. 340 d
(20)C: Ein kurtzer bericht || vom Jnterim / darauß man leicht || lich kan die leer
vnnd Geist desselbigen || Buchs erkennen / Durch Theodorum ||
Henetum allen frommen Christen || zu dieser zeit ntzlich vnnd ||
trstlich. || Esaias 8. || ¶ Beschlisset einen Rath vnd werde nichts || draus.
|| ¶ Beredet euch vnd es bestehe nicht / denn || hie ist Emanuel wider
(25)welchen weder Rath || noch hlff was gelten mag / wie Sa= || lomon
sagt. || 1548
. [12] Bl. 4° (VD 16: F 1437)
Vorhanden:
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz: Dg 4501
Gotha, Forschungsbibliothek: Theol. 4 447-448 (3)
(30)Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8 TH
IREN 60/958; TH IREN 66/5 (15) RARA
Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek: 4 Bud.Theol. 179 (11);
4 Theol. XLI,7 (7); 8 MS 25 860 (24)
Wien, Österreichische Nationalbibliothek: 20.Dd.859
(35)Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 231.96 Theol. (11); Alv U 146
(11); J 609.4 Helmst. (4); L 482.4 Helmst. (9); S 207.4 Helmst. (2); S
212.4 Helmst. (5)
Aus dem Vergleich der verwendeten Typen mit eindeutig identifizierten
bzw. signierten Drucken schließt man auf die Magdeburger Offizin des Mi-
-
chael Lotter16 als Herstellungsort aller drei Ausgaben. A und B sind weithin
identisch im Satz, Ausgabe C weist mehrere Erweiterungen und eine Kür-
zung gegenüber A und B auf; das zunächst leer gebliebene zwölfte Blatt leg-
te es nahe, Ergänzungen vorzunehmen. Dass diese Ergänzungen eine große
(5)sprachliche und sachliche Nähe zum Text der „gemeinen Protestation“17
aufweisen,18 spricht dafür, die Entstehung der „gemeinen Protestation“ in
etwa gleichzeitig mit Ausgabe C des „kurzen Berichts“ anzusetzen. Entge-
gen der seit Preger19 herrschenden Auffassung ist deshalb davon auszugehen,
dass die Abfassung des „kurzen Berichts“ früher erfolgte als die der „ gemei-
(10)nen Protestation“
.20 Der Edition liegt Ausgabe A zugrunde, die Textänderun-
gen in C sind im Apparat berücksichtigt.

Kommentar
1  Demgegenüber setzt der Text der „gemeinen Protestation“ (unsere Ausgabe Nr. 5, S. 143–179)
bereits Gewaltmaßnahmen voraus. Am 21. Juli 1548 wusste Melanchthon von solchen in Re-
gensburg
, Schwäbisch Hall und Augsburg. Vgl. Melanchthon an Valentin Korte in Lübeck, Wit-
tenberg
21. Juli 1548: MBW 5, 320f (Nr. 5231). Auch deshalb ist die bislang seit Preger (Flacius
I
, 58–62) übliche Vorordnung der „gemeinen Protestation“ vor den „kurzen Bericht“ aufzugeben.
2  Vgl. Augsburger Interim, Vorrede, bes. S. 4: „[...] das alle stende zu befürderung gemeines
friedes, ruhe und einigkeit obbestimpten ratschlag dieser zeit guetwillig gedulden, denselben nit
anfechten noch dawider leeren, schreiben noch predigen lassen [...]“.
