|| [A 2r:] Oft wenn ich gelesen habe Jn der Heiligen schrifft der Juͤden Abgt-
terey,1 habe ich mich vber die masse verwundert vnd entsetzt, auch schier
nicht gleuben knnen, das so viel Leute, ehe denn man sichs versehen, von
so hellem Liecht Gttlicher warheit gefallen, falsche Lehr vnd Gottesdienst
(5)angenommen. Jtzund aber sehen wir leider mit grossem hertzleidt, wie der
Adel vnnd Pawer, Fuͤrsten vnnd Stedte, welchen Christus, wie Paulus saget,
fuͤr die augen gemalet war,2 dahinfallen vnnd sich dem Antichrist vnnd
Teuffel opffern, das sichs gleich ansehen lest, als weren sie nicht bey gutter
vernunfft, sondern vom Teuffel besessen. Vnd das solchs von jhnen3 nicht
(10)mit vnwarheit geredt wird, mus jderman bekennen, der da bedencket, das
etliche mechtige Herrn vnnd Fuͤrsten tausentmal geneigter vnnd vleissiger4
sein, das Interim anzurichten, denn sie vormals gewesen, da sie das Euange-
lion annamen vnnd dem volck zu predigen erleubten.
Wolan, es fare zum Teuffel, wer da will! Jch byn des gewis, das mein Herr
(15)Jhesus Christus lebet vnnd gleube festiglich, er wird sich kuͤrtzlich5 mit sei-
ner grossen, mechtigen krafft vnnd Herrligkeit dermassen sehen lassen, das
die Scharhanssen6 wuͤnschen vnnd sagen werden: „Ach hetten wir lieber mit
dem lblichen gefangenen Churfuͤrsten7 Christum besten- || [A 2v:] digk beken-
net denn mit den Jnterimisten triumphiret.“ Jedoch, so noch etliche weren,
(20)die bey Christlicher warheit zu vorharren gedencken, wollen wir zu dersel-
bigen sterckung vnnd zur schmach den abtruͤnnigen maulchristen etliche ar-
gument, fuͤrnemlich wider die Meß auffs allerkuͤrtzte als wir knnen, erzelen
Vnd anfenglich ein wenigk von den Opffern sagen. Die Papisten vnnd Jnte-
rimisten plaudern viel von Opffern vnd wollen dadurch jhre Meß erhalten,
(25)geraten auch entlich in die narheit vnd blindheit, das sie der Heiden opffer
billichen vnd zum behelff, jhre Meß damit zu bestettigen, fuͤren.8 So war ist
das gemeine sprichwort: „Wer eine luͤgen schmuͤcken will, der bedarff
andere sieben fette vnd wolgemeste darzu.“9 Wir aber, so die ware rechte
Christliche Lehr von den opffern wissen, knnen vorstendlich vnd kuͤrtzlich
dauon lehren, wollen derhalben diesen bericht thun.
Nachdem vnser Vater Adam gefallen vnd durch seinen vngehorsam die suͤn-
de auff alle menschen vnd der todt durchgedrungen,10 hat Gott alsbaldt dem
(5)Menschlichem geschlecht zugesagt, das durch des Weibes samen solt der
schlangen der kopff zutretten,11 das ist: Suͤnde, Todt vnd alle macht des
Teuffels zurstret vnd zunicht gemacht werden. Mit welcher verheissung
Gott verkuͤndiget hat, es wuͤrde einer nicht || [A 3r:] von Mannes, sondern
Weibessamen geborn werden, der den menschen durch sein blut Gott vor-
(10)snen, von allem jammer, darein er gefallen, erlsen vnnd zur erbschafft
ewiges lebens widderbringen wuͤrde. Diese verheissung hat Gott im Paradiß
gethan vnnd darnach offt erneuert, hat auch geordnet mancherley opffer, die
gleich wie ein finger auff Christum gewiesen, vnd das Gesetz gegeben, vnter
welchem, wie Paulus zun Galatern am iij. Capittel saget,12 gleichwie vnter
(15)einem zuchtmeister das menschliche geschlecht geuͤbet vnd verwaret gewe-
sen ist, biß das die verheissung erfuͤllet vnd der same kommen ist. Nun aber
Gott seine verheissung gegeben, sind wir nicht mehr vnter den satzungen
vnnd schatten von dem, das zukuͤnfftigk war,13 noch vnter dem zuchtmeister,
sondern haben Christum selb. Welchs leiden vnnd verdienst, so wir mit dem
(20)glauben fassen vnnd vns zueignen, so empfahen wir vergebung der suͤnden,
heiligen Geist vnd ewiges leben. Vnnd auff das wir ja dis dester fester vnd
bestendiger gleuben, hat er vns gegeben sein wort vnnd Sacrament, durch
welche er vns seinen guͤttigen gnedigen willen erkleret vnnd wir vnsern glau-
ben vben vnd stercken sollen. So nun, wie Paulus zun Galatern vnnd He-
(25)breern vnnd sonst an andern rtern mehr nach der lenge lehret,14 alle Cere-
monien vnnd Figuren des alten Testaments auffgehaben, auff || [A 3v:] das wir
deste mehr Christum selbst annemen, so wolt ich gerne von den Papisten
vnnd Jnterimisten aus der Heiligen schrifft hren, mit welchem grund odder
schein sie solche eusserliche Ceremonien, Opffer vnd Gottesdienst, welche
(30)des Babsthumbs voll gewesen, widder in die Kirchen einfuͤren wollen. Diß
sey gesagt von den opffern mit einschliessung des ersten Arguments widder
die Meß.
