Text

Eines Sächsichen Maidlein Klag und Bitt (1548)
bearbeitet von Hans-Otto Schneider
[Inhaltsverzeichnis]

|| [957]

Einleitung

1. Historische Einleitung

„Eines sächsischen Maidlein Klag und Bitt“ ist nicht datiert; da aber in
Strophe 6 das Interim erwähnt wird und da der Sammelband aus dem Besitz
(5)Johann Wigands, in dem der seltene Druck erhalten geblieben ist, die Jahres-
zahl 1549 trägt, so ergibt sich als Entstehungszeitraum der Bereich zwischen
Mitte 1548 und Ende 1549. Die Spuren der Verwüstungen infolge des
Schmalkaldischen Krieges waren noch frisch, noch trieben fremde Söldner
im Lande ihr Wesen. Nach der Gefangennahme Johann Friedrichs von Sach-
(10)sen und Philipps von Hessen fehlte es auf protestantischer Seite mehr denn je
an einer Führungsgestalt, die die Opposition gegen Karl V. hätte einen kön-
nen. Dabei vermutete man in der Unterwerfung der evangelischen Stände
lediglich einen ersten Schritt zur Verwirklichung noch weiter reichender Plä-
ne des Kaisers. Letztlich gehe es ihm um eine grundstürzende Umgestaltung
(15)der alten Ordnungen des Reiches zur Stärkung der Zentralgewalt in Gestalt
eines habsburgischen Erbkaisertums, unter Minderung der hergebrachten
Rechte der Reichsstände.1 Dem wirksam entgegenzutreten musste auch im
Interesse der altgläubigen Stände liegen.

2. Inhalt


(20)Das anonym veröffentlichte Lied umfasst 18 vierzeilige Strophen in Knittel-
versen. Es ist formuliert als Klagegebet einer jungen Frau, die ihr Vaterland
Sachsen, aber auch Deutschland insgesamt und seine Bewohner aufs höchste
gefährdet sieht durch landfremde Mächte, nämlich durch den Papst, durch
den in den Niederlanden geborenen Spanier Kaiser Karl V. und durch dessen
(25)spanische Söldner und Gefolgsleute. Nach den Verheerungen und Zerstö-
rungen, die der Schmalkaldische Krieg bisher bereits über Land und Leute
gebracht hat und die bei gewaltsamer Durchsetzung der kaiserlichen Anord-
nungen noch zunehmen werden, drohe nun mit dem Interim eine Vergewal-
tigung auch der Gewissen. Hilfesuchend hält die Beterin Ausschau nach
(30)einem Retter aus dieser Not, dem allein sie Freundschaft und Zuneigung zu
schenken verspricht. Zwei Gestalten von entscheidender Bedeutung für die
‚deutsche‘ Geschichte nennt sie, nämlich den Cheruskerfürsten Arminius
und Kaiser Otto III., und sie erbittet nun einen dritten solchen Helden, der
Deutschland die Freiheit zurückbringen soll, einen Jehu, das heißt kaum ver-
(30)schlüsselt: einen Tyrannenmörder.

|| [958]

3. Ausgaben

Nachgewiesen werden kann folgende Ausgabe:
A: Eines Sechsi= || schen Meidlein klag vnd || bitt. Jm thon / Erhalt vns
Herr || bey deinem Wort.
[3] Blatt 8° (VD 16 S 1280)
(5)Vorhanden:
Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek: 925.17 Theol. (38) [benutztes
Exemplar]
Das Titelblatt zeigt das ganzfigurige Bild (Halbprofil) einer gestikulierenden
weiblichen Person mit bekränztem Haar, bekleidet mit einem reich ge-
(10)bauschten bürgerlichen Gewand der Zeit. Der Druck wird von VD 16 der
Offizin von Christian Rödinger d. Ä. in Magdeburg zugewiesen.2 Eine nahe-
zu unkommentierte Textedition des Liedes liegt vor in: Rochus von Lilien-
cron, Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhun-
dert IV, Leipzig 1869 (ND Hildesheim 1966)
, 460–462 (Nr. 570). Die Stro-
(15)phen 1–10 sind auch ediert in: Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder
mit Abhandlung und Anmerkungen herausgegeben von Ludwig Uhland. Mit
Einleitung von Hermann Fischer. Erster Band: Liedersammlung Buch 1–5.
Nachträge. Quellen. Liederanfänge, Stuttgart und Berlin o. J., [2. Halbband]

230f (Nr. 354), unter der Überschrift „Das sächsische Mägdlein“.

Kommentar
2  Zu ihm vgl. Reske, Buchdrucker, 581. 1000.
Seite drucken

XML: http://diglib.hab.de/edoc/ed000234/maidlein/einleitung.xml
XSLT: http://diglib.hab.de/edoc/ed000234/tei-transcript.xsl