Einleitung
1. Historische Einleitung
Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen war am Ende des Schmalkaldischen Kriegs auf der Lochauer Heide durch kaiserliche Truppen gefangengenom-
(5)men worden und hatte sich auf Gnade oder Ungnade dem Kaiser ergeben.
Dieser zeigte sich unnachgiebig und verurteilte Johann Friedrich zunächst
zum Tode, dann begnadigte er ihn zu Gefangenschaft unbestimmter Dauer
bei Verlust der Kurwürde und eines großen Teils seines Territoriums. Bei
alldem hatte sich Johann Friedrich als standhaft und beherzt erwiesen. Im
(10)Juli 15481 trat der Kaiser mit einer neuerlichen Zumutung an ihn heran, näm-
lich mit der Aufforderung zur Umsetzung des Interims in den ernestinischen
Teilen des Landes Sachsen. In dieser Situation, da im Stammland der Refor-
mation das Erbe Luthers, die Wahrheit des Evangeliums hochgradig gefähr-
det schien, formulierte Greff sein Trostlied für Johann Friedrich. Aus dem
(15)Text lassen sich mehrere Absichten des Verfassers erschließen: 1. ideelle
Unterstützung für Johann Friedrich und Bestärkung in seiner bis dahin ge-
zeigten Kompromisslosigkeit, was Glaubensfragen anbelangte; 2. Beeinflus-
sung der öffentlichen Meinung, die in Teilen Johann Friedrich die Schuld am
Ausbruch des Schmalkaldischen Kriegs gab, nämlich als Folge der Fehde
(20)gegen Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, und nicht wahrhaben woll-
te, dass der Kaiser darin nur einen willkommenen Anlass gefunden hatte,
längst gehegte Absichten in die Tat umzusetzen und zum vernichtenden
Schlag gegen das Evangelium im Reich auszuholen. Wenn die Bereitschaft
der Untertanen stieg, zur Verteidigung der Freiheit des Evangeliums notfalls
(25)auch Leiden auf sich zu nehmen, erleichterte dies für Johann Friedrich die
Entscheidung, die Einführung des Interims abzulehnen. 3. Wurde die öffent-
liche Meinung dahin beeinflusst, dass sie eine ablehnende Haltung ihres
Fürsten und seiner Söhne gegenüber dem Interim guthieß und für richtig
hielt, so ergab sich damit zugleich ein zusätzliches Gegengewicht gegen eine
(30)mögliche Annahme des Interims, weil diese dann auf Unverständnis bei den
Untertanen gestoßen wäre.2
2. Der Autor
Joachim Greff3 wurde um 15104 in Zwickau als Sohn des dortigen Kantors Paul Greff geboren. Ab 1529 studierte er in Wittenberg und wurde Lehrer in
Halle und Magdeburg, schließlich wohl 1535 Rektor der Dessauer Latein-
(5)schule. Für den Schulbetrieb verfasste er zahlreiche Dramen meist nach
biblischen Vorlagen, aber auch die erste gedruckte deutsche Übersetzung
einer antiken Komödie für Schulaufführungen stammt aus Greffs Feder, eine
Versübertragung der Aulularia des Plautus.5 Anlässlich einer Schulauffüh-
rung zu Himmelfahrt 1543 wurden Unstimmigkeiten zwischen Greff und ei-
(10)nem Teil der Dessauer Geistlichkeit offenkundig, so dass Greff sich um Un-
terstützung nach Wittenberg wandte. Er erhielt sie neben andern auch von
Luther selbst, der in einem Brief an Greffs Landesherrn, den Fürsten Georg
von Anhalt, die Verurteilung von harmlosen Schulaufführungen missbilligte,
man solle nicht Neutrales als verdammungswürdig hinstellen.6 Wohl ab 1549
(15)stand Greff als Pfarrer in Roßlau bei Dessau, hier starb er im November
1552 mit seiner Ehefrau7 an der Pest.
3. Inhalt
Der Verfasser formuliert aus der Perspektive des ehemaligen Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen: Dieser ist gefangen, angeblich als besiegter
(20)Landfriedensbrecher, tatsächlich aber als Bekenner des Evangeliums. Ehe-
malige Freunde und Verwandte, Nachbarn und Bekannte wenden sich gegen
ihn, obwohl er ihnen nur Gutes erwiesen hat und kein Mordbrenner ist wie
Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, dessen Treiben er Einhalt geboten
hat. Johann Friedrich und die Seinen wollen sich das Evangelium und die
(25)deutsche Freiheit nicht vom Papst nehmen lassen. Die Farce eines angebli-
chen Konzils zu Trient kann daran nichts ändern. Der Kaiser ist schlecht be-
raten, verhetzt und irregeführt. Man ist ihm Gehorsam schuldig, solange er
sein Amt recht gebraucht, aber wenn er sich als Tyrann aufspielt, muss man
ihm entgegentreten und Widerstand leisten.