Folget das ander argument: Alle Gottesdienst, one vnd widder Gottes wort
aus menschlicher andacht gestifftet, sind Abgttisch. Die Papistische Meß ist
(35)one vnd widder Gottes wort. Darumb ist sie ein lautter Abgtterey. Das sie
one Gottes wort ist, beweise ich mit diesem grunde: Jn dem Abentmal des
Herrn hat Christus nichts eingesetzt denn allein die Communion odder
niessung des Leibs vnnd Bluts Jhesu Christi. Welchs aus der Euangelisten
historien klerlich erscheinet vnd ferner aus den worten Pauli erkleret wird:
j. Chor. xj.15 So knnen die Jnterimisten auch das geringste nicht ertichten,
wie Christus in seinem Abendmal die Meß solt gestifftet haben, damit sie
sich nicht selber inn die backen hawen16 vnnd luͤgen straffen. Denn das ist
(5)vnwiddersprechlich war: Da Christus sein Leib vnd Blut denen, die mit jhme
zu tisch sassen, reichet, spricht er: „Nemet hin, esset! Nemet hin vnnd
trincket!“ Diese || [A 4r:] wort seint jhe klar vnnd deutlich genug geredt vnd
werden gesagt von dem dingk, so den Communicanten gereichet wird. Der-
halben knnen noch sollen sie von nichts anders vorstanden vnd genommen
(10)werden wider17 dauon sie geredt sein, als nemlich von dem Leib vnd Blut
vnsers Herrn Jhesu Christi, so die gleubigen in der niessung des Sacraments
empfahen. Jch wil allhie trotz bieten dem Eißleben, Pflug18 vnnd andern
Jnterimisten, das sie etwas hiewider reden, vnd weiß fuͤrwar, wenn sie gleich
fuͤr19 schreien vnd liegen20 mit allen jhren gesellen zurbersten sollten, das sie
(15)dennoch nichts, das nur ein kleinen schein der warheit haben mocht, erfuͤr-
bringen wuͤrden. Wollen sie aber etwas anders daraus machen denn Christus
beuohlen hat, so ist dasselb im grund nichts anders denn Brod vnd Wein.
Denn, wie oben gemelt, die wrter „nemet hin, esset. Das ist mein Leib“,
„Nemet hin, trincket. Das ist mein Blut“ sollen vnd muͤssen von keinem
(20)andern ding verstanden werden wider von dem, das vns in der einsetzung des
Abentmals gegeben vnnd von vns in der Communion empfangen wirt.
Weil denn, wie offt gesagt, die wrter „Das ist mein Leib“ etc. nicht knnen
vorstanden werden als allein von dem Leib vnnd Blut Jhesu Christi, welches
die gleubigen in der Communion empfahen, wenn sie sich gleich mit jhrem
(25)luͤgentichten zu tode druͤber marterten, so ist es ja ein teuffelische, vnsinnige
vormessenheit21 vnnd || [A 4v:] verachtung Gottes des Allmechtigen, das sie –
welchs gleichwol die Papisten in jhren Canonibus noch nie gethan haben –
schlecht Brod, welches von jhnen geopffert wird, Gottes Sohn nennen vnnd
anstat des waren Heilandes vnd einigen opffers Jhesu Christi ein newen
(30)Christum vnd opffer daraus machen drffen. Das aber die Messe widder
Gottes wort sey, ist aus diesem fundament zu mercken: Die wrter „Esset,
trincket. Thut solchs zu meinem gedechnis“ ziehen sie mit gewalt, wider des
Herrn Christi befehl, widder die helle klare außlegung des heiligen Apostel
Pauli auff ein ander werck. Christus spricht, wir sollen sein Leib essen vnnd
trincken vnnd seiner dabey gedencken.22 So sprechen sie: „Nein, wir sollen
jhn opffern.“ Jst das nicht den gleubigen das Abentmal des Herrn verendert
vnnd verdamlich gemacht. Denn, wie Paulus spricht, wers nicht isset vnnd
trincket zum gedechtnis des Herrn, der isset vnd trincket jhm das gericht.23
(5)Das aber die Jnterimisten die geschicht odder Historien des Melchisedechs
allegiren,24 kan niemandt verfuͤren denn wer sich selbst mutwilligk wil
verfuren lassen. Denn die wort Gen. xiiij25 gedencken gar keines opffers.
Dazu, wenn solch groß geheimnis – wie die Jnterimisten fuͤrgeben – darin
verborgen were, halt ich wol, es hets vns S. Paulus in der Epistel an die
(10)Hebreer, da er weitleufftigk diesen text handelt,26 nicht verschwiegen.
|| [B 1r:] Was belanget den text Malachiae,27 ist denena leicht zu verstehen, die
da wissen, das das heilige Euangelion von Christo damals fast in gantz Asia
durch den Propheten Daniel vnd andere Gottfuͤrchtige Juͤden war außge-
breittet. Solche ausbreitung vnd Predigt des Euangelij nennet der Prophet ein
(15)Opffer Vnnd redet nicht vom zukuͤnfftigen Opffer der Papisten, sondern von
kegenwertigen, die bereit die Heiden thaten, zelt also die Geistliche opffer28
kegen29 dem Leiblichen, vnreinen, gottlosen opffer der Juͤdischen Priester,
die Gottes wort felschten vnnd vntreulich lereten. So er aber diese Juͤdische
opffer mit den heilosen Gotslesterlichen Messopffern – wie die Papisten
(20)daruon plaudern – gegeneinander gehalten hette, wuͤrde er one zweifel nicht
der Juͤden, sondern der Papisten opffer geschendet vnd verworffen haben.