3  Vgl. die Marginalie auf Blatt B 4v; B 4r schreibt Flacius auch im Text schon von „drey Sophis-
ten“, er wird also nicht erst nachträglich erfahren haben, um wen es sich handelte (anders Wasch-
büsch, Alter Melanchthon
, 76f). Dass er in der „gemeinen Protestation“ noch im unklaren über
die Urheber gewesen sei, was für eine zeitliche Vorordnung der gemeinen Protestation vor den
kurzen Bericht sprechen könnte, trifft nicht zu; denn in der gemeinen Protestation spielt er
gleichfalls auf sie an, verzichtet aber auf die Namensnennung, in C 1r schreibt er von „einer
newen Lehr (Interim genandt), so durch einen vorwegen Gottesverreter oder drey gemacht ist,
welche sonst an jhrem vorigen schandflecken vnd bubenstcken (wie der gantzen welt bekandt
ist) hetten jhr lebenlang genugsam abzuwischen gehabt, wenn sie sich gleich nicht vnderstanden

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hetten, auffs new an Gottes wort Ritter zu werden.“ Auf Blatt G 3r nennt er Eisleben (Johann
Agricola
) sogar, aber bezeichnenderweise nur in einer Praeteritio: „Von dem vorzweiffelten, ab-
trnnigen buben Eißleb, der die Himlischen Gtlichen Ler so frech vnd mutwilligen verfelschen
darff, wollen wir auff dis mal nichts sagen.“
4Flacius veröffentlichte die „gemeine Protestation“ (unsere Ausgabe Nr. 5, S. 143–179) unter
dem Pseudonym „Joannes Waremundus“, für die Schrift „Wider das Interim“ (unsere Ausgabe
Nr. 15, S. 753–770) wählte er „Christian Lauterwar“. Wechselnde Pseudonyme waren wohl auch
ein Mittel, um in der Öffentlichkeit die Erwartung zu wecken, in den Schriften seien neue Argu-
mente zu finden. In seiner „Entschuldigung [...] an einen Pfarrherrn“ (VD 16 F 1369) interpretiert
Flacius die pseudonyme Veröffentlichung der Schriften als Ausdruck der Bescheidenheit oder
doch fehlenden Ehrgeizes (vgl. Waschbüsch, Alter Melanchthon, 73, Anm. 124).
5  Zum folgenden vgl. allgemein Preger, Flacius; Oliver K. Olson, Art. Flacius Illyricus, in: TRE
11 (1983), 206–214.
6  Vgl. Preger, Flacius I, 59. Matthias ist eine gräzisierte Form des hebräischen Eigennamens
"y מַתַּנְיָהוּ – „Gabe JHWHs“; dies wiederum ins Griechische übersetzt, ergibt Θεόδωρος. ’Ενετόι
sind die Veneter an der Nordküste des Adriatischen Meeres.
7  Heute Labin, Kroatien.
8  Hier fand er Aufnahme im Hause des Simon Grynäus und freundete sich mit Johannes
Oporinus
an.
9Matthias Garbitius, Griechischprofessor und ein Landsmann des Flacius, nahm ihn hier in sein
Haus auf. Er lernte Joachim Camerarius kennen und schloss Freundschaft mit dem Mediziner
und Botaniker Leonhard Fuchs.
10  Vgl. WA.B 10, 327-333. Lupetina wurde nach zwanzigjähriger Haft als Ketzer ertränkt, die
reformatorische Bewegung in Venedig ausgerottet.
11Preger (Flacius I, 24 und II, 232) nennt ihren Namen nicht; Anfang 1564 starb sie bei der
zwölften Geburt. Am 23. Oktober 1564 verheiratete sich Flacius mit Magdalena Ilbeck, die mit
ihrer Mutter, einer Pfarrerswitwe, in Regensburg wohnte (Preger, Flacius II, 233).
12  Vgl. unsere Ausgabe Nr. 12: Predigt wider das Interim (1548), S. 698f.
13  Vgl. Eberhard H. Pältz, Art. Jena, in: TRE 16 (1987), 559–563.
14  Vgl. Irene Dingel, Art. Wigand, in: TRE 36 (2004), 33–38.
15  VD 16 F 1439 wird nicht mehr als eigenständiger Druck geführt, weicht von VD 16 F 1440
anscheinend nur durch einen zusätzlichen Punkt auf dem Titelblatt ab.
16  Vgl. Reske, 580.
17  Vgl. unsere Ausgabe Nr. 5: Gemeine Protestation, S. 143–179.
18  Der Ausdruck ‚Conciliabulum‘ für das Trienter Konzil findet sich z. B. im „kurzen Bericht“
nur im Rahmen der Zusätze in C, in der „gemeinen Protestation“ und in späteren Texten verwen-
det Flacius ihn hingegen häufiger.
19  Vgl. Preger, Flacius I, 58–62.
20  Anders Waschbüsch, Alter Melanchthon, 76, der allerdings auch die Ergänzungen in C an-
scheinend nicht beachtet.
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