(30)Hätte Johann Friedrich die Machenschaften im Zusammenhang mit dem
Trienter Konzil geduldet oder gar unterstützt, dann hätte er keine Schererei-
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en zu befürchten gehabt, im Gegenteil. Noch tut man, als sei das Interim eine
fromme Unternehmung, tatsächlich aber hat man es auf die protestantische
Konfession und auf die Freiheit des Vaterlandes abgesehen. Dagegen hat Jo-
hann Friedrich angekämpft, und deshalb ist er jetzt gefangen. Die öffentliche
(5)Meinung verurteilt Johann Friedrichs Verhalten bislang noch, als habe er den
Krieg verursacht.
Das Kreuz kommt, man muss Verfolgung leiden und sträubt sich. Mit dem
Interim und seiner „ungesunden Lehre“8 will man Deutschland das ewige
Gut nehmen. Weltlicher Besitz hilft nicht gegen Teufel, Tod und Hölle, al-
(10)lein das Evangelium hilft, und um das zu behalten, muss man das zeitliche
Gut und notfalls das Leben daransetzen. Christus allein bleibt unsere Hoff-
nung. Mit dem Dank für das Evangelium verbindet sich die Bitte um Ab-
wehr der falschen Lehre und der Wunsch, Gott möge auch den Kaiser von
der Wahrheit des Evangeliums überzeugen, damit er selig wird.
(15)Der Juli 1548 hat für Johann Friedrich einen besonders schweren Schicksals-
schlag gebracht, nämlich die Forderung nach Einführung des Interims, aber
mit Gottvertrauen kommt er darüber hinweg und hält am Evangelium, an
Gottes Wort fest. Was Johann Friedrich leidet, hat Gott als Strafe für seine
Sünden verhängt, aber er straft die Seinen väterlich. Land und Leute stehen
(20)in Gottes Hand, er nimmt und gibt. Auch wenn er sich eine Weile zornig
stellt, hat doch seine Barmherzigkeit kein Ende. Gott ist treu und führt nicht
in die Irre. Christus schenkt uns seine Gnade und Gerechtigkeit statt unserer
Sünden; wir haben Gott zu danken für die Sündenvergebung durch das Amt
der Schlüssel, das er seinen Dienern verliehen hat. Johann Friedrich freut
(25)sich auf das ewige Leben in der Gemeinschaft mit Gott und allen Gläubigen,
hofft aber zugleich auch noch auf Befreiung in diesem Leben. Gott weiß die
rechte Zeit. Johann Friedrichs Söhne sollen sich selbst und ihren Vorfahren
keine Schande machen, ihre Mutter in Ehren halten, an Gottes Wort festhal-
ten. Jedermann soll für Johann Friedrich beten. Freund und Feind möge Gott
(30)nicht länger widerstehen, sondern zufrieden sein mit dem, was ihnen recht-
mäßig zusteht, treu sein und Frieden halten, denn die Welt hätte ihn nötig.
Gott möge seinen Frieden schenken!
4. Ausgaben
Nachgewiesen werden kann folgende Ausgabe:A: Ein Trostlied zu || Ehren dem gefangnen Crist || lichen Churfuͤrsten /
HERtzog Jo= || hans Fridrich . gestelt an freunde vn || Feinde auff den
thon . Mag ich || Vngluͤck nicht widerstan / || Jm Jar . 1548. || Ach es ist
verkehrt alle Welt || Wie gar starck leit vntru zu feldt. || Wie hart leit
gerechtickeit gfangen / || Hoch thut vngerechtickeit prangen. || Warheit
man schweigen mus vnd sol || Liegen ist kein schand vberall. || Doch
lieg die Welt gleich ymerhin || So wil ich dir mit rechtem sinn || Die
Warheit sagen so from ich bin. [8] Blatt 8° (VD 16 G 2990)
(5)Vorhanden:
Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek: 8° H. sax.
reg. I, 4006
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 925.17 Theol. (31) [benutztes
Exemplar]9
(10)Der Text des Liedes ist abgedruckt bei Rochus von Liliencron, Die
historischen Volkslieder der Deutschen, IV, 433–441 (Nr. 560).10