Das dritte Argument: Es ist ein gewisse anzeigung,30 das die Meß ein lautter
menschen tandt vnnd Teuffels fuͤndlein ist, dieweil jhrer wider Christus noch
die Apostel gedencken, so sie doch sonst mit grossem ernst vnnd vleis alle
(25)ntige stuͤcke Christlicher Lehr getrieben also, das sie den Knechten vnnd
Megden, wie die in jhrem beruff leben sollen, vorgeschrieben. Were die Meß
bey jhren zeiten ein solch seligk opffer gewesen, wie die Jnterimisten
geiffern, – die, so von geringem vleissigk die Christen vormanet, wuͤrden
viel weniger der grossen vnnd nttigsten stuͤck vorgessen haben. || [B 1v:]
Derhalben auch viel ernstlicher die Meß der Kirchen ehrlich zu halten
befohlen. Aber dauon find man inn jhren schrifften kein wrtlein, on das sie
des Herrn Christi befehl halten vnd vleissigk von der niessung des Leibs vnd
Bluts Christi lehren. Hieher gehret auch, das vnser Herr Gott ernstlich
(5)gebeut, das wir widder zur rechten noch zur lincken von seinem wort
wancken sollen.31
Zum vierden: Wenngleich die Christen das Abentmal des Herrn nach seiner
einsetzung in der Communion recht empfahen, dennoch kan es fuͤrnemlich
vnd eigentlich kein opffer, ya auch kein danckopffer genennet werden. Denn
(10)die werck, die Gott den menschen erzeiget,32 als das er vns geschaffen hat,
erneeret, erhelt vnnd ewiges leben zusagt, knnen mitnicht opffer genennet
werden, sondern vnsere werck, die wir Gott erzeigen zum zeugnis, das wir
jhn fr den rechten Gott bekennen vnnd ehren, dieselbigen werden opffer
genennet, als da sind gewesen der Leuiten opffer vnd das vorsuͤneopffer
(15)vnsers Heilands Jhesu Christi, da er sich dem Himlischen Vatter fuͤr vnsere
suͤnd am stam des Creutzes geopffert hat. Die Communion aber ist ein
werck, darmit sich vnser Herr Gott gegen vns gnedigk erzeiget. Denn gleich-
wie der diener im namen Jhesu Christi teuffet, absoluirt vnd mit dem Heili-
gen Euangelio trstet, also reichet er vns an Christi stat auch sein Leib vnd
(20)Blut also, das wirs von jhm in der Communion empfangen vnd nicht, wie in
der Meß geschicht, opffern || [B 2r:] sollen, vnd solches bringen die wort des
Abentmals selbst klerlich mit sich, die also lauten, das der Herr Jhesus jhnen
sein Leib vnd Blut gereichet vnnd zugleich beuohlen habe, das sie nur hin-
nemen vnnd geniessen sollen, das es aber vnserm Herrn Gott zu opffern sey,
(25)wirt nirgent in der Heiligen schrifft beuohlen.
Derhalben gleicherweis, wie es nicht mein werck odder opffer ist, wenn
mich der Priester an Christi stat teuffet, absoluiret vnd mir vorgebung der
suͤnde vorkuͤndiget, also kan das hochwirdige Sacrament des Altars, das mir
der Priester reichet, auch nicht mein opffer genennet werden, ja die Papisten
(30)wissens selbst wol, das Sacramentum vnnd Sacrificium nicht ein ding ist.
Denn vnter so viel Sacramenten, die sie erzelen, drffen sie keines ein Sacri-
ficium odder opffer nennen denn allein das hochwirdige Sacrament des
Altars. Mchte derhalben gern die vrsach solches vnterscheids von den Pa-
pisten hren, das sie so eben die Communion zu einem opffer machen, so
(35)doch die andern Sacramenta nicht Sacrificia odder opffer genennet werden.
Das aber die Communion von den Altuettern „Eucharistia“ ward genennet,
ist darumb geschehen, das allezeit auff die empfahung des Hochwirdigen
Sacraments des Altars ein gemeine dancksagung der Kirchen gefolget ist.33
Denn diese Ceremonien wuͤrde bey den Alten schier gleicher weiß begangen,
wie sie jtzund in || [B 2v:] vnsern Kirchen gewnlich gehalten wird.34 Wer kan
aber nicht vorstehen, das dieser nam Eucharistia odder dancksagung sich
auff das Sacrament des Altars nicht eigentlich reumet? Denn auff solche
(5)weiß konte wol eines jglichen Christen malzeit „Eucharistia“ geheissen wer-
den, darumb das er vor vnnd nach der speise Gott dem Herrn fuͤr seine
wolthat dancket. Vber das so mag ein yglich gemein gebet vnd dancksagung
der Kirchen mit recht „Eucharistia“ genennet werden, wenngleich keine aus-
teilung odder darreichung des Sacraments darbey geschicht. Derhalben, so
(10)das kein opffer mag genennet werden, wenn die Christen nach einsetzung
des Herrn Christi das Hochwirdige Sacrament des Altars empfahen, wieviel
weniger kan die schentliche papistische Meß ein opffer sein, welches werck
gewinsts35 halben one vnnd widder Gottes wort vnd des Herrn Christi einset-
zung von Heilosen menschen, ja von dem Teuffel selbst, in die welt gebracht
(15)ist. Ferner wollen wir auch etwas sagen von dem Gotteslesterlichen Canone,
auff welchen die Papistische Mess gegruͤndet ist.
Widder den Canonem.
Es kan niemandt beweisen, das der Canon36 von Christo odder von Aposteln odder von einem Concilio odder von einem frommen, gottfuͤrchtigen, geler-
(20)ten Man, der etwan ein groß || [B 3r:] ansehen in der Christlichen Kirchen
gehabt, gestellet vnd geordnet sey. Denn, wie Gregorius in seinem Register
schreibet,37 so ist er zusamen getragen vnd -gerafft von einem, den er vor-
echtlich „scholasticum“ nennet vnnd keines ehrtittels wirdigk achtet. Viel
weniger kan niemand mit warheit sagen, das er bald nach der Aposteln vnd
(25)rechtschaffen, christlichem Bischoffen tod gehalten. Denn dis ist offenbar,
das bey Fuͤnffhundert yar die Kirche one den Canonem gewesen.38 Das aber
die Jnterimisten sich mit des heiligen Ambrosij Buͤcher „De Sacramentis“39 schuͤtzen wollen,40 da thun sie wie die luͤgener vnd verfuͤrer pflegen, sintemal
jhnen wol bewust, das dem heiligen Ambrosio diese Buͤcher von den geler-
ten nicht werden zugeschrieben.41 Vber das alles so seint mancherley Cano-
nes in Lateinischer vnd Griechischer sprache, die nicht miteinander stim-
(5)men.42 Daraus klerlich erscheinet, das keiner aus denselbigen Canonibus
wider von Christo noch von der Kirchen gestifftet sey.
Von des Canons vorstand vnd meinung: Am ersten teil fuͤr der Consecration,
weil da noch nichts – wie die Papisten selbs bekennen – denn Brod vnd
Wein auff dem Altar ist, lautet der Canon vnd ist auch seine meinung, das
(10)der Meßpfaff dieselbige gaben vnd geschenck opffere fuͤr die heilige Kirche
zu erlsung der seelen || [B 3v:] vnd begere fuͤr solche opffer Heil, wolfart,43
gesuntheit vnd erlsung von ewiger verdamnis.44 Lieber, wer ist hie so star45
blindt, der die schreckliche lesterung Gttlicher Maiestet nicht sihet? Denn
anstat des allerheiligsten Opffers vnsers Herrn Jhesu Chrjsti wirdt schlecht46
(15)Brodt vnnd Wein gesetzt. Vnnd solch Brodt vnd Wein wirdt dem theueren
Blut Jhesu Christi, fuͤr vns am Creutze geopffert, gleich geachtet, als hette
Christus nicht genug fuͤr der welt Suͤnde gethan vnd ein ewige erlsung auff
einmal erworben, wir muͤsten auch ein new Opffer von nott wegen erdencken.
Zum andern bittet der Meßpfaff, Gott wolle jhm vnd der Kirchen gnedig
(20)sein, jhn fuͤr allem bsen behuͤten vnnd schuͤtzen vmb der heiligen Aposteln
vnnd Merterer verdinst vnd fuͤrbit willen,47 gedencket mit keinem wort des
einigen waren mitlers Jhesu Christi, durch welchen wir ein zugangk haben
zu Gott dem Vater, inn welches Namen wir auch alles bitten sollen. Alhie
wirt zum andernmal des mitlers Jhesu Christi ampt geschendet vnnd gelestert
vnd andere Mitler auffgeworffen. Es schmuͤcke vnnd lindere solche, wer da
(5)will, so muß ehr doch entlich mit schanden bestehen. Ehr kan nicht fuͤruͤber,
muß zuuor bekennen, das der Lehr des heiligen Geists entgegen. Denn es ist
nur ein einiger mitler zwischen Gott vnnd Menschen, welcher ist Jhesus
Christus.48
Zum dritten, als nun der Meßpfaff wein vnd || [B 4r:] Brodt geopffert vnnd,
(10)wie ehr vermeint, durch solch opffer Gott versuͤnet, so bittet ehr weiter, das
diß Brod vnnd Wein erst der Leib vnnd Blut Christi werde,49 wil abermal
opffern. Diß ist die dritte klegliche verdamliche lesterung Gottes. Denn das
Abentmal des Herrn wirt alhie geendert vnnd auff ein ander werck getzogen
widder die ffentliche einsetzung vnsers Herrn Jhesu Christi, welchs ebenso-
(15)wol ein Suͤnde, ja viel ein grssere Gotteslesterunge ist als wenn man Gottes
wort zur zeuberey mißbraucht.
Zum vierden, nachdem der Meßpfaff die wort des Abentmals gesprochen,
lautet abermal der Canon vnd ist im grund seine meinung, das der Pfaff diese
reine, heilige, vnbefleckte hostien Opffere.50 Ach, das euch verblendte vnse-
(20)lige leute Gott bekere! Lieber, saget vns an, aus was51 macht vnnd befelh
thut jhr solchs? Jch weis zwar wol, das jhr nicht mit einem Puͤnctlein der
heiligen Schrifft euch schuͤtzen knnet. Doch saget her, was jhr wisset, wir
wollens hren. Jhr duͤrffet vns aber die obberuͤrten spruͤche nicht fuͤrbringen.
Denn auff dieselben haben wir droben gnug geantwort. So seint noch vieler
(25)gelerten Buͤcher verhanden, die diese spruͤche verstendlich gnug auslegen.52
Derhalben thut jhr solchs auß Teufflischer vermessenheit vnnd boßheit, one
vnd widder Gottes Wort, dafuͤr jhr Gott dem Allmechtigen am Juͤngestem
tage grosse rechenschafft geben werdet.
Zum Fuͤnfften bittet der Pfaff, Gott wolde || [B 4v:] dieser Hostien gnedig
(30)sein.53 Hie wolt ich gerne von den Papisten vnnd Jnterimisten hren, weil sie
selber sagen, das die Hostie der ware Leib vnsers Herrn Jhesu Christi sey
oder, wie sie ytzund noch viel vnuerschempter dauon reden, der einige Son
Gottes, den sie Gott dem Vater fuͤrstellen, ob sie tzwischen Gott vnnd Chris-
tum seinen Son mitler sein, sintmal sie fuͤr Christum bitten vnnd jhn dem
(35)Vater versnen wollen, oder aber ob Christus der Mittler sey tzwischen jhn
vnnd Gott seinem Vater. Es muss ja gar ein alber,54 vnuerstendiger mensch
sein, der alhie abermal nicht mercket die schreckliche lesterung Gttlicher
Maiestet vnd die grobe, greiffliche, vnuerschempte luͤgen des Teuffels.
Zum sechsten bittet der Pfaff, Gott wolle dis opffer ansehen vnd jhm also
(5)gefallen lassen wie jhm gefallen hat das opffer Abels vnnd Abrahams.55 Jst
es war, wie die Jnterimisten gleuben vnnd sprechen, sie opffern den Sohn
Gottes, so ists vber die maß ein grsser vnuerstand vnnd greuliche Gottesles-
terung, das sie bitten, Gott wolle jhm die opfferung seines lieben Sohns also
gefallen lassen wie jhm angenem vnd gefelligk gewesen des Abels opffer.
(10)Denn wer weis nicht, das jhm doch sonst sein eingeborner natuͤrlicher Sohn
tausentmal lieber ist, dieweil eben vmb des Sohns willen jhm alle Creatur im
Himmel vnd Erden gefallen.
Zum siebenden bittet der Pfaff fuͤr die Tot- || [C 1r:] den,56 welchs in der schrifft
nicht befohlen, vnnd ist der Lehr vom glauben gar entgegen. Wer an Chris-
(15)tum gleubet, der kompt nicht ins gericht, sondern ist vom tode zum leben
hindurchgedrungen, Johannis v.57
Zum letzten vnd beschlus widder den lesterlichen Canon: Weil die Sacra-
ment Gottes ordnung vnd Testament sein, die kein Creatur widder im Him-
mel noch auff Erden zu endern oder auff ein andern brauch vnnd werck
(20)widder die einsetzungk zu ziehen macht hat,58 so ist der gantze Canon Gott-
loss, welcher im Abentmal des Herrn ein ander werck one vnd widder Gottes
wort einfuͤret, vnnd wenn auch gleich nur ein danckopffer vorstanden wuͤrde,
welchs doch die Jnterimisten im grund nicht meinen, sondern gruͤbeln vnnd
suchen jhren grewel, die Papistischen Mess damit zu erhalten vnnd zu beste-
(25)tigen. Dis hab ich von der schrecklichen vnnd vnleidlichen lesterung des
Canons auff dismal anzeigen wollen. Denen nun dieser grewel nicht zu
hertzen gehet vnnd groß duͤncket, die fragen gewisslich gar nicht nach Gott
odder jhrer seelen seeligkeit.
Jch achts fuͤr vnntig, jhre falsche glosen zu verlegen.59 Denn diese bestie
(30)des Canons ist so grausam vnd vnfletigk, das jhr scheutzlich gestalt von
keinem schmuck kan bedeckt vnd gezieret bleiben. Solchs mus jederman
sagen, der dis schrecklich thier nur einmal recht angesehen hat. || [C 1v:] Dazu
dienet vnd hilfft vns nicht ein wenig, das Er60 Eißleben, so jtzund der vor-
nemste vnter den Jnterimisten ist, fuͤr etlichen jaren selber widder die Meß
(35)vnnd den Canon geschrieben.61 Wiewol er negst, da mit jhm ein recht Christ-
-
licher, frommer vnnd gelerter Fuͤrst in kegenwertigkeit seines Gnedigsten
Herrn von dem Interim, Meß vnd Canon disputiret Vnd jhm der Hochge-
dachte Fuͤrst vorgeworffen, das er selb widder den Canon geprediget vnd
geschrieben, diese vnbeschlieffene grobe antwort geben: Es sey geschehen in
(5)jener zeit, da die Papisten nicht recht von der Meß hielten vnnd noch in
jhrthumb steckten. Nun sie aber im rechten vorstant vnnd wege weren,
mchte man den Canon wol one suͤnde lesen vnd behalten. Darauff jhm der
lbliche Herr geantwortet: Jst der Canon zuuor Gottloß vnnd Abgttisch
gewesen, als jhr dawidder geschrieben habt, seind auch die Papisten jtzund
(10)bekeret vnd auff rechter ban, so wirt hierauß folgen, das der Gottlose Canon,
weil er nun widder jhre rechte meinung streitet, muß entweder abgethan
odder ja gebessert werden. Wollen sie aber jhren Gottlosen Canonem vnge-
endert behalten, so geben sie damit an tag, das sie noch in voriger Abgt-
terey zu verharren gedencken, vnnd jhr handelt derhalben nicht auffrichtigk,
(15)wollen nicht sagen, wie einem treuwen Seelsorger geziemet, das jhr die
gemeine Gottes ergert vnnd zum abfall reiner Lehr vrsach gebt in dem, da jhr
saget, die Papisten seint durch euch zu Christo bekeret. || [C 2r:] Es ist auch
der Hochgedachte Fuͤrst darauff kommen, das er gesagt, vns duͤncket die
wort vnd meinung des Canons lauten vnd bedeuten noch nichts anders denn
(20)wie vnnd was sie fuͤr xx jaren vnd damals, da jhr darwidder geschrieben,
gelautet vnnd bedeutet haben. Derhalben ist damals der Canon Gottloß
gewesen, so wirt er jtzund nichts besser sein. Er ist vnnd bleibt der alte
Canon vnd behelt seinen vorigen schmack,62 jr werd vielleicht den mund
verwenet63 haben, das so euch zuuor bitter geschmackt, jtzund euch eittel
(25)zucker vnd honigk duͤncket.64
Bald nach dieser disputation hat sich Eisleben bey etlichen seinen gesellen
berhuͤmet, er habe einen grossen Beer gefangen, vnd diese seine verbluͤmbte
rede hat er selbs erkleret vnd gesprochen, er hette den Fuͤrsten vberwunden
vnd auff seine meinung gebracht. Es darff nicht wort. Er ist ein trefflicher
(5)jeger, dieweil er so leichtlich hohe Adler vnd grosse beren fangen kann.65
Aber der tolle verblente jeger sihet leider nicht, das er selber von eim andern
gefangen ist, der jhn bald auff ein ewige fleischbanck zur ewigen mater
fuͤren vnd legen wirt. Hieraus sihet man, wie ein verzweiffelter vnuer-
schempter heuchler vnd bube er sey. Wiewol dis noch viel ein gewisser an-
(10)zeigung ist seines luͤgen- vnd lestergeists, das er sich vnterstehet, aus vnsers
lieben Herrn Vaters, seliger gedechtnis, Doctoris Martini Luthers Buͤcher
allen grewel des Babsts zu verthedigen, so doch der thewre man Gottes in
seinem gantzen leben nichts an- || [C 2v:] ders gethan, denn das er sich widder
den Antichrist gesetzt. Jch bit dich, christlicher leser, was meinstu, das man
(15)von eim solchen losen Man halten sol vnd denen, die jhn wie einen Engel
vnnd newen Gesetzgeber vom Himmel gesand auffnehmen, ehren vnd
preisen? Es hat nicht on vrsach vnd suͤnderlich bedencken vnser lieber Vater,
Doctor Martinus, diesen vnartigen, schedlichen menschen gleich als ein
gemeine vorgifftung gemieten, da er vermerckt, was er im schilde fuͤrete. Es
(20)leben noch glaubwirdige Menner, die fuͤr etlichen jaren bey Doctor Martino
kurtz fur seinem abscheid mit andern gelerten, frommen Mennern gewesen
vnd aus seinem waren mund gehret haben, da etliche Eißleben entschuͤl-
digen wollten, das der liebe Vater zorniglich geantwort: Was wolt jhr mir
viel Eißleben entschuͤldigen? Eißleben wird vom Teuffel getrieben, der jhn
(25)gar eingenommen. Jr werdet wol erfahren, was er nach meinem todt fuͤr ein
lerm wirt anrichten.66 Diese vnsers lieben Vaters weissagung, wie warhaff-
-
tigk sie sey erfuͤllet, lernt vns die erfarung. Denn dis Interim kuͤmpt fuͤrnem-
lich aus der Margk,67 welchs leichtlich zu beweisen ist. Denn erstlich ist zu
Franckfort an der Oder ein Magister vnnd sonderlicher alter freund des
Eißlebens,68 der bekennet ffentlich, das sich schon fuͤr v jaren Eißleben
(5)gerhuͤmet, er wiesse radt vnd that, wie man der streittigen Religionsachen
knde abhelffen vnd die Lehr vergleichen. || [C 3r:] Dazu, da er fuͤrm jare auff
den Reichstag kegen Augspurgk ziehen vnd zu Berlein69 auff den wagen
steigen solt, hat er sich hren lassen, er ziehe nun dahin als ein reformator
gantzes deutschen Landes.70
(10)Ferner hat er von Augspurgk an seine bekante geschrieben, er habe dem
Euangelio ein groß breit fenster auffgethan – ja freilich nicht, das es in die
Kirche gelassen odder da es schon gekommen vnd gepredigt wirt, darinne
bleibe, sondern das es vberal außgetrieben wuͤrde –, er habe den Bapst refor-
miret, den Keyser bekeret vnd Lutherisch gemacht. Nun wirt guͤlden zeit
(15)sein, das Euangelion sol in aller Bischoffen Lender vnd in gantz Europa
geprediget werden etc.71 Letzlich aber, als er von Augspurgk gereiset, hat er
im heimzuge Doctor Glatio72 zugeschrieben: Non solum adfui compositioni
interim, sed etiam praefui.73 Zu Dessaw aber hat er sich fuͤr einem warhaff-
tigen, bestendigen Man geruͤhmet, wie er viel guts zu Augspurgk gestifftet
(20)vnnd außgerichtet het, auch vnter andern seinen lblichen thatten erzelet,
was er fuͤr gunst vnd gnad bey Keyserlicher Maiestet erlanget. Der Keyser
habe jhm geschanckt fuͤnffhundert Kronen, der Ferdinandus fuͤnffhundert
Thaler. Vber solche verehrung vnd geschenck habe jhm auch der Keyser
durch einen Bisschoff zugesagt, er wolle seine tchter mit grosser ehrlichen
(25)morgengabe außsteuern, wenn sie sich werden verehlichen.74 Also kan der
Judas sein lohn, so er fuͤr die verretterey des Herrn || [C 3v:] Christi empfan-
gen, selber nicht verschweigen, muß sich seiner lblichen thatten rhuͤmen.
Dis hab ich darumb vom Eißleben anzeigen wollen, auff das jederman wuͤs-
te, was von diesem mameluck75 vnd dem gantzen Interim zu halten sey, vnd
(5)welchem man diese zurstrung, verfolgung vnnd jamer der Kirchen billich
zuschreibet.
Wir wollen auch ein wenig sagen von der vorrede, die man fuͤr der Meß le-
sen sol, vnnd etlichen seinen argumenten, damit er seine lesterung gedenckt
zu erhalten. Er hat ein sophistische vorrede gestellet, mit welcher er widder
(10)wil den armen gewissen ein liebe machen zur Bapistischen Meß. Nun seint
viel streffliche vnnd vnleidliche stuͤck, darinnen wir wollen aber auff dißmal
nur iij anzeigen. Zum ersten ists ein greiffliche luͤgen, das er sagt, er stelle
nach Christi gebot Gott dem Vater seinen Sohn fuͤr.76 Denn dis gebot wirt in
keiner schrifft gelesen, weil die wort des abentmals des Herrn allein zur
(15)communion gehren, wie der Apostel Paulus j. Corinth. xj genugsam bezeu-
get.77 Zum andern ists ein grosse vnnd den Christen vnleidliche Gottesleste-
rung, das er Brot vnd Wein darff den Leib vnnd Blut Christi nennen.78 Denn
die wrter „nemet hin, esset, trincket“ etc. gehren allein auff die com-
munion der gleubigen vnd sonst auff kein ander werck, wie oben genugsam
(20)erkleret ist. So nu jemand aus dem abentmal des Herrn etwas anders wil
machen || [C 4r:] widder die einsetzung des Herrn, der verendert die ordnung
Christi, thut widder seinen willen. Darumb seint jhm nun die wrter Christi
nicht krefftigk vnnd heilsam. Derhalben ists gewis, das die Papisten opffern,
anbeten vnd vmbtragen, das ist im grund nichts anders denn lautter Brot vnd
(25)Wein vnd ist, wie gesagt, ein grosse lesterung, das sie solch Brot vnnd Wein
den Sohn Gottes duͤrffen heissen. Zum dritten wirt das gedechtnis des leidens
vnsers Herrn Christi von der gleubigen communion oder niessung seins
Leibs vnd Bluts in ein gauckelwerck gewandelt, welchs dem Abentmal ein
raub Gttlicher ehr ist, vnnd kan nicht geschehen one gefahr der Gottfuͤrchti-
(30)gen.
Contra Islebij Argumenta.
Das er fuͤrgibt, man mchte wol etliche geringe mangel vnd jrthumb, ob sie gleich widder die schrifft sein vmb fried vnnd außbreitung des Heiligen
Euangelij willen leiden, widder annemen vnnd vnangefochten bleiben lassen,
darauff ist erstlich vnsere vnd anderer antwort, das mehr denn ein vnuer-
schempte luͤgen ist, da er sagt, durchs Interim werde das Euangelion weitter
geprediget werden. Denn das Interim ist fast inn allen puncten dem Euangel-
io entgegen. So wirts auch in keiner Papistischen Kirche angericht.79 Denn
(5)die Papisten habens zuuor in jhren Kirchen. Daher kuͤmpts, das sie es nicht
Interim, sondern Iterum heissen vnnd das aus vnsern Kirchen Christus
widderumb durch dis Buch außgetrieben wirt. || [C 4v:] Zum andern, so seinds
nicht so geringe stuͤck, wie er treumet, die man sol eingehen, sondern die
wichtigsten vnd nttigsten artickel vnsers Christlichen glaubens von verge-
(10)bung der suͤnden, rechtfertigung des menschen, vom einigen waren mitler,
vnserm Herrn Jhesu Christo, vom Abentmal des Herrn, welche alle in dem
Buch vertunckelt vnd gefelschet werden. Zum dritten: Weil er das exempel
Mosi vnd der Apostel fuͤrwendet,80 ist zu wissen, das ein grosser vnterscheid
ist zwischen Eißleben, Mosi vnd den Aposteln. Denn die gewiß den Heiligen
(15)Geist vnd zeugnis gehabt, das sie in der Lehr nicht irren knnen. Eißleben
aber hat offt grblich, nicht in kleinen, sondern grossen artickeln geirret vnd
widderruffen.81 Mit was ernst ers aber gethan, wirt er am Juͤngsten tag recht
fuͤlen. Denn Gott lest sich nicht wie die menschen effen.82 Zum vierden: So
ists auch gar viel ein anders, wenn man etliche mangel ein zeitlang duldet
(20)nots halben odder sonst vmb etwas guts willen, gleichwie Moses vnd die
Apostel gethan haben. Denn so man – wie jtzt im Interim geschicht – Gesetz
machet, auff das ffentliche Gotteslesterung fuͤr heilig ding vnd Gottesdienst
gehalten, dasjhenige aber, so recht vnnd Gott wolgefellig ist, fuͤr jrthumb
vnnd ketzerey verworffen vnnd verfolget werde. Zum fuͤnfften ist es viel ein
(25)ander ding, so man mit denen, die sich von gantzem hertzen der warhafftigen
Lehr beuleissen83 ein zeitlang inn || [D 1r:] etlichen dingen gedult hat, gleich-
-
wie Moses vnd die Apostel offtmals dem volck Gottes etwas zu gut hielten.
Denn so man etwas nachlest denen, die jhren gantzen vleis dahin richten,
auff das Gttliche Lehr gantz vnnd gar vortilget werde. Zum sechsten ist ein
grosse, mechtige vnterscheid darzwischen, ob etwas zu erbawung oder zu
(5)vorstrung der Kirchen fuͤrgenommen werde. Der Apostel decret de suffoca-
to et sanguine84 dienete zu Christlicher einigkeit, auff das die Predige des
heiligen Euangelij dester fuͤrderlicher vnnd weiter ausgebreitet wuͤrde. Aber
durch das Gotlose Interim werden die Christlichen kirchen zerstrewet vnd
verstret, wie solchs die erfarung außweiset, nicht one grosse bekuͤmmernis
(10)aller frommen Christen. Vnd es ist hoch vonnten, das man alle diese vnter-
scheid vleissigk in acht habe, auff das jrthumb vermieden wuͤrde.
Er spricht: Moses hat widder Gottes gebot die beschneidung vierzigk jar
(15)nachgelassen vnnd den scheidbrieff geben.86 Die Apostel haben Gesetz ge-
ordnet vom Blut vnd erstickten.87 Sanct Paulus hat ein heidnisch geluͤbd ge-
than.88 Darumb muͤgen wir auch den widdersachern vnnd feinden des Euan-
gelij, wens gleich widder Gottes wort ist, etwas nachgeben. || [D 1v:] Wenn
jemand alhie Eißleben fragete, was jhn duͤncket, ob er odder sonst ein ander
(20)seins gleichen kuͤnte vnnd duͤrffte die Tauffe xl yar nachlassen oder obs recht
were, wenn man widder den scheidbrieff geben wolt, da wuͤrde er, halt ich –
so er anders noch bey sinnen ist –, darauff antworten, es wer beides vnrecht,
wenn mans wolte anrichten. Jst jhm nun dieses nicht zugelassen, welches
Moses vnd die Aposteln gethan haben, viel weniger wirt jhm was anders,
(25)welches er demselbigen gemeß vnd ehnlich achtet, zuthun gebuͤren. Moses
hat nicht aus seinem gutduͤncken die beschneidung nachgelassen, sondern
die not, welche offt viel gutte Gesetz bricht, hat jhn dazu verursacht vnd
gedrungen. Denn der beschnittenen kunte man nicht, wie die natur erfordert,
in der wuͤste warten vnd pflegen, weil sie teglich musten durch gebirg vnd
(30)wildnis reisen. Den scheidbrieff aber hat er jhn nicht gebotten als ein heilig
vnnd Gttlich ding, sondern on zweiffel aus Gottes willen auff etliche zeit
zugelassen. Es ist erstuncken – ich darff nicht sagen erlogen –, das Paulus
ein Heidnisch geluͤbd gethan. Denn von diesen geluͤbden ist genugsam
geschrieben: Numeri vj.89 So haben die Aposteln auch nichts newes
(35) || [D 2r:] geordnet,90 sondern haben aus viel wichtigen vrsachen, die jtzund zu
erzelen vnnttigk sein, die alte gebreuch vernewert, wie man aus der vorrede
des hochgelarten Herrn, vnsers lieben Praeceptoris Philippi Melanthonis
sihet vnd lernet, die man lateinisch findet in dem gesprech zu Worms gehal-
ten Anno xl.91 Doch warumb wil ich mich mit so eim verbosten, verstockten,
(5)gottlosen man in weitter gezenck begeben vnnd von so geringen sachen, wie
er vermeint, disputieren? Das gantze Euangelium Christj wirt im Interim
gefelschet vnnd nicht in die welt außgebreittet, sondern wo Christus zuuor ist
gepredigt, da wirt er jtzt ausgetrieben. Denn die rechtschaffene gelerten
trewen Prediger werden mit jhren Weibern vnd Kindern jtzt verjagt, etliche
(10)gefenglich eingezogen vnd getdtet.92 Das ander Buch, welchs sie ein refor-
mation93 genennet, vnd der Papisten grausames wuͤten vnd toben zeuget ge-
nugsam an, was Eißleben durch sein lbliches reformieren fuͤr nutz vnnd
frommen geschaffen hat Vnd wie weit das Euangelion vnter den Papisti-
schen Bischoffen gepredigt wirt, die da schreien, man sol das Interim nicht
(15)Interim, sondern Iterum heissen.
Damit wir aber ein ende machen, wollen wir zum beschlus das bekentnis vnd
vrteil vom || [D 2v:] Interim, die zween fuͤrtrefflichen Interimisten, hieran set-
zen. Julius Pflugk, da er negst zu Begaw etlicher falschen groben artickel
vberwiesen,94 hat er ffentlich in kegenwertigkeit vieler glaubwirdigen Men-
(20)ner bekennet vnnd gesaget, es sey leider war, das noch viel falsches vnnd
abgttisch in dem Interim stuͤnde, vnd wenn mans annimpt, bestettiget wuͤr-
-
de. Aber er sey des keine vrsach. Denn ein Hispanischer Muͤnch, Dominicus
de Soto95 genant, habe das Interim verfelscht. Wiewol er nun weis vnnd
bekennen mus, das dis Interim voller Abgtterey stecket, jedoch helt er
allenthalben an, das mans annemen sol. So lieb vnnd theuer acht er die zeit-
(5)liche ehr, das er daruͤber der ewigen vergisset.
Da der Eißleben von Augspurgk heim kommen ist vnnd ein lange disputa-
tion vom Interim mit dem Probst zu Berlin in gegenwerts anderer Predican-
ten gehabt, hat er entlich dem Brobst seine rechte hand geben vnnd gesagt,
es ist ja gewis war, wer das Interim helt, der ist ewigk des Teuffels. Vnnd im
(10)Predigen hat er das Interim offt also entschuͤldigen wollen: Was belanget die
anruffung der heiligen, stehet im Interim, man muͤge wol sagen „heiliger
Petre, bitte fuͤr mich!“ Dis aber wil ich nicht thuen vnnd jhr solts auch nicht
thuen. So kan vns diese Gottlose anruffung nicht irren vnnd schaden.96 All-
hie lachet vnnd spottet der || [D 3r:] Eißlebe beyde, Gott vnnd die Menschen,
(15)gleich, als were es recht, das man also heuchelt vnnd drfft97 nicht die lester-
liche anruffung der Heiligen straffen vnd verdammen.
Hieraus kanstu, christlicher leser, wol verstehen, was die Jnterimisten selber
von jhrem Interim halten. Weil sie nun bekennen, das dis Buch Gottlos ist
vnnd wers annimpt, das er des Teuffels sey, so sihe wol zu, der du bisher
(20)hast wollen ein Christ sein, mit was98 gewissen du die Gotteslesterung wider
annimpst vnnd von rechter Lehr vnd erkanter warheit abfellest. Jch wil jeder-
man hiemit treulich gewarnet vnnd vermanet haben, das so lieb jhm seine
seele seligkeit ist, so vleissigk er auch zu Gott vmb gnade ruffe, das er be-
stendigk bleibe im waren erkentnis vnnd bekentnis Jhesu Christi.
(25)Nicht weit von Bonna am Rein ist ein Prediger gewesen, der hat das Euange-
lion von Christo recht geprediget. Als er aber sich hat vberreden lassen vnd
das Interim angenommen, ist er darnach in verzweifflung gefallen vnd hat
sich selbst erstochen.99 Aus diesem exempel Gttliches zorns muͤgen alle
abtruͤnnige Jnterimisten lernen, das Christus noch lebet vnd in diesem vnd
(30)zukuͤnff- || [D 3v:] tigen leben richten wirt die jhn fuͤr den Menschen alhie
verleugnen. Denn er sagt: „Die mich ehren, die wil ich widder ehren. Die
mich bekennen fuͤr den Menschen, die wil ich widder bekennen fuͤr meinem
Himlischen Vater.“100 Vnser lieber Herr Jhesus Christus gebe, das wir nicht
in versuchung gefuͤret werden.
Newlich ist ein abtruͤnniger Fuͤrst gewesen. Derselbige, da er lang mit einem
(5)Gottsfuͤrchtigen Lehrer vber dem Canone gestritten hatte vnnd entlich nicht
abbrechen konte dem Geist der weißheit, welcher durch den mund der
trewen Lehrer redet, so sie fuͤr Fuͤrsten vnd Herrn stehen, hat er jhn mit sol-
chen worten angefahren: „Jhr Lutherischen werdet doch nicht auffhren, bis
so lang das jhr vns abermals ein blutbad anrichtet.“ Diese vnnd andere
(10)dergleichen lesterwort der Gottlosen wollen wir dir, lieber Herr Christe, der
du ein richter vber die todten vnd lebendigen bist, heimstellen vnd bitten
dich, du wollest solche gifftigen schmehewort, die man auff vns, deine
Bruͤder, leuget, zu deiner zeit nicht vngerochen101 lassen.
Ach lieber Herr Christe, wir fallen den widdersachern one vnterlas des
(15)friedes halben zu fuͤssen! Wir bitten vnnd flehen demuͤtigk, auff das sie vns
nur diese heilsame Lehr, die du dem Menschlichem geschlecht aus der schos
des || [D 4r:] Himlischen Vatters bracht vnnd offenbaret hast,102 vnuerfelschet
behalten mchten. Nichsts dester weniger muͤssen wir diejhenigen sein, die
nach vergiessung Christliches Bluts streben. Ach kum, lieber Herr Jhesu,
(20)kum bald103 vnd erklere mit deinem gerechten gestrengen gericht, welche
part104 luͤgen vnnd morth stiffte! Amen.
Spreche ein yeder Christ Amen.
Anno 1549.